Bundessozialgericht Urteil, 16. Apr. 2013 - B 14 AS 81/12 R

bei uns veröffentlicht am16.04.2013

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.

Die Verurteilung des Beklagten zu Verschuldenskosten durch das Landessozialgericht wird aufgehoben.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Höhe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen vom 1.10.2007 bis 31.3.2008.

2

Die im Jahr 1961 geborene Klägerin ist die Mutter des 1986 geborenen F. B. Bei diesem sind eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, H, RF festgestellt. In der strittigen Zeit war der Sohn vollstationär in einem Heim in Bad B untergebracht und besuchte von dort aus die Schule. In 14-tägigen Abständen holte die Klägerin ihren Sohn an den Wochenenden nach Hause, ebenso in den Schulferien und versorgte ihn mit Hilfe eines Pflegedienstes. Die Klägerin bezog pro Monat neben ihrer Witwenrente Kindergeld für ihren Sohn in Höhe von 154 Euro. Dieses wurde auf das Konto des Sohnes überwiesen, von dem per Dauerauftrag 80 Euro pro Monat an das Heim gingen für Körperpflegemittel, Friseur oder Ausflüge. Im Übrigen wurde das Geld für einen erhöhten Bedarf an entsprechender Kleidung, orthopädischen Schuhen usw benötigt. Die Kosten der Heimunterbringung des Sohnes, der eine Halbwaisenrente sowie Blindengeld bezog, wurden im Übrigen vom zuständigen Sozialhilfeträger übernommen.

3

Die Wohnung der Klägerin, die seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II erhielt, hatte in der strittigen Zeit eine Größe von 61 qm, obwohl ihr nach Ansicht des beklagten Jobcenters nur 45 qm zustanden. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Wohnung ging der Beklagte aber von zwei Personen aus, weil sich der Sohn zeitweise in ihrem Haushalt aufhalte. Der Beklagte rechnete neben der Witwenrente das für den Sohn gezahlte Kindergeld als Einkommen der Klägerin an und bewilligte der Klägerin als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts pro Monat vom 1.10. bis zum 31.12.2007 insgesamt 202,66 Euro und vom 1.1. bis zum 31.3.2008 insgesamt 278,88 Euro (Bewilligungsbescheid vom 11.9.2007, Widerspruchsbescheid vom 1.10.2008).

4

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.3.2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten verurteilt, ihr vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 Leistungen nach dem SGB II unter Außerachtlassung des für den Sohn gezahlten Kindergeldes zu bewilligen, und dem Beklagten Verschuldenskosten in Höhe von 800 Euro auferlegt (Urteil vom 12.6.2012). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Das Kindergeld sei nicht Einkommen der Klägerin, sondern ihres Sohnes nach § 1 Abs 1 Nr 8 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V). Nach dieser Vorschrift sei das Kindergeld nicht als Einkommen des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, "soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird". Der Sohn habe nicht im Haushalt der Klägerin gelebt. Aus den 14-tägigen Besuchen am Wochenende und den in den Ferien folge nichts anderes. Das Kindergeld sei unstreitig direkt auf das Konto des Sohnes überwiesen worden. Dass das Kindergeld nicht auf die an den Sohn erbrachten Sozialhilfeleistungen angerechnet worden sei, könne keine andere Beurteilung begründen.

5

Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, die Anwendung des § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V durch das LSG widerspreche der Begründung des Verordnungsentwurfs, nach der sich die Regelung nur auf in Ausbildung befindliche Kinder beziehen solle. Es habe verhindert werden sollen, dass Eltern, die ihre in Ausbildung befindlichen Kinder unterstützen, schlechter stehen als Auszubildende mit Leistungsbezug nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), denen das Kindergeld nicht als Einkommen angerechnet werde. Der Sohn der Klägerin werde in der Einrichtung voll versorgt und sei auch wirtschaftlich nicht selbstständig. Das LSG habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch nicht hinreichend aufgeklärt, der Sohn sei in der Einrichtung nicht polizeilich gemeldet gewesen, sondern in der damaligen Wohnung der Klägerin. Dies sei auch nicht unstreitig Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und auch nicht protokolliert worden. Der Sohn sei zum 1.9.2008 in eine andere Einrichtung umgezogen und habe in Bad B keinen Wohnsitz iS des § 30 Abs 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gehabt, sondern nur einen vorübergehenden Aufenthalt zum Besuch der Schule. Aus der Tatsache, dass der Heimvertrag ohne zeitliche Befristung abgeschlossen gewesen sei, folge nichts anderes, da er zum Ablauf eines Kalendermonats habe gekündigt werden können.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. März 2009 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Sohn sei in der strittigen Zeit in der Einrichtung polizeilich gemeldet gewesen. Er habe dort nicht nur vorübergehend verweilt, sei ständig auf fremde Hilfe angewiesen gewesen und habe den Schwerpunkt seiner Lebensführung in der Einrichtung gehabt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist als in der Sache unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des SG und Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des für den Sohn gezahlten Kindergeldes als Einkommen zu zahlen.

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1. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Grundurteil nach § 130 Abs 1 SGG zulässig ist, weil die Klägerin mit ihrer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, 4 SGG keinen bezifferten Betrag, sondern (nur) höhere Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes begehrt. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines solchen Grundurteils in einem Höhenstreit gehen - anknüpfend an die Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe (BSG vom 9.12.2004 - B 7 AL 24/04 R - BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 5 mwN) - die für Streitigkeiten nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG übereinstimmend in ständiger Rechtsprechung aus (BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 16; BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, RdNr 15; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 11; BSG vom 12.7.2012 - B 14 AS 35/12 R - BSGE 111, 234 = SozR 4-1500 § 54 Nr 28, RdNr 19; BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 12). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Grundurteils im Höhenstreit ist nach dieser Rechtsprechung, damit es sich nicht um eine unzulässige Elementfeststellungsklage handelt, eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird.

11

Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Ausgehend von den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt die Klägerin die Grundvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland), während ein Ausschlusstatbestand(vgl § 7 Abs 1 Satz 2, §§ 4, 5 SGB II) nicht vorliegt. Der Beklagte hat der Klägerin auch grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der strittigen Zeit bewilligt; Anhaltspunkte, die einer Leistungsgewährung entgegenstehen, sind nicht zu erkennen. Umstritten ist nur, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen hat, weil das Kindergeld für den Sohn bei ihr als Einkommen nicht berücksichtigt werden darf.

12

Trotz des Tenors des LSG, Leistungen unter Außerachtlassung des Kindergeldes "zu bewilligen", handelt es sich nicht um einen hinter dem Leistungsantrag der Klägerin zurückbleibenden Verpflichtungstenor, weil das LSG ausweislich seiner Entscheidungsgründe, den Beklagten nicht nur zum Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes, sondern zu einer höheren Leistung verurteilen wollte.

13

2. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf höhere - da ohne Anrechnung des Kindergeldes für den Sohn zu erbringende - Leistungen nach dem SGB II sind § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Dass die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf diese Leistungen in der strittigen Zeit dem Grunde nach erfüllt, wurde schon festgestellt.

14

Um zu entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf höhere Leistungen hat, muss zunächst geklärt werden, ob die Klägerin mit anderen Personen eine Bedarfsgemeinschaft bildet (dazu 3.), dann muss der Bedarf ermittelt (dazu 4.) und diesem die Bedarfsdeckungsmöglichkeiten, insbesondere das zu berücksichtigende Einkommen gegenübergestellt werden (dazu 5.).

15

3. Die Klägerin bildet mit keiner anderen Person eine Bedarfsgemeinschaft. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG war sie nicht verheiratet und lebte - abgesehen von den Besuchen des Sohnes - alleine in der Wohnung.

16

Es bestand auch keine Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit ihrem Sohn. Grundvoraussetzung für eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 2 oder 4 SGB II zwischen Eltern und Kind ist ein gemeinsamer Haushalt. Ein Haushalt stellt sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) dar (vgl nur BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11 R - BSGE 110, 204 ff = SozR 4-4200 § 9 Nr 10, RdNr 19, 26 ff).

17

Dass der Sohn in der strittigen Zeit nicht im Haushalt der Klägerin lebte, zeigt sich deutlich an dem örtlichen und materiellen Merkmal. Dies folgt aus den Feststellungen zu den Aufenthaltszeiten des Sohnes in dem Heim einerseits - grundsätzlich immer - und den nur besuchsweisen Aufenthalten bei der Klägerin an jedem zweiten Wochenende und in den Ferien. Der Sohn hatte angesichts dessen seinen Lebensmittelpunkt und gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs 3 SGB I) unabhängig von seiner polizeilichen Meldung nicht in der Wohnung der Klägerin, sondern in dem Heim in Bad B, denn dort wurde er entsprechend seinen Behinderungen umfassend versorgt. Aus einem von der Revision behaupteten späteren Umzug des Sohnes von diesem in ein anderes Heim folgt keine Zugehörigkeit zum Haushalt der Klägerin in der strittigen Zeit, zumal der Sohn nach den nicht umstrittenen Feststellungen des LSG seit Anfang des Jahres 2005 ohne zeitliche Unterbrechung - abgesehen von den Besuchen bei der Klägerin - in dem Heim wohnte, zu Beginn der strittigen Zeit am 1.10.2007 also schon über zweieinhalb Jahre. Gründe für eine weitere Sachverhaltsaufklärung in dieser Hinsicht sind entgegen dem Vorbringen der Revision, die insofern auch kein konkretes Beweisthema benannt hat, nicht zu erkennen, zumal der polizeilichen Meldung angesichts der aufgeführten anderen Aspekte keine ausschlaggebende Bedeutung beikommt.

18

Es lag auch keine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13 RdNr 15)zwischen der Klägerin und ihrem Sohn vor, weil die in der genannten Entscheidung angeführten Gründe für eine dahingehende Auslegung des § 7 Abs 3 SGB II zur Sicherstellung einer "SGB II-immanenten Lösung" hinsichtlich der Kosten des Umgangs, wie insbesondere das durch Art 6 Abs 1 Grundgesetz geschützte Umgangs- und Sorgerecht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder, vorliegend nicht gegeben sind, da der Sohn in der strittigen Zeit während seines stationären Aufenthalts im Heim Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bezog und schon volljährig war.

19

4. Da nur die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umstritten ist, kann dahingestellt bleiben, wie hoch der Gesamtbedarf der Klägerin in der strittigen Zeit war, weil nur der Beklagte Rechtsmittel eingelegt hat und die Klägerin nicht mehr als die vom LSG zugesprochene Erhöhung aufgrund der Nichtberücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen erhalten kann.

20

5. Dem Bedarf der Klägerin sind die Bedarfsdeckungsmöglichkeiten nach § 9 SGB II gegenüberzustellen. Hier kommt allein die Berücksichtigung von Einkommen in Betracht (§ 11 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsmarkes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.2006, BGBl I 2748, im Folgenden SGB II aF).

21

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist jedoch auch kein weiteres Einkommen, insbesondere nicht das Kindergeld für den Sohn zu berücksichtigen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind (alle) Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF) mit bestimmten Ausnahmen wie den Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und entsprechend anwendbarer Gesetze einschließlich des Bundesentschädigungsgesetzes, den Absetzbeträgen nach § 11 Abs 2 SGB II aF sowie zweckbestimmte Einnahmen, Schmerzensgeld usw(vgl § 11 Abs 3 bis 4 SGB II aF). Weitere Ausnahmen vom zu berücksichtigenden Einkommen enthält § 1 Alg II-V in ihren verschiedenen Fassungen.

22

Von daher bestehen gegen die - nicht umstrittene - Berücksichtigung der Witwenrente der Klägerin als Einkommen keine Bedenken.

23

Das für den Sohn der Klägerin von der Familienkasse gezahlte Kindergeld ist hingegen nicht als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen.

24

a) Kindergeld wurde in der strittigen Zeit ebenso wie heute nach §§ 31, 32, 62 ff Einkommensteuergesetz (EStG) gezahlt - außer in den vorliegend nicht einschlägigen Fallgestaltungen des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG), die im Wesentlichen nur Personen, die nach dem EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig oder gleichgestellt sind, also nicht im Inland ihren Wohnsitz haben, oder Vollwaisen, die für sich selbst Kindergeld beziehen, betreffen(§ 1 Abs 1, 2 BKGG). Anspruchsberechtigt für das Kindergeld ist nicht das Kind, sondern die Eltern oder ein anderer Berechtigter, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat (§ 64 EStG, auch zum Verhältnis mehrerer Berechtigter zueinander). Selbst wenn der Kindergeldberechtigte zB seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt und das Kindergeld an das Kind ausgezahlt wird (§ 74 EStG), ändert dies nichts an der Kindergeldberechtigung. Kindergeld ist daher - vorbehaltlich abweichender Normen - auch im SGB II als Einkommen der Eltern anzusehen (BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 33 f; BSG vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 54/06 R - RdNr 12 ff).

