Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Sept. 2018 - 7 A 10084/18

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2018:0924.7A10084.18.00
bei uns veröffentlicht am24.09.2018

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 15. November 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung der bei ihm angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung.

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Mit Urteil des Landgerichts vom 25. April 2018 – 8021 Js 39340/16.1 KLs –, rechtskräftig seit dem 3. Mai 2018, wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zum Nachteil seines zum Tatzeitpunkt knapp zwei Monate alten Sohnes unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils schüttelte der Kläger seinen Sohn am 28. Juli 2016 aus Verärgerung über ein fortwährendes Schreien oder aus Überforderung so lange und intensiv, dass das Kind eine Gehirnblutung und hiermit einhergehende lebensbedrohliche Verletzungen erlitt. Nachdem der Kläger zunächst selbst Rettungsbemühungen in Form einer Mund-zu-Mund-Beatmung eingeleitet und anschließend den Notarzt verständigt hatte, musste der Säugling im Krankenhaus intensivmedizinisch behandelt werden. Dort wurden im weiteren Verlauf der durchgeführten Untersuchungen neben den auf das Geschehen vom 28. Juli 2016 zurückzuführenden Verletzungen im Gehirn des Kindes auch so genannte subdurale Hygrome diagnostiziert. Diese wiesen nach Aussage des im Ermittlungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen auf eine bereits längere Zeit zurückliegende so genannte rekurrierende Enzephalopathie (wiederholte subklinische Schüttelepisoden ohne schwerwiegende neurologische Symptomatik) hin. In dem hierzu verfassten Gutachten führte der Sachverständige aus, es könne nicht zweifelsfrei bewiesen werden, ob die diagnostizierten Hygrome – einem oder mehreren – Schüttelvorgängen zuzuordnen seien. In sehr seltenen Fällen seien bei Säuglingen auch angeborene bzw. geburtstraumatische Hygrome zu beobachten, wobei dies vorliegend weitestgehend auszuschließen sei. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde deshalb im Hinblick auf den weiteren Tatvorwurf einer Misshandlung in den ersten Lebenswochen mit Verfügung vom 29. Mai 2017 nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung aus, dass die Umstände der Entstehung der Hygrome unklar geblieben seien. Zwar seien diese nach dem Gutachten des Sachverständigen auf eine rekurrierende Enzephalopathie zurückzuführen. Eine Datierung des Vorfalls sei jedoch nicht möglich. Es stehe daher nicht fest, ob und wie der Kläger diese Verletzung herbeigeführt habe.

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Der Kläger hatte das Schütteln des Säuglings gegenüber dem vor Ort anwesenden Notarzt und auch zu Beginn des Krankenhausaufenthalts zunächst nicht eingeräumt. Dies führte mit dazu, dass das Kind im Krankenhaus mangels feststellbarer äußerer Verletzungen nicht im Hinblick auf seine Gehirnverletzungen, sondern aufgrund einer anfangs vermuteten Lungenentzündung in den ersten Tagen falsch behandelt worden war. Erst auf Vorhalt der sich aus den späteren Untersuchungen ergebenden Verdachtsmomente bestätigte der Kläger zwar, seinen Sohn geschüttelt zu haben, stellte dies – wie auch im Verlaufe des Ermittlungs- und nachfolgenden Strafverfahrens sowie in dem verwaltungsbehördlichen Verfahren – allerdings als Rettungsversuch und als Reaktion auf einen vorausgehenden Krampfanfall bzw. auf eine Atemnot seines Sohnes dar.

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Vom 5. September bis zum 9. Dezember 2016 fand ein so genanntes stationäres Familienclearing der Caritas-Einrichtung statt, an dem der Kläger zusammen mit der Kindesmutter und seinem Sohn teilnahm. Die Maßnahme wurde erfolgreich beendet. Seitdem lebt die Familie wieder gemeinsam in ihrer Wohnung. Bei dem Kind konnten bisher keine dauerhaften Schädigungen festgestellt werden.

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Bereits mit Bescheid vom 6. April 2017 ordnete der Beklagte nach Anhörung des Klägers wegen dieses Vorfalls unter der dortigen Ziffer 1 die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers durch Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, Aufnahme von Lichtbildern, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale und Messungen nach § 81b Alt. 2 StPO an. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe sein eigenes Kind durch sein verantwortungsloses Verhalten in Lebensgefahr gebracht. Er habe gegen den zur Tatzeit seiner alleinigen Obhut anvertrauten Säugling Gewalt in massiver Form ausgeübt, obwohl jedem normal intelligenten Menschen bekannt sein müsse, welche gravierenden Folgen dies haben könne. Ein solches Verhalten indiziere ein hohes Maß an Aggressivität und das Fehlen einer angemessenen Impulskontrolle, die im Umgang mit besonders schutzbedürftigen Säuglingen und Kleinkindern unabdingbar sei, um deren körperliche und seelische Unversehrtheit zu gewährleisten. Da er seit Dezember 2016 wieder Zugang zu seinem Sohn habe, ohne dass eine ständige fachkundige Überwachung seines Umgangs mit dem Kind erfolge, bestehe aus kriminalistischer Sicht die konkrete Gefahr von erneutem Kontrollverlust. Damit lägen weitere Gewalthandlungen des Klägers gegen seinen Sohn oder andere künftige Opfer in vergleichbaren Betreuungssituationen, die den Kläger ganz offensichtlich emotional und mental überforderten, nahe. Die bei der erkennungsdienstlichen Behandlung gewonnenen Unterlagen seien wirksame Mittel, die es der Polizei erleichtern würden, dem Kläger zukünftig solche und andere Gewalttaten durch kriminaltechnische Untersuchungen nachzuweisen. Im Idealfall werde sein Wissen über diese kriminalistischen Möglichkeiten den Kläger von weiteren schwerwiegenden Straftaten abhalten, womit das polizeiliche Ziel der Gefahrenabwehr erreicht sei. Der festgestellte Sachverhalt biete nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Somit seien die erkennungsdienstlichen Unterlagen geeignet, die polizeilichen Ermittlungen überführend oder entlastend zu fördern. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahme sei daher zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich.

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Der dagegen von dem Kläger am 13. April 2017 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2017 zurückgewiesen. Über die bereits in dem Ausgangsbescheid genannte Begründung hinaus führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dem Kläger fehle jegliches Unrechtsbewusstsein. Deshalb sei auch in Zukunft mit einem strafbaren Verhalten zu rechnen. Die Lichtbilder würden benötigt, um in Zukunft Straftaten gleicher Art besser aufklären zu können, indem sie möglichen Zeugen vorgelegt würden. Auch die Finger- und Handflächenabdrücke seien geeignet, zukünftige Ermittlungen zu fördern. Hierdurch könnten Tatbeiträge aufgeklärt werden, indem mögliche Spurenträger am Tatort oder an Personen, z.B. an Haut oder Kleidung, auf daktyloskopische Spuren untersucht würden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es ausschließlich zu Hause zu Misshandlungen kommen könnte. Sofern der Kläger seinen Sohn im öffentlichen Raum misshandele, könnten Aussagen von Zeugen, die den Kläger persönlich nicht kennen würden, von erheblicher Bedeutung sein.

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Am 14. Juni 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, der Beklagte verkenne, dass er sich einer freiwilligen Klinikmaßnahme unterzogen habe und hierbei keinerlei Beanstandungen in Bezug auf die Sorge und den Umgang mit seinem Kind registriert worden seien. Vielmehr habe sich genau das Gegenteil eingestellt. Die Annahme, dass auch in Zukunft die Gefahr eines erneuten Kontrollverlustes und einer Gewaltausübung bestehe, sei mit nichts belegt. Nicht einmal die ihm vorgeworfene Tat könne als Kontrollverlust und Gewaltausübung deklariert werden, da er versucht habe, den Säugling bei einem Atemstillstand wiederzubeleben. Es sei abwegig, dass Lichtbilder benötigt würden, um in Zukunft Straftaten gleicher Art besser aufklären zu können. Er sei kein rechtskräftig verurteilter Krimineller, der in der Öffentlichkeit Straftaten begehe. Ihm werde eine Art häuslicher Gewalt vorgeworfen, welche die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht rechtfertige.

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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragt,

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Ziffer 1 des Bescheides des Beklagten vom 6. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und darüber hinaus im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Gutachten ergebe sich, dass die Schüttelbewegungen so stark gewesen sein müssten, dass das potentiell Lebensgefährliche dieses Verhaltens auch medizinisch ungebildeten Personen habe offenseitlich sein müssen. Es bestehe zudem auch eine Wiederholungsgefahr. Der Kläger habe in dieser Angelegenheit offenbar keinerlei Unrechtsbewusstsein. Sofern der Kläger sein gezeigtes Verhalten als adäquat und situationsbedingt richtig einschätze, sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Trotz des durchgeführten Familienclearings werde die Tat weiterhin relativiert und trotz der eindeutigen Gutachtenlage als lebensrettende Maßnahme bezeichnet. Die Untersuchungsergebnisse gingen außerdem von zwei Tathandlungen aus, ohne die erste zeitlich eingrenzen zu können.

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Mit Urteil vom 15. November 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die in Ziffer 1 des Bescheides vom 6. April 2017 angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung und den Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2017 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, trotz der gegebenen Wiederholungsgefahr scheitere die Rechtmäßigkeit der Maßnahme an dem Merkmal der Notwendigkeit. Aufgrund des ermittelten Sachverhalts begegne es keinen rechtlichen Bedenken, davon auszugehen, dass der Kläger auch zukünftig in den Kreis der in einem Strafverfahren Verdächtigten einbezogen werde. Den Ausführungen des Beklagten sei daher insofern zu folgen, als dass dieser das dem Kläger vorgeworfene Verhalten als Indiz für das Fehlen einer angemessenen Impulskontrolle bewerte, die insbesondere im Umgang mit besonders schutzbedürftigen Säuglingen und Kleinkindern unabdingbar sei. Bei Straftaten im Bereich privater bzw. häuslicher und/oder familiärer Gewalt, bei denen – wie hier auch – der Täter typischerweise bekannt sei und keinerlei Maßnahmen zur Verschleierung seiner Identität unternehme, sei die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen zu präventiven Zwecken jedoch grundsätzlich nicht erforderlich, da diesen regelmäßig keine Bedeutung bei der Aufklärung einer Tatbeteiligung zukomme. Dies gelte unabhängig von der Schwere der im Einzelnen in Rede stehenden Straftaten. Etwas Anderes gelte nur dann, wenn sich aus den Einzelheiten der Tatbegehung und/oder weiteren Straftaten außerhalb des familiären Bereichs Anhaltspunkte als Grundlage für eine Prognose ergäben, dass es auch zu Straftaten außerhalb des privaten bzw. familiären Umfelds der Betroffenen kommen könne. Selbst wenn es auch in Zukunft zu ähnlichen Vorfällen kommen sollte, wäre die Identität des Klägers bekannt. Aus den Verwaltungsakten und der dem Kläger vorgeworfenen Tat ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser ein vergleichbares Verhalten außerhalb seines familiären Umfelds und in der Öffentlichkeit zeigen werde. Zwar stehe in Rede, dass es zu einem vorangegangenen Vorfall ähnlichen Gewichts gekommen sein könnte. Die insoweit verfügte Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO sei auch nicht erfolgt, weil diesbezüglich jeder Tatverdacht gegen den Kläger ausgeräumt worden wäre. Jedoch führe allein dieser Umstand nicht zu der Annahme, es habe sich um einen Vorfall außerhalb des familiären Umfelds gehandelt. Dafür sei nichts ersichtlich.

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Durch Beschluss vom 19. Januar 2018 hat der Senat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

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Der Beklagte hält an seinem erstinstanzlichen Vortrag fest. Ergänzend nimmt er Bezug auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 2004 – 24 CS 03.3324 – über eine als rechtswidrig befundene erkennungsdienstliche Behandlung im familiären Bereich, in welcher beanstandet wurde, dass kein Erfahrungssatz mitgeteilt worden sei, wonach jemand, der Körperverletzungen im häuslich-familiären Bereich begehe, auch gegenüber Dritten außerhalb dieses Bereiches Gewalt anwenden werde. Die kriminalistische Erfahrung zeige aber, dass Tatverdächtige des Deliktsbereichs der Misshandlung von Schutzbefohlenen in hohem Maße auch in Straftaten im außerhäuslichen Umfeld verstrickt seien und zwar überwiegend im Bereich von Gewaltdelikten. Die statistische Auswertung der 83 im Zeitraum vom 1. September 2005 bis zum 18. August 2017 bei der Kriminalinspektion Trier in diesem Deliktsbereich bearbeiteten Fälle ergebe, dass die Tatverdächtigen in 57 Fällen (68,67 %) auch durch andere Delikte, insbesondere durch Gewalttaten bis hin zu einem Tötungsdelikt, in Erscheinung getreten seien. Insgesamt seien zu diesen Tatverdächtigen 569 andere Delikte statistisch erfasst worden, wobei 456 dem außerhäuslichen Bereich zugeordnet werden könnten. Der Schwerpunkt dieser Straftaten liege im Bereich der Körperverletzungsdelikte (117 Fälle) und bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Es widerspreche nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sich für die Begründung der Wiederholungsgefahr auf diese Statistik zu stützen. Denn nur durch statistische Erfassungen seien kriminalistische Erfahrungen überhaupt empirisch zu belegen.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 15. November 2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, der Beklagte unterlasse eine individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf ihn und bediene sich lediglich einer Statistik, was nicht rechtens sein könne. Schließlich habe er sich auch zu keinem Zeitpunkt dem gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entzogen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Strafakten der Staatsanwaltschaft Trier – 8021 Js 39340/16 – Bezug genommen. Deren Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den streitgegenständlichen Bescheid vom 6. April 2017 in der Ziffer 1 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2017 zu Recht aufgehoben, weil die dort angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers ist § 81b Alt. 2 StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Vorliegend war der Kläger zwar Beschuldigter im Sinne des § 81b Alt. 2 StPO, seine erkennungsdienstliche Behandlung ist aber nicht für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig.

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Beschuldigter im Sinne des § 81b Alt. 2 StPO ist der Verdächtige, gegen den aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte ein Ermittlungs- bzw. Strafverfahren betrieben wird. Nur während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ergehen, wobei der Betroffene nur bei Ergehen der Anordnung und nicht auch noch bei Erlass des Widerspruchsbescheides Beschuldigter gewesen sein muss (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 – 6 C 39.16 –, juris, Rn. 13).

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Zum Anordnungszeitpunkt am 6. April 2017 war der Kläger Beschuldigter des bei der Staatsanwaltschaft Trier gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens 8021 Js 39340/16, wobei dieses Verfahren zwei Tatvorwürfe beinhaltete, nämlich zum einen das auch der rechtskräftigen Verurteilung zugrunde liegende Geschehen vom 28. Juli 2016 sowie außerdem den Vorwurf, dass der Kläger seinen Sohn bereits in dessen ersten Lebenswochen gewaltsam geschüttelt haben soll. Die Begründung des Bescheides vom 6. April 2017 nimmt auch auf diesen Tatvorwurf Bezug.

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Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung war jedoch nicht notwendig im Sinne des § 81b Alt. 2 StPO, da nach der maßgeblichen Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982 – 1 C 29.79 –, BVerwGE 66, 192 = juris, Rn. 33; Beschluss vom 14. Juli 2014 – 6 B 2.14 –, juris, Rn. 5) Anhaltspunkte für die Annahme, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen künftig gegen den Kläger zu führende Ermittlungen fördern könnten, nicht vorliegen.

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Das in § 81b StPO gesondert aufgenommene Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit, in dem das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf einfachgesetzlicher Ebene seinen Niederschlag gefunden hat (BVerfG, Beschluss vom 8. März 2011 – 1 BvR 47/05 –, juris, Rn. 24), unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff voller gerichtlicher Kontrolle. Damit werden im Anwendungsbereich des § 81b Alt. 2 StPO Fälle ausgefiltert, in denen eine erkennungsdienstliche Behandlung zu Zwecken der Strafverfolgungsvorsorge, insbesondere nach dem Ergebnis des gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Anlassverfahrens, bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 – 6 C 39.16 –, juris, Rn. 21). Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich nur darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. HessVGH, Urteil vom 20. Juli 1993 – 11 UE 2285/89 –, juris, Rn. 40; VGH BW, Urteil vom 18. Dezember 2003 – 1 S 2211/02 –, juris, Rn. 39; SächsOVG, Beschluss vom 29. Januar 2010 – 3 D 91/08 –, juris, Rn. 6; OVG Nds., Beschluss vom 31. August 2010 – 11 ME 288/10 –, juris, Rn. 5; SaarlOVG, Urteil vom 5. Oktober 2012 – 3 A 72/12 –, juris, Rn. 57; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. März 2018 – 3 O 73/18 –, juris, Rn. 7). Hierbei sind die Anforderungen, die an die Wiederholungsgefahr, das heißt an die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schadenseintritts gestellt werden müssen, umso geringer, je höherwertiger das gefährdete Rechtsgut ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17. November 2008 – 10 C 08.2872 –, juris, Rn. 12). Die Notwendigkeit von Maßnahmen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist – Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen – den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend – fördern könnten (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982 – 1 C 29/79 –, juris, Rn. 33).

