Sozialgericht Dortmund Urteil, 14. Apr. 2014 - S 32 AS 4882/12
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab dem 01.08.2012 bis zum 08.09.2013 dem Grunde nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagtes zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (nachfolgend: SGB II) dem Grunde nach.
3Der am 18.03.1955 in Niscemi, Italien, geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger.
4Er ist seit dem 01.11.2009 in Dortmund gemeldet.
5Der Kläger sprach erstmals im Dezember 2009 bei dem Beklagten vor, um Leistungen zu beantragen. Er machte geltend, er habe zuvor in Italien gearbeitet. Er konnte dabei keine genauen Angaben zu seinem bisherigen Lebenslauf machen und erklärte, ihm sei bei bzw. nach der Einreise nach Deutschland, seine Tasche mit allen Unterlagen gestohlen worden.
6Zunächst wurde er auf den möglichen Bezug von Arbeitslosengeld aus Italien hingewiesen und stellte jedenfalls keinen vollständigen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.
7Von März bis September 2010 ging der Kläger einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung als Bauhelfer bei der XXX nach.
8Im März 2010 sprach er erneut vor und beantragte im Hinblick auf seine geringfügige Beschäftigung als Bauhelfer aufstockende Leistungen nach dem SGB II.
9Er gab dabei u. a. die XXX als seine Krankenversicherung an und nannte eine Versicherungsnummer, kreuzte aber zugleich an, derzeit nicht krankenversichert zu sein.
10Bei Abgabe des Antragsformulars legte er unter anderem einen ihm am 14.01.1997 von der ‚XXX ausgestellten Sozialversicherungsausweis (Vers.-Nr.XXX) vor. Ferner wurde ein von der Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung erstellter "Druck Stammsatz" vom 25.03.2010 zu dem Kläger, diesmal mit der Vers.-Nr. XXX, vorgelegt. Aus den dortigen Angaben ergibt sich, dass es sich bei der Vers.-Nr. XXX um eine weitere zugehörige (aber am 18.11.2005 stillgelegte) Versicherungsnummer des Klägers handelt. Eine weitere bereits am 20.01.1982 stillgelegte Vers.-Nr. lautet XXX Ferner ergibt sich daraus die Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover.
11Außerdem legte er einen italienischen Krankenversicherungsnachweis ("Documento per l’assistenza sanitaria") des Krankenversicherers "XXX" vor.
12Nach einem anlässlich seiner SGB II-Antragstellung zusammen mit dem Beklagten erstellten "Lebenslauf" war er vom 01.01.1969 bis 31.12.1971 in Deutschland als Maurer tätig, anschließend bis zum 31.12.1983 als Gesundheits- und Krankenpflegehelfer, anschließend wieder bis zum 31.12.2004 als Maurer. Vom 01.01.205 bis zum 31.08.2009 hielt er sich in Italien auf. Am 01.09.2009 reiste er wieder nach Deutschland ein.
13Nach den Angaben des Klägers in zwei – auf Anforderung des Beklagten erstellten – Schreiben an den Beklagten vom 13.04.2010 und 23.06.2010, in denen es um die Sicherung seines Lebensunterhaltes in der Zeit ab 2005 bis zur Antragstellung ging, lebte er vom 01.01.2005 bis 2006 (Schreiben vom 13.04.2010) bzw. bis zum einem unklaren Zeitpunkt im Verlauf des Jahres 2005 (Schreiben vom 23.06.2010) arbeitslos in Deutschland. Anschließend sei er nach Pisa in Italien gegangen, da er dort Arbeit gefunden habe. Ab 2007 (Schreiben vom 13.04.2010) bzw. 2006/2007 (Schreiben vom 23.06.2010) sei er in Italien arbeitslos gewesen und habe von Ersparnissen gelebt. Ab dem 09.03.2009 sei er zurück nach Deutschland gekommen, da er in Italien keine Arbeit gefunden habe. Im Schreiben vom 13.04.2010 gab er ferner an, er habe hier zunächst von Ersparnissen gelebt. Im Schreiben vom 23.06.2010 heißt es, er habe "von 2009 bis heute ( ) in einer Firma hier in Dortmund auf 400EUR-Basis" gearbeitet.
14Mit Bescheid vom 11.08.2010 lehnte der Beklagte den Antrag wegen fehlender (ausreichender) Angaben zur Hilfebedürftigkeit ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
15Ausweislich seiner Angaben und einer von dem Beklagten angeforderten Arbeitsbescheinigung der arbeitete der Kläger vom 19.07.2010 bis zum 22.09.2010 als Bauhelfer für die XXX.
16Nach seinen Angaben arbeitete er anschließend bei der XXX. Diese erklärte allerdings später auf Anfrage des Beklagten, nie ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger unterhalten zu haben.
17Im Dezember 2010 sprach der Kläger erneut bei dem Beklagten vor. Am 09.12.2010 gab er an, dass er sich ausschließlich zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Nach dem Hinweis, dass sein Antrag wohl wieder abgelehnt werden müsse, falls er nicht weitere Nachweise beibringen könne, erklärte er, dass er dann auf seinen Antrag verzichte. Ein Bescheid wurde nicht erstellt.
18Am 18.02.2011 stellte der Kläger erneut einen Antrag nach dem SGB II.
19Hier gab er an, nicht krankenversichert zu sein. Er sei zuvor zunächst bei der XXX und anschließend bei der XXX beschäftigt gewesen sei. Gegen letzteres Unternehmen werde derzeit auf Zahlung von Überstundenvergütung geklagt.
20Der Kläger reichte einen Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung Schwaben vom 21.02.2011 über sein Konto mit der Vers.-Nr. XXX ein, aus dem sich (nicht kontinuierliche aber zahlreiche) Pflichtbeitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherung im Zeitraum vom 01.07.1979 bis zum 23.06.2004 und weitere Pflichtbeitragszeiten in den Zeiträumen vom 01.03.-31.03.2010, 01.05.-18.06.2010 und 19.07.-22.09.2010 ergeben. Beigefügt war ferner ein erneuter "Druck Stammsatz" vom 21.02.2011 der Deutschen Rentenversicherung zu dem Rentenversicherungskonto des Klägers mit der Vers.-Nr. 29 180355 R 008. Dieses Dokument enthielt vergleichbare Angaben wie der "Druck Stammsatz" vom 25.03.2010 (s. o.), wobei nun die Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Schwaben vermerkt ist.
21Der Kläger legte ferner eine von der Stadt Dortmund am 04.03.2011 ausgestellte Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) in der bis zum 28.01.2013 geltenden Fassung vom 19.08.2007 (§ 5 FreizügG/EU a. F.) vor und eine Mitgliedsbescheinigung der AOK NordWest vom 28.02.2011 für die Zeit ab Beginn des SGB II-Leistungsbezuges.
22Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundessozialgericht (BSG) am 19.10.2010 entschieden hatte, dass der Leistungsausschluss auf Staatsangehörige von Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) keine Anwendung finde (BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – juris), bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.04.2011 für die Zeit ab Februar 2011 (vorläufig) Leistungen nach dem SGB II.
23Auch in der Folgezeit wurden zunächst Leistungen gewährt.
24Mit Bescheid vom 05.01.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012 Leistungen nach dem SGB II.
25Mit Bescheid vom 18.06.2012 nahm der Beklagte die Entscheidung vom 05.01.2012 über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 01.07.2012 ganz zurück.
26Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
27Ein Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz unter anderem gegen die Rücknahmeentscheidung endete für den Kläger mit teilweisem Erfolg insoweit, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet und die Aufhebung der Vollziehung angeordnet wurde (SG Dortmund, Beschluss vom 14.09.2012 – S 22 AS 2845/12 ER –). Die gegen diesen Beschluss zunächst vom Kläger erhobene Beschwerde wurde zurückgenommen.
28Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.06.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass der Beschluss vom 14.09.2012 – S 22 AS 2845/12 ER – nichts an seiner Rechtsauffassung geändert habe.
29Am 21.08.2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20.09.2012 ab. Zur Begründung führte er aus, dass Personen, die nicht deutsche Staatsangehörige seien und sich allein wegen der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, grundsätzlich keine Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II erhielten. Am 19.10.2010 habe das Bundessozialgericht entschieden, dass dieser Leistungsausschluss für Staatsangehörige von Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) keine Anwendung finde. Die Bundesrepublik Deutschland habe jedoch am 19.12.2011 einen Vorbehalt gegen das EFA erklärt. Dieser Vorbehalt sei mit sofortiger Wirkung in Kraft getreten. Damit fänden die Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II auf die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten des EFA wieder Anwendung. Bei dem Kläger liege kein fünfjähriger durchgehender Aufenthalt vor. Er habe auch keinen Arbeitnehmerstatus erlangt.
30Am 08.10.2012 legte der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein.
31Ein wegen der Ablehnungsentscheidung vom 20.09.2012 am 18.10.2012 angestrengtes Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes endete für den Kläger erstinstanzlich insoweit mit teilweisem Erfolg, als der Beklagte im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet wurde, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.11. bis 30.11.2012 in Höhe von 374,00 EUR zu gewähren (SG Dortmund, Beschluss vom 29.10.2012 – S 22 AS 4278/12 ER –).
32Mit (weiterem) Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 wurde der Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen.
33Am 03.12.2012 hat der Kläger die vorliegende Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012 erhoben.
34Nach Klageerhebung in der Hauptsache wurde auf die zum Teil erfolgreiche Beschwerde des Klägers hin der Beschluss des SG Dortmund vom 29.10.2012 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verpflichtet wurde, dem Kläger vorläufig auch für die Zeit ab 01.12.2012 bis zur Bestandskraft des angefochtenen Bescheides vom 20.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012, längstens jedoch bis 31.05.2013 Regelbedarfe nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen (LSG NRW, Beschluss vom 12.12.2012 – L 12 AS 2225/12 B ER –).
35In der Folgezeit wurden dem Kläger mit Ausführungsbescheid vom 18.01.2013 in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des erkennenden Gerichts und des Landessozialgerichts vorläufig Regelbedarfe nach § 20 SGB II für den Zeitraum von 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 gewährt.
36Mit Schreiben vom 13.03.2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Leistungen nach dem SGB II nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 331 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung – (SGB III) vorläufig ganz eingestellt werden, da der Kläger Erwerbseinkommen aus Beschäftigungen bei der XXX und bei Herrn XXX erziele. Vor Auszahlung der Leistungen werden die Arbeitsverträge sowie sämtliche Lohnabrechnungen benötigt. Die vorläufig eingestellten laufenden Leistungen werden unverzüglich nachgezahlt, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, 2 Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird. Von diesen Beschäftigungen hatte der Beklagte durch einen Datenabgleich nach § 52 SGB II erfahren. Der Kläger macht insofern geltend, er habe bei der XXX nie gearbeitet und für Herrn XXX nur an 8 Tagen. Daraufhin nahm der Beklagte die Leistungen vorerst wieder auf.
37Aus einer Meldebescheinigung zur Sozialversicherung und Einkommensbescheinigungen des Herrn XXX vom 15.04.2013 ergab sich das Bestehen einer geringfügigen Beschäftigung im Beschäftigungszeitraum vom 19.11.2012 bis zum 08.12.2012 bei einem Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 300 EUR.
38Mit Schreiben vom 18.04.2013 hörte der Beklagte den Kläger zu einer teilweisen Aufhebung und Erstattung für den Zeitraum 01.11.2012 bis 31.12.2012 an. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.05.2013 hob der Beklagte den Bescheid vom 18.01.2013 für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 31.12.2012 teilweise in Höhe von 80 EUR auf und forderte diesen Betrag zur Erstattung an.
39Bereits am 22.04.2013 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum ab dem 01.06.2013 mit der Angabe, dass sich an seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht geändert habe. Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 10.05.2013 zur Mitwirkung auf und forderte unter Fristsetzung bis zum 14.05.2013 eine Daueraufenthaltsbescheinigung, eine aktuelle Vermieterbescheinigung, vollständige Kontoauszüge bzw. eine Zahlungsübersicht für alle vorhandenen Konten im Zeitraum 01.12.2012 bis 10.05.2013 sowie eine Arbeitsbescheinigung für das Beschäftigungsverhältnis bei Herrn XXX im Zeitraum 19.11.2012 bis 08.12.2012 an. Am 17.05.2013 teilte der Kläger mit, dass er sich seit 1969 dauerhaft in Deutschland aufhalte und daher "keine Aufenthaltsbescheinigung und keine Freizügigkeit" mehr benötige. Ferner reichte er an diesem Tag eine aktuelle Vermieterbescheinigung ein.
40Mit Schreiben vom 21.05.2013 teilte die Stadt Dortmund (Ordnungsamt – Bürgerdienste International) dem Beklagten mit, dass der Kläger sich nach eigenen Angaben seit 1996 im Bundesgebiet aufhalte. Laut Ausländerzentralregister sei der Wiedereinzug jedoch erst im November 2009 erfolgt. Da der Kläger keine Nachweise für einen durchgehenden Aufenthalt erbringen könne, könne keine Daueraufenthaltsbescheinigung ausgestellt werden.
41Mit Bescheid vom 14.06.2013 versagte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 01.06.2013 ganz gem. § 66 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil – (SGB I). Die fehlenden Unterlagen bzw. Nachweise, die mit Schreiben vom 10.05.2013 angefordert worden seien und die für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend benötigt werden, seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vollständig vorgelegt worden.
42Am 18.06.2013 reichte der Kläger bei dem Beklagte bei einer Vorsprache u. a. eine Arbeitsbescheinigung des Herrn XXX vom 21.05.2013 bezüglich einer Aushilfstätigkeit im Zeitraum vom 19.11.2012 bis 08.12.2012 ein, nochmals die Sozialversicherungs-Meldebescheinigung und zwei Lohnabrechnungen.
43Der Kläger erhob gegen den Versagungsbescheid vom 14.06.2013 mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 14.07.2013 Widerspruch, über den, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden ist.
44Am 18.07.2013 suchte der Kläger erneut um einstweiligen Rechtsschutz nach. Das entsprechende Verfahren war bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen S 32 AS 3330/13 ER anhängig. Er trug vor, dass der Versagungsbescheid vom 14.06.2013 rechtswidrig sei und ihm weiterhin Leistungen nach dem SGB II zustehen, und verwies auf die Entscheidungen des SG Dortmund in den Verfahren S 22 AS 2845/12 ER und S 22 AS 4278/12 ER. Ergänzend trug er vor, die der Versagungsentscheidung zu Grunde liegende Aufforderung, Nachweise vorzulegen, sei schon wegen der Mitteilung, dass die Verhältnisse des Klägers unverändert geblieben sein, unrechtmäßig gewesen; gleichwohl seien die entscheidungserheblichen Unterlagen auf Aufforderung vorsorglich eingereicht worden; welche Unterlagen angeblich noch fehlen und inwieweit diese entscheidungserheblich sind, werde im Bescheid nicht explizit genannt. Die Leistungsgewährung sei nicht von der Vorlage einer zeitlich irrelevanten Arbeitsbescheinigung für eine Aushilfstätigkeit abhängig. Auch das Erfordernis, Kontoauszüge im Zeitraum 01.02.2012 bis 10.05.2013 vorzulegen, erschließe sich nicht. Unabhängig davon seien die Kontoauszüge jedenfalls im überwiegenden Zeitraum dem Beklagten bereits aus den vorangegangenen Eilverfahren und den sich anschließenden Beschwerdeverfahren bekannt. Der Beklagte trug im Wesentlichen vor, bei der Bearbeitung des Weiterbewilligungsantrags für den Zeitraum ab dem 01.06.2013 sei es erforderlich gewesen, den Anspruch erneut zu prüfen. Wegen der vom Kläger verschwiegenen Erwerbstätigkeit für Herrn XXX sei es zu einer Aufhebung und Erstattung gekommen. Da der Kläger auf der Grundlage der gerichtlichen Entscheidungen lediglich vorläufig Regelbedarfe nach dem SGB II in Höhe von monatlich 382 EUR erhalten habe, sei auch zu prüfen gewesen, aus welchen Mitteln der Kläger seinen – von der Beklagten nicht genehmigten – Umzug finanziert habe. Deshalb sei auch die Anforderung lückenloser Kontoauszüge bzw. einer Zahlungsübersicht erforderlich gewesen. Er halte daran fest, dass nach der Erklärung des Vorbehaltes bezüglich der Leistungen nach dem SGB II durch die Bundesregierung am 19.12.2011 ab diesem Zeitpunkt das EFA keine Anwendung mehr finden könne und deshalb der Kläger, der sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalte, unter den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II falle. Ob das Beschäftigungsverhältnis für Herrn XXX im Zeitraum vom 19.11.2012 bis 08.12.2012 dem Kläger nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU für sechs Monate, mithin bis zum 08.06.2013, einen Arbeitnehmerstatus verschafft habe, könne ohne die Vorlage der im Schreiben vom 10.05.2013 angeforderten Dokumente nicht beurteilt werden. Der Kläger legte in diesem Eilverfahren zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung vom 15.07.2013, lückenlose Kontoauszüge für den Zeitraum vom 07.01.2013 bis zum vom 20.07.2013 sowie eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III (Formular der Bundesagentur für Arbeit) vom 26.06.2013 für das Beschäftigungsverhältnis bei Herrn XXX vor. Der Beklagte erklärte nach Auswertung der Kontoauszüge, dass danach davon auszugehen sei, dass der Kläger hilfebedürftig gemäß § 9 SGB II sei. Das Gericht verpflichtete sodann den Beklagten in dem Verfahren S 32 AS 3330/13 ER mit Beschluss vom 21.10.2013 im Wege der einstweiligen Anordnung dazu, dem Kläger vorläufig für die Zeit vom 18.07.2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31.12.2013, Leistungen nach dem SGB II im gesetzlichen Umfang – mit Ausnahme von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) – zu gewähren und lehnte den Antrag im Übrigen ab.
45Vom 09.09.2013 bis zum 15.10.2013 war der Kläger als Arbeitnehmer bei der ZB Bauunternehmen GmbH beschäftigt und erzielte ein entsprechendes Erwerbseinkommen.
46Am 14.10.2013 reichte der Kläger bei dem Beklagten den am 09.09.2013 mit Wirkung ab dem gleichen Tage abgeschlossenen Arbeitsvertrag, das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers vom 10.10.2013 (Kündigung zum 15.10.2013) und Lohnabrechnungen sowie weitere Nachweise ein.
47In dem Verfahren S 32 AS 3330/13 ER kam dieses Beschäftigungsverhältnis nicht zur Sprache; es war dem Gericht daher bei der Beschlussfassung am 21.10.2013 unbekannt.
48Der Beklagte setzte zunächst den Beschluss vom 21.10.2013 durch (Ausführungs-) Bescheid vom 18.11.2013 um.
49Unter dem 09.01.2014 erließ er einen Änderungsbescheid, mit dem er u. a. ab dem 09.09.2013 Kosten der Unterkunft und Heizung – allerdings im Hinblick auf einen ohne Zusicherung ausgeführten und aus Sicht des Beklagten nicht erforderlichen Umzug zum 01.03.2013 nur in Höhe der Kosten der bis zum 28.02.2013 bewohnten Wohnung – übernahm und zur Begründung ausführte, dass der Kläger aufgrund seiner Arbeitsaufnahme ab dem 09.09.2013 einen Arbeitnehmerstatus erworben habe und daher ab diesem Tag einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung besitze.
50In einem weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das bei dem erkennenden Gericht am 22.01.2014 unter dem Aktenzeichen S 32 AS 277/14 ER anhängig gemacht wurde, ging es um das Begehren des Klägers, dass der Beklagte die im Zeitraum ab März 2013 aufgelaufenen Rückstände des Klägers in Bezug auf Miete bzw. nach erfolgter Verurteilung zur Räumung durch Versäumnisurteil des AG Dortmund vom 24.10.2013 – 426 C 7403/13 – Nutzungsentschädigung vorläufig nach § 22 Abs. 1 SGB II übernimmt, um eine Vollstreckung des Räumungstitels zu vermeiden. Der Beklagte trug vor, dass dem Kläger zwar ab dem 09.09.2013 bis zum 15.04.2014 wegen Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung am 09.09.2013 ein Anspruch nach dem SGB II zustehe. Jedoch seien ihm für die Zeit davor durch die ergangenen Eilentscheidungen nur Leistungen für den Regelbedarf vorläufig zugesprochen worden und auch soweit Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen seien, sei der Kläger ohne Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II und ohne, dass dies erforderlich gewesen sei, in eine teurere Wohnung umgezogen, so dass nur die angemessenen Kosten maximal in Höhe der Kosten der alten Wohnung zu übernehmen seien. Die Übernahme der hier streitigen "Mietschulden" komme ohnehin nur im Wege eines Darlehens in Frage. Das Verfahren S 32 AS 277/14 ER endete schließlich dadurch, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses nach § 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergangenen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichtes vom 12.02.2014 annahmen. Nach dem Vergleich hatte der Beklagte dem Kläger auf der Grundlage von § 22 Abs. 8 SGB II den zum Ausgleich der Rückstände erforderlichen Betrag von 2.965,65 EUR als Darlehen zu gewähren. Die weiteren Einzelheiten bezüglich der Konditionen des Darlehens, insbesondere bezüglich der Rückzahlung, sollten sich nach § 42a Abs. 2-6 SGB II und einem von dem Antragsgegner zu erlassenden Ausführungsbescheid richten. Die Beteiligten waren sich dabei darüber einig, dass der Darlehensbetrag unmittelbar an die Vermieterin ausgezahlt wird, und dass die Klärung der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch aus § 22 Abs. 1 SGB II auf Übernahme der im Zeitraum seit März 2013 entstandenen Mietzins- bzw. Nutzungsentschädigungs-Rückstände zusteht und ob / inwieweit dieser Anspruch durch die Gewährung einer Beihilfe zu erfüllen ist oder es bei einer Leistungserbringung in Form des vereinbarten Darlehens gem. § 22 Abs. 8 SGB II bleibt, in einem Hauptsacheverfahren erfolgen soll.
51Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger von Anfang an die Auffassung vertreten, der Beklagte berufe sich zu Unrecht auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Dieser sei nicht anwendbar. Insoweit werde auf die Entscheidungen des SG Dortmund in den Eilverfahren S 22 AS 2845/12 ER, S 22 AS 4278/12 ER und S 32 AS 3330/13 ER Bezug genommen. Der Kläger lebe seit 1969 bis auf eine etwa dreijährige Unterbrechung in Deutschland und habe hier seit langem seinen Lebensmittelpunkt. Er besitze ein Daueraufenthaltsrecht. Das EFA stehe der Anwendung des Leistungsausschlusses entgegen; der am 19.12.2011 von der Bundesrepublik Deutschland erklärte Vorbehalt gegen das EFA sei unwirksam. Außerdem verstoße der Ausschluss gegen das Diskriminierungsverbot der VO (EG) 883/2004.
52Der Kläger beantragt,
53unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab 01.08.2012 bis zum 08.09.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.
54Der Beklagte beantragt,
55die Klage abzuweisen.
56Er ist weiterhin der Auffassung, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II schließe einen SGB II-Leistungsbezug des Klägers aus.
57Der Leistungsausschluss sei europarechtskonform. Zudem werde er nicht durch das EFA verdrängt, da dieses wegen des am 19.12.2011 von der Bundesrepublik Deutschland erklärten Vorbehaltes, der seinerseits wirksam sei, nicht mehr auf Leistungen nach dem SGB II anzuwenden sei.
58Mit Beschluss vom 17.04.2013 ist dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt worden.
59Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte S 32 AS 4882/12 und auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den erledigten Eilverfahren S 32 AS 3330/13 ER und S 32 AS 277/14 ER Bezug genommen. Ferner wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
60Entscheidungsgründe:
61Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 i. V. m. § 130 Abs. 1 SGG) zulässig.
62Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 108/10 R – juris (Rn. 9); Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 23)).
63Streitgegenstand ist nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgten, wirksamen zeitlichen Einschränkung des Klagebegehrens nur noch der Leistungsanspruch des Klägers im Zeitraum vom 01.08.2012 bis zum 08.09.2013, zumal sich das zeitlich darüber hinaus gehende Klagebegehren des Klägers nach Auffassung der Kammer durch den Bescheid vom 09.01.2014 erledigt hat. Denn mit diesem Bescheid wurde nicht nur der allein der Umsetzung der vorläufigen Verpflichtung aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 21.10.2013 dienende Ausführungsbescheid vom 18.11.2013 abgeändert, sondern bei sachgerechter Auslegung auch eine eigenständige Regelung des Beklagten gem. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) in Bezug auf den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeit ab dem 09.09.2013 getroffen, die auf der Arbeitsaufnahme des Klägers ab dem 09.09.2013 und dem hierdurch bewirkten Erwerb eines Arbeitnehmerstatus’ und damit – eindeutig und unstreitig – eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung bis zum Ablauf von sechs Monaten ab Ende des Arbeitsverhältnisses beruhte. Dementsprechend hatte der Beklagte auch in dem Eilverfahren S 32 AS 277/14 ER vorgetragen, dass dem Kläger ab dem 09.09.2013 bis zum 15.04.2014 ein Anspruch nach dem SGB II zustehe. Der weitere Leistungsantrag für die Zeit ab dem 01.06.2013 schränkt demgegenüber den Streitgegenstand zeitlich nicht ein, da der Beklagte zu diesem Antrag keine Sachentscheidung vornahm, sondern nur eine Versagung nach § 66 SGB I. Eine solche Versagungsentscheidung besitzt nicht die Wirkung einer Ablehnungsentscheidung zu einem erneuten Leistungsantrag (Erledigung des vorangegangenen Ablehnungsbescheides für die von dem auf den Neuantrag ergangenen Ablehnungsbescheid erfasste Zeit nach § 39 Abs. 2 SGB X ohne gleichzeitige Anwendbarkeit von §§ 86, 96 SGG; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R – juris (Rn. 8); BSG, Urteil vom 31.10.2007 – B 14/11b AS 59/06 R – juris (Rn. 13); BSG, Beschluss vom 19.09.2008 – B 14 AS 44/08 B – juris (Rn. 8)).
64Streitgegenstand ist nur der Anspruch des Klägers dem Grunde nach. Abgesehen davon, dass das Gericht es ohnehin für sachgerecht gehalten hätte, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG zu erlassen, da sich die Höhe des Leistungsanspruchs des Klägers noch nicht abschließend beziffern lassen dürfte und sich zudem durch den Beklagten deutlich leichter berechnen lässt, jedoch zugleich feststeht, dass unter Zugrundelegung der vorstehenden Maßgaben der Höhe nach in irgendeiner Höhe Ansprüche bestehen (vgl. zur Zulässigkeit eines Grundurteils in einem Höhenstreit z. B. BSG, Urteil vom 09.12.2004 – B 7 AL 24/04 R – juris (Rn. 12); BSG, Urteil vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R – juris (Rn. 18); BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 81/12 R – juris (Rn. 10)) sind hier schon vom Kläger keine bezifferten Leistungen begehrt worden. Es liegt kein Höhenstreit vor. Die Klage ist vielmehr eine auf den Erlass eines Grundurteils gerichtete Anfechtungs- und unechte Leistungsklage nach § 130 Abs. 1 SGG; nach der Klageschrift werden sinngemäß Leistungen in gesetzlicher Höhe beansprucht. Trotz der bereits (jedenfalls weitgehend) aus den vorangegangenen Eilverfahren erkennbaren Einkommens- und Vermögenssituation war keine Klageänderung auf eine bezifferte Antragstellung angezeigt, da der Beklagte nach wie vor den Anspruch dem Grunde nach bestreitet und unter isolierter Betrachtung des klägerischen Vortrags ein Auszahlungsanspruch bestünde (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12 – juris (Rn. 24)).
65Die zwischen den Beteiligten ebenfalls umstrittene Frage, in welcher Höhe dem Kläger Leistungen zustehen, insbesondere im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft, wird daher ggf. im Rahmen eines Widerspruchs- und Klageverfahrens zu dem Ausführungsbescheid zu klären sein, mit dem das vorliegende Grundurteil umgesetzt werden wird. Dabei weist das Gericht vorsorglich darauf hin, dass das Vorliegen einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II für die Höhe eines Anspruchs auf Übernahme der Kosten für die Unterkunft nicht konstitutiv ist (vgl. zu § 22 Abs. 2 SGB II a. F. BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 219/10 R – juris (Rn. 19) m. w. N.; BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R – juris (Rn. 27) m. w. N.). Hält der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend, so ist der Streit hierüber unmittelbar bei der Frage auszutragen, welche tatsächlichen Aufwendungen der Unterkunft als angemessen bzw. – trotz Unangemessenheit – nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II weiterhin zu übernehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 219/10 R – juris (Rn. 20) m. w. N.). Die Ablehnung einer Zusicherung beinhaltet zwar einen feststellenden Verwaltungsakt nach § 31 SGB X dahingehend, dass der beabsichtigte Umzug nicht erforderlich ist und / oder die Kosten der neuen Wohnung nicht angemessen sind und dass der Antragsteller daher keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung hat (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 5/10 R – juris (Rn. 13)). Sobald aber der Umzug (dennoch) durchgeführt worden ist, erledigt sich ein solcher feststellender Verwaltungsakte "auf andere Weise" gem. § 39 Abs. 2 SGB X (vgl. Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 170; BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 5/10 R – juris (Rn. 14 f.); LSG NRW, Beschluss vom 08.03.2012 – L 19 AS 2025/11 B – juris).
66Der Zulässigkeit der Klage stehen auch keine abweichenden bestandskräftigen Regelungen des Beklagten entgegen.
67Der Versagungsbescheid vom 14.06.2013 für den Zeitraum ab dem 01.06.2013, gegen den der Kläger mit Schreiben vom 14.07.2013 Widerspruch erhoben hatte, steht einer Verurteilung schon deshalb nicht entgegen, weil der Widerspruch mangels Anwendbarkeit von § 39 SGB II aufschiebende Wirkung besitzt.
68Und auch der bestandskräftige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.05.2013 (teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.11.2012 bis 31.12.2012 und Erstattung) steht der Verurteilung nicht entgegen, da er zum einen nur aufgrund einstweiliger Anordnung vorläufig gewährte Leistungen betrifft und zum anderen nur die Anspruchshöhe und nicht den Anspruchsgrund.
69Die nach alledem zulässige Klage zu dem vorstehend beschriebenen Streitgegenstand ist auch begründet.
70Die Kammer ist davon überzeugt, dass der angefochtene Ablehnungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig ist und dem Kläger dem Grunde nach im streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zusteht. Insbesondere greift nicht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu Lasten des Klägers ein. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
71Der Kläger gehört zunächst zu dem Personenkreis, für den die im SGB II aufgeführten Leistungen vorgesehen sind, denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II).
72Der Kläger ist auch erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 SGB II). Die gesundheitliche Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 1 SGB II ist nicht fraglich und auch die rechtliche Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 2 SGB II ist bei Staatsangehörigen von EU-Mitgliedstaaten – hier: Italien – unproblematisch gegeben. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung i. S. d. § 8 Abs. 2 SGB II "erlaubt ist oder erlaubt werden könnte", reicht es aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung der Bundesagentur zur Beschäftigungsaufnahme erlaubt sein könnte, auch wenn dies im Einzelfall bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber (§ 39 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)) verhindert wird. Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich ausdrücklich aus § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II, wonach die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 15 f.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35); Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 726/12 – juris (Rn. 35)). Unionsbürger benötigen aber – derzeit mit Ausnahme der Staatsangehörigen Kroatiens – ohnehin keine Arbeitsgenehmigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (§ 284 SGB III i. V. m. § 39 Abs. 2-4 und Abs. 6 AufenthG), bevor sie einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen (vgl. § 13 FreizügG/EU in der seit dem 01.01.2014 geltenden Fassung vom 17.06.2013). Denn sie besitzen das sich aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bzw. den dieser Norm zugrunde liegenden europäischen Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit ergebende Recht auf Einreise und Aufenthalt mit allen damit zusammenhängenden Rechtsvorteilen, hier konkret das aus der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) folgende Recht, den Arbeitsplatz frei von nationalen Behinderungen zu suchen (freier Arbeitsmarktzugang).
73Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (dem Grunde nach, s. o.) als hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. §§ 9 ff. SGB II einzustufen ist. Davon geht auch der Beklagte aus. Dem Kläger stand aus seiner vorübergehenden ganz geringfügigen Erwerbstätigkeit jedenfalls kein bedarfsdeckendes Einkommen zur Verfügung; über verwertbares bzw. einzusetzendes Vermögen in Deutschland oder in Italien verfügt er nicht. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht. Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren, in den vorangegangenen Eilverfahren und im Verhandlungstermin vom 14.04.2014 zugrunde gelegt. Die Angaben sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei; es ergaben sich keine Anhaltspunkte, die Darstellung des Klägers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in Zweifel zu ziehen. Dass der Kläger über kein Vermögen und nur vorübergehend über ein ganz geringfügiges Einkommen verfügte und seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen aus den auf der Grundlage einstweiliger Anordnungen von dem Beklagten erhaltenen vorläufigen Leistungen für den Regelbedarf (§ 20 SGB II) bestritten hat, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass er seine Miete nicht gezahlt hat, was letztlich auch zur Kündigung des Mietverhältnisses und zur Verurteilung zu einer Räumung der Wohnung führte. Hätte der Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen (vgl. insoweit LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 29)).
74Mit seiner (Wieder-)Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in der Absicht, seinen Lebensmittelpunkt (wieder) hierhin zu verlegen, hat der Kläger hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I), denn der örtliche Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse ist faktisch dauerhaft – nämlich nicht auf Beendigung angelegt, sondern zukunftsoffen – im Inland (vgl. insoweit z. B. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 18 ff.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35)). Auf rechtliche Erfordernisse zum Aufenthaltsstatus im Sinne einer "Einfärbungslehre" kommt es für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts jedenfalls für den Bereich des SGB II nicht an (vgl. BSG a. a. O. (Rn. 19); vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13 – juris (Rn. 23 ff.)). Dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt bzw. den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse in Deutschland hat, ergibt sich hier in zeitlicher Hinsicht aus seinem jahrzehntelangen früheren Aufenthalt in Deutschland (in der Zeit bis 2004 oder 2005) und aktuell aus dem auch seit 2009 schon wieder mehrere Jahre währenden Aufenthalt. Die genauen Aufenthaltszeiten lassen sich zwar aus den Akten und den Angaben des Klägers nicht eindeutig bzw. widerspruchsfrei entnehmen; darauf kommt es aber nach der Überzeugung der Kammer nicht an. Insgesamt war dieser Aufenthalt jedenfalls nur für einen – in Relation betrachtet – kurzen Zeitraum unterbrochen. Zudem ist weder ein Verfahren gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 FreizügG/EU (Feststellung des Nichtbestehens des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU) noch ein Verfahren gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU oder § 6 FreizügG/EU (Feststellung des Verlusts des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU) durchgeführt oder auch nur eingeleitet worden, so dass auch keine Ausreisepflicht nach § 7 FreizügG/EU entstanden und der Aufenthalt folglich zukunftsoffen ist (vgl. BSG a. a. O. (Rn. 20) m. w. N.; LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 27)).
75Die danach zwischen den Beteiligten letztlich allein umstrittene Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (Nr. 1 und Nr. 3 sind ersichtlich nicht einschlägig) zu Lasten des Klägers eingreift, ist nach der Überzeugung der Kammer zu verneinen.
76Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihrer Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU) ergibt.
77Die Anwendbarkeit dieser Ausschlussregelung erfordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe der Aufenthaltsberechtigung nach dem FreizügG/EU. Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 15); BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 22 ff.)).
78Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist außerdem als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 26 ff.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 57 ff.)).
79Wenn die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts (allein) aus dem Zweck der Arbeitssuche nicht möglich ist – was jedenfalls und insbesondere dann der Fall ist, wenn sich positiv ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU feststellen lässt – findet der Leistungsausschluss schon tatbestandlich keine Anwendung.
80Lässt sich hingegen positiv feststellen, dass sich ein Aufenthaltsrecht des Klägers im streitigen Zeitraum (allein) aus dem Zweck der Arbeitssuche i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU ergibt bzw. ergab, dann ist der Leistungsausschluss zwar tatbestandlich einschlägig. Er ist dann aber zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Europarecht nicht – oder jedenfalls nicht auf eine Person wie den Kläger – anwendbar.
81Im Einzelnen:
82Die Kammer konnte zunächst im Rahmen der "fiktiven Prüfung" (s. o.) nicht feststellen, dass die Voraussetzungen eines anderen explizit im FreizügG/EU geregelten Aufenthaltsrechtes als desjenigen zur Arbeitssuche gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU erfüllt sind.
83Der Kläger besaß im streitigen Zeitraum nach Meinung der Kammer keinen Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU (ggf. i. V. m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1-3 oder Satz 2 FreizügG/EU). Aus der Tätigkeit für Herrn XXX an nach Angaben des Klägers acht Tagen bzw. im Beschäftigungszeitraum vom 19.11.2012 bis zum 08.12.2012 gegen ein Arbeitsentgelt von insgesamt 300 EUR ergab sich ein solcher Status nach Meinung der Kammer nicht, da diese Tätigkeit nicht von hinreichender Dauer und hinreichendem wirtschaftlichem Gewicht war. Abgesehen davon wäre dem Kläger dieser Status allenfalls bis zum 08.06.2013 und damit nur für einen Teil des streitigen Zeitraums erhalten geblieben (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU), da er nur kürzer als ein Jahr (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU) gearbeitet hatte.
84Auch der Aufenthaltsgrund der selbständigen Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU (ggf. i. V. m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 FreizügG/EU) lag nicht vor.
85Ferner war der Antragstellerin weder Erbringer (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU) noch Empfänger von Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU).
86Auch ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 4 FreizügG/EU kam nicht in Betracht, da es an ausreichendem Krankenversicherungsschutz und ausreichenden Existenzmitteln fehlte.
87Ferner kam kein Aufenthaltsrecht für Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 3 FreizügG/EU in Frage.
88Es kann auch nicht festgestellt werden, dass bereits im streitigen Zeitraum ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 4a FreizügG/EU bestand. Ein ggf. ursprünglich entstandenes Daueraufenthaltsrecht war durch den mehrjährigen Aufenthalt des Klägers im Ausland gemäß § 4a Abs. 7 FreizügG/EU erloschen. Die Kammer geht außerdem mangels abweichender Anhaltspunkte anhand der Meldebescheinigung (Anmeldung in Dortmund zum 01.11.2009) und des sonstigen Aktenstandes davon aus, dass der Kläger nicht schon im Jahr 2007, sondern – wie dem Beklagten vom Ordnungsamt der Stadt Dortmund mit dem Schreiben vom 21.05.2013 mitgeteilt wurde – erst im Jahr 2009 wieder nach Deutschland einreiste und sich damit im streitigen Zeitraum noch keine fünf Jahre wieder in Deutschland aufhielt. Abgesehen davon ist fraglich, ob ein – auch nur einmal unterstellter – "ständiger" Aufenthalt in Deutschland seit dem Jahr 2007 in einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens fünf Jahren als "rechtmäßig" i. S. v. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU bezeichnet werden könnte. Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht. Das Entstehen eines Rechts auf Daueraufenthalt setzt daher unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38/EG erfüllt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.05.2012 – 10 C 8/12 – juris (Rn. 16); EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-424/10 u. a. "Ziolkowski u. a." – juris). Denn der Kläger hat möglicherweise in dem fraglichen Aufenthaltszeitraum phasenweise mangels Erwerbstätigkeit und mangels tatsächlicher (oder erfolgversprechender) Arbeitssuche usw. nicht die materiellen Voraussetzungen einer Freizügigkeitsberechtigung erfüllt (dazu sogleich).
89Auch ein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU ("Das Aufenthaltsgesetz findet auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als dieses Gesetz.") i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ("In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden"; vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris) oder i. V. m. einer anderen Vorschrift des AufenthG ist nicht ersichtlich.
90Aus Art. 18 AEUV lässt sich nach Meinung der Kammer schließlich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 34)). Diese Voraussetzungen waren – wie bereits erwähnt – nicht erfüllt.
91Kam damit überhaupt nur ein Aufenthaltsrecht aus dem Grund der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU in Betracht, war dieses damit noch nicht "automatisch" positiv festzustellen.
92Denn für die positive Feststellung einer Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU bedarf es der ernsthaften Absicht, eine Arbeit aufzunehmen, was objektivierbar nach außen zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 16.01.2009 – 19 C 08.3271 – juris (Rn. 6 f.)). Zudem dürfen die Bemühungen zur Arbeitssuche nicht objektiv aussichtlos bzw. gescheitert sein (vgl. Bayerischer VGH a. a. O.; LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 39)). Dabei kennt das Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht keine starren Fristen, die den Zeitraum der Arbeitssuche beschränken. Auch nach Ablauf von etwa sechs Monaten (als allgemeiner Richtschnur für eine zeitliche Grenze) ist eine Aufenthaltsbeendigung nur dann zulässig, wenn nicht nachgewiesen wird, dass weiterhin mit konkreter Aussicht auf Erfolg nach Arbeit gesucht wird (vgl. Bayerischer VGH a. a. O.; Sächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 20.08.2012 – 3 B 202/12 – juris (Rn. 10 f.); LSG NRW a. a. O. (Rn. 40) m. w. N.; BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 19); EuGH, Urteil vom 26.02.1991 – C-292/89 "Antonissen" – juris; EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 "Collins" – juris).
93Sollte sich eine Arbeitssuche des Klägers, die noch Aussicht auf Erfolg bietet, nicht feststellen lassen, so wäre er eine Person ohne materielles Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU, die wirtschaftlich inaktiv ist, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen oder ein Daueraufenthaltsrecht zu haben (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 7 i. V. m. § 4 Abs. 1 und § 4a FreizügG/EU), also ein Unionsbürger ohne (materielle) Freizügigkeitsberechtigung (vgl. zu dieser Personengruppe z. B. LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 37 ff., insbes. Rn. 57 ff.) m. w. N.; VG Dresden, Beschluss vom 01.08.2013 – 3 L 300/13 – juris).
94Auf die Personengruppe der entweder gar nicht oder objektiv ohne Aussicht auf Erfolg nach Arbeit Suchenden ist der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach umstrittener, aber wohl herrschender und – jedenfalls nach der Überzeugung der Kammer – zutreffender Auffassung u. a. des 19. Senats des LSG NRW weder vom Wortlaut her noch im Wege einer erweiternden Auslegung bzw. eines "Erst-recht-Schlusses" anwendbar. Der Aufenthaltszweck der Arbeitssuche stellt keinen Auffangtatbestand dar, der zur Anwendung gelangt, wenn ein anderer Zweck nicht feststellbar ist (vgl. LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 a. a. O. (Rn. 57 ff.); LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.11.2013 – L 2 AS 841/13 B ER – juris (Rn. 30); Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12 – juris (Rn. 43 ff., insbes. Rn. 54 ff.) und Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 726/12 – juris (Rn. 50 ff., insbes. Rn. 57 ff.); LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13 – juris (Rn. 25 ff.); ebenso Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage, § 2 FreizügG/EU, Rn. 59; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 22); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 35 ff.); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.01.2014 – L 13 AS 266/13 B ER – juris (Rn. 17); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.03.2014 – L 15 AS 16/14 B ER – juris (Rn. 4)).
95Das LSG Berlin-Brandenburg hat insoweit u. a. wie folgt argumentiert (Urteil vom 06.03.2014 a. a. O. (Rn. 26)): "Für eine erweiternde Auslegung besteht auch kein Bedürfnis. Sinn und Zweck der Norm ist es, EU-Bürger, die sich auf Arbeitssuche befinden und deshalb unzweifelhaft ein Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmen können, vom Leistungsbezug auszuschließen. Nach der Systematik der Vorschrift kann es nicht beabsichtigt gewesen sein, solche EU-Bürger vom Leistungsbezug auszuschließen, die sich gar nicht auf Arbeitssuche befinden, sondern allein zum Zwecke des Sozialleistungsbezugs eingereist sind. Denn dieser Personenkreis ist rechtstechnisch schon dadurch vom Bezug ausgeschlossen, dass er kein Freizügigkeitsrecht geltend machen kann, so dass jederzeit aufenthaltsbeendende Maßnahmen der Ausländerbehörde nach §§ 6, 7 FreizügG/EU ergriffen werden können, die den Aufenthalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz Nr. 4 SGB II als anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung entfallen lassen. Systematisch wird der gewollte Ausschluss dieses Personenkreises vom Leistungsbezug, der als Sozialleistungsmissbrauch angesehen wird, durch das Ausländerrecht bewerkstelligt. Eine Lücke im Gesetz, die durch eine Auslegung zu schließen wäre, besteht damit nach allem nicht. Das Ergebnis, dass allein arbeitssuchende Unionsbürger von Leistungen (möglicherweise) ausgeschlossen werden können, während diejenigen, die eine Arbeitsaufnahme von vornherein ablehnen, nicht vom Ausschluss erfasst sind, führt dann nicht zu einem dauerhaften Leistungsbezug der nicht arbeitswilligen Unionsbürger, wenn diese – wie dies nach §§ 6 und 7 FreizügG/EU vorgesehen ist – von der Ausländerbehörde zur Ausreise gezwungen werden. Die Einleitung dieses Verfahrens wäre von dem Beklagten zu veranlassen gewesen. Insbesondere rechtfertigen etwaige Mängel im Gesetzesvollzug wie z.B. das Fehlen einer institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Ausländerbehörde bei der Anwendung der rechtstechnisch korrekt verzahnten Vorschriften des SGB II und des Ausländerrechts (§§ 6, 7 FreizügG/EU) nicht die Annahme einer Regelungslücke. Abschließend erscheint es auch nicht sinnvoll, eine europarechtlich umstrittene Norm, die noch dazu einen Ausnahmetatbestand regelt, auch noch erweiternd auszulegen."
96Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Im Falle materiell nicht freizügigkeitsberechtigter Personen sind ggf. die Verfahren gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 FreizügG/EU (Feststellung des Nichtbestehens des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU), § 5 Abs. 4 FreizügG/EU oder § 6 FreizügG/EU (Feststellung des Verlusts des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU) durchzuführen, um eine Ausreisepflicht nach § 7 FreizügG/EU zu begründen. Soweit und solange dies nicht geschehen ist, sind Leistungen nach dem SGB II zu erbringen.
97Die Kammer versteht schließlich auch die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts tendenziell so, dass es diese Auffassung teilt (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (insbes. Rn. 19-20, 42 und 48)).
98Würde man im vorliegenden Fall eine tatsächliche und hinreichend erfolgversprechende Arbeitssuche im fraglichen Zeitraum verneinen, so wäre daher der Leistungsausschluss schon tatbestandlich nicht anwendbar.
