Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 01. Juli 2010 - 2 O 154/09

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2010:0701.2O154.09.0A
bei uns veröffentlicht am01.07.2010

Gründe

I.

1

Mit Urteil vom 08.08.2003 wies das Verwaltungsgericht die am 12.09.2002 erhobene Klage gegen einen Bescheid des Beklagten ab, mit dem dieser den Beigeladenen von der Trinkwasserversorgungspflicht einer „Bungalowsiedlung“ befreite. Auf den von den Klägern am 15.09.2003 gestellten Antrag ließ der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts die Berufung gegen dieses Urteil zu. Mit Urteil vom 04.03.2005 (1 L 279/03) stellte er das Verfahren hinsichtlich des Klägers zu 1 (damals im Rubrum als Kläger zu 10 aufgeführt) ein und wies die Berufung der übrigen Kläger zurück. Mit Beschluss vom 28.07.2005 (BVerwG 8 B 51.05) hob das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurück. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens sollte der Endentscheidung vorbehalten bleiben. Mit Urteil vom 16.08.2007 (2 L 1/06) änderte der beschließende Senat das Urteil des Verwaltungsgerichts ab und hob den Bescheid des Beklagten auf. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten und dem Beigeladenen je zur Hälfte auferlegt. Das Urteil wurde wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt. Gegen die Nichtzulassung der Revision legten sowohl der Beklagte als auch der Beigeladene am 04.10.2007 Beschwerde ein. Nachdem der Beklagte seine Beschwerde am 02.11.2007 zurückgenommen hatte, trennte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren des Beigeladenen mit Beschluss vom 10.01.2008 ab. Ferner stellte es in diesem Beschluss das Beschwerdeverfahren des Beklagten (BVerwG 8 B 111.07) ein und erlegte ihm die Kosten des eingestellten Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auf. Mit Beschluss vom 03.07.2008 wies es die Beschwerde des Beigeladenen zurück und erlegte ihm die Kosten seines Beschwerdeverfahrens (8 B 8.08) auf.

2

Bereits am 24.08.2007 beantragten die Kläger beim Verwaltungsgericht die Festsetzung der Kosten für das Vorverfahren in Höhe von 3.155,20 €, für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe von 5.726,10 €, für das zweitinstanzliche Verfahren in Höhe von 9.243,34 € und für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren BVerwG 8 B 51.05 in Höhe von 5.034,40 €.

3

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2007, dem Beklagten zugestellt am 08.01.2008, setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts die vom Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf 6.957,85 € fest. In der Begründung hieß es, dem Kostenfestsetzungsantrag sei gemäß Kostenteilung zu ½ in vollem Umfang zu entsprechen. Die Zusammensetzung ergebe sich wie folgt:

4
erste Instanz  3.155,20 €
zweite Instanz  5.726,10 €
Nichtzulassungsbeschwerde  5.034,40 €
Summe: 13.915,70 €
davon je ½ Beklagter  6.957,85 €
Beigeladener  6.957,85 €
5

Mit Beschluss vom 22.01.2008 berichtigte der Urkundsbeamte seinen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2007 in der Begründung. Die Zusammensetzung der Kosten ergebe sich (nunmehr) wie folgt:

6
Vorverfahren  3.155,20 €
erste Instanz  5.726,10 €
Nichtzulassungsbeschwerde  5.034,40 €
Summe: 13.915,70 €
davon je ½ Beklagter  6.957,85 €
Beigeladener  6.957,85 €
7

Zur Begründung führte der Urkundsbeamte aus, bei der Bezeichnung der Kosten sei ein offensichtlicher Fehler aufgetreten, da die Kosten teilweise den falschen Instanzen zugeordnet worden seien. Der Berichtigungsbeschluss wurde dem Beklagten (erst) am 15.04.2008 zugestellt.

8

Mit weiterem Beschluss vom 22.01.2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die vom Beklagten an die Kläger für die zweite Instanz zu erstattenden Kosten auf 4.621,67 € fest. Die Zusammensetzung der Kosten ergebe sich wie folgt:

9
zweite Instanz  9.243,34 €
Summe:  9.243,34 €
davon je ½ Beklagter  4.621,67 €
Beigeladener  4.621,67 €
10

Dieser Beschluss wurde dem Beklagten am 13.02.2008 zugestellt.

11

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.01.2008 hat der Beklagte am 27.02.2008 und gegen den Berichtigungsbeschluss vom 22.01.2008 am 29.04.2008 jeweils ohne Begründung Erinnerung eingelegt.

12

Auf den Antrag der Kläger vom 25.01.2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.08.2008 die vom Beklagten an die Kläger zu 2 bis 19 zu erstattenden Kosten für das eingestellte Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (BVerwG 8 B 111.07) auf 5.164,00 € fest. Gegen den am 26.08.2008 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 09.09.2008 – wiederum ohne Begründung – Erinnerung eingelegt.

13

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.07.2009 hat das Verwaltungsgericht die Erinnerungen zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2007 gerichtete Erinnerung sei bereits unzulässig, weil die Entscheidung des Gerichts nicht fristgerecht beantragt worden sei. Der Berichtigungsbeschluss vom 22.01.2008 habe keinen Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfrist gehabt und das Erinnerungsverfahren nicht neu eröffnet. Die Erinnerungen gegen die beiden anderen Kostenfestsetzungsbeschlüsse blieben ebenfalls ohne Erfolg. Weder habe sie der Beklagte begründet noch habe er angegeben, in welchem Umfang er die jeweilige Kostenfestsetzung anfechten wolle. Im Übrigen bestünden auch keine Bedenken an den Kostenansätzen.

II.

14

Die zulässige Beschwerde des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerungen zu Unrecht zurückgewiesen.

15

A. Die Erinnerungen sind zulässig.

16

1. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte sie trotz mehrfacher Aufforderung durch das Verwaltungsgericht nicht begründet, den Umfang der Anfechtung dem Betrag nach nicht beziffert und auch nicht angegeben hat, in welchem Punkt, insbesondere hinsichtlich welchen Kostenansatzes er die Kostenfestsetzungsbeschlüsse angreift. Es bedarf keiner Vertiefung, ob ungeachtet der Tatsache, dass die §§ 165, 151 i. V. m. § 147 VwGO keine Pflicht zur Begründung oder Antragstellung enthalten, an den Inhalt der Erinnerung Mindestanforderungen zu stellen sind, insbesondere ein konkretes Rechtsschutzbegehren des Erinnerungsführers erkennbar sein muss (so BFH, Beschl. v. 09.06.1989 – X E 6/89 –, BFHE 156, 401; Beschl. v. 25.04.2007 – I E 3, 4/06 – , BFH/NV 2007, 1347), oder ob – wie der Beklagte meint – bei fehlendem Anfechtungsantrag und fehlender Begründung davon auszugehen ist, dass der Erinnerungsführer eine Prüfung des Kostenfestsetzungsbeschlusses insgesamt begehrt. Sofern man die konkrete Bezeichnung des Umfangs der Anfechtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses als Sachentscheidungsvoraussetzung ansieht, hat der Beklagte dem nunmehr im Beschwerdeverfahren genügt. Er hat in der Beschwerdebegründung sein Begehren präzisiert und im Einzelnen begründet. Soweit die formgerechte Einlegung eines Rechtsbehelfs bestimmte Mindestanforderungen verlangt, handelt es sich regelmäßig um nachholbare Sachentscheidungsvoraussetzungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.10.1985 – 3 C 16.85 –, Buchholz 427.3 § 229 LAG Nr. 51, zu § 82 VwGO), die im Regelfall am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.03.1998 – 4 C 14.96 –, BVerwGE 106, 295 [299], m. w. Nachw.). Anderes gilt nur, wenn das Gesetz – anders als hier – bestimmte Fristen für die Antragstellung oder Begründung vorsieht, wie etwa für die Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 146 Abs. 4 VwGO.

17

2. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 10.12.2007 in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 22.01.2008 ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht verfristet.

18

2.1. Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass Gegenstand des Antrags des Beklagten auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) vom 29.04.2008 der „Kostenfestsetzungsbescheid vom 10.12.2007 in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 22.01.2008“ ist. Der Beklagte beanstandet zu Unrecht, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 10.12.2007 nicht vorgelegen hätten, der Urkundsbeamte der Sache nach vielmehr einen neuen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen habe.

19

Gemäß § 122 i. V. m. § 118 Abs. 1 VwGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Beschluss jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Auch der Urkundsbeamte, der gemäß § 164 VwGO auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten durch Beschluss festsetzt, kann offenbare Fehler nach diesen Vorschriften selbst berichtigen (vgl. Olbertz in: Schoch/AN.-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 164 RdNr. 23, m. w. Nachw.). Eine Unrichtigkeit im Sinne des § 118 Abs. 1 VwGO liegt vor, wenn in der Formulierung der Entscheidung etwas anderes ausgesagt wurde als das Gericht (bzw. der Urkundsbeamte) gewollt hat, oder etwas nicht ausgesagt wurde, was das Gericht gewollt hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 118 RdNr. 6, m. w. Nachw.). Offensichtlich ist die Unrichtigkeit dann, wenn sie sich unschwer aus der Entscheidung selbst, insbesondere auch aus anderen Teilen der Entscheidung, aus den Umständen des vorausgegangenen Verfahrens, den Umständen der Verkündung oder unzweifelhaft aus dem Inhalt der Akten und aus jederzeit erreichbaren Urkunden erkennbar ist (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 118 RdNr. 7, m. w. Nachw.). Entscheidend ist, dass den Beteiligten aus einer solchen Konstellation heraus die Unrichtigkeit ohne weiteres auffällt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.10.1985 – 7 B 193.85 –, NVwZ 1986, 198; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 118 RdNr.6, m. w. Nachw.).

20

Nach diesen Maßstäben wies der Kostenfestsetzungsbeschluss eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 118 Abs. 1 VwGO auf. Dies ergab sich zwar nicht allein aus der Entscheidung selbst, wohl aber bei Berücksichtigung der Kostenfestsetzungsanträge vom 22.08.2007, die dem Beklagten am 01.11.2007 zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt zugestellt wurden. Darin waren die Kosten, deren Festsetzung beantragt wurde, für das Vorverfahren und die drei gerichtlichen Instanzen im Einzelnen dargestellt. In der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses wurde einerseits ausgeführt, dass dem Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang zu entsprechen sei, andererseits entsprach die dann folgende Zusammenstellung der Kosten nicht der beantragten Kostenfestsetzung. Dieser Widerspruch war für alle Verfahrensbeteiligten bei einem Abgleich mit den ihnen bekannten Kostenfestsetzungsanträgen ohne weiteres erkennbar.