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Gemessen an diesen Grundsätzen erscheint jedenfalls die Prognose, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen künftig oder anderwärts gegenwärtig gegen den Kläger zu führende Ermittlungen fördern könnten, nicht sachgerecht und vertretbar. Daher kann offen bleiben, ob gegen den Kläger im Hinblick auf den durch die Staatsanwaltschaft Trier mit Verfügung vom 29. Mai 2017 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Tatvorwurf, seinen Sohn auch schon vor dem 28. Juli 2016 bei einer weiteren Gelegenheit geschüttelt zu haben, aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. in seinem ergänzenden Gutachten vom 15. Mai 2017 noch ein Restverdacht fortbesteht. Offen bleiben kann zudem, ob auch unter Einbeziehung eines insoweit gegebenenfalls fortbestehenden Restverdachts oder auch allein im Zusammenhang mit der rechtskräftig festgestellten Tat vom 28. Juli 2016 angesichts des von dem Kläger während des Strafverfahrens und auch im Verlaufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gezeigten Einlassungsverhaltens die Prognose zukünftiger Delinquenz jedenfalls im Hinblick auf gleichgelagerte Straftaten im familiären Bereich gestellt werden kann. Denn jedenfalls die Annahme, dass der Kläger auch im öffentlichen Bereich mit gleichgelagerten Delikten zukünftig in Erscheinung treten könnte, wobei die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, ist nicht mehr sachgerecht und vertretbar.

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Im Hinblick auf mögliche und gegebenenfalls im Wahrscheinlichkeitsbereich liegende gleich gelagerte Straftaten im familiären Bereich, also im rein privaten Raum außerhalb der Öffentlichkeit, ist die Geeignetheit erkennungsdienstlicher Unterlagen zur Förderung zukünftiger Ermittlungen nicht feststellbar. Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind nicht notwendig, wenn die Tatbegehung nicht in Frage steht, wenn also der Täter von vornherein bekannt ist und es insoweit keiner weiteren Ermittlungen bedarf (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 3 D 68/17 –, juris, Rn. 11). Beschränken sich die in Rede stehenden Taten auf den familiären Kreis, wird die Polizei für eventuelle zukünftige Ermittlungen normalerweise keine erkennungsdienstlichen Unterlagen benötigen (OVG RP, Beschluss vom 19. März 2001 – 11 B 10285/01.OVG –). Die Eignung scheidet daher in der Regel aus, wenn davon auszugehen ist, dass der Betroffene zwar erneut strafrechtlich in Erscheinung treten wird, er aber auch ohne die gewonnenen Erkenntnisse ohne Weiteres als potentieller Täter in Betracht gezogen wird, wenn es also um die Frage, wer überhaupt der Täter gewesen sein könnte, nicht (mehr) geht. Hiervon ist im Hinblick auf etwaige zukünftige gleichgelagerte Straftaten im privaten Raum auszugehen. Sollte der Kläger tatsächlich in ähnlicher Art und Weise gegenüber seinem Sohn oder sonstigen seiner Betreuung unterstehenden Personen – Anhaltspunkte für möglicherweise mit Gewalt einhergehende Kontrollverluste gegenüber seiner Lebensgefährtin sind nicht ansatzweise erkennbar – im privaten Bereich straffällig werden, wird dieser schon allein aufgrund seiner einschlägigen Vorverurteilung unmittelbar in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen geraten. Es wurde von Seiten des Beklagten nicht dargelegt, inwieweit erkennungsdienstliche Unterlagen im Zusammenhang mit solchen Tatbegehungen für weitere Ermittlungen zur Einengung des Tatverdachts auf den Kläger förderlich sein könnten. In diesen Konstellationen, in denen sich der Anfangsverdacht bereits auf den Betroffenen fokussiert, wären die Ermittlungsbehörden nicht mehr auf die streitigen erkennungsdienstlichen Unterlagen angewiesen. Die weitere Sachverhaltsaufklärung wäre in solch einer Konstellation im Rahmen einer dann in dem konkreten Ermittlungsverfahren zu veranlassenden erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 1 StPO durchzuführen (so auch: OVG NRW, Beschluss vom 14. April 2010 – 5 A 4790/09 –, juris, Rn. 45). Die in dem Ausgangsbescheid noch aufgeführte abschreckende Wirkung wegen des Bewusstseins über die Speicherung der Unterlagen stellt kein in die Notwendigkeitsbeurteilung einstellbares Kriterium dar. Auch unter Zugrundelegung einer im privaten Anwesen gegebenenfalls erfolgenden und – beispielsweise durch von außen einsehbare Fenster oder von außen wahrnehmbares Schreien – in die Öffentlichkeit reichenden zukünftigen Straffälligkeit wäre die Polizei nicht auf erkennungsdienstliche Unterlagen angewiesen, um einen Anfangsverdacht gegen den Kläger begründen zu können. Eine hinreichend sichere Identifizierung des Täters wäre in solch einem Fall schon allein durch die Feststellung des tatsächlichen Wohnungsinhabers bzw. -nutzers möglich.

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Es verbleibt demnach nur die mögliche Eignung erkennungsdienstlicher Unterlagen zur Förderung der Ermittlungen bei gleichgelagerten Straftaten, die der Kläger in der Öffentlichkeit begehen würde, beispielsweise bei einem mit Gewaltanwendung einhergehenden Kontrollverlust bei einem Einkauf in einem Supermarkt. Anhaltspunkte für die Annahme derartiger zukünftiger Straftaten liegen zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor.

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Wie bei der vorgeschalteten Wiederholungsprognose im Hinblick auf zukünftig überhaupt zu erwartende Straftaten sind bei der Frage der Erforderlichkeit alle Umstände des Einzelfalls – insbesondere die Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftat(en), seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist – zu würdigen. Hierbei ist prüfen, ob diese Gesamtumstände anlässlich des in dem gegen den Betroffenen geführten Strafverfahrens festgestellten Sachverhalts nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen zukünftig zu führende Ermittlungen – den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend – fördern könnten. Anders ausgedrückt entscheidet sich die Erforderlichkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen für die Aufklärung solcher oder vergleichbarer Straftaten, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann, geeignet und notwendig sind.

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Unter Würdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalls stellt die Annahme der zukünftigen Begehung gleichgelagerter Straftaten in der Öffentlichkeit eine bloße Vermutung dar, die nicht durch Anhaltspunkte oder auch nur durch kriminalistische Erfahrungswerte gestützt werden kann und daher als nicht mehr vertretbar erscheint.

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Zwar ist die Anlasstat, derentwegen der Kläger erkennungsdienstlich behandelt werden soll, von beträchtlichem Gewicht. Es ist auch festzustellen, dass der Kläger das von ihm erst im späteren Verlauf eingeräumte Schütteln durchgehend als Rettungsversuch und als Reaktion auf eine Notsituation dargestellt hat, wofür tatsächlich keine Anknüpfungstatsachen erkennbar sind und ohne dass hierbei die Motivlage für dieses weiterhin bestehende Einlassungsverhalten abschließend hätte aufgeklärt werden können. Schließlich steht auch ein weiteres früheres Geschehen zum Nachteil seines damals erst neu geborenen Sohnes im Raume.

34

Gleichwohl gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass in Anbetracht der hier vorliegenden Gesamtsituation aus diesen Umständen die positive Prognose im Hinblick auf Tatbegehungen in der Öffentlichkeit nicht gestellt werden kann.

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Anhand der Art der Tat – des gewaltsamen Schüttelns eines Säuglings – lässt sich anders als beispielsweise im Bereich von Sexualstraftaten (vgl. SaarlOVG, Beschluss vom 13. März 2009 – 3 B 34.09 –, juris, Rn. 33 ff.; BayVGH, Beschluss vom 2. April 2015 – 10 C 15.304 –, juris, Rn. 8), im Bereich von Betäubungsmitteldelikten (vgl. BayVGH, Beschluss vom 6. Dezember 2016 – 10 Cs 16.2069 –, juris, Rn. 11) oder bei typischen Aggressionsdelikten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Juni 2009 – OVG 1 M 4.08 – n.v.) nicht schon alleine und für sich genommen eine besondere Neigung herleiten, welche die Annahme eines damit möglicherweise einhergehenden Kontrollverlustes in der Öffentlichkeit rechtfertigen könnte.

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Die Auswertung der Literatur und der strafrechtlichen Rechtsprechung zu dem Schütteltrauma-Syndrom verdeutlicht vielmehr, dass diese regelmäßig im rein privaten Bereich auftretenden Vorfälle durch mannigfaltige Ursachen bedingt und einer grundsätzlichen Betrachtungsweise nicht zugänglich sind. So wird als typische Konstellation etwa das Zusammentreffen eines „Schreikindes“ mit jungen, überforderten Eltern genannt, die unter erhöhtem Erfolgsdruck hinsichtlich unternommener Beruhigungsversuche stehen, gepaart mit einer niedrigen Frustrationstoleranz und mangelnder Impulskontrolle. Nach Erhebungen aus den USA sollen zwischen 50 bis 75 Prozent der Teenager und jungen Erwachsenen keine Kenntnis von der Gefährlichkeit des Schüttelns haben. Bei den Tätern handelt es sich meist um Väter oder neue Lebensgefährten der Mutter (vgl. Matschke, Jakob; Herrmann, Bernd; Sperhake, Jan; Körber, Friederike; Bajanowski, Thomas; Glatzel, Markus: Das Schütteltrauma-Syndrom, Eine häufige Form des nicht akzidentellen Schädel-Hirn-Traumas im Säuglings- und Kleinkindesalter, in: Deutsches Ärzteblatt International, 2009, 106 (13), S. 211-217). Anhaltendes Babyschreien gilt damit als Hauptauslöser für das Schütteln. Der Hauptzeitraum für ein Schütteltrauma liegt zwischen zwei und fünf Monaten ab Geburt und überlappt sich mit dem physiologischen Hauptschreialter. Geständige Täterinnen und Täter geben übereinstimmend das Schreien des Kindes als auslösenden Faktor an. Die tägliche Schreidauer ist bei Babys ab der zweiten bis zur sechsten Lebenswoche mit über zwei Stunden im Durchschnitt am höchsten und sinkt danach deutlich auf durchschnittlich unter eine Stunde nach der zwölften Lebenswoche. Nach einer von der Bundesinitiative „Nationales Zentrum Frühe Hilfen“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Mai 2017 durchgeführten bundesweiten Repräsentationsbefragung zeigte sich ein großer Aufklärungsbedarf sowohl über die Gefahren des Schüttelns als auch über frühkindliches Schreiverhalten. 42 Prozent der Befragten hatten noch nie den Begriff Schütteltrauma gehört. 24 Prozent unterlagen dem Irrtum, dass Schütteln für ein Baby „vielleicht nicht so schön sei, ihm aber auch nicht schade“. 21 Prozent der Befragten meinten, dass Eltern etwas falsch machen, wenn Kinder im Säuglingsalter sehr viel schreien. 18 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, dass Babys manchmal nur schreien, um das Gegenüber zu ärgern (vgl. zu Vorstehendem insgesamt: Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Info-Blatt Dezember 2017, Hintergrundinformationen zum Schütteltrauma, m.w.N., verfügbar unter: https://www.fruehehilfen.de/fileadmin/user_upload/fruehehilfen.de/pdf/NZFH_Schuetteltrauma_Infoblatt_Hintergrundinformationen.pdf). Diese Situation spiegelt sich auch im Bereich der strafrechtlichen Rechtsprechung wieder. Hiernach ist bei Schüttelfällen ein bedingter Tötungsvorsatz – so wie auch hier – vielfach nicht feststellbar (BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 – 1 StR 59/08 –, juris, Rn. 12). Selbst unter Zugrundelegung einer allgemein vorherrschenden Kenntnis darüber, dass ein heftiges Schütteln eines Säuglings zu einer erheblichen Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens und zu einer sogar lebensgefährdenden Beschädigung seiner Gesundheit führen kann, ist insbesondere bei nur einmaligem Schütteln in einer erheblichen Stresssituation und bei affektiver Erregung nicht ohne Weiteres ein Körperverletzungsvorsatz anzunehmen (BGH, Urteil vom 24. Juli 2003 – 3 StR 159/03 –, juris, Rn. 9).

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Dies verdeutlicht, dass die hier rechtskräftig festgestellte Tat vom 28. Juli 2016 in Form der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung – im Hinblick auf ein im Raume stehendes vorheriges Schütteln des Säuglings fehlen jegliche Anknüpfungspunkte zur Beurteilung einer möglichen Tat(ausführung) – nicht schon für sich genommen die Annahme zukünftiger Kontrollverluste, die sich zudem im öffentlichen Raum zuzutragen hätten, rechtfertigen kann.

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Auch sonstige Anhaltspunkte als Grundlage einer derartigen Prognoseentscheidung sind nicht feststellbar. Vielmehr sprechen die Umstände der Tatausführung, die Persönlichkeit des Klägers sowie der Zeitraum von mittlerweile nahezu zwei Jahren, der nach der erfolgreichen Absolvierung des dreimonatigen stationären Familienclearings verstrichen ist, und seit dem das Kind wieder bei dem Kläger wohnt, dagegen, eine solche Prognose noch als sachgerecht und vertretbar bewerten zu können.

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Im Hinblick auf die Umstände der Tatausführung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Sohn nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils am 28. Juli 2016 zum ersten Mal über einen längeren Zeitraum in seiner alleinigen Betreuung hatte, nachdem die Kindesmutter diese in den ersten Wochen nach der Geburt weitgehend übernommen hatte und der Kläger tagsüber weiter seiner Berufstätigkeit nachgegangen war. Aus Verärgerung über das fortwährende Schreien oder aus Überforderung schüttelte der Kläger den Säugling an diesem Abend schließlich so lange und intensiv, dass dessen Kopf unkontrolliert rotierte und dieser eine Gehirnblutung erlitt.

40

Die danach entscheidenden (Mit-)Ursachen, die Unerfahrenheit und die Unsicherheit des Klägers im Umgang mit Säuglingen, wurden im Rahmen des dreimonatigen Familienclearings im Zeitraum vom 5. September bis zum 9. Dezember 2016 erfolgreich aufgearbeitet und therapiert. Von den in der Therapiemaßnahme eingesetzten Personen wird übereinstimmend beschrieben, dass der Kläger nach anfänglicher Zurückhaltung und Unsicherheit im Verlaufe der Therapie deutliche Entwicklungsfortschritte gemacht habe, dies unter anderem in Bezug auf die Basispflege, das Füttern seines Sohnes sowie auch hinsichtlich der Versorgung mit notwendigen Medikamenten. Der Kläger sei an allem interessiert gewesen und auch aufgeschlossen für Dinge, die er in der Einrichtung habe lernen können. Auch die emotionale Beziehung zu seinem Kind habe sich im Verlaufe des Familienclearings deutlich verbessert. Diese von den Zeugen beschriebenen Entwicklungen finden sich auch in dem umfassenden Bericht über das Stationäre Familienclearing vom 18. März 2017 wieder, welches anstatt der ansonsten üblichen sechsmonatigen Dauer bei der Familie des Klägers aufgrund der gezeigten positiven Entwicklungen auf nur drei Monate reduziert werden konnte. Aus dem dort aufgeführten Unterpunkt 11.7. lassen sich vielmehr Anhaltspunkte gegen ein fortbestehendes Misshandlungsrisiko entnehmen. Dort wird festgestellt, dass beide Eltern reflektionsfähig, intelligent und nach ihren eigenen Angaben selbst nicht geschlagen worden seien. Es liege kein Suchtproblem vor. Beide Eltern seien erwachsen, stünden im Berufsleben und hätten sozioökonomische Bedingungen für die Familiengründung geschaffen. Die vom Deutschen Jugendinstitut als Risiko beschriebenen Faktoren, wie beispielsweise „ausgeprägte negative Emotionalität (Niedergeschlagenheit, depressive Verstimmungen), überwältigende Gefühle des Ausgeliefertseins oder problemvermeidender Bewältigungsstil“ seien nicht zu beobachten gewesen. Ein soziales Netz sei vorhanden. In der Wahrnehmung des Kindes zeigten die Eltern ausweislich des Berichts keine negativ verzerrte Wahrnehmung. Die von den Mitarbeitern in der Einrichtung beschriebenen merklichen Verbesserungen lassen sich schließlich auch den in dem Abschlussbericht vergebenen Bewertungen entnehmen, wonach der Kläger in sämtlichen Bereichen (Physiologisches Kindeswohl, Emotionales Kindeswohl und Paardynamik) signifikante Verbesserungen auf der vorgegebenen Punkteskala hat erreichen können, im Bereich „emotionales Kindeswohl“ sogar fast eine Verdoppelung seines ursprünglichen Wertes. Dass es sich hierbei um Beobachtungen in einer klinischen Situation handelt, vermag den Aussagewert im Hinblick auf den allein zu bewältigenden Alltag nicht zu schmälern, da dies bei der Beurteilung des Misshandlungsrisikos in diesem Bericht berücksichtigt worden ist und zudem keinerlei neuen Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sich die dort abzeichnende positive Entwicklung nicht tatsächlich auch im Alltag eingestellt haben könnte, zumal sich auch die Betreuungssituation aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Sohnes und der damit einhergehenden erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten entspannt haben dürfte.