99Nach Auffassung der Kammer lässt sich im Fall des Klägers jedoch positiv feststellen, dass sich sein Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum (allein) aus dem Zweck der Arbeitssuche i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU ergibt bzw. ergab. Dass die klägerischen Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können / sollen, zumindest wieder als Hilfsarbeiter im Baugewerbe (o. ä.) tätig zu sein, ist angesichts seiner bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Hier gab es sogar im streitigen Leistungszeitraum eine – wenn auch kurze und geringfügige – Erwerbstätigkeit (Beschäftigungsverhältnis bei Herrn Coniglio im Zeitraum 19.11.2012 bis 08.12.2012) und auch zuvor gab es – schon ausweislich des eingereichten Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung – immer wieder (unterbrochene) Phasen der Erwerbstätigkeit. Dieser Umstand und auch die Tatsache, dass der Kläger ab dem 09.09.2013 wieder eine Arbeitsstelle gefunden hat, belegen, dass er zum einen tatsächlich Arbeit gesucht hat und dass seine Bemühungen zum anderen nicht objektiv aussichtslos waren. Der Kläger galt daher im streitigen Zeitraum als arbeitssuchend, selbst wenn seine Arbeitssuche zwischen dem Abschluss der Tätigkeit für XXX am 22.09.2010 und dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bei Herrn XXX am 19.11.2012 für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erfolglos geblieben war.
100Die Kammer geht daher davon aus, dass hier i. S. d. höchstrichterlichen Rechtsprechung positiv festzustellen ist, dass sich das Aufenthaltsrecht des Klägers als Unionsbürger allein auf den Zweck der Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU gründete.
101Damit ist zwar der Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Wortlaut her eröffnet. Jedoch führt dies nicht dazu, dass der Leistungsausschluss auch tatsächlich eingreift.
102Denn der Leistungsausschluss ist nach Auffassung der Kammer (vgl. zuletzt den Beschluss vom 12.02.2014 – S 32 AS 5677/13 ER – juris (Rn. 75 ff.)) nicht "europarechtskonform" und daher wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts nicht anzuwenden.
103Der Leistungsausschluss verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004). Dabei widerspricht er zugleich dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (nachfolgend: Unionsbürger-Richtlinie bzw. Richtlinie 2004/38/EG oder RL 2004/38/EG) und ist auch nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie, den Zugang zu nationalen Systemen der Sozialhilfe für Unionsbürger zu beschränken, gedeckt. Denn der Leistungsausschluss ist von genereller, nur auf die Staatsangehörigkeit abstellender Natur, nimmt nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte Rücksicht und ermöglicht keine Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. insoweit – mit teilweise unterschiedlichen Begründungen bzw. dogmatischen Ansätzen – insbesondere: LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 39-62); Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 25-38); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67); a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 23 ff.); vgl. zum Ganzen ferner (u. a.): Frings, ZAR 2012, 317; Schreiber, NZS 2012, 647; Kingreen, SGb 2013, 132; Thym, NZS 2014, 81).
104Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt hat, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (vgl. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der Verordnung (EG) 987/2009, der Durchführungsverordnung zur VO (EG) 883/2004). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 40)).
105Der Kläger unterfiel im streitigen Zeitraum dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004).
106Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. LSG NRW a. a. O. (Rn. 41); Frings, ZAR 2012, 317 (319)).
107Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 gilt die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten sowie für ihre Familienangehörigen. Unter "Rechtsvorschriften" sind nach Art. 1 lit. l VO (EG) 883/2004 für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit zu verstehen. Damit wird ein (früherer oder aktueller) Bezug zu einem Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem in einem der Mitgliedstaaten gefordert (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 32); Schreiber, NZS 2012, 647 (649)).
108Hier ist festzustellen, dass der persönliche Anwendungsbereich für den Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum eröffnet war. Zum einen galten für ihn während seiner früheren und jüngeren Tätigkeiten im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland (wie auch in Italien) mehrere der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Rechtsvorschriften, u. a. war er krankenversichert (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a VO (EG) 883/2004). Zum anderen und insbesondere gelten für den Kläger die deutschen Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung (vgl. Art 3 Abs. 1 lit. d VO (EG) 883/2004), denn der Kläger hat ausweislich des in der Verwaltungsakte befindlichen Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung seit Juli 1979 erhebliche Pflichtbeitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung zurückgelegt.
109Auch der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet, denn diese gilt nach Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70 VO (EG) 883/2004. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 70 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II gem. Art. 70 Abs. 2 lit. a VO (EG) 883/2004 liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) als Voraussetzung für die Leistungsberechtigung eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft besteht ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit i. S. des Art 3 Abs. 1 lit. h VO (EG) 883/2004. Anders als die beitragsbezogene Versicherungsleistung des Arbeitslosengeldes I (ALG I) nach dem SGB III werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aber unabhängig von Beschäftigungs-, Mitglieds- oder Beitragszeiten gewährt und haben keine an den bisherigen Verdienst anknüpfende Entgeltersatzfunktion. Die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hängt allein vom Vorliegen von Bedürftigkeit ab. Es erfolgt eine beitragsunabhängige Finanzierung durch Steuermittel (Art. 70 Abs. 2 lit. b VO (EG) 883/2004). Des Weiteren werden die Leistungen nach dem SGB II – wie es Art. 70 Abs. 2 lit. c VO (EG) 883/2004 verlangt – in Anhang X der Verordnung aufgeführt (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 33); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 42 ff.); Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 28 ff.); Kingreen, SGb 2013, 132 (135 f.); Frings, ZAR 2012, 317 (320 f.); Schreiber, NZS 2012, 647 (648)).
110Der "Wohnort" i. S. v. Art. 1 lit. j und Art. 70 VO (EG) 883/2004 i. V. m. den Kriterien für die Feststellung des Wohnortes in Art. 11 VO (EG) 987/2009, der Durchführungsverordnung zu VO (EG) 883/2004, befindet sich – wie der "gewöhnliche Aufenthalt" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (s. o.) – nach Auffassung der Kammer in Deutschland und nicht in Italien. Zur Bestimmung des Wohnorts ist insbesondere auf Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im betreffenden Mitgliedstaat und die Situation der Person abzustellen. Für die Situation sind insbesondere die Qualität ihrer (un)selbstständigen Tätigkeit (Beschäftigungsort, Dauerhaftigkeit, Laufzeit des Vertrages), die familiären Verhältnisse und Bindungen, die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die Finanzierungsform eines etwaigen Studiums, die Wohnsituation (Dauerhaftigkeit) und der steuerliche Wohnsitz bedeutsam. Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 ist zudem in Zweifelsfällen der Wille der Person, insbesondere der Grund für einen Wohnortwechsel ausschlaggebend (vgl. Schreiber, NZS 2012, 647 (649)). Nach diesen Kriterien und dem insoweit besonders wichtigen subjektiven Faktor des "Mittelpunktes des Interesses" des Klägers befindet sich sein Wohnort nach der Überzeugung der Kammer aufgrund der Gesamtdauer seiner Aufenthalte in Deutschland, seiner Rückkehr und der Dauer seines aktuellen Aufenthaltes (seit zumindest 2009) in Deutschland und nicht in Italien.
111Nach der Überzeugung der Kammer gilt auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 gerade auch für die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen gem. Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004, und zwar völlig unabhängig vom Vorliegen eines Aufenthaltsgrundes nach Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38/EG oder § 2 FreizügG/EU und auch für wirtschaftlich inaktive Unionsbürger (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 (319 f. und 321 f.)). Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt nicht die besonderen beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 46) m. w. N.; Kingreen, SGb 2013, 132 (136); so tendenziell auch BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 34 f.)).
112Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt, sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 47) m. w. N.; Schreiber, NZS 2012, 647 (650)).
113Art. 4 VO (EG) 883/2004 verschafft dem diskriminierten Unionsbürger damit einen individuellen Anspruch auf Gewährung der besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach den gleichen Voraussetzungen, wie sie auch für Inländer – hier: Deutsche – gelten (a. A. offenbar Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris).
114Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 47 f.); Schreiber, NZS 2012, 647 (650)).
115Ob schon deshalb die Ungleichbehandlung durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht gerechtfertigt ist, oder ob trotz des eindeutig scheinenden Wortlautes von Art. 4 VO (EG) 883/2004 ("sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist") Rechtfertigungsgründe außerhalb der Verordnung – insbesondere durch Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG – zulässig sind, ist umstritten (vgl. z. B. – diese Frage verneinend – Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 35) m. w. N.; so auch Schreiber, NZS 2012, 647 (650 f.); vgl. – wohl bejahend – LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 49 f.); so wohl auch Thym, NZS 2014, 81 (84 und 87 f.); vgl. ferner – noch unentschlossen – BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 37 ff.)).
116Selbst wenn man aber diese Frage bejaht, ist der Leistungsausschluss nicht zu rechtfertigen, denn er ist nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG gedeckt (vgl. insoweit z. B. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 47-62) m. w. N.; Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 36-37); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67); vgl. ferner – auch insoweit noch unentschlossen – BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 40 ff.)) und ein sonstiger Rechtfertigungsgrund ist nicht erkennbar.
117Zwar ist nach der "Brey"-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 "Brey" – juris; vgl. hierzu Behrend, jurisPR-SozR 3/2014 Anm. 1) davon auszugehen, dass die Leistungen nach dem SGB II zugleich "besondere beitragsunabhängige Leistungen" i. S. d. VO (EG) 883/2004 und "Sozialhilfeleistungen" i. S. d. RL 2004/38/EG sein können, weil es sich bei diesen Begriffen nicht um Gegensätze handelt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 50 ff.); so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris; anders insoweit noch Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 47-54)). Dabei dürfte auch davon auszugehen sein, dass der Begriff der "Sozialhilfeleistung" in Art. 7 Abs. 1 lt. b RL 2004/38/EG – nur auf diese Norm bezog sich streng genommen das EuGH-Urteil i. S. "Brey" – nicht anders zu verstehen ist als in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG (vgl. Thym, NZS 2014, 81 (83)).
118Selbst wenn jedoch danach eine deutsche Rechtsnorm möglich wäre, die in Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG den Bezug besonderer beitragsunabhängiger Leistungen i. S. d. VO (EG) 883/2004 ausschließt, so erfüllt der derzeitige Leistungsausschluss nicht die an eine solche Regelung zu stellenden Anforderungen.
119Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 "Brey" – (Rn. 64 ff.) betont, dass ein "automatischer", nur an die Staatsangehörigkeit anknüpfender, nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte abstellender und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung ermöglichender Leistungsausschluss wie der für die im dortigen Ausgangsverfahren streitige österreichische Ausgleichszulage nach § 292 Abs. 1 ASVG nicht von Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG gedeckt und daher nicht europarechtskonform ist. Er hat insbesondere (Rn. 76 ff.) bemängelt, dass bei der dort fraglichen österreichischen Regelung "bereits der bloße Umstand, dass ein wirtschaftlich nicht aktiver Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats sie beantragt, ausreichend ist, um ihn unabhängig von der Dauer des Aufenthalts, der Höhe dieser Leistung und dem Zeitraum ihrer Gewährung, und somit unabhängig von der aus dieser Leistung für das gesamte Sozialhilfesystem dieses Staates erwachsenden Belastung, von dem Bezug" der Leistung auszuschließen. Es sei "festzustellen, dass ein solcher automatischer Ausschluss der wirtschaftlich nicht aktiven Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten von der Gewährung einer bestimmten Sozialhilfeleistung durch den Aufnahmemitgliedstaat selbst für die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannte Zeit nach einem dreimonatigen Aufenthalt es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht erlaubt, im Einklang mit den Anforderungen, die sich insbesondere aus den Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und 8 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, in Fällen, in denen die Existenzmittel des Betroffenen geringer sind als der Richtsatz für die Gewährung dieser Leistung, eine umfassende Beurteilung der Frage vorzunehmen, welche Belastung die Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der die Lage des Betroffenen kennzeichnenden individuellen Umstände konkret für das gesamte Sozialhilfesystem darstellen würde."
120§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ermöglicht nicht ansatzweise die Berücksichtigung von Einzelfallgesichtspunkten. Die Regelung entspricht vielmehr dem vom EuGH kritisierten Automatismus; sie erschöpft sich im Falle der Arbeitssuche in einem automatischen Ausschluss vom Leistungsbezug ohne Prüfung nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 37); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 55 ff.) m. w. N.).
121§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II kann auch nicht im Wege europarechts- bzw. richtlinienkonformer Auslegung bzw. Rechtsfortbildung teleologisch dahingehend reduziert werden, dass die vom EuGH angesprochenen, auf den Einzelfall bezogenen Kriterien in den Tatbestand "hineingelesen" werden. Eine derartige "geltungserhaltende Reduktion" des Anwendungsbereichs durch die Rechtsprechung erscheint der Kammer im Fall des Leistungsausschlusses nicht möglich.
122Zwar geht die Kammer davon aus, dass in bestimmten Fällen eine richtlinienkonforme Auslegung bzw. eine über den Wortlaut der nationalen Vorschrift hinausgehende richtlinienkonforme Rechtsfortbildung geboten sein kann (vgl. hierzu grundlegend BGH, Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 – BGHZ 179, 27 = juris (insbes. Rn. 21, 25, 29) m. w. N. zur entsprechenden ständigen Rechtsprechung des EuGH; vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung und Rechtsfortbildung u. a. auch Tonikidis, JA 2013, 598; Herresthal, JuS 2014, 289; Herresthal, NJW 2008, 2475; Gebauer, GPR 2009, 82; Gröning, jurisPR-WettbR 1-2010 Anm. 2; Grosche & Hoft, NJOZ 2009, 2294; Grosche & Hoft, NJW 2009, 2416; Lorenz, LMK 2009, 273611; Pfeiffer, NJW 2009, 412; vgl. ferner Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, Europäisches Verwaltungsrecht, Europäisierung des Verwaltungsrechts und Internationales Verwaltungsrecht Rn. 61 ff.).
123Für eine solche teleologische Reduktion des Leistungsausschlusses durch "Hineinlesen" einer Einzelfallprüfung (s. o.) mag hier auch sprechen, dass der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich von der "Option" des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch machen wollte und insofern prinzipiell eine europarechtskonforme Regelung erlassen wollte.
124Jedoch ist die vorliegende Konstellation nicht mit der vom BGH entschiedenen Konstellation vergleichbar. Im Fall des BGH war das deutsche Recht bei Beachtung seines Wortlauts nicht mit einer EU-Richtlinie vereinbar. Das war durch eine entsprechende Reduktion zu vermeiden. Hier hingegen führt bereits der Anwendungsvorrang der VO (EG) 883/2004 dazu, dass die deutsche Norm im Anwendungsbereich der Verordnung unanwendbar ist (s. o.). Eine europarechtskonforme Auslegung bzw. Rechtsfortbildung würde daher hier dazu führen, dass der nationalen Umsetzungsnorm zu einer Ausnahmevorschrift zur Anwendung verholfen würde, obwohl das deutsche Recht auch ohne eine solche Norm schon europarechtskonform ist. Denn § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wird europarechtlich nur ermöglicht, nicht hingegen determiniert (vgl. Kingreen, SGb 2013, 132 (137)). Es widerspricht m. a. W. nicht dem Unionsrecht, wenn das deutsche nationale Recht nicht von der "Option" des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch macht.
125Hinzu kommt, dass hier nach Meinung der Kammer – anders als im Fall des BGH – auch keine "verdeckte Reglungslücke" vorliegt, dass – wiederum anders als im Fall des BGH – auch keine konkrete Umsetzungsabsicht des Gesetzgebers vorliegt, sondern nur ein allgemein formulierter Umsetzungswille, und dass eine entsprechende Rechtsfortbildung wohl auch zu einer unzulässigen Drittwirkung zu Lasten Privater führen würde (vgl. zu diesen Kriterien BGH a. a. O. (insbes. Rn. 25, 29, 34)). Bei dieser Sachlage ist eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung nicht geboten.
126Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass die Entscheidung des EuGH i. S. "Brey" nach Auffassung der Kammer auch keine hinreichend klaren Prüfkriterien, z. B. in Bezug auf eine "unangemessene Belastung" des Sozialleistungssystems, definiert und solche Kriterien auch anderweitig nicht hinreichend klar erkennbar sind, und eine teleologische Rechtsfortbildung durch das Gericht hier daher notwendigerweise mehr oder weniger "ins Blaue hinein" hätte erfolgen müssen. Nach Meinung der Kammer darf sich die Justiz in einem solchen Fall nicht als Ersatzgesetzgeber betätigen, sondern ist eine (etwaige) Korrektur durch den Gesetzgeber abzuwarten.
127Die Kammer geht schließlich davon aus, dass Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 zu dem in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten primärrechtlichen Diskriminierungsschutz in Bezug auf Unionsbürger und Arbeitnehmer nach Art. 18 i. V. m. Art. 21 AEUV bzw. Art. 45 Abs. 2 AEUV, insbesondere in Bezug auf Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern (vgl. hierzu z. B. EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08, C-23/08 "Vatsouras/Koupatanze" – juris), lex specialis ist (vgl. Schreiber, NZS 2012, 647 (650) m. w. N. auch zur EuGH-Rechtsprechung; wohl anders zum Verhältnis zwischen der Verordnung und dem Primärrecht BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 44 f.)) und sich demnach auch die engeren "Schranken-Schranken” des Art. 4 VO (EG) 883/2004 gegenüber den Rechtfertigungstopoi eines "gewissen Integrationsgrades" in dem Aufnahmemitgliedsstaat oder einer "tatsächlichen Verbindung" zu diesem Staat bzw. dem dortigen Arbeitsmarkt durchsetzen (vgl. Schreiber a. a. O.). Dabei dürften die Leistungen nach dem SGB II solche sein, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern (vgl. auch BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 45), wobei dem nicht entgegensteht, wenn man diese Leistungen – wie die Kammer – auch als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen i. S. d. Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 und als Sozialhilfeleistungen i. S. d. RL 2004/38/EG einordnet.
128Es sei daher nur vorsorglich ergänzend darauf hingewiesen, dass der Kläger aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes und seiner ebenfalls langjährigen Arbeitnehmerstellung in Deutschland und seiner Versicherungszeiten in der deutschen Sozialversicherung nach der Überzeugung der Kammer auch geradezu das Paradebeispiel eines Falles darstellt, in dem die Kriterien des EuGH (Integration / tatsächliche Verbindung) vorliegen und daher auch zur Vermeidung einer Diskriminierung nach dem Unions-Primärrecht eine Anwendung des Leistungsausschlusses ausgeschlossen ist.
129Zusammenfassend ist festzustellen, dass "die allein an der Ausländereigenschaft anknüpfende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II am Maßstab von Art. 70 i. V. m. Art. 4 VO (EG) 883/2004 und Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG in Bezug auf die Rechtstellung der Antragsteller nicht zu rechtfertigen ist; sie bleibt aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges unangewendet" (so wörtlich Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 37)).
130Dass das Bundessozialgericht mit dem Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – (vgl. hierzu Tischler, jurisPR-SozR 8/2014 Anm. 2; Karl, jM 2014, 159) ein Verfahren, in dem es um die Europarechtskonformität von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geht, ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf der Grundlage von Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den Mitgliedstaaten eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ermöglichen soll, Fragen zu Art. 4 und Art. 70 VO (EG) 883/2004, Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG sowie Art. 45 Abs. 2 AEUV i. V. m. Art. 18 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ändert nichts an der Überzeugung der Kammer bzgl. der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots des Art. 4 VO (EG) 883/2004 auch auf die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen i. S. v. Art. 70 VO (EG) 883/2004, der fehlenden Rechtfertigung des "automatischen" Leistungsausschlusses über die Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG und der Unmöglichkeit einer europarechtskonformen Auslegung bzw. Rechtsfortbildung.
131Die Kammer war – bzw. wäre, wenn sie Zweifel in Bezug auf die Auslegung von Unionsrecht gehabt hätte – nicht verpflichtet sondern nur berechtigt (gewesen), das vorliegende Klageverfahren auszusetzen und den EuGH nach Art. 267 AEUV anzurufen. Denn die vorliegende Entscheidung kann "mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden" (vgl. Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV). Für ein Vorabentscheidungsersuchen sah die Kammer vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und auch der ihm bereits vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen – außer dem des Ersuchen BSG ist hier das des SG Leipzig zu nennen (Rechtssache C-333/13 "Dano"; vgl. hierzu die nach der mündlichen Verhandlung der Kammer auf der Internetseite des EuGH (http://curia.europa.eu) veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts Melchior Wathelet vom 20.05.2014) – keinen Anlass.
132Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wird für den Kläger als italienischen Staatsangehörigen schließlich auch (oder zumindest hilfsweise zu den vorstehenden Erwägungen) durch das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl. II 1956, S. 564) verdrängt. Dies gilt zumindest im Fall der Unanwendbarkeit von Art. 4 VO (EG) 883/2004 (vgl. zum Verhältnis zwischen der VO (EG) 883/2004 und dem EFA u. a. Frings, ZAR 2012, 317 (325 f.)). Bei Art. 1 EFA handelt es sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht, von dessen Schutzbereich der Kläger als Angehöriger eines Staates, der den Vertrag ebenso wie die Bundesrepublik unterzeichnet hat, erfasst ist (vgl. zur Nichtgeltung des Ausschlusses für Ausländer nach dem EFA: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – BSGE 107, 66 = juris). Der von der Bundesregierung am 15.12.2011 erklärte völkerrechtliche Vorbehalt gegen das EFA ist unzulässig, weil die vertraglichen Voraussetzungen für einen solchen Vorbehalt nicht vorliegen (vgl. z. B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.05.2012 – L 19 AS 794/12 B ER – juris (Rn. 6 ff.); vgl. ausführlich auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.01.2013 – L 2 AS 903-12 B ER – juris (Rn. 21 ff.); LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.05.2012 – L 25 AS 837/12 B ER – juris (Rn. 7 f.); LSG NRW, Beschluss vom 22.01.2013 – L 6 AS 1033/12 B – juris (Rn. 14); vgl. ferner Steffen / Keßler, "Pacta sunt servanda – Ist der deutsche Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen wirksam?", ZAR 2012, 245). Zudem ist weder der Beklagte noch das Gericht an den Vorbehalt gebunden, denn bei der Vorbehaltserklärung durch die Bundesregierung handelt es sich nicht um ein Gesetz im Sinne eines Parlamentsgesetzes (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 25.04.2012 – S 55 AS 9238/12 – juris). Der Umstand, dass das BSG in seinem Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 23) ausgeführt hat, dass "der Senat ( ) nach seiner Vorprüfung im Rahmen des Vorlageverfahrens davon aus(gehe), dass der Vorbehalt wirksam ist", vermag die Kammer von der Unrichtigkeit ihrer Auffassung nicht zu überzeugen, da das BSG für seine Einschätzung keine Begründung angeführt hat.
133Nach alledem kann schließlich dahinstehen, ob der Leistungsausschluss auch gegen deutsches Verfassungsrecht verstoßen würde (vgl. hierzu Kingreen a. a. O. (137 f.)).
134Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 193 SGG.
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Urteil einreichenSozialgericht Dortmund Urteil, 14. Apr. 2014 - S 32 AS 4882/12 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).
(1) Freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, wird von Amts wegen innerhalb von sechs Monaten, nachdem sie die erforderlichen Angaben gemacht haben, eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern ausgestellt, die fünf Jahre gültig sein soll. Eine Bescheinigung darüber, dass die erforderlichen Angaben gemacht worden sind, erhält der Familienangehörige unverzüglich.
(2) Die zuständige Ausländerbehörde kann verlangen, dass die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 drei Monate nach der Einreise glaubhaft gemacht werden. Für die Glaubhaftmachung erforderliche Angaben und Nachweise können von der zuständigen Meldebehörde bei der meldebehördlichen Anmeldung entgegengenommen werden. Diese leitet die Angaben und Nachweise an die zuständige Ausländerbehörde weiter. Eine darüber hinausgehende Verarbeitung oder Nutzung durch die Meldebehörde erfolgt nicht.
(3) Das Vorliegen oder der Fortbestand der Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Absatz 1 kann aus besonderem Anlass überprüft werden.
(4) Sind die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen oder liegen diese nicht vor, kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 festgestellt und bei Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, die Aufenthaltskarte eingezogen werden. § 4a Abs. 6 gilt entsprechend.
(5) Auf Antrag wird Unionsbürgern unverzüglich ihr Daueraufenthaltsrecht bescheinigt. Ihren daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, wird innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt.
(6) Für den Verlust des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 7 gilt Absatz 4 Satz 1 entsprechend.
(7) Bei Verleihung des Rechts nach § 3a Absatz 1 stellt die zuständige Behörde eine Aufenthaltskarte für nahestehende Personen, die nicht Unionsbürger sind, aus, die fünf Jahre gültig sein soll. Die Inhaber des Rechts dürfen eine Erwerbstätigkeit ausüben. Absatz 5 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2009 wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009. Zwischen den Beteiligten ist insbesondere streitig, ob der Kläger als französischer Staatsangehöriger von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, weil sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.
- 2
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Der 1971 geborene Kläger reiste am 18.12.2007 in die Bundesrepublik ein. Der französische Träger der Arbeitslosenversicherung hatte ihm zuvor auf dem Vordruck E 303 bescheinigt, dass er unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit habe. Seit diesem Tag wohnt er in Berlin. Der Kläger meldete sich am 28.1.2008 bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeitslos und bezog zunächst bis zum 17.3.2008 Arbeitslosengeld. In der Folgezeit erhielt er ab dem 28.4.2008 und - bis auf wenige Tage Unterbrechung - bis zum 28.2.2009 Arbeitslosengeld II (Alg II). Seit dem 2.6.2008 ist er im Besitz einer Bescheinigung nach § 5 des Gesetzes über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern(Freizügigkeitsgesetz/EU
).
- 3
-
Vom 1.2.2008 bis zum 23.6.2008 übte der Kläger eine Tätigkeit als Handwerkshelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und einem monatlichen Entgelt von 100 Euro aus. Das Arbeitsverhältnis endete nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Zum 1.1.2009 meldete der Kläger ein Gewerbe "An- u. Verkauf, Trödel-Kafé, Kaffeeausschank" an. Da jedoch kein Vertrag über die Anmietung der Geschäftsräume zustande kam, zerschlug sich das Geschäftsgründungsvorhaben am 5.1.2009. Die Abmeldung des Gewerbes erfolgte erst im April 2009 "rückwirkend" zum 1.1.2009.
- 4
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Am 9.2.2009 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab dem 1.3.2009. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31.3.2009 und Widerspruchsbescheid vom 27.7.2009 mit der Begründung ab, der Kläger sei nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II inzwischen von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen, weil er alleine wegen seiner Eigenschaft als Arbeitsuchender freizügigkeitsberechtigt sei. Nach dem Ende seiner Beschäftigung sei er gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU nur für die Dauer von weiteren sechs Monaten leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen.
- 5
-
Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts
vom 20.10.2009). Auf die Berufung des Klägers haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) am 11.11.2009 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft verglichen. Im Übrigen hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg II in Form der Regelleistung für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009 dem Grunde nach zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei leistungsberechtigt nach dem SGB II. Dem stehe der Leistungsausschluss in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht entgegen. Zwar ergebe sich das Aufenthaltsrecht des Klägers im streitigen Zeitraum alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 FreizügG/EU). Ein Wegfall dieses Aufenthaltsrechts komme nur dann in Betracht, wenn aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen sei, dass der Unionsbürger keinerlei ernsthafte Absichten verfolge, eine Beschäftigung aufzunehmen. Davon könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Auch könne letztlich dahinstehen, ob der Leistungsausschluss wegen Verstoßes gegen europäisches Gemeinschaftsrecht unanwendbar sei. Dies hänge maßgeblich davon ab, ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als "Sozialhilfe" im Sinne von Art 24 Abs 2 der so genannten Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004, ABl 2004 L Nr 158, 77) anzusehen seien. Diese Frage bedürfe hier aber keiner abschließenden Entscheidung, weil der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II für solche Hilfebedürftigen einschränkend auszulegen sei, die durch das Europäische Fürsorgeabkommen(vom 11.12.1953 BGBl II 1956, 564) begünstigt würden. Nach Art 1 EFA habe der Kläger danach Anspruch auf "Fürsorge" wie ein deutscher Staatsangehöriger, der sich im Inland gewöhnlich aufhalte. Als Leistungen der Fürsorge seien nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) am 31.12.2004 nicht nur die im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), sondern auch die im SGB II für Hilfebedürftige geregelten Leistungen anzusehen. Unerheblich sei, dass die Bundesrepublik Deutschland entgegen der sich aus Art 16 Abs a) und b) des EFA ergebenden Verpflichtung dem Generalsekretär des Europarates das Außerkrafttreten des BSHG bislang nicht mitgeteilt habe, weil die im Anhang I des Abkommens genannte Aufzählung der entsprechenden Fürsorgegesetze lediglich eine klarstellende Bedeutung zukomme. Auch sei nicht entscheidungserheblich, ob das EFA zur Vermeidung von Wanderungsbewegungen aus einem Sozialleistungssystem in ein anderes nur auf diejenigen Ausländer Anwendung finde, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Einreise noch über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung verfügte habe.
- 6
-
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II und weist darauf hin, dass der Leistungsausschluss der Umsetzung des in Art 24 Abs 2 UBRL geregelten Vorbehalts diene. Diese Regelungen seien neuer und damit vorrangig vor dem EFA aus dem Jahr 1953. Zwar handele es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II um "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 UBRL. Das SGB II könne aber neben dem SGB XII gleichwohl nicht als "weiteres" Nachfolgegesetz zum BSHG angesehen werden. Denn im Wesentlichen habe das SGB II die Nachfolge der zuvor im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelten Arbeitslosenhilfe (Alhi) angetreten. Die Alhi aber sei dem EFA nicht unterfallen. Im Übrigen finde das EFA nur auf die im Anhang von den Vertragsstaaten gemeldeten nationalen Fürsorgegesetze Anwendung.
- 7
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2009 zurückzuweisen.
- 8
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 9
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Er hält das mit der Revision angegriffene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass ein Anspruch auch dann bestünde, wenn er nicht durch das EFA begünstigt würde. Denn der Leistungsausschluss verstoße auch gegen europäisches Primärrecht. Bei den Leistungen nach dem SGB II handele es sich um finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei insoweit das Gleichbehandlungsgebot zu beachten.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet.
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Das LSG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009 ein Anspruch auf Gewährung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zusteht. Der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu unter 2). Seinem Anspruch steht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht entgegen(dazu unter 3).
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 31.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.7.2009, mit dem der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1.3.2009 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum erstreckt sich in Fällen ablehnender Verwaltungsentscheidungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (vgl nur Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 41/07 R - juris mwN), hier also bis zum 11.11.2009. Die Beteiligten haben darüber hinaus den Streitgegenstand im Berufungsverfahren zulässigerweise beschränkt, indem sie über die Kosten der Unterkunft einen Teilvergleich abgeschlossen haben (vgl zur Zulässigkeit einer solchen Begrenzung des Streitgegenstandes nur BSGE 97, 217, 223 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 19 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
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2. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Er ist gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II erwerbsfähig und - nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 Sozialgerichtsgesetz
) - auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II. Der Kläger verfügt gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bereits Ende 2007 in die Bundesrepublik eingereist. Seitdem hält er sich hier unter Umständen auf, die erkennen lassen, dass er nicht nur vorübergehend verweilt. Offen bleiben kann hier, ob der an tatsächlichen Umständen zu messende Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes bei Ausländern durch zusätzliche rechtliche Voraussetzungen eingeschränkt wird (BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 34). Zur alten Rechtslage bis zum 1.4.2006 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass Ausländer, die tatsächlich dauerhaft im Inland verweilen, nur dann einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, wenn sie sich berechtigterweise hier aufhalten (BSG aaO; BSGE 65, 261, 263 f = SozR 7833 § 1 Nr 7; vgl - speziell zu § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II - auch BSGE 98, 243, 246 f = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, jeweils RdNr 19; Valgolio in Hauck/Noftz, Stand Juni 2010, § 7 SGB II RdNr 95; kritisch zu der Verrechtlichung des rein tatsächlichen Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 11).
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Dass der Kläger sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält, ergibt sich bereits daraus, dass er über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU verfügt(aA Hessisches LSG, FEVS 59, 110, 115 f). Gegen eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts spricht auch nicht, dass dieser Bescheinigung nach dem Wortlaut der Vorschrift ("… über das Aufenthaltsrecht ausgestellt") nur deklaratorischer Charakter im Hinblick auf das sich unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergebende Freizügigkeitsrecht zukommt (vgl nur statt aller Geyer in HK-AuslR, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 1)und es sich um keinen Aufenthaltstitel handelt (vgl § 2 Abs 4 Satz 1 FreizügG/EU). Denn es entspricht der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs 5 FreizügG/EU festzustellen und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht einzuziehen(so auch die gesetzliche Begründung zum Zuwanderungsgesetz, vgl BT-Drucks 15/420, 106; vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II in der Fassung vom 20.1.2010, Ziffer 7.2d, sowie Ziffer 5.5.1.3. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26.10.2009, GMBl 2009, 1270). Die Ausreisepflicht nach § 7 Abs 1 Satz 1 FreizügG/EU wird erst mit dieser Verlustfeststellung begründet.
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3. Der Kläger ist auch nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II zunächst Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch auf Grund des § 2 Abs 3 des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, des Weiteren Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie zuletzt Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).
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Der Kläger ist als französischer Staatsangehöriger Ausländer im Sinne dieser Vorschrift. Er ist aber nicht leistungsberechtigt nach § 1 AsylbLG und hält sich nach den Feststellungen des LSG bereits seit Ende des Jahres 2007 in der Bundesrepublik auf. Er ist auch nicht deswegen nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen, weil sich sein Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt(dazu unter a). Denn dieser Leistungsausschluss ist auf den Kläger als Staatsangehörigen eines Vertragsstaates des EFA vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564) nicht anwendbar (dazu unter b).
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a) Das Aufenthaltsrecht des Klägers ergibt sich gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 FreizügG/EU alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche. Denn auf ein anderes Aufenthaltsrecht, das - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt ("Aufenthaltsrecht […] allein aus dem Zweck der Arbeitsuche"; vgl auch BT-Drucks 16/688, 13) - den Leistungsausschluss von vornherein entfallen lassen würde, kann sich der Kläger nicht berufen.
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Der Kläger ist insbesondere nicht als Arbeitnehmer, Selbstständiger oder Nicht-Erwerbstätiger freizügigkeitsberechtigt. Auch steht ihm (noch) kein Daueraufenthaltsrecht zu. Als "Arbeitnehmer" im Sinne von § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 1 FreizügG/EU ist der Kläger nicht (mehr) aufenthaltsberechtigt. Während seiner Tätigkeit als Handwerkshelfer war er es, weil auch derjenige Arbeitnehmer im Sinne des Freizügigkeitsrechts ist, der nur über ein geringfügiges, das Existenzminimum nicht deckendes, Einkommen verfügt. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art 39 EG (hier anwendbar in der Fassung des Vertrages von Nizza, BGBl II 2001, 1666 - der Vertrag von Lissabon ist erst zum 1.12.2009 in Kraft getreten, BGBl II 2009, 1223) fällt jeder Arbeitnehmer, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt - mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt - unter die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl ua EuGH, Rs 139/85 [Kempf], Slg 1986, 1741 [Rz 9 ff]; Rs 53/81 [Levin], Slg 1982, 1035 [Rz 17]; C-213/05 [Geven], Slg 2007, I-6347 [Rz 16]; so nun auch Ziffer 2.2.1.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI zum FreizügG/EU; vgl zum gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ausführlich Epe in GK-AufenthG, § 2 FreizügG/EU RdNr 31 ff mwN). Zwar blieb dem Kläger gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU seine Erwerbstätigeneigenschaft und damit sein Freizügigkeitsrecht "als Arbeitnehmer" für die Dauer von sechs Monaten nach der arbeitgeberseitigen Kündigung erhalten. Dieser Zeitraum war aber bereits abgelaufen, als er für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragte.
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Dem Kläger stand auch zu keinem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht als selbstständig Tätiger nach § 2 Abs 1 Nr 2 FreizügG/EU zu. Dies setzt voraus, dass eine Tätigkeit als Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (vgl Art 7 Abs 1 Buchst a Alt 2 UBRL). Zwar ist auch insoweit nicht erforderlich, dass der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit das notwendige Existenzminimum deckt (vgl zuletzt zB OVG Bremen Beschluss vom 21.6.2010 - 1 B 137/10 - juris). Voraussetzung ist aber nach Art 43 EGV, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (EuGH, C-221/89 [Factortame], Slg 1991, I-3905 [Rz 20]), sodass alleine ein formaler Akt (EuGH, aaO, Rz 21; Bröhmer in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl 2007, Art 43 EG RdNr 12), wie die Registrierung eines Gewerbes nicht ausreichend ist. Ein weitergehendes Stadium aber hat die selbstständige Tätigkeit des Klägers nicht erreicht.
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Der Kläger ist darüber hinaus nicht als Nicht-Erwerbstätiger, zu denen freizügigkeitsberechtigte Arbeitsuchende nicht zählen, nach § 2 Abs 2 Nr 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es ihm insoweit an ausreichenden Existenzmitteln fehlt. Schließlich hat der Kläger auch noch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 7 iVm § 4a FreizügG/EU erworben.
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b) Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ist allerdings hier deswegen nicht anwendbar, weil der Kläger sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen kann(ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 - L 8 SO 88/07 ER - FEVS 59, 369, 373 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14.1.2010 - L 14 AS 1565/09 B ER - juris; SG Berlin Urteil vom 25.3.2010 - S 26 AS 8114/08 - juris; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 7 RdNr 35; Valgolio in Hauck/Noftz, § 7 SGB II RdNr 128, Stand Juni 2010; aA Bayerisches LSG Beschluss vom 4.5.2009 - L 16 AS 130/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.12.2009 - L 34 AS 1350/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.11.2008 - L 5 B 801/08 AS ER - juris; SG Reutlingen Urteil vom 29.4.2008 - S 2 AS 2952/07 - juris; Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Februar 2010, § 7 SGB II, RdNr 11a; offen gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.2.2010 - L 6 B 154/09 AS ER - juris; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 16.7.2008 - L 19 B 111/08 AS ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 11.1.2010 - L 25 AS 1831/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 30.5.2008 - L 14 B 282/08 AS ER - juris).
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Nach Art 1 des Abkommens, das unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich (und daneben Belgien, Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, die Türkei und Großbritannien) unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind.
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Bei dieser Vorschrift handelt es sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht (dazu unter aa), dessen Anwendbarkeit im konkreten Fall insbesondere kein jüngeres und deshalb vorrangig anzuwendendes Recht entgegensteht (dazu unter bb). Darüber hinaus steht seiner Anwendung nicht entgegen, dass inzwischen an die Stelle des Abkommens europäisches Koordinationsrecht getreten wäre (dazu unter cc). Auch liegen im Einzelnen die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgebots nach Art 1 EFA vor. Denn bei der beanspruchten Regelleistung nach § 20 SGB II handelt es sich um Fürsorge im Sinne des EFA(dd). Die Vorschrift des § 20 SGB II findet in Ermangelung eines von der Bundesrepublik abgegebenen Vorbebehalts auch auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten Anwendung(ee). Der Kläger hält sich in der Bundesrepublik zudem erlaubt im Sinne von Art 1 EFA auf (ff). Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA findet schließlich auch nicht alleine auf solche Staatsangehörige anderer Vertragsstaaten Anwendung, die sich bereits vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Aufenthaltsstaat aufgehalten haben (gg).
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aa) Der Kläger kann sich auf Art 1 EFA als unmittelbar geltendes Bundesrecht berufen. Der Bundestag hat mit dem mit Zustimmung des Bundesrats beschlossenen Gesetz vom 15.5.1956 (BGBl II 563) dem Europäischen Fürsorgeabkommen zugestimmt (vgl Art 59 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz
) und dadurch dessen Inhalt insoweit in innerstaatlich anwendbares, Rechte und Pflichten des Einzelnen begründendes (revisibles) Bundesrecht transformiert, als die Vertragsbestimmungen nach Wortlaut, Zweck und Inhalt wie innerstaatliche Gesetzesvorschriften rechtliche Wirkungen auszulösen geeignet sind (vgl BVerfGE 29, 348, 360; BVerwGE 44, 156, 160). Dies trifft auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 1 des EFA zu (so auch BundesverwaltungsgerichtUrteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 201; Urteil vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139, 142; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 - L 8 SO 88/07 ER - FEVS 59, 369; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.12.1999 - 16 A 5587/97 - juris; vgl auch Bayerischer VGH, FEVS 48, 74 ff; OVG Lüneburg, FEVS 49, 118, 119; Hessischer VGH, FEVS 51, 190 ff; Schraml, Das Sozialhilferecht der Ausländerinnen und Ausländer, 1992, S 75; Schuler, Der Einfluss des Europäischen Fürsorgeabkommens auf den sozialhilfe- und aufenthaltsrechtlichen Status der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer in Barwig/Lörcher/Schumacher , Familiennachzug von Ausländern auf dem Hintergrund völkerrechtlicher Verträge, S 67, 69; aA Kokott, Die Staatsangehörigkeit als Unterschiedsmerkmal für soziale Rechte von Ausländern in Hailbronner , Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, S 25, 33).
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bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist das EFA auch nicht in dem Sinne "überholt", dass seiner Anwendung neuere, denselben Sachverhalt regelnde gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Das Völkervertragsrecht wird gemäß Art 59 Abs 2 GG im Range von Bundesgesetzen umgesetzt. Aus dieser Rangzuweisung folgt, dass deutsche Gerichte das EFA wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (so BVerfGE 111, 307 ff zur Europäischen Menschenrechtskonvention
) . Innerstaatliches Recht ist grundsätzlich so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht. Dies entspricht dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (vgl BVerfG aaO sowie BVerfGE 58, 1, 34; 59, 63, 89). Das einfache (Sozial-)Recht bietet darüber hinaus mit § 30 Abs 2 SGB I eine Vorschrift zur Lösung von möglichen Konflikten zwischen nationalem Recht und (transformiertem) Völkerrecht. § 30 Abs 2 SGB I beschränkt sich nicht auf die Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern beinhaltet einen allgemeinen Rechtsgrundsatz(BSG, InfAuslR 2001, 181, 182; BSGE 52, 210, 213 = SozR 6180 Art 13 Nr 3 S 10). Bereits aus diesem Grund steht der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II entgegen der Ansicht der Revision der Verpflichtung zur Gleichbehandlung nach dem EFA nicht entgegen.
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Im Übrigen hat das LSG zu Recht darauf hingewiesen, dass Art 1 EFA im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich spezieller ist. Die Vorschrift richtet sich gerade nicht an alle Ausländer (deren Aufenthaltsrecht sich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt), sondern nur an Staatsangehörige der Vertragsstaaten. Darüber hinaus sind Gesetze auch dann im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden, wenn sie zeitlich später erlassen worden sind als ein geltender völkerrechtlicher Vertrag. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (vgl BVerfGE 74, 358, 370 sowie - speziell zum EFA - BVerwGE 111, 200, 211). Ein solcher gesetzgeberischer Wille des späteren Gesetzgebers zur Abweichung vom EFA ist hier nicht erkennbar. Des Weiteren überzeugt auch das Argument der Revision nicht, § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II sei deshalb vorrangig vor dem EFA, weil § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II der Umsetzung des Art 24 Abs 2 UBRL diene(BT-Drucks 16/688 S 13), einer Vorschrift, an der sowohl Frankreich als auch die Bundesrepublik beteiligt waren (so aber auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 15.4.2010 - L 13 AS 1124/10 ER-B - juris). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diejenigen Mitglieder des Rats der Europäischen Union, die zugleich Vertragsstaaten des EFA sind, mit der in Art 24 Abs 2 UBRL eingeräumten Möglichkeit der nur beschränkten Leistung von Sozialhilfe an Freizügigkeitsberechtigte zugleich für ihren Zuständigkeitsbereich ein Abkommen des Europarats außer Kraft setzen wollten.
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das EFA selbst den Konfliktfall bereits regelt: Nach Art 18 EFA stehen die Bestimmungen des Abkommens solchen nationalen Vorschriften nicht entgegen, die für die Beteiligten günstiger sind. Dass eine Abweichung vom EFA zu Lasten des durch das EFA geschützten Personenkreises damit nicht zulässig ist, liegt dabei auf der Hand. Wenn die Bundesrepublik die sich aus dem EFA ergebenden Verpflichtungen nicht mehr tragen will, steht ihr nach Art 24 EFA die Möglichkeit offen, das Abkommen innerhalb der dort genannten Frist zu kündigen. Hiervon hat sie bislang keinen Gebrauch gemacht.
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cc) Der Anwendbarkeit des EFA steht das koordinierende Sekundärrecht der Europäischen Union nicht entgegen (so aber Bayerisches LSG Beschluss vom 12.3.2008 - L 7 B 1104/07 AS ER - FEVS 60, 178).Gemeinschaftsrechtlicher Maßstab für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (1.3.2009 bis 11.11.2009) ist die Kollisionsregel des Art 6 der "alten" Wanderarbeitnehmerverordnung EWG Nr 1408/71, weil die Nachfolgeverordnung (EG) Nr 883/2004 vom 29.4.2004 (ABl 2004 Nr L 166, 1 ff) gemäß deren Art 91 Satz 2 erst ab dem Inkrafttreten einer Durchführungsverordnung galt. Die Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist aber erst am 1.5.2010 in Kraft (Art 97 der VO
Nr 987/2009) getreten. Nach der Kollisionsregel in Art 6 EWGV 1408/71 tritt die Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle bestimmter (völkerrechtlicher) Abkommen über die soziale Sicherheit.
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Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unterfallen entweder gemäß Art 4 Abs 2a EWGV 1408/71 iVm dem Anhang IIA, Buchst E - entgegen dem Anwendungsausschluss für die Sozialhilfe nach Art 4 Abs 4 EWGV 1408/71 und mit konstitutiver Wirkung (vgl EuGH, Rs C-20/96 [Snares], Slg 1997, I-6082 [Rz 30]; differenzierend Rs C-215/99 [Jauch], Slg 2001, I-1901 [Rz 21] = SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 S 5 f) - als so genannte besondere beitragsunabhängige Geldleistungen (so genannte "Mischleistungen", dazu ausführlich Beschorner, ZESAR 2009, 320 ff) bzw - soweit dem Grunde nach die Voraussetzungen nach § 24 Abs 1 SGB II vorliegen - als Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Art 4 Abs 1 Buchst g EWGV 1408/71 dem sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung.
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Ob auch der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, bedarf dagegen keiner Entscheidung. Denn die Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 greift hier ohnehin nicht ein. Die Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 ist nämlich nur anwendbar auf "Abkommen über die soziale Sicherheit", worunter nach der Begriffsbestimmung des Art 1 Buchst k) EWGV 1408/71 nur Vereinbarungen für die in Art 4 Abs 1 und 2 der Verordnung bezeichneten Zweige und Systeme zu verstehen sind. Art 4 Abs 2a VO 1408/71 ist dort gerade nicht genannt.
