Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2009 - XII ZB 81/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Ehe der Parteien, die durch Ehevertrag vom 19. Juni 1979 u. a. den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten, wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 17. November 1987 (am selben Tage rechtskräftig ) geschieden. Im Tenor des Scheidungsurteils heißt es: „Der Versorgungsausgleich ist durch Vereinbarung der Parteien vom 19.06.1979 geregelt.“
- 2
- Auf den 2007 gestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) hat das Amtsgericht - Familiengericht - mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 zu Lasten des Ehemannes (Antragsgegner) den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt. In den Gründen hat es die Währungsangaben verwechselt und den in den Auskünften der Versorgungsträger in Euro ausgewiesenen Wert der Rentenanwartschaften irrtümlich in zahlenmäßig gleichen DM-Beträgen ausgewiesen. Auf dieser Grundlage hat es den Versorgungsausgleich ermittelt und im Tenor des Beschlusses - ebenfalls irrtümlich - die Höhe der zu übertragenden Rentenanwartschaften als DM-Beträge bezeichnet. Dementsprechend hat es im Wege des Splittings und erweiterten Splittings vom Versicherungskonto des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften in Höhe von 170,09 DM (statt 170,09 €) sowie in Höhe von 28,68 DM (statt 28,68 €), jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes am 5. Dezember 2007 zugestellt worden.
- 3
- Mit Beschluss vom 7. Dezember 2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Tenor und Gründe seines Beschlusses vom 4. Dezember 2007 berichtigt und die Wertangaben in Tenor und Gründen nunmehr zutreffend als EuroBeträge gekennzeichnet. Diesen Beschluss hat es dem Verfahrensbevollmächtigen des Ehemannes am 12. Dezember 2007 zugestellt.
- 4
- Der Ehemann hat gegen den Beschluss vom 4. Dezember 2007 am 9. Januar 2008 Beschwerde eingelegt und diese am 23. Januar 2008 begründet. Er hat die Auffassung vertreten, die Beschwerdefrist beginne erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses am 12. Dezember 2007; vorsorglich hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Zulassungsgründe des § 574 Abs. 2 (i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4) ZPO nicht vorliegen. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) keine Entscheidung des Beschwerdegerichts; die an- gefochtene Entscheidung verletzt den Ehemann nicht in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
- 6
- 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Beschwerde unzulässig , weil sie nicht innerhalb der Frist der § 621 e Abs. 3, § 517 ZPO eingelegt worden sei. Diese Frist habe bereits mit der Zustellung des - noch nicht berichtigten - Beschlusses vom 4. Dezember 2007 (am 5. Dezember 2007) begonnen und sei durch die Einlegung der Beschwerde (am 9. Januar 2008) nicht gewahrt. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (am 12. Dezember 2007) komme es nicht an; denn die Berichtigung habe nur dem Umstand Rechnung getragen, dass in Tenor und Gründen des ursprünglichen Beschlusses die Beträge der Rentenanwartschaften durchweg - fälschlich - als DM-Beträge und nicht - richtig - als EUR-Beträge gekennzeichnet gewesen seien. Für die Beteiligten sei aufgrund der ihnen vorliegenden Rentenauskünfte ohne weiteres ersichtlich gewesen, dass das Familiengericht nur die Währungszeichen verwechselt habe. Das Wiedereinsetzungsbegehren des Ehemannes bleibe erfolglos, da er sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen müsse und deshalb nicht ohne Verschulden an der Fristeinhaltung gehindert gewesen sei.
- 7
- 2. Die Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 8
- a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Berichtigung einer Entscheidung wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen hat. Den Parteien wird zugemutet, in ihren Entschließungen zur Einlegung eines Rechtsmittels die offenbare Unrichtigkeit der Entscheidung zu berücksichtigen, schon bevor diese gemäß § 319 ZPO richtig gestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424, 1425 und vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89 - FamRZ 1990, 988; Senatsbeschluss vom 25. September 1991 - XII ZB 98/91 - NJW-RR 1992, 251, 252 sowie BGH Beschlüsse vom 27. Juni 1995 - VI ZB 8/95 - VersR 1996, 214, 215 und vom 21. Mai 1985 - VI ZB 4/85 - NJW 1986, 935, 936). Nur ausnahmsweise beginnt eine neue Rechtsmittelfrist mit der Bekanntmachung des Berichtigungsbeschlusses (bzw. mit Zustellung der berichtigten Ausfertigung) zu laufen, nämlich dann, wenn die zunächst zugestellte Entscheidung insgesamt - also einschließlich der Entscheidungsgründe - nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1994 - XII ZR 184/93 - FamRZ 1995, 155, 156; vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424, 1425 und vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89 - FamRZ 1990, 988 sowie Senatsbeschluss vom 28. Juni 2000 - XII ZB 157/99 - FamRZ 2000, 1499; BGH Beschlüsse vom 12. Februar 2004 - V ZR 125/03 - NJW-RR 2004, 712, 713; vom 27. Juni 1995 - VI ZB 8/95 - VersR 1996, 214, 215 und vom 26. September 1988 - II ZB 6/88 - juris, Tz. 8).
- 9
- b) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Der Ehemann hatte bereits nach dem unberichtigten Tenor Rentenanwartschaften abzugeben, so dass sein Verfahrensbevollmächtigter schon aus diesem Grunde prüfen musste , ob dem Ehemann zur Einlegung eines Rechtsmittels zu raten sei. Bei gebotener Sorgfalt hätte der Verfahrensbevollmächtigte erkennen können, dass der Tenor des - unberichtigten - Beschlusses vom 4. Dezember 2007 auf einem Irrtum des Familiengerichts beruhte. Aus dem Vergleich mit den - im Beschluss in Bezug genommenen - Auskünften der Versorgungsträger ergab sich zweifelsfrei , dass das Familiengericht lediglich die Währungszeichen verwechselt und die in den Auskünften in EUR ausgewiesenen Werte als DM-Beträge in seine Berechnung eingestellt hatte. Diesen Vergleich durfte der Verfahrensbe- vollmächtigte um so weniger unterlassen, als die Währungsumstellung im Zeitpunkt der familiengerichtlichen Entscheidung bereits mehrere Jahre zurücklag und die Verwendung von DM-Beträgen im Tenor der Entscheidung - unbeschadet des Ehezeitendes (1987) - eine Überprüfung der Werte nahe legte.
- 10
- Die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde begann folglich bereits mit der Zustellung des nicht berichtigten Beschlusses am 5. Dezember 2007. Sie wurde durch die am 9. Januar 2008 eingegangene Beschwerde des Ehemannes nicht gewahrt. Das Oberlandesgericht hat es auch zu Recht abgelehnt, dem Ehemann eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren. Denn der Ehemann hat nicht dargelegt, dass er an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war. Dies gilt umso mehr, als der Berichtigungsbe- schluss dem Ehemann bereits am 12. Dezember 2007 zugestellt worden war. Ein etwaiges Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss der Ehemann sich zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Vorinstanzen:
AG Wesel, Entscheidung vom 04.12.2007 - 18 F 38/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.04.2008 - II-8 UF 10/08 -
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Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.