41

Auch die Persönlichkeit des Klägers spricht gegen die Annahme von in der Öffentlichkeit von ihm zukünftig zu befürchtenden Straftaten. Der Kläger wird von den vernommenen Zeugen ausnahmslos als ruhig, zurückhaltend, teils sogar als introvertiert beschrieben. Vorherige unkontrollierte Wutausbrüche oder eine schon einmal gezeigte Aggressivität lassen sich nicht feststellen. Es steht daher zukünftig nicht zu erwarten, dass sich der Kläger durch ein von ihm gezeigtes Verhalten selbst in den Fokus öffentlicher Beobachtungen stellen könnte. Negative persönliche Einflussfaktoren, wie beispielsweise Probleme mit Suchtmitteln, lassen sich schließlich weder aus den von der Staatsanwaltschaft Trier geführten Ermittlungen noch aus den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils vom 25. April 2018 ableiten, welchem eine umfangreiche und mehrtätige Beweisaufnahme unter Einvernahme nahezu sämtlicher den Kläger begleitender Personen vorausgegangen war.

42

Jenseits der am 28. Juli 2016 gezeigten Tatbegehungsweise und der dort hervortretenden Impulskontrolle sind damit keine weiteren Anhaltspunkte greifbar, welche die Prognose von auch in der Öffentlichkeit im Bereich des Möglichen liegenden Straftaten des Klägers rechtfertigen könnten. Kriminalistische Erfahrungswerte zur Begründung solch einer Gefahrenprognose fehlen im Hinblick auf die hier verfahrensgegenständliche Tat ebenfalls.

43

Die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegte Auswertung von im Zuständigkeitsbereich der Kriminalinspektion Trier im Zeitraum von September 2005 bis August 2017 registrierten 83 Fällen, die im Deliktsbereich der Misshandlung von Schutzbefohlenen erfasst worden sein sollen, ist zur Begründung eines kriminalistischen Erfahrungswertes, wonach Tatverdächtige wie der Kläger auch signifikant häufiger gegenüber Dritten außerhalb des familiär-häuslichen Bereichs Gewalt anwenden werden, in mehrfacher Hinsicht nicht geeignet. Tatsächlich befinden sich unter den herausgefilterten 83 Fällen nicht nur Taten wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen, sondern auch sechs Sexualdelikte, die damit schon dem Grunde nach so nicht vergleichbar sind. Die polizeiliche Ersterfassung des Deliktsbereichs entspricht häufig – wie auch vorliegend – nicht der nach Ermittlungsabschluss seitens der Staatsanwaltschaft vorgenommenen rechtlichen Einordnung der Delikte. Auch das hier zugrunde liegende Delikt wurde anfangs als Misshandlung eines schutzbefohlenen Kindes nach § 225 StGB registriert. Mangels hinreichenden Tatverdachts im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der rohen Misshandlung i.S.d. § 225 StGB – insoweit besteht auch kein Restverdacht mehr – erfolgte die Verurteilung entsprechend der staatsanwaltschaftlichen Würdigung bei Anklageerhebung jedoch wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB und damit wegen eines anderen Deliktsbereiches mit in Vergleich zu den nach § 225 Abs. 3 StGB ansonsten in Betracht zu ziehenden Qualifikationstatbeständen grundverschiedenem Strafrahmen. Ob bei den vom Beklagten aufgeführten Fällen überhaupt ein dem hiesigen Geschehen vergleichbarer Vorfall oder gar ein Schütteltrauma erfasst worden ist, lässt sich nicht feststellen. Es fehlen jegliche Informationen zu den eigentlichen Tatausführungen und zu deren Hintergründen, dem Alter der Tatopfer und zu dem persönlichen Umfeld der Tatverdächtigen, die aber gerade im Hinblick auf die hier maßgebliche Tat aufgrund der oben bereits dargestellten Vielschichtigkeit dieses Deliktes bei einem angestrebten Vergleich als Grundinformationen unerlässlich sind. Bei einer Vielzahl von auch mit weiteren Straftaten in dieser Statistik in Erscheinung getretenen Tatverdächtigen sind darüber hinausgehende und bei dem Kläger gerade nicht feststellbare Einflussfaktoren, wie z. B. Delikte im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität, zu erkennen. Schließlich kann anhand dieser Statistik auch nicht rekonstruiert werden, ob die dort aufgeführten Tatverdächtigen im Zusammenhang mit Misshandlungsdelikten im Anschluss an eine schon vorausgehende Delinquenz erfasst wurden oder ob es sich hierbei um deren erste Straffälligkeit gehandelt hat, die gegebenenfalls in Einzelfällen auch fortgesetzt und wiederholt begangen wurde.

44

Nach alledem gelangt der Senat nach Würdigung sämtlicher Umstände zu dem Ergebnis, dass die Prognose zukünftigen delinquenten Verhaltens jedenfalls in Bezug auf öffentlich begangene Straftaten bei dem Kläger nicht auf tragfähige Anhaltspunkte gestützt werden kann. Dies stimmt mit der Einschätzung des zuständigen Jugendamtes überein, welches nach abgeschlossener stationärer Therapie eine Kindeswohlgefährdung – selbst in Bezug auf den familiären Bereich – nicht mehr angenommen und auf weitere sonstige jugendhilferechtlichen Maßnahmen schon zu diesem Zeitpunkt vollständig verzichtet hat. Die im Rahmen des Strafverfahrens vom Landgericht Trier getroffene positive Sozialprognose streitet auch bei Berücksichtigung der divergierenden Prognosemaßstäbe im Ergebnis jedenfalls mangels dort festgestellter sonstiger negativer Umstände für die Richtigkeit der hier getroffenen Einschätzung.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

46

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

47

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

48

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,2. seinem Hausstand angehört,3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder4.

Strafprozeßordnung - StPO | § 81b Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten


(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnah

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(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers und der Speicherung der dabei erhobenen Daten.

Im Februar 2009 wurden gegen den 1954 geborenen Kläger mehrere Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Gegenstand der Ermittlungen war der Verdacht des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen, des Raubes und der Nachstellung. Die Verfahren wurden später bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt unter den Aktenzeichen 14 Js 22/09, 04 Js 1502/10 und 04 Js 942/09 geführt.

Mit Bescheid vom 4.3.2009 wurde eine erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers angeordnet, die die Anfertigung von zehn Fingerabdrücken, Handflächen- und Handkantenabdrücken, Lichtbildern und einer Ganzaufnahme umfasste. Als Begründung war in der Anordnung angeführt, dass dies zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung gemäß § 81 b 2. Alt. StPO nötig sei. Gegen den Kläger würden mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB in Tateinheit mit Vergewaltigung/sexueller Nötigung gemäß § 177 StGB, Verdacht des Raubes gemäß § 249 StGB und der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB geführt. Aufgrund des bisherigen Ermittlungsstandes ergebe sich der Verdacht, dass der Kläger weiter straffällig werden könne. Eine sofortige Vollziehung wurde nicht angeordnet.

Die Anordnung wurde am 5.3.2009 umgesetzt, als der Kläger sich bei der Kriminalpolizeiinspektion A-Stadt eingefunden hatte, um entsprechend einer an ihn ergangenen Aufforderung ihm gehörende, bei einer Hausdurchsuchung sichergestellte Videokassetten abzuholen.

Nach Durchführung der Maßnahme wandte sich der Kläger mit Schreiben vom selben Tag an das Amtsgericht A-Stadt und machte geltend, sich über die erkennungsdienstliche Behandlung beschweren zu wollen. Er sei lediglich vor Ort gewesen, um seine Videokassetten abzuholen. Nach Aushändigung der Kassetten habe man ihm eröffnet, dass er erkennungsdienstlich behandelt werden solle. Hiergegen habe er sich mit der Begründung gewandt, zunächst einen Rechtsbeistand hinzuziehen zu wollen. Man habe ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Maßnahme sofort durchgeführt werde und er sich später beschweren könne. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei gegen seinen klar ausgedrückten Willen vorgenommen worden.

Auf entsprechenden rechtlichen Hinweis des Amtsgerichts A-Stadt legte der Kläger mit Schreiben vom 19.3.2009 Widerspruch gegen die erkennungsdienstliche Behandlung ein. Zur Begründung trug er vor, dass die erkennungsdienstliche Behandlung in Anbetracht der Gesamtumstände der gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe rechtswidrig sei. Ferner habe er deren Durchführung lediglich geduldet, weil er am Gehen gehindert worden sei. Die widerrechtlich erlangten Daten seien zu löschen.

Im Zuge des Widerspruchsverfahrens gaben die Polizeibeamten, die die erkennungsdienstliche Maßnahme durchgeführt hatten, dienstliche Stellungnahmen ab, nach denen der Kläger sich kooperativ verhalten habe. Im Übrigen sei er vor der erkennungsdienstlichen Behandlung über seine Rechte belehrt worden. Nach erfolgter Belehrung habe der Kläger das entsprechende Formblatt unterschrieben und keinen Widerspruch gegen die erkennungsdienstlichen Maßnahmen eingelegt. Der Kläger habe sich mit der Durchführung der Maßnahme einverstanden erklärt. Eine Androhung oder Anwendung unmittelbaren Zwangs sei nicht erforderlich gewesen und auch nicht erfolgt.

Mit Bescheid vom 19.11.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Da die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bereits vollzogen war, wurde der Widerspruch des Klägers als Antrag auf Löschung der erhobenen und gespeicherten Daten ausgelegt. Der so verstandene Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet. Rechtsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei § 81 b 2. Alt. StPO. Die Voraussetzungen für die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung und Speicherung der dabei gewonnenen Daten seien im Falle des Klägers erfüllt gewesen. Gegen den Kläger würden Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs, wegen Raubes und wegen Nachstellung geführt. Aus diesen Strafverfahren, insbesondere der ihm zur Last gelegten Sexualstraftat, ergebe sich auch die für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung notwendige Wiederholungsgefahr. Ein Sexualdelikt sei regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt und könne deshalb die Gefahr einer Wiederholung schon bei erstmaliger Begehung mit sich bringen.

Am 18.12.2009 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben.

Wenige Tage nach Klageerhebung wurde das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Ermittlungen ergaben aus Sicht der Staatsanwaltschaft keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Erhebung einer entsprechenden öffentlichen Klage. In Bezug auf den Verdacht der Nachstellung gemäß § 238 StGB wurde das Verfahren nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO mit Blick auf das gegen den Kläger noch anhängige Verfahren wegen des Verdachts des Raubes eingestellt. Außerdem wurde es als zweifelhaft bezeichnet, ob die angezeigten Verhaltensweisen des Klägers den Tatbestand des § 238 StGB erfüllten.

Zur Begründung der vorliegenden Klage hat der Kläger vorgetragen, dass bereits die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung rechtswidrig gewesen sei, da sie unter Androhung von Zwangsanwendung erfolgt sei. Die weitere Speicherung der Daten verletzte ihn ebenfalls in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ungeachtet der rechtswidrigen Datenerhebung folge dies auch daraus, dass das Strafermittlungsverfahren gegen den Kläger, in dessen Rahmen diese Daten erhoben worden seien, inzwischen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und der Tatverdacht somit ausgeräumt worden sei. Von daher könne kein öffentliches Interesse an der Speicherung der Daten mehr bestehen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4.3.2009 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 zu verpflichten, die elektronisch gespeicherten personenbezogenen Daten über den Kläger zu löschen und die Löschung der in der POLAS-Datei oder in anderen Dateien gespeicherten Daten zu bewirken sowie die Unterlagen mit den persönlichen Daten des Klägers einschließlich derjenigen der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 5.3.2009 zu vernichten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, dass ein in einem Ermittlungsverfahren erhobener Tatverdacht nach den Umständen des Einzelfalles auch bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens eine Wiederholungsgefahr zu begründen vermöge. Im Falle des Klägers sei zu Recht eine solche Wiederholungsgefahr angenommen worden. Dies zeige sich nicht zuletzt daran, dass der Kläger seit der erkennungsdienstlichen Behandlung erneut mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, so unter anderem wegen Ladendiebstahls und Hausfriedensbruchs. Da der Kläger erneut verdächtigt werde, Straftaten begangen zu haben, seien die bereits erhobenen erkennungsdienstlichen Unterlagen weiterhin zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich und zu speichern gewesen. Auch wenn die Speicherung personenbezogener Daten einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstelle, rechtfertige die Schwere der von den Ermittlungen erfassten Taten, insbesondere die Raubstraftat, die weitere Speicherung.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28.2.2011 ergangenem Urteil - 6 K 2132/09 -, hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist in dem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, dass die Datenerhebung und -speicherung weder im Zeitpunkt ihrer Vornahme unzulässig gewesen sei, noch die Voraussetzungen für das weitere Vorhalten der Daten später entfallen seien. Das Vorbringen des Klägers, wonach er sich bei der erkennungsdienstlichen Behandlung in der Situation eines unmittelbaren Zwangs gesehen habe, sei rechtlich ohne Belang. Zwar wären, wenn man die klägerische Darstellung als zutreffend zugrunde lege, Verfahrensfehler anzunehmen, nämlich die Ausübung unmittelbaren Zwangs ohne vorherige Androhung und der Vollzug der Maßnahme ohne Anordnung ihres Sofortvollzugs. Indessen könnten sich diese Fehler, ihr Vorliegen unterstellt, nicht zum Nachteil des Klägers ausgewirkt haben. Das gegen den Kläger geführte Strafermittlungsverfahren 14 Js 22/09 habe im Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung in tatsächlicher Hinsicht ausreichenden Anlass für diese Maßnahme geboten. In Rede gestanden habe der Verdacht eines sexuellen Übergriffs, der Anwendung von Gewalt bei der Wegnahme eines Handys und verschiedener Nachstellungstaten. Angesichts des schon zu Beginn der Ermittlungen zutage getretenen komplizierten Beziehungsgeflechts zwischen dem Kläger und dem Anzeigeerstatter habe schon damals Grund zu der Annahme bestanden, der Kläger könne auch künftig mit guten Gründen erneut Gegenstand von Strafermittlungen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die zuständigen Amtsträger einseitig ermittelt oder dem Anzeigeerstatter voreilig Glauben geschenkt hätten, seien den Ermittlungsakten nicht zu entnehmen. Auch bestehe bis heute ein hinreichender Anlass für ein präventives Vorgehen der Polizeibehörden. Die vom Kläger angeführte Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO betreffe nur den Verdacht des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger. Hinsichtlich des Verdachts der gewaltsamen Wegnahme des Handys Anfang Februar 2009 hätten die Ermittlungen hingegen genügenden Anlass zur Anklageerhebung ergeben und sei der Kläger schließlich in der Berufungsinstanz zu sieben Monaten Haftstrafe verurteilt worden. Das Ermittlungsverfahren wegen Nachstellungsverdachts sei lediglich aus Gründen des § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt worden. Die Anlassverfahren beinhalteten verschiedene Hinweise darauf, dass der Kläger auch künftig Gegenstand diesbezüglicher Strafermittlungen werden könnte, was im Übrigen auch durch die weiteren Ereignisse belegt werde. So seien nach Abschluss des Anlassverfahrens tatsächlich mehrere weitere Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt worden. Der vorliegende Sachverhalt biete nach kriminalistischer Erfahrung des Weiteren hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger auch in Zukunft in den Kreis potentieller Beteiligter einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die dem Kläger vorgeworfenen Nachstellungshandlungen. Die Datenerhebung und -speicherung sei auch erforderlich und verhältnismäßig gewesen.