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Darüber hinaus gilt die Kollisionsregel des Art 6 EWGV ohnehin nicht schrankenlos. Vielmehr kann es gemeinschaftsrechtlich geboten sein, eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen (EuGH, Rs C-227/89 [Rönfeldt], Slg 1991, I-323 [Rz 29] = SozR 3-6030 Art 48 Nr 3 S 8; ausführlich Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 6 VO 1408/71 RdNr 10 ff). Weiterhin erscheint es zweifelhaft, ob Abkommen des Europarats überhaupt unter die Kollisionsregel fallen (vgl insoweit Steinmeyer, aaO, Art 7 VO 1408/71 RdNr 1; allerdings zu der ausdrücklich in die Verordnung aufgenommenen Ausnahmeregelung des Art 7 Abs 1 Buchst b im Hinblick auf das sog Vorläufige Europäische Abkommen vom 11.12.1953 über die soziale Sicherheit). Hinzu kommt, dass nichts dafür spricht, dass die EWGV 1408/71, für die sich vor allem die Notwendigkeit der Klärung des Verhältnisses zwischen Koordinationsrecht und Sozialversicherungsabkommen ergab, ein internationales Fürsorgeabkommen außer Kraft setzen wollte. Hier greift vielmehr der Anwendungsausschluss auf die Sozialhilfe nach Art 4 Abs 4 VO 1408/71.
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dd) Bei der hier noch streitgegenständlichen (siehe oben 1.) Regelleistung nach § 20 SGB II handelt es sich um "Fürsorge" im Sinne von Art 1 EFA. Ausweislich der Begriffsbestimmung in Art 2 Abs a Nr i EFA meint "Fürsorge" im Sinne des Abkommens jede Fürsorge, die jeder der Vertragschließenden nach den in dem jeweiligen Teile seines Gebietes geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert. Ausgenommen sind beitragsfreie Renten und Leistungen zugunsten der Kriegsopfer und der Besatzungsgeschädigten. Nach Art 2 Abs b EFA sind die Rechtsvorschriften, die in den Gebieten der Vertragschließenden, auf die dieses Abkommen Anwendung findet, in Kraft sind, sowie die von den Vertragschließenden formulierten Vorbehalte in den Anhängen I und II zum Abkommen aufgeführt.
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Die Regelleistung nach § 20 SGB II als Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach diesem Gesetz stellt ein solches, im Falle der Bedürftigkeit gewährtes "Mittel für den Lebensbedarf" dar(vgl auch Urteil des Senats vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 5/07 R - BSGE 99, 170 = SozR 4-4200 § 24 Nr 1, wo im Hinblick auf das SGB II von einer "steuerfinanzierten Fürsorgeleistung" die Rede ist; vgl auch BT-Drucks 15/1516 S 56: "nachrangige Fürsorgeleistung"). Denn das SGB II ist - anders als bis zum 1.1.2005 die Alhi als Lohnersatzleistung (vgl zuletzt § 195 SGB III) - ein bedarfsabhängiges Leistungssystem (vgl Urteil des Senats vom 31.10.2007 - B 14 AS 30/07 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 2). Darüber hinaus ist die Fürsorgegesetzgebung in der Bundesrepublik nach dem Außerkrafttreten des BSHG zum 1.1.2005 auch nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (idR iVm § 42 Satz 1 SGB XII) beschränkt. Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende unterscheiden sich zwar nach ihrem Adressatenkreis. Das SGB II verliert dadurch aber nicht seinen Charakter als Fürsorgegesetz.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass im Anhang I zum EFA in der Fassung der Erklärung des ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland an den Generalsekretär des Europarats vom 26.10.2001 als anzuwendende Fürsorgegesetze noch immer (und entgegen der Verpflichtung der Bundesrepublik zur Mitteilung geänderter bzw neuer Rechtsvorschriften gemäß Art 16 Abs a und b EFA) das BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.3.1994 (BGBl I 646, 2975), "zuletzt" geändert durch Art 12 des Gesetzes vom 13.9.2001 (BGBl I 2376, 2398), und die §§ 27, 32 bis 35 und 41 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), jeweils iVm § 39 SGB VIII, sowie die §§ 3, 19 und 69 des Infektionsschutzgesetzes genannt werden. Denn die Aufzählung der Fürsorgegesetze in der Anlage I ist nicht konstitutiv (so auch BVerwG Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 206; LSG Niedersachsen-Bremen, FEVS 59, 369, 374; Mangold/Pattar, VSSR 2008, 243, 261; aA Bayerisches LSG Beschluss vom 4.5.2009 - L 16 AS 130/09 B ER - juris, sowie Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Februar 2010, § 7 SGB II, RdNr 11a). Dies entspricht auch der Rechtsansicht der Bundesregierung bei Ratifizierung des Abkommens (vgl die Denkschrift des BMI und des Bundesministers des Auswärtigen zum Europäischen Fürsorgeabkommen und dem Zusatzprotokoll, BT-Drucks 2/1882, 23: "Die Aufführung der Fürsorgegesetze im Anhang I dient der Klarstellung, damit sich die übrigen Vertragschließenden den notwendigen Überblick verschaffen können." Vgl darüber hinaus den am 21.11.2001 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedeten "Explanatory Report" zum EFA, Rz 49). Dafür spricht zuletzt Art 2 Abs a Nr ii EFA. Hiernach haben die Begriffe "Staatsangehörige" und "Gebiet" die Bedeutung, die ihnen von den Vertragschließenden in gesonderten Erklärungen zugewiesen werden. Demgegenüber definiert Art 2 Abs a Nr i EFA den Begriff der Fürsorge eigenständig (Mangold/Pattar, aaO, 260).
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ee) Die Bundesrepublik Deutschland hat bis jetzt keinen Vorbehalt hinsichtlich der Anwendung des SGB II auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten abgegeben (vgl Art 16 Abs b Satz 2 EFA). Nach dem bislang abgegebenen Vorbehalt übernimmt die Bundesrepublik Deutschland keine Verpflichtung, die im BSHG "in der jeweils geltenden Fassung" vorgesehene Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage (vgl § 30 BSHG) und die dort vorgesehene Hilfe zur Überwindung besonderer sozialen Schwierigkeiten (vgl § 72 BSHG) an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren, ohne gleichwohl auszuschließen, dass diese Hilfen in geeigneten Fällen gewährt werden können (vgl Neubekanntmachung des Anhangs II zum EFA, BGBl II 2001, 1098). Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob dieser Vorbehalt nach dem Außerkrafttreten des BSHG durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) mit Wirkung vom 1.1.2005 "dynamisch" im Sinne einer Anwendung auf die Nachfolgegesetzgebung anzuwenden ist. Denn bereits im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 2. Abschnitt des BSHG hatte sich die Bundesrepublik gerade nicht die Möglichkeit der Ungleichbehandlung der Staatsangehörigen der Vertragsstaaten vorbehalten. Mit der Regelleistung nach § 20 SGB II beansprucht der Kläger aber alleine eine solche, den Lebensunterhalt sichernde, Hilfe.
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ff) Der Kläger hält sich auch "erlaubt" im Sinne des Art 1 EFA in der Bundesrepublik auf. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob - wie es der Rechtsprechung des BVerwG zum BSHG entsprach (vgl nur BVerwGE 71, 139, 143 ff) - sich das Merkmal des erlaubten Aufenthalts nach Art 11 Abs a Satz 1 EFA bestimmt und dem Anhang insoweit konstitutive Wirkung zukommt. Bedenken könnten sich unter anderem deshalb ergeben, weil die - nach der Schlussformel des Abkommens im Gegensatz zur deutschen Fassung - verbindliche englische Fassung des EFA zwischen "lawfully present" nach Art 1 EFA und - enger - "lawfully resident" im Sinne der Rückschaffungsvorschriften nach Art 6 EFA unterscheidet. Art 11 definiert aber nur den Begriff "residence". Beides wird im Deutschen mit Aufenthalt übersetzt (wobei dann bei Art 6 EFA auf einen "gewöhnlichen" Aufenthalt abgestellt wird). Nach dem Abkommenstext spricht also einiges dafür, dass zwischen dem sozialrechtlichen Gleichbehandlungsgebot und dem Ausweisungsschutz im Hinblick auf die Qualität "des Aufenthalts" differenziert werden sollte.
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Diese Frage bedarf aber deshalb keiner Entscheidung, weil sich der Kläger auch bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerwG "erlaubt" in der Bundesrepublik aufhielt. Nach Art 11 Abs a Satz 1 EFA gilt der Aufenthalt eines Ausländers im Gebiet eines der Vertragschließenden solange als erlaubt im Sinne des Abkommens, als der Beteiligte im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder einer anderen in den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates vorgesehenen Erlaubnis ist, auf Grund welcher ihm der Aufenthalt in diesem Gebiet gestattet ist. Dabei kam dem im Anhang III zum EFA angeführten Verzeichnis der Urkunden, die als Nachweis des Aufenthalts im Sinne des Art 11 EFA anerkannt werden, nach der Rechtsprechung des BVerwG ein rechtsbegründender (konstitutiver) Charakter in der Weise zu, dass mit den dort aufgeführten Urkunden die Erlaubnistatbestände abschließend genannt seien, aufgrund derer der Aufenthalt des ausländischen Staatsangehörigen im Sinne des Abkommens als erlaubt gelte (BVerwGE 71, 139, 144). Auch nach der Rechtsprechung des BVerwG war es aber als unerheblich anzusehen, wenn die Bezeichnung eines Aufenthaltstitels lediglich redaktionell angepasst wurde (BVerwG, aaO). Indiz für eine lediglich andere Bezeichnung kann dabei auch das völkervertragliche Verhalten der Bundesrepublik Deutschland sein. Denn wenn sie den Generalsekretär des Europarates von einer Änderung ihrer Gesetzgebung nicht unterrichtet hat, obwohl sie nach Art 16 Abs a EFA hierzu verpflichtet gewesen wäre, ist sie augenscheinlich davon ausgegangen, die gesetzliche Änderung berühre nicht den Inhalt des Anhangs III (BVerwGE 111, 200, 204).
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Der Kläger verfügt über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Im Anhang III des EFA ist demgegenüber noch von einer "Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG" die Rede (BGBl II 2001, 1100). Dies entspricht der Rechtslage nach § 1 Abs 4 des Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (AufenthG/EWG) in der Fassung des Gesetzes vom 9.7.1990 (BGBl I 1354), aufgehoben mit Wirkung vom 1.1.2005 durch das Zuwanderungsgesetz 2004 vom 30.7.2004 (BGBl I 1950). Nach dieser Vorschrift erhielten freizügigkeitsberechtigte Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften eine so genannte Aufenthaltserlaubnis-EG. Eines Aufenthaltstitels bedarf es nach § 2 Abs 4 Satz 1 FreizügG/EU, Art 8 UBRL nicht mehr. An die Stelle der Aufenthaltserlaubnis-EG ist insoweit die Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU getreten. Der Aufenthalt des Klägers "gilt" aus diesem Grund als erlaubt im Sinne des Art 11 EFA. Dies entspricht auch der Praxis der Ausländerbehörden, wonach von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen ist, bis eine Verlustfeststellung mit entsprechender Einziehung der Aufenthaltsbescheinigung nach § 5 Abs 5 FreizügG/EU erfolgt(vgl bereits oben 2.).
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gg) Der Senat vermag schließlich auch keinen rechtlichen Ansatzpunkt dafür zu erkennen, das EFA nur auf diejenigen Ausländer anzuwenden, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten und mithin nicht auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen in einen Vertragsstaat einreisten (so aber LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 8.1.2010 - L 34 AS 2082/09 B ER, L 34 AS 2086/09 B PKH -, unter Verweis auf OVG Berlin Beschluss vom 22.4.2003 - 6 S 9.03 - FEVS 55, 186, 190). Mithin kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger ein irgendwie geartetes "missbräuchliches Verhalten" vorgeworfen werden kann, als er etwas mehr als vier Monate nach seiner Einreise (nämlich nach Auslaufen seines Anspruchs auf Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beantragt hat. Der gesetzliche Rahmen des BSHG (und nunmehr des SGB XII) war ein gänzlich anderer. Nach § 120 Abs 1 Satz 1 BSHG war Ausländern, die sich in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich aufhielten, Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Nach § 120 Abs 3 Satz 1 BSHG(jetzt § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII in der Fassung des Gesetzes vom 2.12.2006, BGBl I 2670) hatten Ausländer, die sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben haben, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entsprach es offenbar allgemeiner Ansicht, § 120 Abs 3 Satz 1 BSHG auch auf vom EFA geschützte Personen anzuwenden(so OVG Berlin aaO unter Verweis auf die Denkschrift zum EFA, BT-Drucks 2/1882, 23; vgl auch Hamburgisches OVG Beschluss vom 8.2.1989 - Bs IV 8/89 -, NVwZ-RR 1990, 141 ff; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 25.4.1985 - 8 A 266/84 -, NDV 1985, 367 ff; aA VG Würzburg Urteil vom 21.2.1990 - W 3 K 88.1363 -, NDV 1990, 187 ff).
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Es überzeugt nicht, eine - etwa § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII vergleichbare - Regelung in das SGB II "hineinzulesen", wobei eine auf diese Weise vorgenommene Geltungserweiterung (Analogie) insbesondere auch vor dem Hintergrund des § 31 SGB I bedenklich erscheint. Im Übrigen dürfte die praktische Bedeutung eines solchen Anspruchsverlustes gering sein, weil das BVerwG jedenfalls im Rahmen der Vorgängernorm (§ 120 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 BSHG in der Fassung vom 24.5.1983, BGBl I 613) einen finalen Zusammenhang im Sinne einer "prägenden Bedeutung" zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe (BVerwG Urteil vom 4.6.1992 - 5 C 22/87 - FEVS 43, 113 ff) verlangt hat. Schließlich hat auch die zu Art 1 EFA teilweise vertretene Ansicht, einen Aufenthalt zeitlich vor dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit zu fordern (siehe oben), in dem Abkommen selbst keinen Ausdruck gefunden. Denn Art 1 EFA stellt allein auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ab, nicht aber auf eine bestimmte zeitliche Abfolge.
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Da der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II auf den Kläger mithin bereits aufgrund der vorrangigen Geltung des Gleichbehandlungsgebotes nach Art 1 EFA keine Anwendung findet, bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob der Leistungsausschluss zudem wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben unanwendbar ist.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:
- 1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, - 2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)
(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass
- 1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird, - 2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über
- 1.
(weggefallen) - 2.
(weggefallen) - 3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4); - 4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen; - 5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.
(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes
- 1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder - 2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.
(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.
(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.
(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.
(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.
(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.
(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.
(1) Die Bundesagentur und die zugelassenen kommunalen Träger überprüfen Personen, die Leistungen nach diesem Buch beziehen, zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober im Wege des automatisierten Datenabgleichs daraufhin,
- 1.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen der Träger der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung bezogen werden oder wurden, - 2.
ob und in welchem Umfang Zeiten des Leistungsbezuges nach diesem Buch mit Zeiten einer Versicherungspflicht oder Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung zusammentreffen, - 3.
ob und welche Daten nach § 45d Absatz 1 und § 45e des Einkommensteuergesetzes an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt worden sind, - 4.
ob und in welcher Höhe ein Kapital nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nicht mehr dem Zweck einer geförderten zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient, - 5.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen der Bundesagentur als Träger der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch bezogen werden oder wurden, - 6.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen anderer Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen werden oder wurden.
(2) Zur Durchführung des automatisierten Datenabgleichs dürfen die Träger der Leistungen nach diesem Buch die folgenden Daten einer Person, die Leistungen nach diesem Buch bezieht, an die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln:
(2a) Die Datenstelle der Rentenversicherung darf als Vermittlungsstelle die nach den Absätzen 1 und 2 übermittelten Daten speichern und nutzen, soweit dies für die Datenabgleiche nach den Absätzen 1 und 2 erforderlich ist. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei (§ 150 des Sechsten Buches) und des bei ihr für die Prüfung bei den Arbeitgebern geführten Dateisystems (§ 28p Absatz 8 Satz 2 des Vierten Buches) nutzen, soweit die Daten für die Datenabgleiche erforderlich sind. Die nach Satz 1 bei der Datenstelle der Rentenversicherung gespeicherten Daten sind unverzüglich nach Abschluss des Datenabgleichs zu löschen.
(3) Die den in Absatz 1 genannten Stellen überlassenen Daten und Datenträger sind nach Durchführung des Abgleichs unverzüglich zurückzugeben, zu löschen oder zu vernichten. Die Träger der Leistungen nach diesem Buch dürfen die ihnen übermittelten Daten nur zur Überprüfung nach Absatz 1 nutzen. Die übermittelten Daten der Personen, bei denen die Überprüfung zu keinen abweichenden Feststellungen führt, sind unverzüglich zu löschen.
(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über das Verfahren des automatisierten Datenabgleichs und die Kosten des Verfahrens zu regeln; dabei ist vorzusehen, dass die Übermittlung an die Auskunftsstellen durch eine zentrale Vermittlungsstelle (Kopfstelle) zu erfolgen hat, deren Zuständigkeitsbereich zumindest das Gebiet eines Bundeslandes umfasst.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Der Arbeitgeber hat auf Verlangen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers oder auf Verlangen der Bundesagentur alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld erheblich sein können (Arbeitsbescheinigung), insbesondere
- 1.
die Art der Tätigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers, - 2.
Beginn, Ende, Unterbrechung und Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und - 3.
das Arbeitsentgelt und die sonstigen Geldleistungen, die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer erhalten oder zu beanspruchen hat;
(2) Macht der Bescheinigungspflichtige nach Absatz 1 geltend, die Arbeitslosigkeit sei die Folge eines Arbeitskampfes, so hat er dies darzulegen, glaubhaft zu machen und eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen. Der Bescheinigungspflichtige nach Absatz 1 hat der Betriebsvertretung die für die Stellungnahme erforderlichen Angaben zu machen.
(3) Sozialversicherungsträger haben auf Verlangen der Bundesagentur, die übrigen Leistungsträger, Unternehmen und sonstige Stellen auf Verlangen der betroffenen Person oder der Bundesagentur alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Feststellung der Versicherungspflicht nach § 26 erheblich sein können; es gilt das Bescheinigungsverfahren nach § 313a Absatz 2.
(4) (weggefallen)
(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.
(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.
(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.
(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Darlehen werden nur erbracht, wenn ein Bedarf weder durch Vermögen nach § 12 Absatz 2 und 4 Satz 1 noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Darlehen können an einzelne Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften oder an mehrere gemeinsam vergeben werden. Die Rückzahlungsverpflichtung trifft die Darlehensnehmer.
(2) Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 5 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt. § 43 Absatz 3 gilt entsprechend. Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Satz 1 gilt nicht, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden oder soweit bereits gemäß § 43 in Höhe von mehr als 20 Prozent des für die Darlehensnehmer maßgebenden Regelbedarfs gegen deren Ansprüche auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgerechnet wird.
(3) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 24 Absatz 5 sind nach erfolgter Verwertung sofort in voller Höhe und Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 22 Absatz 6 bei Rückzahlung durch den Vermieter sofort in Höhe des noch nicht getilgten Darlehensbetrages fällig. Deckt der erlangte Betrag den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht, soll eine Vereinbarung über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.
(4) Nach Beendigung des Leistungsbezuges ist der noch nicht getilgte Darlehensbetrag sofort fällig. Über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags soll eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.
(5) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 27 Absatz 3 sind abweichend von Absatz 4 Satz 1 erst nach Abschluss der Ausbildung fällig. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(6) Sofern keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen wird, werden Zahlungen, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, zunächst auf das zuerst erbrachte Darlehen angerechnet.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.
(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.
Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind
- 1.
natürliche und juristische Personen, - 2.
nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, - 3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt, - 4.
gemeinsame Entscheidungsgremien von Leistungserbringern und Krankenkassen oder Pflegekassen.
Tenor
-
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. April 2010 wird zurückgewiesen.
-
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Im Streit sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom 26.1. bis 30.6.2009, insbesondere, ob der Kläger die gesamten Beiträge zur privaten Krankenversicherung von dem Beklagten beanspruchen kann.
- 2
-
Der 1974 geborene und ledige Kläger war nach Beendigung seiner Referendarzeit als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Seit seiner Referendarzeit ist er durchgehend privat kranken- und pflegeversichert. Sein Beitrag für die private Krankenversicherung betrug ab 1.1.2009 207,39 Euro, derjenige für die private Pflegeversicherung 17,89 Euro. Wegen Ruhens der ihm im Jahre 2003 erteilten Anwaltszulassung hat der Kläger im streitigen Zeitraum kein Einkommen erzielt.
- 3
-
Nach einem erstmaligen Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von Juni 2006 bis Juni 2007 bewilligte ihm der Beklagte erneut für die Zeit vom 26.1. bis 31.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 16,20 Euro, für Unterkunft und Heizung in Höhe von 45,18 Euro sowie Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 25,91 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 3,56 Euro und für die Zeit vom 1.2. bis 30.6.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 351 Euro, für Unterkunft und Heizung in Höhe von 225,88 Euro sowie Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 129,54 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 Euro (vorläufiger Bescheid vom 16.3.2009; Widerspruchsbescheid vom 30.3.2009).
- 4
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Während des sozialgerichtlichen Klageverfahrens hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20.7.2009 den Bescheid vom 16.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2009 für endgültig erklärt. Das SG hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide ua verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 26.1.2009 "nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften unter Berücksichtigung monatlicher Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 207,39 Euro und monatlicher Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,89 Euro" zu gewähren (Urteil des SG vom 20.7.2009). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 13.4.2010 hat der Beklagte anerkannt, einen Zuschuss in Höhe der tatsächlich anfallenden Beiträge zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 17,89 Euro zu erbringen. Nach Annahme dieses Angebots durch den Kläger hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 13.4.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe in verfassungskonformer Auslegung des § 26 Abs 2 SGB II zu. Nach der Konzeption des SGB II sollten Bezieher von Alg II einen umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein. Seit dem 1.1.2009 neu in den Leistungsbezug gelangende Hilfebedürftige seien von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon ausgeschlossen, ob dies ihrem Willen entspreche. Der Gesetzesbegründung sei kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber - abweichend von der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Alg II gegen ihren Willen mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge habe belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert würden. Dies sei dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der Bezahlbarkeit des Basistarifs als gewährleistet erschienen. Bei wortgetreuer Anwendung der seit 1.1.2009 geltenden gesetzlichen Regelung werde die eigentlich bezweckte Rechtsfolge verfehlt. Ein Ergebnis, wonach der Kläger aus seiner Regelleistung monatlich fast 80 Euro für seinen Krankenversicherungsschutz zuschießen müsse, belaste ihn in verfassungswidriger Weise. Es erscheine möglich und geboten, die nach ihrem Wortlaut auf freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zugeschnittene Vorschrift des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II zusammen mit § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II auszulegen und auf diese Weise der Regelungsabsicht des Gesetzgebers gerecht zu werden.
- 5
-
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine unrichtige Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II. Die Regelung lasse keinen Raum für eine über ihren Wortlaut hinausgehende (verfassungskonforme) Auslegung. Der Gesetzgeber habe das Problem der "Beitragslücke" zwar gesehen. Hieraus könne jedoch nicht zugleich geschlossen werden, dass er diese auch habe vermeiden wollen. Dies sei gerade nicht der Fall. Das gesetzgeberische Konzept laufe klar und eindeutig darauf hinaus, nur einen Teil der Beiträge zu bezuschussen. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG in Wahrheit keine materiell-begrenzende Regelung habe schaffen wollen, weil er in diesem Fall von der Einfügung dieses Halbsatzes abgesehen hätte.
- 6
-
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. April 2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 20. Juli 2009 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 16. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2009 sowie des Bescheids vom 20.7.2009 abzuweisen.
- 7
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtenen Bescheide teilweise rechtswidrig sind, weil der Beklagte dem Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 26.1. bis 30.6.2009 die von ihm zu tragenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe zu erstatten hat. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Zuschuss zu seinen Beiträgen zur privaten Krankenversicherung (3). Allerdings ist die Übernahme der Beiträge nach dem Wortlaut des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c VAG auf die Höhe des Beitragssatzes für Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt (4). Die verbleibende "Beitragslücke" kann nicht in Anwendung anderer Vorschriften des SGB ausgeglichen werden (5). Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Normen, des gesamten Regelungskonzepts nach den Gesetzesmaterialien und sonstigen Vorschriften zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit durch die Tragung von privaten Krankenversicherungsbeiträgen sowie verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte liegt eine gesetzesimmanente Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelungen vor (6), die durch eine analoge Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 2 SGB II zu lösen ist (7).
- 9
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1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Der Beklagte steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligten-wechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 - BSGE 62, 269, 270 f = SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R - BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
- 10
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Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944) in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl 2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f; unklar Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl 2010, Art 91e RdNr 26 ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff; Volkmann, aaO, RdNr 6 f).
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2. a) Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 16.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2009, mit dem der Beklagte für den Zeitraum vom 26.1. bis 30.6.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung ua eines Teils der Beiträge des Klägers zur privaten Krankenversicherung bewilligt hat. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger in zulässiger Weise mit einer (kombinierten) Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Der Bescheid enthält eine endgültige Regelung, nachdem der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20.7.2009 gegenüber dem anwesenden Kläger durch (mündlichen) Verwaltungsakt erklärt hat (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 50c). Dieser endgültige Bescheid ersetzt den vorläufigen Bescheid vom 16.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2009 (BSG Urteil vom 17.4.1996 - 3 RK 13/95 - SozR 3-5425 § 10 Nr 1).
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b) In inhaltlicher Hinsicht sind nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Zuschüsse zu den Krankenversicherungsbeiträgen Gegenstand des Verfahrens. Nach dem Vorbringen im Klageverfahren und der Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wendet er sich nicht gegen die Höhe der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung. Insofern hat das BSG bereits anerkannt, dass es sich bei den Verfügungen betreffend die Regelleistung einerseits und die Unterkunfts- sowie Heizkosten andererseits um abtrennbare Verfügungen handelt (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 f).
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Dagegen ist der Zuschuss nach § 26 SGB II nicht abtrennbar, sondern kann nur zusammen mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts überprüft werden. Ohne die vollständige Prüfung des Alg II-Anspruchs nach Grund und Höhe kann eine Entscheidung über den Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen nach § 26 SGB II nicht getroffen werden(vgl auch zum Zuschlag nach § 24 SGB II: BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/7b AS 42/06 R; BSG Urteil vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, jeweils RdNr 21 zur "Akzessorietät" des Anspruchs). Da nur Bezieher von Alg II nach § 26 Abs 1 Satz 1 SGB II einen Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen beanspruchen können, bestimmt sich der Anspruch zunächst danach, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung dieser Leistung erfüllt werden. Auch die Höhe des Zuschusses hängt von derjenigen des Anspruchs auf Alg II ab, weil der Umfang der Beteiligung des SGB II-Trägers an den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung - je nach Umfang der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II - unterschiedlich geregelt ist. Würde die Hilfebedürftigkeit entfallen, wenn der (hälftige) Tarif zur privaten Krankenversicherung nicht gezahlt werden müsste, käme § 12 Abs 1c Satz 5 VAG zur Anwendung. Danach beteiligt sich der zuständige Träger auf Antrag des Versicherten ohne betragsmäßige Begrenzung des Anspruchs im erforderlichen Umfang an dem Anteil der Beitragsschuld, den der Leistungsempfänger selbst nicht aus seinem anzurechnenden Einkommen oder Vermögen tragen kann. Verbliebe es bei einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II, auch wenn der Beitrag zur privaten Krankenversicherung nicht gezahlt werden müsste, fände § 12 Abs 1c Satz 6 VAG Anwendung. Der Beitrag wird dann nicht "im erforderlichen Umfang", sondern nur in "abgesenkter Höhe" desjenigen Betrags übernommen, der auch von einem Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist.
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c) Die Beteiligten streiten noch über (weitere) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 77,85 Euro monatlich, weil der Kläger sich nicht mit dem ihm möglichen Rechtsmittel der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil gewandt hat. Ihm standen in dem streitigen Zeitraum Regelleistungen in Höhe von 351 Euro monatlich zu. Die Revision des Beklagten hat daher schon deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung seiner vollen Beiträge zur privaten Krankenversicherung hat, ohne dass der Beklagte aus einem anderen Rechtsgrund niedrigere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbringen muss. Der Kläger war insbesondere im streitigen Zeitraum hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil er weder über Einkommen noch über Vermögen verfügte.
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d) In zeitlicher Hinsicht sind nur Leistungen nach dem SGB II in dem Zeitraum vom 26.1. bis 30.6.2009 im Streit. Folgebescheide für weitere Zeiträume sind nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R, RdNr 15; BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 9/09 R, RdNr 10).
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3. Der Kläger hat nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung, ohne dass seine Hilfebedürftigkeit durch die Übernahme der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung durch den Beklagten entfallen konnte. § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) bestimmt für Bezieher von Alg II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, dass die Vorschriften zur Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung nach § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG gelten.
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Der Kläger bezieht SGB II-Leistungen und ist nicht familienversichert. Er ist auch nicht nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V versicherungspflichtig in der GKV, weil er nach dem durch das GKV-WSG mit Wirkung vom 1.1.2009 eingefügten § 5 Abs 5a SGB V vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgenommen ist. Nach § 5 Abs 5a SGB V ist nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V ua nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert war(Satz 1). § 5 Abs 5a Satz 1 SGB V gilt nicht für Personen, die am 31.12.2008 nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V versicherungspflichtig waren für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit(§ 5 Abs 5a Satz 2 SGB V). Der Kläger war unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert. Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs 5a Satz 2 SGB V findet in seinem Fall keine Anwendung, weil er auch am 31.12.2008 nicht nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V versicherungspflichtig war.
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4. Nach dem Wortlaut der maßgebenden Vorschriften hat der Kläger nur Anspruch auf Übernahme der Beiträge in Höhe des ermäßigten Beitragssatzes für Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 129,54 Euro, ohne dass er sich gegenüber dem privaten Krankenversicherungsunternehmen auf diese Begrenzung berufen kann. Vielmehr schuldet er diesem den vollen Beitrag in Höhe von 207,39 Euro.
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Bezüglich der Höhe der von den privat krankenversicherten Alg II-Beziehern zu tragenden Aufwendungen finden hier die Begrenzungsregelungen des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 4 und Satz 6 VAG Anwendung. Diesem Verweis kommt nicht nur eine formale, sondern eine materiell-rechtlich begrenzende Wirkung zu, weil in § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II auch die Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Kostentragung gesetzlich fixiert ist. Nach § 12 Abs 1c Satz 1 VAG darf der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltstufen zunächst den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen, der sich aus dem allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen vom 1.1. des Vorjahres und der Beitragsbemessungsgrenze errechnet; abweichend davon wird im Jahr 2009 zur Berechnung des Höchstbeitrags der allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen vom 1.1.2009 zugrunde gelegt. Entsteht allein durch die Zahlung des Beitrags nach Satz 1 Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte (§ 12 Abs 1c Satz 4 VAG). Besteht auch bei einem nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs 1c Satz 5 VAG). Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, gilt Satz 4 entsprechend; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (§ 12 Abs 1c Satz 6 VAG). Der Verband der privaten Krankenversicherung wird damit beliehen, Art, Umfang und Höhe der Leistungen im Basistarif nach Maßgabe der Regelungen in § 12 Abs 1a VAG festzulegen(§ 12 Abs 1d VAG). Die Beiträge für den Basistarif ohne die Kosten für den Versicherungsbetrieb werden auf der Basis gemeinsamer Kalkulationsgrundlagen einheitlich für alle beteiligten Unternehmen ermittelt (§ 12 Abs 4b VAG).
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Der Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung iS des § 12 Abs 1c Satz 1 VAG lag für die Zeit ab 1.1.2009 bei 569,63 Euro (Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung in Höhe von 3675 Euro monatlich x allgemeiner Beitragssatz in der Krankenversicherung in Höhe von 15,5 %), der hälftige Beitrag im streitigen Zeitraum betrug 284,81 Euro. Aufgrund langjähriger Zugehörigkeit des Klägers zur privaten Krankenversicherung war der von ihm zu tragende Beitrag in dem hier streitigen Zeitraum mit 207,39 Euro deutlich unterhalb des hälftigen Höchstbeitrags, sodass nicht zu entscheiden ist, ob der Zuschussbetrag generell auf die Höhe des hälftigen Basistarifs beschränkt ist. Es greift für den Kläger jedoch die weitere Begrenzungsregelung des § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG. Der ermäßigte Beitragssatz für Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 246, 243 SGB V) betrug gemäß § 2 GKV-Beitragssatzverordnung vom 29.10.2008 (BGBl I 2109) für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.2009 14,9 %. Die Bezugsgröße belief sich gemäß § 18 Abs 1 SGB IV iVm § 2 Abs 1 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009 vom 2.12.2008 (BGBl I 2336) auf 2520 Euro. Als beitragspflichtige Einnahme galt für Bezieher von Alg II gemäß § 232a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V ein Betrag von 0,345 der Bezugsgröße, sodass sich beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 869,40 Euro ergeben. Danach entsprach der ermäßigte Beitragssatz mit 129,54 Euro (869,40 Euro x 14,9 %) dem von dem Beklagten übernommenen Anteil an den privaten Krankenversicherungsbeiträgen. Es ergibt sich daher eine "Beitragslücke" in Höhe von 77,85 Euro.
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Der Kläger ist in Höhe des - unterhalb des hälftigen Basistarifs liegenden - Betrags von 207,39 Euro auch einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung seines privaten Krankenversicherers ausgesetzt (vgl auch zB zum Erfordernis einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung für einen Freistellungsanspruch nach § 13 SGB V - BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R - BSGE 97, 6 ff = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, jeweils RdNr 24). Er kann ihm gegenüber nicht einwenden, nur in Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 6 VAG zur Zahlung verpflichtet zu sein. Dem steht der Verweis von § 12 Abs 1c Satz 6 VAG auf § 12 Abs 1c Satz 4 VAG und der abschließende Wortlaut der Regelungen zur Höhe des Beitrags im Basistarif nach § 12 Abs 1c Satz 4 VAG entgegen, nach denen der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit von dem privaten Versicherer "nur" um die Hälfte vermindert wird. Durch die betragsmäßige Begrenzung des Zuschusses des Trägers der Grundsicherung wird die Beitragsschuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsunternehmen nicht reduziert (vgl auch Bastians-Osthaus in NDV 2010, 154 ff, 156).
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5. Die bei Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG verbleibende "Beitragslücke" zur privaten Krankenversicherung des Klägers kann nicht nach anderen Vorschriften des SGB ausgeglichen werden. Insbesondere scheidet eine Übernahme der vollen privaten Krankenversicherungsbeiträge durch den Sozialhilfeträger in direkter Anwendung des § 32 Abs 5 Satz 1 SGB XII aus. Zwar trägt der Sozialhilfeträger nach dieser Regelung die Aufwendungen für eine Krankenversicherung bei einem (privaten) Versicherungsunternehmen, soweit diese angemessen und die Voraussetzungen des § 19 Abs 1 SGB XII erfüllt sind, eine Hilfebedürftigkeit also gegeben ist. Da § 32 SGB XII anders als § 26 SGB II keinen Verweis auf die Begrenzungsregelungen des § 12 VAG enthält, könnte das SGB XII insofern eine gegenüber dem SGB II günstigere Regelung enthalten(vgl hierzu Holzhey in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 32 RdNr 49 ff), ohne dass sachliche Gründe, etwa ein Bezug zur Erwerbsfähigkeit, für die unterschiedliche Behandlung der Leistungsempfänger des SGB II und des SGB XII erkennbar sind (vgl zu diesem Gedanken bereits BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R - BSGE 103, 181 ff = SozR 4-3500 § 42 Nr 2, jeweils RdNr 24). § 32 SGB XII findet sich aber im Dritten Kapitel des SGB XII, dessen Anwendbarkeit bei einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist(§ 5 Abs 2 Satz 1 SGB II). § 73 Satz 1 SGB XII kommt als Anspruchsgrundlage für die Übernahme der nicht gedeckten Beiträge zur privaten Krankenversicherung gleichfalls nicht in Betracht. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Als sonstige Lebenslagen kommen aber nur atypische, nicht bereits durch andere Vorschriften des SGB XII erfasste Bedarfslagen in Betracht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 22; BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 24).
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6. a) Nach seinem Wortlaut enthält § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG keine Regelung dazu, wer die bei Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II trotz Anwendung des § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG ungedeckten Beiträge zur privaten Krankenversicherung übernehmen soll. Es handelt sich insofern um eine gesetzesimmanente Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelungen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit den gesetzlichen Neuregelungen des GKV-WSG der Krankenversicherungsschutz der privat versicherten Hilfebedürftigen nach dem SGB II wesentlich verschlechtert werden und bei ihnen in größerem Umfang ungedeckte Beiträge zu ihren Lasten verbleiben sollten (so auch SG Karlsruhe Urteil vom 10.8.2009 - S 5 AS 2121/09; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 16.9.2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B - info also 2010, 26 f; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 11.10.2010 - L 7 AS 4197/10 ER-B; SG Chemnitz Urteil vom 16.6.2010 - S 3 AS 450/10, RdNr 37; aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 26.2.2010 - L 15 AS 26/10 B ER, RdNr 21 Hessisches LSG Beschuss vom 22.3.2010 - L 9 AS 570/09 B ER - ZfSH/SGB 2010, 302 ff; Brünner in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 26 RdNr 21; Spekker ZfSH/SGB 2010, 212, 215).
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b) Ob eine planwidrige Lücke innerhalb des Regelungszusammenhangs eines Gesetzes - im Sinne eines Fehlens rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden (Engisch, Einführung in das juristische Denken, 10. Aufl 2005, S 181) - anzunehmen ist, bestimmt sich ausgehend von der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden Regelungsabsichten, den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 31 ff, 39, 56 f). Dabei ist zunächst der gesetzgeberische "Plan" im Wege der historischen und teleologischen Auslegung anhand der Gesetzmaterialien zu ermitteln (BSG Urteil vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R - BSGE 100, 243 ff = SozR 4-2700 § 150 Nr 3, jeweils RdNr 25; BSG Urteil vom 7.10.2009 - B 11 AL 31/08 R - BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2 RdNr 22). Da Kriterium für die Feststellung einer Planwidrigkeit und damit für die Abgrenzung gegenüber der Rechtsfindung contra legem bei der Lückenfüllung nur der Wille des geltenden Rechts sein kann, ist über die dem Gesetz immanente Teleologie hinausgehend auf die gesamte Rechtsordnung - einschließlich der zT übergesetzlichen Werte - abzustellen (Canaris, aaO, S 197). Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Regelungen (c), der Gesetzesmaterialien (d), der zur Tragung von Krankenversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II und dem SGB XII bestehenden Normen (e) und verfassungsrechtlichen Wertungen (f) ergibt sich, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.
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c) Mit der Begrenzungsregelung des § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG ("... der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist") hat der Gesetzgeber eine Regelung übernommen, die sich bis zum 31.12.2008 in § 26 Abs 2 Satz 2 SGB II aF fand. Hiernach war für den begrenzten Personenkreis der SGB II-Leistungsempfänger, die nach § 8 Abs 1 Nr 1a SGB V idF bis zum 31.12.2008 - allerdings auf eigenen Antrag und wegen einer "gleichwertigen Versicherung" bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (vgl hierzu näher Hampel in jurisPK-SGB V § 8 RdNr 51, Stand 2008) - von der Versicherungspflicht befreit waren, gleichfalls eine Begrenzung des Zuschusses auf die Höhe des Betrags vorgesehen, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen gewesen wäre.
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Die inhaltsgleiche Übernahme der vormaligen Begrenzungsregelung des § 26 Abs 2 Satz 2 SGB II aF geschah allerdings vor dem Hintergrund einer veränderten Ausgangslage für privat krankenversicherte Alg II-Leistungsbezieher nach Inkrafttreten des GKV-WSG zum 1.1.2009. Während privat krankenversicherte Alg II-Leistungsbezieher bis zum 31.12.2008 mit Beginn des SGB II-Bezugs automatisch gesetzlich krankenversichert waren, sind sie seit dem 1.1.2009 verpflichtet, ua für sich selbst eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen (§ 193 Abs 3 Satz 1 VVG). Gleichzeitig ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme der GKV als SGB II- Leistungsbezieher entfallen. Im Gegenzug verpflichtete § 12 Abs 1a Satz 1 VAG private Krankenversicherungsunternehmen, einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V, auf die ein Anspruch besteht, jeweils vergleichbar sind. Dabei ergab sich die genaue Höhe der Beiträge zur privaten Krankenversicherung sowie - nachfolgend der Beitragslücke - erst unter Berücksichtigung der Höhe des nach neuen Kalkulationsgrundlagen zu errechnenden Basistarifs (vgl § 12 Abs 4b VAG), für den der Gesetzgeber in § 12 Abs 1c Satz 1 VAG mit der Verkündung des GKV-WSG im Bundesgesetzblatt(vgl BGBl I 378 vom 30.3.2007) nur einen Höchstbeitrag festgesetzt hatte. Die technischen Berechnungsgrundlagen für den ab 1.1.2009 geltenden Basistarif nach der gleichfalls mit dem GKV-WSG geänderten Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung (Kalkulationsverordnung) sind nach Mitteilung des Verbandes der privaten Krankenversicherung vom 28.12.2010 erst Ende 2008 durch einen beauftragten Treuhänder für unbedenklich erklärt worden.
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d) Die Auswertung der Gesetzesmaterialien zur Entstehung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG lässt vor diesem Hintergrund keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Gesetzgeber privat krankenversicherten Hilfebedürftigen nach dem SGB II bewusst und gewollt einen Beitrag zur privaten Krankenversicherung belassen wollte, den diese selbst nicht tragen können. Es erschien ihm im Zuge der grundsätzlichen Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlicher und privater Krankenversicherung und der Verpflichtung der privaten Krankenversicherungsunternehmen, künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anzubieten, die privat krankenversichert sind oder sein können, nicht länger erforderlich, Alg II-Bezieher auch dann in die Versicherungspflicht in der GKV einzubeziehen, wenn sie unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren (vgl Gesetzentwurf zum GKV-WSG vom 24.10.2006, BT-Drucks 16/3100 S 94 f).
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Im Zusammenhang mit dem seit 1.1.2009 gemäß § 12 Abs 1a VAG notwendig anzubietenden Basistarif findet sich der Hinweis, dass § 12 Abs 1c VAG für diesen die bisher für den Standardtarif geltenden Regelungen zur Begrenzung der Prämienhöhe erweitere. Um die Bezahlbarkeit des Basistarifs zu gewährleisten, dürfe dieser Beitrag den durchschnittlichen GKV-Höchstbeitrag nicht überschreiten. Würde die Bezahlung eines solchen Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII auslösen, stellten weitere Regelungen sicher, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert würden (BT-Drucks 16/3100 S 207 f). Mit dem in § 12 Abs 1c Satz 6 VAG eingefügten Bezug auf § 12 Abs 1c Satz 4 VAG durch Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-WSG vom 31.1.2007 (BT-Drucks 16/4200) sollte klargestellt werden, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von Hilfebedürftigkeit greife. Es bleibe bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen (BT-Drucks 16/4247 S 69). Dass bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II in größerem Umfang bei Anwendung dieser Regelung Beiträge zur privaten Krankenversicherung verbleiben können, die sie selbst zu tragen haben, wird in diesen Gesetzesmaterialen zu § 12 VAG nicht thematisiert. Im Gegenteil formulierte der Gesetzgeber in seiner Begründung zur zeitgleich eingeführten Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung (§ 178a VVG bzw - ab 1.1.2009 - § 193 VVG) als Ziel des Gesetzgebungsvorhabens, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen herzustellen (BT-Drucks 16/4247 S 66 f). Durch die Regelungen zur Beitragsbegrenzung in § 12 Abs 1c VAG sei sichergestellt, dass niemand durch die Verpflichtung zum Abschluss oder zur Aufrechterhaltung eines Krankheitskostenversicherungsvertrags unverhältnismäßig belastet werde. Für diejenigen, die die Beiträge des Basistarifs nicht zahlen könnten, werde die Zahlungspflicht zudem abgemildert, weil der zu zahlende Beitrag zunächst halbiert werde. Reiche auch dies nicht aus, um das Existenzminimum nach Zahlung des Beitrages zu sichern, erhalte der Versicherte einen Zuschuss aus Steuermitteln (aaO).
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Entsprechend ist auch das BVerfG in seiner Entscheidung zu den Verfassungsbeschwerden von Unternehmen der privaten Krankenversicherung und Privatpersonen gegen zahlreiche Vorschriften des GKV-WSG und des Gesetzes zur Reform des Versicherungsrechts vom 23.11.2007 von dem Regelungskonzept eines "bezahlbaren Basistarifs" ausgegangen (BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 - BVerfGE 123, 186 ff). Es hat die "private" Versicherungspflicht und den Kontrahierungszwang im Basistarif zwar als Eingriffe in die Handlungsfreiheit der Versicherten und Berufsausübungsfreiheit des privaten Krankenversicherungsunternehmens gewertet. Eine Rechtfertigung dieser Eingriffe des GKV-WSG hat das BVerfG jedoch in dem Anliegen des Gesetzgebers gesehen, Kostenrisiken für die Allgemeinheit durch verspätete oder unterlassene Versicherungen zu vermeiden und zum anderen darin, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen sicherzustellen. Der Versicherungsschutz sei bezahlbar, weil die Prämienhöhe im Basistarif auf den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt sei und sich im Fall des Eintritts von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII reduziere (BVerfGE 123, 186 ff, 242 f).