25

b) Als solche abweichende Norm ordnet für die strittige Zeit vom 1.10.2007 bis heute § 11 Abs 1 Satz 2, 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558) an: "Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird." Die Voraussetzungen dieser Regelung sind vorliegend nicht erfüllt, weil der Sohn der Klägerin mit ihr - wie ausgeführt - keine Bedarfsgemeinschaft bildete.

26

c) Eine weitere abweichende Norm enthält § 1 Abs 1 Nr 8 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 20.10.2004 (BGBl I 2622 - Alg II-V) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 22.8.2005 (BGBl I 2499), die am 1.10.2005 in Kraft getreten ist, in die Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung vom 17.12.2007 (BGBl I 2942) übernommen wurde, bis heute gilt und für die strittige Zeit anordnet, dass nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist "Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird". Die durch die Erste Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 18.12.2008 (BGBl I 2780) erfolgte Streichung des Adjektivs "volljährig" ist vorliegend ohne Bedeutung.

27

Der Beklagte meint zwar, dass die Regelung sich nur auf in Ausbildung befindliche Kinder beziehe; dass der Wortlaut der Norm eine solche Beschränkung enthält, wird jedoch auch vom Beklagten - zu Recht - nicht behauptet. Vielmehr bezieht die Regelung sich auf das Kindergeld für alle Kinder des Hilfebedürftigen, die nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen leben und an die das Kindergeld nachweislich weitergeleitet wird - ohne weitere Einschränkungen.

28

Aus der vom Beklagten angeführten Begründung des Entwurfs zu der Änderungsverordnung vom 22.8.2005 folgt nichts anderes. In dieser Begründung wird zu der umstrittenen Nr 8 ausgeführt: "Nach Nummer 8 wird das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird, anrechnungsfrei gestellt. Es ist daher bei den hilfebedürftigen Eltern, die es als Berechtigte erhalten, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Ist allerdings das volljährige Kind hilfebedürftig, ist es diesem als Einkommen zuzurechnen. Mit dem Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung vom 19. März 2001 wurde das Ziel verfolgt, den Personenkreis der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu fördernden Personen zu erweitern und die Einkommenslage der Auszubildenden zu verbessern. In diesem Zusammenhang wurde Kindergeld aus dem Einkommensbegriff des BAföG herausgenommen und damit generell anrechnungsfrei gestellt. Damit wurde der Nachteil beseitigt, dass Eltern von mit BAföG geförderten Kindern bzw. mit BAföG-Empfänger, an die das Kindergeld unmittelbar ausgezahlt wurde, zuvor vom Kindergeld nicht in voller Höhe profitieren konnten, da dieses wegen der teilweisen Anrechnung als Einkommen zu einer verminderten Förderung führte. Diese Entlastung wird nun im Falle volljähriger Kinder, an die die Eltern nachweislich das Kindergeld weiterleiten, auch im SGB II nachvollzogen. Es wird daher künftig nicht als Einkommen berücksichtigt, wenn die Eltern das Kindergeld nachweislich an die Auszubildenden weiterleiten." (abrufbar unter: www.bmwi.de).

29

Wie dieser Begründung entnommen werden kann, ist - insofern ist dem Beklagen zuzustimmen - Ausgangspunkt der umstrittenen Regelung in § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V eine Harmonisierung zwischen dem SGB II und dem BAföG. Denn mit der Regelung soll die Nichtberücksichtigung des Kindergelds beim BAföG auf das SGB II in den Fällen übertragen werden, in denen das Kindergeld an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird.

30

Dass diese Regelung auf Kinder beschränkt sein soll, die BAföG beziehen, ist jedoch nicht nur dem Wortlaut der Nr 8 nicht zu entnehmen, vielmehr steht dem auch die angeführte Begründung entgegen. Denn deren dritter Satz lautet: "Ist allerdings das volljährige Kind hilfebedürftig, ist es diesem als Einkommen zuzurechnen." Dieser Satz ist nur dann sinnvoll, wenn das Kind nicht BAföG bezieht, sondern ggf selbst hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII ist, womit auch in der Begründung der Änderungsverordnung entgegen der Ansicht des Beklagten davon ausgegangen wird, dass die Regelung sich gerade nicht nur auf Kinder bezieht, die sich in der Ausbildung befinden (vgl zum Verhältnis von BAföG-Bezug und Leistungen nach dem SGB II nur § 7 Abs 5 SGB II aF).

31

Die von dem Beklagten aufgestellte weitere Voraussetzung, dass das Kind "wirtschaftlich selbstständig" ist, ist weder dem Normtext noch der Begründung zu entnehmen.

32

d) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V, dass das Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird, sind vorliegend erfüllt. Denn der volljährige Sohn der Klägerin wohnte in der strittigen Zeit, wie oben festgestellt, nicht im Haushalt der Klägerin. Daran ändern auch die zeitweisen Besuche des Sohnes an jedem zweiten Wochenende und den Ferien nichts. Die Klägerin hat das Kindergeld für ihren Sohn auch an diesen weitergeleitet, denn das Kindergeld wurde nach den von Seiten des Beklagten nicht gerügten Feststellungen des LSG auf ein Konto des Sohnes eingezahlt und ausschließlich für diesen verwandt.

33

e) Dass das Kindergeld vom Sozialhilfeträger nicht auf den Bedarf des Sohnes angerechnet wurde, ändert nichts an der Nichtberücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Klägerin nach dem SGB II.

34

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Auferlegung der Verschuldenskosten von Seiten des LSG gegenüber dem Beklagten ist aufzuheben (§ 192 Abs 3 Satz 2, Abs 1 SGG), weil in dem Rechtsstreit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Auslegung des § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V zu klären war.

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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 24. Juli 2017 - L 7 AS 462/17 B ER

bei uns veröffentlicht am 24.07.2017

Tenor I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19. Mai 2017 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe I. Der Antragsteller und Besch

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Sept. 2014 - L 16 AS 813/13

bei uns veröffentlicht am 17.09.2014

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. Oktober 2013 wird zurückgewiesen. II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Referenzen

(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

1.
Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10 Euro nicht übersteigen,
2.
(weggefallen)
3.
Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie 100 Euro kalenderjährlich nicht übersteigen,
4.
nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung,
5.
bei Soldaten der Auslandsverwendungszuschlag,
6.
die aus Mitteln des Bundes gezahlte Überbrückungsbeihilfe nach Artikel IX Abs. 4 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II S. 1190) an ehemalige Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften und nach Artikel 5 des Gesetzes zu den Notenwechseln vom 25. September 1990 und 23. September 1991 über die Rechtsstellung der in Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte und zu den Übereinkommen vom 25. September 1990 zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 3. Januar 1994 (BGBl. 1994 II S. 26) an ehemalige Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften in Berlin,
7.
nach § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbrauchspreise,
8.
Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird,
9.
bei Beziehenden von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, soweit sie einen Betrag von 100 Euro monatlich nicht übersteigen,
10.
nach § 3 Nummer 11a oder 11b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen aufgrund der COVID-19-Pandemie sowie den Leistungen nach § 3 Nummer 11a des Einkommensteuergesetzes entsprechende Zahlungen aus den Haushalten des Bundes und der Länder,
11.
Verpflegung, die außerhalb der in den §§ 2, 3 und 4 Nummer 4 genannten Einkommensarten bereitgestellt wird,
12.
Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3 100 Euro nicht überschreiten,
13.
die auf Grund eines Bundesprogramms gezahlten Außerordentlichen Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2. November 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen entstanden sind (Novemberhilfe und Dezemberhilfe),
14.
die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse, die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III gezahlt werden,
15.
Hilfen zur Beschaffung von Hygiene- oder Gesundheitsartikeln, die auf Grund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die vom Deutschen Bundestag gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes festgestellt worden ist, aus Mitteln des Bundes oder der Länder gezahlt werden,
16.
in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 30. Juni 2023 erzielte Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden, soweit diese einen Betrag in Höhe von 2 400 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben.

(2) Bei der § 9 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde liegenden Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte an mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Hilfebedürftige Leistungen erbringen, sind die um die Absetzbeträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Betrags des nach § 20 Absatz 2 Satz 1 maßgebenden Regelbedarfs zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinausgehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(3) Die Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch ist teilweise nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie auf Grund eines in Ausübung der Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlittenen Gesundheitsschadens erbracht wird. Dabei bestimmt sich die Höhe des nicht zu berücksichtigenden Betrages nach der Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent beträgt der nicht zu berücksichtigende Betrag zwei Drittel, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 Prozent ein Drittel der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.

(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. Juni 2011 und des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. März 2009 aufgehoben. Die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 9. Januar 2008 und vom 17. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2008 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für September 2007 in Höhe von 20 Cent, die sich nach ihrem Vorbringen allein aus Rundungsdifferenzen ergeben.

2

Der Beklagte bewilligte der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 9.1.2008 ua für September 2007 Leistungen in Höhe von 624,80 Euro (Regelleistung und Mehrbedarf für werdende Mütter in Höhe von 376,50 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 248,30 Euro). Mit ihrem Widerspruch machte sie (anwaltlich vertreten) die mangelnde Begründung des Bescheides und die unzutreffende Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (im Folgenden: alte Fassung) geltend. Im Hinblick auf die zuvor der Höhe nach unzutreffend abgesetzte Warmwasserpauschale bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 17.9.2008 für September 2007 insgesamt 625,74 Euro (Regelleistung und Mehrbedarf wie bisher, daneben Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 249,24 Euro). Die Nachzahlung von 94 Cent werde auf das Konto der Klägerin überwiesen. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.9.2008 zurück. Eine Auf- und Abrundung hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung finde nicht statt. Insoweit seien gemäß § 22 Abs 1 SGB II die tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit sie angemessen seien.

3

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Nordhausen erhoben und dabei beantragt, ihr unter Änderung der genannten Bescheide "höhere Leistungen (Rundungsregelung)" zu bewilligen. Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 9.3.2009). Aus der Anwendung der Rundungsregelung ergebe sich ein weiterer Leistungsanspruch in Höhe von 20 Cent. Das Thüringer Landessozialgericht (LSG) hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten die Berufung zugelassen und diese sodann mit Urteil vom 23.6.2011 zurückgewiesen. Die Klage sei zulässig. Allein ein geringer Streitwert lasse das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 24.3.2011 - 1 BvR 1737/10 - NJW 2011, 2039). Im Übrigen habe der Beklagte keine derartigen Bedenken hinsichtlich des Berufungsverfahrens, ohne dass ein Differenzierungsgrund ersichtlich sei. Die Klage sei auch begründet, denn der Klägerin stünden für den Monat September 2007 nach § 41 Abs 2 SGB II aF um 26 Cent höhere Leistungen zu. Ihr Gesamtanspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 625,74 Euro sei nach § 41 Abs 2 SGB II aF auf einen vollen Euro Betrag um 0,26 Euro auf 626 Euro aufzurunden. § 41 Abs 2 SGB II aF enthalte ein subjektiv-öffentliches Recht des Betroffenen auf Aufrundung und stelle keine Vorschrift dar, deren Beachtung im Belieben der Verwaltung stehe, was das LSG im Einzelnen ausgeführt hat. Der Beklagte habe auch die außergerichtlichen Kosten zu tragen. Eine abweichende Entscheidung aus Billigkeitsgesichtspunkten zu seinen Gunsten sei nicht geboten, da bereits seit mehreren Jahren in den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (, Hinweis auf BSG Urteil vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R - juris RdNr 52; Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 35; Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28 RdNr 15) ausdrücklich auf die Vornahme der Rundung hingewiesen worden sei.

4

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten. Er ist der Ansicht, für die Klage auf einen Bagatellbetrag bestehe kein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. Der möglicherweise bestehende Anspruch stehe in keinem Verhältnis zu den Kosten für die Bereithaltung der Justiz. Zudem würde ein vernünftig und rational handelnder Beteiligter keinen Rechtsanwalt beauftragen und so zusätzlich ein Kostenrisiko eingehen. Die Urteile der Vorinstanzen verletzten zudem materielles Recht. § 41 Abs 2 SGB II aF vermittele kein subjektives öffentliches Recht, denn er diene nicht dem Schutz der Individualinteressen.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. Juni 2011 und des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. März 2009 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 9. Januar 2008 und vom 17. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2008 abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Verurteilung zur Zahlung weiterer 20 Cent durch die Vorinstanzen verletzt den Beklagten in seinen Rechten, denn die Klage ist schon nicht zulässig.

9

1. Streitgegenstand der Revision ist - wie im Berufungsverfahren - lediglich noch die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 20 Cent für September 2007, die der Beklagte zuvor mit Bescheiden vom 9.1.2008 und vom 17.9.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.9.2008 abgelehnt hat. Die Klägerin hat sich nicht gegen das Urteil des SG gewandt, wonach sich lediglich ein Anspruch in dieser Höhe ergab. Der Beklagte ist nicht allein dadurch beschwert, dass das LSG in den Gründen davon ausgeht, es hätte sich bei zutreffender Berechnung über die Verurteilung durch das SG hinaus ein Anspruch von (weiteren) 6 Cent ergeben. Das LSG hat die Berufung des Beklagten (lediglich) zurückgewiesen und unter dem Gesichtspunkt der reformatio in peius nicht zur Zahlung von weiteren Leistungen verurteilt.