21

Der Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit steht auch nicht entgegen, dass sich – wie der Beklagte einwendet – gravierende Veränderungen bei der Kostenfestsetzung, insbesondere hinsichtlich der Kosten des Vorverfahrens ergaben. Selbst wenn eine Urteilsformel in ihr Gegenteil verkehrt wird oder ein noch nicht beschwerter Beteiligter erstmals beschwert wird, ist eine Berichtigung möglich (vgl. Sodan/Ziekow, a. a. O., RdNr. BFH, Beschl. v. 22.03.1996 – I R 130/94 –, BFH/NV 1996, 760). Die erstmalige (höhere) Beschwer ist lediglich für die Frage von Bedeutung, ob die Rechtsmittelfrist gegen die berichtigte Entscheidung für den beschwerten Verfahrensbeteiligten mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses neu zu laufen beginnt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.02.2004 – V ZR 125/03 –, NJW-RR 2004, 712).

22

Ausgehend von dieser rechtlichen Würdigung ist die Erinnerung des Beklagten „gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.01.2008 (Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 10.12.2007)“ als Erinnerung gegen den berichtigten Kostenfestsetzungsbeschluss auszulegen.

23

2.2. Der Beklagte hat die Erinnerung gegen den berichtigten Kostenfestsetzungsbeschluss auch fristgerecht eingelegt. Maßgeblich für den Beginn der Zweiwochenfrist des § 151 VwGO ist nicht die (erstmalige) Zustellung des Beschlusses vom 10.12.2007 am 08.01.2008, sondern die Zustellung des berichtigten Beschlusses, die erst am 15.04.2008 erfolgte.

24

Zwar hat ein Berichtigungsverfahren auf den Ablauf einer Rechtsmittelfrist grundsätzlich keinen Einfluss. Die Berichtigung eröffnet eine neue Rechtsmittelfrist gegen die berichtigte Entscheidung aber ausnahmsweise dann, wenn die zunächst zugestellte Entscheidung insgesamt – also einschließlich der Entscheidungsgründe – nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden und erst die berichtigte Fassung der Entscheidung die Partei in die Lage versetzt, sachgerecht über die Frage der Einlegung des Rechtsmittels und dessen Begründung zu entscheiden (vgl. BGH, Beschl. v. 06.05.2009 – XII ZB 81/08 –, NJW-RR 2009, 1480, m. w. Nachw.; BVerwG, Beschl. v. 06.05.2010 – 6 B 48.09 – Juris). Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn erst die berichtigte Fassung die Beschwer der Partei hinreichend erkennen lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2006 – VI ZB 46/06 –, JurBüro 2007, 280 [nur Leitsatz]; Beschl. v. 09.11.1994 – XII ZR 184/93 –, NJW 1995, 1033). Gerade das Ausmaß der Beschwer kann für den Entschluss, ein Rechtsmittel einzulegen, bestimmend sein (Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 319 RdNr. 25a).

25

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Erst aufgrund des berichtigten Beschlusses war für den Beklagten mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass er den Klägern die Kosten für das Vorverfahren zu erstatten hat und dass die Kosten für das Verfahren erster Instanz höher sind als ursprünglich angegeben. Ferner wurde für ihn erst in Verbindung mit dem weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.01.2008 deutlich, dass auch die Kosten für das Verfahren zweiter Instanz höher sind als ursprünglich festgesetzt. Wie sich die zu erstattenden Kosten auf das Vorverfahren und die gerichtlichen Instanzen verteilen, ergab sich nicht aus dem Tenor des Beschlusses vom 10.12.2007 sondern nur aus dessen Begründung. Die Begründung war daher für den Beklagten als kostenpflichtige Partei von wesentlicher Bedeutung für die Frage, ob er Rechtsmittel gegen die Kostenfestsetzung einlegen soll. Dem Beklagten kann auch nicht vorgehalten werden, dass der Urkundsbeamte nach dieser Begründung den – dem Beklagten bekannten – Kostenfestsetzungsanträgen der Kläger vom 24.08.2007 „in vollem Umfang“ entsprechen wollte. Da er eine davon abweichende Zuordnung der Kostenerstattungsbeträge zu den einzelnen Instanzen vornahm, war die Begründung in sich widersprüchlich und konnte den Beklagten gerade nicht in die Lage versetzen, eine sachgerechte Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels zu treffen. Einer Partei kann regelmäßig auch nicht zugemutet werden, eine Berichtigung einer gerichtlichen Entscheidung zu ihren Ungunsten zu betreiben; die Anfechtung schon vor einer Berichtigung trägt die Gefahr der Verwerfung des Rechtsmittels mangels Beschwer in sich (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.1994, a. a. O.).

26

Die Erinnerung ist auch zulässig, soweit sie sich auf das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren BVerwG 8 B 51.05 bezieht, auch wenn die Zuordnung der Kosten für dieses Verfahren in der Beschlussbegründung nicht von der Berichtigung betroffen war. Da aber im Kostenfestsetzungsbeschluss eine Festsetzung der gesamten Kosten für mehrere Instanzen erfolgte, kann auch die Zulässigkeit eines dagegen eingelegten Rechtsbehelfs nur einheitlich festgestellt werden.

27

B. Die Erinnerungen sind auch begründet.

28

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22.01.2008 hält einer rechtlichen Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.

29

1.1. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zunächst die vom Beklagten zu erstattenden Kosten für das Vorverfahren zu hoch angesetzt.

30

Der durch die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erstattungsfähig erklärte Aufwand wird von der Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 der bis zum 30.06.2004 geltenden und damit hier noch maßgeblichen Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) erfasst und abgegolten (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 14.12.2007 – 3 O 152/06 –, Juris). Danach erhält der Rechtsanwalt in anderen als den im Dritten bis Elften Abschnitt geregelten Angelegenheiten fünf Zehntel bis zehn Zehntel der vollen Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, des Einreichens, Fertigens oder Unterzeichnens von Schriftsätzen oder Schreiben und des Entwerfens von Urkunden (Geschäftsgebühr).

31

Im konkreten Fall ist der mittlere Gebührensatz von 7,5/10 maßgebend. Damit ist die Tätigkeit des Rechtsanwalts immer dann abgemessen bewertet, wenn sie sich – wie hier – unter den in § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO genannten Gesichtspunkten nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt. Liegt danach ein Normalfall vor, ist allein die Bestimmung der Mittelgebühr billig, die Bestimmung einer höheren Gebühr hingegen unbillig und darum für den erstattungspflichtigen Dritten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht verbindlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.08.2005 – 6 C 13.04 –, Buchholz 363 § 14 RVG Nr. 1, m. w. Nachw.).

32

Der Beklagte beanstandet zu Recht, dass dem Prozessbevollmächtigten der Kläger die geltend gemachte erhöhte 22,5/10 Geschäftsgebühr wegen der Vertretung von 19 Auftraggebern nicht zusteht. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühren nur einmal. Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe, so erhöht sich nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO die Geschäftsgebühr durch jeden weiteren Auftraggeber um drei Zehntel; die Erhöhung wird nach dem Betrag berechnet, an dem die Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt sind; mehrere Erhöhungen dürfen den Betrag von zwei vollen Gebühren nicht übersteigen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger mag hier zwar „in derselben Angelegenheit“ tätig geworden sein. Insoweit genügt eine „gemeinschaftliche Beteiligung" am strittigen Anspruch (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2000 – 6 C 3.99 –, NJW 2000, 2288). Die anwaltliche Tätigkeit bezog sich aber nicht auf denselben Gegenstand. Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist jeweils das Recht oder das Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts bezieht; eine Angelegenheit kann auch mehrere Gegenstände umfassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.05.2000 – 11 C 1.99 –, NJW 2000, 2289, m. w. Nachw.). Ist bei einem Verwaltungsakt jeder einzelne Auftraggeber nur in seinem persönlichen Recht betroffen, so handelt es sich um verschiedene Gegenstände (vgl. A.-Rabe in: Gerold/AN., RVG, 18. Aufl., VV 1008, RdNr. 138, m. w. Nachw.). Die Kläger haben jeder für sich – und nicht etwa als Rechtsgemeinschaft – Widerspruch erhoben. Gegenstand des (Anfechtungs-)Widerspruchs war die Frage, ob sie als Eigentümer bzw. Nutzer ihrer jeweiligen Wochenend- bzw. Wohngrundstücke einen Anspruch auf Aufhebung der dem Beigeladenen erteilten Befreiung von der Trinkwasserversorgungspflicht haben. Ein solcher Anspruch wurde der Sache nach von jedem einzelnen Kläger geltend gemacht, dem es darum ging, gerade für das von ihm genutzte Grundstück den Anschlusses an die öffentliche Trinkwasserversorgung aufrechtzuerhalten. Dem Mehraufwand des Rechtsanwalts wird in Fällen dieser Art allgemein durch die Zusammenrechnung der Streitwerte Rechnung getragen, wie sie auch hier erfolgt ist. Eine Erhöhung der Gebühr kommt daneben nicht in Betracht (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 01.11.2007 – 4 O 220/07 –, Juris, m. w. Nachw.).

33

Gemäß § 11 Abs. 1 BRAGO i. V. m. der Anlage hierzu beträgt bei dem hier festgesetzten Streitwert von 76.000,00 € die volle Gebühr 1.200,00 €. Allerdings rügt der Beklagte zu Recht, dass für das Vorverfahren noch die ermäßigte Gebühr zugrunde zu legen ist, wie sie für die neuen Bundesländer im Einigungsvertrag festgelegt war.