Das Urteil wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 5.4.2011 zugestellt. Am 5.5.2011 hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt. Diesem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 19.3.2012 - 3 A 263/11 - entsprochen.

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 2.7.2012 mitgeteilt, dass die den Kläger betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen zwischenzeitlich gelöscht bzw. vernichtet worden seien.

Daraufhin hat der Kläger seine ursprünglich auf Löschung bzw. Vernichtung der ihn betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen gerichtete Klage in eine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenerhebung bzw. -speicherung gerichtete Klage umgestellt.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger weiterhin geltend: Die Erhebung und Speicherung der ihn betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen seien rechtsfehlerhaft erfolgt. Die erkennungsdienstliche Behandlung vom 5.3.2009 sei bereits deswegen rechtswidrig gewesen, weil er unter falschem Vorwand, nämlich zur Entgegennahme beschlagnahmter Videokassetten, zur Kriminalpolizeiinspektion A-Stadt einbestellt worden sei. Tatsächlich sei er dann unter Androhung körperlicher Gewaltanwendung dazu genötigt worden, die erkennungsdienstliche Behandlung über sich ergehen zu lassen. Dabei sei weder eine vorherige Androhung unmittelbaren Zwangs erfolgt noch sei der sofortige Vollzug des Bescheids vom 4.3.2009 angeordnet worden. Beides sei verfahrensfehlerhaft gewesen. Auch sei er nicht über mögliche Rechtsmittel gegen die erkennungsdienstliche Behandlung belehrt worden. Ihm sei dadurch die Möglichkeit genommen worden, sich vor Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen diese rechtlich zur Wehr zu setzen. Er habe gegenüber den Beamten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht einverstanden sei.

Zudem hätten bei Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen die Voraussetzungen des § 81 b 2. Alt. StPO nicht vorgelegen. Die Speicherung der gewonnenen Daten sei zu keiner Zeit für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig gewesen. Man habe den Kläger vorschnell als Beschuldigten eines Sexualdeliktes angesehen, weil eine hinreichende Hinterfragung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Anzeigeerstatters unterblieben sei. Dementsprechend sei das betreffende Ermittlungsverfahren dann auch gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Auch das Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Nachstellung sei eingestellt worden. Des Weiteren könne man davon ausgehen, dass das derzeit in der Revision anhängige Verfahren wegen Raubes eingestellt werde, da das streitgegenständliche Handy dem Kläger gehöre und die ihm zur Last gelegte Tat sich als Besitzkehr darstelle. Sämtliche Straftaten, welche dem Kläger zur Begründung der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Last gelegt worden seien, beruhten ausschließlich auf falschen Beschuldigungen des Anzeigeerstatters.

Der Kläger habe nach der Löschung bzw. Vernichtung der ihn betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse daran, dass die Anordnung und Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen sowie die Speicherung der gewonnenen persönlichen Daten rechtswidrig gewesen seien. Das berechtigte Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die verfahrensfehlerhafte Erhebung und Speicherung der Daten den Kläger in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 und 104 Abs. 2 GG tiefgreifend verletzt habe. Zudem bestehe auch eine Wiederholungsgefahr.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28.2.2011 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 2132/09 - festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 4.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, dem Kläger fehle schon das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die begehrte Feststellung sei nicht geeignet, die Rechtsposition des Klägers in irgendeiner Weise zu verbessern. Eine fortdauernde Beeinträchtigung des Klägers sei nicht ersichtlich. Eine Rehabilitation des Klägers sei nicht erforderlich, da die angefochtenen Maßnahmen nicht diskriminierend gewesen seien. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass eine Maßnahme nach § 81 b 2. Alt. StPO keine Sanktion darstelle, sondern ausschließlich präventiven Charakter habe. Außerdem handele es sich bei den vorgenommenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht um öffentliche, sondern um rein interne Datenerhebungen, welche nicht an die Öffentlichkeit gedrungen seien. Auch im Hinblick auf die kurze Dauer der Speicherung von drei Jahren handele es sich - wenn überhaupt - lediglich um einen marginalen Grundrechtseingriff. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehe auch keine Wiederholungsgefahr.

Überdies sei die Klage auch unbegründet. Die vorgenommenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen seien rechtmäßig erfolgt. Der Kläger sei weder unter einem falschen Vorwand zur Kriminalpolizeiinspektion bestellt, noch „unter Androhung körperlicher Gewaltanwendung dazu genötigt“ worden, die erkennungsdienstliche Behandlung „über sich ergehen zu lassen“. Vielmehr habe sich der Kläger mit den Maßnahmen einverstanden erklärt und ohne fremde Einwirkung die Anordnung und die Erklärung, keinen Widerspruch erheben zu wollen, unterschrieben. Der Kläger habe sich insgesamt kooperativ gezeigt. Zudem sei der Kläger ausdrücklich über mögliche Rechtsmittel belehrt worden, was auch aus dem vom Kläger unterzeichneten Formblatt über die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen hervorgehe. Die vom Kläger im Kontext der ED-Behandlung gegen die Polizeibeamten erhobenen Vorwürfe seien unwahr.

Die Speicherung der Daten sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig gewesen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, hätten die Voraussetzungen des § 81 b 2. Alt. StPO am 5.3.2009 und auch in der Folgezeit vorgelegen.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass die den Kläger betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen zwischenzeitlich gelöscht bzw. vernichtet worden seien. Die Löschung bzw. Vernichtung sei gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. SPolG aus Anlass einer erneuten einzelfallbezogenen Prüfung erfolgt. Die im Juni 2012 durchgeführte Überprüfung habe ergeben, dass eine Speicherung der 2009 erhobenen Daten nicht weiter erforderlich sei, da wegen Zeitablaufs keine Wiederholungsgefahr mehr gesehen worden sei.

Der Senat hat über die näheren Umstände der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A., B. und C.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 5.10.2012 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Widerspruchsbehörde sowie der beigezogenen Verfahrensakten 14 Js 22/09, 4 Js 942/09, 4 Js 943/09 und einen Auszug aus der Verfahrensakte 4 Js 1502/10 der Staatsanwaltschaft A-Stadt sowie den Inhalt der Ermittlungsakte 45 Js 7917/10 der Staatsanwaltschaft Konstanz verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Antrag des Klägers, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt worden ist. Dort hat der Kläger seinen ursprünglich auf Löschung bzw. Vernichtung ihn betreffender erkennungsdienstlicher Daten gerichteten Antrag in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des die erkennungsdienstliche Behandlung anordnenden Bescheids des Beklagten vom 4.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 umgestellt.

Der vom Kläger nunmehr gestellte Antrag ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, nachdem sich das ursprünglich auf Löschung bzw. Vernichtung der den Kläger betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen gerichtete Begehren des Klägers im Laufe des Berufungsverfahrens durch entsprechende Maßnahmen des Beklagten erledigt hat.

Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung kann dem Kläger ebenfalls nicht abgesprochen werden. Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann jedes bei vernünftiger Erwägung nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein

vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 113 Rz. 129 ff..

Vorliegend kann sich der Kläger auf ein berechtigtes Interesse aufgrund von Rehabilitationsgesichtspunkten berufen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, erfordern, ein Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben

vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.1997 - 1 C 2/95 -, m.w.N., NJW 1997, 2534 ff..

Ausgehend davon bejaht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Falle einer zwischenzeitlichen Löschung bzw. Vernichtung erkennungsdienstlicher Daten regelmäßig ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenerhebung

vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2003 - 1 F 2211/02 -; VG Würzburg, Urteil vom 12.4.2012 - W 5 K 11.757 -; VG E-Stadt, Urteil vom 21.1.2010 - 6 K 860/08 -, jeweils m.w.N.; dokumentiert bei juris.

Denn die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen zwecks Speicherung in entsprechenden Datensammlungen der Ermittlungsbehörden stellt einen gewichtigen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dar. Die erhobenen Daten stehen der Polizei für einen längeren Zeitraum in Sammlungen zur Verfügung, in denen der Betroffene als einschlägig Verdächtiger geführt wird. Von daher ist in aller Regel ein berechtigtes Feststellungsinteresse aus Rehabilitationsgesichtspunkten gegeben. Dies ist auch im Falle des Klägers anzunehmen. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht einem Rehabilitationsinteresse des Klägers weder entgegen, dass die Datenerhebung eine polizeiinterne Maßnahme darstellte, welche wohl nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist, noch, dass die Daten „nur“ drei Jahre lang gespeichert wurden.

Die demnach zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet.

Der die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers anordnende Bescheid des Beklagten vom 4.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 war rechtmäßig und hat den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für die vorgenannten Bescheide und die auf dieser Grundlage durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers war § 81 b 2. Alt. StPO. Nach dieser Vorschrift dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Die Regelung stellt in materiell-rechtlicher Hinsicht Polizeirecht dar und dient ebenso wie die weitere Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung der Daten in kriminalpolizeilichen Sammlungen ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben der Kriminalpolizei bei der Erforschung und Aufklärung von Straftaten

vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris.

Entgegen der Auffassung des Klägers begegnen die auf dieser Grundlage ergangenen Bescheide vom 4.3.2009 und 19.11.2009 zunächst unter formellen Gesichtspunkten keinen rechtlichen Bedenken.

Insbesondere genügt der angefochtene Bescheid vom 4.3.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 den Begründungserfordernissen des § 39 Abs. 1 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Zudem soll nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Die Begründungspflicht bezweckt in erster Linie, dass die Betroffenen die für ihren konkreten Fall maßgeblichen Gründe erfahren, damit sie in der Lage sind, sich über einen eventuellen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung schlüssig zu werden und ihn sachgemäß zu begründen. Die Begründung muss so sein, dass die Betroffenen und die Gerichte sie nachvollziehen können. Sie muss für die Betroffenen aus sich heraus verständlich sein. Eine lediglich formale und nichtssagende Begründung genügt nicht. Maßgeblich dafür, welche Gründe i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG wesentlich sind, und wie intensiv die Begründung im konkreten Fall sein muss, sind vor allem die Art des in Frage stehenden Verwaltungsakts und der betroffenen Rechte, die Bedeutung der Sache für den Betroffenen und auch der Kenntnisstand des Betroffenen hinsichtlich der in Betracht kommenden Gründe

vgl. Kopp, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 39 VwVfG, Rz. 18 f, m.w.N.

Ausgehend davon ist vorliegend kein beachtliches Begründungsdefizit anzunehmen. So ist in der Anordnung vom 4.3.2009 zur Begründung der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgeführt, dass gegen den Kläger zur Zeit mehrere Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB in Tateinheit mit Vergewaltigung/sexueller Nötigung gemäß § 177 StGB, des Verdachts des Raubes gemäß § 249 StGB und der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB anhängig seien. Aufgrund des bisherigen Ermittlungsstandes ergebe sich der Verdacht, dass der Kläger weiter straffällig werde. Ob diese recht knappe Begründung insbesondere mit Blick auf den Kenntnisstand des Klägers von den Gesamtumständen den Erfordernissen des § 39 Abs. 1 VwVfG bereits gerecht wird, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls in Zusammenschau mit der weiteren Argumentation im Widerspruchsbescheid vom 19.11.2009 genügt sie dem gesetzlichen Begründungserfordernis. Im Widerspruchsbescheid ist insoweit ausgeführt, dass nach Auffassung der Widerspruchsbehörde im Falle des Klägers von einem hinreichenden Tatverdacht des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB ausgegangen werden könne. Der hinreichende Tatverdacht werde allein schon durch die Einleitung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens bestätigt. Soweit ein derartiges Verfahren eröffnet werde, müsse davon ausgegangen werden, dass ausreichend Indizien hierfür vorlägen. Der Tatverdacht gegen den Kläger sei hierdurch ausreichend begründet gewesen. Da Sexualdelikte regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt seien, könne in solchen Fällen auch regelmäßig eine Wiederholungsgefahr angenommen werden. Zudem würden dem Kläger weitere Straftaten ( Raub und Nachstellung ) vorgeworfen. Die Erkenntnisse aus der erkennungsdienstlichen Behandlung seien auch geeignet, die Verfolgung künftiger Straftaten zu erleichtern. Gerade in Fällen sexuellen Missbrauchs könne z.B. die Vorlage von Lichtbildern bei Zeugen aber auch Opfern die Strafverfolgung zur Identifizierung oder auch Ausschluss Unschuldiger erleichtern. Dem Kläger wurden insoweit die wesentlichen Gründe für die erkennungsdienstliche Behandlung in nachvollziehbarer Form dargelegt. Selbst wenn man die Begründung in der Anordnung vom 4.3.2009 als nicht ausreichend erachtete, so wäre dieser Mangel jedenfalls durch die vorgenannten Ausführungen im Widerspruchsbescheid geheilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Ob die angegebene Begründung einer materiell-rechtlichen Überprüfung standhält, ist keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, sondern der Begründetheit der zu entscheidenden Fortsetzungsfeststellungsklage.

Die auf § 81 b 2. Alt. StPO gestützte Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers war auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 81 b 2. Alt. StPO setzt voraus, dass es sich bei dem Adressaten der Maßnahme um einen Beschuldigten in einem Strafverfahren handelt. Der Beschuldigtenbegriff ist dabei so zu verstehen, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen darf und nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann. Vielmehr müssen sich aus dem konkret gegen den Betroffenen geführten Strafverfahren in tatsächlicher Hinsicht sowohl der Anlass als auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten lassen

vgl. BVerwG, ständige Rechtsprechung, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, juris.

Des Weiteren muss die Datenerhebung (und die folgende Speicherung in einer entsprechenden kriminalpolizeilichen Datensammlung) bezogen auf die Zukunft notwendig und verhältnismäßig sein. Die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten

ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. etwa Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192, 199 und vom 23.11.2005 – 6 C 2/05 -; juris.

Für die Annahme der Notwendigkeit bedarf es somit einer Wiederholungsgefahr. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte; lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist

vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, m.w.N.; juris.

Grundsätzlich genügt es, dass der Betroffene während des Verwaltungsverfahrens Beschuldigter war

vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -; VG Minden, Urteil vom 20.2.2008 - 11 K 40/08 -, juris.

Wurde jedoch das zugrunde liegende Anlassverfahren später eingestellt, setzt eine fortdauernde Datenspeicherung einen verbleibenden Straftatverdacht voraus. Im Falle der Verfahrenseinstellung ( oder auch eines Freispruchs ) ist daher zu prüfen, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung zur präventiv-polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen. In Bezug auf das Erfordernis der Wiederholungsgefahr bedarf es in diesen Fällen einer eingehenden Würdigung aller hierfür relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gründe für die Verfahrenseinstellung

vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01; OVG NRW, Beschluss vom 14.4.2010 - 5 A 479/09 -, m.w.N., juris.

Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Anlasswirkung der Beschuldigteneigenschaft nach § 81 b StPO folgt zudem, dass die Wiederholungsgefahr sich auf vergleichbare Straftaten wie die, die das Anlassverfahren auslösten, beziehen muss.

Ausgehend davon waren der Bescheid vom 4.3.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 19.11.2009 materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

Da gegen den Kläger seit Februar 2009 mehrere Ermittlungsverfahren , und zwar eines wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB und wegen Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie zwei wegen Raubes gemäß § 249 StGB, anhängig waren, war er im maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der erkennungsdienstlichen Daten und auch des Erlasses des Widerspruchsbescheides Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat von Maßnahmen im Sinne des § 81 b 2. Alt. StPO.