10

2. Die Revision des Beklagten ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Es fehlt - wie bereits bei Führung der Berufung - nicht am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für die Revision unabhängig davon, ob für die Klageerhebung durch die Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Das Rechtsschutzbedürfnis ist keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, sondern ergibt sich im Allgemeinen ohne Weiteres aus der formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist. Mit dem Erfordernis der Beschwer ist in aller Regel gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht (vgl Bundesgerichtshof BGHZ 57, 224, 225 = NJW 1972, 112; im Ausgangspunkt ebenso BSG Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 13). Ein sachliches Bedürfnis in diesem Sinne liegt auch vor, wenn die eigentliche Beschwer vorwiegend von der den Rechtsmittelkläger belastenden Kostenentscheidung ausgeht (vgl BGH aaO; ähnlich BVerfG 17.11.2009 - 1 BvR 1964/09 - NJW 2010, 1349 RdNr 9), selbst wenn das Rechtsmittel seinerseits nicht ausdrücklich auf die Kostenentscheidung beschränkt sein darf (vgl § 144 Abs 4, § 165 SGG).

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Zwar gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (hierzu etwa BSG Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 13). Ein solcher Fall ist vorliegend aber nicht erkennbar. Der Beklagte hat trotz der geänderten Rechtslage in § 41 Abs 2 SGB II ein Interesse an der abschließenden Klärung, ob die Inanspruchnahme der Gerichte allein wegen Beträgen, die sich aus der Anwendung der Rundungsregelungen ergeben, zulässig ist. Hierzu hat er bereits im Verfahren wegen der Zulassung der Revision vorgetragen, dass noch eine erhebliche Anzahl von Klagen anhängig sei, die nur wegen der Anwendbarkeit der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II aF geführt würden. Zum anderen ist auch im Hinblick auf § 41 Abs 2 SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453; neue Fassung ) in der Literatur nicht unumstritten, ob die Dezimalstellenberechnung nach § 41 Abs 2 SGB II nF auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung grundsätzlich Anwendung findet(bejahend Burkiczak in jurisPK-SGB II, § 41 RdNr 33; ablehnend Kapp in BeckOK-Sozialrecht, § 41 SGB II RdNr 9, Stand 1.9.2012) und wie insbesondere bei der Aufteilung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen der Bedarfsgemeinschaft zu verfahren ist (dazu Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 41 RdNr 105). Der Wortlaut stellt schließlich nach in der Literatur vertretenen Auffassungen nicht abschließend klar, ob eine Berechnung iS des § 41 Abs 2 SGB II nF jeden Berechnungsschritt erfasst(vgl Hengelhaupt aaO, RdNr 106; Burkiczak aaO). Von daher kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass sich künftig Rechtsstreitigkeiten allein gestützt auf die Anwendung der Berechnungsregelungen nicht mehr ergeben werden.

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3. Die allein unter Hinweis auf die (behauptete fehlerhafte) Anwendung der Rundungsregelungen erhobene Klage ist unzulässig. Der Klägerin steht zwar eine Klagebefugnis zu, denn sie behauptet, durch die teilweise Ablehnung einer höheren Leistung in eigenen Rechten verletzt zu sein (vgl § 54 Abs 1 Satz 2 SGG; dazu unter a). Es besteht gleichwohl kein (allgemeines) Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungsberechtigten, der mit seiner Klage ausschließlich die Verletzung der Rundungsregelung nach § 41 Abs 2 SGB II aF geltend macht(dazu unter b).

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a) Weder die Klagebefugnis als Sachurteilsvoraussetzung, die die Prozessordnung an die schlüssige Behauptung der Klägerin knüpft, in eigenen Rechten verletzt zu sein, noch die Verletzung der Klägerin in ihren Rechten als Voraussetzung für den (möglichen) Erfolg der Klage in der Sache, lassen sich im Hinblick auf die nach § 41 Abs 2 SGB II aF zur Anwendung kommenden Rundungsregelungen von vornherein verneinen. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich auch bei dem Teil des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II, der auf der Anwendung von Rundungsregelungen beruht, um ein subjektives Recht der Klägerin.

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Eine Rechtsvorschrift verlautbart dann ein subjektiv-öffentliches Recht, wenn sie nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse eines aus der Norm abgrenzbaren Kreises Privater zu dienen bestimmt ist, und wenn sie diesen Begünstigten die Rechtsmacht verleiht, die Befolgung der öffentlich-rechtlichen Pflicht von dem Hoheitsträger rechtlich verlangen zu können. Begünstigungen, die diesen Kriterien nicht genügen, sind dagegen bloße Rechtsreflexe (vgl etwa BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 4 R 71/06 R - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 32 mwN).

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Die sich aus der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II aF ergebenden Vor- bzw Nachteile seitens des Leistungsberechtigten betreffen unmittelbar dessen durch das SGB II begründete Rechtsposition. Die Folgen der Rundung für den Einzelnen sind nicht bloßer (wirtschaftlicher) Reflex der Regelung. Der Fall der Abrundung macht deutlich, dass es sich um einen (wenn auch wirtschaftlich kaum fassbaren) Eingriff in eine Rechtsposition handelt. Mit seinem Vorbringen verkennt der Beklagte, dass die Frage, ob für eine Eingriffsnorm (hier die Abrundung) ein rechtfertigender Grund denkbar ist, nicht damit beantwortet werden kann, dieser Norm (wegen der Geringfügigkeit des Eingriffs) einen subjektiven Charakter abzusprechen und allein auf das gesetzgeberische Ziel der Verwaltungsvereinfachung abzustellen. Zu prüfen ist gerade, ob der geringfügige Eingriff auch in existenzsichernde Leistungen sich durch das ihm gegenüberstehende gesetzgeberische Ziel rechtfertigen lässt, die Auszahlung von Bagatellbeträgen zu vermeiden. Dies hat das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits bejaht, worauf das LSG zutreffend hinweist (vgl etwa BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 35).

16

b) Die Klage ist aber unzulässig, weil es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Ein Klagebegehren, das aus Sicht der Klägerin denkbar allein auf die Verletzung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II aF gestützt werden kann und mit dem folglich nur die in dieser Rundungsregelung zum Ausdruck kommende Beschwer (allenfalls 50 Cent pro Monat der Bewilligung von Leistungen) geltend gemacht wird, rechtfertigt für sich genommen die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes nicht.

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Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl BVerfG vom 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43 <58>). Gleichwohl kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis, abhängig gemacht werden (vgl nur BVerfG vom 5.12.2001 - 2 BvR 1337/00 - BVerfGE 104, 220, 232 mwN). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Sie verlangt vom Kläger, dass er ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann, das dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Rechtspflege gegenüber gestellt werden kann. Letztlich geht es um das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, Vor § 51 RdNr 16a, 19; Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 22. Aufl 2011, Vorb § 40, RdNr 74 ff; dazu auch Schmieder, Zeitschrift für Zivilprozess Band 120 <2007>, 199, 212; Kapsa, Die Regel "Minima non curat praetor" im Lichte des Verfassungsrechts, in: Der verfaßte Rechtsstaat, Festgabe für Karin Großhof/Heidelberg 1998).

18

Die Höhe der geltend gemachten Forderung führt allerdings nicht schlechterdings und für sich allein betrachtet zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses. Über die Frage, ob eine Forderung rechtlich anerkannt wird, hat grundsätzlich das materielle Recht, nicht das Prozessrecht zu entscheiden. Dessen Aufgabe ist es, die Verwirklichung aller materiellen Ansprüche in einem staatlichen Verfahren sicherzustellen, auch wenn sie geringfügig sind. Daraus, dass der Kläger auf Leistung an sich klagt und somit jedenfalls niemand anderes als der - vermeintliche - Inhaber des eingeklagten materiellen Anspruchs um Rechtsschutz nachsucht, ergibt sich auch das "objektive" Interesse der Rechtsordnung an der Inanspruchnahme des Gerichts. Das Rechtsschutzinteresse an einer vom vermeintlichen Inhaber des behaupteten Anspruchs erhobenen Leistungsklage fehlt deshalb nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen (vgl etwa Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 81, 164, 165 f).

19

Dem entspricht auch die prozessuale Behandlung von Ansprüchen nach dem SGB II. Insbesondere die differenzierten Regelungen zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen (§§ 9, 11, 12 SGB II) gerade in Bedarfsgemeinschaften (vgl § 7 Abs 3, § 9 Abs 2 SGB II) machen es für den Leistungsberechtigten schwierig, schon bei Klageerhebung zu erkennen, welche Auswirkungen sich im Falle seines Obsiegens im Einzelnen auf seinen Leistungsanspruch ergeben. Von daher haben die für das Recht der Grundsicherung zuständigen Senate das Begehren gerichtet auf höhere Leistungen dem Grunde nach als zulässig angesehen (vgl allgemein zur Zulässigkeit eines Grundurteils BSG SozR 3-1500 § 141 Nr 8 S 11; zum Grundurteil im Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II nur Urteil des 7b. Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 16). Voraussetzung für dessen Zulässigkeit ist allein, dass sich aus dem vom Kläger formulierten Klagebegehren, ein höherer (wenngleich nicht bezifferter) Anspruch auf Leistungen ergibt, ohne dass ein bestimmter Wert im Sinne einer allgemeinen "Erheblichkeitsschwelle" zu fordern wäre.

20

Die Funktionsfähigkeit gerichtlichen Rechtsschutzes darf allerdings nicht durch Verfahren in Frage gestellt werden, in denen es bei Erhebung einer Anfechtungs- und Leistungsklage gerichtet auf höhere Leistungen dem Grunde nach dem Leistungsberechtigten nach dem SGB II isoliert um die Anwendung der Rundungsregelungen geht. Wie bereits dargelegt wird zwar (auch) insoweit die individuelle Rechtsposition des Leistungsberechtigten unmittelbar geregelt. Es verbleibt aber selbst im Bereich existenzsichernder Leistungen ein "Bagatellbereich" dort, wo der Gesetzgeber nicht aus Gründen der Existenzsicherung des Einzelnen, sondern zur Vereinfachung verwaltungsinterner Abläufe (und damit letztlich zur Beschleunigung der Auszahlung existenzsichernder Leistungen) bei der Berechnung der Leistung entsprechende Regelungen erlässt. Das mit Klageerhebung hierauf beschränkte Begehren auf Leistungen im Centbereich lässt die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtschutz objektiv nicht gerechtfertigt erscheinen, denn es geht der Klägerin erkennbar nicht um einen eigenen wirtschaftlich sinnvollen Vorteil. Dass der Gesetzgeber insoweit seinen Spielraum überschritten hätte, indem er mit 49 Cent (für den Fall der Abrundung) einen zu hohen Betrag als der Rundung zugänglich ansieht, ist nicht im Ansatz ersichtlich und ist auch von der Klägerin (die sich nicht gegen eine Abrundung wehrt) nicht behauptet worden. Das Gericht braucht auf eine solche, von vornherein unzulässige Klage hin nicht zu überprüfen, ob sich andere Sachverhalte und Regelungen finden lassen, die einen höheren Anspruch des Leistungsberechtigten stützen.

21

Demgegenüber tritt der Gedanke zurück, der Beklagte könne sich systematisch zur Kostenersparnis auf eine rechtswidrige Rundungspraxis zurückziehen. Der Beklagte unterliegt als Träger der Grundsicherung dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG). Im Privatrechtsverhältnis ist nicht von der Hand zu weisen, dass die fehlende Durchsetzbarkeit von Kleinstbeträgen vor Gericht den Schuldner veranlassen könnte, bewusst kleine Abzüge zu machen und damit einen "Rabatt von Amts wegen" zu erhalten. Dieser Gesichtspunkt prägt die Diskussion um die Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Erheblichkeit als Zulässigkeitsschranke aus dem Rechtsgedanken "de minimis non curat praetor" im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren (befürwortend zuletzt Schmieder, Zeitschrift für Zivilprozess Band 120 <2007>, 199; dagegen die ganz herrschende Meinung, vgl etwa Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, Vor § 253 RdNr 18d mwN). Demgegenüber macht die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsstreit einen entscheidenden Unterschied aus. Es ist von Verfassungs wegen auszuschließen, dass der Beklagte sich um der daraus folgenden Einsparung willen bewusst gesetzeswidrig verhält. Andernfalls wäre - auch insoweit zur Aufrechterhaltung der Effizienz der Gerichtsbarkeit - ein Eingreifen der zuständigen Rechts- und Fachaufsicht geboten.