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e) Auch die weiteren in § 26 SGB II enthaltenen Regelungen zur Übernahme von privaten Krankenversicherungsbeiträgen sprechen für das Vorliegen einer Regelungslücke. Insofern bestimmt zunächst § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II, dass für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen die gesamten Beiträge zur Krankenversicherung übernommen werden. Zwar handelt es sich bei der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung, die auch die freiwillige Mitgliedschaft in der GKV umfasst, um verschiedene Versicherungssysteme (Schüffner/Franck in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2010, § 43 RdNr 13). Dennoch ergäben sich bei einer nur teilweisen Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung bis zur Höhe des hälftigen Basistarifs unter Berücksichtigung des Maßstabs des allgemeinen Gleichheitssatzes Wertungswidersprüche, die auf eine planwidrige Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung hinweisen (vgl Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 71). Es handelt sich auch bei der Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung im Basistarif um eine gesetzliche Versicherungspflicht zur "substitutiven Krankenversicherung", die "ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann" (Schüffner/Franck in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2010, § 43 RdNr 41). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger die Beitragshöhe für seinen Versicherungsschutz gegen Krankheit im Basistarif - bzw eines hier (noch) günstigeren Tarifs - ebenso wenig wie ein freiwillig in der GKV versichertes Mitglied beeinflussen kann, steht die unterschiedliche Finanzierung der GKV und der PKV der Annahme einer Regelungslücke nicht entgegen. Ausgehend von dem Sozialleistungsverhältnis zwischen dem SGB II-Träger und dem Hilfebedürftigen rechtfertigt sich keine unterschiedliche Behandlung, weil die freiwillig Versicherten in gleicher Weise wie die privat krankenversicherten SGB II-Bezieher für den Fall der Krankheit vorsorgen müssen und von der Versicherungspflicht der GKV nicht (mehr) erfasst sind, ohne hierauf Einfluss nehmen zu können (vgl auch Pilz in Gagel, SGB III/SGB II, § 26 RdNr 32, Stand April 2010).
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Zudem sehen § 26 Abs 2 Satz 2 SGB II, § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 VAG und § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 2 SGB II zur Übernahme von Beiträgen für diejenigen privat, freiwillig oder gesetzlich krankenversicherten Personen, die allein durch den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag hilfebedürftig werden, vor, dass die Beiträge zur Krankenversicherung in vollem Umfang übernommen werden. Zwar dürften diese Regelungen auch fiskalische Gründe haben (vgl zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift auch Krauß in Hauck/Noftz/Voelzke, SGB II, § 26 RdNr 22 ff, Stand Juli 2007). Gleichwohl bringen sie in ihrer Zusammenschau den Grundgedanken zum Ausdruck, dass der Eintritt von Hilfebedürftigkeit wegen Beiträgen zur Krankenversicherung vermieden werden sollte (Klerks in info also 2009, 153 ff, 157). Gegen die Annahme einer Regelungslücke spricht auch nicht, dass der Gesetzgeber insofern erst mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) mit Wirkung zum 1.1.2009 auch für die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtigen Personen, die allein durch den Krankenversicherungsbeitrag hilfebedürftig werden, geregelt hat, dass der Beitrag im notwendigen Umfang übernommen wird, gleichzeitig aber die weitere "Beitragslücke" bei den privat krankenversicherten SGB II-Leistungsbeziehern nicht geschlossen hat. Mit der Einbeziehung der gesetzlich krankenversicherten SGB II-Bezieher sollte zunächst nur ein "redaktionelles Versehen" beseitigt werden (BT-Drucks 16/13428 vom 17.6.2009 S 88). Dieses bestand darin, dass der Gesetzgeber mit den Neuregelungen des GKV-WSG nur für den Personenkreis der freiwillig und privat krankenversicherten Personen in § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II bzw § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 VAG dem Inhalt nach die vormalige Regelung des § 26 Abs 3 Satz 1 SGB II aF übernommen hat, nach der die Bundesagentur auf Antrag im erforderlichen Umfang die Aufwendungen für die angemessene Kranken- und Pflegeversicherung übernahm, soweit Personen allein durch diese Aufwendungen hilfebedürftig wurden.
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Allein aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber eine - von ihm inzwischen bezogen auf die Situation privat krankenversicherter SGB II-Empfänger eingeräumte - Regelungslücke (vgl zB BT-Drucks 16/13965 S 25, BT-Drucks 17/1342 S 42) bisher nicht geschlossen hat (vgl auch die - begrenzte - Änderung des § 12 Abs 1c VAG durch das GKV-Finanzierungsgesetz vom 22.12.2010 - BGBl I 2309), kann nicht entnommen werden, dass er die eindeutige Entscheidung (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 3.4.1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6, 12 f) getroffen hat, dass hohe Beitragsanteile zur privaten Krankenversicherung bei dem Hilfebedürftigen verbleiben sollen. Auf die Auslegung des ursprünglich von dem Gesetzgeber des GKV-WSG als historischem Gesetzgeber Gewollten haben diese Überlegungen grundsätzlich keinen Einfluss, solange dieser nicht - in den verfassungsrechtlichen Grenzen einer - je nach angedachtem Lösungsweg eventuell nur begrenzt möglichen - rückwirkenden Gesetzesänderung - eine Neufassung der Vorschriften rückwirkend in Kraft setzt (BSG Urteil vom 27.9.1989 - 11 RAr 53/88 - SozR 4100 § 168 Nr 22, RdNr 18).
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f) Für die Annahme einer einfach-gesetzlichen Lücke spricht entscheidend auch, dass bei einer anderen Wertung - also dem Gesetzgeber unterstellter Grundentscheidung für eine generelle Tragung der über die gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge bis zur Höhe des hälftigen Basistarifs hinausgehenden Beitragsanteile durch die Hilfebedürftigen - eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung privat versicherter SGB II-Leistungsempfänger eintreten würde, die ihr verfassungsrechtlich garantiertes Existenzminimum tangiert. Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG umfasst auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff, 223; BSG Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - BSGE 100, 221 ff = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, jeweils RdNr 31; Neumann in RsDE 68, 1 ff, 5). Aus der Regelleistung in Höhe von 351 Euro kann der Kläger die dieses garantierenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung, zu deren Entrichtung er aufgrund seiner Pflicht zur Aufrechterhaltung einer privaten Krankenversicherung nach § 193 Abs 3 VVG grundsätzlich verpflichtet ist, nicht tragen. Bei der Zusammensetzung der Regelleistung wird für die Abteilung 06 (Gesundheitspflege) ab 1.7.2008 nur ein Gesamtbetrag für über Zuzahlungen hinausgehende ärztliche Leistung in Höhe von 12,88 Euro monatlich berücksichtigt (Schwabe in ZfF 2008, 145 ff, 145). Zwar endet das Ruhen der Leistungen wegen rückständiger Prämienanteile für zwei Monate, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches wird (§ 193 Abs 6 Satz 5 VVG). Ein Krankenversicherungsschutz mit sich gleichzeitig laufend erhöhender Verschuldung entspricht bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch der Sicherung des Existenzminimums durch "Darlehen". Insofern ist aber das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer Härtefallregelung zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bei einem unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs bereits davon ausgegangen, dass durch die Gewährung eines Darlehens (nach § 23 Abs 1 SGB II) nur vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs aufgefangen werden können; zur Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfs des Existenzminimums sei die Gewährung eines Darlehens hingegen ungeeignet (BVerfGE 125, 175 ff, 254; ablehnend zur Gewährung eines Darlehens für wiederkehrende besondere Bedarfe beim verfassungsrechtlich garantierten Umgangsrecht des Kindes mit einem Elternteil im Falle einer Trennung bzw Scheidung auch BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 20).
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7. Die planwidrige Regelungslücke des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II ist durch eine analoge Anwendung der Regelung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 1 SGB II zu lösen. Hiernach wird für Bezieher von Alg II für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung ohne höhenmäßige Begrenzung übernommen (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 11.10.2010 - L 7 AS 4197/10 ER-B).
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Grundsätzlich kann die für den normierten Tatbestand im Gesetz gegebene Regel auf einen vom Gesetz nicht bzw hier nur unzureichend geregelten Tatbestand übertragen werden, wenn beide Tatbestände infolge ihrer Ähnlichkeit in den für die gesetzliche Bewertung maßgeblichen Hinsichten gleich zu bewerten sind (BSG Urteil vom 7.10.2009 - B 11 AL 31/08 R - BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2 RdNr 25 mwN) bzw der Gesetzgeber ausgehend von den für die herangezogenen Gesetzesvorschriften maßgebenden Grundsätzen zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre (BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 36 RdNr 25; BSG Urteil vom 21.10.1998 - B 9 V 7/98 R - BSGE 83, 68, 71 = SozR 3-1500 § 84 Nr 2 S 4). Insofern kann - wie oben ausgeführt - nicht allein aus den in § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II zur freiwilligen Krankenversicherung, sondern auch aus den weiteren in § 26 Abs 2 SGB II fixierten Regelungen zur Übernahme von Beiträgen zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne einer Rechts- bzw Gesamtanalogie(vgl zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, Einleitung RdNr 48) entnommen werden, dass Beiträge zu einer erforderlichen Krankenversicherung im Sinne der gesetzlichen Vorgaben des SGB in notwendigem Umfang von dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende übernommen werden (vgl zur sozialen Pflegeversicherung auch § 26 Abs 3 SGB II).
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8. Da eine analoge Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 1 SGB II zur Lösung der verfassungsrechtlichen Problematik möglich ist, erübrigt sich für den hier streitigen Zeitraum vor Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II die Prüfung, ob sich grundsätzlich ein Anspruch auf Übernahme des nicht gedeckten Beitragsanteils aus der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (aaO) ergeben kann (vgl hierzu auch SG Bremen Urteil vom 20.4.2010 - S 21 AS 1521/09).
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.
(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.
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Die Verurteilung des Beklagten zu Verschuldenskosten durch das Landessozialgericht wird aufgehoben.
Tatbestand
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Umstritten ist die Höhe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen vom 1.10.2007 bis 31.3.2008.
- 2
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Die im Jahr 1961 geborene Klägerin ist die Mutter des 1986 geborenen F. B. Bei diesem sind eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, H, RF festgestellt. In der strittigen Zeit war der Sohn vollstationär in einem Heim in Bad B untergebracht und besuchte von dort aus die Schule. In 14-tägigen Abständen holte die Klägerin ihren Sohn an den Wochenenden nach Hause, ebenso in den Schulferien und versorgte ihn mit Hilfe eines Pflegedienstes. Die Klägerin bezog pro Monat neben ihrer Witwenrente Kindergeld für ihren Sohn in Höhe von 154 Euro. Dieses wurde auf das Konto des Sohnes überwiesen, von dem per Dauerauftrag 80 Euro pro Monat an das Heim gingen für Körperpflegemittel, Friseur oder Ausflüge. Im Übrigen wurde das Geld für einen erhöhten Bedarf an entsprechender Kleidung, orthopädischen Schuhen usw benötigt. Die Kosten der Heimunterbringung des Sohnes, der eine Halbwaisenrente sowie Blindengeld bezog, wurden im Übrigen vom zuständigen Sozialhilfeträger übernommen.
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Die Wohnung der Klägerin, die seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II erhielt, hatte in der strittigen Zeit eine Größe von 61 qm, obwohl ihr nach Ansicht des beklagten Jobcenters nur 45 qm zustanden. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Wohnung ging der Beklagte aber von zwei Personen aus, weil sich der Sohn zeitweise in ihrem Haushalt aufhalte. Der Beklagte rechnete neben der Witwenrente das für den Sohn gezahlte Kindergeld als Einkommen der Klägerin an und bewilligte der Klägerin als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts pro Monat vom 1.10. bis zum 31.12.2007 insgesamt 202,66 Euro und vom 1.1. bis zum 31.3.2008 insgesamt 278,88 Euro (Bewilligungsbescheid vom 11.9.2007, Widerspruchsbescheid vom 1.10.2008).
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Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.3.2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten verurteilt, ihr vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 Leistungen nach dem SGB II unter Außerachtlassung des für den Sohn gezahlten Kindergeldes zu bewilligen, und dem Beklagten Verschuldenskosten in Höhe von 800 Euro auferlegt (Urteil vom 12.6.2012). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Das Kindergeld sei nicht Einkommen der Klägerin, sondern ihres Sohnes nach § 1 Abs 1 Nr 8 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V). Nach dieser Vorschrift sei das Kindergeld nicht als Einkommen des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, "soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird". Der Sohn habe nicht im Haushalt der Klägerin gelebt. Aus den 14-tägigen Besuchen am Wochenende und den in den Ferien folge nichts anderes. Das Kindergeld sei unstreitig direkt auf das Konto des Sohnes überwiesen worden. Dass das Kindergeld nicht auf die an den Sohn erbrachten Sozialhilfeleistungen angerechnet worden sei, könne keine andere Beurteilung begründen.
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Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, die Anwendung des § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V durch das LSG widerspreche der Begründung des Verordnungsentwurfs, nach der sich die Regelung nur auf in Ausbildung befindliche Kinder beziehen solle. Es habe verhindert werden sollen, dass Eltern, die ihre in Ausbildung befindlichen Kinder unterstützen, schlechter stehen als Auszubildende mit Leistungsbezug nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), denen das Kindergeld nicht als Einkommen angerechnet werde. Der Sohn der Klägerin werde in der Einrichtung voll versorgt und sei auch wirtschaftlich nicht selbstständig. Das LSG habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch nicht hinreichend aufgeklärt, der Sohn sei in der Einrichtung nicht polizeilich gemeldet gewesen, sondern in der damaligen Wohnung der Klägerin. Dies sei auch nicht unstreitig Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und auch nicht protokolliert worden. Der Sohn sei zum 1.9.2008 in eine andere Einrichtung umgezogen und habe in Bad B keinen Wohnsitz iS des § 30 Abs 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gehabt, sondern nur einen vorübergehenden Aufenthalt zum Besuch der Schule. Aus der Tatsache, dass der Heimvertrag ohne zeitliche Befristung abgeschlossen gewesen sei, folge nichts anderes, da er zum Ablauf eines Kalendermonats habe gekündigt werden können.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. März 2009 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Sohn sei in der strittigen Zeit in der Einrichtung polizeilich gemeldet gewesen. Er habe dort nicht nur vorübergehend verweilt, sei ständig auf fremde Hilfe angewiesen gewesen und habe den Schwerpunkt seiner Lebensführung in der Einrichtung gehabt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist als in der Sache unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Das LSG hat zu Recht den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des SG und Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des für den Sohn gezahlten Kindergeldes als Einkommen zu zahlen.
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1. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Grundurteil nach § 130 Abs 1 SGG zulässig ist, weil die Klägerin mit ihrer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, 4 SGG keinen bezifferten Betrag, sondern (nur) höhere Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes begehrt. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines solchen Grundurteils in einem Höhenstreit gehen - anknüpfend an die Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe (BSG vom 9.12.2004 - B 7 AL 24/04 R - BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 5 mwN) - die für Streitigkeiten nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG übereinstimmend in ständiger Rechtsprechung aus (BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 16; BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, RdNr 15; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 11; BSG vom 12.7.2012 - B 14 AS 35/12 R - BSGE 111, 234 = SozR 4-1500 § 54 Nr 28, RdNr 19; BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 12). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Grundurteils im Höhenstreit ist nach dieser Rechtsprechung, damit es sich nicht um eine unzulässige Elementfeststellungsklage handelt, eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird.
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Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Ausgehend von den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt die Klägerin die Grundvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland), während ein Ausschlusstatbestand(vgl § 7 Abs 1 Satz 2, §§ 4, 5 SGB II) nicht vorliegt. Der Beklagte hat der Klägerin auch grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der strittigen Zeit bewilligt; Anhaltspunkte, die einer Leistungsgewährung entgegenstehen, sind nicht zu erkennen. Umstritten ist nur, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen hat, weil das Kindergeld für den Sohn bei ihr als Einkommen nicht berücksichtigt werden darf.
- 12
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Trotz des Tenors des LSG, Leistungen unter Außerachtlassung des Kindergeldes "zu bewilligen", handelt es sich nicht um einen hinter dem Leistungsantrag der Klägerin zurückbleibenden Verpflichtungstenor, weil das LSG ausweislich seiner Entscheidungsgründe, den Beklagten nicht nur zum Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes, sondern zu einer höheren Leistung verurteilen wollte.
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2. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf höhere - da ohne Anrechnung des Kindergeldes für den Sohn zu erbringende - Leistungen nach dem SGB II sind § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Dass die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf diese Leistungen in der strittigen Zeit dem Grunde nach erfüllt, wurde schon festgestellt.
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Um zu entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf höhere Leistungen hat, muss zunächst geklärt werden, ob die Klägerin mit anderen Personen eine Bedarfsgemeinschaft bildet (dazu 3.), dann muss der Bedarf ermittelt (dazu 4.) und diesem die Bedarfsdeckungsmöglichkeiten, insbesondere das zu berücksichtigende Einkommen gegenübergestellt werden (dazu 5.).
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3. Die Klägerin bildet mit keiner anderen Person eine Bedarfsgemeinschaft. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG war sie nicht verheiratet und lebte - abgesehen von den Besuchen des Sohnes - alleine in der Wohnung.
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Es bestand auch keine Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit ihrem Sohn. Grundvoraussetzung für eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 2 oder 4 SGB II zwischen Eltern und Kind ist ein gemeinsamer Haushalt. Ein Haushalt stellt sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) dar (vgl nur BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11 R - BSGE 110, 204 ff = SozR 4-4200 § 9 Nr 10, RdNr 19, 26 ff).
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Dass der Sohn in der strittigen Zeit nicht im Haushalt der Klägerin lebte, zeigt sich deutlich an dem örtlichen und materiellen Merkmal. Dies folgt aus den Feststellungen zu den Aufenthaltszeiten des Sohnes in dem Heim einerseits - grundsätzlich immer - und den nur besuchsweisen Aufenthalten bei der Klägerin an jedem zweiten Wochenende und in den Ferien. Der Sohn hatte angesichts dessen seinen Lebensmittelpunkt und gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs 3 SGB I) unabhängig von seiner polizeilichen Meldung nicht in der Wohnung der Klägerin, sondern in dem Heim in Bad B, denn dort wurde er entsprechend seinen Behinderungen umfassend versorgt. Aus einem von der Revision behaupteten späteren Umzug des Sohnes von diesem in ein anderes Heim folgt keine Zugehörigkeit zum Haushalt der Klägerin in der strittigen Zeit, zumal der Sohn nach den nicht umstrittenen Feststellungen des LSG seit Anfang des Jahres 2005 ohne zeitliche Unterbrechung - abgesehen von den Besuchen bei der Klägerin - in dem Heim wohnte, zu Beginn der strittigen Zeit am 1.10.2007 also schon über zweieinhalb Jahre. Gründe für eine weitere Sachverhaltsaufklärung in dieser Hinsicht sind entgegen dem Vorbringen der Revision, die insofern auch kein konkretes Beweisthema benannt hat, nicht zu erkennen, zumal der polizeilichen Meldung angesichts der aufgeführten anderen Aspekte keine ausschlaggebende Bedeutung beikommt.
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Es lag auch keine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13 RdNr 15)zwischen der Klägerin und ihrem Sohn vor, weil die in der genannten Entscheidung angeführten Gründe für eine dahingehende Auslegung des § 7 Abs 3 SGB II zur Sicherstellung einer "SGB II-immanenten Lösung" hinsichtlich der Kosten des Umgangs, wie insbesondere das durch Art 6 Abs 1 Grundgesetz geschützte Umgangs- und Sorgerecht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder, vorliegend nicht gegeben sind, da der Sohn in der strittigen Zeit während seines stationären Aufenthalts im Heim Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bezog und schon volljährig war.
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4. Da nur die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umstritten ist, kann dahingestellt bleiben, wie hoch der Gesamtbedarf der Klägerin in der strittigen Zeit war, weil nur der Beklagte Rechtsmittel eingelegt hat und die Klägerin nicht mehr als die vom LSG zugesprochene Erhöhung aufgrund der Nichtberücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen erhalten kann.
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5. Dem Bedarf der Klägerin sind die Bedarfsdeckungsmöglichkeiten nach § 9 SGB II gegenüberzustellen. Hier kommt allein die Berücksichtigung von Einkommen in Betracht (§ 11 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsmarkes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.2006, BGBl I 2748, im Folgenden SGB II aF).
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Entgegen der Ansicht des Beklagten ist jedoch auch kein weiteres Einkommen, insbesondere nicht das Kindergeld für den Sohn zu berücksichtigen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind (alle) Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF) mit bestimmten Ausnahmen wie den Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und entsprechend anwendbarer Gesetze einschließlich des Bundesentschädigungsgesetzes, den Absetzbeträgen nach § 11 Abs 2 SGB II aF sowie zweckbestimmte Einnahmen, Schmerzensgeld usw(vgl § 11 Abs 3 bis 4 SGB II aF). Weitere Ausnahmen vom zu berücksichtigenden Einkommen enthält § 1 Alg II-V in ihren verschiedenen Fassungen.
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Von daher bestehen gegen die - nicht umstrittene - Berücksichtigung der Witwenrente der Klägerin als Einkommen keine Bedenken.
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Das für den Sohn der Klägerin von der Familienkasse gezahlte Kindergeld ist hingegen nicht als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen.
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a) Kindergeld wurde in der strittigen Zeit ebenso wie heute nach §§ 31, 32, 62 ff Einkommensteuergesetz (EStG) gezahlt - außer in den vorliegend nicht einschlägigen Fallgestaltungen des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG), die im Wesentlichen nur Personen, die nach dem EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig oder gleichgestellt sind, also nicht im Inland ihren Wohnsitz haben, oder Vollwaisen, die für sich selbst Kindergeld beziehen, betreffen(§ 1 Abs 1, 2 BKGG). Anspruchsberechtigt für das Kindergeld ist nicht das Kind, sondern die Eltern oder ein anderer Berechtigter, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat (§ 64 EStG, auch zum Verhältnis mehrerer Berechtigter zueinander). Selbst wenn der Kindergeldberechtigte zB seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt und das Kindergeld an das Kind ausgezahlt wird (§ 74 EStG), ändert dies nichts an der Kindergeldberechtigung. Kindergeld ist daher - vorbehaltlich abweichender Normen - auch im SGB II als Einkommen der Eltern anzusehen (BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 33 f; BSG vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 54/06 R - RdNr 12 ff).
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b) Als solche abweichende Norm ordnet für die strittige Zeit vom 1.10.2007 bis heute § 11 Abs 1 Satz 2, 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558) an: "Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird." Die Voraussetzungen dieser Regelung sind vorliegend nicht erfüllt, weil der Sohn der Klägerin mit ihr - wie ausgeführt - keine Bedarfsgemeinschaft bildete.
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c) Eine weitere abweichende Norm enthält § 1 Abs 1 Nr 8 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 20.10.2004 (BGBl I 2622 - Alg II-V) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 22.8.2005 (BGBl I 2499), die am 1.10.2005 in Kraft getreten ist, in die Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung vom 17.12.2007 (BGBl I 2942) übernommen wurde, bis heute gilt und für die strittige Zeit anordnet, dass nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist "Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird". Die durch die Erste Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 18.12.2008 (BGBl I 2780) erfolgte Streichung des Adjektivs "volljährig" ist vorliegend ohne Bedeutung.
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Der Beklagte meint zwar, dass die Regelung sich nur auf in Ausbildung befindliche Kinder beziehe; dass der Wortlaut der Norm eine solche Beschränkung enthält, wird jedoch auch vom Beklagten - zu Recht - nicht behauptet. Vielmehr bezieht die Regelung sich auf das Kindergeld für alle Kinder des Hilfebedürftigen, die nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen leben und an die das Kindergeld nachweislich weitergeleitet wird - ohne weitere Einschränkungen.
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Aus der vom Beklagten angeführten Begründung des Entwurfs zu der Änderungsverordnung vom 22.8.2005 folgt nichts anderes. In dieser Begründung wird zu der umstrittenen Nr 8 ausgeführt: "Nach Nummer 8 wird das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird, anrechnungsfrei gestellt. Es ist daher bei den hilfebedürftigen Eltern, die es als Berechtigte erhalten, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Ist allerdings das volljährige Kind hilfebedürftig, ist es diesem als Einkommen zuzurechnen. Mit dem Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung vom 19. März 2001 wurde das Ziel verfolgt, den Personenkreis der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu fördernden Personen zu erweitern und die Einkommenslage der Auszubildenden zu verbessern. In diesem Zusammenhang wurde Kindergeld aus dem Einkommensbegriff des BAföG herausgenommen und damit generell anrechnungsfrei gestellt. Damit wurde der Nachteil beseitigt, dass Eltern von mit BAföG geförderten Kindern bzw. mit BAföG-Empfänger, an die das Kindergeld unmittelbar ausgezahlt wurde, zuvor vom Kindergeld nicht in voller Höhe profitieren konnten, da dieses wegen der teilweisen Anrechnung als Einkommen zu einer verminderten Förderung führte. Diese Entlastung wird nun im Falle volljähriger Kinder, an die die Eltern nachweislich das Kindergeld weiterleiten, auch im SGB II nachvollzogen. Es wird daher künftig nicht als Einkommen berücksichtigt, wenn die Eltern das Kindergeld nachweislich an die Auszubildenden weiterleiten." (abrufbar unter: www.bmwi.de).
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Wie dieser Begründung entnommen werden kann, ist - insofern ist dem Beklagen zuzustimmen - Ausgangspunkt der umstrittenen Regelung in § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V eine Harmonisierung zwischen dem SGB II und dem BAföG. Denn mit der Regelung soll die Nichtberücksichtigung des Kindergelds beim BAföG auf das SGB II in den Fällen übertragen werden, in denen das Kindergeld an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird.
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Dass diese Regelung auf Kinder beschränkt sein soll, die BAföG beziehen, ist jedoch nicht nur dem Wortlaut der Nr 8 nicht zu entnehmen, vielmehr steht dem auch die angeführte Begründung entgegen. Denn deren dritter Satz lautet: "Ist allerdings das volljährige Kind hilfebedürftig, ist es diesem als Einkommen zuzurechnen." Dieser Satz ist nur dann sinnvoll, wenn das Kind nicht BAföG bezieht, sondern ggf selbst hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII ist, womit auch in der Begründung der Änderungsverordnung entgegen der Ansicht des Beklagten davon ausgegangen wird, dass die Regelung sich gerade nicht nur auf Kinder bezieht, die sich in der Ausbildung befinden (vgl zum Verhältnis von BAföG-Bezug und Leistungen nach dem SGB II nur § 7 Abs 5 SGB II aF).
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Die von dem Beklagten aufgestellte weitere Voraussetzung, dass das Kind "wirtschaftlich selbstständig" ist, ist weder dem Normtext noch der Begründung zu entnehmen.
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d) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V, dass das Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird, sind vorliegend erfüllt. Denn der volljährige Sohn der Klägerin wohnte in der strittigen Zeit, wie oben festgestellt, nicht im Haushalt der Klägerin. Daran ändern auch die zeitweisen Besuche des Sohnes an jedem zweiten Wochenende und den Ferien nichts. Die Klägerin hat das Kindergeld für ihren Sohn auch an diesen weitergeleitet, denn das Kindergeld wurde nach den von Seiten des Beklagten nicht gerügten Feststellungen des LSG auf ein Konto des Sohnes eingezahlt und ausschließlich für diesen verwandt.
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e) Dass das Kindergeld vom Sozialhilfeträger nicht auf den Bedarf des Sohnes angerechnet wurde, ändert nichts an der Nichtberücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Klägerin nach dem SGB II.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Auferlegung der Verschuldenskosten von Seiten des LSG gegenüber dem Beklagten ist aufzuheben (§ 192 Abs 3 Satz 2, Abs 1 SGG), weil in dem Rechtsstreit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Auslegung des § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V zu klären war.
(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.
(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
Tenor
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Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Dezember 2010 werden zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Kläger begehren von dem Beklagten die Erteilung einer Zusicherung über die Angemessenheit der Nettokaltmiete für eine bereits angemietete Wohnung.
- 2
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Die 1971 geborene Klägerin zu 1 und ihre 1999 und 2004 geborenen Kinder (Kläger zu 2 und 3) beziehen seit Juli 2006 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Aufgrund eines im gleichen Monat geschlossenen Mietvertrags bewohnen sie eine 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 67,18 qm, für welche die monatliche Grundmiete in Höhe von 395,70 Euro zum 1.10.2007 auf 473,62 Euro erhöht wurde; als Nebenkosten sind 70 Euro monatlich, als Heizkosten 30 Euro monatlich (bzw ab April 2009 65 Euro monatlich) und als Müllgebühren 14,98 Euro monatlich zu entrichten.
- 3
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Mit Schreiben vom 4.6.2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass als angemessene Kosten der Unterkunft nur ein Betrag in Höhe von höchstens 421,50 Euro (Kaltmiete) anerkannt werden könne. Die gegenwärtige Miete übersteige diesen Betrag um 52,12 Euro. Die unangemessenen Unterkunftskosten könnten in der Regel längstens für sechs Monate übernommen werden. Eine volle Tragung der Aufwendungen über diesen Zeitraum hinaus sei nur bei Nachweis der Unmöglichkeit einer Kostensenkung möglich. In einer "Kostenzusage" vom selben Tag erklärte sich der Beklagte bereit, bei der Anmietung einer Wohnung eine Kaltmiete bis maximal 421,50 Euro als angemessen anzuerkennen.
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Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger vom 27.6.2008, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft auch nach Ende des im Schreiben vom 4.6.2008 genannten Sechsmonatszeitraums in voller Höhe als Bedarf im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II anzuerkennen, ab(Bescheid vom 4.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.11.2009). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.12.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, das Begehren der Kläger sei nur auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, eine verbindliche Zusicherung zur Anerkennung der aktuellen Nettokaltmiete als angemessen abzugeben. Die Berufung sei nicht begründet. Soweit über Zeiträume seit dem Antrag auf Zusicherung bereits Bewilligungsbescheide ergangen seien, habe sich das Begehren erledigt. Bezogen auf die Erteilung einer Zusicherung für zukünftige Zeiträume seien die Klagen als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Umstand, dass der Beklagte intern von einem weiteren "Mietprüfungsverfahren" absehe, habe nicht zur Erledigung des Rechtsstreits geführt und das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht entfallen lassen. Das SG habe die Klagen aber zu Recht als unbegründet angesehen, weil die Kläger weder Anspruch auf die Erteilung einer Zusicherung mit dem begehrten Inhalt noch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber hätten. Sie könnten ihr Begehren nicht auf § 22 Abs 2 SGB II stützen, weil diese Vorschrift nur einen bevorstehenden Abschluss über eine neue Unterkunft erfasse. Regelungen zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung für eine bereits angemietete und bewohnte Unterkunft enthielten allein § 22 Abs 1 Sätze 1 und 3 SGB II, ohne dass eine Zusicherung gesetzlich vorgesehen sei. Eine analoge Anwendung des § 22 Abs 2 (oder Abs 2a und 3) SGB II sei nicht möglich. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Während § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II die Möglichkeit enthalte, für eine bereits bewohnte Unterkunft auch unangemessene Kosten zu übernehmen, solange eine Senkung der Unterkunftskosten nicht möglich oder zumutbar sei, diene § 22 Abs 2 SGB II der Warnung und Aufklärung vor unangemessenen Kosten im Fall eines Wohnungswechsels. Damit berücksichtige der Gesetzgeber, dass in beiden Konstellationen keine vergleichbare Interessenlage vorliege, sondern relevante Unterschiede bestünden. Einer Planungssicherheit für das Eingehen einer neuen Verbindlichkeit bedürfe derjenige nicht, der eine solche bereits im Vorfeld begründet habe. Ein Anspruch auf die begehrte Zusicherung erwachse den Klägern auch nicht aus § 34 Abs 1 SGB X in Verbindung mit § 22 Abs 1 SGB II, weil das Gesetz die Erteilung einer Zusicherung für eine bereits angemietete Wohnung ausschließe. Das Begehren der Kläger sei im Kern nicht auf die Erteilung einer Zusicherung, sondern auf die verbindliche Feststellung der Angemessenheit ihrer Aufwendungen für die Unterkunft gerichtet. Aufgabe der Verwaltung sei es, über den geltend gemachten (Leistungs-)Anspruch, nicht jedoch über das Vorliegen oder Fehlen von Leistungsvoraussetzungen zu entscheiden. Bei dem begehrten Inhalt der behördlichen Erklärung ("ihre derzeitige Nettokaltmiete bis auf Weiteres als angemessen i.S.d. § 22 Abs 1 SGB II anzuerkennen") handele es sich nur um ein Teilelement des in § 22 Abs 1 SGB II geregelten Leistungsanspruchs.
- 6
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Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 22 Abs 1 und Abs 2 SGB II sowie von § 34 SGB X. § 22 Abs 2 SGB II sei unmittelbar anwendbar. Die Voraussetzungen für die Anmietung der aktuellen Wohnung könnten jederzeit durch Kündigung und erneute Bewerbung um die Wohnung geschaffen werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Behörde könne in den "nicht ausdrücklich von § 22 SGB II erfassten Konstellationen" die streitgegenständliche Zusicherung nicht erteilen, sei nicht nachvollziehbar. Soweit das LSG in diesem Zusammenhang mit dem Zweck der gesetzlich geregelten Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB II argumentiere, verkenne es, dass neue Verbindlichkeiten und wirtschaftliche Risiken zwar durch den Abschluss eines Mietvertrags, jedoch genauso durch das Aufrechterhalten eines Mietvertrags begründet werden könnten. Der Beklagte habe Ermessen gar nicht ausgeübt, weil er irrtümlich davon ausgegangen sei, dass er die streitgegenständliche Zusicherung nicht erteilen dürfe. Schließlich gehe das Berufungsgericht zu Unrecht davon aus, dass sie nicht eine Zusicherung, sondern die Feststellung eines Tatbestandsmerkmals begehrten. Der Gesetzgeber habe durch § 22 Abs 2 SGB II unmissverständlich deutlich gemacht, dass ein Erfordernis der Zusicherung für künftige Aufwendungen der Unterkunft bestehe. Der Anspruch auf eine Zusicherung hänge schon deshalb nicht von der Frage ab, ob sich die Zusicherung auf eine bereits bewohnte Wohnung richte oder auf eine solche, die erst bezogen werden solle, weil ein Anspruch auf Zusicherung unabhängig von der konkret anzumietenden Wohnung bestehe ("abstrakte Zusicherung"). Wenn - wie hier - ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Zusicherung bestehe, gehe das BSG von einer Ermessensreduzierung auf Null aus.
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Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 16. Dezember 2010 und des Sozialgerichts Freiburg vom 5. November 2009 sowie den Bescheid vom 4. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen gemäß § 34 SGB X iVm § 22 Abs 2 SGB II zuzusichern, dass ihre derzeitige Nettokaltmiete als angemessen im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II anerkannt werde,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag vom 27. Juni 2008 auf Erlass einer Zusicherung erneut zu entscheiden und dabei Ermessen nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts auszuüben.
- 8
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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
- 9
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Er macht geltend, es liege kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) vor, weil die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe übernommen würden.
Entscheidungsgründe
- 10
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1. Die zulässigen Revisionen der Kläger sind nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 4.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2008 rechtmäßig ist. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung mit dem Inhalt, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft als angemessen anzuerkennen, noch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber.
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2.a) Die Kläger haben ihr Begehren zu Recht ausschließlich mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Erteilung der Zusicherung verfolgt (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Bei der Zusicherung iS von § 34 SGB X handelt es sich um die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt mit einem bestimmten Inhalt später zu erlassen(vgl Legaldefinition in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X)und damit um einen mit einer Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt. Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich auch bei einer auf die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten gerichteten Zusicherung iS von § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II um einen der Bewilligung vorgeschalteten Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X(BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - FEVS 62, 6 ff). Auch die Zusicherung iS von § 22 Abs 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I, 1706; ab 1.4.2011: § 22 Abs 4 SGB II)ist ein Verwaltungsakt (BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - SGb 2011, 325 f; Lauterbach in Gagel, SGB II, § 22 RdNr 101, Stand Juni 2011; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 69; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 123). Dies gilt in gleicher Weise für die Ablehnung einer beantragten Zusicherung, weil der Inhalt, der zugesichert werden soll, nicht zugesichert werden kann. Die Verwaltungsentscheidung beinhaltet regelmäßig und auch hier zugleich die Feststellung, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung hat, also nach den Kriterien des § 31 SGB X einen Verwaltungsakt(BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - SGb 2011, 325 f; BSG Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113, 114 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 S 3 mwN). Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zugleich die - gegenüber einer subsidiären Feststellungsklage - vorrangige Klageart, weil in diesem Verfahren hier auch über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die einer Feststellungsklage zugrunde liegen könnten (vgl zB BSG SozR 4-2700 § 136 Nr 3, S 16 mwN).
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b) Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger nach § 34 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II bzw aufgrund unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II ein Anspruch auf Zusicherung oder zumindest auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Zusicherung gegeben sein kann. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch nicht unzulässig geworden (vgl zur Prüfung dieser prozessualen Voraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen: BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S 93). Unzulässig ist ein Rechtsmittel insbesondere dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers hieran nicht mehr besteht, weil die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile mehr bringen, das Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden kann (vgl BSG SozR 4-2700 § 136 Nr 3 S 14; BSG Beschluss vom 5.10.2009 - B 13 R 79/08 R - SozR 4-1500 § 171 Nr 1 RdNr 12; vgl zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses in der besonderen Fallgestaltung einer beantragten Zusicherung auf Übernahme "abstrakt angemessener Unterkunftskosten" ohne konkrete neue Wohnung, Umzug während des sozialgerichtlichen Verfahrens und anhängigen Sozialgerichtsverfahren zur Höhe der KdU für die neu bezogene Wohnung BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - RdNr 14 f, SGb 2011, 325 f). Hier besteht nur für diejenigen Leistungszeiträume nach dem Schreiben des Beklagten vom 4.6.2008, für die er bereits die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen hat, kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Im Übrigen sieht der Beklagte nach einem internen Vermerk vom 5.10.2009 zwar von einem weiteren Mietprüfungsverfahren ab, weil die - nach Aktenlage von der Stadt F als Vermieterin zum 1.10.2007 von 395,70 Euro auf 473,62 Euro erhöhte - tatsächliche monatliche Grundmiete die als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft unter zusätzlicher Berücksichtigung einer "Bagatellgrenze" von 41 Euro nur um 8,87 Euro übersteigt. Eine entsprechende Mitteilung an die Kläger ist aber nicht erfolgt. Das LSG hat daher zu Recht darauf verwiesen, dass die an die Kläger gerichtete Kostensenkungsaufforderung weiter Bestand hat und von dem Beklagten nicht zurückgenommen worden ist. Gegenteiliges hat er auch im Revisionsverfahren nicht behauptet.
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3.a) Die Revisionen der Kläger sind jedoch nicht begründet. Das LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Erteilung einer Zusicherung über die Angemessenheit der aktuellen Nettokaltmiete. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder unmittelbar aus § 22 Abs 2 SGB II noch aus § 34 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Zusicherung ist nicht gegeben. Die Zusicherung kann auch nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II erteilt werden.
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b) Einen Anspruch auf Zusicherung der Angemessenheit der aktuellen Unterkunftskosten können die Kläger zunächst nicht unmittelbar aus § 22 Abs 2 SGB II(nunmehr: § 22 Abs 4 SGB II) ableiten. Diese Norm bestimmt, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll (Satz 1). Der kommunale Träger ist gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II zur Zusicherung nur verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind; der für den Ort der neuen Unterkunft örtlich zuständige kommunale Träger ist zu beteiligen. § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II setzt nach seinem Wortlaut neben der Erforderlichkeit eines tatsächlich stattfindenden Umzugs ausdrücklich die beabsichtigte Anmietung bzw den Bezug einer neuen Unterkunft im Sinne eines nach Lage der Wohnung und den aufzuwendenden Kosten bestimmten und konkretisierten Wohnungsangebots voraus(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 104, Stand September 2009)und normiert damit zwei tatbestandliche Voraussetzungen für die Abgabe der Zusicherung. Eine isolierte Feststellung der Angemessenheit der Kosten einer bereits bewohnten Unterkunft ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vom Wortlaut des § 22 Abs 2 SGB II wird auch nicht die fernliegende Möglichkeit erfasst, dass die bisherige Wohnung gekündigt und dann erneut angemietet wird.
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c) Auch nach § 34 Abs 1 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II besteht kein Anspruch auf Zusicherung der (weiteren) Übernahme der bisherigen Unterkunftskosten bzw eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber. § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedarf. Als ein der Bewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt kann mit einer Zusicherung daher grundsätzlich nur dasjenige geregelt werden, was auch durch einen nachfolgenden Verwaltungsakt nach Maßgabe der fachgesetzlichen Ermächtigungen nach § 22 SGB II zum Erlass eines Verwaltungsaktes konkret erfasst werden könnte. Bezogen auf die Kosten einer aktuell bewohnten Unterkunft betrifft dies die tatsächliche Erbringung von SGB II-Leistungen in einer bestimmten Höhe unter Berücksichtigung sämtlicher für den Leistungsanspruch nach Grund und Höhe maßgebenden Faktoren, nicht die Feststellung der Angemessenheit der Aufwendungen der Unterkunft als einer der Anspruchsvoraussetzungen für einen (höheren) Leistungsanspruch. Auch wenn eine gerichtliche Überprüfung ergäbe, dass der Beklagte die abstrakte Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zutreffend beurteilt hat, wäre ua nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) weiter zu prüfen, ob die tatsächlichen Kosten nicht gleichwohl weiterhin zu tragen sind, weil es den Klägern nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (vgl zur insofern notwendigen einzelfallbezogenen Beurteilung BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254, 257 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).
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Einem Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung über die Angemessenheit der aktuellen Nettomiete bzw einer Neubescheidung des Antrags vom 27.6.2008 steht weiter entgegen, dass § 22 Abs 2 SGB II als gegenüber § 34 Abs 1 SGB X abschließende Sonderregelung bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II Zusicherungen möglich sein sollen(vgl Urteil des Senats vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - RdNr 1 - SGb 2011, 325 f; zum Ausschluss von Zusicherungen nach § 34 SGB X, wenn das Fachrecht eine vorzeitige Bindung der Verwaltung verbietet: Rüfner in Wannagat/Eichenhofer, § 34 SGB X RdNr 16, Stand Februar 1992; vgl auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 7. Aufl 2008, § 38 VwVfg RdNr 13, 172). Der Verwaltungsakt der Zusicherung soll nach dem Gesetzeswortlaut des § 22 Abs 2 SGB II, dem Willen des Gesetzgebers(vgl BT-Drucks 15/1516 S 57) und der Systematik des § 22 SGB II(vgl hierzu näher unter 4b) nur kumulativ zu den Voraussetzungen der Erforderlichkeit eines beabsichtigen Umzugs und zur Angemessenheit der künftigen Unterkunftskosten eingeholt werden können.
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4.a) Das LSG ist dementsprechend zu Recht davon ausgegangen, dass eine analoge Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II auf die begehrte Zusicherung der Übernahme der aktuellen tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft und Heizung nicht möglich ist. Insofern fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Ob eine planwidrige Lücke innerhalb des Regelungszusammenhangs eines Gesetzes - im Sinne des Fehlens rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden - anzunehmen ist, bestimmt sich ausgehend von der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden Regelungsabsichten, den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (vgl nur Urteil des Senats vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 RdNr 8 ff). Insofern sprechen - wie bereits erörtert - der gesetzlich ausdrücklich normierte Anspruch des Leistungsberechtigten auf eine Zusicherung nur zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft sowie die Gesetzbegründung dafür, dass weitere (isolierte) Vorklärungen zur Höhe des Leistungsanspruchs für Kosten der Unterkunft nicht erfolgen sollen.
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b) Wie bereits das LSG hervorgehoben hat, ergibt sich aber auch aus der Systematik des § 22 SGB II, dass eine Regelungslücke im Hinblick auf die Möglichkeit der Zusicherung der Angemessenheit der Unterkunftskosten einer bereits bewohnten Wohnung nicht besteht. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang von § 22 Abs 2 SGB II und § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II und der Abgrenzung des Zusicherungsverfahrens von dem Streit über die Höhe der von dem Grundsicherungsträger zu tragenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach den Regelungen des § 22 Abs 1 Sätze 1 und 3 SGB II.
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Da das Vorliegen bzw Nichtvorliegen einer Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB II an sich für die Höhe eines Anspruchs auf Übernahme der Kosten für die Unterkunft nicht konstitutiv ist(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 27; BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 17), ist deren Sinn und Zweck darin zu sehen, bei einem Umzug während des SGB II-Leistungsbezugs die leistungseinschränkenden Konsequenzen des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I, 1706) zu meiden. Hiernach werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bisher zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen. Bei einem Streit über die Erforderlichkeit eines Umzugs kann der Leistungsberechtigte mit der Einholung einer Zusicherung im Vorfeld eines Umzugs das Risiko einer Begrenzung der Kostentragung auf die Unterkunftskosten der bisherigen Wohnung vermeiden. Insofern berücksichtigt das Zusicherungsverfahren auch, dass sich die Angemessenheit einer während des Leistungsbezugs nach dem SGB II neu angemieteten Wohnung - wegen der Begrenzungsregelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II - teilweise nach engeren Kriterien als die Angemessenheit einer bereits bewohnten Unterkunft beurteilt. Dem Leistungsberechtigen soll eine Planungssicherheit verschafft und eine Notlage bei nur teilweiser Anerkennung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft als Bedarf vermieden werden (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 102, Stand IX/09; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 103, Stand 6/2011).
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Bei einer Uneinigkeit zwischen SGB II-Träger und Leistungsberechtigtem - über die angemessenen Aufwendungen für eine aktuell bereits bewohnte Unterkunft - sollen dagegen keine isolierten gerichtlichen Vorabklärungen der Angemessenheit der Unterkunftskosten in einem gesonderten Zusicherungsverfahren erfolgen und erst danach Aktivitäten des Hilfebedürftigen um eine preisgünstigere Unterkunft einsetzen. Hält der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend, so ist der Streit hierüber - ggf im einstweiligen Rechtsschutz - unmittelbar bei der Frage auszutragen, welche tatsächlichen Aufwendungen der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II als angemessen bzw - trotz Unangemessenheit - nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II weiterhin zu übernehmen sind(BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40). Dies betrifft - wie hier - auch Fallgestaltungen von Mieterhöhungen.
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c) Im Rahmen dieses Verfahrens ist - bei ggf unangemessen hohen Unterkunftskosten - auch zu prüfen, ob den Leistungsberechtigen eine Kostensenkungsobliegenheit trifft. Zwar ist die für die subjektive Möglichkeit einer Absenkung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erforderliche Kenntnis des Hilfebedürftigen von notwendigen Kostensenkungsmaßnahmen regelmäßig anzunehmen, wenn der Grundsicherungsträger in einem entsprechenden Schreiben den von ihm als angemessen angesehenen Mietpreis angeben hat (BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 78/09 R - BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36, RdNr 15; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40 aaO). Wegen der ggf weitreichenden Folgen bis zum Verlust der bisher innegehabten Wohnung als Lebensmittelpunkt müssen aber auch irreführende Angaben bzw ein ggf widersprüchliches Verhalten des Grundsicherungsträgers berücksichtigt werden (vgl zur weiteren Bewilligung der tatsächlichen Unterkunftskosten trotz Kostensenkung BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 28; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 41; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 15). Ein solches widersprüchliches Verhalten des Grundsicherungsträgers kann die Kenntnis der Leistungsberechtigten von der Obliegenheit der Kostensenkung und damit die subjektive Möglichkeit zur Kostensenkung bzw deren Zumutbarkeit entfallen lassen. Insofern wird hier - hinsichtlich eines Anspruchs auf weitere Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten - zu würdigen sein, dass der Beklagte die Kläger nach Aktenlage letztmalig im Februar 2009 zur Kostensenkung aufgefordert hatte und in der Folgezeit durchgehend die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne weitere Hinweise übernommen hat.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
Tenor
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Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Dezember 2010 werden zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Kläger begehren von dem Beklagten die Erteilung einer Zusicherung über die Angemessenheit der Nettokaltmiete für eine bereits angemietete Wohnung.