34

Nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchstabe a) Satz 1 des Einigungsvertrags in der Fassung des Gesetzes vom 15.04.1996 (BGBl I 604) galt die BRAGO mit der Maßgabe, dass sich die Gebühren bei der Tätigkeit von Rechtsanwälten, die ihre Kanzlei in dem in Art. 3 des Vertrages genannten Gebiet eingerichtet haben, um 10 vom Hundert ermäßigen. Nach der Maßgabe in Satz 2 ermäßigen sich die Gebühren in gleicher Weise, wenn ein Rechtsanwalt vor Gerichten oder Behörden, die ihren Sitz in dem in Art. 1 Abs. 1 des Vertrages genannten Gebiet haben, im Auftrag eines Beteiligten tätig wird, der seinen Wohnsitz oder Sitz in dem in Art. 3 des Vertrages genannten Gebiet hat. Satz 1 dieser Regelung ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.01.2003 (1 BvR 487/01 – BVerfGE 107, 133), das eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2003 eingeräumt hatte, seit dem 01.01.2004 nicht mehr anwendbar. Für zurückliegende Zeiträume ist die Gebührenermäßigung aber weiter zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, a. a. O.).

35

Für die Gebührenberechnung ist der Zeitpunkt der Auftragserteilung maßgeblich; (auch) nachfolgende Gesetzesänderungen verändern diese Gebühren nicht mehr. Gemäß §§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG, 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO wird die Vergütung im Falle von Gesetzesänderungen nach bisherigem Recht berechnet, wenn der Auftrag vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist; dies gilt gemäß § 134 Abs. 1 Satz 3 BRAGO nicht nur für Änderungen innerhalb der BRAGO, sondern auch von Vorschriften, auf die verwiesen wird. Da das Vorverfahren hier bereits im Jahr 2000 eingeleitet wurde und mit Erlass des Widerspruchsbescheids am 07.08.2002 endete, erhält der Rechtsanwalt der Kläger, der seine Kanzlei im Beitrittsgebiet hat, nur eine um 10 vom Hundert ermäßigte Gebühr.

36

Die zu erstattenden Kosten für das Vorverfahren berechnen sich mithin wie folgt:

37
7,5/10-Geschäftsgebühr (90 %) 810,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 €
Zwischensumme 830,00 €
16 % Mehrwertsteuer 132,80 €
Zusammen 962,80 €
davon ½ nach der Kostengrundentscheidung 481,40 €
38

1.2. Auch für das erstinstanzliche Verfahren sind die vom Beklagten zu erstattenden Kosten niedriger festzusetzen.

39

Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO erhält der zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt jeweils eine volle Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Prozessgebühr) sowie für die mündliche Verhandlung (Verhandlungsgebühr), die nach der Anlage zu § 11 BRAGO 1.200,00 € beträgt.

40

Der Beklagte beanstandet auch hier zu Recht, dass den Klägern die geltend gemachte erhöhte 30/10 Prozessgebühr wegen der Vertretung von 19 Auftraggebern nicht zusteht, weil sich die anwaltliche Tätigkeit nicht auf denselben Gegenstand bezog. Insoweit gelten die bereits oben gemachten Ausführungen entsprechend.

41

Da die Klage bereits am 12.09.2002 erhoben wurde, kommt auch hier die Ermäßigung um 10 vom Hundert nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchstabe a) des Einigungsvertrags zum Tragen.

42

Unter Berücksichtigung der vom Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Auslagen berechnen sich die zu erstattenden Kosten für das erstinstanzliche Verfahren deshalb wie folgt:

43
10/10-Prozessgebühr (90 %) 1.080,00 €
10/10-Verhandlungsgebühr (90 %) 1.080,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale (§ 26 BRAGO)  20,00 €
Fotokopierkosten (§ 27 BRAGO)  35,20 €
Fahrtkosten (§ 28 BRAGO)  43,20 €
Tage- und Abwesenheitsgeld (§ 28 BRAGO)  31,00 €
Zwischensumme 2.289,40 €
16 % Mehrwertsteuer  366,30 €
Verauslagte Kosten für Akteneinsicht  8,00 €
Zusammen 2.663,70 €
davon ½ nach der Kostengrundentscheidung 1.331,85 €

44

1.3. Für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (8 B 51.05), die am 21.04.2005 und damit nach Inkrafttreten des RVG am 01.07.2004 erhoben wurde gilt Folgendes:

45

Nach Nr. 3506 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG erhält der Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision von 1,6. Auch insoweit findet wiederum keine Erhöhung wegen der Tätigkeit für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit nach Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV-RVG) statt. Auch diese Regelung enthält die Einschränkung, dass die Erhöhung bei Wertgebühren nur gilt, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Dies ist aus den bereits dargelegten Gründen nicht der Fall. Gemäß § 13 Abs. 1 RVG i. V. m. der Anlage 2 beträgt die Gebühr bei einem Streitwert von 76.000,00 € (weiterhin) 1.200,00 €. Daraus ergibt sich folgender Erstattungsbetrag:

46
1,6 Verfahrensgebühr 1.920,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale (§ 26 BRAGO)  20,00 €
Zwischensumme 1.940,00 €
16 % Mehrwertsteuer  310,40 €
Zusammen 2.250,40 €
davon ½ nach der Kostengrundentscheidung 1.125,20 €

47

2. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.01.2008 betreffend die Kostenerstattung für das Berufungsverfahren bedarf ebenfalls der Korrektur.

48

2.1. Für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren der zweiten Instanz vor der Zurückverweisung aufgrund Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.07.2005 sind zunächst Gebühren nach der BRAGO angefallen, da der Antrag auf Zulassung der Berufung am 15.09.2003 und damit vor Inkrafttreten des RVG gestellt wurde. Auch in diesem Rechtszug sind eine Prozessgebühr sowie eine Verhandlungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO anzusetzen, die nach der Anlage zu § 11 BRAGO jeweils 1.200,00 € betragen und sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 im Berufungsverfahren um drei Zehntel erhöhen. Eine Erhöhung wegen der Vertretung mehrerer Auftraggeber findet aus den bereits dargelegten Gründen nicht statt. Auch insoweit ist noch die Ermäßigung um 10 vom Hundert nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchstabe a) des Einigungsvertrags zu berücksichtigen.

49

Damit ergibt sich für das Berufungs(-zulassungs-)verfahren vor Zurückverweisung folgende Kostenerstattung:

50
13/10-Prozessgebühr (90 %) 1.404,00 €
13/10-Verhandlungsgebühr (90 %) 1.404,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale (§ 26 BRAGO)  20,00 €
Fahrtkosten (§ 28 BRAGO)  43,20 €
Tage- und Abwesenheitsgeld (§ 28 BRAGO)  31,00 €
Zwischensumme 2.902,20 €
16 % Mehrwertsteuer  464,35 €
zusammen 3.366,55 €

51

2.2. Für die anwaltliche Tätigkeit nach Zurückverweisung sind auch Gebühren nach dem RVG angefallen. Gemäß § 21 Abs. 1 RVG ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG kann der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern. Diese Regelungen finden hier auf das zurückverwiesene Berufungsverfahren Anwendung. Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG sind die BRAGO und Verweisungen hierauf (nur dann) weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem 01.07.2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Der unbedingte Auftrag zur Vertretung ist jedoch als nach der Zurückverweisung erteilt anzusehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.02.2008 – II-10 WF 38/07 –, AGS 2008, 242; OLG München, Beschl. v. 02.10.2007 – 11 W 2078/07 –, AGS 2007, 624).

52

Für die Prozessbevollmächtigten der Kläger ist somit nach der Zurückverweisung eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG in Höhe von 1.920,00 € sowie eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3202 des VV- RVG in Höhe von 1.440,00 € angefallen. Auf erstere ist allerdings in entsprechender Anwendung der Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG die vor der Zurückverweisung angefallene 13/10 Prozessgebühr von 1.404,00 € anzurechnen. Die entsprechende Anwendung der Anrechnungsbestimmung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG in Übergangsfällen der vorliegenden Art erscheint deshalb sach- und interessengerecht, weil die Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und die Verfahrensgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV-RVG denselben Abgeltungsbereich haben, nämlich „das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ (vgl. OLG München, a. a. O., m. w. Nachw.). Die nach dieser Anrechnung verbleibende Differenz von 516,00 € kann auch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden.

53

Für das Berufungsverfahren nach Zurückverweisung ergibt sich dann folgender Erstattungsbetrag:

54
1,6-Verfahrensgebühr i. H. v. 1.920,00 €
abzüglich Prozessgebühr i. H. v. 1.404,00 €  516,00 €
1,2-Terminsgebühr 1.440,00 €
Fahrtkosten (Nr. 7003 VV-RVG) (160 km x 0,30 €)  48,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV-RVG)  35,00 €
Zwischensumme 2.039,00 €
19 % Mehrwertsteuer  387,41 €
Gesamt 2.426,41 €
55

Die zu erstattenden Kosten für das Verfahren zweiter Instanz belaufen sich damit auf insgesamt 5.792,66 €. Auf den Beklagten entfällt wiederum der hälftige Betrag in Höhe von 2.896,48 €.

56

3. Schließlich ist auch der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.08.2008 betreffend die Kostenerstattung für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (BVerwG 8 B 111.07) nicht fehlerfrei.

57

Für dieses Verfahren ist bereits vor der Verfahrenstrennung eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 VV-RVG in Höhe von 1.920,00 € entstanden, auch wenn der Beklagte seine Nichtzulassungsbeschwerde noch vor ihrer Begründung zurückgenommen hat. Dabei bedarf keiner Vertiefung, ob die Entgegennahme einer Rechtsmittelschrift ohne Begründung noch als „Abwicklungstätigkeit“ des beendeten Rechtszugs im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG oder als eine bereits dem nächsten Rechtszug zuzurechnende Tätigkeit anzusehen ist (vgl. dazu: A.-Raabe, a. a. O., § 19 RVG, RdNr. 93 ff.; BGH, Beschl. v. 17.12.2002 – X ZB 9/02 –, NJW 2003, 756; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.01.2009 – 18 WF 207/08 –, FamRZ 2009, 2025). Da der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde des Beigeladenen am 19.12.2007 erhalten hatte, ist eine anwaltliche Tätigkeit im Beschwerdeverfahren noch vor Abtrennung des Beschwerdeverfahrens des Beigeladenen im Beschluss vom 10.01.2008 anzunehmen. Da der Beigeladene seine Beschwerde nicht zurückgenommen hat, liegt entgegen der Auffassung des Beklagten auch keine vorzeitige Beendigung des Auftrags vor, bei der nur eine 1,1-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3507 VV-RVG anfällt.