22

Es mag zweifelhaft sein, ob in der Zeit von Inkrafttreten des SGB II zum 1.1.2005 bis zur Änderung der Berechnungsvorschriften zum 1.4.2011 die bei Anwendung der Rundungsregelung offenkundig gewordenen Umsetzungsprobleme von Gesetzgebung und Verwaltung ausreichend berücksichtigt worden sind (zur Notwendigkeit der Änderung des § 41 Abs 2 aus Sicht des Gesetzgebers vgl BT-Drucks 17/3404 S 115). Zutreffend weist das LSG darauf hin, dass offenbar in erster Linie die softwarebedingten Vorgaben zu einer Vielzahl von fehlerhaften Rundungen - auch zu Lasten der Träger - geführt haben (dazu auch Schnitzler ZFSH/SGB 2011, 335; zur Problematik solcher softwarebedingten Vorgaben, die zur Begrenzung von sachlichen Entscheidungsspielräumen führen, bereits BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 RdNr 180). Vor diesem Hintergrund ist § 41 Abs 2 SGB II in seiner neuen Fassung mit übergangsweise geltenden, abweichenden Maßgaben in Kraft getreten, die ausreichend Zeit für die technische Anpassung gewährleisten sollen(vgl § 77 Abs 14 SGB II und dazu BT-Drucks 17/3404 S 119). Dem Gesetzgeber war also offenbar nicht nur die unklare Gesetzeslage, sondern auch die Problematik der technischen Umsetzung entsprechender Berechnungsregelungen bekannt.

23

Dem einzelnen Leistungsberechtigten kommt aber nicht allein deshalb ein Rechtsschutzinteresse zu, weil strukturelle Fehler im Vollzug des Gesetzes erkennbar werden. Das macht der Ausschluss der Popularklage im SGG ebenso wie den anderen Verfahrensordnungen deutlich. Ein Einzelner kann eine Klage nicht nur führen, um sich zum Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit am korrekten Vollzug der Gesetze zu machen. Im Einzelfall muss ein darüber hinausgehendes allgemeines Rechtschutzinteresse hinzukommen um zu verhindern, dass gerade im hoch belasteten Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur aus Rechthaberei Prozesse geführt werden.

24

Schließlich bedeutet das vorliegende Ergebnis nicht, dass die entsprechenden Rechtsfragen durch Gerichte schlechterdings nicht geklärt werden könnten. In Rechtsstreitigkeiten, die zulässigerweise auf eine höhere Leistung gerichtet sind, ist auch der Anspruch auf Rundung zu beachten und hierüber zu entscheiden. Dementsprechend sind im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits eine Reihe von Entscheidungen des BSG ua auch zur Anwendung der Rundungsregelung ergangen (etwa BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 37; BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 35; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 23/06 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 3 RdNr 25; im Einzelnen zur Rechtsprechung Padé, SozSich 2009, 111).

25

Mit diesem Ergebnis sieht sich der Senat nicht in Widerspruch zu der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BVerfG zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ( zur Bewilligung von PKH in Angelegenheiten des SGB II insbesondere Beschlüsse vom 24.3.2011 - 1 BvR 1737/10 - NJW 2011, 2039 und - 1 BvR 2493/10 - ZFSH/SGB 2011, 475 = NZS 2011, 775). Die dortigen Beschwerdeverfahren sind zur Klärung des Umfangs der in Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit ergangen und lassen keine Aussage dazu erkennen, ob und in welchen Fällen ein Rechtsschutzbedürfnis wegen eines Bagatellstreitwertes entfallen könnte. Im Übrigen liegt der mögliche Streitwert wegen der Anwendung von Rundungsregelungen erheblich unter den Werten, die in den dortigen Verfahren von den Landessozialgerichten als Bagatellwert angesehen worden sind (42 Euro). Dies gilt erst recht für denkbare Klagen gestützt auf die fehlerhafte Anwendung von § 41 Abs 2 SGB II nF.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Mai 2007 bis März 2008.

2

Die 1971 geborene Klägerin ist erwerbsfähig, ledig und hat zwei Kinder. An der Pflege und Erziehung der 1991 geborenen Tochter J und des 2003 geborenen Sohnes F sind deren Väter nicht in nennenswertem Umfang beteiligt. Die Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter (geb 1947), ihrem Vater (geb 1943), ihrer Schwester (geb 1969) und den beiden Kindern in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Im Erdgeschoss finden sich drei - im streitigen Zeitraum von den Eltern genutzte - Räume (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer) sowie eine von allen Bewohnern genutzte Küche. Die Klägerin, ihre beiden Kinder und die Schwester bewohnten im Obergeschoss jeweils einen Wohnraum. Außerdem gab es dort ein gemeinschaftlich genutztes weiteres Bad.

3

Die Klägerin, ihre Kinder sowie die Eltern und die Schwester bezogen ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte nahm weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft an und berücksichtigte bei der Klägerin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Für den streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.3.2008 bewilligte er SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 353,61 Euro (Regelleistung in Höhe von 318,23 Euro; Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 35,38 Euro) ohne Mehrbedarf für Alleinerziehende (Bescheid vom 20.4.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.9.2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007).

4

Nach Anhörung der Klägerin sowie ihrer Eltern zum Umfang der Pflege und Erziehung der Kinder hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20.4.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.5.2008 den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 124,20 Euro für die Monate Mai und Juni 2007 sowie in Höhe von monatlich 124,92 Euro für die Monate Juli 2007 bis März 2008, insgesamt 1372,68 Euro, zu gewähren (Urteil vom 17.6.2010).

5

Das LSG hat die Berufung des Beklagten nach erneuter Vernehmung der Eltern der Klägerin sowie ihrer Schwester als Zeugen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des SG-Urteils dahin geändert wird, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 dem Grunde nach verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum 31.3.2008 höhere, in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zu gewähren(Urteil vom 11.8.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin habe im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Bewilligung von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllt. Sie sei erwerbsfähig und hilfebedürftig; über anderweitiges anrechenbares Einkommen oder zu berücksichtigende Vermögenswerte verfüge die Klägerin nicht. Sie habe mit ihren Eltern und ihrer Schwester nicht in einer Haushaltsgemeinschaft iS von § 9 Abs 5 SGB II gelebt. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" habe nicht stattgefunden. Neben dem Regelleistungsbedarf sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum zumindest mit einem Kind unter sieben Jahren zusammengelebt und allein für dessen Pflege und Erziehung gesorgt habe. Sie habe ihren Sohn (wie im Übrigen auch J) ohne wesentliche, dem typischen Pflege- und Erziehungsbeitrag ihrer Väter entsprechende Beteiligung Dritter versorgt und erzogen. Der Auffassung des Beklagten, dass (bereits) bei einem Ausgleich von Erschwernissen durch Dritte, die Alleinerziehende träfen, die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs nicht erfüllt seien, könne nicht gefolgt werden. Orientiere man sich allein an dem Zweck der Mehrbedarfsregelung (weniger Zeit zum preisbewussten Einkauf, höhere Aufwendungen für Kontaktpflege zur Unterrichtung in Erziehungsfragen) wäre der Bedarf im konkreten Fall zwar nicht zu erhöhen, weil es eine gelegentliche, zeitlich begrenzte Fürsorge für die Kinder durch die Großeltern und die Tante gegeben habe und allein durch deren Anwesenheit Freiräume eröffnet gewesen seien, die es der Klägerin erlaubt hätten, den beschriebenen Bedarfslagen ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand gerecht zu werden. Jedoch sei eine allein auf Sinn und Zweck des Mehrbedarfs gestützte Auslegung nicht tragfähig, weil die zum Vierten BSHG-Änderungsgesetz dargelegten, vom BSG aufgegriffenen Bedarfslagen regelhaft nicht bestünden. Es ließen sich aber nur in geringem Umfang Fallgruppen bezeichnen, in denen die vom historischen Gesetzgeber genannten Bedarfslagen aufträten; in der überwiegenden Zahl der Fälle bzw den von § 21 Abs 3 SGB II erfassten Familien- und Alterskonstellationen sei dies nicht bzw nicht mehr der Fall. Preisvergleiche seien im Computerzeitalter sekundenschnell per Mausklick möglich, Lebensmitteldiscounter heutzutage von fast jedem Haushalt gut erreichbar und auch die "Befriedigung von Informations- und Kontaktbedürfnissen" bei der inzwischen nahezu flächendeckenden Verbreitung von Flatrates für Telefon und Internetzugang regelmäßig nicht mehr mit Mehrkosten verbunden. Aus Kostengesichtspunkten mache die Zuerkennung eines allgemeinen Mehrbedarfs für Alleinerziehende unter Berücksichtigung gegenwärtiger Lebensverhältnisse nur insofern Sinn, als der alleinerziehende Elternteil eines Kleinkindes oder mehrerer Kleinkinder gelegentlich auf Babysitterdienste angewiesen sei.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF. Die vom LSG bei der Auslegung des § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zugrunde gelegte Annahme einer wesentlichen Mitwirkung bzw Unterstützung in erheblichem Umfang bei der Erziehung bis hin zum gleichwertigen Erziehungsanteil anderer Personen könnten unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm nicht gefordert werden. Nur wenn die Familie derart zerrüttet sei, dass eine Inanspruchnahme der jeweils anderen Familienmitglieder schon aus psychischen und emotionalen Gründen ausscheide, sei die Bedarfssituation anders zu beurteilen. Entgegen der Wertung der Zeugenaussagen durch das SG und das LSG stehe nicht fest, dass die Großeltern der Klägerin und deren Schwester nicht an der Erziehung der Kinder in dem hier fraglichen Zeitraum mitgewirkt hätten. Die Bekundungen der Klägerin und ihrer Mutter seien nicht glaubhaft und wirkten verfahrensangepasst. Für ein enges Zusammenleben der Klägerin mit ihren Eltern und der Schwester sprächen bereits die Wohnverhältnisse. Es müsse im Ergebnis und unter Würdigung der Zeugenaussagen und der Wohn- und Lebensverhältnisse der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie sowohl von ihren Eltern als auch von ihrer Schwester bei der Pflege und Erziehung der Kinder mindestens in dem Umfang unterstützt werde, wie eine tagsüber anwesende und die Hauptlast bei der Pflege und Erziehung tragende Mutter durch den etwa aus Gründen der Berufstätigkeit tagsüber oder sogar wochenweise abwesenden (Ehe)Partner. Es liege eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG vor, weil eine Ungleichbehandlung zwischen Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits bestehe.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte kommentiere das Urteil ohne Beweisangebote dafür, dass ihre Aussagen und die ihrer Eltern nicht den Tatsachen entsprächen. Der Anspruch auf Mehrbedarf sei nachgewiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 rechtswidrig ist, weil die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hat.

11

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur (noch) der den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.4.2007 in vollem Umfang ersetzende Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 hinsichtlich der hier allein streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese können - insbesondere hinsichtlich des Mehrbedarfs - nicht in weitere unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 14; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 10).

12

2. Gegen die bezeichneten Bescheide wendet sich die Klägerin zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm Abs 4, § 56 SGG). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Grundurteil zulässig ist. Mit ihrem Antrag im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen konkreten Leistungsantrag (mehr) gestellt, sondern nur dem Grunde nach höhere Leistungen beantragt (§ 130 SGG). Dass sie sich hierfür allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende bezieht, beinhaltet keinen konkret bezifferten Leistungsanspruch, sondern enthält nur ein Begründungselement für das Begehren auf höhere Leistungen. Gegenstand des Verfahrens ist daher, ob in dem hier streitigen Zeitraum insgesamt ein Anspruch auf höhere Leistungen bestand, wobei die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist (BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Die weiteren Voraussetzungen für ein Grundurteil in einem Höhenstreit liegen vor, wenn eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs zugrunde liegt, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, weil die Beschränkung der Prüfung auf eine Rechtsfrage oder einzelne Rechtsfragen ansonsten einer unzulässigen Elementenfeststellung gleichkäme (BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 17). Dies ist hier der Fall. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II (Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) in dem streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt und - neben dem Kindergeld - weiteres Einkommen und Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, sodass die Anerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit höheren Leistungen verbunden ist.

13

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hatte. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist gemäß § 21 Abs 3 SGB II ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben(Nr 1), oder in Höhe von 12 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach der Nr 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung(Nr 2). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur Regelleistung zu gewährender Bestandteil des Alg II.

14

Die Anspruchsvoraussetzung der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt. Dabei ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - RdNr 15). Der Senat hat bei dieser Auslegung des Begriffs der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" und die insofern zu stellenden Anforderungen auf die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehenden Bezug genommen, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15). Solche besonderen Lebensumstände hat der Senat ausgehend von den Gesetzesmaterialien zur Einführung und zum Zweck der entsprechenden Regelung im BSHG (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 "vor allem") exemplarisch darin gesehen, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten. Auch der Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liege darin, den höheren Aufwand von Alleinerziehenden für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 1; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 23.2.2011 - L 11 AS 40/09 - juris RdNr 26; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 13.5.2008 - L 9 AS 119/08 ER - juris RdNr 17; Lang/ Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 26; kritisch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 11/2010, § 21 RdNr 19 und Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 RdNr 31 ff, Stand Mai 2011).