- 2
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Die 1971 geborene Klägerin zu 1 und ihre 1999 und 2004 geborenen Kinder (Kläger zu 2 und 3) beziehen seit Juli 2006 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Aufgrund eines im gleichen Monat geschlossenen Mietvertrags bewohnen sie eine 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 67,18 qm, für welche die monatliche Grundmiete in Höhe von 395,70 Euro zum 1.10.2007 auf 473,62 Euro erhöht wurde; als Nebenkosten sind 70 Euro monatlich, als Heizkosten 30 Euro monatlich (bzw ab April 2009 65 Euro monatlich) und als Müllgebühren 14,98 Euro monatlich zu entrichten.
- 3
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Mit Schreiben vom 4.6.2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass als angemessene Kosten der Unterkunft nur ein Betrag in Höhe von höchstens 421,50 Euro (Kaltmiete) anerkannt werden könne. Die gegenwärtige Miete übersteige diesen Betrag um 52,12 Euro. Die unangemessenen Unterkunftskosten könnten in der Regel längstens für sechs Monate übernommen werden. Eine volle Tragung der Aufwendungen über diesen Zeitraum hinaus sei nur bei Nachweis der Unmöglichkeit einer Kostensenkung möglich. In einer "Kostenzusage" vom selben Tag erklärte sich der Beklagte bereit, bei der Anmietung einer Wohnung eine Kaltmiete bis maximal 421,50 Euro als angemessen anzuerkennen.
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Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger vom 27.6.2008, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft auch nach Ende des im Schreiben vom 4.6.2008 genannten Sechsmonatszeitraums in voller Höhe als Bedarf im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II anzuerkennen, ab(Bescheid vom 4.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.11.2009). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.12.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, das Begehren der Kläger sei nur auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, eine verbindliche Zusicherung zur Anerkennung der aktuellen Nettokaltmiete als angemessen abzugeben. Die Berufung sei nicht begründet. Soweit über Zeiträume seit dem Antrag auf Zusicherung bereits Bewilligungsbescheide ergangen seien, habe sich das Begehren erledigt. Bezogen auf die Erteilung einer Zusicherung für zukünftige Zeiträume seien die Klagen als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Umstand, dass der Beklagte intern von einem weiteren "Mietprüfungsverfahren" absehe, habe nicht zur Erledigung des Rechtsstreits geführt und das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht entfallen lassen. Das SG habe die Klagen aber zu Recht als unbegründet angesehen, weil die Kläger weder Anspruch auf die Erteilung einer Zusicherung mit dem begehrten Inhalt noch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber hätten. Sie könnten ihr Begehren nicht auf § 22 Abs 2 SGB II stützen, weil diese Vorschrift nur einen bevorstehenden Abschluss über eine neue Unterkunft erfasse. Regelungen zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung für eine bereits angemietete und bewohnte Unterkunft enthielten allein § 22 Abs 1 Sätze 1 und 3 SGB II, ohne dass eine Zusicherung gesetzlich vorgesehen sei. Eine analoge Anwendung des § 22 Abs 2 (oder Abs 2a und 3) SGB II sei nicht möglich. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Während § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II die Möglichkeit enthalte, für eine bereits bewohnte Unterkunft auch unangemessene Kosten zu übernehmen, solange eine Senkung der Unterkunftskosten nicht möglich oder zumutbar sei, diene § 22 Abs 2 SGB II der Warnung und Aufklärung vor unangemessenen Kosten im Fall eines Wohnungswechsels. Damit berücksichtige der Gesetzgeber, dass in beiden Konstellationen keine vergleichbare Interessenlage vorliege, sondern relevante Unterschiede bestünden. Einer Planungssicherheit für das Eingehen einer neuen Verbindlichkeit bedürfe derjenige nicht, der eine solche bereits im Vorfeld begründet habe. Ein Anspruch auf die begehrte Zusicherung erwachse den Klägern auch nicht aus § 34 Abs 1 SGB X in Verbindung mit § 22 Abs 1 SGB II, weil das Gesetz die Erteilung einer Zusicherung für eine bereits angemietete Wohnung ausschließe. Das Begehren der Kläger sei im Kern nicht auf die Erteilung einer Zusicherung, sondern auf die verbindliche Feststellung der Angemessenheit ihrer Aufwendungen für die Unterkunft gerichtet. Aufgabe der Verwaltung sei es, über den geltend gemachten (Leistungs-)Anspruch, nicht jedoch über das Vorliegen oder Fehlen von Leistungsvoraussetzungen zu entscheiden. Bei dem begehrten Inhalt der behördlichen Erklärung ("ihre derzeitige Nettokaltmiete bis auf Weiteres als angemessen i.S.d. § 22 Abs 1 SGB II anzuerkennen") handele es sich nur um ein Teilelement des in § 22 Abs 1 SGB II geregelten Leistungsanspruchs.
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Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 22 Abs 1 und Abs 2 SGB II sowie von § 34 SGB X. § 22 Abs 2 SGB II sei unmittelbar anwendbar. Die Voraussetzungen für die Anmietung der aktuellen Wohnung könnten jederzeit durch Kündigung und erneute Bewerbung um die Wohnung geschaffen werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Behörde könne in den "nicht ausdrücklich von § 22 SGB II erfassten Konstellationen" die streitgegenständliche Zusicherung nicht erteilen, sei nicht nachvollziehbar. Soweit das LSG in diesem Zusammenhang mit dem Zweck der gesetzlich geregelten Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB II argumentiere, verkenne es, dass neue Verbindlichkeiten und wirtschaftliche Risiken zwar durch den Abschluss eines Mietvertrags, jedoch genauso durch das Aufrechterhalten eines Mietvertrags begründet werden könnten. Der Beklagte habe Ermessen gar nicht ausgeübt, weil er irrtümlich davon ausgegangen sei, dass er die streitgegenständliche Zusicherung nicht erteilen dürfe. Schließlich gehe das Berufungsgericht zu Unrecht davon aus, dass sie nicht eine Zusicherung, sondern die Feststellung eines Tatbestandsmerkmals begehrten. Der Gesetzgeber habe durch § 22 Abs 2 SGB II unmissverständlich deutlich gemacht, dass ein Erfordernis der Zusicherung für künftige Aufwendungen der Unterkunft bestehe. Der Anspruch auf eine Zusicherung hänge schon deshalb nicht von der Frage ab, ob sich die Zusicherung auf eine bereits bewohnte Wohnung richte oder auf eine solche, die erst bezogen werden solle, weil ein Anspruch auf Zusicherung unabhängig von der konkret anzumietenden Wohnung bestehe ("abstrakte Zusicherung"). Wenn - wie hier - ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Zusicherung bestehe, gehe das BSG von einer Ermessensreduzierung auf Null aus.
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Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 16. Dezember 2010 und des Sozialgerichts Freiburg vom 5. November 2009 sowie den Bescheid vom 4. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen gemäß § 34 SGB X iVm § 22 Abs 2 SGB II zuzusichern, dass ihre derzeitige Nettokaltmiete als angemessen im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II anerkannt werde,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag vom 27. Juni 2008 auf Erlass einer Zusicherung erneut zu entscheiden und dabei Ermessen nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts auszuüben.
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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
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Er macht geltend, es liege kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) vor, weil die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe übernommen würden.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässigen Revisionen der Kläger sind nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 4.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2008 rechtmäßig ist. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung mit dem Inhalt, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft als angemessen anzuerkennen, noch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber.
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2.a) Die Kläger haben ihr Begehren zu Recht ausschließlich mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Erteilung der Zusicherung verfolgt (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Bei der Zusicherung iS von § 34 SGB X handelt es sich um die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt mit einem bestimmten Inhalt später zu erlassen(vgl Legaldefinition in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X)und damit um einen mit einer Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt. Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich auch bei einer auf die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten gerichteten Zusicherung iS von § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II um einen der Bewilligung vorgeschalteten Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X(BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - FEVS 62, 6 ff). Auch die Zusicherung iS von § 22 Abs 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I, 1706; ab 1.4.2011: § 22 Abs 4 SGB II)ist ein Verwaltungsakt (BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - SGb 2011, 325 f; Lauterbach in Gagel, SGB II, § 22 RdNr 101, Stand Juni 2011; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 69; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 123). Dies gilt in gleicher Weise für die Ablehnung einer beantragten Zusicherung, weil der Inhalt, der zugesichert werden soll, nicht zugesichert werden kann. Die Verwaltungsentscheidung beinhaltet regelmäßig und auch hier zugleich die Feststellung, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung hat, also nach den Kriterien des § 31 SGB X einen Verwaltungsakt(BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - SGb 2011, 325 f; BSG Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113, 114 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 S 3 mwN). Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zugleich die - gegenüber einer subsidiären Feststellungsklage - vorrangige Klageart, weil in diesem Verfahren hier auch über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die einer Feststellungsklage zugrunde liegen könnten (vgl zB BSG SozR 4-2700 § 136 Nr 3, S 16 mwN).
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b) Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger nach § 34 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II bzw aufgrund unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II ein Anspruch auf Zusicherung oder zumindest auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Zusicherung gegeben sein kann. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch nicht unzulässig geworden (vgl zur Prüfung dieser prozessualen Voraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen: BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S 93). Unzulässig ist ein Rechtsmittel insbesondere dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers hieran nicht mehr besteht, weil die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile mehr bringen, das Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden kann (vgl BSG SozR 4-2700 § 136 Nr 3 S 14; BSG Beschluss vom 5.10.2009 - B 13 R 79/08 R - SozR 4-1500 § 171 Nr 1 RdNr 12; vgl zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses in der besonderen Fallgestaltung einer beantragten Zusicherung auf Übernahme "abstrakt angemessener Unterkunftskosten" ohne konkrete neue Wohnung, Umzug während des sozialgerichtlichen Verfahrens und anhängigen Sozialgerichtsverfahren zur Höhe der KdU für die neu bezogene Wohnung BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - RdNr 14 f, SGb 2011, 325 f). Hier besteht nur für diejenigen Leistungszeiträume nach dem Schreiben des Beklagten vom 4.6.2008, für die er bereits die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen hat, kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Im Übrigen sieht der Beklagte nach einem internen Vermerk vom 5.10.2009 zwar von einem weiteren Mietprüfungsverfahren ab, weil die - nach Aktenlage von der Stadt F als Vermieterin zum 1.10.2007 von 395,70 Euro auf 473,62 Euro erhöhte - tatsächliche monatliche Grundmiete die als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft unter zusätzlicher Berücksichtigung einer "Bagatellgrenze" von 41 Euro nur um 8,87 Euro übersteigt. Eine entsprechende Mitteilung an die Kläger ist aber nicht erfolgt. Das LSG hat daher zu Recht darauf verwiesen, dass die an die Kläger gerichtete Kostensenkungsaufforderung weiter Bestand hat und von dem Beklagten nicht zurückgenommen worden ist. Gegenteiliges hat er auch im Revisionsverfahren nicht behauptet.
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3.a) Die Revisionen der Kläger sind jedoch nicht begründet. Das LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Erteilung einer Zusicherung über die Angemessenheit der aktuellen Nettokaltmiete. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder unmittelbar aus § 22 Abs 2 SGB II noch aus § 34 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Zusicherung ist nicht gegeben. Die Zusicherung kann auch nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II erteilt werden.
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b) Einen Anspruch auf Zusicherung der Angemessenheit der aktuellen Unterkunftskosten können die Kläger zunächst nicht unmittelbar aus § 22 Abs 2 SGB II(nunmehr: § 22 Abs 4 SGB II) ableiten. Diese Norm bestimmt, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll (Satz 1). Der kommunale Träger ist gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II zur Zusicherung nur verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind; der für den Ort der neuen Unterkunft örtlich zuständige kommunale Träger ist zu beteiligen. § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II setzt nach seinem Wortlaut neben der Erforderlichkeit eines tatsächlich stattfindenden Umzugs ausdrücklich die beabsichtigte Anmietung bzw den Bezug einer neuen Unterkunft im Sinne eines nach Lage der Wohnung und den aufzuwendenden Kosten bestimmten und konkretisierten Wohnungsangebots voraus(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 104, Stand September 2009)und normiert damit zwei tatbestandliche Voraussetzungen für die Abgabe der Zusicherung. Eine isolierte Feststellung der Angemessenheit der Kosten einer bereits bewohnten Unterkunft ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vom Wortlaut des § 22 Abs 2 SGB II wird auch nicht die fernliegende Möglichkeit erfasst, dass die bisherige Wohnung gekündigt und dann erneut angemietet wird.
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c) Auch nach § 34 Abs 1 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II besteht kein Anspruch auf Zusicherung der (weiteren) Übernahme der bisherigen Unterkunftskosten bzw eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber. § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedarf. Als ein der Bewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt kann mit einer Zusicherung daher grundsätzlich nur dasjenige geregelt werden, was auch durch einen nachfolgenden Verwaltungsakt nach Maßgabe der fachgesetzlichen Ermächtigungen nach § 22 SGB II zum Erlass eines Verwaltungsaktes konkret erfasst werden könnte. Bezogen auf die Kosten einer aktuell bewohnten Unterkunft betrifft dies die tatsächliche Erbringung von SGB II-Leistungen in einer bestimmten Höhe unter Berücksichtigung sämtlicher für den Leistungsanspruch nach Grund und Höhe maßgebenden Faktoren, nicht die Feststellung der Angemessenheit der Aufwendungen der Unterkunft als einer der Anspruchsvoraussetzungen für einen (höheren) Leistungsanspruch. Auch wenn eine gerichtliche Überprüfung ergäbe, dass der Beklagte die abstrakte Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zutreffend beurteilt hat, wäre ua nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) weiter zu prüfen, ob die tatsächlichen Kosten nicht gleichwohl weiterhin zu tragen sind, weil es den Klägern nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (vgl zur insofern notwendigen einzelfallbezogenen Beurteilung BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254, 257 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).
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Einem Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung über die Angemessenheit der aktuellen Nettomiete bzw einer Neubescheidung des Antrags vom 27.6.2008 steht weiter entgegen, dass § 22 Abs 2 SGB II als gegenüber § 34 Abs 1 SGB X abschließende Sonderregelung bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II Zusicherungen möglich sein sollen(vgl Urteil des Senats vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - RdNr 1 - SGb 2011, 325 f; zum Ausschluss von Zusicherungen nach § 34 SGB X, wenn das Fachrecht eine vorzeitige Bindung der Verwaltung verbietet: Rüfner in Wannagat/Eichenhofer, § 34 SGB X RdNr 16, Stand Februar 1992; vgl auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 7. Aufl 2008, § 38 VwVfg RdNr 13, 172). Der Verwaltungsakt der Zusicherung soll nach dem Gesetzeswortlaut des § 22 Abs 2 SGB II, dem Willen des Gesetzgebers(vgl BT-Drucks 15/1516 S 57) und der Systematik des § 22 SGB II(vgl hierzu näher unter 4b) nur kumulativ zu den Voraussetzungen der Erforderlichkeit eines beabsichtigen Umzugs und zur Angemessenheit der künftigen Unterkunftskosten eingeholt werden können.
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4.a) Das LSG ist dementsprechend zu Recht davon ausgegangen, dass eine analoge Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II auf die begehrte Zusicherung der Übernahme der aktuellen tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft und Heizung nicht möglich ist. Insofern fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Ob eine planwidrige Lücke innerhalb des Regelungszusammenhangs eines Gesetzes - im Sinne des Fehlens rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden - anzunehmen ist, bestimmt sich ausgehend von der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden Regelungsabsichten, den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (vgl nur Urteil des Senats vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 RdNr 8 ff). Insofern sprechen - wie bereits erörtert - der gesetzlich ausdrücklich normierte Anspruch des Leistungsberechtigten auf eine Zusicherung nur zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft sowie die Gesetzbegründung dafür, dass weitere (isolierte) Vorklärungen zur Höhe des Leistungsanspruchs für Kosten der Unterkunft nicht erfolgen sollen.
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b) Wie bereits das LSG hervorgehoben hat, ergibt sich aber auch aus der Systematik des § 22 SGB II, dass eine Regelungslücke im Hinblick auf die Möglichkeit der Zusicherung der Angemessenheit der Unterkunftskosten einer bereits bewohnten Wohnung nicht besteht. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang von § 22 Abs 2 SGB II und § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II und der Abgrenzung des Zusicherungsverfahrens von dem Streit über die Höhe der von dem Grundsicherungsträger zu tragenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach den Regelungen des § 22 Abs 1 Sätze 1 und 3 SGB II.
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Da das Vorliegen bzw Nichtvorliegen einer Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB II an sich für die Höhe eines Anspruchs auf Übernahme der Kosten für die Unterkunft nicht konstitutiv ist(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 27; BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 17), ist deren Sinn und Zweck darin zu sehen, bei einem Umzug während des SGB II-Leistungsbezugs die leistungseinschränkenden Konsequenzen des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I, 1706) zu meiden. Hiernach werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bisher zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen. Bei einem Streit über die Erforderlichkeit eines Umzugs kann der Leistungsberechtigte mit der Einholung einer Zusicherung im Vorfeld eines Umzugs das Risiko einer Begrenzung der Kostentragung auf die Unterkunftskosten der bisherigen Wohnung vermeiden. Insofern berücksichtigt das Zusicherungsverfahren auch, dass sich die Angemessenheit einer während des Leistungsbezugs nach dem SGB II neu angemieteten Wohnung - wegen der Begrenzungsregelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II - teilweise nach engeren Kriterien als die Angemessenheit einer bereits bewohnten Unterkunft beurteilt. Dem Leistungsberechtigen soll eine Planungssicherheit verschafft und eine Notlage bei nur teilweiser Anerkennung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft als Bedarf vermieden werden (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 102, Stand IX/09; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 103, Stand 6/2011).
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Bei einer Uneinigkeit zwischen SGB II-Träger und Leistungsberechtigtem - über die angemessenen Aufwendungen für eine aktuell bereits bewohnte Unterkunft - sollen dagegen keine isolierten gerichtlichen Vorabklärungen der Angemessenheit der Unterkunftskosten in einem gesonderten Zusicherungsverfahren erfolgen und erst danach Aktivitäten des Hilfebedürftigen um eine preisgünstigere Unterkunft einsetzen. Hält der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend, so ist der Streit hierüber - ggf im einstweiligen Rechtsschutz - unmittelbar bei der Frage auszutragen, welche tatsächlichen Aufwendungen der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II als angemessen bzw - trotz Unangemessenheit - nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II weiterhin zu übernehmen sind(BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40). Dies betrifft - wie hier - auch Fallgestaltungen von Mieterhöhungen.
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c) Im Rahmen dieses Verfahrens ist - bei ggf unangemessen hohen Unterkunftskosten - auch zu prüfen, ob den Leistungsberechtigen eine Kostensenkungsobliegenheit trifft. Zwar ist die für die subjektive Möglichkeit einer Absenkung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erforderliche Kenntnis des Hilfebedürftigen von notwendigen Kostensenkungsmaßnahmen regelmäßig anzunehmen, wenn der Grundsicherungsträger in einem entsprechenden Schreiben den von ihm als angemessen angesehenen Mietpreis angeben hat (BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 78/09 R - BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36, RdNr 15; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40 aaO). Wegen der ggf weitreichenden Folgen bis zum Verlust der bisher innegehabten Wohnung als Lebensmittelpunkt müssen aber auch irreführende Angaben bzw ein ggf widersprüchliches Verhalten des Grundsicherungsträgers berücksichtigt werden (vgl zur weiteren Bewilligung der tatsächlichen Unterkunftskosten trotz Kostensenkung BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 28; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 41; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 15). Ein solches widersprüchliches Verhalten des Grundsicherungsträgers kann die Kenntnis der Leistungsberechtigten von der Obliegenheit der Kostensenkung und damit die subjektive Möglichkeit zur Kostensenkung bzw deren Zumutbarkeit entfallen lassen. Insofern wird hier - hinsichtlich eines Anspruchs auf weitere Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten - zu würdigen sein, dass der Beklagte die Kläger nach Aktenlage letztmalig im Februar 2009 zur Kostensenkung aufgefordert hatte und in der Folgezeit durchgehend die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne weitere Hinweise übernommen hat.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Tenor
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Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2009 werden zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten die Erteilung einer Zusicherung der Übernahme künftiger angemessener Unterkunftskosten wegen der Erforderlichkeit eines Umzugs aus der bisherigen Wohnung in eine nicht näher konkretisierte angemessene Wohnung.
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Die Klägerinnen zu 1 bis 3 beziehen seit 2005, die Klägerin zu 4 seit ihrer Geburt im Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bis zum 31.5.2010 bewohnten sie eine 86 qm große Drei-Zimmer-Wohnung, für die eine Gesamtmiete in Höhe von 588,81 Euro zu entrichten war. Der Beklagte berücksichtigte als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zunächst einen monatlichen Betrag in Höhe von 558,29 Euro, ab November 2005 in Höhe von 563,72 Euro, ab Januar 2006 in Höhe von 565,96 Euro und ab November 2006 in Höhe von 569,82 Euro.
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Am 29.9.2006 beantragte die Klägerin zu 1 für sich und ihre Kinder bei dem Beklagten "eine Vier-Zimmer-Wohnung". Sie benötige ein separates Schlafzimmer, weil sie unter starker Migräne leide. Ihre 11 und 13 Jahre alten Kinder (Klägerinnen zu 2 und 3) müssten sich ein Kinderzimmer teilen, in dem sich zwei Schreibtische befänden und kein Platz zum Spielen sei. Wegen der Geburt des dritten Kindes (Klägerin zu 4) sei eine Vier-Zimmer-Wohnung erforderlich. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 9.10.2006; Widerspruchsbescheid vom 20.11.2006). Eine Kostenübernahme könne nicht zugesichert werden, weil keine konkrete Wohnung zur Anmietung benannt worden sei.
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Das SG hat den Bescheid des Beklagten vom 9.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2006 aufgehoben, den Beklagten verurteilt, die Erforderlichkeit des Umzugs der Klägerinnen iS von § 22 Abs 2 SGB II festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen(Urteil vom 27.2.2007). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, eine abstrakte Entscheidung über die Erforderlichkeit eines Umzuges sei möglich. § 22 SGB II ermächtige die Grundsicherungsträger zu zwei inhaltlich zu unterscheidenden Entscheidungen, einerseits die Erforderlichkeit des Umzugs festzustellen, andererseits zu der Zusicherung, die bereits bestimmbaren Kosten einer neuen Unterkunft leistungsrechtlich anzuerkennen. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Zusicherung bestehe nur, wenn sowohl der Umzug als auch die Kosten der Unterkunft leistungsrechtlich angemessen seien. Soweit dies nicht der Fall sei, stehe die Erteilung im Ermessen des Grundsicherungsträgers, das hier auf Null reduziert sei. Wegen der Geburt der Klägerin zu 4 und der gesundheitlichen Situation der Klägerin zu 1 bestehe größerer Raumbedarf.
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Das LSG hat das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.6.2009). Die vom SG als Feststellung tenorierte Verurteilung, die Erforderlichkeit des Umzugs festzustellen, sei unter Heranziehung der Entscheidungsgründe als Verurteilung zur Leistung zu werten. Für eine Feststellungsklage bestehe kein Interesse an einer baldigen Feststellung, weil die Klägerinnen ihr Begehren durch eine Antragstellung nach § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II erreichen könnten. Die Feststellung der Notwendigkeit eines "Umzugs" unabhängig vom Vorliegen einer neuen Wohnung sei als ausnahmsweise zulässige Elementenfeststellungsklage hier nicht möglich, weil der Streit dadurch nicht im Ganzen bereinigt werde und ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an einer baldigen Feststellung nicht gegeben sei. Der die begehrte Kostenzusage ablehnende Bescheid sei rechtmäßig. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der begehrten Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB II setze voraus, dass sich die begehrte Zusicherung auf ein bestimmtes, nach Lage der Wohnung, Zeitpunkt des Einzugs und aufzuwendenden Kosten konkretisiertes Mietvertragsangebot zu einer bestimmten Wohnung mit einem bezifferten Mietzins beziehe. Soweit die Regelung bezwecke, künftige Unterkunftskosten in der tatsächlich anfallenden Höhe außer Streit zu stellen, könne dies erst bei Kenntnis der tatsächlichen Größe, Ausstattung und Lage der neuen Wohnung verbindlich geprüft und abschließend geklärt werden. Eine abstrakte und isolierte Erklärung des Grundsicherungsträgers zur Notwendigkeit des Auszugs allein vermöge eine spätere Kostenübernahme und eine zeitnahe Entscheidung hierüber gerade nicht zu vermitteln.
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Nach Abschluss des Berufungsverfahren und Geburt des vierten Kindes der Klägerin zu 1 im Februar 2010 haben die Klägerinnen zum 1.6.2010 eine neue Wohnung angemietet (Wohnfläche 118,09 qm; Kaltmiete in Höhe von 815,97 Euro zuzüglich Betriebs- und Heizkosten von jeweils 100 Euro monatlich) und sind zu diesem Termin auch umgezogen. Ihren Antrag auf Zusicherung der Übernahme der Kosten der neuen Unterkunft und Heizung lehnte der Beklagte ab. Die Klägerinnen wenden sich dagegen, dass der Beklagte Unterkunftskosten für den Zeitraum nach dem Umzug zunächst nur in Höhe der Kaltmiete zuzüglich der aktuellen Nebenkosten übernahm (Bescheid vom 1.5.2010; Widerspruchsbescheid vom 20.5.2010). Nachdem das SG Freiburg den Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, den Klägerinnen für die Zeit vom 1.6.2010 bis 31.10.2010 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 18,90 Euro monatlich zu erbringen, begehren die Klägerinnen im Klageverfahren beim SG Freiburg für den Zeitraum ab 1.6.2010 die Übernahme der KdU-Kosten in voller Höhe (S 13 AS 2761/10; S 13 AS 816/11). Nach Auszug der Klägerin zu 2 im Januar 2011 forderte der Beklagte die Senkung der Unterkunftskosten und bestätigte in einer beigefügten Erklärung vom 16.2.2011 die "Notwendigkeit eines Auszugs aus der jetzigen Wohnung".
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Mit ihren Revisionen rügen die Klägerinnen eine Verletzung des § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II. Der Nachweis eines konkreten Angebots zum Abschluss eines Mietvertrages könne nicht als Voraussetzung einer Zusicherung verlangt werden, weil die Vorlage eines vom Vermieter unterschriebenen Vertragsentwurfs nicht der Praxis großer Wohnungsbauträger entspreche. § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II iVm § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II sei verfassungsgemäß so auszulegen, dass ein Anspruch auf Zusicherung zur Anmietung einer Wohnung bereits dann bestehe, wenn der Umzug iS von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II erforderlich sei, wobei die zweite Bedingung für die Abgabe einer Zusicherung ("und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind") dadurch zu erfüllen sei, dass die Höchstgrenze der nach einem Umzug angemessenen Unterkunftskosten in einem bestimmten räumlichen Bereich beziffert werde. Da sich die Angemessenheit einer Unterkunft nach der Produkttheorie bestimme, könne der Höchstbetrag der angemessenen Aufwendungen nach der Zahl der dem Haushalt des Hilfeempfängers angehörigen Personen und dem Wohnort ohne weiteres bestimmt werden, ohne dass Lage, Ausstattung und Größe der anzumietenden Wohnung bekannt sein müssten. Nach ihrem Normzweck solle die Zusicherung helfen, die Entscheidung über einen Umzug in verantwortungsvoller Weise zu treffen. Hilfsweise ergebe sich aus § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II iVm § 34 SGB X ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung. Insofern habe das LSG revisibles Recht dadurch verletzt, dass die den Anspruch tragende Norm nicht zur Anwendung gelangt sei. Der Beklagte erlasse in ständiger Verwaltungspraxis sogenannte "Notwendigkeitsbescheinigungen" als Verwaltungsakte, wenn er einen Umzug als erforderlich ansehe, welche sich faktisch als abstrakte Zusicherungen darstellten.
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Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Februar 2007 zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen sind nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
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Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen. Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).
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Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 9.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2006, mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerinnen auf Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung bei einem Umzug in eine zum Antragszeitpunkt nicht näher konkretisierte Wohnung abgelehnt hat. Ihr Antrag war nicht auf eine konkrete Kostenzusage gerichtet, weil noch keine Wohnung feststand, in welche ggf ein Umzug erfolgen konnte. Vielmehr ging es ihnen um die Erteilung einer "abstrakten Zusicherung" der Übernahme künftiger angemessener Unterkunftskosten wegen grundsätzlicher Erforderlichkeit eines Umzugs aus der bisherigen Wohnung in eine künftige Wohnung mit angemessenen Unterkunftskosten.
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Die Klägerinnen haben ihr Begehren zulässigerweise mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Zusicherung iS von § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II ist die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt mit einem bestimmten Inhalt später zu erlassen(vgl die Legaldefinition in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X). Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei einer auf die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten gerichteten Zusicherung iS von § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II um einen der Bewilligung vorgeschalteten Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X(BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - FEVS 62, 6 ff). Auch die Zusicherung iS von § 22 Abs 2 SGB II ist ein Verwaltungsakt(Lauterbach in Gagel, SGB II, § 22 RdNr 67, Stand Januar 2009; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 69; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 83). Dies gilt auch für die Ablehnung einer beantragten Zusicherung, weil der Inhalt, der zugesichert werden soll, nicht zugesichert werden kann. Die Verwaltungsentscheidung beinhaltet regelmäßig und auch hier zugleich die Feststellung, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung hat, also nach den Kriterien der Qualifikationsnorm des § 31 SGB X einen Verwaltungsakt(BSG Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113, 114 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 S 3 mwN).
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Die damit erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist jedoch spätestens im Revisionsverfahren unzulässig geworden. Mit dem Umzug der Klägerinnen in eine neue Wohnung zum 1.6.2010 ist eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dergestalt eingetreten, dass das Rechtsschutzinteresse für die Klagen, welches auch das Revisionsgericht als prozessuale Voraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S 93), entfallen ist. Insofern gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos in Anspruch nehmen darf. Unzulässig ist ein Rechtsmittel daher zB dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers hieran nicht mehr besteht, weil die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen, das Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden kann (vgl BSG Urteil vom 8.5.2007 - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 S 14; BSG Beschluss vom 5.10.2009 - B 13 R 79/08 R - SozR 4-1500 § 171 Nr 1 RdNr 12). Dies ist hier der Fall.
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Im Zusammenhang mit dem Umzug der Klägerinnen zum 1.6.2010 sind wegen der Höhe der von dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit ab 1.6.2010 zu tragenden angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei dem SG Freiburg Klageverfahren anhängig (S 13 AS 2761/10; S 13 AS 816/11), in denen ua über den Gegenstand der begehrten Zusicherung zu befinden ist. In diesen Verfahren ist als Vorfrage eines Anspruchs auf Übernahme höherer angemessener Kosten der Unterkunft notwendigerweise auch über die Erforderlichkeit eines Umzugs zu befinden, weil ansonsten - unabhängig von der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft - die Begrenzungsregelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II mit einer Beschränkung der Kostentragung auf die bisherigen angemessenen Aufwendungen eingreift(vgl hierzu BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für eine gesonderte Zusicherung als vorgreiflicher Teilregelung besteht bei dieser Sachlage kein Rechtsschutzinteresse mehr. Dies hat das BSG zu vergleichbaren Konstellationen bereits ausdrücklich entschieden (vgl BSG Urteil vom 4.5.1999 - B 4 RA 28/98 R - SGb 1999, 406).
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Soweit die Klägerinnen geltend machen, das Rechtsschutzinteresse dürfe vor dem Hintergrund möglicher zu hoher Kosten der zum 1.6.2010 neu angemieteten Wohnung nicht auf die Feststellung der Erforderlichkeit des Auszugs aus der bisherigen Wohnung beschränkt werden, vielmehr gehe es erkennbar um die gerichtliche Bestätigung des Anspruchs, dass der Leistungsträger über die abstrakte Erforderlichkeit eines Umzugs eine rechtsmittelfähige Entscheidung treffen müsse, führt dies nicht zur Annahme eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses. Unabhängig von einem konkret angebotenen Mietvertrag möchten die Klägerinnen klären, ob sie bei erforderlich werdenden Umzügen Anspruch auf Erteilung eines Bescheides haben, in welchem die Erforderlichkeit eines Umzugs aus einer aktuell bewohnten in eine noch nicht konkret benannte neue Unterkunft bestätigt wird. Insofern begehren sie die nicht mögliche Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage hängt davon ab, ob das feststellungsbedürftige Rechtsverhältnis hinreichend konkretisiert ist, also nach seinem Sachverhalt hinreichend bestimmt und überschaubar vorliegt. Künftig entstehende Rechtsverhältnisse können daher grundsätzlich nicht festgestellt werden. Ausnahmen sind nur möglich, wenn bereits alle für die streitige Rechtsbeziehung erheblichen Tatsachen vorliegen und etwa nur der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung noch aussteht (BSG Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113 ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 1; vgl auch BVerwG Urteil vom 13.10.1971 - VI C 57.66 - BVerwGE 38, 346 ff). Als wesentliche Tatsachen steht bei dem von den Klägerinnen nunmehr formulierten Begehren aber weder fest, auf welche konkrete Wohnung sich die Beurteilung der Erforderlichkeit eines Umzugs beziehen soll, noch ist die Entstehung von höheren Unterkunftskosten hinreichend konkret.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Danach ist es in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt. Auch das ursprüngliche Klagebegehren vor Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses hätte unter Berücksichtigung des bis dahin vorliegenden Sach- und Streitstandes voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Beklagte dürfte einen Anspruch der Klägerinnen auf Erteilung einer Zusicherung iS von § 22 Abs 2 SGB II zu Recht abgelehnt haben. Gemäß § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II normiert damit zwei tatbestandliche Voraussetzungen für die Abgabe einer Zusicherung. Eine gesonderte Feststellung der Erforderlichkeit eines Auszugs ist nicht vorgesehen. Als ein der Bewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt kann mit einer Zusicherung zudem grundsätzlich nur dasjenige geregelt werden, was auch durch einen nachfolgenden Verwaltungsakt konkret erfasst werden könnte. Bezogen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung betrifft dies die tatsächliche Erbringung von SGB II-Leistungen in einer bestimmten Höhe, nicht die Feststellung einer Anspruchsvoraussetzung für einen höheren Leistungsanspruch. Dabei ist die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht abstrakt, sondern einzelfallbezogen zu beurteilen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254, 257 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Der Verwaltungsakt der Zusicherung soll nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers "zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft" eingeholt werden (BT-Drucks 15/1516 S 57). Damit überhaupt eine Einzelfallregelung iS von § 31 SGB X getroffen werden kann, müssen die künftigen Unterkunftskosten der Höhe nach bestimmt sein(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 104, Stand September 2009; aA wohl Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 RdNr 72, Stand Januar 2009), dh ein nach Lage der Wohnung sowie den aufzuwendenden Kosten konkretisiertes Wohnungsangebot vorliegen. Erst dann kann die Zusicherung auf die konkrete Vorwegnahme eines künftigen Verwaltungsaktes gerichtet sein. Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung nach § 34 Abs 1 SGB X besteht nicht, weil § 22 Abs 2 SGB II eine gegenüber § 34 Abs 1 SGB X abschließende Sonderregelung enthält, die zum Ausdruck bringt, dass eine vorzeitige und unabhängig von den Aufwendungen für die neue Unterkunft erfolgende Bindung des SGB II-Trägers allein bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" iS des § 22 Abs 2 SGB II gerade nicht möglich sein soll(zum Ausschluss von Zusicherungen nach § 34 SGB X, wenn das Fachrecht eine vorzeitige Bindung der Verwaltung verbietet: Rüfner in Wannagat/Eichenhofer, § 34 SGB X RdNr 16, Stand Februar 1992; vgl auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 7. Aufl 2008, § 38 VwVfg RdNr 13, 172). Auch als Feststellungsklage konnte das ursprüngliche Begehren der Klägerinnen keinen Erfolg haben, weil mit einer solchen nicht einzelne Tatbestandsmerkmale im gerichtlichen Verfahren vorab geklärt werden können (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 55 RdNr 9 mwN; BSG Urteil vom 9.12.2004 - B 7 AL 24/04 R - BSGE 94, 109, 110 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1; vgl auch BSG vom 29.1.2003 - B 11 AL 47/02 R - juris RdNr 24 zu einzelnen Berechnungselementen von Ansprüchen im SGB III). Soweit vereinzelt eine sogenannte Elementenfeststellungsklage für möglich gehalten worden ist, betrifft dies Fallgestaltungen, in denen der Streit zwischen den Beteiligten durch die gerichtliche Feststellung über ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses vollständig ausgeräumt werden kann (vgl BSG vom 24.10.1996 - 4 RA 108/95 = SozR 3-2600 § 58 Nr 9; BSG vom 13.3.2001 - B 3 P 10/00 R - SozR 3-3300 § 38 Nr 2 - juris RdNr 35). Dies war hier schon deshalb nicht möglich, weil zu den Aufwendungen für eine bestimmte neue Unterkunft keine Angaben vorlagen und die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft im Vergleichsraum auch vom Zeitpunkt der Anmietung einer neuen Wohnung abhängt.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
Tenor
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Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2009 werden zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten die Erteilung einer Zusicherung der Übernahme künftiger angemessener Unterkunftskosten wegen der Erforderlichkeit eines Umzugs aus der bisherigen Wohnung in eine nicht näher konkretisierte angemessene Wohnung.
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Die Klägerinnen zu 1 bis 3 beziehen seit 2005, die Klägerin zu 4 seit ihrer Geburt im Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bis zum 31.5.2010 bewohnten sie eine 86 qm große Drei-Zimmer-Wohnung, für die eine Gesamtmiete in Höhe von 588,81 Euro zu entrichten war. Der Beklagte berücksichtigte als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zunächst einen monatlichen Betrag in Höhe von 558,29 Euro, ab November 2005 in Höhe von 563,72 Euro, ab Januar 2006 in Höhe von 565,96 Euro und ab November 2006 in Höhe von 569,82 Euro.
- 3
-
Am 29.9.2006 beantragte die Klägerin zu 1 für sich und ihre Kinder bei dem Beklagten "eine Vier-Zimmer-Wohnung". Sie benötige ein separates Schlafzimmer, weil sie unter starker Migräne leide. Ihre 11 und 13 Jahre alten Kinder (Klägerinnen zu 2 und 3) müssten sich ein Kinderzimmer teilen, in dem sich zwei Schreibtische befänden und kein Platz zum Spielen sei. Wegen der Geburt des dritten Kindes (Klägerin zu 4) sei eine Vier-Zimmer-Wohnung erforderlich. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 9.10.2006; Widerspruchsbescheid vom 20.11.2006). Eine Kostenübernahme könne nicht zugesichert werden, weil keine konkrete Wohnung zur Anmietung benannt worden sei.
- 4
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Das SG hat den Bescheid des Beklagten vom 9.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2006 aufgehoben, den Beklagten verurteilt, die Erforderlichkeit des Umzugs der Klägerinnen iS von § 22 Abs 2 SGB II festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen(Urteil vom 27.2.2007). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, eine abstrakte Entscheidung über die Erforderlichkeit eines Umzuges sei möglich. § 22 SGB II ermächtige die Grundsicherungsträger zu zwei inhaltlich zu unterscheidenden Entscheidungen, einerseits die Erforderlichkeit des Umzugs festzustellen, andererseits zu der Zusicherung, die bereits bestimmbaren Kosten einer neuen Unterkunft leistungsrechtlich anzuerkennen. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Zusicherung bestehe nur, wenn sowohl der Umzug als auch die Kosten der Unterkunft leistungsrechtlich angemessen seien. Soweit dies nicht der Fall sei, stehe die Erteilung im Ermessen des Grundsicherungsträgers, das hier auf Null reduziert sei. Wegen der Geburt der Klägerin zu 4 und der gesundheitlichen Situation der Klägerin zu 1 bestehe größerer Raumbedarf.
- 5
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Das LSG hat das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.6.2009). Die vom SG als Feststellung tenorierte Verurteilung, die Erforderlichkeit des Umzugs festzustellen, sei unter Heranziehung der Entscheidungsgründe als Verurteilung zur Leistung zu werten. Für eine Feststellungsklage bestehe kein Interesse an einer baldigen Feststellung, weil die Klägerinnen ihr Begehren durch eine Antragstellung nach § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II erreichen könnten. Die Feststellung der Notwendigkeit eines "Umzugs" unabhängig vom Vorliegen einer neuen Wohnung sei als ausnahmsweise zulässige Elementenfeststellungsklage hier nicht möglich, weil der Streit dadurch nicht im Ganzen bereinigt werde und ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an einer baldigen Feststellung nicht gegeben sei. Der die begehrte Kostenzusage ablehnende Bescheid sei rechtmäßig. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der begehrten Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB II setze voraus, dass sich die begehrte Zusicherung auf ein bestimmtes, nach Lage der Wohnung, Zeitpunkt des Einzugs und aufzuwendenden Kosten konkretisiertes Mietvertragsangebot zu einer bestimmten Wohnung mit einem bezifferten Mietzins beziehe. Soweit die Regelung bezwecke, künftige Unterkunftskosten in der tatsächlich anfallenden Höhe außer Streit zu stellen, könne dies erst bei Kenntnis der tatsächlichen Größe, Ausstattung und Lage der neuen Wohnung verbindlich geprüft und abschließend geklärt werden. Eine abstrakte und isolierte Erklärung des Grundsicherungsträgers zur Notwendigkeit des Auszugs allein vermöge eine spätere Kostenübernahme und eine zeitnahe Entscheidung hierüber gerade nicht zu vermitteln.
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Nach Abschluss des Berufungsverfahren und Geburt des vierten Kindes der Klägerin zu 1 im Februar 2010 haben die Klägerinnen zum 1.6.2010 eine neue Wohnung angemietet (Wohnfläche 118,09 qm; Kaltmiete in Höhe von 815,97 Euro zuzüglich Betriebs- und Heizkosten von jeweils 100 Euro monatlich) und sind zu diesem Termin auch umgezogen. Ihren Antrag auf Zusicherung der Übernahme der Kosten der neuen Unterkunft und Heizung lehnte der Beklagte ab. Die Klägerinnen wenden sich dagegen, dass der Beklagte Unterkunftskosten für den Zeitraum nach dem Umzug zunächst nur in Höhe der Kaltmiete zuzüglich der aktuellen Nebenkosten übernahm (Bescheid vom 1.5.2010; Widerspruchsbescheid vom 20.5.2010). Nachdem das SG Freiburg den Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, den Klägerinnen für die Zeit vom 1.6.2010 bis 31.10.2010 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 18,90 Euro monatlich zu erbringen, begehren die Klägerinnen im Klageverfahren beim SG Freiburg für den Zeitraum ab 1.6.2010 die Übernahme der KdU-Kosten in voller Höhe (S 13 AS 2761/10; S 13 AS 816/11). Nach Auszug der Klägerin zu 2 im Januar 2011 forderte der Beklagte die Senkung der Unterkunftskosten und bestätigte in einer beigefügten Erklärung vom 16.2.2011 die "Notwendigkeit eines Auszugs aus der jetzigen Wohnung".
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Mit ihren Revisionen rügen die Klägerinnen eine Verletzung des § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II. Der Nachweis eines konkreten Angebots zum Abschluss eines Mietvertrages könne nicht als Voraussetzung einer Zusicherung verlangt werden, weil die Vorlage eines vom Vermieter unterschriebenen Vertragsentwurfs nicht der Praxis großer Wohnungsbauträger entspreche. § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II iVm § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II sei verfassungsgemäß so auszulegen, dass ein Anspruch auf Zusicherung zur Anmietung einer Wohnung bereits dann bestehe, wenn der Umzug iS von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II erforderlich sei, wobei die zweite Bedingung für die Abgabe einer Zusicherung ("und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind") dadurch zu erfüllen sei, dass die Höchstgrenze der nach einem Umzug angemessenen Unterkunftskosten in einem bestimmten räumlichen Bereich beziffert werde. Da sich die Angemessenheit einer Unterkunft nach der Produkttheorie bestimme, könne der Höchstbetrag der angemessenen Aufwendungen nach der Zahl der dem Haushalt des Hilfeempfängers angehörigen Personen und dem Wohnort ohne weiteres bestimmt werden, ohne dass Lage, Ausstattung und Größe der anzumietenden Wohnung bekannt sein müssten. Nach ihrem Normzweck solle die Zusicherung helfen, die Entscheidung über einen Umzug in verantwortungsvoller Weise zu treffen. Hilfsweise ergebe sich aus § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II iVm § 34 SGB X ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung. Insofern habe das LSG revisibles Recht dadurch verletzt, dass die den Anspruch tragende Norm nicht zur Anwendung gelangt sei. Der Beklagte erlasse in ständiger Verwaltungspraxis sogenannte "Notwendigkeitsbescheinigungen" als Verwaltungsakte, wenn er einen Umzug als erforderlich ansehe, welche sich faktisch als abstrakte Zusicherungen darstellten.
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Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Februar 2007 zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen sind nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
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Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen. Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).
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Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 9.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2006, mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerinnen auf Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung bei einem Umzug in eine zum Antragszeitpunkt nicht näher konkretisierte Wohnung abgelehnt hat. Ihr Antrag war nicht auf eine konkrete Kostenzusage gerichtet, weil noch keine Wohnung feststand, in welche ggf ein Umzug erfolgen konnte. Vielmehr ging es ihnen um die Erteilung einer "abstrakten Zusicherung" der Übernahme künftiger angemessener Unterkunftskosten wegen grundsätzlicher Erforderlichkeit eines Umzugs aus der bisherigen Wohnung in eine künftige Wohnung mit angemessenen Unterkunftskosten.
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Die Klägerinnen haben ihr Begehren zulässigerweise mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Zusicherung iS von § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II ist die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt mit einem bestimmten Inhalt später zu erlassen(vgl die Legaldefinition in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X). Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei einer auf die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten gerichteten Zusicherung iS von § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II um einen der Bewilligung vorgeschalteten Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X(BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - FEVS 62, 6 ff). Auch die Zusicherung iS von § 22 Abs 2 SGB II ist ein Verwaltungsakt(Lauterbach in Gagel, SGB II, § 22 RdNr 67, Stand Januar 2009; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 69; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 83). Dies gilt auch für die Ablehnung einer beantragten Zusicherung, weil der Inhalt, der zugesichert werden soll, nicht zugesichert werden kann. Die Verwaltungsentscheidung beinhaltet regelmäßig und auch hier zugleich die Feststellung, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung hat, also nach den Kriterien der Qualifikationsnorm des § 31 SGB X einen Verwaltungsakt(BSG Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113, 114 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1 S 3 mwN).