58

Die einmal entstandene Gebühr ist auch nach der Trennung bestehen geblieben. Zwar fallen in den durch eine Trennung verselbstständigten Verfahren Gebühren aus den jeweiligen (ggf. geringeren) Streitwerten erneut an; dies gilt für das unter dem alten Aktenzeichen weitergeführte Verfahren in gleicher Weise wie für das mit neuem Aktenzeichen versehene „abgetrennte" Verfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2009 – 9 KSt 10/99 u. a. –, Buchholz 310 § 164 VwGO Nr. 4, m. w. Nachw.). Der Rechtsanwalt kann grundsätzlich wählen, ob er die Gebühren vor oder die nach der Trennung geltend macht (A.-Raabe, a. a. O., VV 3100 RdNr. 96). Allerdings müssen in den abgetrennten „neuen" Verfahren die Voraussetzungen für das Entstehen einer Gebühr gesondert erfüllt werden. Dies setzt voraus, dass der Rechtsanwalt auch nach der Abtrennung eine Tätigkeit zur Ausführung des Auftrags vorgenommen hat (vgl. OVG NW, Beschl. v. 02.12.1999 – 10a D 149/98.NE –, AGS 2000, 148; ThürFG, Beschl. v. 03.11.2006 – IV 70047/05Ko –, EFG 2007, 453). Da das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 10.01.2008 sowohl das Beschwerdeverfahren des Beigeladenen abgetrennt als auch das Beschwerdeverfahren des Beklagten eingestellt hat, kann davon ausgegangen werden, dass nach der Abtrennung für eine anwaltliche Tätigkeit im Beschwerdeverfahren des Beklagten kein Anlass mehr bestanden hat und demzufolge auch die Verfahrensgebühr in diesem Verfahren nicht mehr neu entstanden ist. Dies bedeutet, dass die vor der Trennung entstandene Verfahrensgebühr nach dem Verhältnis der Einzelstreitwerte hälftig auf die kostenerstattungspflichtigen Beteiligten (hier den Beklagten und den Beigeladenen) zu verteilen ist (vgl. OVG NW, Beschl. v. 02.12.1999, a. a. O.). Entsprechendes gilt auch für die bereits vor Abtrennung entstandenen Auslagen.

59

Für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren des Beklagten BVerwG 8 B 111.07 ergibt sich damit folgender Erstattungsbetrag:

60
1,6-Verfahrensgebühr 1.920,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale  20,00 €
(Nr. 7002 VV-RVG)
 Zwischensumme 1.940,00 €
19 % Mehrwertsteuer  368,60 €
Gesamt 2.308,60 €
davon ½ 1.154,30 €
61

5. Die Zinsansprüche folgen aus der entsprechenden Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

62

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Eine Entscheidung über die Kosten ist erforderlich. Für das Erinnerungsverfahren fallen zwar keine Gerichtsgebühren an; es sind jedoch die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Aufwendungen des Beklagten zu erstatten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.12.2004 – 1 N 01.1845 –, NVwZ-RR 2004, 309 [310]). Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er sich an dem Streit um die Kostenfestsetzung nicht beteiligt hat.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 14 Rahmengebühren


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 147


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 13 Wertgebühren


(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem Gegen- standswert bis ... Eurofür jeden angefangenen Betrag von weiteren ... Euroum ... E

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 151


Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 82


(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Wid

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15 Abgeltungsbereich der Gebühren


(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. (2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 60 Übergangsvorschrift


(1) Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staats

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 164


Der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 118


(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen. (2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird au

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 19 Rechtszug; Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen


(1) Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 61 Übergangsvorschrift aus Anlass des Inkrafttretens dieses Gesetzes


(1) Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 368-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 6 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verwei

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 21 Zurückverweisung, Fortführung einer Folgesache als selbständige Familiensache


(1) Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug. (2) In den Fällen des § 146 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der

Lastenausgleichsgesetz - LAG | § 229 Geschädigte


(1) Ausgleichsleistungen werden nach näherer Maßgabe dieses Gesetzes an Geschädigte, an Erben von Geschädigten oder zugunsten von Geschädigten gewährt. Als Geschädigte gelten der unmittelbar Geschädigte und, falls dieser vor dem 1. April 1952 verstor

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Tenor I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen. II. Der Erinnerungsführer (Kläger im Verfahren M 6a K 15.3241) hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werde nicht erhoben. Gründe

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 28. Juni 2017 - W 4 M 17.542

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Tenor I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 58,99 EUR festgesetzt. Gründe I. Der Antragstel

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 28. Juni 2017 - W 4 M 17.541

bei uns veröffentlicht am 28.06.2017

Tenor I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 63,82 EUR festgesetzt. Gründe I. Der Antragstel

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(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Ausgleichsleistungen werden nach näherer Maßgabe dieses Gesetzes an Geschädigte, an Erben von Geschädigten oder zugunsten von Geschädigten gewährt. Als Geschädigte gelten der unmittelbar Geschädigte und, falls dieser vor dem 1. April 1952 verstorben ist, diejenigen Personen, die am 1. April 1952 seine Erben oder weitere Erben waren; ist in den Fällen des § 12 Abs. 7 Nr. 1 oder des § 15a Abs. 4 Nr. 1 der unmittelbar Geschädigte nach dem 31. März 1952 und vor dem 1. Januar 1993 verstorben, gelten seine Erben als Geschädigte. Ist der unmittelbar Geschädigte Vorerbe eines vor Schadenseintritt verstorbenen Erblassers und ist der Nacherbfall vor dem 1. April 1952 eingetreten, gelten hinsichtlich der Schäden an dem der Nacherbfolge unterliegenden Vermögen als Geschädigte der Nacherbe und, falls dieser vor dem 1. April 1952 verstorben ist, diejenigen Personen, die am 1. April 1952 seine Erben oder weitere Erben waren. Hinsichtlich der an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Grundvermögen oder Betriebsvermögen entstandenen Kriegssachschäden und hinsichtlich der an Betriebsvermögen entstandenen Vertreibungsschäden, Ostschäden und Zonenschäden steht der Erbfolge die Übernahme solchen Vermögens zu Lebzeiten des unmittelbar Geschädigten (vorweggenommene Erbfolge) gleich.

(2) Bei Vermögensschäden ist unmittelbar Geschädigter, wer im Zeitpunkt des Schadenseintritts Eigentümer oder sonstiger Rechtsinhaber des Wirtschaftsguts war; in den Fällen des § 14 Abs. 1 Satz 2 gilt als unmittelbar Geschädigter der Erbe oder derjenige, der ohne Versagung des Erbrechts Erbe geworden wäre. Sind oder wären die zerstörten, beschädigten oder verlorenen Wirtschaftsgüter bei Anwendung des § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung dem Vermögen einer anderen Person zuzurechnen, so ist diese Person unmittelbar Geschädigter.

(3) Geschädigter kann nur eine natürliche Person sein.

(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 60 entsprechend.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.

(2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest.

(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.

(2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 125/03
vom
12. Februar 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Berichtigung des Berufungsurteils hat auf den Beginn und Lauf der Frist zur
Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich keinen Einfluß.

b) Grundlage der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch in
tatsächlicher Hinsicht das Beschwerdevorbringen. Dieses muß allerdings die Bindung
des Revisionsgerichts durch § 559 ZPO beachten.

c) Inhaltliche, die Wiedergabe des Streitstoffs betreffende Mängel des Berufungsurteils
, die im Revisionsverfahren zur Aufhebung von Amts wegen führen, rechtfertigen
für sich genommen noch nicht die Zulassung der Revision (Fortführung des
Senatsbeschl. v. 26. Juni 2003, V ZR 441/02, NJW 2003, 3208).
BGH, Beschl. v. 12. Februar 2004 - V ZR 125/03 - KG
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Februar 2004 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers vom 25. April 2003 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 11. April 2002 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.364.970,34

Gründe:


I.


Das Kammergericht hat durch Urteil vom 11. April 2002 zum Nachteil des Klägers entschieden. Die Revision hat es nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Kläger am 18. April 2002 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2002 hat der Kläger beantragt, den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 321a ZPO vor dem Kammergericht fortzuführen. Gleichzeitig hat er die erkennenden Richter des Senats des
Kammergerichts wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und den Antrag gestellt, den Tatbestand des Urteils vom 11. April 2002 zu berichtigen. Am 17. Mai 2002 hat er gegen die Nichtzulassung der Revision unter Hinweis auf die Vorgänge Beschwerde bei dem Bundesgerichtshof eingelegt. Der Senat hat die Beschwerde durch Beschluß vom 26. November 2002 zurückgewiesen.
Durch Beschluß vom 11. März 2003 hat das Kammergericht das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Am 25. April 2003 hat der Kläger erneut Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 11. April 2002 eingelegt. Mit Beschluß vom 16. September 2003 hat das Kammergericht dem Tatbestandsberichtigungsantrag teilweise stattgegeben und durch Beschluß vom 18. September 2003 den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens verworfen.
Der Kläger beantragt, die Revision gegen das Urteil des Kammergerichts vom 11. April 2002 zuzulassen. Er meint, die Frist zur Einlegung der Beschwerde habe mit der Bekanntgabe des Beschlusses vom 16. September 2003 erneut begonnen. Sie sei durch die Beschwerde vom 25. April 2003 gewahrt. Der Beschluß des Senats vom 26. November 2002 stehe einer erneuten Entscheidung nicht entgegen.

II.