Es bestand auch ein hinreichender Anlassverdacht. Der Zeuge C. hatte im Februar 2009 verschiedene Taten angezeigt, die allesamt in der Beziehung zwischen ihm und dem Kläger wurzelten. Die Ermittlungen waren am 4./5.3.2009 in tatsächlicher Hinsicht auch schon weit genug fortgeschritten, um einen hinreichenden Anlass für eine erkennungsdienstliche Behandlung zu bieten. Nach den ausführlichen Angaben des Zeugen C. standen der Verdacht eines sexuellen Übergriffs, der zweifachen Anwendung von körperlicher Gewalt zwecks Wegnahme eines Handys und verschiedene Nachstellungstaten in Rede. Dabei wurden die Angaben des Anzeigeerstatters betreffend die Anwendung körperlicher Gewalt zwecks Wegnahme eines Handys in einem Fall in wesentlichen Teilen durch entsprechende Angaben eines unbeteiligten, neutralen Zeugen, Herrn D., bestätigt. Zudem geht aus den dem Senat vorliegenden Ermittlungsakten hervor, dass im Zusammenhang mit den dem Kläger vorgeworfenen Nachstellungsaktivitäten wiederholt Polizeibeamte hinzu gerufen worden waren und in einem Fall sogar ein Platzverweis gegenüber dem Kläger ausgesprochen wurde. Die vorliegenden Verdachtsmomente gründeten also nicht allein auf den Angaben des Anzeigeerstatters sondern auch auf diese zumindest teilweise bestätigende Wahrnehmungen unbeteiligter Dritter. Allein der Umstand, dass der Anzeigeerstatter drogenkrank war, bot keinen Anlass, dessen Angaben von vorneherein keine Bedeutung beizumessen bzw. dessen Glaubwürdigkeit schon vom Grundsatz her in Frage zu stellen. Vielmehr war dessen Sachvortrag durchaus detailreich und wurde zudem – jedenfalls in Teilen - durch bestätigende Angaben neutraler Zeugen gestützt. Anhaltspunkte dafür, dass die Polizeibeamten – wie vom Kläger vorgetragen - einseitig ermittelt oder sogar aus unsachlichen Gründen dem Anzeigeerstatter voreilig Glauben geschenkt hätten, sind den Ermittlungsakten nicht zu entnehmen.

Auch lässt sich die Behauptung des Klägers, der Zeuge C. habe ihn mit seinen Strafanzeigen, die jeglicher Tatsachengrundlage entbehrten, bloß fälschlich belasten wollen, weil er Schulden bei ihm gehabt habe, die er nicht habe zurückzahlen wollen, durch nichts belegen.

Vielmehr hat sich das Bestehen eines hinreichenden Anlassverdachts zwischenzeitlich sogar durch entsprechende Verurteilungen des Klägers bestätigt. Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe des zweifachen Raubes führten jeweils zu Verurteilungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung. So wurde der Kläger im Verfahren 4 Js 924/09 mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 8.11.2010 zu einer Gesamtstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit weiterem - noch nicht rechtskräftigem - Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 1.6.1012 – 11 Ns 243/11, 4 Js 1502/10 – wurde der Kläger unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil vom 8.11.2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, welche nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine Verurteilung wegen Raubes ist in beiden Fällen nur nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ unterblieben, weil nicht abschließend geklärt werden konnte, wer Eigentümer des entwendeten Handys war.

Dass das Verfahren wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger sowie der Nachstellung – 14 Js 22/09 – am 21.12.2009, somit nach Erlass des Widerspruchsbescheides, eingestellt wurde, ist insoweit unerheblich und vermag am Vorliegen eines hinreichenden Anlassverdachts sowohl zum Zeitpunkt der Datenerhebung als auch des Erlasses des Widerspruchsbescheids nichts zu ändern. Zum einen war bereits der Verdacht des zweifachen Raubes, dem eine Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe folgte, ausreichend für die Annahme eines hinreichenden Anlassverdachts im Sinne von § 81 b 2. Alt. StPO und wurde die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers außer auf den Verdacht des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger ausdrücklich auch auf den Verdacht des Raubes und der Nachstellung gestützt.

Zum anderen wurde das Verfahren wegen Nachstellung gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO im Wesentlichen deshalb eingestellt, weil gleichzeitig gegen den Kläger noch das Verfahren wegen Verdachts des Raubes anhängig war und in Anbe-tracht der hier zu erwartenden Strafe eine wegen Nachstellung zusätzlich zu verhängende Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht gefallen wäre. Auch wenn daneben Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 238 StGB geäußert wurden, so lässt sich dem jedoch nicht entnehmen, dass die bis dahin gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomente ausgeräumt gewesen wären. Vielmehr hatte sich daran nichts geändert und wurde lediglich in Frage gestellt, dass das dem Kläger vorgeworfene Verhalten schon den Tatbestand des § 238 StGB erfüllt.

Zwar wurde das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandunfähigen Person gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Auch hier ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung aber nicht, dass der Kläger die ihm vom Zeugen C. vorgeworfene Tat nicht begangen hat. Vielmehr ist in der Einstellungsverfügung vom 21.12.2009 insoweit lediglich ausgeführt, dass die beim Kläger sichergestellten Videoaufzeichnungen den gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht bestätigt hätten und mangels sonstiger den Tatverdacht erhärtender Umstände die Beweislage für eine Fortsetzung des Verfahrens nicht ausreichend gewesen sei.

Lag somit ein hinreichender Anlassverdacht vor, bestand angesichts des schon zu Beginn der Ermittlungen zu Tage getretenen komplizierten Beziehungsgeflechts zwischen dem Kläger und dem Zeugen C. sowohl zum Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung als auch des Erlasses des Widerspruchsbescheids ebenso Grund zu der Annahme, der Kläger könne auch künftig erneut Gegenstand von Strafermittlungen werden, so dass zu Recht von der erforderlichen Wiederholungsgefahr ausgegangen wurde.

Hinsichtlich des Vorwurfs des Raubes ergab sich die erforderliche Wiederholungsgefahr schon mit Blick darauf, dass der Kläger dem Zeugen C. Ende Januar/ Anfang Februar 2009 innerhalb von ca. 2 Wochen gleich zweimal das in dessen Besitz befindliche Handy gewaltsam weggenommen und er dabei dem Zeugen offenbar jeweils gezielt nachgestellt hat. Auch hinsichtlich des gegen den Kläger erhobenen Vorwurfs der Nachstellung gemäß § 238 StGB lag eine Wiederholungsgefahr auf der Hand. Der Nachstellung ist die Gefahr von wiederholten Übergriffen, die auch in Taten bestehen können, die nach anderen Straftatbeständen strafbar sind, immanent. Nach gesicherten kriminologischen Erkenntnissen kommt Nachstellungshandlungen sogar ein hohes Eskalationspotential zu

vgl. Fischer, Kommentar zur StGB, 57. Aufl. 2010, § 238 Rz. 3b.

Hinsichtlich der diesbezüglichen die Annahme einer Wiederholungsgefahr begründenden konkreten Fallumstände wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Dass im Widerspruchsbescheid die für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderliche Wiederholungsgefahr hauptsächlich auf das dem Kläger vorgeworfene Sexualdelikt gestützt wurde, hinsichtlich dessen das Ermittlungsverfahren später gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, begegnet demgegenüber keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zum einen wurde die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung keineswegs ausschließlich aus dem Verdacht des Sexualdelikts abgeleitet. Vielmehr bezogen sowohl der Ausgangs- als auch der Widerspruchsbescheid sämtliche gegen den Kläger vorliegende Verdachtsmomente in die Begründung ein. Zum anderen wurde das Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids noch betrieben. Die Einstellung folgte erst später und auch dann – wie dargelegt – nicht etwa, weil der Verdacht ausgeräumt war, sondern wegen einer unzureichenden Beweislage.

Dass die aus den Anlassverfahren gewonnene Einschätzung der Notwendigkeit der Datenerhebung und -speicherung für präventive Zwecke zutreffend gewesen ist, wird im Übrigen auch durch die weiteren Ereignisse belegt. So wurden – wie sich aus den beigezogenen Ermittlungsakten ergibt - in der Folgezeit bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt tatsächlich mehrere weitere Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt, unter anderem erneut wegen Nachstellung zu Lasten des Zeugen C.. Die Staatsanwaltschaft Konstanz führte unter dem Az. 45 Js 7917/10 ebenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Nachstellung und des Hausfriedensbruchs. Anlass war das Eindringen des Klägers in eine Therapieeinrichtung in S., in der sich der Zeuge C. wegen seiner Drogenprobleme aufhielt. Nicht zuletzt geht aus der beigezogenen Akte 4 Js 1502/10 der Staatsanwaltschaft A-Stadt hervor, dass der Kläger dem Zeugen C. bis in die jüngste Vergangenheit nachgestellt hat und zuletzt sogar dessen ganze Familie belästigt hat.

Die erhobenen und gespeicherten erkennungsdienstlichen Daten waren auch geeignet, die Verfolgung künftiger Straftaten zu erleichtern. Finger- bzw. Handflächen- oder –kantenabdrücke erleichtern die Überprüfung von möglichen Tatortspuren. Des Weiteren kann die Vorlage von Lichtbildern bei Zeugen aber auch weiteren Opfern die Strafverfolgung durch Identifizierung oder auch Ausschluss Unschuldiger erleichtern. Tatsächlich wurde dies im vorliegenden Fall sogar dadurch bestätigt, dass im Ermittlungsverfahren 45 Js 7917/10 der Staatsanwaltschaft K. daktyloskopische Spuren abgeglichen wurden und dadurch der Nachweis erbracht wurde, dass der Kläger unbefugt in das Gebäude der Drogenheilstätte in S. und dort in das Zimmer des Zeugen C. eingedrungen ist und unter anderem den Therapiezweck gefährdende Medikamente, Geld und Alkohol hinterlassen hat.

Die Datenerhebung und -speicherung war mit Blick auf deren Anlass auch verhältnismäßig. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass der Beklagte angesichts der Schwere der zu Grunde liegenden Anlassstraftaten dem mit der erkennungsdienstlichen Behandlung verfolgten Zweck der Förderung möglicher künftiger Ermittlungen und damit indirekt auch eines eventuellen Opferschutzes höheres Gewicht beigemessen hat als dem durch die Maßnahme tangierten Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung am 5.3.2009 war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie erfolgte, ohne dass zuvor die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 4.3.2009 angeordnet worden war. Der Anordnung der sofortigen Vollziehung bedurfte es vorliegend nicht, da nach dem von dem Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Original der ED-Anordnung sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass der Kläger gegen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen Widerspruch eingelegt hat, sich vielmehr kooperativ verhalten hat. Der dem entgegenstehenden Behauptung des Klägers, wonach er gegenüber den handelnden Polizeibeamten deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht einverstanden sei und diese nur deshalb habe über sich ergehen lassen, um einer Anwendung körperlicher Gewalt zu entgehen, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass der Kläger selbst nicht näher dargelegt hat, inwiefern ihm konkret körperliche Gewalt angedroht worden sein soll, ist diese Behauptung schon durch die nunmehr im Original vorgelegte ED-Anordnung widerlegt. Darin hat der Kläger mit seiner Unterschrift bestätigt, darüber belehrt worden zu sein, dass gegen die erkennungsdienstliche Behandlung Widerspruch erhoben werden könne, dieser jedoch im Falle einer angeordneten sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung habe und darüber hinaus auch gegen die Speicherung der erkennungsdienstlichen Unterlagen Widerspruch zulässig sei, wobei sich die Unterschrift des Klägers unmittelbar unter der entsprechenden Belehrung befindet. Des Weiteren hat der Kläger in dem entsprechenden Formular ausdrücklich erklärt, gegen die erkennungsdienstliche Behandlung keinen Widerspruch einzulegen und dies nochmals gesondert unterzeichnet. Im Gegensatz dazu hat der Kläger zeitgleich eine DNA-Maßnahme ausdrücklich abgelehnt. In der ihm neben dem ED-Formular vorgelegten „Einverständniserklärung zur Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetischen Untersuchung“ vermerkte der Kläger ausdrücklich, dass er in die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung nicht einwillige, da kein begründeter Anlass vorliege, woraufhin diese Maßnahme auch unterblieben ist. Gerade auch der Umstand, dass der Kläger offenkundig zwischen der vorgesehenen DNA-Maßnahme einerseits und der ED-Behandlung andererseits differenziert hat und einmal seine Einwilligung ausdrücklich verweigerte, während er hinsichtlich der erkennungsdienstlichen Behandlung unterschriftlich bestätigte, hiergegen keinen Widerspruch zu erheben, spricht dafür, dass der Kläger sich der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht widersetzte. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptete, lediglich das Formular zur DNA-Maßnahme ausgefüllt und die Aushändigung seiner Videokassetten unterschriftlich bestätigt zu haben, nicht jedoch die ED-Anordnung zweifach unterzeichnet zu haben, ist dies als reine Schutzbehauptung anzusehen. Denn die auf dem ED-Formular befindlichen Unterschriften stimmen mit den in den Akten befindlichen sonstigen Unterschriften des Klägers offensichtlich überein und selbst der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nach Inaugenscheinnahme nicht behauptet, dass es sich hierbei nicht um seine Unterschriften handele. Andererseits hatte der Kläger auch keine nachvollziehbare Erklärung dafür, wie seine Unterschriften ohne seinen Willen auf das ED-Formular gelangt sein könnten, was im Übrigen auch realitätsfern erscheint. Dass der Kläger – wie aus der ED-Anordnung hervorgeht – der erkennungsdienstlichen Behandlung tatsächlich nicht widersprochen hat, wird zudem durch die glaubhaften Angaben insbesondere des Zeugen A. und auch des Zeugen B. bestätigt. Diese haben im Kern übereinstimmend berichtet, dass der Kläger sich bei Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung insgesamt kooperativ verhalten habe. Der Senat geht aufgrund der überzeugenden Angaben des Zeugen A., der die näheren Umstände der erkennungsdienstlichen Behandlung sachlich, frei und ohne Beschönigungen dargelegt hat, davon aus, dass der Kläger bei Eröffnung der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zwar zunächst monierte, lediglich zwecks Aushändigung seiner Videokassetten zur Polizeiinspektion gekommen zu sein, nach einer Unterredung mit dem Zeugen A. aber mit der Durchführung der Maßnahme einverstanden war und keinen Widerspruch hiergegen erhob. Darüber hinaus hat der Zeuge auch glaubhaft angegeben, dass der Kläger den Verzicht auf einen Widerspruch gegen die erkennungsdienstliche Behandlung auf dem entsprechenden Formular mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Auch der Zeuge B. hat unter Bezugnahme auf eine dienstliche Stellungnahme vom 2.9.2009 bestätigt, dass der Kläger sich der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht widersetzt bzw. ihr nicht widersprochen, sondern kooperativ mitgewirkt hat. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf vermeintliche Widersprüche in den Aussagen der beiden vorgenannten Zeugen, etwa hinsichtlich des genauen Zeitpunktes der Hinzuziehung des Zeugen B, hingewiesen hat, vermag dieses Vorbringen die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht in Zweifel zu ziehen. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die wesentlichen Aussagen der Zeugen übereinstimmen. Echte Widersprüche sind nicht feststellbar. Soweit die Aussagen nicht in sämtlichen Details übereinstimmen, haben beide Zeugen glaubhaft dargelegt, sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern zu können, was angesichts des relativ langen Zeitablaufs zwischen der erkennungsdienstlichen Behandlung und der Zeugenvernehmung auch ohne weiteres nachvollziehbar ist und die Glaubhaftigkeit ihrer Kernaussagen nicht zu erschüttern vermag.

Der vom Kläger als Zeuge vom Hörensagen benannte Zeuge C. vermochte hingegen die Version des Klägers, wonach er sich mit diesem noch am Abend des 5.3.2009 über die erkennungsdienstliche Behandlung und deren nähere Umstände unterhalten habe, nicht zu bestätigen. Der Zeuge C. hatte keinerlei Erinnerung an Derartiges.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger seiner erkennungsdienstlichen Behandlung nicht widersprochen hat und von daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Durchführung der Maßnahme nicht erforderlich war. An dieser Einschätzung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kläger sich bereits mit Schreiben vom 5.3.2009 bei dem Amtsgericht A-Stadt über die erkennungsdienstliche Behandlung beschwerte. Dies allein lässt noch nicht darauf schließen, dass der Kläger der Maßnahme auch bereits bei deren Durchführung am Vormittag widersprochen hat. Vielmehr kann der Kläger seine Einstellung hierzu im Laufe des Tages durchaus geändert haben, wofür - wie bereits dargelegt - insbesondere spricht, dass der Kläger auf dem ED-Formular noch mit seiner Unterschrift erklärt hat, gegen die Maßnahme keinen Widerspruch einzulegen.