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Die damit erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist jedoch spätestens im Revisionsverfahren unzulässig geworden. Mit dem Umzug der Klägerinnen in eine neue Wohnung zum 1.6.2010 ist eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dergestalt eingetreten, dass das Rechtsschutzinteresse für die Klagen, welches auch das Revisionsgericht als prozessuale Voraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S 93), entfallen ist. Insofern gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos in Anspruch nehmen darf. Unzulässig ist ein Rechtsmittel daher zB dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers hieran nicht mehr besteht, weil die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen, das Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden kann (vgl BSG Urteil vom 8.5.2007 - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 S 14; BSG Beschluss vom 5.10.2009 - B 13 R 79/08 R - SozR 4-1500 § 171 Nr 1 RdNr 12). Dies ist hier der Fall.
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Im Zusammenhang mit dem Umzug der Klägerinnen zum 1.6.2010 sind wegen der Höhe der von dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit ab 1.6.2010 zu tragenden angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei dem SG Freiburg Klageverfahren anhängig (S 13 AS 2761/10; S 13 AS 816/11), in denen ua über den Gegenstand der begehrten Zusicherung zu befinden ist. In diesen Verfahren ist als Vorfrage eines Anspruchs auf Übernahme höherer angemessener Kosten der Unterkunft notwendigerweise auch über die Erforderlichkeit eines Umzugs zu befinden, weil ansonsten - unabhängig von der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft - die Begrenzungsregelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II mit einer Beschränkung der Kostentragung auf die bisherigen angemessenen Aufwendungen eingreift(vgl hierzu BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für eine gesonderte Zusicherung als vorgreiflicher Teilregelung besteht bei dieser Sachlage kein Rechtsschutzinteresse mehr. Dies hat das BSG zu vergleichbaren Konstellationen bereits ausdrücklich entschieden (vgl BSG Urteil vom 4.5.1999 - B 4 RA 28/98 R - SGb 1999, 406).
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Soweit die Klägerinnen geltend machen, das Rechtsschutzinteresse dürfe vor dem Hintergrund möglicher zu hoher Kosten der zum 1.6.2010 neu angemieteten Wohnung nicht auf die Feststellung der Erforderlichkeit des Auszugs aus der bisherigen Wohnung beschränkt werden, vielmehr gehe es erkennbar um die gerichtliche Bestätigung des Anspruchs, dass der Leistungsträger über die abstrakte Erforderlichkeit eines Umzugs eine rechtsmittelfähige Entscheidung treffen müsse, führt dies nicht zur Annahme eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses. Unabhängig von einem konkret angebotenen Mietvertrag möchten die Klägerinnen klären, ob sie bei erforderlich werdenden Umzügen Anspruch auf Erteilung eines Bescheides haben, in welchem die Erforderlichkeit eines Umzugs aus einer aktuell bewohnten in eine noch nicht konkret benannte neue Unterkunft bestätigt wird. Insofern begehren sie die nicht mögliche Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage hängt davon ab, ob das feststellungsbedürftige Rechtsverhältnis hinreichend konkretisiert ist, also nach seinem Sachverhalt hinreichend bestimmt und überschaubar vorliegt. Künftig entstehende Rechtsverhältnisse können daher grundsätzlich nicht festgestellt werden. Ausnahmen sind nur möglich, wenn bereits alle für die streitige Rechtsbeziehung erheblichen Tatsachen vorliegen und etwa nur der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung noch aussteht (BSG Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113 ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 1; vgl auch BVerwG Urteil vom 13.10.1971 - VI C 57.66 - BVerwGE 38, 346 ff). Als wesentliche Tatsachen steht bei dem von den Klägerinnen nunmehr formulierten Begehren aber weder fest, auf welche konkrete Wohnung sich die Beurteilung der Erforderlichkeit eines Umzugs beziehen soll, noch ist die Entstehung von höheren Unterkunftskosten hinreichend konkret.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Danach ist es in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt. Auch das ursprüngliche Klagebegehren vor Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses hätte unter Berücksichtigung des bis dahin vorliegenden Sach- und Streitstandes voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Beklagte dürfte einen Anspruch der Klägerinnen auf Erteilung einer Zusicherung iS von § 22 Abs 2 SGB II zu Recht abgelehnt haben. Gemäß § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II normiert damit zwei tatbestandliche Voraussetzungen für die Abgabe einer Zusicherung. Eine gesonderte Feststellung der Erforderlichkeit eines Auszugs ist nicht vorgesehen. Als ein der Bewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt kann mit einer Zusicherung zudem grundsätzlich nur dasjenige geregelt werden, was auch durch einen nachfolgenden Verwaltungsakt konkret erfasst werden könnte. Bezogen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung betrifft dies die tatsächliche Erbringung von SGB II-Leistungen in einer bestimmten Höhe, nicht die Feststellung einer Anspruchsvoraussetzung für einen höheren Leistungsanspruch. Dabei ist die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht abstrakt, sondern einzelfallbezogen zu beurteilen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254, 257 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Der Verwaltungsakt der Zusicherung soll nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers "zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft" eingeholt werden (BT-Drucks 15/1516 S 57). Damit überhaupt eine Einzelfallregelung iS von § 31 SGB X getroffen werden kann, müssen die künftigen Unterkunftskosten der Höhe nach bestimmt sein(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 104, Stand September 2009; aA wohl Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 RdNr 72, Stand Januar 2009), dh ein nach Lage der Wohnung sowie den aufzuwendenden Kosten konkretisiertes Wohnungsangebot vorliegen. Erst dann kann die Zusicherung auf die konkrete Vorwegnahme eines künftigen Verwaltungsaktes gerichtet sein. Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung nach § 34 Abs 1 SGB X besteht nicht, weil § 22 Abs 2 SGB II eine gegenüber § 34 Abs 1 SGB X abschließende Sonderregelung enthält, die zum Ausdruck bringt, dass eine vorzeitige und unabhängig von den Aufwendungen für die neue Unterkunft erfolgende Bindung des SGB II-Trägers allein bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" iS des § 22 Abs 2 SGB II gerade nicht möglich sein soll(zum Ausschluss von Zusicherungen nach § 34 SGB X, wenn das Fachrecht eine vorzeitige Bindung der Verwaltung verbietet: Rüfner in Wannagat/Eichenhofer, § 34 SGB X RdNr 16, Stand Februar 1992; vgl auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 7. Aufl 2008, § 38 VwVfg RdNr 13, 172). Auch als Feststellungsklage konnte das ursprüngliche Begehren der Klägerinnen keinen Erfolg haben, weil mit einer solchen nicht einzelne Tatbestandsmerkmale im gerichtlichen Verfahren vorab geklärt werden können (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 55 RdNr 9 mwN; BSG Urteil vom 9.12.2004 - B 7 AL 24/04 R - BSGE 94, 109, 110 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1; vgl auch BSG vom 29.1.2003 - B 11 AL 47/02 R - juris RdNr 24 zu einzelnen Berechnungselementen von Ansprüchen im SGB III). Soweit vereinzelt eine sogenannte Elementenfeststellungsklage für möglich gehalten worden ist, betrifft dies Fallgestaltungen, in denen der Streit zwischen den Beteiligten durch die gerichtliche Feststellung über ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses vollständig ausgeräumt werden kann (vgl BSG vom 24.10.1996 - 4 RA 108/95 = SozR 3-2600 § 58 Nr 9; BSG vom 13.3.2001 - B 3 P 10/00 R - SozR 3-3300 § 38 Nr 2 - juris RdNr 35). Dies war hier schon deshalb nicht möglich, weil zu den Aufwendungen für eine bestimmte neue Unterkunft keine Angaben vorlagen und die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft im Vergleichsraum auch vom Zeitpunkt der Anmietung einer neuen Wohnung abhängt.
Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,
- 1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, - 2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder - 3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:
für den Geburtsjahrgang | erfolgt eine Anhebung um Monate | auf den Ablauf des Monats, in dem ein Lebensalter vollendet wird von |
---|---|---|
1947 | 1 | 65 Jahren und 1 Monat |
1948 | 2 | 65 Jahren und 2 Monaten |
1949 | 3 | 65 Jahren und 3 Monaten |
1950 | 4 | 65 Jahren und 4 Monaten |
1951 | 5 | 65 Jahren und 5 Monaten |
1952 | 6 | 65 Jahren und 6 Monaten |
1953 | 7 | 65 Jahren und 7 Monaten |
1954 | 8 | 65 Jahren und 8 Monaten |
1955 | 9 | 65 Jahren und 9 Monaten |
1956 | 10 | 65 Jahren und 10 Monaten |
1957 | 11 | 65 Jahren und 11 Monaten |
1958 | 12 | 66 Jahren |
1959 | 14 | 66 Jahren und 2 Monaten |
1960 | 16 | 66 Jahren und 4 Monaten |
1961 | 18 | 66 Jahren und 6 Monaten |
1962 | 20 | 66 Jahren und 8 Monaten |
1963 | 22 | 66 Jahren und 10 Monaten |
ab 1964 | 24 | 67 Jahren. |
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.
(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung setzt die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung ist kraft Gesetzes, auf Grund der Beschäftigungsverordnung oder Bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn dies durch ein Gesetz, die Beschäftigungsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist.
(2) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch eine Fachkraft gemäß den §§ 18a oder 18b zustimmen, wenn
- 1.
sie nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird, - 2.
sie - a)
gemäß § 18a oder § 18b Absatz 1 eine Beschäftigung als Fachkraft ausüben wird, zu der ihre Qualifikation sie befähigt, oder - b)
gemäß § 18b Absatz 2 Satz 2 eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung ausüben wird,
- 3.
ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegt und, - 4.
sofern die Beschäftigungsverordnung nähere Voraussetzungen in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorsieht, diese vorliegen.
(3) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch einen Ausländer unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft zustimmen, wenn
- 1.
der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird, - 2.
die in den §§ 19, 19b, 19c Absatz 3 oder § 19d Absatz 1 Nummer 1 oder durch die Beschäftigungsverordnung geregelten Voraussetzungen für die Zustimmung in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorliegen und - 3.
für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen (Vorrangprüfung), soweit diese Prüfung durch die Beschäftigungsverordnung oder Gesetz vorgesehen ist.
(4) Für die Erteilung der Zustimmung hat der Arbeitgeber der Bundesagentur für Arbeit Auskunft über Arbeitsentgelt, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen zu erteilen. Auf Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit hat ein Arbeitgeber, der einen Ausländer beschäftigt oder beschäftigt hat, eine Auskunft nach Satz 1 innerhalb eines Monats zu erteilen.
(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten auch, wenn bei Aufenthalten zu anderen Zwecken nach den Abschnitten 3, 5 oder 7 eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist.
(6) Absatz 3 gilt für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung entsprechend. Im Übrigen sind die für die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit geltenden Rechtsvorschriften auf die Arbeitserlaubnis anzuwenden, soweit durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. Die Bundesagentur für Arbeit kann für die Zustimmung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Saisonbeschäftigung und für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung am Bedarf orientierte Zulassungszahlen festlegen.
(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.
(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung setzt die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung ist kraft Gesetzes, auf Grund der Beschäftigungsverordnung oder Bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn dies durch ein Gesetz, die Beschäftigungsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist.
(2) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch eine Fachkraft gemäß den §§ 18a oder 18b zustimmen, wenn
- 1.
sie nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird, - 2.
sie - a)
gemäß § 18a oder § 18b Absatz 1 eine Beschäftigung als Fachkraft ausüben wird, zu der ihre Qualifikation sie befähigt, oder - b)
gemäß § 18b Absatz 2 Satz 2 eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung ausüben wird,
- 3.
ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegt und, - 4.
sofern die Beschäftigungsverordnung nähere Voraussetzungen in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorsieht, diese vorliegen.
(3) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch einen Ausländer unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft zustimmen, wenn
- 1.
der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird, - 2.
die in den §§ 19, 19b, 19c Absatz 3 oder § 19d Absatz 1 Nummer 1 oder durch die Beschäftigungsverordnung geregelten Voraussetzungen für die Zustimmung in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorliegen und - 3.
für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen (Vorrangprüfung), soweit diese Prüfung durch die Beschäftigungsverordnung oder Gesetz vorgesehen ist.
(4) Für die Erteilung der Zustimmung hat der Arbeitgeber der Bundesagentur für Arbeit Auskunft über Arbeitsentgelt, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen zu erteilen. Auf Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit hat ein Arbeitgeber, der einen Ausländer beschäftigt oder beschäftigt hat, eine Auskunft nach Satz 1 innerhalb eines Monats zu erteilen.
(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten auch, wenn bei Aufenthalten zu anderen Zwecken nach den Abschnitten 3, 5 oder 7 eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist.
(6) Absatz 3 gilt für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung entsprechend. Im Übrigen sind die für die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit geltenden Rechtsvorschriften auf die Arbeitserlaubnis anzuwenden, soweit durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. Die Bundesagentur für Arbeit kann für die Zustimmung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Saisonbeschäftigung und für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung am Bedarf orientierte Zulassungszahlen festlegen.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010.
- 2
-
Die 1988 geborene Klägerin bulgarischer Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem bulgarischen Reisepass über den Grenzübergang Gradina (Bulgarien) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik ein. Einwohnermelderechtlich wurde sie erstmals am 8.4.2010 "aus Bulgarien kommend" in Stuttgart erfasst. In der Zeit vor dem 8.4.2010 verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am 6.7.2010 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser als griechischer Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des Jugendamts vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am 21.7.2010 bei der BA beantragte Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.
- 3
-
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab (Bescheid vom 28.7.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in Deutschland zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 SGB II, wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen bestehe und daher zumindest eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.
- 4
-
Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in Deutschland nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 SGB II sowie - im Fall der Klägerin - die Mehrbedarfsleistungen für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der VO (EG) Nr 883/2004 gegenüber der FreizügRL begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gegen die Regelungen des EFA sei nicht ersichtlich, weil Bulgarien nicht Signatarstaat sei.
- 5
-
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der Unionsgesetzgeber eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der Zeit der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der sozialen Koordinierung seien durch die Unionsbürger-Richtlinie nicht ausgeschlossen, weil der EuGH soziale Ansprüche aus dem Freizügigkeitsregime und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.
- 6
-
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.
- 7
-
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
- 8
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Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger bei Leistungen nach dem SGB II schlechter als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Unrecht verneint.
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1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010 beschränkt.
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2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen.
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Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB II und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.
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3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. IS von § 8 Abs 1 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte(§ 8 Abs 2 SGB II) .
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Nach den Feststellungen des LSG standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 SGB II einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für EU-Bürger der zum 1.1.2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union vom 25.4.2005
) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU als Art 2 des ZuwanderungsG vom 30.7.2004; vgl § 1 Abs 2 Nr 1 AufenthG) grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU (§ 284 Abs 1 S 2 SGB III idF des Gesetzes vom 7.12.2006, BGBl I 2814).
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Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen Zeitraum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das SG eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine konkret-rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die BA erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber(§ 39 Abs 2 AufenthG) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Rumänen und Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("Gemeinschaftsprivileg" HK-AuslR/Clodius, 1. Aufl 2008, Anhang zum FreizügG/§ 284 SGB III RdNr 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 (BGBl I 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 SGB II. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist(BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 S 52).
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Einen solchen - gegenüber deutschen Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/EU nach § 284 Abs 3 SGB III iVm § 39 Abs 2 Nr 1 AufenthG, etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft(vgl hierzu auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 RdNr 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen EU-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer Zeit in Deutschland wohnen, sind nicht als "Neueinreisende" iS von § 284 Abs 4 SGB III (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten(Dienelt aaO).
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4. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II.
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Nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 S 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 S 5 zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j VO (EG) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 VO (EG) Nr 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" Frings, Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der VO (EG) Nr 883/2004 in ZAR, 2012, 317 ff, 322).
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Jedenfalls für den Bereich des SGB II läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 21 S 45 ff; ähnlich BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 SGB V: BSGE 80, 209 ff, 211 f = BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 12 S 52 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 26, 50 ff)und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BEEG; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: BVerfGE 111, 176 ff = SozR 4-7833 § 1 Nr 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG fehlt im SGB II. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".
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Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltungen (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17) -offenbar (Feststellungen des LSG hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 FreizügG/EU; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügigkeitsG/EU und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013
). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden(Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 RdNr 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 AEUV nicht erfüllt (Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG RdNr 4 mwN).
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Auch § 13 FreizügG/EU steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des Vertrags vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die BA gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 FreizügG/EU schränkt der Umstand, dass die Beitrittsverträge nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden Zeitraums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein(OVG Hamburg Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4; HK-AuslR/Geyer, 1. Aufl 2008, § 13 FreizügG RdNr 2).
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5. Der Anspruch auf SGB II-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen Bulgariens Ende Juli 2009 nach Deutschland eingereist ist und sich seitdem im Bundesgebiet aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.
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6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.
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b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.
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Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der "Option" des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte(BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "sozialen Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff) .
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Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).
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c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.
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Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.
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Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum "ab dem 6.7.2010 in Deutschland allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen Zeitraum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU; EuGH Urteil vom 4.6.2009 - C-22/08, C-23/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 32; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen Zeitraums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das LSG nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein arbeitsuchender EU-Bürger solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89; so auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 FreizügG/EU RdNr 56).
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Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). Ein solches bereits vor SGB II-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet liegt hier vor.
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d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen Zeitraum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II berufen.
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§ 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - AufenthG weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das FreizügG/EU. Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 RdNr 28).
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Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 AufenthG kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im AufenthG genannte Aufenthaltszwecke(§ 7 Abs 1 S 2 AufenthG) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 AufenthG noch aus dem europäischem Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt(vgl BVerwG Urteil vom 27.2.1996 - 1 C 41/93 - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufentG RdNr 20).
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Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 AufenthG und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(MRK) berufen (vgl auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG RdNr 20).
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Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 Nr 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.2 M 70.11 - RdNr 3 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - InfAuslR 2010, 27 ff: vgl auch VG Dresden Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - RdNr 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein (OVG Hamburg Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - InfAuslR 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff; BVerfG NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; BVerfGE 80, 81 ff).
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Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf formal-rechtliche familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff, RdNr 18 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die Zeit vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.
(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.
(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.
(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.
(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.
(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.
(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.
(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.
(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung setzt die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung ist kraft Gesetzes, auf Grund der Beschäftigungsverordnung oder Bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn dies durch ein Gesetz, die Beschäftigungsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist.
(2) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch eine Fachkraft gemäß den §§ 18a oder 18b zustimmen, wenn
- 1.
sie nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird, - 2.
sie - a)
gemäß § 18a oder § 18b Absatz 1 eine Beschäftigung als Fachkraft ausüben wird, zu der ihre Qualifikation sie befähigt, oder - b)
gemäß § 18b Absatz 2 Satz 2 eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung ausüben wird,
- 3.
ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegt und, - 4.
sofern die Beschäftigungsverordnung nähere Voraussetzungen in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorsieht, diese vorliegen.
(3) Die Bundesagentur für Arbeit kann der Ausübung einer Beschäftigung durch einen Ausländer unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft zustimmen, wenn
- 1.
der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird, - 2.
die in den §§ 19, 19b, 19c Absatz 3 oder § 19d Absatz 1 Nummer 1 oder durch die Beschäftigungsverordnung geregelten Voraussetzungen für die Zustimmung in Bezug auf die Ausübung der Beschäftigung vorliegen und - 3.
für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen (Vorrangprüfung), soweit diese Prüfung durch die Beschäftigungsverordnung oder Gesetz vorgesehen ist.
(4) Für die Erteilung der Zustimmung hat der Arbeitgeber der Bundesagentur für Arbeit Auskunft über Arbeitsentgelt, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen zu erteilen. Auf Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit hat ein Arbeitgeber, der einen Ausländer beschäftigt oder beschäftigt hat, eine Auskunft nach Satz 1 innerhalb eines Monats zu erteilen.
(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten auch, wenn bei Aufenthalten zu anderen Zwecken nach den Abschnitten 3, 5 oder 7 eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist.
(6) Absatz 3 gilt für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung entsprechend. Im Übrigen sind die für die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit geltenden Rechtsvorschriften auf die Arbeitserlaubnis anzuwenden, soweit durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. Die Bundesagentur für Arbeit kann für die Zustimmung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Saisonbeschäftigung und für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung am Bedarf orientierte Zulassungszahlen festlegen.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:
- 1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, - 2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
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die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.
(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.
(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
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Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010.
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Die 1988 geborene Klägerin bulgarischer Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem bulgarischen Reisepass über den Grenzübergang Gradina (Bulgarien) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik ein. Einwohnermelderechtlich wurde sie erstmals am 8.4.2010 "aus Bulgarien kommend" in Stuttgart erfasst. In der Zeit vor dem 8.4.2010 verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am 6.7.2010 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser als griechischer Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des Jugendamts vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am 21.7.2010 bei der BA beantragte Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.
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Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab (Bescheid vom 28.7.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in Deutschland zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 SGB II, wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen bestehe und daher zumindest eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.
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Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in Deutschland nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 SGB II sowie - im Fall der Klägerin - die Mehrbedarfsleistungen für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der VO (EG) Nr 883/2004 gegenüber der FreizügRL begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gegen die Regelungen des EFA sei nicht ersichtlich, weil Bulgarien nicht Signatarstaat sei.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der Unionsgesetzgeber eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der Zeit der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der sozialen Koordinierung seien durch die Unionsbürger-Richtlinie nicht ausgeschlossen, weil der EuGH soziale Ansprüche aus dem Freizügigkeitsregime und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger bei Leistungen nach dem SGB II schlechter als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Unrecht verneint.
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1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010 beschränkt.
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2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen.
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Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB II und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.
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3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. IS von § 8 Abs 1 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte(§ 8 Abs 2 SGB II) .
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Nach den Feststellungen des LSG standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 SGB II einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für EU-Bürger der zum 1.1.2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union vom 25.4.2005
) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU als Art 2 des ZuwanderungsG vom 30.7.2004; vgl § 1 Abs 2 Nr 1 AufenthG) grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU (§ 284 Abs 1 S 2 SGB III idF des Gesetzes vom 7.12.2006, BGBl I 2814).
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Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen Zeitraum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das SG eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine konkret-rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die BA erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber(§ 39 Abs 2 AufenthG) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Rumänen und Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("Gemeinschaftsprivileg" HK-AuslR/Clodius, 1. Aufl 2008, Anhang zum FreizügG/§ 284 SGB III RdNr 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 (BGBl I 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 SGB II. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist(BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 S 52).
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Einen solchen - gegenüber deutschen Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/EU nach § 284 Abs 3 SGB III iVm § 39 Abs 2 Nr 1 AufenthG, etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft(vgl hierzu auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 RdNr 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen EU-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer Zeit in Deutschland wohnen, sind nicht als "Neueinreisende" iS von § 284 Abs 4 SGB III (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten(Dienelt aaO).
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4. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II.
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Nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 S 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 S 5 zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j VO (EG) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 VO (EG) Nr 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" Frings, Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der VO (EG) Nr 883/2004 in ZAR, 2012, 317 ff, 322).
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Jedenfalls für den Bereich des SGB II läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 21 S 45 ff; ähnlich BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 SGB V: BSGE 80, 209 ff, 211 f = BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 12 S 52 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 26, 50 ff)und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BEEG; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: BVerfGE 111, 176 ff = SozR 4-7833 § 1 Nr 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG fehlt im SGB II. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".
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Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltungen (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17) -offenbar (Feststellungen des LSG hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 FreizügG/EU; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügigkeitsG/EU und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013
). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden(Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 RdNr 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 AEUV nicht erfüllt (Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG RdNr 4 mwN).
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Auch § 13 FreizügG/EU steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des Vertrags vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die BA gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 FreizügG/EU schränkt der Umstand, dass die Beitrittsverträge nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden Zeitraums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein(OVG Hamburg Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4; HK-AuslR/Geyer, 1. Aufl 2008, § 13 FreizügG RdNr 2).
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5. Der Anspruch auf SGB II-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen Bulgariens Ende Juli 2009 nach Deutschland eingereist ist und sich seitdem im Bundesgebiet aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.
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6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.
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b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.
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Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der "Option" des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte(BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "sozialen Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff) .
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Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).
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c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.
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Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.
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Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum "ab dem 6.7.2010 in Deutschland allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen Zeitraum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU; EuGH Urteil vom 4.6.2009 - C-22/08, C-23/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 32; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen Zeitraums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das LSG nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein arbeitsuchender EU-Bürger solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89; so auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 FreizügG/EU RdNr 56).
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Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). Ein solches bereits vor SGB II-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet liegt hier vor.
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d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen Zeitraum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II berufen.
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§ 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - AufenthG weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das FreizügG/EU. Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 RdNr 28).
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Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 AufenthG kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im AufenthG genannte Aufenthaltszwecke(§ 7 Abs 1 S 2 AufenthG) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 AufenthG noch aus dem europäischem Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt(vgl BVerwG Urteil vom 27.2.1996 - 1 C 41/93 - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufentG RdNr 20).
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Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 AufenthG und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(MRK) berufen (vgl auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG RdNr 20).
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Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 Nr 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.2 M 70.11 - RdNr 3 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - InfAuslR 2010, 27 ff: vgl auch VG Dresden Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - RdNr 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein (OVG Hamburg Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - InfAuslR 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff; BVerfG NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; BVerfGE 80, 81 ff).
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Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf formal-rechtliche familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff, RdNr 18 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die Zeit vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
- 1
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Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010.
- 2
-
Die 1988 geborene Klägerin bulgarischer Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem bulgarischen Reisepass über den Grenzübergang Gradina (Bulgarien) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik ein. Einwohnermelderechtlich wurde sie erstmals am 8.4.2010 "aus Bulgarien kommend" in Stuttgart erfasst. In der Zeit vor dem 8.4.2010 verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am 6.7.2010 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser als griechischer Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des Jugendamts vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am 21.7.2010 bei der BA beantragte Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.
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Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab (Bescheid vom 28.7.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in Deutschland zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 SGB II, wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen bestehe und daher zumindest eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.
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Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in Deutschland nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 SGB II sowie - im Fall der Klägerin - die Mehrbedarfsleistungen für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der VO (EG) Nr 883/2004 gegenüber der FreizügRL begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gegen die Regelungen des EFA sei nicht ersichtlich, weil Bulgarien nicht Signatarstaat sei.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der Unionsgesetzgeber eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der Zeit der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der sozialen Koordinierung seien durch die Unionsbürger-Richtlinie nicht ausgeschlossen, weil der EuGH soziale Ansprüche aus dem Freizügigkeitsregime und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger bei Leistungen nach dem SGB II schlechter als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Unrecht verneint.
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1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010 beschränkt.
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2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen.
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Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB II und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.
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3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. IS von § 8 Abs 1 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte(§ 8 Abs 2 SGB II) .
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Nach den Feststellungen des LSG standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 SGB II einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für EU-Bürger der zum 1.1.2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union vom 25.4.2005
) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU als Art 2 des ZuwanderungsG vom 30.7.2004; vgl § 1 Abs 2 Nr 1 AufenthG) grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU (§ 284 Abs 1 S 2 SGB III idF des Gesetzes vom 7.12.2006, BGBl I 2814).
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Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen Zeitraum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das SG eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine konkret-rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die BA erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber(§ 39 Abs 2 AufenthG) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Rumänen und Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("Gemeinschaftsprivileg" HK-AuslR/Clodius, 1. Aufl 2008, Anhang zum FreizügG/§ 284 SGB III RdNr 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 (BGBl I 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 SGB II. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist(BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 S 52).
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Einen solchen - gegenüber deutschen Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/EU nach § 284 Abs 3 SGB III iVm § 39 Abs 2 Nr 1 AufenthG, etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft(vgl hierzu auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 RdNr 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen EU-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer Zeit in Deutschland wohnen, sind nicht als "Neueinreisende" iS von § 284 Abs 4 SGB III (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten(Dienelt aaO).
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4. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II.
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Nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 S 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 S 5 zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j VO (EG) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 VO (EG) Nr 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" Frings, Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der VO (EG) Nr 883/2004 in ZAR, 2012, 317 ff, 322).
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Jedenfalls für den Bereich des SGB II läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 21 S 45 ff; ähnlich BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 SGB V: BSGE 80, 209 ff, 211 f = BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 12 S 52 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 26, 50 ff)und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BEEG; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: BVerfGE 111, 176 ff = SozR 4-7833 § 1 Nr 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG fehlt im SGB II. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".
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Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltungen (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17) -offenbar (Feststellungen des LSG hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 FreizügG/EU; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügigkeitsG/EU und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013
). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden(Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 RdNr 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 AEUV nicht erfüllt (Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG RdNr 4 mwN).
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Auch § 13 FreizügG/EU steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des Vertrags vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die BA gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 FreizügG/EU schränkt der Umstand, dass die Beitrittsverträge nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden Zeitraums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein(OVG Hamburg Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4; HK-AuslR/Geyer, 1. Aufl 2008, § 13 FreizügG RdNr 2).
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5. Der Anspruch auf SGB II-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen Bulgariens Ende Juli 2009 nach Deutschland eingereist ist und sich seitdem im Bundesgebiet aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.
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6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.
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b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.
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Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der "Option" des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte(BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "sozialen Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff) .
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Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).
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c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.
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Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.
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Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum "ab dem 6.7.2010 in Deutschland allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen Zeitraum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU; EuGH Urteil vom 4.6.2009 - C-22/08, C-23/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 32; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen Zeitraums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das LSG nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein arbeitsuchender EU-Bürger solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89; so auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 FreizügG/EU RdNr 56).
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Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). Ein solches bereits vor SGB II-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet liegt hier vor.
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d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen Zeitraum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II berufen.
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§ 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - AufenthG weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das FreizügG/EU. Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 RdNr 28).
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Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 AufenthG kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im AufenthG genannte Aufenthaltszwecke(§ 7 Abs 1 S 2 AufenthG) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 AufenthG noch aus dem europäischem Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt(vgl BVerwG Urteil vom 27.2.1996 - 1 C 41/93 - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufentG RdNr 20).
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Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 AufenthG und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(MRK) berufen (vgl auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG RdNr 20).
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-
Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 Nr 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.2 M 70.11 - RdNr 3 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - InfAuslR 2010, 27 ff: vgl auch VG Dresden Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - RdNr 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein (OVG Hamburg Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - InfAuslR 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff; BVerfG NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; BVerfGE 80, 81 ff).
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Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf formal-rechtliche familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff, RdNr 18 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die Zeit vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
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Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010.
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Die 1988 geborene Klägerin bulgarischer Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem bulgarischen Reisepass über den Grenzübergang Gradina (Bulgarien) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik ein. Einwohnermelderechtlich wurde sie erstmals am 8.4.2010 "aus Bulgarien kommend" in Stuttgart erfasst. In der Zeit vor dem 8.4.2010 verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am 6.7.2010 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser als griechischer Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des Jugendamts vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am 21.7.2010 bei der BA beantragte Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.
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Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab (Bescheid vom 28.7.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in Deutschland zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 SGB II, wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen bestehe und daher zumindest eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.
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Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in Deutschland nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 SGB II sowie - im Fall der Klägerin - die Mehrbedarfsleistungen für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der VO (EG) Nr 883/2004 gegenüber der FreizügRL begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gegen die Regelungen des EFA sei nicht ersichtlich, weil Bulgarien nicht Signatarstaat sei.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der Unionsgesetzgeber eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der Zeit der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der sozialen Koordinierung seien durch die Unionsbürger-Richtlinie nicht ausgeschlossen, weil der EuGH soziale Ansprüche aus dem Freizügigkeitsregime und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.
- 7
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Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger bei Leistungen nach dem SGB II schlechter als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Unrecht verneint.
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1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010 beschränkt.
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2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen.
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Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB II und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.
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3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. IS von § 8 Abs 1 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte(§ 8 Abs 2 SGB II) .
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Nach den Feststellungen des LSG standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 SGB II einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für EU-Bürger der zum 1.1.2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union vom 25.4.2005
) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU als Art 2 des ZuwanderungsG vom 30.7.2004; vgl § 1 Abs 2 Nr 1 AufenthG) grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU (§ 284 Abs 1 S 2 SGB III idF des Gesetzes vom 7.12.2006, BGBl I 2814).
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Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen Zeitraum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das SG eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine konkret-rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die BA erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber(§ 39 Abs 2 AufenthG) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Rumänen und Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("Gemeinschaftsprivileg" HK-AuslR/Clodius, 1. Aufl 2008, Anhang zum FreizügG/§ 284 SGB III RdNr 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 (BGBl I 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 SGB II. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist(BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 S 52).
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Einen solchen - gegenüber deutschen Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/EU nach § 284 Abs 3 SGB III iVm § 39 Abs 2 Nr 1 AufenthG, etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft(vgl hierzu auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 RdNr 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen EU-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer Zeit in Deutschland wohnen, sind nicht als "Neueinreisende" iS von § 284 Abs 4 SGB III (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten(Dienelt aaO).
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4. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II.
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Nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 S 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 S 5 zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j VO (EG) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 VO (EG) Nr 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" Frings, Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der VO (EG) Nr 883/2004 in ZAR, 2012, 317 ff, 322).
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Jedenfalls für den Bereich des SGB II läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 21 S 45 ff; ähnlich BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 SGB V: BSGE 80, 209 ff, 211 f = BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 12 S 52 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 26, 50 ff)und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BEEG; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: BVerfGE 111, 176 ff = SozR 4-7833 § 1 Nr 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG fehlt im SGB II. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".
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Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltungen (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17) -offenbar (Feststellungen des LSG hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 FreizügG/EU; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügigkeitsG/EU und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013
). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden(Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 RdNr 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 AEUV nicht erfüllt (Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG RdNr 4 mwN).
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Auch § 13 FreizügG/EU steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des Vertrags vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die BA gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 FreizügG/EU schränkt der Umstand, dass die Beitrittsverträge nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden Zeitraums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein(OVG Hamburg Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4; HK-AuslR/Geyer, 1. Aufl 2008, § 13 FreizügG RdNr 2).
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5. Der Anspruch auf SGB II-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen Bulgariens Ende Juli 2009 nach Deutschland eingereist ist und sich seitdem im Bundesgebiet aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.
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6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.
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b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.
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Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der "Option" des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte(BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "sozialen Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff) .
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Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).
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c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.
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Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.
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Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum "ab dem 6.7.2010 in Deutschland allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen Zeitraum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU; EuGH Urteil vom 4.6.2009 - C-22/08, C-23/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 32; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen Zeitraums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das LSG nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein arbeitsuchender EU-Bürger solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89; so auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 FreizügG/EU RdNr 56).
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Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). Ein solches bereits vor SGB II-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet liegt hier vor.
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d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen Zeitraum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II berufen.
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§ 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - AufenthG weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das FreizügG/EU. Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 RdNr 28).
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Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 AufenthG kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im AufenthG genannte Aufenthaltszwecke(§ 7 Abs 1 S 2 AufenthG) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 AufenthG noch aus dem europäischem Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt(vgl BVerwG Urteil vom 27.2.1996 - 1 C 41/93 - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufentG RdNr 20).
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Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 AufenthG und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(MRK) berufen (vgl auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG RdNr 20).
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Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 Nr 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.2 M 70.11 - RdNr 3 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - InfAuslR 2010, 27 ff: vgl auch VG Dresden Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - RdNr 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein (OVG Hamburg Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - InfAuslR 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff; BVerfG NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; BVerfGE 80, 81 ff).
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Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf formal-rechtliche familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff, RdNr 18 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die Zeit vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.
Tatbestand
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Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, begehrt die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU.
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Der 1977 geborene Kläger reiste im September 1989 mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Berlin (West) ein. Nach einem erfolglosen Asylverfahren erhielt er ab Juli 1991 bis April 2006 Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen. Nachdem er die Hauptschule abgeschlossen hatte, erteilte ihm das Arbeitsamt im Mai 1994 eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsgenehmigung. Der Kläger brach 1996 eine Lehre als Elektroinstallateur ab. Sein 2004 unternommener Versuch, ein Reinigungsunternehmen zu eröffnen, blieb ohne Erfolg. Der Kläger bezieht seit seiner Einreise immer wieder Sozialleistungen.
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Im Juli 2005 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen bzw. die Ausstellung einer Bescheinigung über sein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht. Im Oktober 2005 erteilte ihm das beklagte Land letztmalig eine bis April 2006 gültige Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Gleichzeitig wies es darauf hin, die Aufenthaltserlaubnis nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängern zu wollen, wenn der Kläger weiterhin auf die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel angewiesen sei.
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Mit Bescheid vom 22. März 2006 lehnte der Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, da der Lebensunterhalt des Klägers nach wie vor nicht gesichert sei. Die Voraussetzungen für Aufenthaltsansprüche nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU erfülle er nicht, da er weder Arbeitnehmer sei noch einen gesicherten Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nachweisen könne. Bis auf den gescheiterten Versuch selbstständiger Tätigkeit seien keine Arbeitsbemühungen nachgewiesen worden. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Polen für den Fall nicht fristgerechter Ausreise binnen 15 Tagen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids angedroht. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Beklagte nicht entschieden.
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Das Verwaltungsgericht gab der Klage, die auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines unbefristeten Daueraufenthaltsrechts gerichtet war, im Februar 2007 statt. Dabei ging es davon aus, dass Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG jedem Unionsbürger, der sich fünf Jahre rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten habe, ein Daueraufenthaltsrecht gewähre, ohne dass es darauf ankomme, ob er über ausreichende Existenzmittel verfüge.
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Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 28. April 2009 den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Anforderungen für das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU. Er halte sich zwar seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Rechtmäßig im Sinne dieser Vorschrift sei aber nur ein Aufenthalt, der nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU auf einem Freizügigkeitsrecht beruhe. Berücksichtigungsfähig seien zudem nur Zeiten, in denen der Herkunftsstaat Mitglied der Europäischen Union gewesen sei. Nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 sei der Kläger nicht freizügigkeitsberechtigt gewesen, da er als nichterwerbstätiger Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt habe (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU). Anders als bei Arbeitnehmern und selbstständig Erwerbstätigen seien in diesem Fall Zeiten des Sozialleistungsbezugs nicht als Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts zu berücksichtigen. Dies stehe im Einklang mit Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG. Danach müsse ein Unionsbürger für ein Daueraufenthaltsrecht fünf Jahre die Voraussetzungen des Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen. Bei Nichterwerbstätigen verlange auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügten, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssten.
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Der Kläger erstrebt mit seiner Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Er ist der Auffassung, für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt genüge ein nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren.
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Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er hält die Revision ebenfalls für unbegründet, ist aber der Auffassung, dass § 4a FreizügG/EU nur verlangt, dass der Aufenthalt jedenfalls zuletzt nach Freizügigkeitsrecht rechtmäßig war. Insofern gehe die Vorschrift über die Richtlinie 2004/38/EG hinaus.
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Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - hat der seinerzeit zuständige 1. Senat das Verfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung der Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG eingeholt. Der EuGH hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a. - beantwortet.
Entscheidungsgründe
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Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage mit einer Begründung abgewiesen, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn es ist davon ausgegangen, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht nur aus Aufenthaltszeiten des Klägers im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union ergeben kann. Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) können aber auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftslands zur Europäischen Union ein Recht auf Daueraufenthalt begründen. Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zum Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 getroffen hat, kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Verfahrens ist nur das Begehren des Klägers auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU). Dieses Begehren zielt auf ein schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln, das mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Die Ablehnung des Beklagten, die humanitäre Aufenthaltserlaubnis des Klägers zu verlängern, sowie die Abschiebungsandrohung sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden.
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2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz abzustellen (stRspr, vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N. und vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 37 ff.). Nichts anderes gilt, wenn im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts begehrt wird. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens - hier etwa das Inkrafttreten des Reformvertrags von Lissabon zum 1. Dezember 2009 - sind allerdings zu beachten, da das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>).
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3. Das Berufungsurteil verstößt insoweit gegen Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht des Klägers nur aus Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 ergeben kann. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU wird Unionsbürgern auf Antrag unverzüglich ihr Daueraufenthalt bescheinigt. Nach der hier allein in Betracht kommenden Grundnorm des § 4a Abs. 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und Lebenspartner, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). In § 2 Abs. 2 FreizügG/EU sind die nach Unionsrecht freizügigkeitsberechtigten Personengruppen aufgezählt. Der Formulierung in § 4a FreizügG/EU "unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2" ist zu entnehmen, dass nicht jeder nach nationalem Recht rechtmäßige Aufenthalt ausreicht, sondern das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU anknüpft und nur ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrecht durch einen späteren Wegfall dieser Voraussetzungen nicht mehr berührt wird (vgl. Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 41 Rn. 14).
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Mit dem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingefügten § 4a FreizügG/EU hat der Gesetzgeber das schon zuvor auf nationaler Ebene bestehende - und über das bisherige Unionsrecht hinausgehende - Daueraufenthaltsrecht für freizügigkeitsberechtigte Personen und die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 - sog. Unionsbürgerrichtlinie - zusammengefasst (BTDrucks 16/5065 S. 210). Nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Dieses Recht ist nicht an die Voraussetzungen des Kapitel III der Richtlinie 2004/38/EG geknüpft.
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Zur Auslegung dieser Bestimmung hat der EuGH in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a., Ziolkowski u.a. - (NVwZ-RR 2012, 121) darauf hingewiesen, dass ein Unionsbürger, der im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eine Aufenthaltszeit von über fünf Jahren nur aufgrund des nationalen Rechts dieses Staates zurückgelegt hat, nicht so betrachtet werden kann, als habe er das Recht auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erworben, wenn er während dieser Aufenthaltszeit die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht erfüllt hat (LS 1 und Rn. 51). Zur Begründung hat der Gerichtshof darauf abgestellt, dass es sich bei dem Begriff des "rechtmäßigen Aufenthalts" in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG um einen autonomen Begriff des Unionsrechts handelt, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist (Rn. 33). Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist daher nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (Rn. 46). Hergeleitet hat der Gerichtshof diese Auslegung zum einen aus dem Ziel der Richtlinie, die bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden und in einer Kodifikation zusammenzufassen (Rn. 35 ff.). Zum anderen hat er darauf abgestellt, dass sich aus der Systematik der Richtlinie ein gestuftes System von Aufenthaltsrechten ergibt, das im Recht auf Daueraufenthalt mündet (Rn. 38 ff.). Damit richtet sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht nach dem im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat geltenden - möglicherweise günstigeren - nationalen Recht. Vielmehr setzt das Entstehen eines Rechts auf Daueraufenthalt unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat.
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Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den EuGH kann sich ein Recht auf Daueraufenthalt allerdings auch aus Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat ergeben, bevor der Drittstaat der Europäischen Union beigetreten ist. Diese Aufenthaltszeiten sind in Ermangelung spezifischer Bestimmungen in den Beitrittsakten für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG aber nur berücksichtigungsfähig, sofern der Betroffene nachweisen kann, dass sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 a.a.O. LS 2 und Rn. 62 f.). Diese Vorwirkung der Richtlinie gilt bei der gebotenen unionskonformen Auslegung auch für die nationale Regelung in § 4a FreizügG/EU, die die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG umsetzt.
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4. Der Senat kann weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend in der Sache selbst entscheiden. Da nach dem Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2011 (a.a.O.) auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftsstaats zur Europäischen Union für ein Daueraufenthaltsrecht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden, das Berufungsgericht zum Aufenthalt des Klägers vor dem Beitritt Polens am 1. Mai 2004 aber keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, ist der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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5. In dem erneuten Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat und sein Aufenthalt deshalb für die Prüfung des Erwerbs eines Rechts auf Daueraufenthalt dem Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers gleichzustellen ist.
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Die für diese Prüfung maßgebliche Frage, ob es für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU erforderlich ist, dass der Betroffene während des gesamten Zeitraums von fünf Jahren freizügigkeitsberechtigt war, oder ob es - wie vom Vertreter des Bundesinteresses vorgetragen - ausreicht, wenn der Aufenthalt fünf Jahre lang erlaubt war und jedenfalls zuletzt auf einem Freizügigkeitsrecht beruhte (so auch Nr. 4a.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26. Oktober 2009 - VwV-FreizügG/EU - GMBl S. 1270), hat der 1. Senat im Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - (Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 41 Rn. 15) offengelassen. Der erkennende Senat entscheidet sie zugunsten der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, dass sich der Betroffene während des gesamten Zeitraums von fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben muss und über den gesamten Zeitraum freizügigkeitsberechtigt war. Für eine insoweit - gemäß Art. 37 der Richtlinie 2004/38/EG zulässige - überschießende Umsetzung im Freizügigkeitsgesetz/EU sind weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte zu entnehmen. Der Gesetzgeber wollte das zuvor in § 2 Abs. 5 FreizügG/EU nicht unionsrechtlich vorgezeichnete, sondern aufgrund nationaler Regelungen ausgeformte Daueraufenthaltsrecht für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger (vgl. dazu BTDrucks 15/420 S. 102 f.) mit den durch die Unionsbürgerrichtlinie eingeführten neuen Vorgaben in § 4a FreizügG/EU zusammenfassen (BTDrucks 16/5065 S. 210). Systematisch spricht entscheidend für einen engen, auch auf die Freizügigkeitsvoraussetzungen abstellenden Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in § 2 Abs. 5 FreizügG/EU a.F. und § 4a FreizügG/EU, dass der Gesetzgeber in der Anrechnungsregelung des § 11 Abs. 3 FreizügG/EU "Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalt nach diesem Gesetz" den Zeiten eines (titelabhängigen) rechtmäßigen Aufenthalts nach dem Aufenthaltsgesetz gegenüber gestellt hat (BTDrucks 15/420 S. 106). Dass es im Kontext des Freizügigkeitsgesetzes/EU für die Annahme eines rechtmäßigen Aufenthalts der Freizügigkeitsberechtigung bedarf, entspricht auch der auf eine zunehmende Integration infolge eines gesicherten Aufenthalts abstellenden Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 15/420 S. 103) sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, der durch den freizügigkeitsgestützten Voraufenthalt erhöhten Integration durch ein Daueraufenthaltsrecht Rechnung zu tragen.