15

4. Soweit der Beklagte mit seiner Revision diese am Wortlaut, aber auch der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung des Merkmals der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" rügt, sieht der Senat keine Veranlassung zur Korrektur seiner Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht des LSG sind die vom BSG formulierten Anforderungen an eine alleinige Sorge für Pflege und Erziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II auch nicht unter teleologischen Gesichtspunkten grundsätzlich in Frage zu stellen.

16

Die Beantwortung der komplexen Fragestellung, ob wegen eines Wandels der tatsächlichen Lebensumstände die vom Gesetzgeber bei Einfügung der Regelung in das BSHG typisierend und beispielhaft angenommenen Bedarfslagen bei Alleinerziehenden tatsächlich nicht (mehr) bzw nicht mehr in der pauschalierend angenommenen Höhe existieren, obliegt dem Gesetzgeber. Wollte dieser den Mehrbedarf für Alleinerziehende anders fassen, ist zu beachten, dass sich Pauschalen, die an die Stelle eines ganz oder teilweise zu berücksichtigenden konkreten Aufwandes treten, nicht an einem hier vorliegenden atypischen Fall orientieren dürfen und "realitätsgerecht" so bemessen sein müssen, dass die typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (BVerfGE 112, 268, 281 zur Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten alleinstehender Erwerbstätiger; BVerfGE 120, 125 ff, 166). Eine hohe "Treffergenauigkeit" ist gefordert, wenn es - wie hier - um pauschalierte Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht. Diese Leistungen müssen auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen (zB auch durch Einholung des Rats von Experten - BVerfGE 113, 167 ff, 241) und vertretbaren Einschätzungen beruhen. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167 ff, 215). Dass sich der Gesetzgeber - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II aF erfassten Bedarfslagen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - für eine pauschale Leistungserbringung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende in einer gesetzlich festgelegten Höhe entschieden hat, ist eine solche gesetzgeberische Entscheidung. Soweit der Beklagte eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG wegen Ungleichbehandlung von Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits rügt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit dem Merkmal der bzw des Alleinerziehenden einen Sachgrund für die Leistungsdifferenzierung angeführt hat.

17

5. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der Anspruch der Klägerin auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese hätte wegen der Wohnverhältnisse im Bedarfsfall auf die Unterstützung ihrer Eltern oder ihrer Schwester zugreifen können. Nach seinem Sinn und Zweck geht § 21 Abs 3 SGB II typisierend von einem regelmäßigen Mehrbedarf bei Alleinerziehenden aus, weshalb - nach den tatsächlichen Verhältnissen - nur eine regelmäßige und erhebliche Unterstützung bei der Pflege und Erziehung der Kinder durch weitere Personen einem Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende entgegenstehen kann(so auch Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 29). Allein die (potentielle) Möglichkeit des Rückgriffs auf andere Personen oder Einrichtungen führt nicht zum Anspruchsausschluss. Auch insofern liegt eine von SGB II-Trägern und der Rechtsprechung zugrunde zu legende gesetzgeberische Wertung vor, die Verneinung des Anspruchs auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende allein von der tatsächlichen und ergänzend kontinuierlichen Erziehung und Pflege durch weitere Personen abhängig zu machen. Diese Auslegung findet ihre Rechtfertigung in der Bedeutung der persönlichen Sorge der Eltern und deren Kompetenz zur Auswahl von Betreuungsalternativen für das Kindeswohl.

18

Soweit der Beklagte vorträgt, bezüglich des zeitlichen Umfangs dürften keine zu hohen Anforderungen an die Betreuungsleistungen aufgestellt werden, weil ansonsten auch der Besuch eines Kindergartens bzw anderer Betreuungseinrichtungen zur Verneinung eines Mehrbedarfs bzw die berufliche Abwesenheit eines vorhandenen Partners zu dessen Bejahung führe, ist der rechtliche Maßstab für die Annahme eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 3 SGB II betroffen. Dieser bestimmt sich danach, ob nach den tatsächlichen Umständen eine wesentliche Mitwirkung des anderen Elternteils, eines Partners oder einer anderen, regelmäßig im gleichen Haushalt lebenden Person in der verbleibenden Betreuungszeit vorliegt. Insofern geht das SGB II davon aus, dass mit der Betreuung eines über drei Jahre alten Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege die Ausübung einer Arbeit oder berufliche (Re-)Integrationsmaßnahmen zumutbar sind (§ 10 Abs 1 Nr 3 SGB II), sodass "zeitliche Freiräume" der oder des erziehenden SGB II-Leistungsempfängers nicht unterstellt werden können.

19

6. Ausgehend von den demnach hier anzuwendenden Grundsätzen der bisherigen BSG-Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hier vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Eltern der Klägerin hätten im Wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass diese seinerzeit nahezu allein insbesondere für die Ernährung, die Bekleidung, die Erziehung und das seelische Wohl ihrer Kinder zuständig gewesen und dabei von ihren Eltern oder ihrer Schwester nicht in erheblichem Maße unterstützt worden sei. Die Klägerin sei frühmorgens aufgestanden, um F für den Kindergarten fertig zu machen, sie habe die Mahlzeiten für F und J vorbereitet, F mittags vom Kindergarten abgeholt, sich ausschließlich um ihn gekümmert und ihn ggf zum Einkaufen sowie bei Arzt- und Behördengängen mitgenommen. Übereinstimmend sei weiter bekundet worden, dass weder die Großeltern noch die Schwester maßgeblich an der Erziehung der Kinder beteiligt gewesen seien und die Klägerin von ihnen auch keine diesbezüglichen Ratschläge eingeholt habe. Die Verhältnisse seien stimmig und anschaulich beschrieben worden.

20

Der Beklagte ist dieser Beweiswürdigung des LSG nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen entgegengetreten (§ 164 SGG). Eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) ist nicht formgerecht gerügt, wenn die Revision lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9 S 61). Soweit es der Beklagte für "nicht glaubhaft" hält, dass keine Mitwirkung der Großeltern bei Krankheit bestehe, nur sehr wenig über alltägliche Dinge gesprochen werde und der Vater der Klägerin sich auf handwerkliche Mithilfe beschränke, stellt er seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG und führt Umstände an, die selbst bei ihrem Vorliegen nicht automatisch zu einer Verneinung des Anspruchs auf Mehrbedarf führen würden. Dies gilt auch für die Heranziehung der Wohnverhältnisse der Klägerin. Das Zusammenleben mit weiteren Personen in einer Haushaltsgemeinschaft hat der Gesetzgeber des SGB II gerade nicht ausreichen lassen, um typisierend von dem Wegfall der besonderen Lebensumstände von Alleinerziehenden auszugehen. Tatsachen, die einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründen könnten (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 15.5.1985 - 7 RAr 40/84 - RdNr 18), sind nicht vorgetragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.4.2007.

2

Die am 8.8.1986 geborene Klägerin und ihr am 10.1.1990 geborener Bruder R sind die Kinder von M O Ihr leiblicher Vater lebt mit unbekanntem Aufenthalt in A Die Mutter heiratete 1998 A O, die Klägerin und ihr Bruder tragen den Namen des Stiefvaters. Die Klägerin, ihr Bruder R, die Eheleute sowie deren am 22.1.1995 und am 27.12.1995 geborenen gemeinsamen Kinder P und Ry wohnten im streitigen Zeitraum in einem im Eigentum der Eheleute stehenden Haus mit einer Wohnfläche von 231,58 qm, für das monatliche Wohnkosten (inklusive Heizung) in Höhe von 1120,36 Euro anfielen.

3

Die Klägerin absolvierte ein Berufskolleg und anschließend bis zum 31.12.2006 ein Praktikum. Zum 1.7.2007 zog sie zu einer Freundin, nachdem ihr Stiefvater sie aufgefordert hatte, den gemeinsamen Haushalt zu verlassen. Seit dem 1.8.2007 wohnte sie wieder im Haus der Eltern, wobei nach ihrem Vortrag von diesem Zeitpunkt an die Zahlung von 385 Euro monatlich an die Eltern (185 Euro als Kosten der Unterkunft und 200 Euro als Kostgeld) vereinbart war.

4

Am 5.12.2006 beantragten die Klägerin und ihr Bruder R, die bis dahin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen hatten, bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten die Fortzahlung dieser Leistungen ab dem 1.1.2007. Die Mutter gab in diesem Zusammenhang an, sie erhalte von ihrem Ehemann monatlich 650 Euro Haushaltsgeld und 600 Euro für die Klägerin und R als Darlehen, da die Zahlungen des Beklagten nicht immer pünktlich gewesen seien. Sie habe im Übrigen kein eigenes Einkommen. Der Stiefvater erklärte, er habe die Klägerin und ihren Bruder bisher finanziell nicht unterstützt und werde dies auch weiterhin nicht tun.

5

Der Stiefvater bezog im streitigen Zeitraum ein monatliches Bruttoerwerbseinkommen in Höhe von 3819,36 Euro monatlich brutto inklusive eines Gehaltsbestandteils "Besitzstand Kind" von 362,28 Euro. Auf seiner Steuerkarte waren vier Kinderfreibeträge eingetragen. Von dem Nettobetrag in Höhe von 2536,12 Euro (nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) wurden weitere Beiträge für Vermögensbildung sowie für eine RZVK-Zusatzrente (in Höhe von 150 Euro) und ein Firmenticket (in Höhe von 47,50 Euro) abgezogen. Daneben zahlte der Dienstherr ihm Kindergeld in Höhe von monatlich insgesamt 641 Euro aus, sodass der Auszahlbetrag im Februar 2007 insgesamt 2939,62 Euro betrug. Für die übrigen Monate ergaben sich teilweise geringfügig höhere Beträge. Die Klägerin und ihr Bruder waren im streitigen Zeitraum über ihren Stiefvater in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert.

6

Der Beklagte lehnte die Anträge der Klägerin und ihres Bruders R unter Hinweis auf die Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Mutter und deren Ehemannes ab, in der der Bedarf durch das Einkommen des Stiefvaters gedeckt sei (Bescheid vom 23.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 18.4.2007).

7

Im Laufe der hiergegen von der Klägerin und ihrem Bruder R geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Köln hat der Beklagte mit angenommenem Teilanerkenntnis vom 18.12.2007 die angefochtenen Bescheide geändert und der Klägerin für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2007 monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 3 Euro bewilligt. Im Übrigen hat das SG die Klagen abgewiesen (Urteil vom 18.12.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Klägerin und ihres Bruders zurückgewiesen (Urteil vom 22.7.2010). Die Klägerin sei Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, zu der neben ihr ihre Mutter, ihr Stiefvater und ihre (Halb)Geschwister gehörten. Sie könne ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten, da sie außer dem Kindergeld über keine eigenen Einkünfte verfüge. Allerdings sei über § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II das Einkommen des Stiefvaters zu berücksichtigen. Ohne Belang sei, ob sich im Verhältnis des Stiefvaters zu ihr ein Einstandswille feststellen ließe. Die § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II zugrunde liegende Typisierung, dass für die der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Kinder ausreichende finanzielle Mittel durch das Zusammenleben mit dem Partner des Elternteils zur Verfügung stehen, treffe auf die Klägerin zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Klägerin - wie ihrem Bruder R von ihrem Stiefvater faktisch Unterhalt gewährt worden sei. Sie habe freie Unterkunft erhalten. Der Krankenversicherungsschutz sei im Rahmen der Familienversicherung sichergestellt gewesen. Der Stiefvater habe andererseits die steuerrechtlichen Möglichkeiten durch Eintragung von Steuerfreibeträgen genutzt und einen Gehaltsbestandteil "Besitzstand Kind" erhalten. Darüber hinaus habe die Mutter der Klägerin mit einem Großteil des den Klägern zustehenden Kindergeldes und weiteren 650 Euro Haushaltsgeld für sämtliche Familienmitglieder gewirtschaftet und insbesondere für die Verpflegung der gesamten Familie gesorgt. Der Stiefvater habe stets betont, dass er sich für die gesamte Familie verantwortlich fühle und lediglich finanziell nicht für die Klägerin und ihren Bruder R aufkommen wolle. Ein Indiz für die gelebte Gemeinsamkeit sei auch der gemeinsame Familienname, der nach außen keine Differenzierung zwischen den Kindern der "Patchworkfamilie" mehr möglich mache.