Die Beschwerde vom 25. April 2003 ist unzulässig. Ihr steht die mit dem Senatsbeschluß vom 26. November 2002 gemäß § 544 Abs. 5 Satz 3 ZPO eingetretene Rechtskraft des Berufungsurteils entgegen.
1. Es kann offen bleiben, ob nach Eintritt der Rechtskraft eine Tatbe- standsberichtigung noch zu einer Überprüfung des Urteils führen kann. Denn die Voraussetzungen, unter denen eine Tatbestandsberichtigung nach der Rechtsprechung überhaupt geeignet ist, die Rechtsmittelfrist erneut in Lauf zu setzen, liegen hier nicht vor.

a) Für die Berichtigung eines Urteils gemäß § 319 ZPO ist anerkannt, daß sie auf den Beginn und den Lauf von Rechtsmittelfristen keinen Einfluß hat (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 89, 184; 113, 228; BGH Urt. v. 9. November 1994, XII ZR 184/93, NJW 1995, 1033; Beschl. v. 24. Juni 2003, VI ZB 10/03, NJW 2003, 2991). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn das Urteil als Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien und für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nicht geeignet ist (BGHZ 113, 228, 231; 127, 74; BGH Urt. v. 9. November 1994, XII ZR 184/93, NJW 1995, 1033; Beschl. v. 24. Juni 2003, VI ZB 10/03, NJW 2003, 2991). Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Partei durch die Berichtigung erstmals bzw. höher beschwert wird (BGHZ 67, 284, 287; BGH Urt. v. 9. November 1994, XII ZR 184/93, NJW 1995, 1033; v. 5. November 1998, VII ZB 24/98, NJW 646, 647) oder den richtigen Rechtsmittelgegner erfährt (BGHZ 113, 228, 231); ferner, wenn sie erst durch die Berichtigung davon Kenntnis erlangt, daß das Rechtsmittel ausdrücklich zugelassen ist (Senat, Urt. v. 7. November 2003, V ZR 65/03, Umdruck S. 10 f., zur Veröffentlichung vorgesehen). Entsprechendes gilt für die Tatbestandsberichtigung.

b) Die Grundsätze finden nicht nur auf die Revisionseinlegungs- und Revisionsbegründungsfrist Anwendung, sondern auch auf die Nichtzulassungsbeschwerde. Wird also z. B. die Entscheidung über die Zulassung der
Revision nachträglich in eine Nichtzulassung berichtigt, läuft die Beschwerdefrist erst ab Zustellung des Berichtigungsbeschlusses. Eine solche Fallgestaltung , daß erst die Berichtigung des Urteils eine geeignete Grundlage für die Entschließung und das weitere Handeln des Klägers hätte schaffen können, schied hier schon nach dem Vorbringen des Klägers in der ersten Nichtzulassungsbeschwerde von vorneherein aus. Die Beschwerdefrist konnte daher schon aus diesem Grund mit der Tatbestandsberichtigung nicht neu in Gang gesetzt worden sein.

c) Aus § 559 Abs. 1 ZPO ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde nichts anderes.
aa) Das aus dem berichtigten Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtliche Parteivorbringen bildet gem. § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwar den Prozeßstoff für die Entscheidung des Revisionsgerichts über die Revision, nicht aber auch die Beurteilungsgrundlage für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde. § 559 Abs. 1 ZPO ist in § 544 ZPO nicht in Bezug genommen und kommt bei der Zulassungsprüfung nicht zur Anwendung. Grundlage der Entscheidung über die Zulassung ist vielmehr das Beschwerdevorbringen (Senat, Beschl. v. 26. Juni 2003, V ZR 441/02, NJW 2003, 3208). Dies gilt sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Die Beschwerde kann ihren Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht zwar das in dem Berufungsurteil wiedergegebene Parteivorbringen zugrunde legen, muß es aber nicht. Sie kann, soweit zum Verständnis und zur Beurteilung erforderlich, den Streitstoff selbst vortragen und die zulassungsbegründenden Fehler darlegen. Sie muß dabei allerdings die Bindung des Revisionsgerichts durch § 559 ZPO beachten. Ein Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht der Beurteilung durch
das Revisionsgericht unterliegt, ist auch für das Zulassungsverfahren unbeachtlich. Gibt das Berufungsurteil oder das Sitzungsprotokoll das Parteivorbringen nicht wieder, muß die Beschwerde den Tatsachenstoff darlegen. Denn allein das Fehlen tatbestandlicher Darstellungen stellt noch keinen Zulassungsgrund dar (Senat, Beschl. v. 26. Juni 2003, V ZR 441/02, NJW 2003, 3208).
bb) Dem steht nicht entgegen, daß in dem einmal eröffneten Revisionsverfahren ein Berufungsurteil, das keine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, keine Anträge oder tatsächliche Widersprüche enthält, nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum neuen Revisionsrecht - wie früher - von Amts wegen der Aufhebung und Zurückverweisung unterfällt (Senat, Urt. v. 6. Juni 2003, V ZR 392/02, WM 2003, 2424, 2425; Urt. v. 24. Oktober 2003, V ZR 424/02, ZfIR 2003, 1049; Urt. v. 7. November 2003, V ZR 141/01, zur Veröffentlichung bestimmt; Urt. v. 6. Februar 2004, V ZR 249/03, zur Veröffentlichung bestimmt; BGH, Urt. v. 26. Februar 2003, VIII ZR 262/02, NJW 2003, 1743; v. 7. Mai 2003, VIII ZR 219/02, BGHReport 2003, 896, 897; v. 30. September 2003, VI ZR 438/02, WM 2004, 50, 51; v. 22. Dezember 2003, VIII ZR 122/03, zur Veröffentlichung vorgesehen ; v. 13. Januar 2004, XI ZR 5/03, zur Veröffentlichung vorgesehen). Denn diese Rechtsprechung folgt aus der das – eröffnete – Revisionsverfahren betreffenden Vorschrift des § 559 Abs. 1 ZPO. Auch der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats lässt sich nichts anderes entnehmen. Soweit er in seinem Urteil vom 30. September 2003 (VI ZR 438/02, BGHReport 2004, 272) ausgeführt hat, dem Revisionsgericht könne nicht angesonnen werden, den Sachverhalt selbst zu ermitteln, um die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde
prüfen zu können, ist damit nicht zugleich auch die Frage beantwortet, ob die Mißachtung des § 540 Abs. 1 ZPO für sich genommen schon zur Zulassung führt (Schultz BGHReport 2004, 273, 274). Dies ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls und hängt davon ab, wie der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts nach den allgemein hierfür geltenden Kriterien zu beurteilen ist, ob also das Berufungsgericht dadurch typischerweise zu erkennen gibt, daß es künftig ebenso verfahren werde (vgl. Schultz BGHReport 2004, 273, 274).
cc) Nicht anders verhält es sich, wenn der Streitstoff in dem Urteil oder in dem Sitzungsprotokoll nur unvollständig oder fehlerhaft wiedergegeben ist. Auch hier handelt es sich um einen Verfahrensfehler, den die Beschwerde unter Darlegung eines Zulassungsgrundes tatsächlich ausführen muß. Das Beschwerdegericht kann dann prüfen, ob die behauptete Unrichtigkeit oder Widersprüchlichkeit für das Revisionsverfahren überhaupt zu beachten wäre und für die Zulassung erheblich ist. Ist das zu verneinen, kann das Beschwerdegericht über die Zulassungsfrage entscheiden, ohne den Ausgang eines Berichtigungsverfahrens nach § 320 Abs. 1 ZPO abzuwarten. So liegt der Fall hier. Auf die beantragte und auch zum Inhalt der ersten Nichtzulassungsbeschwerde vom 17. Mai 2002 gemachte Tatbestandsberichtigung kam es für die Zulassungsfrage nicht an. Deswegen konnte der Senat über diese Beschwerde entscheiden , ohne den Ausgang des Berichtigungsverfahrens abzuwarten.
2. Die Beschwerdefrist hat schließlich nicht mit der Zustellung des das Richterablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses des Kammergerichts vom 11. März 2003 oder mit der Zustellung des Beschlusses vom 18. September 2003 neu zu laufen begonnen. Die Richterablehnung war nur für das Verfahren über die Tatbestandsberichtigung und über die Gehörsrüge entspre-
chend § 321a ZPO, nicht dagegen für die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil von Bedeutung. Das Verfahren analog § 321a ZPO blieb auf den Beginn der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls ohne Auswirkung. Dabei kann offen bleiben, ob für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Berufungsurteile überhaupt ein Regelungsbedürfnis besteht, weil die Verletzung rechtlichen Gehörs auch zur Zulassung der Revision führt (vgl. nur Senatsbeschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; v. 27. März 2003, V ZR 291/02, NJW 2003, 1943). Denn selbst wenn § 321a ZPO entsprechend anwendbar wäre, hätte dies nur zur Folge, daß der Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch rechtzeitige Erhebung der Rüge gehemmt wäre (§ 705 Satz 2 ZPO). Auf den Lauf der Beschwerdefrist hat dies dagegen keinen Einfluß.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu stellen. §§ 147 bis 149 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 81/08
vom
6. Mai 2009
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2009 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin
Dr. Vézina sowie die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. April 2008 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Gründe:

I.