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Die Zeitspanne, in der zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts fünf Jahre lang ununterbrochen die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vorgelegen haben müssen, braucht indes nicht der Zeitraum unmittelbar vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu sein (a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 14. März 2006 - 13 S 220/06, AuAS 2006, 218 zu § 2 Abs. 5 FreizügG/EU). Der Senat entnimmt der Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil vom 7. Oktober 2010 - Rs. C-162/09, Lassal - (NVwZ 2011, 32 Rn. 33 - 39), dass der ununterbrochene Fünfjahreszeitraum nicht bis zuletzt angedauert haben muss, sondern auch weiter zurück in der Vergangenheit liegen kann.
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Im vorliegenden Fall bestimmen sich die Voraussetzungen der Freizügigkeitsberechtigung auch für Aufenthaltszeiten, die vor dem Beitritt Polens am 1. Mai 2004 liegen, nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG. Im Unterschied zu der Fallgestaltung einer Unionsbürgerin der ersten Stunde, die dem Urteil vom 7. Oktober 2010 (a.a.O. Rn. 40) zugrunde lag, hat der Gerichtshof für die hier vorliegende Fallkonstellation eines ehemaligen Drittstaaters, dessen Herkunftsland mittlerweile der Union beigetreten ist, im Urteil vom 21. Dezember 2011 (a.a.O. Rn. 61 f.) die in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Voraussetzungen als maßgeblich für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts erachtet.
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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wird das Berufungsgericht insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob der Kläger die Stellung eines Arbeitnehmers im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG erworben und die Erwerbstätigeneigenschaft über fünf Jahre behalten hat. Dafür könnte sprechen, dass er nach Aktenlage im Jahr 1994 eine Lehre zum Elektroinstallateur begonnen hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine in der Berufsausbildung befindliche Person Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV sein, wenn diese Ausbildung unter den Bedingungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis durchgeführt wird (EuGH, Urteile vom 26. Februar 1992 - Rs. C-3/90, Bernini - Slg. I-1071 Rn. 14 und vom 17. März 2005 - Rs. C-109/04, Kranemann - Slg. I-2421 Rn. 14, 17 f.). Mit Blick auf die Ausgestaltung der dualen Berufsausbildung in Deutschland dürfte nicht daran zu zweifeln sein, dass ein Lehrling den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff erfüllt.
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Zwar hat der Kläger nach Aktenlage die Lehre im Jahr 1996 abgebrochen. Das Berufungsgericht wird aber zu prüfen haben, ob er anschließend weiter als Arbeitnehmer tätig gewesen ist, so dass der (ergänzende) Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz seine Arbeitnehmereigenschaft nicht ohne Weiteres in Frage stellen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - Rs. C-139/85, Kempf - Slg. 1986, 1741 Rn. 14). Im Übrigen würde dem Kläger die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten bleiben, solange er einen der Tatbestände des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hätte.
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Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG genannten Voraussetzungen nicht über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren erfüllt hat, würde sich die Frage stellen, ob er als Nichterwerbstätiger über ausreichende Existenzmittel verfügte, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen musste (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG). Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz sind Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG. Auch für ab dem 1. Januar 2005 bezogene Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) spricht viel dafür, dass es sich jedenfalls bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II) um aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG handelt. Dafür ist es nicht entscheidend, dass finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - Rs. C-22/08 u.a., Vatsouras - Slg. 2009, I-4585 Rn. 45) und ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II eine solche Leistung bilden. Der in beiden Bestimmungen der Richtlinie enthaltene Begriff der Sozialhilfe muss nicht zwingend deckungsgleich sein (a.A. offenbar Breidenbach, ZAR 2011, 233 <236>). Denn die aufenthaltsrechtliche Fragestellung, ob ein Unionsbürger über ausreichend eigene Existenzmittel verfügt und keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen muss (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG), ist nach Sinn und Zweck der Regelung sowie ihrer systematischen Einordnung von der sozialrechtlichen Fragestellung zu unterscheiden, in welchem Umfange ein Aufnahmemitgliedstaat nach dem Gebot der Gleichbehandlung von Unionsbürgern mit Angehörigen des Mitgliedstaats (Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG) oder nach sonstigem Primär- (Art. 18 Abs. 1, Art. 21, 45 Abs. 2 AEUV) oder Sekundärrecht (vgl. z.B. der Verordnung
Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) gehindert ist, Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten von dem Bezug bestimmter steuerfinanzierter Sozialleistungen auszuschließen.
(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
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Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010.
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Die 1988 geborene Klägerin bulgarischer Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem bulgarischen Reisepass über den Grenzübergang Gradina (Bulgarien) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik ein. Einwohnermelderechtlich wurde sie erstmals am 8.4.2010 "aus Bulgarien kommend" in Stuttgart erfasst. In der Zeit vor dem 8.4.2010 verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am 6.7.2010 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser als griechischer Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des Jugendamts vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am 21.7.2010 bei der BA beantragte Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.
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Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab (Bescheid vom 28.7.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in Deutschland zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 SGB II, wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen bestehe und daher zumindest eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.
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Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in Deutschland nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 SGB II sowie - im Fall der Klägerin - die Mehrbedarfsleistungen für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der VO (EG) Nr 883/2004 gegenüber der FreizügRL begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gegen die Regelungen des EFA sei nicht ersichtlich, weil Bulgarien nicht Signatarstaat sei.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der Unionsgesetzgeber eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der Zeit der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der sozialen Koordinierung seien durch die Unionsbürger-Richtlinie nicht ausgeschlossen, weil der EuGH soziale Ansprüche aus dem Freizügigkeitsregime und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger bei Leistungen nach dem SGB II schlechter als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Unrecht verneint.
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1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010 beschränkt.
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2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen.
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Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB II und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.
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3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. IS von § 8 Abs 1 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte(§ 8 Abs 2 SGB II) .
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Nach den Feststellungen des LSG standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 SGB II einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für EU-Bürger der zum 1.1.2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union vom 25.4.2005
) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU als Art 2 des ZuwanderungsG vom 30.7.2004; vgl § 1 Abs 2 Nr 1 AufenthG) grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU (§ 284 Abs 1 S 2 SGB III idF des Gesetzes vom 7.12.2006, BGBl I 2814).
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Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen Zeitraum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das SG eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine konkret-rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die BA erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber(§ 39 Abs 2 AufenthG) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Rumänen und Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("Gemeinschaftsprivileg" HK-AuslR/Clodius, 1. Aufl 2008, Anhang zum FreizügG/§ 284 SGB III RdNr 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 (BGBl I 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 SGB II. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist(BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 S 52).
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Einen solchen - gegenüber deutschen Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/EU nach § 284 Abs 3 SGB III iVm § 39 Abs 2 Nr 1 AufenthG, etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft(vgl hierzu auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 RdNr 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen EU-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer Zeit in Deutschland wohnen, sind nicht als "Neueinreisende" iS von § 284 Abs 4 SGB III (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten(Dienelt aaO).
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4. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II.
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Nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 S 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 S 5 zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j VO (EG) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 VO (EG) Nr 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" Frings, Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der VO (EG) Nr 883/2004 in ZAR, 2012, 317 ff, 322).
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Jedenfalls für den Bereich des SGB II läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 21 S 45 ff; ähnlich BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 SGB V: BSGE 80, 209 ff, 211 f = BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 12 S 52 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 26, 50 ff)und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BEEG; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: BVerfGE 111, 176 ff = SozR 4-7833 § 1 Nr 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG fehlt im SGB II. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".
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Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltungen (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17) -offenbar (Feststellungen des LSG hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 FreizügG/EU; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügigkeitsG/EU und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013
). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden(Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 RdNr 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 AEUV nicht erfüllt (Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG RdNr 4 mwN).
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Auch § 13 FreizügG/EU steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des Vertrags vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die BA gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 FreizügG/EU schränkt der Umstand, dass die Beitrittsverträge nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden Zeitraums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein(OVG Hamburg Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4; HK-AuslR/Geyer, 1. Aufl 2008, § 13 FreizügG RdNr 2).
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5. Der Anspruch auf SGB II-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen Bulgariens Ende Juli 2009 nach Deutschland eingereist ist und sich seitdem im Bundesgebiet aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.
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6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.
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b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.
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Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der "Option" des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte(BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "sozialen Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff) .
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Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).
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c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.
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Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.
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Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum "ab dem 6.7.2010 in Deutschland allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen Zeitraum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU; EuGH Urteil vom 4.6.2009 - C-22/08, C-23/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 32; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen Zeitraums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das LSG nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein arbeitsuchender EU-Bürger solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89; so auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 FreizügG/EU RdNr 56).
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Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). Ein solches bereits vor SGB II-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet liegt hier vor.
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d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen Zeitraum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II berufen.
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§ 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - AufenthG weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das FreizügG/EU. Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 RdNr 28).
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Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 AufenthG kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im AufenthG genannte Aufenthaltszwecke(§ 7 Abs 1 S 2 AufenthG) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 AufenthG noch aus dem europäischem Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt(vgl BVerwG Urteil vom 27.2.1996 - 1 C 41/93 - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufentG RdNr 20).
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Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 AufenthG und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(MRK) berufen (vgl auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG RdNr 20).
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Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 Nr 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.2 M 70.11 - RdNr 3 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - InfAuslR 2010, 27 ff: vgl auch VG Dresden Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - RdNr 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein (OVG Hamburg Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - InfAuslR 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff; BVerfG NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; BVerfGE 80, 81 ff).
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Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf formal-rechtliche familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff, RdNr 18 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die Zeit vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 12.12.2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31.03.2014, Leistungen nach dem SGB II – mit Ausnahme von Bedarfen für Unterkunft und Heizung – zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Dem Antragsteller wird für diesen Rechtszug für die Zeit ab dem 12.12.2013 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt XXX aus Dortmund beigeordnet.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (nachfolgend: SGB II).
4Der am 23.12.1961 geborene Antragsteller ist marokkanischer Staatsangehöriger.
5Am 15.10.2013 stellte er bei dem Antragsgegner erstmals einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.
6Er gab ausweislich des bei Antragstellung gefertigten Vermerks am 15.10.2013 nebst "Lebenslauf" vom gleichen Tag mündlich und in den am 08.11.2013 abgegebenen Antragsformulare schriftlich u. a. an, dass er am 24.07.2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei, vom 10.12.2012 bis zum 06.03.2013 in einer Nebenbeschäftigung als Gerüstbauer für die XXX gearbeitet habe und seitdem bzw. nun arbeitslos sei, ohne einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erworben zu haben. Er sei vollkommen einkommens- und vermögenslos. Seit dem 19.05.2006 sei er mit Frau XXX einer spanischen Staatsangehörigen, verheiratet. Er und seine Ehefrau seien die Eltern einer siebenjährigen Tochter. Seine Ehefrau und die Tochter halten sich nicht mit ihm in Deutschland auf, da seine Schwiegermutter krank sei und gepflegt werden müsse. Sein Lebensunterhalt werde durch geliehenes Geld sichergestellt und sein Wohnbedarf dadurch, dass er derzeit mietfrei bei seiner – selbst Leistungen nach dem SGB II beziehenden – Schwester wohne.
7Er legte anlässlich der Antragstellung bzw. der Abgabe der Formulare u. a. folgende Unterlagen vor: Einen marokkanischen Pass, eine Ummeldebestätigung der Stadt Dortmund, seinen von der Deutschen Rentenversicherung Westfalen am 04.09.2012 ausgestellten Sozialversicherungsausweis, eine Verhandlungsniederschrift der Stadt Dortmund – Ordnungsamt – vom 08.07.2013 über eine Vorsprache des Antragstellers und seiner Ehefrau bei der Ausländerbehörde vom gleichen Tag, eine spanische Daueraufenthaltskarte und seine am 23.07.2013 von der Stadt Dortmund ausgestellte und bis zum 22.07.2014 gültige Aufenthaltskarte nach § 5 FreizügG/EU.
8Aus der Verhandlungsniederschrift der Stadt Dortmund – Ordnungsamt – vom 08.07.2013 ergibt sich, dass der "Die/der Og." erklärt: "Ich bin im August zusammen mit meiner Tochter nach Spanien gereist, da meine Mutter schwer erkrankt ist. Unsere Tochter geht in Spanien zur Schule. Ich bin seit dem 04.07.2013 wieder hier in Deutschland für drei Wochen. Dann geht es wieder nach Spanien da ich meine Mutter pflegen muss. Ich kann nur nach Deutschland kommen wenn einer auf meine Mutter aufpassen kann, ich kann sie leider nicht allein lassen. Ich will irgendwann komplett in Deutschland bleiben aber leider kann ich noch nicht sagen wann."
9Mit Bescheid vom 08.11.2013 wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung verwies der Antragsgegner auf den Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
10Gegen diesen Verwaltungsakt erhob der Antragsteller am 28.11.2013 durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2013 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung verwies er wiederum auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Es liege ein Aufenthalt allein zur Arbeitssuche vor.
11Gegen den Bescheid vom 08.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2013 richtet sich die am 12.12.2013 erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage des Antragstellers, die bei der Kammer unter dem Az. S 32 AS 5736/13 anhängig ist.
12Ebenfalls am 12.12.2013 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
13Er trägt u. a. – wie schon im Widerspruchsverfahren – vor, dass er zwar marokkanischer Staatsangehöriger sei, aufgrund seiner Eheschließung mit einer spanischen Staatsangehörigen aber einem Unionsbürger gleich gestellt sei. Er lebe nicht von seiner Ehefrau getrennt. Diese halte sich nur zur Pflege ihrer schwer erkrankten Mutter noch in Melilla, Spanien, auf. Die Familie wolle zukünftig gemeinsam in Dortmund wohnen. Er habe ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in der EU. Bei dieser Sachlage seien ihm Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Er leide derzeit Not und könne nicht zum Arzt gehen. Er werde zurzeit von seiner Familie mit Naturalien unterstützt. Der Antragsteller hat als Anlagen zur Antragsschrift und seinen ergänzenden Schriftsätzen in Ergänzung zu den bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen u. a. folgende Dokumente eingereicht: Die Heiratsurkunde mit deutscher Übersetzung, eine Bitte um Vorsprache der Stadt Dortmund – Ordnungsamt / Bürgerdienste International – vom 17.01.2013 zwecks Klärung der aufenthaltsrechtlichen Verhältnisse, zwei Bescheinigungen gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU der Stadt Dortmund – Ordnungsamt / Bürgerdienste International – vom 13.08.2012 und vom 07.05.2013, eine eidesstattliche Versicherung vom 11.12.2013, eine nicht datierte ergänzende persönliche Erklärung und Kontoauszüge.
14Der Antragsteller beantragt,
151. ihm für das Verfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen und zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte seinen Bevollmächtigten beizuordnen, 2. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab sofort Leistungen nach SGB II zu bewilligen und 3. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
16Der Antragsgegner beantragt,
17den Antrag abzulehnen.
18Er verweist zunächst auf die Ausführungen in seinem Widerspruchsbescheid. Des Weiteren führt er u. a. aus, dass zweifelhaft sei, ob das FreizügG/EU überhaupt zur Anwendung gelangen könne, da sich die Ehefrau des Antragstellers als diejenige Person, von der als drittstaatsangehöriger Familienangehöriger seine Freizügigkeitsberechtigung ableiten wolle, in Spanien befinde und daher nicht von ihrer eigenen Freizügigkeitsberechtigung Gebrauch mache. Aber auch bei Anwendbarkeit des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) liege ein Aufenthalt allein zur Arbeitssuche i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vor (§§ 18-21 AufenthG).
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten S 32 AS 5677/13 ER und S 32 AS 5736/13 und der Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen. Diese lagen vor und waren Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung.
20II.
21Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
22Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund).
23Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, 927 = juris (Rn. 23); BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 – BVerfGE 93, 1 = juris (Rn. 28)). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 a. a. O.).
24Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – juris (Rn. 5) m. w. N.), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2013 – L 5 AS 107/13 B ER – juris (Rn. 32) m. w. N.).
25Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O. (Rn. 25)). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O. (Rn. 26); Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn. 29, 29a).
26Nach diesen Maßstäben musste der Antrag im tenorierten Umfang Erfolg haben.
27Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht worden.
28Der Antragsteller gehört zunächst zu dem Personenkreis, für den die im SGB II aufgeführten Leistungen vorgesehen sind, denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II).
29Er ist ferner erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 SGB II. An der gesundheitlichen Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB II bestehen keine Zweifel. Auch die rechtliche Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 2 SGB II, die nur vorliegt, wenn eine Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, ist gegeben. Da der Antragsteller als drittstaatsangehöriger Familienangehöriger – jedenfalls derzeit – in den persönlichen Anwendungsbereich des FreizügG/EU fällt (§ 2 Abs. 1 und 2 Nr. 6 i. V. m. §§ 3, 4 FreizügG/EU i. V. m. § 11 Abs. 2 FreizügG/EU, dazu sogleich näher), ergibt sich das daraus, dass er aufgrund dieser Stellung den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt besitzt wie der Unionsbürger, von dem er seine Freizügigkeitsberechtigung ableitet, hier also wie seine spanische Ehefrau. Denn den Familienangehörigen der Unionsbürger wird das sich aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bzw. aus den dieser Norm zugrunde liegenden europäischen Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit ergebende Recht auf Einreise und Aufenthalt mit allen damit zusammenhängenden Rechtsvorteilen, hier konkret das Recht aus der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV), den Arbeitsplatz frei von nationalen Behinderungen zu suchen (freier Arbeitsmarktzugang), unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gewährt; ihre Rechtsstellung ist akzessorisch zu der des Stammberechtigten (vgl. Tewocht in: BeckOK FreizügG/EU § 2 Rn. 16 und § 3 Rn. 5). Spanische Staatsangehörige müssen wiederum wie alle anderen Unionsbürger mit Ausnahme von (heute nur noch) den Staatsangehörigen Kroatiens keine Arbeitsgenehmigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr einholen, bevor sie einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen (vgl. §§ 13 FreizügG/EU, 284 SGB III, 39 Abs. 2-4 und Abs. 6 AufenthG). Dem Antragsteller ist die Aufnahme einer Beschäftigung daher ohne weiteres erlaubt. Rechtliche Erwerbsfähigkeit läge aber auch dann vor, wenn er nicht in den Anwendungsbereich des FreizügG/EU sondern in den des AufenthG fiele, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen einer Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung nach §§ 18 Abs. 2, 39 AufenthG. Denn für die Annahme, dass eine Beschäftigung i. S. d. § 8 Abs. 2 SGB II "erlaubt ist oder erlaubt werden könnte", reicht es aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung der Bundesagentur zur Beschäftigungsaufnahme erlaubt sein könnte, auch wenn dies im Einzelfall bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber (§ 39 Abs. 2 AufenthG) verhindert wird. Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich ausdrücklich aus § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II, wonach die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 15 f.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35)). Daran, dass hier eine solche abstrakte Möglichkeit besteht, hat die Kammer keine Zweifel.
30Der Antragsteller hat auch i. S. v. § 294 ZPO im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit hinreichend glaubhaft gemacht, dass er nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in Bezug auf den Regelbedarf nach § 20 SGB II – Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II sind bei verständiger Auslegung des Eilantrags schon wegen der unstreitig mietfreien Unterkunft des Antragstellers nicht Streitgegenstand (dazu später näher) – als hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. §§ 9 ff. SGB II einzustufen ist. Zwar weisen seine Kontoauszüge bis auf Abbuchungen des Kontoführungsentgelts keine Buchungsvorgänge auf, was es als denkbar erscheinen lässt, dass der Regelbedarf des Antragstellers ganz oder teilweise durch den Zufluss von Bargeld gedeckt ist. Er hat jedoch eidesstattlich versichert, dass er derzeit über keinerlei Einkommen oder Vermögen verfügt und nur durch Hilfeleistungen von Verwandten – gemeint ist hier erkennbar jedenfalls seine Schwester, bei der auch mietfrei wohnt – unterstützt wird. Soweit danach Barzahlungen zunächst nicht ausgeschlossen erscheinen, versteht die Kammer diesen Vortrag dahingehend, dass die Schwester dem Antragsteller als Hilfebedürftigem nur zur Überbrückung der akuten Notlage durch Zur-Verfügung-Stellung von entsprechenden Barmitteln helfen will. In einer solchen Situation sollten diese Einnahmen nicht als Einkommen auf den Bedarf angerechnet werden (vgl. Sonnhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 9 Rn. 38 m. w. N.). Es ist aber auch nicht davon auszugehen, dass diese Unterstützungsleistungen, soweit sie nach § 9 Abs. 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen sein sollten, vollständig bedarfsdeckend sind. Es wird sich schon deshalb nicht um nennenswerte Beträge handeln, weil die Schwester selbst Leistungen nach dem SGB II bezieht. Aus diesem Grund kommt auch die Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II von vornherein nicht zur Anwendung. Soweit es sich bei der Unterstützung durch die Schwester und ggf. andere Verwandte nur um Leistungen in Form von "Naturalien" handelt, wie der Antragsteller an anderer Stelle vorgetragen hat, sind diese ohnehin leistungsrechtlich irrelevant bzw. nicht als Einkommen anzurechnen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 11 Alg II-V). Verbleibenden Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit bzw. Fragen nach ihrem Ausmaß wird ggf. im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein.
31Der Antragsteller hat nach Auffassung der Kammer auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass er in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil –), denn der örtliche Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse ist faktisch dauerhaft – nämlich nicht auf Beendigung angelegt, sondern zukunftsoffen – im Inland (vgl. insoweit z. B. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 18); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35)). Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, ergibt sich hier in zeitlicher Hinsicht aus seinem unstreitig schon seit dem 24.07.2012 und damit seit immerhin eineinhalb Jahren währenden Aufenthalt in Deutschland und auch aus der Anwesenheit von Familienmitgliedern, jedenfalls der Schwester, bei der momentan wohnt, und aus der Absicht, seine Ehefrau und Tochter nach Deutschland zu holen, sobald die Pflege der Mutter anderweitig sichergestellt ist.
32Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu Lasten des Antragstellers eingreift, ist nach der Überzeugung der Kammer zu verneinen.
33Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihrer Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU) ergibt. Diese Vorschrift ist als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 26 ff.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 57 ff.)).
34Das Vorliegen eines solchen Sachverhalts lässt sich hier nicht positiv feststellen. Es ist entgegen der Begründung des Ablehnungsbescheides und des Widerspruchsbescheides nicht davon auszugehen, dass sich ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers (allein) aus dem Zweck der Arbeitssuche i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU ergibt. Und entgegen der Antragserwiderung ergibt sich auch aus Normen des AufenthG kein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitssuche i. S. d. Leistungsausschlusses.
35Entgegen der Auffassung des Antragsgegners wäre § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht anwendbar, wenn der aufenthaltsrechtliche Status des Antragstellers sich nach dem AufenthG richten würde.
36Selbst wenn der Antragsteller einen Aufenthaltstitel nach §§ 4, 7 AufenthG i. V. m. §§ 18 ff. AufenthG hätte oder bräuchte und mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (§ 39 AufenthG) erhalten könnte, wäre dies kein Aufenthaltsrecht zum Zweck der "Arbeitssuche". Ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche kennt das AufenthG – mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 16 Abs. 4 AufenthG, über den Ausländern nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsuche gewährt werden kann – nicht. Anders als Unionsbürgern steht Drittstaatenangehörigen, für die das AufenthG gilt, daher grundsätzlich kein Aufenthaltsrecht in Deutschland zum Zweck der Arbeitsuche zu (vgl. Hackethal in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 7 Rn. 41; vgl. ferner Schreiber, info also 2008, 3 ff.).
37Das VG München hat in einer Entscheidung insofern folgendes ausgeführt (Urteil vom 24.03.2011 – M 24 K 11.658 – juris (Rn. 31-35)):
38"Eine von einem bestimmten Beschäftigungsverhältnis unabhängige Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit kommt ( ) nicht in Betracht, da es hierfür keine einschlägige Rechtsgrundlage gibt. 2.1 Nach § 4 Abs. 1 AufenthG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht u.a. durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anders bestimmt ist. Eine derartige Ausnahme liegt hier - wie im Folgenden ausgeführt wird - jedoch nicht vor. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt, wobei sich dies nach dem Aufenthaltsgesetz bestimmt. In Betracht kommt im vorliegenden Fall eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 i. V. m. § 18 AufenthG, da der Kläger einer Beschäftigung nachgehen möchte. Einschlägig ist insoweit die Bestimmung des § 18 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur nach § 39 AufenthG zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur zulässig ist. Für Beschäftigungen, die - wie die vom Kläger bisher ins Auge gefassten - keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen, gilt nach § 18 Abs. 3 AufenthG, dass eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden darf, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 3 Alternative 2 AufenthG zum Zwecke der Beschäftigung würde dabei in jedem Fall nach § 32 Abs. 1 i. V. m. § 34 BeschV die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG voraussetzen. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG kann die Bundesagentur der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zustimmen, wenn sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und Wirtschaftszweige, nicht ergeben und für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen beschäftigungsrechtlich gleichgestellt sind oder die nach europarechtlichen Bestimmungen vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen. Wie sich aus den genannten Vorschriften ergibt, setzen diese in jedem Fall voraus, dass ein konkretes Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Erlaubnis ist, denn andernfalls kann weder beurteilt werden, ob im Hinblick auf die angestrebte Tätigkeit die Zustimmung der Arbeitsagentur erforderlich ist und ob diese gegebenenfalls erteilt werden kann. Eine abstrakte, d.h. von der Beschäftigung losgelöste Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung kann daher nach den angeführten Vorschriften nicht erteilt werden."
39Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an.
40Die Vorschriften des AufenthG sind hier jedoch ohnehin nicht anwendbar, da der Antragsteller in den Anwendungsbereich des FreizügG/EU fällt. Da – soweit ersichtlich – weder das Verfahren gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 i. V. m. Satz 3 FreizügG/EU noch das das Verfahren gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU (Feststellung des Nichtbestehens bzw. Verlusts des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU und bei Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, Einziehung der Aufenthaltskarte) durchgeführt worden ist (dazu später näher) und der Antragsteller mithin noch über seine am 23.07.2013 ausgestellte und bis zum 22.07.2014 geltende Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU (in der seit dem 29.01.2013 geltenden Fassung vom 21.01.2013) verfügt, steht 11 Abs. 2 FreizügG/EU einer Anwendung des AufenthG entgegen.
41Zwar ist der Antragsteller nach Meinung der Kammer entweder noch nie materiell freizügigkeitsberechtigt gewesen oder zumindest mittlerweile nicht (mehr) materiell freizügigkeitsberechtigt und steht auch die Existenz der Aufenthaltskarte dieser Bewertung auch nicht entgegen. Jedoch findet § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in dieser Konstellation keine, auch keine analoge Anwendung:
42Der Antragsteller besitzt kein originäres Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1-5 oder Nr. 7 FreizügG/EU oder § 11 Abs. 1 Satz 5 FreizügG/EU (i. V. m. etwaigen im Vergleich zum FreizügG/EU günstigeren Vorschriften des AufenthG), insbesondere kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU), da er nicht Un ionsbürger sondern marokkanischer Staatsangehöriger ist.
43Das Gericht nimmt zugunsten des Antragstellers an, dass ihm in der Vergangenheit nach Ablauf der ersten drei Monate eines "voraussetzungslosen" Aufenthalts (vgl. insoweit § 2 Abs. 5 FreizügG/EU) deshalb ein abgeleitetes materielles Aufenthaltsrecht, also eine abgeleitete Freizügigkeitsberechtigung, als Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 3 oder § 4 FreizügG/EU zugestanden haben mag, weil möglicherweise seine Ehefrau als Unionsbürgerin für eine gewisse Zeitspanne in Deutschland lebte und insofern ein materielles Aufenthaltsrecht (Freizügigkeitsberechtigung) nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 2, 3, 4 oder 5 (nicht: Nr. 7) FreizügG/EU besaß.
44Ferner nimmt das Gericht zugunsten des Antragstellers an, dass er seine Ehefrau (und vermutlich die gemeinsame Tochter) zunächst entweder begleitete oder ihr nachzog, also in Deutschland zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit ihr zusammen lebte (vgl. zu den Begriffen "begleiten" und "Nachziehen" Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 3 FreizügG/EU Rn. 9; EuGH, Urteil vom 25.07.2008 – C-127/08 "Metock" – juris).
45Für diese Annahme besteht deshalb Veranlassung, weil der Antragsteller am 24.07.2012 eingereist sein will und sich aus der Verhandlungsniederschrift des Ordnungsamtes der Stadt Dortmund vom 08.07.2013 ergibt, dass der "Die/der Og." – womit wegen der erwähnten eigenen Pflege der Mutter nur die Ehefrau des Antragstellers und nicht er selbst gemeint sein kann – "im August" wegen einer schwer Erkrankung der Mutter zusammen mit der Tochter nach Spanien gereist sei und die Tochter nun in Spanien zur Schule gehe. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die Ehefrau des Antragstellers entweder schon vor ihm oder spätestens mit ihm am 24.07.2012 nach Deutschland einreiste und irgendwann im August – womit nur der August 2012 gemeint sein kann – mit der Tochter wieder ausreiste und nach Spanien zurückkehrte, um die Mutter zu pflegen.
46Das Gericht geht davon aus, dass diese nicht nur kurzzeitig sondern nun schon für einen längeren Zeitraum bzw. auf unbestimmte Zeit zur Pflege der kranken Mutter vorgenommene (und allenfalls durch kurze Besuche wie den ausweislich des Datums der Verhandlungsniederschrift offenbar im Juli 2013 stattgefundenen dreiwöchigen Besuch unterbrochene) zusammen mit der Tochter vorgenommene Rückkehr der Ehefrau des Antragstellers nach Melilla als Wegzug zu werten ist und hierdurch eine etwaige ursprüngliche materielle Freizügigkeitsberechtigung der Ehefrau wieder entfallen ist.
47Dadurch ist wiederum materiell auch das abgeleitete, insoweit akzessorische Aufenthaltsrecht des Antragstellers entfallen. Von einem "Begleiten" oder "Nachziehen" i. S. v. § 3 FreizügG/EU kann nach einem solchen Wegzug keine Rede mehr sein. Das einem Drittstaatsangehörigen zustehende Recht, bei einem Unionsbürger, dessen Familienangehöriger er ist und der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, Wohnung zu nehmen, kann auch nur im Aufnahmemitgliedstaat in Anspruch genommen werden, in dem dieser Bürger wohnt (vgl. Tewocht in: BeckOK FreizügG/EU § 3 Rn. 6; EuGH, Urteil vom 08.11.2012 – C-40/11 "Iida" – juris). Da die Ehefrau des Antragstellers derzeit nicht in Deutschland wohnt, kann der Antragsteller sich hier nicht auf ein akzessorisches Aufenthaltsrecht berufen. Dies ist zwar im FreizügG/EU nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber bereits aus der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (nachfolgend: Unionsbürger-Richtlinie bzw. Richtlinie 2004/38/EG). Konkret ergibt es sich aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. Tewocht a. a. O.) und aus Sicht der Kammer nicht zuletzt daraus, dass Abs. 1 von Artikel 12 der Richtlinie 2004/38/EG ("Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Tod oder Wegzug des Unionsbürgers") –
48"Unbeschadet von Unterabsatz 2 berührt der Tod des Unionsbürgers oder sein Wegzug aus dem Aufnahmemitgliedstaat nicht das Aufenthaltsrecht seiner Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen."
49– vorsieht, dass der Wegzug des Unionsbürgers (nur) für das Aufenthaltsrecht solcher Familienangehörigen unerheblich ist, die selbst die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates besitzen. Der einzige die Wegzugskonstellation betreffende Ausnahmefall von dem beschriebenen Akzessorietätsgrundsatz (vgl. auch Tewocht a. a. O. Rn. 19) ist in § 3 Abs. 4 FreizügG/EU geregelt und beruht auf Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift –
50"Die Kinder eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers und der Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich ausübt, behalten auch nach dem Tod oder Wegzug des Unionsbürgers, von dem sie ihr Aufenthaltsrecht ableiten, bis zum Abschluss einer Ausbildung ihr Aufenthaltsrecht, wenn sich die Kinder im Bundesgebiet aufhalten und eine Ausbildungseinrichtung besuchen."
51– liegen hier aber nicht vor, da sich die Tochter des Antragstellers nicht in Deutschland sondern bei der Mutter in Melilla aufhält.
52Die Kammer geht sodann nicht davon aus, dass die Ausstellung bzw. der Besitz einer Aufenthaltskarte einer von einer fehlenden bzw. wieder entfallenen Freizügigkeitsberechtigung eines Familienangehörigen ausgehenden Bewertung durch Behörden oder Gerichte – hier durch die erkennende Kammer – entgegensteht.
53Im vorliegenden Fall ist zwar – soweit ersichtlich – bislang weder das eine noch das andere der beiden hier potentiell anwendbaren, auf Feststellung des Fehlens oder Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung gerichteten Feststellungsverfahren durchgeführt worden. Es ist offenbar nicht gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt und die Aufenthaltskarte eingezogen worden, was immer dann möglich ist, wenn "die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen" sind, was hier durch den Wegzug Ehefrau als originär freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin der Fall sein dürfte. Dabei könnte das Stellen eines Antrags auf SGB II-Leistungen im Übrigen Veranlassung für eine Prüfung der Freizügigkeitsvoraussetzungen gem. § 5 Abs. 3 FreizügG/EU bieten (vgl. Dienelt a. a. O. § 5 FreizügG/EU Rn. 50). Auch ist offenbar bislang nicht nach der im Verhältnis zu § 5 Abs. 4 FreizügG/EU vorrangigen Spezialregelung des § 2 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 i. V. m. Satz 3 FreizügG/EU –
54"Das Nichtbestehen des Rechts nach Absatz 1 kann festgestellt werden, wenn feststeht, dass die betreffende Person das Vorliegen einer Voraussetzung für dieses Recht durch die Verwendung von gefälschten oder verfälschten Dokumenten oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht hat. Das Nichtbestehen des Rechts nach Absatz 1 kann bei einem Familienangehörigen, der nicht Unionsbürger ist, außerdem festgestellt werden, wenn feststeht, dass er dem Unionsbürger nicht zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nachzieht oder ihn nicht zu diesem Zweck begleitet."
55– das Nichtbestehen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt und die Aufenthaltskarte eingezogen worden, wobei bei summarischer Betrachtung durchaus denkbar ist, dass der hier – möglicherweise – vorliegende Sachverhalt einer von Beginn an bestehenden Planung, dass nur der Familienangehörige und nicht auch der Unionsbürger längerfristig in Deutschland bleiben soll – unter § 2 Abs. 7 Satz 2 FreizügG/EU zu fassen sein könnte.
56Die Kammer sieht sich dennoch nicht daran gehindert, einen Fortfall der materiellen Freizügigkeitsberechtigung anzunehmen.
57Einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU n. F., die für Familienmitglieder von Unionsbürgern erteilt wird, die selbst – wie hier der Antragsteller – keine Unionsbürger sind, und deren Ausstellung nach § 5 Abs. 2 FreizügG/EU n. F. nicht einmal notwendigerweise eine Prüfung der Freizügigkeitsvoraussetzungen erfordert, kommt aus Sicht der Kammer genau so wenig eine Tatbestandswirkung, etwa für den Bereich des SGB II, zu, wie es bei einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU in der bis zum 28.01.2013 geltenden Fassung vom 19.08.2007 der Fall war. Es handelt sich nach Auffassung der Kammer bei einer Aufenthaltskarte, die, wie hier, unter der Geltung von § 5 FreizügG/EU n. F. ausgestellt worden ist, nicht um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X, dem eine solche Tatbestandswirkung zukommen könnte. Die Aufenthaltskarte weist nämlich ein durch § 2 Abs. 1 FreizügG/EU gesetzlich begründetes Aufenthaltsrecht nur nach, sie begründet es nicht. Das ergibt sich unmittelbar aus dem gesetzlichen Wortlaut, wonach die Aufenthaltskarte nicht erteilt, sondern ausgestellt wird (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 25.09.2013 – 4 V 715/13 – juris) und aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG, in dem der Aufenthaltskarte explizit die Funktion eines "Nachweises" zugeschrieben wird. Schon dies spricht gegen eine Regelung, jedenfalls gegen eine Regelung mit rechtsgestaltendem Charakter. Eine nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU n. F. ausgestellte Aufenthaltskarte besitzt aber nach Meinung der Kammer auch nicht das Wesen einer feststellenden Regelung, denn in den Neufassungen von §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU wurde auf das vorher normierte Erfordernis verzichtet, dass Aufenthaltskarten widerrufen werden müssen; nunmehr müssen sie nur noch eingezogen werden. Folgerichtig wurde auch in § 7 Abs. 1 FreizügG/EU der Satz 2 gestrichen, der die Ausreisepflicht von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern von dem Widerruf oder der Rücknahme der Aufenthaltskarte abhängig machte. Der Bescheinigungscharakter der neuen Aufenthaltskarte kommt auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck, in der der Gesetzgeber ausdrücklich klarstellt, dass ein Widerruf nicht mehr erforderlich ist (vgl. Dienelt a. a. O. § 5 FreizügG/EU Rn. 31; gegen eine Einordnung der Aufenthaltskarte als Verwaltungsakt tendenziell auch Kurzidem in: BeckOK FreizügG/EU § 5 Rn. 5).
58Aus dem Besitz der hier nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU n. F. ausgestellten Aufenthaltskarte als solchem dürfte sich daher nicht einmal eine Vermutung einer Freizügigkeitsberechtigung ergeben (so auch Dienelt a. a. O. Rn. 29-31, der nur für nach § 5 Abs. 2 FreizügG/EU a. F. ausgestellte Aufenthaltskarten eine Vermutung bejaht).
59Bei dem Antragsteller handelt es sich daher um eine Person ohne materielles Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU (vgl. zu dieser Personengruppe z. B. LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 37 ff., insbes. Rn. 57 ff.) m. w. N.; VG Dresden, Beschluss vom 01.08.2013 – 3 L 300/13 – juris).
60Auf diese Personengruppe ist der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach der – aus Sicht der Kammer überzeugenden – Auffassung des 19. Senats des LSG NRW nicht, auch nicht im Wege eines "Erst-recht-Schlusses", anwendbar, weil der Aufenthaltszweck der Arbeitssuche keinen Auffangtatbestand darstellt, der zur Anwendung gelangt, wenn ein anderer Zweck nicht feststellbar ist (vgl. LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 a. a. O.; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 22)).
61Sonstige Leistungsausschlüsse sind ebenfalls nicht ersichtlich. Dem Antragsteller steht damit ein Leistungsanspruch nach dem SGB II dem Grunde nach zu.
62An diesem Ergebnis ändert sich nach Auffassung der Kammer auch dann nichts, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass durch die Aufenthaltskarte – etwa, weil man sie trotz der Änderungen im FreizügG/EU als feststellenden Verwaltungsakt einstuft – bindend feststeht, dass der Antragsteller freizügigkeitsberechtigt ist.
63Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass der Antragsteller sich faktisch zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhält. Damit ist er selbst aber noch keiner der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 SGB II in Bezug genommenen Ausländer, "deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt". Denn es kommt nicht auf den faktischen Aufenthaltszweck sondern auf ein entsprechendes Aufenthaltsrecht an. Sein eigenes Aufenthaltsrecht ergibt bzw. ergab sich gerade nicht aus dem Zweck der Arbeitssuche (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU), der nur Unionsbürgern offen steht, sondern – wie bereits dargelegt worden ist – aus § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 3 oder § 4 FreizügG/EU.
64Der Antragsteller kann deshalb nur dann in den Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses fallen, wenn er i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB II ein Familienangehöriger eines Ausländers ist, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Das ist indessen nicht der Fall.
65Der Antragsteller ist zwar zweifellos Familienangehöriger eines Unionsbürgers, dessen Aufenthaltsrecht sich aus der Arbeitssuche ergeben könnte (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU). Es handelt sich dabei um seine Ehefrau. Der Begriff in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB II stellt dabei erkennbar auf die Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 2 FreizügG/EU ab und als Ehegatte fällt der Antragsteller unter § 3 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU.
66Im Übrigen kommt es jedoch auf den Aufenthaltszweck bzw. die Art der Freizügigkeitsberechtigung der Ehefrau als derjenigen Unionsbürgerin an, von der er als Familienangehöriger sein Aufenthaltsrecht ableiten kann.
67Die Existenz der Aufenthaltskarte ist – nach der der vorliegenden Hilfserwägung zugrunde liegenden Prämisse – insofern bindend, als sie dem Antragsteller bis zum Abschluss eines Verfahrens nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU eine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt. Sie sagt aber nichts über die Art der bei Ausstellung der Aufenthaltskarte vorhandenen (oder zumindest von der Ausstellungsbehörde angenommenen) Freizügigkeitsberechtigung des Unionsbürgers aus, von dem der Familienangehörige sein Aufenthaltsrecht ableitet. Aus der Aufenthaltskarte des Antragstellers folgt also nicht, dass sich seine Ehefrau damals ausgerechnet allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhielt bzw. aufhalten wollte (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU). Zwar könnte man den damals angegebenen und von der Ausstellungsbehörde angenommenen Zweck wohl anhand der Ausländerakte des Antragstellers ermitteln. Jedoch kommt es darauf nicht entscheidend an. Es kommt nach Meinung der Kammer für die Prüfung der Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vielmehr entscheidend darauf an, ob die Ehefrau sich gerade zum Zeitpunkt des beabsichtigten Leistungsbezuges allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhält. Hierüber sagen weder die Existenz der Aufenthaltskarte noch die Ausländerakten etwas aus.
68Daher ist durch die Kammer eigenständig zu prüfen, ob sich ein Aufenthaltsrecht der Ehefrau des Antragstellers bei Antragstellung nach dem SGB II bzw. aktuell allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Dies ist zu verneinen, denn die Antragstellerin hält sich derzeit unstreitig überhaupt nicht in Deutschland auf.
69Der Antragsteller ist damit selbst bei Annahme einer Bindungswirkung der Aufenthaltskarte nicht Familienangehöriger einer Ausländerin, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Bei dieser Sachlage ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II seinem Wortlaut nach nicht anwendbar.
70Die Vorschrift kann auch in dieser Situation nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass der für Familienangehörige von EU-Bürgern, deren Aufenthaltsrecht allein auf Arbeitsuche beruht, vorgesehene Leistungsausschluss "erst recht" für Familienangehörige ohne materielles Aufenthaltsrecht (bzw. für Angehörige von EU-Bürgern ohne tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland) gilt. Insoweit hält die Kammer die bereits erwähnte Rechtsprechung des 19.Senats des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen für übertragbar, nach der § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass der EU-Bürger, deren Aufenthaltsrecht allein auf Arbeitsuche beruht, erfassende Leistungsausschluss "erst recht" für EU-Bürger ohne materielles Aufenthaltsrecht gilt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 57 ff.)).
71Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgehen würde, dass kein "grundloser Aufenthalt" sondern ein Aufenthalt allein zur Arbeitssuche vorliegt und damit der Anwendungsbereich der Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eigentlich eröffnet ist, wäre er vorliegend nicht anwendbar. Denn der Leistungsausschluss ist in zweierlei Hinsicht nicht europarechtskonform und daher wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts nicht anzuwenden.
72Der Leistungsausschluss verstößt zum einen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Zum anderen und unabhängig davon widerspricht er dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 der Unionsbürger-Richtlinie (oder: Freizügigkeits-Richtlinie) 2004/38/EG und ist auch nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie gedeckt, denn er ist von genereller, nur auf die Staatsangehörigkeit abstellender Natur, nimmt nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte Rücksicht und ermöglicht keine Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. insoweit – mit teilweise unterschiedlichen Begründungen bzw. dogmatischen Ansätzen – insbes.: Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (insbes. Rn. 25-38); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (bislang nur Pressemitteilung veröffentlicht); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67); Hessisches LSG, Beschluss vom 18.12.2012 – L 7 AS 624/12 B ER – juris; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 23 ff.); vgl. zum Ganzen ferner: Frings, ZAR 2012, 317).
73Zunächst verstößt der Leistungsausschluss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 (vgl. insoweit insbesondere Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 25-35); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67)). Der Antragsteller unterfällt als Familienangehöriger einer Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004). Auch der sachliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist für den Antragsteller eröffnet sein, denn für ihn galten aufgrund der glaubhaft gemachten früheren Tätigkeit für die GB Gerüstbau GmbH vom 10.12.2012 bis zum 06.03.2013 – bei der es sich im Zweifel um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handelte – mehrere der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Rechtsvorschriften. Insbesondere dürfte er in Deutschland gesetzlich krankenversichert gewesen sein. Dabei wird die Geltung von in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Rechtsvorschriften hinsichtlich seiner Person hier auch dadurch indiziert, dass der Antragsteller über einen am 04.09.2012 ausgestellten Sozialversicherungsausweis der Deutschen Rentenversicherung Westfalen verfügt. Der "Wohnort" i. S. v. Art. 1 lit. j und Art. 70 VO (EG) 883/2004 i. V. m. den Kriterien für die Feststellung des Wohnortes in Art. 11 VO (EG) 987/2009, der Durchführungsverordnung zu VO (EG) 883/2004, befindet sich – wie der "gewöhnliche Aufenthalt" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (s. o.) – nach Auffassung der Kammer in Deutschland. Zur Bestimmung des Wohnorts ist insbesondere auf Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im betreffenden Mitgliedstaat und die Situation der Person abzustellen. Für die Situation sind insbesondere die Qualität ihrer (un)selbstständigen Tätigkeit (Beschäftigungsort, Dauerhaftigkeit, Laufzeit des Vertrages), die familiären Verhältnisse und Bindungen, die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die Finanzierungsform eines etwaigen Studiums, die Wohnsituation (Dauerhaftigkeit) und der steuerliche Wohnsitz bedeutsam. Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 ist zudem in Zweifelsfällen der Wille der Person, insbesondere der Grund für einen Wohnortwechsel ausschlaggebend (vgl. Schreiber, NZS 2012, 647 (649)). Nach diesen Kriterien und dem insoweit besonders wichtigen subjektiven Faktor des "Mittelpunktes des Interesses" des Antragstellers befindet sich sein Wohnort in Deutschland, und zwar aus den Gründen, die bereits im Zusammenhang mit der Anspruchsvoraussetzung des "gewöhnlichen Aufenthalts" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II genannt worden sind. Nach der Überzeugung der Kammer gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 VO (EG) 883/2004 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen gem. Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004, und zwar völlig unabhängig vom Vorliegen eines Aufenthaltsgrundes nach Art. 7 I der Unionsbürger-RL 2004/38/EG oder § 2 FreizügG/EU (vgl. zum Ganzen auch Frings, ZAR 2012, 317 (321 f.)) und verschafft dem Antragsteller einen individuellen Anspruch auf Gewährung der besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach den gleichen Voraussetzungen, wie sie auch für Deutsche gelten (a. A. offenbar Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris).