8

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin. Sie macht geltend, § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II verstoße so, wie ihn das LSG ausgelegt habe, gegen Verfassungsrecht. Ein Haushalt bestehe ausschließlich mit ihrer Mutter. Ihr Recht auf Sicherstellung des Existenzminimums durch den Staat aus Art 1 iVm Art 20 Grundgesetz (GG) werde verletzt. Obwohl ihr der Anspruch auf Sozialleistungen mit Verweis auf das Einkommen ihres Stiefvaters genommen werde, gebe es keine Anspruchsgrundlage zur Geltendmachung von Unterhalt ihm gegenüber. Er gewähre ihr tatsächlich aber keinen Unterhalt. Auch wenn er finanzielle Vorteile durch das Zusammenleben mit ihr habe, kompensierten diese Vorteile die Lasten nicht annähernd. Die gesetzgeberische Annahme einer uneingeschränkten Einstandspflicht des Stiefelternteils für seine Stiefkinder entspreche nicht der Lebenswirklichkeit, insbesondere wenn dieser und seine leiblichen Kinder bei einem finanziellen Einstehen für die Stiefkinder selbst auf Sozialhilfeniveau leben müssten. Die Regelung sei unverhältnismäßig. Es sei nicht ersichtlich, weshalb das gesetzgeberische Ziel, die Besserstellung unverheirateter Partner gegenüber Stiefeltern in § 9 Abs 5 SGB II alte Fassung (aF) zu beseitigen, nicht mit einer Aufnahme der unverheirateten Partner in § 9 Abs 5 SGB II aF hätte erreicht werden können. Ihre allgemeine Handlungsfreiheit werde verletzt. Solange sie mit ihrer Mutter und dem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt lebe, würden ihr staatliche Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums nicht gewährt. Überdies sei ihre Gleichbehandlung mit leiblichen Kindern unzulässig, weil ihr anders als diesen kein zivilrechtlich statuierter und durchsetzbarer Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Stiefvater zur Seite stehe.

9

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 2010 und des Sozialgerichts Köln vom 18. Dezember 2007 zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2007 in der Fassung durch das Teilanerkenntnis vom 18. Dezember 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 337,89 Euro zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er ist der Auffassung, die Klägerin sei als Volljährige anders als minderjährige Kinder in der Lage, ihren Verbleib in der Bedarfsgemeinschaft selbstständig zu bestimmen. Falls die Klägerin tatsächlich ihr Existenzminimum in der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Stiefvater gefährdet gesehen habe, sei sie rechtlich nicht gehindert gewesen, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Dann liege jedenfalls ein schwerwiegender sozialer Grund iS des § 22 Abs 2a Satz 2 Nr 1 SGB II vor. Entscheide sie sich dennoch für einen Verbleib in der Bedarfsgemeinschaft, sei dies die Kehrseite der allgemeinen Handlungsfreiheit.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet. Ein Anspruch auf (höhere) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ergibt sich nicht. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Klägerin nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihrer Mutter, deren Partner und den übrigen Geschwistern ist. Damit kommt zu ihren Lasten die Regelung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II zur Anwendung mit dem Ergebnis, dass ihr Bedarf - wie der Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft - durch das Einkommen des Stiefvaters gedeckt ist (im Einzelnen unter 2). Die zur Anwendung kommenden Regelungen verstoßen weder gegen Art 1 iVm Art 20 GG (dazu unter 3) noch gegen Verfassungsrecht im Übrigen (dazu unter 4).

13

1. Streitgegenstand sind allein höhere Leistungen an die Klägerin für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 30.4.2007. Soweit der Bruder der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren eigene Ansprüche geltend gemacht hat, ist das Verfahren nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senat mit Beschluss vom 15.12.2010 rechtskräftig abgeschlossen. Die ursprüngliche Ablehnung der Leistungen zur Gänze hat der Beklagte mit (angenommenem) Teilanerkenntnis vom 18.12.2007 dahin geändert, dass er der Klägerin vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2007 Leistungen in Höhe von monatlich 3 Euro gewährt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Streitgegenstand weitergehend auf die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.4.2007 beschränkt, nachdem die Beteiligten zuvor einen Teilvergleich betreffend den Zeitraum vom 1.5.2007 bis zum 30.6.2007 geschlossen haben. Gegenstand des Rechtsstreits ist damit nur (noch) der Bescheid vom 23.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2007. Der auf einen erneuten Antrag für Zeiträume ab dem 1.5.2007 ergangene Bescheid vom 22.6.2007, über den das LSG mitentschieden hat, ist dagegen nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, denn er trifft keine Regelung für den noch streitigen Zeitraum.

14

2. Ein Anspruch auf (höhere) Leistungen besteht für die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Die Klägerin erfüllt nach den Feststellungen des LSG zwar die in Abs 1 Nr 1, 2 und 4 genannten Voraussetzungen. Sie ist aber nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 und 2 SGB II, sodass über das die Klägerin (rechtswidrig) begünstigende Anerkenntnis des Beklagten in Höhe von 3 Euro monatlich hinaus ein Anspruch nicht besteht.

15

a) Zur Ermittlung der Hilfebedürftigkeit hat das LSG in einem ersten Schritt den monatlichen Bedarf der Klägerin im streitigen Zeitraum zutreffend ermittelt, indem es gemäß § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II in der vorliegend maßgeblichen Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (SGB II-ÄndG ) für die Klägerin als "sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft" (dazu sogleich) 276 Euro als monatliche Regelleistung zu Grunde gelegt und hierzu den auf sie entfallenden Kopfteil der Unterkunftskosten (1/6 von 1120,36 Euro) addiert hat. Von diesem Gesamtbedarf in Höhe von 462,73 Euro ist in einem ersten Schritt das für sie gezahlte Kindergeld (154 Euro abzüglich einer Versicherungspauschale) abzusetzen (vgl § 11 Abs 1 Satz 4 SGB II iVm § 3 Nr 1 Alg II-V), sodass ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 338,73 Euro verbleibt.

16

b) Den so ermittelten Bedarf kann die Klägerin zwar nicht durch eigenes Einkommen und Vermögen decken. Zutreffend hat das LSG aber entschieden, dass die Klägerin einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihren (Halb)Geschwistern nach § 7 Abs 3 Nr 1, 3 und 4 SGB II in der ab dem 1.7.2006 geltenden Fassung durch das SGB II-ÄndG angehört und deshalb das Einkommen ihres Stiefvaters nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen ist.

17

Gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den § 7 Abs 3 Nr 1 bis 3 SGB II genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen beschaffen können.

18

Eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 1 und 3 SGB II besteht - insoweit von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen - zwischen den Eheleuten O, die nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG beide im streitigen Zeitraum erwerbsfähig sind, das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und (bei gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland) nicht dauernd getrennt in einem Haushalt leben.

19

Die Klägerin gehört nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II als unter 25-jähriges, leibliches Kind eines der erwerbsfähigen Partner dieser Bedarfsgemeinschaft an, weil sie zum einen - wie bereits dargelegt - in Ansehung ihres eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig ist. Daneben ist entscheidend, dass sie dem Haushalt der Mutter (der gemeinsam mit deren Ehemann besteht) angehört, der sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt (im Einzelnen unter 3).

20

c) Der zu ermittelnde monatliche Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft beträgt 2097,36 Euro. Neben dem Bedarf der Klägerin umfasst er den Bedarf ihrer Mutter und ihres Stiefvaters in Höhe von jeweils 497,73 Euro (Regelleistung in Höhe von 311 Euro zuzüglich Unterkunftskosten), ihres Bruders R in Höhe von 308,73 Euro, ihres älteren Halbbruders in Höhe von 239,72 Euro und ihres jüngeren Halbbruders in Höhe von 214,72 Euro. Dabei ist auch bei den minderjährigen Kindern, die ihren Bedarf nicht vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen decken können, das für sie gezahlte Kindergeld bereits bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen, anders als bei der volljährigen Klägerin aber keine Versicherungspauschale abzusetzen (vgl zuletzt BSG vom 16.2.2012 - B 4 AS 89/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 mwN).

21

d) Dieser Gesamtbedarf ist durch das (bereinigte) Einkommen des erwerbstätigen Partners der Bedarfsgemeinschaft, also des Stiefvaters der Klägerin, vollständig gedeckt. Auszugehen ist vom Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 2536,12 Euro (Bruttoeinnahmen abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) bereinigt um die weiteren Absetzungen gemäß § 11 Abs 2 SGB II. Dies sind nach den Feststellungen des LSG die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 3 Abs 1 Nr 1 Alg II-V), die Kosten für die Fahrkarte in Höhe von 47,50 Euro (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II iVm § 3 Abs 1 Nr 3a Alg II-V) und Beiträge zur Riester-Rente (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II). Offen bleiben kann, ob und ggf inwieweit die Beiträge zur Riester-Rente vorliegend den in § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II in Bezug genommenen Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes (EStG) übersteigen. Das zu dessen Ermittlung erforderliche Jahreseinkommen des Vorjahres hat das LSG nicht mitgeteilt. Jedenfalls verbleibt nach Abzug des Erwerbstätigen-Freibetrages nach § 30 SGB II in Höhe von 210 Euro ein zu berücksichtigendes Einkommen von 2098,62 Euro, das den Gesamtbedarf übersteigt. Der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II in Höhe von 100 Euro geht dabei in den Absetzbeträgen nach Satz 1 Nr 3 bis 5 auf und ist nicht gesondert abzuziehen(vgl § 11 Abs 2 Satz 3 SGB II).

22

3. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG, das jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichert, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (dazu Bundesverfassungsgericht Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), ist durch die Einbeziehung volljähriger Kinder in die Bedarfsgemeinschaft ihres leiblichen Elternteils und dessen Partner und die Folgeregelungen des § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II und § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht verletzt.

23

a) Der Gesetzgeber knüpft nicht an jedes Zusammenleben von einander nicht zur materiellen Unterstützung verpflichteten Personen unter einem Dach die dargestellten Rechtsfolgen, sondern lediglich an das Zusammenleben in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zur Bedürftigkeitsprüfung im Recht der Arbeitslosenhilfe bei eheähnlichen Gemeinschaften im Ausgangspunkt als eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zu verstehen, die über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht(vgl BVerfG Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Im Anschluss an diese Rechtsprechung schließt der Gesetzgeber bei Vorliegen bestimmter typisierter (familiär geprägter) Lebensumstände auf (typisierte) Haushaltseinsparungen und Unterstützungsleistungen innerhalb der Gemeinschaft, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen. Vor dem Hintergrund der dargestellten staatlichen Verpflichtung aus Art 1 iVm Art 20 GG bedarf es indes einer besonderen Rechtfertigung, weshalb typisierend von so engen Bindungen ausgegangen werden kann, dass von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft ein Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Eine entsprechende gesetzgeberische Typisierung muss in den Lebensumständen der (ansonsten ggf) hilfebedürftigen Personen im Einzelfall ihren Niederschlag finden.

24

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt bei einem minderjährigen Kind das rechtliche Band zwischen ihm und seinem leiblichen Elternteil als Grundlage für die gesetzgeberische Typisierung, die der Einbeziehung des minderjährigen Kindes in die Bedarfsgemeinschaft zwischen erwachsenen Partnern zugrunde liegt (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7). Die gesteigerte Elternverantwortung des einen Partners gegenüber dem minderjährigen Kind (vgl § 1626 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) und das Wissen des anderen Partners um diese Pflicht werden von vornherein Grundlage des Zusammenlebens der Partner und der Lebensgestaltung in der Bedarfsgemeinschaft sein. Hieran darf der Gesetzgeber die Vermutung knüpfen, das gemeinsame Wirtschaften unter diesen Voraussetzungen beeinflusse auch die tatsächlichen Lebensumstände der minderjährigen Kinder der Partner. Kommen die erwachsenen Partner der gesetzgeberischen ("typisierten") Erwartung nicht nach, für das minderjährige Kind zu sorgen, ist (nur) zu prüfen, ob die Bedarfsgemeinschaft zwischen ihnen (fort)besteht. Nur die entsprechende partnerschaftliche Bindung zwischen den Erwachsenen, nicht auch ein gesonderter "Einstandswille" gegenüber den minderjährigen Kindern des Partners, bedarf der Überprüfung im Einzelfall.

25

bb) Auch bei volljährigen Kindern kommt als gesetzgeberische Rechtfertigung für die Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern bzw eines Elternteils, an die die Rechtsfolgen des § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II und (seit dem 1.8.2006) des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II geknüpft sind, nur das besondere Eltern-Kind-Verhältnis in Betracht. Allerdings reicht im Hinblick auf ein Eltern-Kind-Verhältnis bei volljährigen Kindern der Hinweis auf die elterliche Sorge nicht aus. Die entsprechenden Verpflichtungen der leiblichen Eltern entfallen im Grundsatz mit Vollendung des 18. Lebensjahres, auch wenn die engen Eltern-Kind-Beziehungen im Übrigen nicht kalendermäßig mit dem Eintritt der Volljährigkeit enden.

26

Für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft eines erwachsenen Kindes im Verhältnis zu seinen (leiblichen) Eltern ist damit entscheidend die Zugehörigkeit zum Haushalt des Elternteils (vgl bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23 RdNr 19). Das Bundessozialgericht (BSG) hat das Tatbestandsmerkmal der "Haushaltsaufnahme" von Kindern (das sich etwa in § 2 Abs 1 Bundeskindergeldgesetz, in § 56 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch oder in § 48 Abs 3 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch findet) im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Formulierungen umschrieben und hat insoweit zuletzt auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft abgestellt, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt (vgl zu § 48 SGB VI BSG Urteil vom 31.1.2002 - B 5 RJ 34/01 R - SozR 3-2600 § 48 Nr 6 S 33 mwN). Die Herstellung einer lediglich räumlichen Verbindung im Sinne einer Duldung der Anwesenheit in der Wohnung genügt dagegen nicht (vgl bereits BSGE 29, 292, 293; BSGE 45, 67, 69). Dieser Auslegung schließt sich der Senat für das Recht der Grundsicherung an. Ein weitergehendes Verständnis des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II dahin, dass jedes Zusammenwohnen erwachsener Kinder mit ihren Eltern unter einem Dach unterschiedslos ein entsprechendes Einstehen für einander zur Folge hat, kann vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG zur eheähnlichen Gemeinschaft nicht als verfassungsgemäß angesehen werden.