1
Die Ehe der Parteien, die durch Ehevertrag vom 19. Juni 1979 u. a. den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten, wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 17. November 1987 (am selben Tage rechtskräftig ) geschieden. Im Tenor des Scheidungsurteils heißt es: „Der Versorgungsausgleich ist durch Vereinbarung der Parteien vom 19.06.1979 geregelt.“
2
Auf den 2007 gestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) hat das Amtsgericht - Familiengericht - mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 zu Lasten des Ehemannes (Antragsgegner) den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt. In den Gründen hat es die Währungsangaben verwechselt und den in den Auskünften der Versorgungsträger in Euro ausgewiesenen Wert der Rentenanwartschaften irrtümlich in zahlenmäßig gleichen DM-Beträgen ausgewiesen. Auf dieser Grundlage hat es den Versorgungsausgleich ermittelt und im Tenor des Beschlusses - ebenfalls irrtümlich - die Höhe der zu übertragenden Rentenanwartschaften als DM-Beträge bezeichnet. Dementsprechend hat es im Wege des Splittings und erweiterten Splittings vom Versicherungskonto des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften in Höhe von 170,09 DM (statt 170,09 €) sowie in Höhe von 28,68 DM (statt 28,68 €), jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes am 5. Dezember 2007 zugestellt worden.
3
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Tenor und Gründe seines Beschlusses vom 4. Dezember 2007 berichtigt und die Wertangaben in Tenor und Gründen nunmehr zutreffend als EuroBeträge gekennzeichnet. Diesen Beschluss hat es dem Verfahrensbevollmächtigen des Ehemannes am 12. Dezember 2007 zugestellt.
4
Der Ehemann hat gegen den Beschluss vom 4. Dezember 2007 am 9. Januar 2008 Beschwerde eingelegt und diese am 23. Januar 2008 begründet. Er hat die Auffassung vertreten, die Beschwerdefrist beginne erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses am 12. Dezember 2007; vorsorglich hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Zulassungsgründe des § 574 Abs. 2 (i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4) ZPO nicht vorliegen. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) keine Entscheidung des Beschwerdegerichts; die an- gefochtene Entscheidung verletzt den Ehemann nicht in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
6
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Beschwerde unzulässig , weil sie nicht innerhalb der Frist der § 621 e Abs. 3, § 517 ZPO eingelegt worden sei. Diese Frist habe bereits mit der Zustellung des - noch nicht berichtigten - Beschlusses vom 4. Dezember 2007 (am 5. Dezember 2007) begonnen und sei durch die Einlegung der Beschwerde (am 9. Januar 2008) nicht gewahrt. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (am 12. Dezember 2007) komme es nicht an; denn die Berichtigung habe nur dem Umstand Rechnung getragen, dass in Tenor und Gründen des ursprünglichen Beschlusses die Beträge der Rentenanwartschaften durchweg - fälschlich - als DM-Beträge und nicht - richtig - als EUR-Beträge gekennzeichnet gewesen seien. Für die Beteiligten sei aufgrund der ihnen vorliegenden Rentenauskünfte ohne weiteres ersichtlich gewesen, dass das Familiengericht nur die Währungszeichen verwechselt habe. Das Wiedereinsetzungsbegehren des Ehemannes bleibe erfolglos, da er sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen müsse und deshalb nicht ohne Verschulden an der Fristeinhaltung gehindert gewesen sei.
7
2. Die Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
8
a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Berichtigung einer Entscheidung wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen hat. Den Parteien wird zugemutet, in ihren Entschließungen zur Einlegung eines Rechtsmittels die offenbare Unrichtigkeit der Entscheidung zu berücksichtigen, schon bevor diese gemäß § 319 ZPO richtig gestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424, 1425 und vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89 - FamRZ 1990, 988; Senatsbeschluss vom 25. September 1991 - XII ZB 98/91 - NJW-RR 1992, 251, 252 sowie BGH Beschlüsse vom 27. Juni 1995 - VI ZB 8/95 - VersR 1996, 214, 215 und vom 21. Mai 1985 - VI ZB 4/85 - NJW 1986, 935, 936). Nur ausnahmsweise beginnt eine neue Rechtsmittelfrist mit der Bekanntmachung des Berichtigungsbeschlusses (bzw. mit Zustellung der berichtigten Ausfertigung) zu laufen, nämlich dann, wenn die zunächst zugestellte Entscheidung insgesamt - also einschließlich der Entscheidungsgründe - nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1994 - XII ZR 184/93 - FamRZ 1995, 155, 156; vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424, 1425 und vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89 - FamRZ 1990, 988 sowie Senatsbeschluss vom 28. Juni 2000 - XII ZB 157/99 - FamRZ 2000, 1499; BGH Beschlüsse vom 12. Februar 2004 - V ZR 125/03 - NJW-RR 2004, 712, 713; vom 27. Juni 1995 - VI ZB 8/95 - VersR 1996, 214, 215 und vom 26. September 1988 - II ZB 6/88 - juris, Tz. 8).
9
b) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Der Ehemann hatte bereits nach dem unberichtigten Tenor Rentenanwartschaften abzugeben, so dass sein Verfahrensbevollmächtigter schon aus diesem Grunde prüfen musste , ob dem Ehemann zur Einlegung eines Rechtsmittels zu raten sei. Bei gebotener Sorgfalt hätte der Verfahrensbevollmächtigte erkennen können, dass der Tenor des - unberichtigten - Beschlusses vom 4. Dezember 2007 auf einem Irrtum des Familiengerichts beruhte. Aus dem Vergleich mit den - im Beschluss in Bezug genommenen - Auskünften der Versorgungsträger ergab sich zweifelsfrei , dass das Familiengericht lediglich die Währungszeichen verwechselt und die in den Auskünften in EUR ausgewiesenen Werte als DM-Beträge in seine Berechnung eingestellt hatte. Diesen Vergleich durfte der Verfahrensbe- vollmächtigte um so weniger unterlassen, als die Währungsumstellung im Zeitpunkt der familiengerichtlichen Entscheidung bereits mehrere Jahre zurücklag und die Verwendung von DM-Beträgen im Tenor der Entscheidung - unbeschadet des Ehezeitendes (1987) - eine Überprüfung der Werte nahe legte.
10
Die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde begann folglich bereits mit der Zustellung des nicht berichtigten Beschlusses am 5. Dezember 2007. Sie wurde durch die am 9. Januar 2008 eingegangene Beschwerde des Ehemannes nicht gewahrt. Das Oberlandesgericht hat es auch zu Recht abgelehnt, dem Ehemann eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren. Denn der Ehemann hat nicht dargelegt, dass er an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war. Dies gilt umso mehr, als der Berichtigungsbe- schluss dem Ehemann bereits am 12. Dezember 2007 zugestellt worden war. Ein etwaiges Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss der Ehemann sich zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Hahne Wagenitz Frau RiBGH Dr. Vézina ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Wesel, Entscheidung vom 04.12.2007 - 18 F 38/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.04.2008 - II-8 UF 10/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 46/06
vom
12. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2006 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin, eine Reiseveranstalterin, macht gegenüber dem Beklagten, der für ein - zwischenzeitlich insolventes - Reisebüro tätig war, Schadensersatzansprüche geltend. Vor dem Amtsgericht hatte sie Erfolg. Gegen das ihm am 30. September 2003 zugestellte Urteil des Amtsgerichts vom 25. September 2003 hat der Beklagte am 27. Oktober 2003 Berufung eingelegt und - wegen eines Tatbestandsberichtigungsantrages - eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dahingehend beantragt, dass die vierwöchige Berufungsbegründungsfrist erst dann beginnen solle, wenn eine Entscheidung über den Tatbe- standsberichtigungsantrag vorliege. Das Landgericht gewährte dem Beklagten eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Dezember 2003. Nachdem im Dezember die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht über den Tatbestandsberichtigungsantrag des Beklagten stattgefunden hatte, beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2003 vorsorglich eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist , da er sich ab dem 23. Dezember 2003 in seinem Weihnachtsurlaub befinde und zu vermuten sei, dass der Beschluss des Amtsgerichts über den Tatbestandsberichtigungsantrag nicht rechtzeitig eingehen werde. Der Tatbestandsberichtigungsbeschluss des Amtsgerichts ging bei dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 29. Dezember 2003 ein. Mit Schreiben vom 2. Januar 2004 lehnte das Landgericht eine erneute Verlängerung der Berufungsfrist ab, weil diese nur mit Einverständnis des Gegners möglich und im Übrigen der Antrag so unbestimmt sei, dass der Gegner ein Einverständnis nicht habe erteilen können; es sei eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO vorgesehen. Mit Schreiben vom 9. Januar 2004 wies der Prozessbevollmächtigte des Beklagten darauf hin, dass die Berufung rechtzeitig begründet worden sei und er davon ausgehe, dass sich die Berufungsbegründungsschrift mit dem Schreiben des Landgerichts vom 2. Januar 2004 überschnitten habe. Das Landgericht teilte daraufhin mit Schreiben vom 26. Januar 2004 dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit, dass die Berufungsbegründungsschrift ausweislich des darauf befindlichen Eingangsstempels des Landgerichts am 15. Januar 2004 beim Landgericht eingegangen sei. Sie enthalte zwar ein Kürzel eines bzw. einer "JOS" mit dem aufgestempelten Datum "30. Dezember 2003". Dieses habe jedoch einem Mitarbeiter des Landgerichts aber nicht zugeordnet werden können.
2
Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schreiben vom 30. Januar 2004 mit, der Schriftsatz sei durch einen Kollegen, Herrn Rechtsanwalt L., persönlich am 30. Dezember 2003 "beim Land-/Amtsgericht D." abgegeben worden. Er, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, könne sich die Angelegenheit insgesamt nur so erklären, dass der Schriftsatz an einer Akte geklebt habe und dann zunächst in einer falschen Abteilung gelandet sei. Wer den Eingang am 30. Dezember 2003 bestätigt habe, könne er nicht sagen. Dass der Schriftsatz am 30. Dezember 2003 durch Herrn Rechtsanwalt L. beim Land-/Amtsgericht D. rechtzeitig eingereicht worden sei, werde unter Beweis gestellt durch dessen Zeugnis. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
3
Mit Beschluss vom 18. Februar 2004, zugestellt am 1. März 2004, hat das Landgericht die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen.
4
Das Berufungsgericht führt aus, die Berufungsbegründung sei nicht innerhalb der Frist des § 520 ZPO eingegangen. Ausweislich des Stempels des Landgerichts sei sie erst am 15. Januar 2003, also erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 30. Dezember 2003 eingegangen. Zwar sei auf dem Original und der beglaubigten Abschrift der Berufungsbegründungsschrift der Stempelaufdruck "30. Dez. 03" zu finden und mit dem Kürzel eines bzw. einer "JOS" versehen. Dieses Kürzel lasse sich aber einem Mitarbeiter des Landgerichts nicht zuordnen. Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 30. Januar 2004 enthielten keinen konkreten Sachvortrag, dass Herr Rechtsanwalt L. einem Bediensteten bzw. einer Bediensteten des Landgerichts den Schriftsatz übergeben habe. Für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei, da der rechtzeitige Eingang der Berufungsbegründung behauptet werde, kein Raum.
5
Gegen diese Beurteilung des Landgerichts wendet sich der Beklagte mit seiner rechtzeitig eingelegten und nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründeten Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und wegen Verletzung rechtlichen Gehörs auch ansonsten zulässig (vgl. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und begründet.
7
1. Der Beklagte wendet sich allerdings ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Berufungsbegründung erst am 15. Januar 2004 und damit verfristet im Sinne des § 520 ZPO eingegangen ist. Die rechtzeitige Einreichung muss voll bewiesen werden durch Entkräftung der Richtigkeit des Eingangsstempels vom 15. Januar 2004 (vgl. § 418 Abs. 1 und 2 ZPO).
8
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Tatbestandsberichtigung im Sinne des § 320 ZPO keinen Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfristen (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2003 - VI ZB 10/03 - NJW 2003, 2991, 2992; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 518 Rn. 3 und § 517 Rn. 6). Eine Ausnahme ist allenfalls denkbar, wenn erst die berichtigte Fassung die Beschwer hinreichend erkennen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1994 - XII ZR 184/93 - NJW 1995, 1033; Zöller/Gummer/Heßler, aaO). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr ging es bei der Tatbestandsberichtigung lediglich um Begründungselemente, insbesondere um die Frage, ob der Beklagte für sich selbst oder für ein Reisebüro gehandelt hatte.
9
2. Soweit der Beklagte rügt, das Berufungsgericht hätte über seine Behauptung , Rechtsanwalt L. habe die von seinem Prozessbevollmächtigten un- terzeichnete Berufungsbegründungsschrift am 30. Dezember 2003 eingereicht, den beantragten Zeugenbeweis erheben müssen, hat er auch damit keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den zugrunde liegenden Vortrag mit Recht als unsubstantiiert behandelt, denn die Behauptung, Rechtsanwalt L. habe den Schriftsatz "beim Landgericht/Amtsgericht D." am 30. Dezember 2003 abgegeben (vgl. GA 147) lässt nicht erkennen, wo genau er ihn abgegeben haben will.
10
Auch der einfache Datumsstempel "30. Dez. 03" mit einem Namenskürzel einer oder eines nicht zu ermittelnden "JOS" beweist nicht, dass der Schriftsatz entgegen dem Original-Eingangsstempel des Landgerichts vom 15. Januar 2004 bereits am 30. Dezember 2003 bei einer empfangszuständigen Stelle oder Person abgegeben worden ist.
11
3. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers nicht beschieden und dadurch dessen Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs.1 GG) verletzt.
12
Soweit das Berufungsgericht meint, für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei kein Raum, da der rechtzeitige Eingang der Berufungsbegründung behauptet werde, lässt es unberücksichtigt, dass der Kläger in seinem Schriftsatz vom 30. Januar 2004 den Wiedereinsetzungsantrag hilfsweise für den Fall gestellt hatte, dass das Gericht den Beweis des rechtzeitigen Eingangs nicht als geführt ansehe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2000 - VII ZB 36/99 - NJW 2000, 2280). Da der Beklagte unter Hinweis auf die Beauftragung eines Rechtsanwaltskollegen mit der Einreichung der Berufungsbegründungsschrift ersichtlich auch für den Fall der vom Berufungsgericht angenommenen Fristversäumnis ein fehlendes Verschulden des Beklagten im Sinne des § 233 ZPO geltend machen wollte, hätte das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag bescheiden müssen. Hierzu wird es bei erneuter Sachbe- handlung Gelegenheit haben, insbesondere wird es auch zu prüfen haben, ob sich der Beklagte ein etwaiges Verschulden des Rechtsanwalts L. gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Dies könnte der Fall sein, wenn dieser nicht nur einen einfachen Botendienst, sondern die Urlaubsvertretung für den Prozessbevollmächtigten des Beklagten übernommen gehabt hätte. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.09.2003 - 39 C 2922/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.02.2004 - 21 S 427/03 -