74Unabhängig davon ist der Leistungsausschluss auch europarechtswidrig, weil er nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG gedeckt ist (vgl. insoweit insbesondere: Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 36-37); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67)). Zwar ist nach der "Brey"-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 –) davon auszugehen, dass die Leistungen nach dem SGB II zugleich "besondere beitragsunabhängige Leistungen" i. S. d. VO (EG) 883/2004 und "Sozialhilfeleistungen" i. S. d. RL 2004/38/EG sein können, weil es sich bei diesen Begriffen nicht um Gegensätze handelt (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris; anders insoweit noch Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 47-54)). Selbst wenn jedoch danach eine deutsche Regelung möglich wäre, die in Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG den Bezug besonderer beitragsunabhängiger Leistungen i. S. d. VO (EG) 883/2004 ausschließt, so erfüllt der derzeitige Leistungsausschluss nicht die an eine solche Regelung zu stellenden Anforderungen.
75Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 "Brey" – (Rn. 64 ff.) betont, dass ein "automatischer", nur an die Staatsangehörigkeit anknüpfender, nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte abstellender und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung ermöglichender Leistungsausschluss wie der für die im dortigen Ausgangsverfahren streitige österreichische Ausgleichszulage nach § 292 Abs. 1 ASVG nicht von Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG gedeckt und daher nicht europarechtskonform ist. Er hat insbesondere (Rn. 76 ff.) bemängelt, dass bei der dort fraglichen österreichischen Regelung "bereits der bloße Umstand, dass ein wirtschaftlich nicht aktiver Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats sie beantragt, ausreichend ist, um ihn unabhängig von der Dauer des Aufenthalts, der Höhe dieser Leistung und dem Zeitraum ihrer Gewährung, und somit unabhängig von der aus dieser Leistung für das gesamte Sozialhilfesystem dieses Staates erwachsenden Belastung, von dem Bezug" der Leistung auszuschließen. Es sei "festzustellen, dass ein solcher automatischer Ausschluss der wirtschaftlich nicht aktiven Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten von der Gewährung einer bestimmten Sozialhilfeleistung durch den Aufnahmemitgliedstaat selbst für die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannte Zeit nach einem dreimonatigen Aufenthalt es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht erlaubt, im Einklang mit den Anforderungen, die sich insbesondere aus den Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und 8 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, in Fällen, in denen die Existenzmittel des Betroffenen geringer sind als der Richtsatz für die Gewährung dieser Leistung, eine umfassende Beurteilung der Frage vorzunehmen, welche Belastung die Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der die Lage des Betroffenen kennzeichnenden individuellen Umstände konkret für das gesamte Sozialhilfesystem darstellen würde."
76§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ermöglicht nicht ansatzweise die Berücksichtigung von Einzelfallgesichtspunkten. Die Regelung entspricht vielmehr dem vom EuGH kritisierten Automatismus; sie erschöpft sich im Falle der Arbeitssuche in einem automatischen Ausschluss vom Leistungsbezug ohne Prüfung nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 37)). Dies scheint auch die Auffassung des 6. Senats des LSG NRW zu sein, in dessen Pressemitteilung zum Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – es heißt, der Senat "sei – insofern noch weitergehend als frühere Entscheidungen anderer Senate des Landessozialgerichts – der Auffassung, der Leistungsausschluss in dieser ausnahmslosen Automatik widerspreche dem zwischen den EU-Staaten vereinbarten gesetzlich wirksamen Gleichbehandlungsgebot (Art. 4 Verordnung EU 883/2004). Soweit die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38) den Mitgliedstaaten erlaube, einschränkende Regelungen zur Vermeidung von sog. Sozialtourismus vorzusehen, sei dies nicht in dieser im SGB II enthaltenen unbedingten und umfassenden Form möglich. Die Richtlinie verlange eine bestimmte Solidarität des aufnehmenden Staates Deutschland mit den anderen Mitgliedstaaten. Das erfordere unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit Regelungen, wonach abhängig von den individuellen Umständen Leistungen im Einzelfall jedenfalls ausnahmsweise möglich sein müssen."
77Zusammenfassend ist festzustellen, dass "die allein an der Ausländereigenschaft anknüpfende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II am Maßstab von Art. 70 i. V. m. Art. 4 VO (EG) 883/2004 und Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG in Bezug auf die Rechtstellung der Antragsteller nicht zu rechtfertigen ist; sie bleibt aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges unangewendet" (so wörtlich Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 37)).
78§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist dabei auch dann europarechtswidrig und im vorliegenden Fall nicht anwendbar, wenn man entweder im Falle des Antragstellers den sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 nicht für eröffnet hält, oder anders als die Kammer davon ausgeht, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 VO (EG) 883/2004 selbst keinen Anspruch auf eine besondere beitragsunabhängige Leistung vermitteln könne, weil diese Norm – wie die Verordnung insgesamt – nur der Koordinierung, nicht der Festlegung von Anspruchsvoraussetzungen, diene (so Bayerisches LSG, Beschlüsse vom 19. und 06.11.2013 a. a. O.). Denn auch dann stimmt der Leistungsausschluss nicht mit seiner europarechtlichen Grundlage, Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG, überein (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 a. a. O.; so auch das Bayerische LSG, Beschluss vom 06.11.2013 a. a. O. (Rn. 36-40), das allerdings anders als das Hessische LSG und die erkennende Kammer der Auffassung ist, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II könne europarechtskonform einschränkend ausgelegt werden).
79Dass das Bundessozialgericht mit dem Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – ein Verfahren, in dem es um die Europarechtskonformität von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geht, ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf der Grundlage von Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den Mitgliedstaaten eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ermöglichen soll, Fragen zu Art. 4 und Art. 70 VO (EG) 883/2004, Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG sowie Art. 45 Abs. 2 AEUV i. V. m. Art. 18 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ändert nichts an der Überzeugung der Kammer bzgl. der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots des Art. 4 VO (EG) 883/2004 auch auf die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen i. S. v. Art. 70 VO (EG) 883/2004, bzgl. der Nichtkonformität des "automatischen" Leistungsausschlusses mit der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG und der Unmöglichkeit einer europarechtskonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Insbesondere hat der EuGH aus Sicht der Kammer schon in seinem Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 "Brey" – hinreichend deutlich gemacht, dass ein "automatischer", nur an die Staatsangehörigkeit anknüpfender, nicht auf Einzelfallgesichtspunkte abstellender und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung ermöglichender Leistungsausschluss wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jedenfalls nicht von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürger-RL 2004/38/EG gedeckt und schon daher nicht europarechtskonform ist.
80Auch soweit entgegen der hier vertretenen Auffassung die Frage der Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses – etwa wegen des genannten Vorabentscheidungsersuchens des BSG – als offen anzusehen wäre, wären im Rahmen einer vom Gericht angestellten Folgen- bzw. Interessenabwägung die Folgen, die für den Antragsteller entstehen würden, wenn die einstweilige Anordnung zu seinen Gunsten nicht erlassen würde, als wesentlich erheblicher anzusehen als die Folgen, die im umgekehrten Fall entstünden. Denn es geht hier um die Gewährung oder Nichtgewährung existenzsichernder Leistungen und damit um eine drohende Verletzung des Grundrechts auf Gewährung eines soziokulturellen Existenzminimums. Umgekehrt bestünde für den Antragsgegner lediglich das Risiko der Nichtdurchsetzbarkeit eines Rückforderungsanspruchs, wenn in der Hauptsache festgestellt würde, dass ein Leistungsanspruch des Antragstellers tatsächlich nicht bestanden hat. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache wäre für den Antragsteller hingegen unzumutbar hart.
81Es ist auch – im tenorierten Umfang – ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
82Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus dem existenzsichernden Charakter der begehrten Leistung. Es ist dem Anspruchsteller nicht zuzumuten, bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens und ggf. eines sich anschließenden Rechtsmittelverfahrens auf Leistungen für den Regelbedarf zu verzichten. Dem Umstand, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass der Antragsgegner einen etwaigen Rückforderungsanspruch im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht würde realisieren können und die Zuerkennung der Leistungen deshalb im Ergebnis einen Zustand schaffen könnte, der in seinen (wirtschaftlichen) Auswirkungen der Vorwegnahme in der Hauptsache gleichzusetzen wäre, trägt die Kammer bei der inhaltlichen Ausgestaltung der einstweiligen Anordnung Rechnung, indem sie die nachteiligen Folgen auf Seiten des Antragsgegners zeitlich begrenzt und zudem der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes hohe Bedeutung beimisst.
83Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund bzgl. der Regelbedarfe gem. § 20 SGB II für die Zeit vom 12.12.2013 (Eingang des Antrags bei Gericht) bis längstens zum 31.03.2014 glaubhaft gemacht, da am 31.03.2014 der sechsmonatige, ab dem 01.10.2013 als dem ersten Tag des Monats der Antragstellung (15.10.2013) laufende Bewilligungszeitraum (§§ 37 Abs. 2 Satz 2, 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) enden würde.
84Im Hinblick auf die Zeiträume ab dem 01.04.2014 geht die Kammer davon aus, dass es bei einer noch längeren zeitlichen Erstreckung der einstweiligen Anordnung nicht oder nur unzureichend möglich wäre, den Leistungsfall unter Kontrolle zu halten und etwaigen Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers Rechnung zu tragen, die im Bereich des SGB II etwa auch in der Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit bestehen können.
85Die Kammer geht aber davon aus, dass der Antragsgegner bei unveränderter Situation auch weiterhin Leistungen erbringen wird.
86In Bezug auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II liegt zwar keine ausdrückliche "Ausklammerung" aus dem Streitgegenstand vor.
87Jedoch ergibt sich aus Sicht der Kammer aus den Antragsunterlagen und dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakte, dass von vornherein keine Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung beansprucht werden sollten, weil der Antragsteller mietfrei bei seiner Schwester wohnt. Das Gericht hat daher den vorliegenden Eilantrag dahingehend ausgelegt, dass auch dieser nicht auf eine vorläufige Gewährung solcher Leistungen gerichtet ist. Insoweit war zwar zur Klarstellung die Entscheidungsformel einzuschränken, der Antrag aber nicht teilweise abzulehnen.
88Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
89Die Entscheidung über den am 12.12.2013 gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgeblich sind aufgrund des Zeitpunktes der Antragstellung nach § 40 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung (EGZPO), der Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts, die §§ 114 ff. ZPO in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung.
90Der Antragsteller kann die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot aus den vorstehenden Gründen zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife die im Rahmen des § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes war unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
-
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2009 wird zurückgewiesen.
-
Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009. Zwischen den Beteiligten ist insbesondere streitig, ob der Kläger als französischer Staatsangehöriger von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, weil sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.
- 2
-
Der 1971 geborene Kläger reiste am 18.12.2007 in die Bundesrepublik ein. Der französische Träger der Arbeitslosenversicherung hatte ihm zuvor auf dem Vordruck E 303 bescheinigt, dass er unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit habe. Seit diesem Tag wohnt er in Berlin. Der Kläger meldete sich am 28.1.2008 bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeitslos und bezog zunächst bis zum 17.3.2008 Arbeitslosengeld. In der Folgezeit erhielt er ab dem 28.4.2008 und - bis auf wenige Tage Unterbrechung - bis zum 28.2.2009 Arbeitslosengeld II (Alg II). Seit dem 2.6.2008 ist er im Besitz einer Bescheinigung nach § 5 des Gesetzes über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern(Freizügigkeitsgesetz/EU
).
- 3
-
Vom 1.2.2008 bis zum 23.6.2008 übte der Kläger eine Tätigkeit als Handwerkshelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und einem monatlichen Entgelt von 100 Euro aus. Das Arbeitsverhältnis endete nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Zum 1.1.2009 meldete der Kläger ein Gewerbe "An- u. Verkauf, Trödel-Kafé, Kaffeeausschank" an. Da jedoch kein Vertrag über die Anmietung der Geschäftsräume zustande kam, zerschlug sich das Geschäftsgründungsvorhaben am 5.1.2009. Die Abmeldung des Gewerbes erfolgte erst im April 2009 "rückwirkend" zum 1.1.2009.
- 4
-
Am 9.2.2009 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab dem 1.3.2009. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31.3.2009 und Widerspruchsbescheid vom 27.7.2009 mit der Begründung ab, der Kläger sei nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II inzwischen von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen, weil er alleine wegen seiner Eigenschaft als Arbeitsuchender freizügigkeitsberechtigt sei. Nach dem Ende seiner Beschäftigung sei er gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU nur für die Dauer von weiteren sechs Monaten leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen.
- 5
-
Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts
vom 20.10.2009). Auf die Berufung des Klägers haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) am 11.11.2009 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft verglichen. Im Übrigen hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg II in Form der Regelleistung für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009 dem Grunde nach zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei leistungsberechtigt nach dem SGB II. Dem stehe der Leistungsausschluss in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht entgegen. Zwar ergebe sich das Aufenthaltsrecht des Klägers im streitigen Zeitraum alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 FreizügG/EU). Ein Wegfall dieses Aufenthaltsrechts komme nur dann in Betracht, wenn aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen sei, dass der Unionsbürger keinerlei ernsthafte Absichten verfolge, eine Beschäftigung aufzunehmen. Davon könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Auch könne letztlich dahinstehen, ob der Leistungsausschluss wegen Verstoßes gegen europäisches Gemeinschaftsrecht unanwendbar sei. Dies hänge maßgeblich davon ab, ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als "Sozialhilfe" im Sinne von Art 24 Abs 2 der so genannten Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004, ABl 2004 L Nr 158, 77) anzusehen seien. Diese Frage bedürfe hier aber keiner abschließenden Entscheidung, weil der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II für solche Hilfebedürftigen einschränkend auszulegen sei, die durch das Europäische Fürsorgeabkommen(vom 11.12.1953 BGBl II 1956, 564) begünstigt würden. Nach Art 1 EFA habe der Kläger danach Anspruch auf "Fürsorge" wie ein deutscher Staatsangehöriger, der sich im Inland gewöhnlich aufhalte. Als Leistungen der Fürsorge seien nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) am 31.12.2004 nicht nur die im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), sondern auch die im SGB II für Hilfebedürftige geregelten Leistungen anzusehen. Unerheblich sei, dass die Bundesrepublik Deutschland entgegen der sich aus Art 16 Abs a) und b) des EFA ergebenden Verpflichtung dem Generalsekretär des Europarates das Außerkrafttreten des BSHG bislang nicht mitgeteilt habe, weil die im Anhang I des Abkommens genannte Aufzählung der entsprechenden Fürsorgegesetze lediglich eine klarstellende Bedeutung zukomme. Auch sei nicht entscheidungserheblich, ob das EFA zur Vermeidung von Wanderungsbewegungen aus einem Sozialleistungssystem in ein anderes nur auf diejenigen Ausländer Anwendung finde, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Einreise noch über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung verfügte habe.
- 6
-
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II und weist darauf hin, dass der Leistungsausschluss der Umsetzung des in Art 24 Abs 2 UBRL geregelten Vorbehalts diene. Diese Regelungen seien neuer und damit vorrangig vor dem EFA aus dem Jahr 1953. Zwar handele es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II um "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 UBRL. Das SGB II könne aber neben dem SGB XII gleichwohl nicht als "weiteres" Nachfolgegesetz zum BSHG angesehen werden. Denn im Wesentlichen habe das SGB II die Nachfolge der zuvor im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelten Arbeitslosenhilfe (Alhi) angetreten. Die Alhi aber sei dem EFA nicht unterfallen. Im Übrigen finde das EFA nur auf die im Anhang von den Vertragsstaaten gemeldeten nationalen Fürsorgegesetze Anwendung.
- 7
-
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2009 zurückzuweisen.
- 8
-
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 9
-
Er hält das mit der Revision angegriffene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass ein Anspruch auch dann bestünde, wenn er nicht durch das EFA begünstigt würde. Denn der Leistungsausschluss verstoße auch gegen europäisches Primärrecht. Bei den Leistungen nach dem SGB II handele es sich um finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei insoweit das Gleichbehandlungsgebot zu beachten.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die zulässige Revision ist unbegründet.
- 11
-
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009 ein Anspruch auf Gewährung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zusteht. Der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu unter 2). Seinem Anspruch steht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht entgegen(dazu unter 3).
- 12
-
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 31.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.7.2009, mit dem der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1.3.2009 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum erstreckt sich in Fällen ablehnender Verwaltungsentscheidungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (vgl nur Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 41/07 R - juris mwN), hier also bis zum 11.11.2009. Die Beteiligten haben darüber hinaus den Streitgegenstand im Berufungsverfahren zulässigerweise beschränkt, indem sie über die Kosten der Unterkunft einen Teilvergleich abgeschlossen haben (vgl zur Zulässigkeit einer solchen Begrenzung des Streitgegenstandes nur BSGE 97, 217, 223 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 19 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
- 13
-
2. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Er ist gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II erwerbsfähig und - nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 Sozialgerichtsgesetz
) - auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II. Der Kläger verfügt gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bereits Ende 2007 in die Bundesrepublik eingereist. Seitdem hält er sich hier unter Umständen auf, die erkennen lassen, dass er nicht nur vorübergehend verweilt. Offen bleiben kann hier, ob der an tatsächlichen Umständen zu messende Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes bei Ausländern durch zusätzliche rechtliche Voraussetzungen eingeschränkt wird (BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 34). Zur alten Rechtslage bis zum 1.4.2006 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass Ausländer, die tatsächlich dauerhaft im Inland verweilen, nur dann einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, wenn sie sich berechtigterweise hier aufhalten (BSG aaO; BSGE 65, 261, 263 f = SozR 7833 § 1 Nr 7; vgl - speziell zu § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II - auch BSGE 98, 243, 246 f = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, jeweils RdNr 19; Valgolio in Hauck/Noftz, Stand Juni 2010, § 7 SGB II RdNr 95; kritisch zu der Verrechtlichung des rein tatsächlichen Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 11).
- 14
-
Dass der Kläger sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält, ergibt sich bereits daraus, dass er über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU verfügt(aA Hessisches LSG, FEVS 59, 110, 115 f). Gegen eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts spricht auch nicht, dass dieser Bescheinigung nach dem Wortlaut der Vorschrift ("… über das Aufenthaltsrecht ausgestellt") nur deklaratorischer Charakter im Hinblick auf das sich unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergebende Freizügigkeitsrecht zukommt (vgl nur statt aller Geyer in HK-AuslR, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 1)und es sich um keinen Aufenthaltstitel handelt (vgl § 2 Abs 4 Satz 1 FreizügG/EU). Denn es entspricht der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs 5 FreizügG/EU festzustellen und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht einzuziehen(so auch die gesetzliche Begründung zum Zuwanderungsgesetz, vgl BT-Drucks 15/420, 106; vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II in der Fassung vom 20.1.2010, Ziffer 7.2d, sowie Ziffer 5.5.1.3. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26.10.2009, GMBl 2009, 1270). Die Ausreisepflicht nach § 7 Abs 1 Satz 1 FreizügG/EU wird erst mit dieser Verlustfeststellung begründet.
- 15
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3. Der Kläger ist auch nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II zunächst Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch auf Grund des § 2 Abs 3 des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, des Weiteren Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie zuletzt Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).
- 16
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Der Kläger ist als französischer Staatsangehöriger Ausländer im Sinne dieser Vorschrift. Er ist aber nicht leistungsberechtigt nach § 1 AsylbLG und hält sich nach den Feststellungen des LSG bereits seit Ende des Jahres 2007 in der Bundesrepublik auf. Er ist auch nicht deswegen nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen, weil sich sein Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt(dazu unter a). Denn dieser Leistungsausschluss ist auf den Kläger als Staatsangehörigen eines Vertragsstaates des EFA vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564) nicht anwendbar (dazu unter b).
- 17
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a) Das Aufenthaltsrecht des Klägers ergibt sich gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 FreizügG/EU alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche. Denn auf ein anderes Aufenthaltsrecht, das - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt ("Aufenthaltsrecht […] allein aus dem Zweck der Arbeitsuche"; vgl auch BT-Drucks 16/688, 13) - den Leistungsausschluss von vornherein entfallen lassen würde, kann sich der Kläger nicht berufen.
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Der Kläger ist insbesondere nicht als Arbeitnehmer, Selbstständiger oder Nicht-Erwerbstätiger freizügigkeitsberechtigt. Auch steht ihm (noch) kein Daueraufenthaltsrecht zu. Als "Arbeitnehmer" im Sinne von § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 1 FreizügG/EU ist der Kläger nicht (mehr) aufenthaltsberechtigt. Während seiner Tätigkeit als Handwerkshelfer war er es, weil auch derjenige Arbeitnehmer im Sinne des Freizügigkeitsrechts ist, der nur über ein geringfügiges, das Existenzminimum nicht deckendes, Einkommen verfügt. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art 39 EG (hier anwendbar in der Fassung des Vertrages von Nizza, BGBl II 2001, 1666 - der Vertrag von Lissabon ist erst zum 1.12.2009 in Kraft getreten, BGBl II 2009, 1223) fällt jeder Arbeitnehmer, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt - mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt - unter die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl ua EuGH, Rs 139/85 [Kempf], Slg 1986, 1741 [Rz 9 ff]; Rs 53/81 [Levin], Slg 1982, 1035 [Rz 17]; C-213/05 [Geven], Slg 2007, I-6347 [Rz 16]; so nun auch Ziffer 2.2.1.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI zum FreizügG/EU; vgl zum gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ausführlich Epe in GK-AufenthG, § 2 FreizügG/EU RdNr 31 ff mwN). Zwar blieb dem Kläger gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU seine Erwerbstätigeneigenschaft und damit sein Freizügigkeitsrecht "als Arbeitnehmer" für die Dauer von sechs Monaten nach der arbeitgeberseitigen Kündigung erhalten. Dieser Zeitraum war aber bereits abgelaufen, als er für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragte.
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Dem Kläger stand auch zu keinem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht als selbstständig Tätiger nach § 2 Abs 1 Nr 2 FreizügG/EU zu. Dies setzt voraus, dass eine Tätigkeit als Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (vgl Art 7 Abs 1 Buchst a Alt 2 UBRL). Zwar ist auch insoweit nicht erforderlich, dass der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit das notwendige Existenzminimum deckt (vgl zuletzt zB OVG Bremen Beschluss vom 21.6.2010 - 1 B 137/10 - juris). Voraussetzung ist aber nach Art 43 EGV, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (EuGH, C-221/89 [Factortame], Slg 1991, I-3905 [Rz 20]), sodass alleine ein formaler Akt (EuGH, aaO, Rz 21; Bröhmer in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl 2007, Art 43 EG RdNr 12), wie die Registrierung eines Gewerbes nicht ausreichend ist. Ein weitergehendes Stadium aber hat die selbstständige Tätigkeit des Klägers nicht erreicht.
- 20
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Der Kläger ist darüber hinaus nicht als Nicht-Erwerbstätiger, zu denen freizügigkeitsberechtigte Arbeitsuchende nicht zählen, nach § 2 Abs 2 Nr 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es ihm insoweit an ausreichenden Existenzmitteln fehlt. Schließlich hat der Kläger auch noch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 7 iVm § 4a FreizügG/EU erworben.
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b) Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ist allerdings hier deswegen nicht anwendbar, weil der Kläger sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen kann(ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 - L 8 SO 88/07 ER - FEVS 59, 369, 373 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14.1.2010 - L 14 AS 1565/09 B ER - juris; SG Berlin Urteil vom 25.3.2010 - S 26 AS 8114/08 - juris; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 7 RdNr 35; Valgolio in Hauck/Noftz, § 7 SGB II RdNr 128, Stand Juni 2010; aA Bayerisches LSG Beschluss vom 4.5.2009 - L 16 AS 130/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.12.2009 - L 34 AS 1350/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.11.2008 - L 5 B 801/08 AS ER - juris; SG Reutlingen Urteil vom 29.4.2008 - S 2 AS 2952/07 - juris; Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Februar 2010, § 7 SGB II, RdNr 11a; offen gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.2.2010 - L 6 B 154/09 AS ER - juris; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 16.7.2008 - L 19 B 111/08 AS ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 11.1.2010 - L 25 AS 1831/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 30.5.2008 - L 14 B 282/08 AS ER - juris).
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Nach Art 1 des Abkommens, das unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich (und daneben Belgien, Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, die Türkei und Großbritannien) unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind.
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Bei dieser Vorschrift handelt es sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht (dazu unter aa), dessen Anwendbarkeit im konkreten Fall insbesondere kein jüngeres und deshalb vorrangig anzuwendendes Recht entgegensteht (dazu unter bb). Darüber hinaus steht seiner Anwendung nicht entgegen, dass inzwischen an die Stelle des Abkommens europäisches Koordinationsrecht getreten wäre (dazu unter cc). Auch liegen im Einzelnen die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgebots nach Art 1 EFA vor. Denn bei der beanspruchten Regelleistung nach § 20 SGB II handelt es sich um Fürsorge im Sinne des EFA(dd). Die Vorschrift des § 20 SGB II findet in Ermangelung eines von der Bundesrepublik abgegebenen Vorbebehalts auch auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten Anwendung(ee). Der Kläger hält sich in der Bundesrepublik zudem erlaubt im Sinne von Art 1 EFA auf (ff). Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA findet schließlich auch nicht alleine auf solche Staatsangehörige anderer Vertragsstaaten Anwendung, die sich bereits vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Aufenthaltsstaat aufgehalten haben (gg).
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aa) Der Kläger kann sich auf Art 1 EFA als unmittelbar geltendes Bundesrecht berufen. Der Bundestag hat mit dem mit Zustimmung des Bundesrats beschlossenen Gesetz vom 15.5.1956 (BGBl II 563) dem Europäischen Fürsorgeabkommen zugestimmt (vgl Art 59 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz
) und dadurch dessen Inhalt insoweit in innerstaatlich anwendbares, Rechte und Pflichten des Einzelnen begründendes (revisibles) Bundesrecht transformiert, als die Vertragsbestimmungen nach Wortlaut, Zweck und Inhalt wie innerstaatliche Gesetzesvorschriften rechtliche Wirkungen auszulösen geeignet sind (vgl BVerfGE 29, 348, 360; BVerwGE 44, 156, 160). Dies trifft auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 1 des EFA zu (so auch BundesverwaltungsgerichtUrteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 201; Urteil vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139, 142; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 - L 8 SO 88/07 ER - FEVS 59, 369; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.12.1999 - 16 A 5587/97 - juris; vgl auch Bayerischer VGH, FEVS 48, 74 ff; OVG Lüneburg, FEVS 49, 118, 119; Hessischer VGH, FEVS 51, 190 ff; Schraml, Das Sozialhilferecht der Ausländerinnen und Ausländer, 1992, S 75; Schuler, Der Einfluss des Europäischen Fürsorgeabkommens auf den sozialhilfe- und aufenthaltsrechtlichen Status der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer in Barwig/Lörcher/Schumacher , Familiennachzug von Ausländern auf dem Hintergrund völkerrechtlicher Verträge, S 67, 69; aA Kokott, Die Staatsangehörigkeit als Unterschiedsmerkmal für soziale Rechte von Ausländern in Hailbronner , Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, S 25, 33).
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bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist das EFA auch nicht in dem Sinne "überholt", dass seiner Anwendung neuere, denselben Sachverhalt regelnde gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Das Völkervertragsrecht wird gemäß Art 59 Abs 2 GG im Range von Bundesgesetzen umgesetzt. Aus dieser Rangzuweisung folgt, dass deutsche Gerichte das EFA wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (so BVerfGE 111, 307 ff zur Europäischen Menschenrechtskonvention
) . Innerstaatliches Recht ist grundsätzlich so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht. Dies entspricht dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (vgl BVerfG aaO sowie BVerfGE 58, 1, 34; 59, 63, 89). Das einfache (Sozial-)Recht bietet darüber hinaus mit § 30 Abs 2 SGB I eine Vorschrift zur Lösung von möglichen Konflikten zwischen nationalem Recht und (transformiertem) Völkerrecht. § 30 Abs 2 SGB I beschränkt sich nicht auf die Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern beinhaltet einen allgemeinen Rechtsgrundsatz(BSG, InfAuslR 2001, 181, 182; BSGE 52, 210, 213 = SozR 6180 Art 13 Nr 3 S 10). Bereits aus diesem Grund steht der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II entgegen der Ansicht der Revision der Verpflichtung zur Gleichbehandlung nach dem EFA nicht entgegen.
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Im Übrigen hat das LSG zu Recht darauf hingewiesen, dass Art 1 EFA im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich spezieller ist. Die Vorschrift richtet sich gerade nicht an alle Ausländer (deren Aufenthaltsrecht sich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt), sondern nur an Staatsangehörige der Vertragsstaaten. Darüber hinaus sind Gesetze auch dann im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden, wenn sie zeitlich später erlassen worden sind als ein geltender völkerrechtlicher Vertrag. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (vgl BVerfGE 74, 358, 370 sowie - speziell zum EFA - BVerwGE 111, 200, 211). Ein solcher gesetzgeberischer Wille des späteren Gesetzgebers zur Abweichung vom EFA ist hier nicht erkennbar. Des Weiteren überzeugt auch das Argument der Revision nicht, § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II sei deshalb vorrangig vor dem EFA, weil § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II der Umsetzung des Art 24 Abs 2 UBRL diene(BT-Drucks 16/688 S 13), einer Vorschrift, an der sowohl Frankreich als auch die Bundesrepublik beteiligt waren (so aber auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 15.4.2010 - L 13 AS 1124/10 ER-B - juris). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diejenigen Mitglieder des Rats der Europäischen Union, die zugleich Vertragsstaaten des EFA sind, mit der in Art 24 Abs 2 UBRL eingeräumten Möglichkeit der nur beschränkten Leistung von Sozialhilfe an Freizügigkeitsberechtigte zugleich für ihren Zuständigkeitsbereich ein Abkommen des Europarats außer Kraft setzen wollten.
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das EFA selbst den Konfliktfall bereits regelt: Nach Art 18 EFA stehen die Bestimmungen des Abkommens solchen nationalen Vorschriften nicht entgegen, die für die Beteiligten günstiger sind. Dass eine Abweichung vom EFA zu Lasten des durch das EFA geschützten Personenkreises damit nicht zulässig ist, liegt dabei auf der Hand. Wenn die Bundesrepublik die sich aus dem EFA ergebenden Verpflichtungen nicht mehr tragen will, steht ihr nach Art 24 EFA die Möglichkeit offen, das Abkommen innerhalb der dort genannten Frist zu kündigen. Hiervon hat sie bislang keinen Gebrauch gemacht.
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cc) Der Anwendbarkeit des EFA steht das koordinierende Sekundärrecht der Europäischen Union nicht entgegen (so aber Bayerisches LSG Beschluss vom 12.3.2008 - L 7 B 1104/07 AS ER - FEVS 60, 178).Gemeinschaftsrechtlicher Maßstab für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (1.3.2009 bis 11.11.2009) ist die Kollisionsregel des Art 6 der "alten" Wanderarbeitnehmerverordnung EWG Nr 1408/71, weil die Nachfolgeverordnung (EG) Nr 883/2004 vom 29.4.2004 (ABl 2004 Nr L 166, 1 ff) gemäß deren Art 91 Satz 2 erst ab dem Inkrafttreten einer Durchführungsverordnung galt. Die Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist aber erst am 1.5.2010 in Kraft (Art 97 der VO
Nr 987/2009) getreten. Nach der Kollisionsregel in Art 6 EWGV 1408/71 tritt die Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle bestimmter (völkerrechtlicher) Abkommen über die soziale Sicherheit.
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Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unterfallen entweder gemäß Art 4 Abs 2a EWGV 1408/71 iVm dem Anhang IIA, Buchst E - entgegen dem Anwendungsausschluss für die Sozialhilfe nach Art 4 Abs 4 EWGV 1408/71 und mit konstitutiver Wirkung (vgl EuGH, Rs C-20/96 [Snares], Slg 1997, I-6082 [Rz 30]; differenzierend Rs C-215/99 [Jauch], Slg 2001, I-1901 [Rz 21] = SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 S 5 f) - als so genannte besondere beitragsunabhängige Geldleistungen (so genannte "Mischleistungen", dazu ausführlich Beschorner, ZESAR 2009, 320 ff) bzw - soweit dem Grunde nach die Voraussetzungen nach § 24 Abs 1 SGB II vorliegen - als Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Art 4 Abs 1 Buchst g EWGV 1408/71 dem sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung.
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Ob auch der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, bedarf dagegen keiner Entscheidung. Denn die Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 greift hier ohnehin nicht ein. Die Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 ist nämlich nur anwendbar auf "Abkommen über die soziale Sicherheit", worunter nach der Begriffsbestimmung des Art 1 Buchst k) EWGV 1408/71 nur Vereinbarungen für die in Art 4 Abs 1 und 2 der Verordnung bezeichneten Zweige und Systeme zu verstehen sind. Art 4 Abs 2a VO 1408/71 ist dort gerade nicht genannt.
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Darüber hinaus gilt die Kollisionsregel des Art 6 EWGV ohnehin nicht schrankenlos. Vielmehr kann es gemeinschaftsrechtlich geboten sein, eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen (EuGH, Rs C-227/89 [Rönfeldt], Slg 1991, I-323 [Rz 29] = SozR 3-6030 Art 48 Nr 3 S 8; ausführlich Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 6 VO 1408/71 RdNr 10 ff). Weiterhin erscheint es zweifelhaft, ob Abkommen des Europarats überhaupt unter die Kollisionsregel fallen (vgl insoweit Steinmeyer, aaO, Art 7 VO 1408/71 RdNr 1; allerdings zu der ausdrücklich in die Verordnung aufgenommenen Ausnahmeregelung des Art 7 Abs 1 Buchst b im Hinblick auf das sog Vorläufige Europäische Abkommen vom 11.12.1953 über die soziale Sicherheit). Hinzu kommt, dass nichts dafür spricht, dass die EWGV 1408/71, für die sich vor allem die Notwendigkeit der Klärung des Verhältnisses zwischen Koordinationsrecht und Sozialversicherungsabkommen ergab, ein internationales Fürsorgeabkommen außer Kraft setzen wollte. Hier greift vielmehr der Anwendungsausschluss auf die Sozialhilfe nach Art 4 Abs 4 VO 1408/71.
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dd) Bei der hier noch streitgegenständlichen (siehe oben 1.) Regelleistung nach § 20 SGB II handelt es sich um "Fürsorge" im Sinne von Art 1 EFA. Ausweislich der Begriffsbestimmung in Art 2 Abs a Nr i EFA meint "Fürsorge" im Sinne des Abkommens jede Fürsorge, die jeder der Vertragschließenden nach den in dem jeweiligen Teile seines Gebietes geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert. Ausgenommen sind beitragsfreie Renten und Leistungen zugunsten der Kriegsopfer und der Besatzungsgeschädigten. Nach Art 2 Abs b EFA sind die Rechtsvorschriften, die in den Gebieten der Vertragschließenden, auf die dieses Abkommen Anwendung findet, in Kraft sind, sowie die von den Vertragschließenden formulierten Vorbehalte in den Anhängen I und II zum Abkommen aufgeführt.
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Die Regelleistung nach § 20 SGB II als Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach diesem Gesetz stellt ein solches, im Falle der Bedürftigkeit gewährtes "Mittel für den Lebensbedarf" dar(vgl auch Urteil des Senats vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 5/07 R - BSGE 99, 170 = SozR 4-4200 § 24 Nr 1, wo im Hinblick auf das SGB II von einer "steuerfinanzierten Fürsorgeleistung" die Rede ist; vgl auch BT-Drucks 15/1516 S 56: "nachrangige Fürsorgeleistung"). Denn das SGB II ist - anders als bis zum 1.1.2005 die Alhi als Lohnersatzleistung (vgl zuletzt § 195 SGB III) - ein bedarfsabhängiges Leistungssystem (vgl Urteil des Senats vom 31.10.2007 - B 14 AS 30/07 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 2). Darüber hinaus ist die Fürsorgegesetzgebung in der Bundesrepublik nach dem Außerkrafttreten des BSHG zum 1.1.2005 auch nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (idR iVm § 42 Satz 1 SGB XII) beschränkt. Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende unterscheiden sich zwar nach ihrem Adressatenkreis. Das SGB II verliert dadurch aber nicht seinen Charakter als Fürsorgegesetz.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass im Anhang I zum EFA in der Fassung der Erklärung des ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland an den Generalsekretär des Europarats vom 26.10.2001 als anzuwendende Fürsorgegesetze noch immer (und entgegen der Verpflichtung der Bundesrepublik zur Mitteilung geänderter bzw neuer Rechtsvorschriften gemäß Art 16 Abs a und b EFA) das BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.3.1994 (BGBl I 646, 2975), "zuletzt" geändert durch Art 12 des Gesetzes vom 13.9.2001 (BGBl I 2376, 2398), und die §§ 27, 32 bis 35 und 41 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), jeweils iVm § 39 SGB VIII, sowie die §§ 3, 19 und 69 des Infektionsschutzgesetzes genannt werden. Denn die Aufzählung der Fürsorgegesetze in der Anlage I ist nicht konstitutiv (so auch BVerwG Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 206; LSG Niedersachsen-Bremen, FEVS 59, 369, 374; Mangold/Pattar, VSSR 2008, 243, 261; aA Bayerisches LSG Beschluss vom 4.5.2009 - L 16 AS 130/09 B ER - juris, sowie Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Februar 2010, § 7 SGB II, RdNr 11a). Dies entspricht auch der Rechtsansicht der Bundesregierung bei Ratifizierung des Abkommens (vgl die Denkschrift des BMI und des Bundesministers des Auswärtigen zum Europäischen Fürsorgeabkommen und dem Zusatzprotokoll, BT-Drucks 2/1882, 23: "Die Aufführung der Fürsorgegesetze im Anhang I dient der Klarstellung, damit sich die übrigen Vertragschließenden den notwendigen Überblick verschaffen können." Vgl darüber hinaus den am 21.11.2001 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedeten "Explanatory Report" zum EFA, Rz 49). Dafür spricht zuletzt Art 2 Abs a Nr ii EFA. Hiernach haben die Begriffe "Staatsangehörige" und "Gebiet" die Bedeutung, die ihnen von den Vertragschließenden in gesonderten Erklärungen zugewiesen werden. Demgegenüber definiert Art 2 Abs a Nr i EFA den Begriff der Fürsorge eigenständig (Mangold/Pattar, aaO, 260).
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ee) Die Bundesrepublik Deutschland hat bis jetzt keinen Vorbehalt hinsichtlich der Anwendung des SGB II auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten abgegeben (vgl Art 16 Abs b Satz 2 EFA). Nach dem bislang abgegebenen Vorbehalt übernimmt die Bundesrepublik Deutschland keine Verpflichtung, die im BSHG "in der jeweils geltenden Fassung" vorgesehene Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage (vgl § 30 BSHG) und die dort vorgesehene Hilfe zur Überwindung besonderer sozialen Schwierigkeiten (vgl § 72 BSHG) an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren, ohne gleichwohl auszuschließen, dass diese Hilfen in geeigneten Fällen gewährt werden können (vgl Neubekanntmachung des Anhangs II zum EFA, BGBl II 2001, 1098). Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob dieser Vorbehalt nach dem Außerkrafttreten des BSHG durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) mit Wirkung vom 1.1.2005 "dynamisch" im Sinne einer Anwendung auf die Nachfolgegesetzgebung anzuwenden ist. Denn bereits im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 2. Abschnitt des BSHG hatte sich die Bundesrepublik gerade nicht die Möglichkeit der Ungleichbehandlung der Staatsangehörigen der Vertragsstaaten vorbehalten. Mit der Regelleistung nach § 20 SGB II beansprucht der Kläger aber alleine eine solche, den Lebensunterhalt sichernde, Hilfe.
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ff) Der Kläger hält sich auch "erlaubt" im Sinne des Art 1 EFA in der Bundesrepublik auf. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob - wie es der Rechtsprechung des BVerwG zum BSHG entsprach (vgl nur BVerwGE 71, 139, 143 ff) - sich das Merkmal des erlaubten Aufenthalts nach Art 11 Abs a Satz 1 EFA bestimmt und dem Anhang insoweit konstitutive Wirkung zukommt. Bedenken könnten sich unter anderem deshalb ergeben, weil die - nach der Schlussformel des Abkommens im Gegensatz zur deutschen Fassung - verbindliche englische Fassung des EFA zwischen "lawfully present" nach Art 1 EFA und - enger - "lawfully resident" im Sinne der Rückschaffungsvorschriften nach Art 6 EFA unterscheidet. Art 11 definiert aber nur den Begriff "residence". Beides wird im Deutschen mit Aufenthalt übersetzt (wobei dann bei Art 6 EFA auf einen "gewöhnlichen" Aufenthalt abgestellt wird). Nach dem Abkommenstext spricht also einiges dafür, dass zwischen dem sozialrechtlichen Gleichbehandlungsgebot und dem Ausweisungsschutz im Hinblick auf die Qualität "des Aufenthalts" differenziert werden sollte.
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Diese Frage bedarf aber deshalb keiner Entscheidung, weil sich der Kläger auch bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerwG "erlaubt" in der Bundesrepublik aufhielt. Nach Art 11 Abs a Satz 1 EFA gilt der Aufenthalt eines Ausländers im Gebiet eines der Vertragschließenden solange als erlaubt im Sinne des Abkommens, als der Beteiligte im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder einer anderen in den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates vorgesehenen Erlaubnis ist, auf Grund welcher ihm der Aufenthalt in diesem Gebiet gestattet ist. Dabei kam dem im Anhang III zum EFA angeführten Verzeichnis der Urkunden, die als Nachweis des Aufenthalts im Sinne des Art 11 EFA anerkannt werden, nach der Rechtsprechung des BVerwG ein rechtsbegründender (konstitutiver) Charakter in der Weise zu, dass mit den dort aufgeführten Urkunden die Erlaubnistatbestände abschließend genannt seien, aufgrund derer der Aufenthalt des ausländischen Staatsangehörigen im Sinne des Abkommens als erlaubt gelte (BVerwGE 71, 139, 144). Auch nach der Rechtsprechung des BVerwG war es aber als unerheblich anzusehen, wenn die Bezeichnung eines Aufenthaltstitels lediglich redaktionell angepasst wurde (BVerwG, aaO). Indiz für eine lediglich andere Bezeichnung kann dabei auch das völkervertragliche Verhalten der Bundesrepublik Deutschland sein. Denn wenn sie den Generalsekretär des Europarates von einer Änderung ihrer Gesetzgebung nicht unterrichtet hat, obwohl sie nach Art 16 Abs a EFA hierzu verpflichtet gewesen wäre, ist sie augenscheinlich davon ausgegangen, die gesetzliche Änderung berühre nicht den Inhalt des Anhangs III (BVerwGE 111, 200, 204).
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Der Kläger verfügt über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Im Anhang III des EFA ist demgegenüber noch von einer "Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG" die Rede (BGBl II 2001, 1100). Dies entspricht der Rechtslage nach § 1 Abs 4 des Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (AufenthG/EWG) in der Fassung des Gesetzes vom 9.7.1990 (BGBl I 1354), aufgehoben mit Wirkung vom 1.1.2005 durch das Zuwanderungsgesetz 2004 vom 30.7.2004 (BGBl I 1950). Nach dieser Vorschrift erhielten freizügigkeitsberechtigte Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften eine so genannte Aufenthaltserlaubnis-EG. Eines Aufenthaltstitels bedarf es nach § 2 Abs 4 Satz 1 FreizügG/EU, Art 8 UBRL nicht mehr. An die Stelle der Aufenthaltserlaubnis-EG ist insoweit die Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU getreten. Der Aufenthalt des Klägers "gilt" aus diesem Grund als erlaubt im Sinne des Art 11 EFA. Dies entspricht auch der Praxis der Ausländerbehörden, wonach von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen ist, bis eine Verlustfeststellung mit entsprechender Einziehung der Aufenthaltsbescheinigung nach § 5 Abs 5 FreizügG/EU erfolgt(vgl bereits oben 2.).
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gg) Der Senat vermag schließlich auch keinen rechtlichen Ansatzpunkt dafür zu erkennen, das EFA nur auf diejenigen Ausländer anzuwenden, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten und mithin nicht auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen in einen Vertragsstaat einreisten (so aber LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 8.1.2010 - L 34 AS 2082/09 B ER, L 34 AS 2086/09 B PKH -, unter Verweis auf OVG Berlin Beschluss vom 22.4.2003 - 6 S 9.03 - FEVS 55, 186, 190). Mithin kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger ein irgendwie geartetes "missbräuchliches Verhalten" vorgeworfen werden kann, als er etwas mehr als vier Monate nach seiner Einreise (nämlich nach Auslaufen seines Anspruchs auf Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beantragt hat. Der gesetzliche Rahmen des BSHG (und nunmehr des SGB XII) war ein gänzlich anderer. Nach § 120 Abs 1 Satz 1 BSHG war Ausländern, die sich in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich aufhielten, Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Nach § 120 Abs 3 Satz 1 BSHG(jetzt § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII in der Fassung des Gesetzes vom 2.12.2006, BGBl I 2670) hatten Ausländer, die sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben haben, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entsprach es offenbar allgemeiner Ansicht, § 120 Abs 3 Satz 1 BSHG auch auf vom EFA geschützte Personen anzuwenden(so OVG Berlin aaO unter Verweis auf die Denkschrift zum EFA, BT-Drucks 2/1882, 23; vgl auch Hamburgisches OVG Beschluss vom 8.2.1989 - Bs IV 8/89 -, NVwZ-RR 1990, 141 ff; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 25.4.1985 - 8 A 266/84 -, NDV 1985, 367 ff; aA VG Würzburg Urteil vom 21.2.1990 - W 3 K 88.1363 -, NDV 1990, 187 ff).
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Es überzeugt nicht, eine - etwa § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII vergleichbare - Regelung in das SGB II "hineinzulesen", wobei eine auf diese Weise vorgenommene Geltungserweiterung (Analogie) insbesondere auch vor dem Hintergrund des § 31 SGB I bedenklich erscheint. Im Übrigen dürfte die praktische Bedeutung eines solchen Anspruchsverlustes gering sein, weil das BVerwG jedenfalls im Rahmen der Vorgängernorm (§ 120 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 BSHG in der Fassung vom 24.5.1983, BGBl I 613) einen finalen Zusammenhang im Sinne einer "prägenden Bedeutung" zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe (BVerwG Urteil vom 4.6.1992 - 5 C 22/87 - FEVS 43, 113 ff) verlangt hat. Schließlich hat auch die zu Art 1 EFA teilweise vertretene Ansicht, einen Aufenthalt zeitlich vor dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit zu fordern (siehe oben), in dem Abkommen selbst keinen Ausdruck gefunden. Denn Art 1 EFA stellt allein auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ab, nicht aber auf eine bestimmte zeitliche Abfolge.
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Da der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II auf den Kläger mithin bereits aufgrund der vorrangigen Geltung des Gleichbehandlungsgebotes nach Art 1 EFA keine Anwendung findet, bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob der Leistungsausschluss zudem wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben unanwendbar ist.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.