27

Dabei geht es allerdings ausschließlich um die Beschreibung der Zugehörigkeit eines volljährigen Kindes zum Haushalt des leiblichen Elternteils. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, kommt es zur Auslegung des Begriffes "Kind" in § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II unmittelbar nicht auf die in § 32 Abs 1, § 63 EStG bzw § 2 Abs 1 BKGG normierte Stief- bzw Pflegeelternbeziehung an(BSG Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 12/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 3 RdNr 14 und BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 14). Ist das Kind also in den Haushalt des leiblichen Elternteils aufgenommen, gehört es der über diesen Elternteil vermittelten Bedarfsgemeinschaft zwischen den Partnern an, ohne dass es einer weitergehenden Prüfung der familienhaften Beziehungen zwischen Kind und Stiefelternteil bedarf. Ein zusätzlicher Einstandswille seitens des Stiefelternteils ist auch bei erwachsenen Stiefkindern nicht zu fordern (vgl zum minderjährigen Kind bereits BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 30).

28

Mit dieser Auslegung des Begriffs "dem Haushalt angehörenden" Kinder werden nur solche (auch faktische) Elterngemeinschaften erfasst, in denen einerseits die Bindungen zwischen Elternteil und Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges - auch wirtschaftliches - Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 46) und in denen andererseits zumindest zwischen leiblichem Elternteil und erwachsenem Kind über das bloße Zusammenleben hinaus eine weitergehende Familienbeziehung erkennbar wird. Dies ist notwendig, aber auch ausreichend für die gesetzgeberische Annahme, dass das Existenzminimum in solchen Gemeinschaften auch durch das Einkommen und Vermögen des Stiefelternteils gesichert ist.

29

cc) Ist die Haushaltsaufnahme einmal erfolgt, kann sie vom Elternteil oder vom volljährigen Kind durch willentliches Verhalten dadurch beendet werden, das die Voraussetzungen mindestens eines der drei genannten Kriterien für die Begründung der Haushaltsaufnahme dauerhaft nicht mehr erfüllt wird (vgl erneut zu § 48 SGB VI BSG Urteil vom 30.8.2001 - B 4 RA 109/00 R - SozR 3-2600 § 48 Nr 5 S 29). Auch bei einem Zusammenleben unter einem Dach (nicht notwendigerweise in getrennten Wohnungen) kann bei erwachsenen Kindern damit von getrennten Haushalten und also zwei Bedarfsgemeinschaften auszugehen sein.

30

Dies macht der vorliegende Fall anschaulich, denn die Konflikte haben hier zumindest vorübergehend zu einer Auflösung des gemeinsamen Haushalts und damit der Bedarfsgemeinschaft geführt. Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass die mit dem SGB II-ÄndG zum 1.4.2006 bzw 1.7.2006 eingeführten, einschränkenden Regelungen des § 22 Abs 2a SGB II(nunmehr § 22 Abs 5 SGB II) und des § 20 Abs 2a SGB II(nunmehr § 20 Abs 3 SGB II) vorliegend für die Zeit ab dem 1.7.2007 keine Anwendung finden konnten. Ein Konflikt zwischen den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft, der in der (ernstlichen) Weigerung einer materiellen und/oder immateriellen Unterstützung der Eltern für ihre erwachsenen Kinder mündet, berechtigt (volljährige) Kinder und Eltern zur grundsicherungsrechtlich folgenlosen Auflösung des gemeinsamen Haushalts. Nur eine entsprechend enge Auslegung des § 22 Abs 2a SGB II wahrt die von Verfassungs wegen zu schützenden Belange der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft.

31

b) Die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Zugehörigkeit zum Haushalt ergibt auf Grundlage der Feststellungen des LSG vorliegend, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum in den Haushalt ihrer Mutter aufgenommen war. Diese Feststellungen des LSG hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mit zulässigen Rügen angegriffen.

32

Das Bestehen einer gemeinsamen Familienwohnung ist von der Klägerin eingeräumt. Die Mutter leistete auch materielle Unterstützung. Sie hat als Miteigentümerin des Hauses gemeinsam mit ihrem Mann der Klägerin dort eine kostenfreie Unterkunft eingeräumt. Sie sorgte mit dem Haushaltsgeld in Höhe von 650 Euro im Einverständnis mit ihrem Partner für die Mahlzeiten der Klägerin. Vorliegend hat im Übrigen auch der Stiefvater einen nicht unerheblichen Teil an materieller Unterstützung durch die Vermittlung eines Krankenversicherungsschutzes geleistet. Soweit er nunmehr vorträgt, die Klägerin (entgegen der Voraussetzung in § 10 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) tatsächlich nicht überwiegend unterhalten zu haben, ist dies für die vorliegende Entscheidung im Ergebnis ohne Belang. Für die Leistungsgewährung nach dem SGB II ist (wie auch für die Haushaltsaufnahme im Sinne der zitierten Rechtsprechung) unerheblich, ob und wie Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bestehen und ggf realisiert werden. Folglich können gesetzgeberische Typisierungen im SGB II nicht an das Bestehen von Unterhaltspflichten geknüpft werden (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23 RdNr 16). Deshalb ist aber auch unerheblich, ob die Klägerin im vorliegenden Fall ihrer Mutter gegenüber Unterhaltspflichten geltend machen könnte und dass solche Verpflichtungen dem Stiefvater gegenüber (unmittelbar) nicht bestehen.

33

Auch die immaterielle Zuwendung im Sinne eines familienhaften Bandes hat nach den Feststellungen des LSG zwischen der Klägerin und der Mutter über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus bestanden. Anzuknüpfen ist insoweit an das bis zum Eintritt der Volljährigkeit bestehende Betreuungs- und Erziehungsverhältnis des leiblichen Elternteils zum Kind, das mit zunehmendem Alter des Kindes abnimmt. Bei gemeinschaftlichem Zusammenleben unter einem Dach nach Eintritt der Volljährigkeit wird gleichwohl eine enge familiäre Verbundenheit mit der entsprechenden elterlichen Zuwendung (etwa eine Unterstützung bei Entscheidungen hinsichtlich der Berufswahl, im Umgang mit Behörden etc) eine gewisse Zeit lang über den Eintritt der Volljährigkeit fortbestehen. Die der Altersgrenze des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II zugrunde liegende gesetzgeberische Typisierung, dies könne bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres regelhaft angenommen werden, hat der Senat nicht beanstandet (vgl bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23). Die Überprüfung im Einzelfall ergibt nach den Feststellungen des LSG auch vorliegend, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht lediglich im Haus der (Stief)Eltern geduldet, sondern in den Familienverband eingebunden war. Vorliegend ist nach den Feststellungen des LSG eine Verantwortlichkeit nicht nur der Mutter, sondern auch des Stiefvaters für alle Kinder erkennbar geworden. Lediglich der Wille des Stiefvaters, für die Klägerin (und ihren minderjährigen Bruder) uneingeschränkt materiell sorgen zu wollen, ist bestritten worden, was allein das immaterielle Band zwischen der Klägerin und ihrer Mutter nicht entfallen lässt. Erst mit dem Auszug der Klägerin zum 1.7.2007 sind Konflikte mit dem Stiefvater offenbar geworden, die typischerweise auch das Verhältnis zwischen leiblichem Elternteil und Kind nicht unbeeinträchtigt lassen. Im streitigen Zeitraum sind dagegen keine solchen Anhaltspunkte erkennbar geworden, die die entsprechende Verbundenheit zwischen der Klägerin und ihrer Mutter haben entfallen lassen.

34

4. Die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft um erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres mit der gesetzlichen Folge des § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II (auf 80 vom Hundert abgesenkter Regelbedarf trotz Volljährigkeit) einerseits und die Einbeziehung auch des Einkommens und Vermögens von (echten oder faktischen) Stiefelternteilen in die Bedarfsprüfung bei solchen Bedarfsgemeinschaften nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II andererseits erweisen sich auch im Übrigen als verfassungsgemäß. Die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin (Art 2 Abs 1 GG), der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG und der Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) sind nicht verletzt. Im Kern ergibt sich kein Unterschied zu den entsprechenden Konstellationen beim minderjährigen Kind (dazu BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7) und der Bedarfsgemeinschaft von volljährigen Kindern allein mit ihren leiblichen Eltern (dazu BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23).

35

a) Die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG ist durch § 7 Abs 3 Nr 4 iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht verletzt(dazu bereits BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 38 ff). Zwar beeinflusst der über § 7 Abs 3 Nr 4 iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II (mittelbar) ausgeübte finanzielle Druck die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in ihrer gemeinsamen Lebensgestaltung, wobei von der Rechtsordnung Konflikte innerhalb der Bedarfsgemeinschaft in Kauf genommen werden. Diese Beeinträchtigungen der Handlungsfreiheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft durch § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II erweist sich aber vor Hintergrund des mit der Gewährung von Fürsorgeleistungen in sachlichem Zusammenhang stehenden Zwecks, Personen von der Gewährung staatlicher Hilfen zur Sicherung des Existenzminimums auszuschließen, die dieser Hilfe nicht bedürfen, als verhältnismäßig. Mit der Ausgestaltung der Bedarfsgemeinschaft zwischen erwachsenen Partnern in § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II zum einen und der Anknüpfung das Tatbestandsmerkmals der Haushaltsaufnahme in § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II zum anderen, führt nicht jede Wohn- und Lebensgemeinschaft zu einer Bedarfsgemeinschaft. Wie bereits dargelegt, ist vor allem § 22 Abs 2a Satz 2 Nr 1 SGB II aF (und damit auch § 20 Abs 2a SGB II aF) dahin auszulegen, dass die ernstliche Weigerung der Verteilung der Mittel durch die Eltern bzw den Elternteil einen schwerwiegenden Konflikt im Sinne dieser Vorschrift darstellt, der zur grundsicherungsrechtlich folgenlosen Auflösung des gemeinsamen Haushalts berechtigt. Macht die junge Erwachsene - wie vorliegend - von diesem Entscheidungsrecht keinen Gebrauch, verknüpft der Gesetzgeber damit zulässig die Vermutung, sie könne ihren Hilfebedarf ganz oder teilweise durch innerhalb der Bedarfsgemeinschaft vorhandenes Einkommen oder Vermögen decken.

36

Die wirtschaftlichen Folgen der Einbeziehung nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft werden durch die Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ausreichend abgemildert, was der Senat bereits im Einzelnen ausgeführt hat(vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 42 f). Die weitergehenden, im EStG normierten Vorteile für miteinander verheiratete Partner, die wie § 7 Abs 3 SGB II an die Erwartung der finanziellen Unterstützung des Stiefkindes anknüpfen, hat der Stiefvater für sich in Anspruch genommen. Für die Annahme einer besonderen finanziellen Härte (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R, aaO RdNr 44) gibt auch der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

37

b) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt. Auch insoweit ist auf die Ausführungen des Senats zur Bedarfsgemeinschaft mit minderjährigen Kindern (Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 45 ff) sowie zu Bedarfsgemeinschaften zwischen alleinstehenden Elternteilen mit volljährigen Kindern (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23 RdNr 18 ff) zu verweisen. Die Bedarfsgemeinschaft erweist sich nach der vom Senat vorgenommenen Auslegung des § 7 Abs 3 Nr 1, 3 und 4 SGB II als ein familienähnliches Band, das über die in § 9 Abs 5 SGB II geforderte Haushaltsgemeinschaft hinausgeht (zum Begriff BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 ff = SozR 4-4225 § 1 Nr 1 RdNr 13; Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 6/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 6 RdNr 15; Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 21). Indem § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II - ausgedrückt in dem Merkmal der auch immateriellen Unterstützung - typisierend das Erfordernis einer Kernfamilienbindung zwischen Kind und Elternteil aufstellt, ist der im Verhältnis zu § 9 Abs 5 SGB II erfasste Personenkreis enger. Dies rechtfertigt die Ungleichbehandlung gegenüber den Haushaltsgemeinschaften des § 9 Abs 5 SGB II.

38

c) Art 6 Abs 1 GG stellt die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art 6 Abs 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Es berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (BVerfG Beschluss vom 18.4.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81, 92). Der Schutz erfasst auch die häusliche Gemeinschaft zwischen Kindern und ihren Stiefeltern.