Die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung war schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie ohne gesonderte Vorladung anlässlich der Rückgabe verschiedener Asservate an den Kläger erfolgte. Aus dem Gesetz ergibt sich keine Notwendigkeit einer gesonderten Vorladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Maßgeblich ist insoweit allein, dass der Betroffene vor der Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung über seine Rechtsschutzmöglichkeiten hinreichend informiert war, wovon man im Falle des Klägers ausweislich des von ihm unterzeichneten Formulars der ED-Anordnung vom 4.3.2009 ausgehen kann. Ein Verfahrensfehler ist auch insoweit nicht erkennbar. Anhaltspunkte dafür, dass man – wie behauptet - die (tatsächlich erfolgte) Rückgabe mehrerer Videokassetten lediglich als Vorwand genutzt habe, um den Kläger auf der Polizeidienststelle dann vor vollendete Tatsachen zu stellen, lassen sich den vorliegenden Akten nicht entnehmen. Es handelt sich hierbei um eine reine Mutmaßung des Klägers, für deren Beleg konkrete Tatsachen weder benannt wurden noch ersichtlich sind.

Lässt demnach die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 4.3.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 keine Rechtsfehler erkennen und sind auch ansonsten keine Verfahrensfehler feststellbar, ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO und einer entsprechenden Anwendung von § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Antrag des Klägers, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt worden ist. Dort hat der Kläger seinen ursprünglich auf Löschung bzw. Vernichtung ihn betreffender erkennungsdienstlicher Daten gerichteten Antrag in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des die erkennungsdienstliche Behandlung anordnenden Bescheids des Beklagten vom 4.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 umgestellt.

Der vom Kläger nunmehr gestellte Antrag ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, nachdem sich das ursprünglich auf Löschung bzw. Vernichtung der den Kläger betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen gerichtete Begehren des Klägers im Laufe des Berufungsverfahrens durch entsprechende Maßnahmen des Beklagten erledigt hat.

Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung kann dem Kläger ebenfalls nicht abgesprochen werden. Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann jedes bei vernünftiger Erwägung nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein

vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 113 Rz. 129 ff..

Vorliegend kann sich der Kläger auf ein berechtigtes Interesse aufgrund von Rehabilitationsgesichtspunkten berufen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, erfordern, ein Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben

vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.1997 - 1 C 2/95 -, m.w.N., NJW 1997, 2534 ff..

Ausgehend davon bejaht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Falle einer zwischenzeitlichen Löschung bzw. Vernichtung erkennungsdienstlicher Daten regelmäßig ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenerhebung

vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2003 - 1 F 2211/02 -; VG Würzburg, Urteil vom 12.4.2012 - W 5 K 11.757 -; VG E-Stadt, Urteil vom 21.1.2010 - 6 K 860/08 -, jeweils m.w.N.; dokumentiert bei juris.

Denn die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen zwecks Speicherung in entsprechenden Datensammlungen der Ermittlungsbehörden stellt einen gewichtigen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dar. Die erhobenen Daten stehen der Polizei für einen längeren Zeitraum in Sammlungen zur Verfügung, in denen der Betroffene als einschlägig Verdächtiger geführt wird. Von daher ist in aller Regel ein berechtigtes Feststellungsinteresse aus Rehabilitationsgesichtspunkten gegeben. Dies ist auch im Falle des Klägers anzunehmen. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht einem Rehabilitationsinteresse des Klägers weder entgegen, dass die Datenerhebung eine polizeiinterne Maßnahme darstellte, welche wohl nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist, noch, dass die Daten „nur“ drei Jahre lang gespeichert wurden.

Die demnach zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet.

Der die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers anordnende Bescheid des Beklagten vom 4.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 war rechtmäßig und hat den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für die vorgenannten Bescheide und die auf dieser Grundlage durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers war § 81 b 2. Alt. StPO. Nach dieser Vorschrift dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Die Regelung stellt in materiell-rechtlicher Hinsicht Polizeirecht dar und dient ebenso wie die weitere Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung der Daten in kriminalpolizeilichen Sammlungen ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben der Kriminalpolizei bei der Erforschung und Aufklärung von Straftaten

vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris.

Entgegen der Auffassung des Klägers begegnen die auf dieser Grundlage ergangenen Bescheide vom 4.3.2009 und 19.11.2009 zunächst unter formellen Gesichtspunkten keinen rechtlichen Bedenken.

Insbesondere genügt der angefochtene Bescheid vom 4.3.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 den Begründungserfordernissen des § 39 Abs. 1 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Zudem soll nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Die Begründungspflicht bezweckt in erster Linie, dass die Betroffenen die für ihren konkreten Fall maßgeblichen Gründe erfahren, damit sie in der Lage sind, sich über einen eventuellen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung schlüssig zu werden und ihn sachgemäß zu begründen. Die Begründung muss so sein, dass die Betroffenen und die Gerichte sie nachvollziehen können. Sie muss für die Betroffenen aus sich heraus verständlich sein. Eine lediglich formale und nichtssagende Begründung genügt nicht. Maßgeblich dafür, welche Gründe i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG wesentlich sind, und wie intensiv die Begründung im konkreten Fall sein muss, sind vor allem die Art des in Frage stehenden Verwaltungsakts und der betroffenen Rechte, die Bedeutung der Sache für den Betroffenen und auch der Kenntnisstand des Betroffenen hinsichtlich der in Betracht kommenden Gründe

vgl. Kopp, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 39 VwVfG, Rz. 18 f, m.w.N.

Ausgehend davon ist vorliegend kein beachtliches Begründungsdefizit anzunehmen. So ist in der Anordnung vom 4.3.2009 zur Begründung der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgeführt, dass gegen den Kläger zur Zeit mehrere Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB in Tateinheit mit Vergewaltigung/sexueller Nötigung gemäß § 177 StGB, des Verdachts des Raubes gemäß § 249 StGB und der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB anhängig seien. Aufgrund des bisherigen Ermittlungsstandes ergebe sich der Verdacht, dass der Kläger weiter straffällig werde. Ob diese recht knappe Begründung insbesondere mit Blick auf den Kenntnisstand des Klägers von den Gesamtumständen den Erfordernissen des § 39 Abs. 1 VwVfG bereits gerecht wird, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls in Zusammenschau mit der weiteren Argumentation im Widerspruchsbescheid vom 19.11.2009 genügt sie dem gesetzlichen Begründungserfordernis. Im Widerspruchsbescheid ist insoweit ausgeführt, dass nach Auffassung der Widerspruchsbehörde im Falle des Klägers von einem hinreichenden Tatverdacht des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB ausgegangen werden könne. Der hinreichende Tatverdacht werde allein schon durch die Einleitung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens bestätigt. Soweit ein derartiges Verfahren eröffnet werde, müsse davon ausgegangen werden, dass ausreichend Indizien hierfür vorlägen. Der Tatverdacht gegen den Kläger sei hierdurch ausreichend begründet gewesen. Da Sexualdelikte regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt seien, könne in solchen Fällen auch regelmäßig eine Wiederholungsgefahr angenommen werden. Zudem würden dem Kläger weitere Straftaten ( Raub und Nachstellung ) vorgeworfen. Die Erkenntnisse aus der erkennungsdienstlichen Behandlung seien auch geeignet, die Verfolgung künftiger Straftaten zu erleichtern. Gerade in Fällen sexuellen Missbrauchs könne z.B. die Vorlage von Lichtbildern bei Zeugen aber auch Opfern die Strafverfolgung zur Identifizierung oder auch Ausschluss Unschuldiger erleichtern. Dem Kläger wurden insoweit die wesentlichen Gründe für die erkennungsdienstliche Behandlung in nachvollziehbarer Form dargelegt. Selbst wenn man die Begründung in der Anordnung vom 4.3.2009 als nicht ausreichend erachtete, so wäre dieser Mangel jedenfalls durch die vorgenannten Ausführungen im Widerspruchsbescheid geheilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Ob die angegebene Begründung einer materiell-rechtlichen Überprüfung standhält, ist keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, sondern der Begründetheit der zu entscheidenden Fortsetzungsfeststellungsklage.

Die auf § 81 b 2. Alt. StPO gestützte Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers war auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 81 b 2. Alt. StPO setzt voraus, dass es sich bei dem Adressaten der Maßnahme um einen Beschuldigten in einem Strafverfahren handelt. Der Beschuldigtenbegriff ist dabei so zu verstehen, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen darf und nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann. Vielmehr müssen sich aus dem konkret gegen den Betroffenen geführten Strafverfahren in tatsächlicher Hinsicht sowohl der Anlass als auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten lassen

vgl. BVerwG, ständige Rechtsprechung, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, juris.

Des Weiteren muss die Datenerhebung (und die folgende Speicherung in einer entsprechenden kriminalpolizeilichen Datensammlung) bezogen auf die Zukunft notwendig und verhältnismäßig sein. Die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten

ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. etwa Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192, 199 und vom 23.11.2005 – 6 C 2/05 -; juris.

Für die Annahme der Notwendigkeit bedarf es somit einer Wiederholungsgefahr. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte; lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist

vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, m.w.N.; juris.

Grundsätzlich genügt es, dass der Betroffene während des Verwaltungsverfahrens Beschuldigter war

vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -; VG Minden, Urteil vom 20.2.2008 - 11 K 40/08 -, juris.

Wurde jedoch das zugrunde liegende Anlassverfahren später eingestellt, setzt eine fortdauernde Datenspeicherung einen verbleibenden Straftatverdacht voraus. Im Falle der Verfahrenseinstellung ( oder auch eines Freispruchs ) ist daher zu prüfen, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung zur präventiv-polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen. In Bezug auf das Erfordernis der Wiederholungsgefahr bedarf es in diesen Fällen einer eingehenden Würdigung aller hierfür relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gründe für die Verfahrenseinstellung

vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01; OVG NRW, Beschluss vom 14.4.2010 - 5 A 479/09 -, m.w.N., juris.

Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Anlasswirkung der Beschuldigteneigenschaft nach § 81 b StPO folgt zudem, dass die Wiederholungsgefahr sich auf vergleichbare Straftaten wie die, die das Anlassverfahren auslösten, beziehen muss.

Ausgehend davon waren der Bescheid vom 4.3.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 19.11.2009 materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

Da gegen den Kläger seit Februar 2009 mehrere Ermittlungsverfahren , und zwar eines wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB und wegen Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie zwei wegen Raubes gemäß § 249 StGB, anhängig waren, war er im maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der erkennungsdienstlichen Daten und auch des Erlasses des Widerspruchsbescheides Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat von Maßnahmen im Sinne des § 81 b 2. Alt. StPO.

Es bestand auch ein hinreichender Anlassverdacht. Der Zeuge C. hatte im Februar 2009 verschiedene Taten angezeigt, die allesamt in der Beziehung zwischen ihm und dem Kläger wurzelten. Die Ermittlungen waren am 4./5.3.2009 in tatsächlicher Hinsicht auch schon weit genug fortgeschritten, um einen hinreichenden Anlass für eine erkennungsdienstliche Behandlung zu bieten. Nach den ausführlichen Angaben des Zeugen C. standen der Verdacht eines sexuellen Übergriffs, der zweifachen Anwendung von körperlicher Gewalt zwecks Wegnahme eines Handys und verschiedene Nachstellungstaten in Rede. Dabei wurden die Angaben des Anzeigeerstatters betreffend die Anwendung körperlicher Gewalt zwecks Wegnahme eines Handys in einem Fall in wesentlichen Teilen durch entsprechende Angaben eines unbeteiligten, neutralen Zeugen, Herrn D., bestätigt. Zudem geht aus den dem Senat vorliegenden Ermittlungsakten hervor, dass im Zusammenhang mit den dem Kläger vorgeworfenen Nachstellungsaktivitäten wiederholt Polizeibeamte hinzu gerufen worden waren und in einem Fall sogar ein Platzverweis gegenüber dem Kläger ausgesprochen wurde. Die vorliegenden Verdachtsmomente gründeten also nicht allein auf den Angaben des Anzeigeerstatters sondern auch auf diese zumindest teilweise bestätigende Wahrnehmungen unbeteiligter Dritter. Allein der Umstand, dass der Anzeigeerstatter drogenkrank war, bot keinen Anlass, dessen Angaben von vorneherein keine Bedeutung beizumessen bzw. dessen Glaubwürdigkeit schon vom Grundsatz her in Frage zu stellen. Vielmehr war dessen Sachvortrag durchaus detailreich und wurde zudem – jedenfalls in Teilen - durch bestätigende Angaben neutraler Zeugen gestützt. Anhaltspunkte dafür, dass die Polizeibeamten – wie vom Kläger vorgetragen - einseitig ermittelt oder sogar aus unsachlichen Gründen dem Anzeigeerstatter voreilig Glauben geschenkt hätten, sind den Ermittlungsakten nicht zu entnehmen.

Auch lässt sich die Behauptung des Klägers, der Zeuge C. habe ihn mit seinen Strafanzeigen, die jeglicher Tatsachengrundlage entbehrten, bloß fälschlich belasten wollen, weil er Schulden bei ihm gehabt habe, die er nicht habe zurückzahlen wollen, durch nichts belegen.

Vielmehr hat sich das Bestehen eines hinreichenden Anlassverdachts zwischenzeitlich sogar durch entsprechende Verurteilungen des Klägers bestätigt. Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe des zweifachen Raubes führten jeweils zu Verurteilungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung. So wurde der Kläger im Verfahren 4 Js 924/09 mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 8.11.2010 zu einer Gesamtstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit weiterem - noch nicht rechtskräftigem - Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 1.6.1012 – 11 Ns 243/11, 4 Js 1502/10 – wurde der Kläger unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil vom 8.11.2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, welche nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine Verurteilung wegen Raubes ist in beiden Fällen nur nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ unterblieben, weil nicht abschließend geklärt werden konnte, wer Eigentümer des entwendeten Handys war.

Dass das Verfahren wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger sowie der Nachstellung – 14 Js 22/09 – am 21.12.2009, somit nach Erlass des Widerspruchsbescheides, eingestellt wurde, ist insoweit unerheblich und vermag am Vorliegen eines hinreichenden Anlassverdachts sowohl zum Zeitpunkt der Datenerhebung als auch des Erlasses des Widerspruchsbescheids nichts zu ändern. Zum einen war bereits der Verdacht des zweifachen Raubes, dem eine Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe folgte, ausreichend für die Annahme eines hinreichenden Anlassverdachts im Sinne von § 81 b 2. Alt. StPO und wurde die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers außer auf den Verdacht des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger ausdrücklich auch auf den Verdacht des Raubes und der Nachstellung gestützt.

Zum anderen wurde das Verfahren wegen Nachstellung gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO im Wesentlichen deshalb eingestellt, weil gleichzeitig gegen den Kläger noch das Verfahren wegen Verdachts des Raubes anhängig war und in Anbe-tracht der hier zu erwartenden Strafe eine wegen Nachstellung zusätzlich zu verhängende Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht gefallen wäre. Auch wenn daneben Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 238 StGB geäußert wurden, so lässt sich dem jedoch nicht entnehmen, dass die bis dahin gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomente ausgeräumt gewesen wären. Vielmehr hatte sich daran nichts geändert und wurde lediglich in Frage gestellt, dass das dem Kläger vorgeworfene Verhalten schon den Tatbestand des § 238 StGB erfüllt.

Zwar wurde das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandunfähigen Person gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Auch hier ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung aber nicht, dass der Kläger die ihm vom Zeugen C. vorgeworfene Tat nicht begangen hat. Vielmehr ist in der Einstellungsverfügung vom 21.12.2009 insoweit lediglich ausgeführt, dass die beim Kläger sichergestellten Videoaufzeichnungen den gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht bestätigt hätten und mangels sonstiger den Tatverdacht erhärtender Umstände die Beweislage für eine Fortsetzung des Verfahrens nicht ausreichend gewesen sei.

Lag somit ein hinreichender Anlassverdacht vor, bestand angesichts des schon zu Beginn der Ermittlungen zu Tage getretenen komplizierten Beziehungsgeflechts zwischen dem Kläger und dem Zeugen C. sowohl zum Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung als auch des Erlasses des Widerspruchsbescheids ebenso Grund zu der Annahme, der Kläger könne auch künftig erneut Gegenstand von Strafermittlungen werden, so dass zu Recht von der erforderlichen Wiederholungsgefahr ausgegangen wurde.