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

(1) Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45, auch in Verbindung mit § 59a). Steht dem Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch zu, ohne dass ihm zum Zeitpunkt der Beiordnung oder Bestellung ein unbedingter Auftrag desjenigen erteilt worden ist, dem er beigeordnet oder für den er bestellt wurde, so ist für diese Vergütung in derselben Angelegenheit bisheriges Recht anzuwenden, wenn die Beiordnung oder Bestellung des Rechtsanwalts vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung wirksam geworden ist. Erfasst die Beiordnung oder Bestellung auch eine Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt erst nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erstmalig beauftragt oder tätig wird, so ist insoweit für die Vergütung neues Recht anzuwenden. Das nach den Sätzen 2 bis 4 anzuwendende Recht findet auch auf Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts Anwendung, die sich nicht gegen die Staatskasse richten. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.

(2) Sind Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen, gilt für die gesamte Vergütung das bisherige Recht auch dann, wenn dies nach Absatz 1 nur für einen der Gegenstände gelten würde.

(3) In Angelegenheiten nach dem Pflegeberufegesetz ist bei der Bestimmung des Gegenstandswerts § 52 Absatz 4 Nummer 4 des Gerichtskostengesetzes nicht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 15. August 2019 erteilt worden ist.

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

Gegen-
standswert
bis ... Euro
für jeden
angefangenen
Betrag von
weiteren ... Euro
um
... Euro
2 00050039
10 0001 00056
25 0003 00052
50 0005 00081
200 00015 00094
500 00030 000132
über
500 000

50 000

165


Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

(1) Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug.

(2) In den Fällen des § 146 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bildet das weitere Verfahren vor dem Familiengericht mit dem früheren einen Rechtszug.

(3) Wird eine Folgesache als selbständige Familiensache fortgeführt, sind das fortgeführte Verfahren und das frühere Verfahren dieselbe Angelegenheit.

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

(1) Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 368-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 6 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Ist der Rechtsanwalt am 1. Juli 2004 in derselben Angelegenheit und, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in demselben Rechtszug bereits tätig, gilt für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, dieses Gesetz. § 60 Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Auf die Vereinbarung der Vergütung sind die Vorschriften dieses Gesetzes auch dann anzuwenden, wenn nach Absatz 1 die Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte weiterhin anzuwenden und die Willenserklärungen beider Parteien nach dem 1. Juli 2004 abgegeben worden sind.

(1) Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Vorbereitung der Klage, des Antrags oder der Rechtsverteidigung, soweit kein besonderes gerichtliches oder behördliches Verfahren stattfindet;
1a.
die Einreichung von Schutzschriften und die Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zum Klageregister für Musterfeststellungsklagen sowie die Rücknahme der Anmeldung;
1b.
die Verkündung des Streits (§ 72 der Zivilprozessordnung);
2.
außergerichtliche Verhandlungen;
3.
Zwischenstreite, die Bestellung von Vertretern durch das in der Hauptsache zuständige Gericht, die Ablehnung von Richtern, Rechtspflegern, Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder Sachverständigen, die Entscheidung über einen Antrag betreffend eine Sicherungsanordnung, die Wertfestsetzung, die Beschleunigungsrüge nach § 155b des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit;
4.
das Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter;
5.
das Verfahren
a)
über die Erinnerung (§ 573 der Zivilprozessordnung),
b)
über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör,
c)
nach Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen,
d)
nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und
e)
nach Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen;
6.
die Berichtigung und Ergänzung der Entscheidung oder ihres Tatbestands;
7.
die Mitwirkung bei der Erbringung der Sicherheitsleistung und das Verfahren wegen deren Rückgabe;
8.
die für die Geltendmachung im Ausland vorgesehene Vervollständigung der Entscheidung und die Bezifferung eines dynamisierten Unterhaltstitels;
9.
die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Einwilligung zur Einlegung der Sprungrevision oder Sprungrechtsbeschwerde, der Antrag auf Entscheidung über die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, die nachträgliche Vollstreckbarerklärung eines Urteils auf besonderen Antrag, die Erteilung des Notfrist- und des Rechtskraftzeugnisses;
9a.
die Ausstellung von Bescheinigungen, Bestätigungen oder Formblättern einschließlich deren Berichtigung, Aufhebung oder Widerruf nach
a)
§ 1079 oder § 1110 der Zivilprozessordnung,
b)
§ 39 Absatz 1 und § 48 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes,
c)
§ 57, § 58 oder § 59 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes,
d)
§ 14 des EU-Gewaltschutzverfahrensgesetzes,
e)
§ 71 Absatz 1 des Auslandsunterhaltsgesetzes,
f)
§ 27 des Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetzes und
g)
§ 27 des Internationalen Güterrechtsverfahrensgesetzes;
10.
die Einlegung von Rechtsmitteln bei dem Gericht desselben Rechtszugs in Verfahren, in denen sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten; die Einlegung des Rechtsmittels durch einen neuen Verteidiger gehört zum Rechtszug des Rechtsmittels;
10a.
Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder keine besonderen Gebührentatbestände vorgesehen sind;
11.
die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung, wenn nicht eine abgesonderte mündliche Verhandlung hierüber stattfindet;
12.
die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung und die Anordnung, dass Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind (§ 93 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), wenn nicht ein besonderer gerichtlicher Termin hierüber stattfindet;
13.
die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel, wenn deswegen keine Klage erhoben wird;
14.
die Kostenfestsetzung und die Einforderung der Vergütung;
15.
(weggefallen)
16.
die Zustellung eines Vollstreckungstitels, der Vollstreckungsklausel und der sonstigen in § 750 der Zivilprozessordnung genannten Urkunden und
17.
die Herausgabe der Handakten oder ihre Übersendung an einen anderen Rechtsanwalt.