39

§ 7 Abs 3 Nr 4 iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II verletzt Art 6 Abs 1 GG nicht, weil er nicht imperativ anordnet, dass der Stiefelternteil einen bestimmten Teil seines Einkommens an das Stiefkind weiterleiten muss, sondern - wie dargestellt - den Beteiligten gerade nicht vorgibt, wie die zur Deckung des Existenzminimums notwendigen Gelder verteilt werden. Erfährt das volljährige Kind durch seinen Elternteil (und damit mittelbar durch den Stiefelternteil) überhaupt keine finanzielle Unterstützung, werden die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II nicht vorliegen, sodass auch § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II keine Anwendung findet. Gehört das volljährige Kind dem Haushalt an, wird es also (auch) in materieller Hinsicht unterstützt, spiegelt § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nur die tatsächliche Lebenssituation wieder. In solchen Bedarfsgemeinschaften, die auf einer Eheschließung der Partner beruhen, räumt der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des Art 6 Abs 1 GG weitgehende Möglichkeiten des Ausgleichs der finanziellen Lasten für die Unterstützung der Kinder ein. Dem entsprechend hat der Stiefvater sich nach § 32 Abs 6 Satz 10 EStG den steuerlichen Kinderfreibetrag übertragen lassen. Zudem stammt ein Teil der Einkünfte des Stiefvaters aus einem Gehaltsbestandteil "Besitzstand Kind". Stiefkinder partizipieren schließlich faktisch an dem Anspruch auf Familienunterhalt, der ihrem Elternteil in rechtlich gesicherter Form aus §§ 1360, 1360a BGB gegen den anderen Partner zusteht(vgl BVerfG Beschluss vom 10.12.2004 - 1 BvR 2320/98 - SozR 4-3800 § 1 Nr 6 RdNr 14).

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

1.
Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10 Euro nicht übersteigen,
2.
(weggefallen)
3.
Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie 100 Euro kalenderjährlich nicht übersteigen,
4.
nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung,
5.
bei Soldaten der Auslandsverwendungszuschlag,
6.
die aus Mitteln des Bundes gezahlte Überbrückungsbeihilfe nach Artikel IX Abs. 4 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II S. 1190) an ehemalige Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften und nach Artikel 5 des Gesetzes zu den Notenwechseln vom 25. September 1990 und 23. September 1991 über die Rechtsstellung der in Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte und zu den Übereinkommen vom 25. September 1990 zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 3. Januar 1994 (BGBl. 1994 II S. 26) an ehemalige Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften in Berlin,
7.
nach § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbrauchspreise,
8.
Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird,
9.
bei Beziehenden von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, soweit sie einen Betrag von 100 Euro monatlich nicht übersteigen,
10.
nach § 3 Nummer 11a oder 11b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen aufgrund der COVID-19-Pandemie sowie den Leistungen nach § 3 Nummer 11a des Einkommensteuergesetzes entsprechende Zahlungen aus den Haushalten des Bundes und der Länder,
11.
Verpflegung, die außerhalb der in den §§ 2, 3 und 4 Nummer 4 genannten Einkommensarten bereitgestellt wird,
12.
Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3 100 Euro nicht überschreiten,
13.
die auf Grund eines Bundesprogramms gezahlten Außerordentlichen Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2. November 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen entstanden sind (Novemberhilfe und Dezemberhilfe),
14.
die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse, die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III gezahlt werden,
15.
Hilfen zur Beschaffung von Hygiene- oder Gesundheitsartikeln, die auf Grund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die vom Deutschen Bundestag gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes festgestellt worden ist, aus Mitteln des Bundes oder der Länder gezahlt werden,
16.
in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 30. Juni 2023 erzielte Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden, soweit diese einen Betrag in Höhe von 2 400 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben.

(2) Bei der § 9 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde liegenden Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte an mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Hilfebedürftige Leistungen erbringen, sind die um die Absetzbeträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Betrags des nach § 20 Absatz 2 Satz 1 maßgebenden Regelbedarfs zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinausgehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(3) Die Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch ist teilweise nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie auf Grund eines in Ausübung der Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlittenen Gesundheitsschadens erbracht wird. Dabei bestimmt sich die Höhe des nicht zu berücksichtigenden Betrages nach der Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent beträgt der nicht zu berücksichtigende Betrag zwei Drittel, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 Prozent ein Drittel der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

(1) Kindergeld nach diesem Gesetz für seine Kinder erhält, wer nach § 1 Absatz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird und

1.
in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch steht oder versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ist oder
2.
als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Absatz 1 Nummer 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes erhält oder als Missionar derMissionswerke und -gesellschaften,die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V., des Deutschen katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes oder § 20 des Beamtenstatusgesetzes bei einer Einrichtung außerhalb Deutschlands zugewiesene Tätigkeit ausübt oder
4.
als Ehegatte oder Lebenspartner eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates die Staatsangehörigkeit eines EU/EWR-Mitgliedstaates besitzt und in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(2) Kindergeld für sich selbst erhält, wer

1.
in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
2.
Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und
3.
nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.
§ 2 Absatz 2 und 3 sowie die §§ 4 und 5 sind entsprechend anzuwenden. Im Fall des § 2 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird Kindergeld längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt.

(3) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer erhält Kindergeld nur, wenn er

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative erhält ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer unabhängig von einer Erwerbstätigkeit Kindergeld.

(1) Für jedes Kind wird nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt.

(2)1Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.2Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten.3Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten.4Den Antrag kann stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergeldes hat.5Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es wird an einen Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet hat.

(3)1Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt.2Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt.3Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll.4Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

1.
Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10 Euro nicht übersteigen,
2.
(weggefallen)
3.
Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie 100 Euro kalenderjährlich nicht übersteigen,
4.
nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung,
5.
bei Soldaten der Auslandsverwendungszuschlag,
6.
die aus Mitteln des Bundes gezahlte Überbrückungsbeihilfe nach Artikel IX Abs. 4 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II S. 1190) an ehemalige Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften und nach Artikel 5 des Gesetzes zu den Notenwechseln vom 25. September 1990 und 23. September 1991 über die Rechtsstellung der in Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte und zu den Übereinkommen vom 25. September 1990 zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 3. Januar 1994 (BGBl. 1994 II S. 26) an ehemalige Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften in Berlin,
7.
nach § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbrauchspreise,
8.
Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird,
9.
bei Beziehenden von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, soweit sie einen Betrag von 100 Euro monatlich nicht übersteigen,
10.
nach § 3 Nummer 11a oder 11b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen aufgrund der COVID-19-Pandemie sowie den Leistungen nach § 3 Nummer 11a des Einkommensteuergesetzes entsprechende Zahlungen aus den Haushalten des Bundes und der Länder,
11.
Verpflegung, die außerhalb der in den §§ 2, 3 und 4 Nummer 4 genannten Einkommensarten bereitgestellt wird,
12.
Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3 100 Euro nicht überschreiten,
13.
die auf Grund eines Bundesprogramms gezahlten Außerordentlichen Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2. November 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen entstanden sind (Novemberhilfe und Dezemberhilfe),
14.
die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse, die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III gezahlt werden,
15.
Hilfen zur Beschaffung von Hygiene- oder Gesundheitsartikeln, die auf Grund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die vom Deutschen Bundestag gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes festgestellt worden ist, aus Mitteln des Bundes oder der Länder gezahlt werden,
16.
in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 30. Juni 2023 erzielte Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden, soweit diese einen Betrag in Höhe von 2 400 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben.

(2) Bei der § 9 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde liegenden Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte an mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Hilfebedürftige Leistungen erbringen, sind die um die Absetzbeträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Betrags des nach § 20 Absatz 2 Satz 1 maßgebenden Regelbedarfs zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinausgehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(3) Die Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch ist teilweise nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie auf Grund eines in Ausübung der Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlittenen Gesundheitsschadens erbracht wird. Dabei bestimmt sich die Höhe des nicht zu berücksichtigenden Betrages nach der Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent beträgt der nicht zu berücksichtigende Betrag zwei Drittel, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 Prozent ein Drittel der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

1.
Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10 Euro nicht übersteigen,
2.
(weggefallen)
3.
Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie 100 Euro kalenderjährlich nicht übersteigen,
4.
nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung,
5.
bei Soldaten der Auslandsverwendungszuschlag,
6.
die aus Mitteln des Bundes gezahlte Überbrückungsbeihilfe nach Artikel IX Abs. 4 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II S. 1190) an ehemalige Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften und nach Artikel 5 des Gesetzes zu den Notenwechseln vom 25. September 1990 und 23. September 1991 über die Rechtsstellung der in Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte und zu den Übereinkommen vom 25. September 1990 zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 3. Januar 1994 (BGBl. 1994 II S. 26) an ehemalige Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften in Berlin,
7.
nach § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbrauchspreise,
8.
Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird,
9.
bei Beziehenden von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, soweit sie einen Betrag von 100 Euro monatlich nicht übersteigen,
10.
nach § 3 Nummer 11a oder 11b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen aufgrund der COVID-19-Pandemie sowie den Leistungen nach § 3 Nummer 11a des Einkommensteuergesetzes entsprechende Zahlungen aus den Haushalten des Bundes und der Länder,
11.
Verpflegung, die außerhalb der in den §§ 2, 3 und 4 Nummer 4 genannten Einkommensarten bereitgestellt wird,
12.
Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3 100 Euro nicht überschreiten,
13.
die auf Grund eines Bundesprogramms gezahlten Außerordentlichen Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2. November 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen entstanden sind (Novemberhilfe und Dezemberhilfe),
14.
die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse, die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III gezahlt werden,
15.
Hilfen zur Beschaffung von Hygiene- oder Gesundheitsartikeln, die auf Grund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die vom Deutschen Bundestag gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes festgestellt worden ist, aus Mitteln des Bundes oder der Länder gezahlt werden,
16.
in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 30. Juni 2023 erzielte Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden, soweit diese einen Betrag in Höhe von 2 400 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben.

(2) Bei der § 9 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde liegenden Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte an mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Hilfebedürftige Leistungen erbringen, sind die um die Absetzbeträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Betrags des nach § 20 Absatz 2 Satz 1 maßgebenden Regelbedarfs zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinausgehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(3) Die Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch ist teilweise nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie auf Grund eines in Ausübung der Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlittenen Gesundheitsschadens erbracht wird. Dabei bestimmt sich die Höhe des nicht zu berücksichtigenden Betrages nach der Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent beträgt der nicht zu berücksichtigende Betrag zwei Drittel, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 Prozent ein Drittel der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass

1.
durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist oder
2.
der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.
Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz.

(2) (weggefallen)

(3) Die Entscheidung nach Absatz 1 wird in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden.

(4) Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Die Entscheidung ergeht durch gesonderten Beschluss.

(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

1.
Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10 Euro nicht übersteigen,
2.
(weggefallen)
3.
Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie 100 Euro kalenderjährlich nicht übersteigen,
4.
nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung,
5.
bei Soldaten der Auslandsverwendungszuschlag,
6.
die aus Mitteln des Bundes gezahlte Überbrückungsbeihilfe nach Artikel IX Abs. 4 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II S. 1190) an ehemalige Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften und nach Artikel 5 des Gesetzes zu den Notenwechseln vom 25. September 1990 und 23. September 1991 über die Rechtsstellung der in Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte und zu den Übereinkommen vom 25. September 1990 zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 3. Januar 1994 (BGBl. 1994 II S. 26) an ehemalige Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften in Berlin,
7.
nach § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbrauchspreise,
8.
Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird,
9.
bei Beziehenden von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, soweit sie einen Betrag von 100 Euro monatlich nicht übersteigen,
10.
nach § 3 Nummer 11a oder 11b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen aufgrund der COVID-19-Pandemie sowie den Leistungen nach § 3 Nummer 11a des Einkommensteuergesetzes entsprechende Zahlungen aus den Haushalten des Bundes und der Länder,
11.
Verpflegung, die außerhalb der in den §§ 2, 3 und 4 Nummer 4 genannten Einkommensarten bereitgestellt wird,
12.
Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3 100 Euro nicht überschreiten,
13.
die auf Grund eines Bundesprogramms gezahlten Außerordentlichen Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2. November 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen entstanden sind (Novemberhilfe und Dezemberhilfe),
14.
die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse, die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III gezahlt werden,
15.
Hilfen zur Beschaffung von Hygiene- oder Gesundheitsartikeln, die auf Grund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die vom Deutschen Bundestag gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes festgestellt worden ist, aus Mitteln des Bundes oder der Länder gezahlt werden,
16.
in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 30. Juni 2023 erzielte Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden, soweit diese einen Betrag in Höhe von 2 400 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben.

(2) Bei der § 9 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde liegenden Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte an mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Hilfebedürftige Leistungen erbringen, sind die um die Absetzbeträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Betrags des nach § 20 Absatz 2 Satz 1 maßgebenden Regelbedarfs zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinausgehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(3) Die Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch ist teilweise nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie auf Grund eines in Ausübung der Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlittenen Gesundheitsschadens erbracht wird. Dabei bestimmt sich die Höhe des nicht zu berücksichtigenden Betrages nach der Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent beträgt der nicht zu berücksichtigende Betrag zwei Drittel, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 Prozent ein Drittel der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.