Hinsichtlich des Vorwurfs des Raubes ergab sich die erforderliche Wiederholungsgefahr schon mit Blick darauf, dass der Kläger dem Zeugen C. Ende Januar/ Anfang Februar 2009 innerhalb von ca. 2 Wochen gleich zweimal das in dessen Besitz befindliche Handy gewaltsam weggenommen und er dabei dem Zeugen offenbar jeweils gezielt nachgestellt hat. Auch hinsichtlich des gegen den Kläger erhobenen Vorwurfs der Nachstellung gemäß § 238 StGB lag eine Wiederholungsgefahr auf der Hand. Der Nachstellung ist die Gefahr von wiederholten Übergriffen, die auch in Taten bestehen können, die nach anderen Straftatbeständen strafbar sind, immanent. Nach gesicherten kriminologischen Erkenntnissen kommt Nachstellungshandlungen sogar ein hohes Eskalationspotential zu

vgl. Fischer, Kommentar zur StGB, 57. Aufl. 2010, § 238 Rz. 3b.

Hinsichtlich der diesbezüglichen die Annahme einer Wiederholungsgefahr begründenden konkreten Fallumstände wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Dass im Widerspruchsbescheid die für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderliche Wiederholungsgefahr hauptsächlich auf das dem Kläger vorgeworfene Sexualdelikt gestützt wurde, hinsichtlich dessen das Ermittlungsverfahren später gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, begegnet demgegenüber keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zum einen wurde die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung keineswegs ausschließlich aus dem Verdacht des Sexualdelikts abgeleitet. Vielmehr bezogen sowohl der Ausgangs- als auch der Widerspruchsbescheid sämtliche gegen den Kläger vorliegende Verdachtsmomente in die Begründung ein. Zum anderen wurde das Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids noch betrieben. Die Einstellung folgte erst später und auch dann – wie dargelegt – nicht etwa, weil der Verdacht ausgeräumt war, sondern wegen einer unzureichenden Beweislage.

Dass die aus den Anlassverfahren gewonnene Einschätzung der Notwendigkeit der Datenerhebung und -speicherung für präventive Zwecke zutreffend gewesen ist, wird im Übrigen auch durch die weiteren Ereignisse belegt. So wurden – wie sich aus den beigezogenen Ermittlungsakten ergibt - in der Folgezeit bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt tatsächlich mehrere weitere Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt, unter anderem erneut wegen Nachstellung zu Lasten des Zeugen C.. Die Staatsanwaltschaft Konstanz führte unter dem Az. 45 Js 7917/10 ebenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Nachstellung und des Hausfriedensbruchs. Anlass war das Eindringen des Klägers in eine Therapieeinrichtung in S., in der sich der Zeuge C. wegen seiner Drogenprobleme aufhielt. Nicht zuletzt geht aus der beigezogenen Akte 4 Js 1502/10 der Staatsanwaltschaft A-Stadt hervor, dass der Kläger dem Zeugen C. bis in die jüngste Vergangenheit nachgestellt hat und zuletzt sogar dessen ganze Familie belästigt hat.

Die erhobenen und gespeicherten erkennungsdienstlichen Daten waren auch geeignet, die Verfolgung künftiger Straftaten zu erleichtern. Finger- bzw. Handflächen- oder –kantenabdrücke erleichtern die Überprüfung von möglichen Tatortspuren. Des Weiteren kann die Vorlage von Lichtbildern bei Zeugen aber auch weiteren Opfern die Strafverfolgung durch Identifizierung oder auch Ausschluss Unschuldiger erleichtern. Tatsächlich wurde dies im vorliegenden Fall sogar dadurch bestätigt, dass im Ermittlungsverfahren 45 Js 7917/10 der Staatsanwaltschaft K. daktyloskopische Spuren abgeglichen wurden und dadurch der Nachweis erbracht wurde, dass der Kläger unbefugt in das Gebäude der Drogenheilstätte in S. und dort in das Zimmer des Zeugen C. eingedrungen ist und unter anderem den Therapiezweck gefährdende Medikamente, Geld und Alkohol hinterlassen hat.

Die Datenerhebung und -speicherung war mit Blick auf deren Anlass auch verhältnismäßig. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass der Beklagte angesichts der Schwere der zu Grunde liegenden Anlassstraftaten dem mit der erkennungsdienstlichen Behandlung verfolgten Zweck der Förderung möglicher künftiger Ermittlungen und damit indirekt auch eines eventuellen Opferschutzes höheres Gewicht beigemessen hat als dem durch die Maßnahme tangierten Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung am 5.3.2009 war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie erfolgte, ohne dass zuvor die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 4.3.2009 angeordnet worden war. Der Anordnung der sofortigen Vollziehung bedurfte es vorliegend nicht, da nach dem von dem Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Original der ED-Anordnung sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass der Kläger gegen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen Widerspruch eingelegt hat, sich vielmehr kooperativ verhalten hat. Der dem entgegenstehenden Behauptung des Klägers, wonach er gegenüber den handelnden Polizeibeamten deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht einverstanden sei und diese nur deshalb habe über sich ergehen lassen, um einer Anwendung körperlicher Gewalt zu entgehen, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass der Kläger selbst nicht näher dargelegt hat, inwiefern ihm konkret körperliche Gewalt angedroht worden sein soll, ist diese Behauptung schon durch die nunmehr im Original vorgelegte ED-Anordnung widerlegt. Darin hat der Kläger mit seiner Unterschrift bestätigt, darüber belehrt worden zu sein, dass gegen die erkennungsdienstliche Behandlung Widerspruch erhoben werden könne, dieser jedoch im Falle einer angeordneten sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung habe und darüber hinaus auch gegen die Speicherung der erkennungsdienstlichen Unterlagen Widerspruch zulässig sei, wobei sich die Unterschrift des Klägers unmittelbar unter der entsprechenden Belehrung befindet. Des Weiteren hat der Kläger in dem entsprechenden Formular ausdrücklich erklärt, gegen die erkennungsdienstliche Behandlung keinen Widerspruch einzulegen und dies nochmals gesondert unterzeichnet. Im Gegensatz dazu hat der Kläger zeitgleich eine DNA-Maßnahme ausdrücklich abgelehnt. In der ihm neben dem ED-Formular vorgelegten „Einverständniserklärung zur Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetischen Untersuchung“ vermerkte der Kläger ausdrücklich, dass er in die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung nicht einwillige, da kein begründeter Anlass vorliege, woraufhin diese Maßnahme auch unterblieben ist. Gerade auch der Umstand, dass der Kläger offenkundig zwischen der vorgesehenen DNA-Maßnahme einerseits und der ED-Behandlung andererseits differenziert hat und einmal seine Einwilligung ausdrücklich verweigerte, während er hinsichtlich der erkennungsdienstlichen Behandlung unterschriftlich bestätigte, hiergegen keinen Widerspruch zu erheben, spricht dafür, dass der Kläger sich der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht widersetzte. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptete, lediglich das Formular zur DNA-Maßnahme ausgefüllt und die Aushändigung seiner Videokassetten unterschriftlich bestätigt zu haben, nicht jedoch die ED-Anordnung zweifach unterzeichnet zu haben, ist dies als reine Schutzbehauptung anzusehen. Denn die auf dem ED-Formular befindlichen Unterschriften stimmen mit den in den Akten befindlichen sonstigen Unterschriften des Klägers offensichtlich überein und selbst der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nach Inaugenscheinnahme nicht behauptet, dass es sich hierbei nicht um seine Unterschriften handele. Andererseits hatte der Kläger auch keine nachvollziehbare Erklärung dafür, wie seine Unterschriften ohne seinen Willen auf das ED-Formular gelangt sein könnten, was im Übrigen auch realitätsfern erscheint. Dass der Kläger – wie aus der ED-Anordnung hervorgeht – der erkennungsdienstlichen Behandlung tatsächlich nicht widersprochen hat, wird zudem durch die glaubhaften Angaben insbesondere des Zeugen A. und auch des Zeugen B. bestätigt. Diese haben im Kern übereinstimmend berichtet, dass der Kläger sich bei Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung insgesamt kooperativ verhalten habe. Der Senat geht aufgrund der überzeugenden Angaben des Zeugen A., der die näheren Umstände der erkennungsdienstlichen Behandlung sachlich, frei und ohne Beschönigungen dargelegt hat, davon aus, dass der Kläger bei Eröffnung der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zwar zunächst monierte, lediglich zwecks Aushändigung seiner Videokassetten zur Polizeiinspektion gekommen zu sein, nach einer Unterredung mit dem Zeugen A. aber mit der Durchführung der Maßnahme einverstanden war und keinen Widerspruch hiergegen erhob. Darüber hinaus hat der Zeuge auch glaubhaft angegeben, dass der Kläger den Verzicht auf einen Widerspruch gegen die erkennungsdienstliche Behandlung auf dem entsprechenden Formular mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Auch der Zeuge B. hat unter Bezugnahme auf eine dienstliche Stellungnahme vom 2.9.2009 bestätigt, dass der Kläger sich der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht widersetzt bzw. ihr nicht widersprochen, sondern kooperativ mitgewirkt hat. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf vermeintliche Widersprüche in den Aussagen der beiden vorgenannten Zeugen, etwa hinsichtlich des genauen Zeitpunktes der Hinzuziehung des Zeugen B, hingewiesen hat, vermag dieses Vorbringen die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht in Zweifel zu ziehen. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die wesentlichen Aussagen der Zeugen übereinstimmen. Echte Widersprüche sind nicht feststellbar. Soweit die Aussagen nicht in sämtlichen Details übereinstimmen, haben beide Zeugen glaubhaft dargelegt, sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern zu können, was angesichts des relativ langen Zeitablaufs zwischen der erkennungsdienstlichen Behandlung und der Zeugenvernehmung auch ohne weiteres nachvollziehbar ist und die Glaubhaftigkeit ihrer Kernaussagen nicht zu erschüttern vermag.

Der vom Kläger als Zeuge vom Hörensagen benannte Zeuge C. vermochte hingegen die Version des Klägers, wonach er sich mit diesem noch am Abend des 5.3.2009 über die erkennungsdienstliche Behandlung und deren nähere Umstände unterhalten habe, nicht zu bestätigen. Der Zeuge C. hatte keinerlei Erinnerung an Derartiges.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger seiner erkennungsdienstlichen Behandlung nicht widersprochen hat und von daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Durchführung der Maßnahme nicht erforderlich war. An dieser Einschätzung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kläger sich bereits mit Schreiben vom 5.3.2009 bei dem Amtsgericht A-Stadt über die erkennungsdienstliche Behandlung beschwerte. Dies allein lässt noch nicht darauf schließen, dass der Kläger der Maßnahme auch bereits bei deren Durchführung am Vormittag widersprochen hat. Vielmehr kann der Kläger seine Einstellung hierzu im Laufe des Tages durchaus geändert haben, wofür - wie bereits dargelegt - insbesondere spricht, dass der Kläger auf dem ED-Formular noch mit seiner Unterschrift erklärt hat, gegen die Maßnahme keinen Widerspruch einzulegen.

Die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung war schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie ohne gesonderte Vorladung anlässlich der Rückgabe verschiedener Asservate an den Kläger erfolgte. Aus dem Gesetz ergibt sich keine Notwendigkeit einer gesonderten Vorladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Maßgeblich ist insoweit allein, dass der Betroffene vor der Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung über seine Rechtsschutzmöglichkeiten hinreichend informiert war, wovon man im Falle des Klägers ausweislich des von ihm unterzeichneten Formulars der ED-Anordnung vom 4.3.2009 ausgehen kann. Ein Verfahrensfehler ist auch insoweit nicht erkennbar. Anhaltspunkte dafür, dass man – wie behauptet - die (tatsächlich erfolgte) Rückgabe mehrerer Videokassetten lediglich als Vorwand genutzt habe, um den Kläger auf der Polizeidienststelle dann vor vollendete Tatsachen zu stellen, lassen sich den vorliegenden Akten nicht entnehmen. Es handelt sich hierbei um eine reine Mutmaßung des Klägers, für deren Beleg konkrete Tatsachen weder benannt wurden noch ersichtlich sind.

Lässt demnach die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 4.3.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 keine Rechtsfehler erkennen und sind auch ansonsten keine Verfahrensfehler feststellbar, ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO und einer entsprechenden Anwendung von § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 8. Januar 2018 über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren, mit dem der Kläger die Aufhebung des - seine erkennungsdienstliche Behandlung anordnenden - Bescheides der Beklagten vom 7. Juni 2017 erstrebt, hat keinen Erfolg.

2

Der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann bei der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO i. V. m. § 166 VwGO beigemessen werden. Denn das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der angegriffene Bescheid nach derzeitigem Sachstand rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt.

3

Rechtsgrundlage für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist § 81b 2. Alt. StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten gegen seinen Willen aufgenommen sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm durchgeführt werden, wenn es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

4

Voraussetzung für die Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach  § 81b Alt. 2 StPO ist die Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen. Dazu muss gegen ihn im Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ein Straf-  oder Ermittlungsverfahren geschwebt haben. Der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen grundsätzlich unberührt (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. November 2005 - 6 C 2.05 -, juris Rdnr. 20; OVG Nds, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 11 ME 100/16 -, juris Rn. 12; Sächs. OVG, Beschluss vom 7. Oktober 2016 - 3 A 221/15 -, juris Rn. 4 ).

5

Zwar hat das Verwaltungsgericht unzutreffend angenommen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung mit Bescheid vom 7. Juni 2017 Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls im besonders schweren Fall (§ 243 StGB) gewesen sei (vgl. Beschlussabdruck S. 2 [2. Absatz]), obgleich der Kläger in diesem Verfahren bereits mit Urteil des Amtsgerichtes Wernigerode vom 15. Mai 2017 wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen a 100,00 € verurteilt worden war (Az.: 832 Js 86244/16). Im Gegensatz dazu hat die Beklagte jedoch die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zutreffend darauf gestützt, dass der Kläger beschuldigt werde, am 1. Mai 2017 eine Straftat gemäß § 29 BtMG begangen zu haben. Zwar ist der Kläger mittlerweile auch insoweit durch Strafbefehl vom 21. Juni 2017 verurteilt worden. Im Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung war das Strafverfahren jedoch noch nicht abgeschlossen, so dass der Kläger noch Beschuldigter im Sinne des § 81b 2. Alt. war. Der in der Beschwerdeschrift erhobene Einwand des Klägers, die Beklagte stütze sich auf ein angeblich laufendes Ermittlungsverfahren wegen schweren Diebstahls trifft damit offensichtlich nicht zu.

6

Dass die Anlasstat nach § 29 BtMG als Bagatellsache zu qualifizieren sei, steht der Anordnung nicht entgegen.

7

Zwar mag die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen anknüpfend an ein Bagatelldelikt unverhältnismäßig sein, da die Schwere der vom Betroffenen zu erwartenden weiteren Straftaten den schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht nicht zu rechtfertigen vermag. Allerdings ist für eine solche Bewertung die Gesamtschau der gegen den Betroffenen geführten (Ermittlungs-/Straf-)Verfahren in den Blick zu nehmen. Überschreiten diese die Schwelle der Bagatelldelikte, kann daraus eine Unverhältnismäßigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht hergeleitet werden. Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Maßnahme ist nicht nur anhand der Anlasstat zu überprüfen, sondern grundsätzlich danach zu beurteilen, ob der anlässlich des Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit und wie er bisher strafrechtlich in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (st. Rspr. OVG LSA, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 3 L 40/12 -, juris Rn. 7 [m. w. N.]; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 1988 - 1 B 61.88 -, juris). Die Begründung muss insoweit in nachvollziehbarer Weise zu erkennen geben, dass die Behörde von ihrem Beurteilungs- und Wertungsspielraum in sachgerechter und zweckentsprechender Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 25. Oktober 2012, a. a. O. und Urteil vom 18. August 2010 - 3 L 372/09 -, juris). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Sächs. OVG, Beschl. v. 16. Dezember 2013 - 3 D 77/13 -, juris Rn. 5).