(2) Zu den in § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 genannten Verfahren gehören ferner insbesondere

1.
gerichtliche Anordnungen nach § 758a der Zivilprozessordnung sowie Beschlüssenach §§ 90 und 91 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
2.
die Erinnerung nach § 766 der Zivilprozessordnung,
3.
die Bestimmung eines Gerichtsvollziehers (§ 827 Absatz 1 und § 854 Absatz 1 der Zivilprozessordnung) oder eines Sequesters (§§ 848 und 855 der Zivilprozessordnung),
4.
die Anzeige der Absicht, die Zwangsvollstreckung gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu betreiben,
5.
die einer Verurteilung vorausgehende Androhung von Ordnungsgeld und
6.
die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 9/02
vom
17. Dezember 2002
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Auch wenn der Berufungskläger die Berufung nur zur Fristwahrung einlegt und
vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zurücknimmt, ist dem Berufungsbeklagten
eine zur Kostenfestsetzung angemeldete 13/20-Gebühr eines zu diesem
Zeitpunkt bereits beauftragten zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten
zu erstatten.
BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
am 17. Dezember 2002

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Februar 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Klägerin hat gegen das landgerichtliche Urteil, durch das die von ihr erhobene Schadensersatzklage abgewiesen worden ist, Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 12. April 2001 teilte sie dem Beklagten mit, daß das Rechtsmittel nur zur Fristwahrung eingelegt werde, und bat den Beklagten, zunächst noch keinen Anwalt für die zweite Instanz zu bestellen. Gleichwohl hat der Beklagte am 30. April 2001 einen Prozeßbevollmächtigten für das Berufungsverfahren beauftragt. Nach Rücknahme der Berufung innerhalb verlän-
gerter Begründungsfrist hat sein Prozeßbevollmächtigter die Vertretung des Beklagten angezeigt und einen Kostenbeschluß erwirkt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht eine 13/20-Prozeßgebühr für den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Rechtspflegers mit Beschluß vom 8. November 2001 zunächst aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Auf die Gegenvorstellung des Beklagten hat das Oberlandesgericht seine Entscheidung durch den angefochtenen Beschluß wieder aufgehoben und die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie weiterhin die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrag erstrebt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Da die angefochtene Entscheidung nach dem 31. Dezember 2001 erlassen worden ist, findet auf die Rechtsbeschwerde nach § 26 Nr. 10 EGZPO die Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und gemäß § 575 ZPO auch im übrigen zulässig.
2. Die Rechtskraft des Beschlusses des Beschwerdegerichts vom 8. November 2001 steht einer Sachentscheidung nicht entgegen. Vielmehr war das Beschwerdegericht berechtigt, seinen ersten Beschluß auf Grund der Gegen-
vorstellung des Beklagten abzuändern, unbeschadet dessen, daß der Beschluß auf sofortige Beschwerde gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO ergangen und nach dem insoweit maßgeblichen früheren Recht nicht anfechtbar und somit formell rechtskräftig geworden war (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 104 Rdn. 21 "Rechtskraft"). Trotz grundsätzlich eingetretener Bindungswirkung können nämlich Beschlüsse durch das erlassende Gericht auf Grund einer Gegenvorstellung korrigiert werden, wenn sie unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder anderer Verfahrensgrundrechte zustandegekommen sind und daher einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten könnten (vgl. BGHZ 130, 97, 99 f.; BGH, Urt. v. 8.11.1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; Beschl. v. 25.11.1999 - IX ZB 95/99, NJW 2000, 590; v. 26.4.2001 - IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; zum neuen Recht BGH, Beschl. v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß dem Gericht in solchen Fällen die Möglichkeit eröffnet werden soll, den Fehler selbst zu beheben und den Beteiligten dadurch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu ersparen.
Im vorliegenden Fall hat das Beschwerdegericht mit seiner Entscheidung vom 8. November 2001 das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt. Dieser hatte mit Schriftsatz vom 4. September 2001 vorgebracht, die Prozeßgebühr sei in der geltend gemachten Höhe erstattungsfähig, weil die Bestellung des zweitinstanzlichen Anwalts vor der Berufungsrücknahme erfolgt sei. Demgegenüber wird im Beschluß vom 8. November 2001 maßgeblich darauf abgestellt , daß der Beklagte zunächst davon abgesehen habe, im Berufungsrechtszug einen Rechtsanwalt für sich zu bestellen, und daß die Vertretung erst nach der Rechtsmittelrücknahme angezeigt worden sei. Dies hätte bedeutet, daß der Prozeßbevollmächtigte nur zu dem Zweck bestellt worden wäre, den Kosten-
ausspruch zu beantragen. Das Beschwerdegericht hat demnach ohne weitere Begründung einen vom Vortrag des Beklagten abweichenden Sachverhalt zugrundegelegt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist jedoch verletzt, wenn das entscheidende Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 47, 182, 188; Sen.Beschl. v. 25.1.2000 - X ZB 7/99, NJW-RR 2000, 1569; v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, BGH-Rep. 2002, 1056).
3. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde nicht begründet.

a) Das Beschwerdegericht hält die Kosten des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten im festgesetzten Umfang für erstattungsfähig. Auch wenn die Durchführung einer zunächst nur fristwahrend eingelegten Berufung zunächst noch ungewiß sei, müsse der Berufungsbeklagte nach dem Grundsatz der Waffengleichheit in jedem Fall berechtigt sein, seinerseits sogleich einen Rechtsanwalt für die Berufungsinstanz zu beauftragen. Damit müsse er nicht warten, bis die Berufungsbegründung eingereicht werde, weil er sonst mit der Vorbereitung einer eventuell erforderlichen Berufungserwiderung unter Fristendruck geraten könne.

b) Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde handelt es sich dagegen bei den dem Beklagten entstandenen Anwaltskosten nicht um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO. Im Zeitpunkt der Anwaltsbeauftragung sei die Klägerin noch nicht zur Durchführung des Rechtsmittels entschlossen gewesen und habe weder einen Berufungsantrag gestellt noch eine Berufungsbegründung eingereicht. Es habe demnach noch keinen konkreten
Angriff gegeben, gegen den sich der Beklagte habe verteidigen müssen. Allein durch die Einlegung des Rechtsmittels drohe dem Rechtsmittelgegner keine Gefahr. Ob bzw. in welchem Umfang Verteidigungsmaßnahmen ergriffen werden müßten, zeige erst die Berufungsbegründung. Erst aus ihr ergebe sich, inwieweit und aus welchen Gründen bzw. unter welchem Gesichtspunkt das Urteil angefochten werde. Zuvor sei dem Berufungsbeklagten unbekannt, ob und welche Verteidigungsmaßnahmen notwendig seien.

c) Die Argumente der Rechtsbeschwerde, die sich auf einen Teil der veröffentlichten Rechtsprechung stützen kann (s. etwa OLG Hamburg, JurBüro 1994, 423; OLG Dresden, MDR 1998, 1309, und MDR 2000, 852; LAG Hamm, MDR 1998, 1440 f.), vermögen nicht zu überzeugen. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, daß eine Partei im Prozeß einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen.
Eine derartige Einschränkung läßt sich auch § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht entnehmen. Dabei kann dahinstehen, ob die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts überhaupt der Nachprüfung unterliegt. Denn jedenfalls ist sie aus der Sicht einer verständigen Prozeßpartei zu beurteilen. Maßgebend ist dabei nicht, ob die Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten im konkreten Fall objektiv nützlich oder gar notwendig war, sondern ob eine verständige Prozeßpartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragen würde. Dies kann im Regelfall, solange die Berufung nicht wieder
zurückgenommen ist, nicht verneint werden. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Ihr kann daher nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten. Dies gilt um so mehr, als ein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter - sofern ein solcher überhaupt bestellt war - insoweit keine Beratung leisten wird. Die Beratung in Angelegenheiten der Berufungsinstanz gehört nämlich nicht zu den Tätigkeiten, die von der Gebühr des im vorangegangenen Rechtszug tätigen Rechtsanwalts abgedeckt sind (vgl. § 37 Nr. 7 BRAGO).
Ob in der aktuellen Situation tatsächlich etwas zu veranlassen ist, kann in diesem Zusammenhang nicht allein den Ausschlag geben. Auch der in dem angefochtenen Beschluß angesprochene Grundsatz der Waffengleichheit spielt daher nicht die entscheidende Rolle. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts braucht nicht erforderlich zu sein, damit Vorbereitungen für eine Berufungserwiderung rechtzeitig getroffen werden können und dadurch ein Fristendruck vermieden wird. Es muß genügen, daß der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten darf. Daher kann ihm im Normalfall auch nicht zugemutet werden, mit der Bestellung eines Anwalts solange zu warten, bis der Berufungskläger einen Antrag (oder gar mehrere Anträge) auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels gestellt hat (in diesem Sinne jedoch OLG Bamberg, JurBüro 1985, 407 f.; OLG Hamm, FamRZ 1990, 537; OLG Nürnberg, JurBüro 1992,

39).


Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde demgegenüber auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Prozeßkostenhilfe, nach denen dem Revisionsbeklagten bis zur Einreichung der Revisionsbegründung im allgemeinen kein anwaltlicher Beistand zugebilligt wird, unabhängig davon, ob sich eine bemittelte Partei auf eigene Kosten schon früher eines Revisionsanwalts bedienen würde (Beschl. vom 30.9.1981 - IVb ZR 694/80, NJW 1982, 446 f.; v. 10.2.1988 - IVb ZR 67/87, FamRZ 1988, 942, jeweils m.w.N.). Begründet wird dies mit der Vorschrift des § 114 Satz 1 ZPO, wonach die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung nicht mutwillig sein darf. Den Entscheidungen liegen spezifisch prozeßkostenhilferechtliche Erwägungen zugrunde, die im vorliegenden Zusammenhang, in dem es um die Kostenerstattung zwischen den Parteien geht, keine Rolle spielen.

d) Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf, insbesondere ob die erst bei Stellung eines Sachantrags endgültig in voller Höhe anfallende Prozeßgebühr auch dann in dieser Höhe erstattungsfähig ist, wenn der Antrag gestellt wird, bevor feststeht , daß die Berufung tatsächlich durchgeführt wird (so insbesondere OLG Düsseldorf, JurBüro 1989, 363; MDR 1995, 857; AnwBl. 1996, 589), oder ob in diesem Fall, wie ganz überwiegend angenommen wird, nur eine halbe Gebühr gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO geltend gemacht werden kann (so KG, AnwBl. 1984, 620; OLG Hamburg, JurBüro 1995, 90; OLG Hamm, JurBüro 1991, 1084; OLG Karlsruhe, JurBüro 1997, 142; OLG Koblenz, MDR 1995, 968; OLG Köln, JurBüro 1992, 801; OLG München, JurBüro 1994, 93; OLG Naumburg, AnwBl. 1999, 56; OLG Nürnberg, MDR 2000, 415; OLG Schleswig, MDR 1999, 381;
Belz in: MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 91 Rdn. 26; Göttlich/Mümmler/Rehberg/ Xanke, BRAGO, 20. Aufl., S. 287 f.; Meyer, JurBüro 2001, 296, 297; Zöller/ Herget, aaO, § 91 Rdn. 13 "Berufung"). Diese Frage bedarf im Streitfall keiner Beantwortung, da zugunsten des Beklagten nur eine 13/20-Gebühr festgesetzt worden ist.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

Der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.