8

Gemessen an diesen Grundsätzen ist Gefährdungsprognose der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die kriminalpolizeiliche Einschätzung der Beklagten im streitbefangenen Bescheid, dass anhand der vorliegenden Erkenntnisse dringend zu befürchten ist, dass der Kläger in ähnlicher oder anderer Art und Weise erneut straffällig werden, mithin auch künftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könnte. Hierbei hat die Beklagte nicht nur auf die Anlasstat und ihre Begleitumstände abgestellt, sondern zu Recht auch berücksichtigt, dass der Kläger seit dem Jahr 2013 weitere fünfmal strafrechtlich in Erscheinung getreten, mithin ein sog. Wiederholungstäter ist. Dies begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

9

In dem Verfahren 833 Js 79298/13 wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichtes Wernigerode vom 4. September 2014 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, bestraft. Hinsichtlich des daneben von der Beklagten mit dem gleichen Strafausspruch angegebenen zweiten aktenkundigen Verfahrens ist zwar das im Bescheid genannte Aktenzeichen (833 Js 7928/3) unrichtig wiedergegeben (vgl. Angabe des richtigen Aktenzeichens im Anhörungsverfahren [Verwaltungsvorgang Bl. 30]). In seiner Klägerbegründung räumt der Kläger jedoch selbst ein, dass der Sachverhalt gegebenenfalls von dem Urteil des Amtsgerichtes Wernigerode vom 4. September 2014 erfasst sei. Ausweislich des vom Kläger mit der Klagebegründung vorgelegten Auszuges aus dem Bundeszentralregister wird in der Eintragung nur das „Datum der (letzten) Tat“ bezeichnet, so dass die Beklagte zutreffend davon ausgehen durfte, dass der Kläger insoweit tatsächlich zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

10

Dass das von der Beklagten im Bescheid an dritter Stelle genannte aktenkundige Verfahren 832 Js 81511/13, das einen Diebstahl von Kraftfahrzeugen betreffen soll, mittlerweile nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, schließt eine Berücksichtigung in der Prognoseentscheidung nicht aus. Bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, kann ein Tatvorwurf selbst dann berücksichtigt werden, wenn das Strafverfahren nach §§ 153 ff. StPO oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November 2005, a. a. O. [m. w. N.]). Aus der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens kann entgegen der Auffassung des Klägers gerade nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass hinsichtlich des in der Vergangenheit liegenden Tatvorwurfs ein Resttatverdacht entfallen ist (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 25. Oktober 2012 a. a. O., Rn. 9), wenn der Kläger sich - wie hier - zu der ihm in der Vergangenheit vorgeworfenen Tat enthält.

11

Richtigerweise hat die Beklagte auch die als viertes und fünftes aktenkundiges Verfahren bezeichneten Sachverhalte in ihre Würdigung der Gesamtumstände eingestellt. Der Kläger trägt selbst vor, dass beide Verfahren miteinander verbunden worden seien und zu einer Verurteilung wegen (einfachen) Diebstahls in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung durch Urteil des Amtsgerichtes Wernigerode vom 15. Mai 2017 geführt hätten. Dass der von der Beklagten in Bezug genommene Tatvorwurf des räuberischen Diebstahls nicht angeklagt, sondern die Tat lediglich als einfacher Diebstahl verfolgt worden sei, kann letztlich dahinstehen. Denn der Kläger ist zwei weitere Male strafrechtlich in Erscheinung getreten und mittlerweile verurteilt worden. Soweit er in diesem Zusammenhang geltend macht, mit der Strafzumessung (Gesamtgeldstrafe von „nur“ 75 Tagessätze), insbesondere der positiven Sozialprognose, komme trotz seiner vorangegangenen Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe zum Ausdruck, dass die Art, Schwere und Begehungsweise der Diebstahlshandlung gerade nicht so gravierend gewesen seien, verkennt er, dass die insoweit anzulegenden Maßstäbe unterschiedlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982 - 1 C 29.79 -, juris; Saarl. OVG, Beschluss vom 13. März 2009 - 3 B 34/09 -, juris Rn 45). Die strafrichterliche Prognose und die präventiv-polizeiliche Gesamtbetrachtung dienen unterschiedlichen Zwecken und unterliegen dementsprechend verschiedenen Rechtmäßigkeitsmaßstäben. Eine positive Sozialprognose bedeutet nicht, dass eine Gewähr für ein künftiges straffreies Leben besteht, wie die mittlerweile nach § 29 BtMG abgeurteilte Anlasstat des Klägers bestätigt. Zudem behauptet der Kläger auch nicht, dass das Amtsgericht Wernigerode bei seiner Strafzumessung berücksichtigt hatte, dass der Kläger am 1. Mai 2017 erneut straffällig geworden ist.

12

Entgegen der Annahme des Klägers kommt es nicht darauf an, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen für die Aufklärung von Straftaten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Anlasstat) oder vergleichbaren Straftaten geeignet und notwendig seien. Vielmehr genügt es, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschuldigte künftig in ähnlicher oder anderer Weise erneut straffällig werden könnte (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 4. Oktober 2012 - 3 O 26/12 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2013 - 3 D 77/13 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. März 2011  - 10 CS 10.3068 -, juris).

13

Dass der Kläger im Gegensatz zur Anlasstat mehrfach durch Diebstahlshandlungen strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, führt entgegen seiner Auffassung nicht etwa dazu, dass von vornherein die Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen ausscheidet. Erkennungsdienstliche Maßnahmen kommen typischer Weise bei sog. Rückfalltätern in Betracht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12. Juli 2004 - 24 CS 04.1016 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO Kommentar, 60. Aufl. 2017, § 81b Rn. 12). Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger. Für die Prognose der Wiederholungsgefahr genügt es, dass bei ihm mit erneuten kriminellen Aktivitäten zu rechnen ist. Auf das Straftatenspektrum der Anlasstat kommt es nicht allein an. Vorliegend besteht bei dem Kläger insbesondere die Gefahr der Begehung weiterer Diebstahlsdelikte, wie sein wiederholtes strafrechtliches Inerscheinungtreten offenbart. Abgesehen davon setzt die Anordnung zu präventiven Zwecken nicht schwere oder schwerste Straftaten voraus. Auch die wiederholte Begehung minderschwerer Delikte kann dazu führen, dass diese in ihrer Gesamtheit nicht mehr als Bagatelldelikte eingestuft werden können und damit ein öffentliches Interesse an der Aufklärung künftiger Straftaten besteht, das die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen rechtfertigt (vgl. OVG Nds., Urteil vom 20. November 2014 - 11 LB 15/14 -, juris Rn. 58). Ungeachtet dessen ist festzustellen, dass der Kläger auch wegen einer schweren Straftat (vgl. Urteil vom 4. September 2014, s. o.) rechtskräftig verurteilt wurde, er mithin nicht nur in minderschweren Fällen strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

14

Entgegen der Auffassung der Beklagten dürfte zwar die Anlasstat „kein besonders gesteigertes Maß an krimineller Energie, Skrupellosigkeit und strafrechtliche Härte“ offenbaren. Dies steht jedoch der dem Kläger attestierten Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Abgesehen davon weisen die - vom Kläger nicht in Abrede gestellten - Begleitumstände der Anlasstat jedenfalls auch auf einen gewissen Zusammenhang zu den in der Gefahrenprognose berücksichtigten (Ermittlungs-/Straf-)Verfahren wegen Diebstahls hin. In der angefochtenen Anordnung führt die Beklagte unter Bezugnahme auf die Strafanzeige wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unwidersprochen aus, dass der Kläger am 1. Mai 2017 um 23.43 Uhr einer Personenkontrolle unterzogen worden sei, weil er mit zwei Begleitpersonen witterungsuntypisch mit langer dunkler Kleidung und dunklen Handschuhen im Stadtgebiet von A-Stadt unterwegs gewesen sei. Ausweislich der Strafanzeige sei die Polizeistreife wegen des Kleidungsstils und der in der Vergangenheit aufgetretenen Einbruchsdiebstähle in Wohnhäusern davon ausgegangen, dass die drei unbekannten Personen auf „Diebestour“ seien. Da der Kläger sich nicht habe ausweisen können, sei er durchsucht worden, wobei sein strafrechtliches Vergehen nach § 29 BtMG - bei Gelegenheit - zu Tage getreten sei. Die Beklagte hat unter Würdigung dieser näheren Tatumstände der Anlasstat und der weiteren gegen den Antragsteller in der Vergangenheit geführten Ermittlungs-/Strafverfahren in zutreffender Weise eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Annahme bejaht, dass der Antragsteller als potentiell Verdächtiger in weitere Ermittlungsverfahren einzubeziehen sei. Die kriminelle Energie, die die Beklagte dem Kläger zurechnet, zeigt sich zum einen darin, dass der Kläger wiederkehrend strafrechtlich in Erscheinung trat. Zum anderen offenbart sie sich dadurch, dass obgleich die mündliche Verhandlung in der Strafsache 7 Ds 843 Js 86244/16, die zur einer Verurteilung wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung führte, unmittelbar bevorstand (15. Mai 2017), der Kläger erneut straffällig geworden ist. Dass es sich dabei um einen für ihn untypischen Deliktstyp gehandelt hat, kann ihm nicht zum Vorteil gereichen. Vielmehr unterstreicht dies die mangelhafte Bereitschaft des Klägers, künftig ein straffreies Leben zu führen, und deutet auf eine ungefestigte Persönlichkeitsstruktur sowie eine herabgesetzte Hemmschwelle strafrechtskonformen Verhaltens hin.

15

Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe seine persönlichen Lebensumstände nicht berücksichtigt, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn offensichtlich haben die gefestigte Partnerschaft zu seiner Freundin, die Geburt seines dritten Kindes am (…). Februar 2016 sowie seine selbstständige Erwerbstätigkeit seit Mai 2016 ihn nicht davon abgehalten, in den Jahren 2016 und 2017 strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Eine Änderung in den persönlichen Verhältnissen allein kann, aber muss nicht zu einer stabilen Verhaltensänderung führen (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - 3 A 325/15 -, juris Rn. 14).

16

Die angeordnete Maßnahme ist auch im Übrigen verhältnismäßig, insbesondere geeignet, künftige polizeiliche Ermittlungen - beispielsweise durch Vorlagen von Lichtbildern sowie Finger-, Handflächen- und Handrückenabdrücken - zu erleichtern. Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass bereits in der Vergangenheit erkennungsdienstliche Maßnahmen beim Kläger durchgeführt worden sind. Die letzte erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers fand am 4. Januar 2012, mithin vor mehr als fünfeinhalb Jahren statt. In der Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass jedenfalls nach Ablauf von fünf Jahren die Abnahme neuer Abdrücke erforderlich ist, weil sich die Struktur von Händen und Fingern bereits innerhalb weniger Jahre durch Verletzungen oder Erkrankungen wesentlich ändern kann (vgl. OVG Nds., Urteile vom 21. Februar 2008 - 11 LB 417/07 -, juris Rdnr. 30 ff.; und vom 28. Juni 2007 - 11 LC 372/06 -, juris Rdnr. 40 ff.; OVG LSA, Beschluss vom 18. August 2010 - 3 L 372/09 -, juris Rn 67). Der Zeitabstand von fünf Jahren ist auch in Ansehung der Grundrechte des Betroffenen nicht zu kurz bemessen, da Verletzungen der Finger und Handinnenflächen auch bei alltäglichen Verrichtungen eintreten können und jeder Mensch dem natürlichen Alterungsprozess unterliegt (vgl. OVG Nds., Urteil vom 21. Februar 2008, a. a. O., Rn. 31). Auch das äußere Erscheinungsbild eines Menschen kann jedenfalls innerhalb von fünf Jahren so deutlichen Veränderungen unterliegen, dass eine Neuanfertigung von Lichtbildern und eine erneute Beschreibung der Person notwendig werden. Die Beklagte verweist im Bescheid vom 7. Juni 2017 ausdrücklich darauf, dass sich den Ermittlungen zufolge wesentliche Veränderungen der Handflächen und Finger des Klägers ergeben hätten und die wesentliche äußere Erscheinung des Klägers mit den aus dem Jahr 2012 vorhandenen Lichtbildern nicht mehr überstimme. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Er beschränkt sich darauf, Verbrennungen und Verletzungen zu verneinen und übersieht hierbei, dass auch er dem natürlichen Alterungsprozess unterliegt.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

18

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren gegen den Bescheid der Polizeiinspektion S. vom 8. Dezember 2014 weiter. Mit diesem Bescheid war die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers angeordnet worden.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu Recht verneint, weil die beabsichtigte Klage des Klägers auf Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 2014, mit dem seine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO angeordnet wurde, voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Zunächst ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ergehens der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 8. Dezember 2014 Beschuldigter eines Strafverfahrens und damit zulässiger Adressat der angefochtenen Maßnahme gemäß § 81b Alt. 2 StPO war.

Soweit es für die Rechtmäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auf die Eigenschaft als Beschuldigter ankommt, ist auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen (BVerwG, B. v. 14.7.2014 - BVerwG 6 B 2.14 - juris Rn. 4). Beschuldigter i. S. d. § 81 Alt. 2 StPO ist, gegen wen aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte (§ 152 Abs. 2 StPO) das Strafverfahren betrieben wird. Die Beschuldigteneigenschaft wird durch die erste Ermittlungshandlung begründet, die sich gegen eine bestimmte Person richtet. Die ersten Ermittlungshandlungen gegen den Kläger wurden nach der Anzeige wegen des Vorfalls vom 23. April 2014 eingeleitet. Unerheblich für die Beschuldigteneigenschaft des Klägers ist, dass inzwischen wegen dieses Vorfalls am 20. Oktober 2014 Anklage zum Amtsgericht S. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern erhoben wurde. Denn § 81b Alt. 2 StPO ermächtigt zu präventiv-polizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge und dient, ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren, der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Dass die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass deren Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20). Für die Beschuldigteneigenschaft kommt es somit allein darauf an, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides formell betrachtet Beschuldigter eines Strafverfahrens war. Die Beschuldigteneigenschaft i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO entfällt nicht rückwirkend, wie der Kläger wohl meint, wenn das Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist und Anklage erhoben wird.

Nicht erheblich ist insoweit, ob die Einleitung des Strafverfahrens nach materiellem Recht ordnungsgemäß erfolgt ist, oder die Rechte des Betroffenen im Ermittlungsverfahren gewahrt wurden. Mit § 81 Alt. 2 StPO und Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG stehen zwei Befugnisnormen für die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen durch die Polizei zur Verfügung, deren Anwendungsbereich sich nur durch die Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen abgrenzen lässt und die zueinander in Gesetzeskonkurrenz stehen (Berner/Köhler/Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Art. 14 Rn. 2 und 9), so dass ausschließlich auf die formelle Einleitung des Strafverfahrens abzustellen ist, weil sonst die Polizeibehörden in jedem Einzelfall überprüfen müssten, ob das Strafverfahren gegen einen Beschuldigten zu Recht eingeleitet worden ist (vgl. BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - Rn. 19; BayVGH, B. v. 6.11.2011 - 10 ZB 11.365 - juris Rn. 3; NdsOVG, B. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 - juris Rn. 25; NdsOVG, U. v. 28.9.2006 - 11 LB 53/6 - juris Rn. 23). Somit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger wegen von ihm behaupteten Verfahrensfehlers im Ermittlungsverfahren tatsächlich verurteilt werden könnte. Selbst wenn im Rahmen des Ermittlungsverfahrens das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden wäre, wäre dies allenfalls im Strafverfahren zu berücksichtigen. Auf die Beschuldigteneigenschaft i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO wäre dies aber ohne Einfluss. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der Beschuldigteneigenschaft entfällt nämlich selbst bei einem späteren Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens nicht (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20; BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris Rn. 19; NdsOVG, B. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 - juris Rn. 25 jeweils m. w. N.).

Die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81 Alt. 2 StPO zu einem Zeitpunkt, in dem der Betroffene noch nicht wegen der ihm zur Last gelegten Straftat rechtskräftig verurteilt ist, widerspricht auch nicht der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Nach ständiger Rechtsprechung ist die erkennungsdienstliche Behandlung als präventiv-polizeiliche Maßnahme zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung zwar von einem fortbestehenden hinreichenden Tatverdacht, nicht aber von einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig. Die Feststellung eines Tatverdachts ist vielmehr etwas substanziell anderes als eine Schuldfeststellung (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2014 - 10 ZB 14.1355 - juris Rn. 7 m. w. N.). Aufgrund der präventiv-polizeilichen Ausrichtung der Anordnung nach § 81b Alt. 2 StPO als Maßnahme zur Strafverfolgungsvorsorge ist vielmehr unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles der Frage nachzugehen, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens bzw. mit dem Freispruch der Tatverdacht gegen den Beteiligten vollständig entfallen ist, oder ob ein „Restverdacht“ verbleibt. Widerspricht die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO selbst dann nicht der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK, wenn die Beschuldigteneigenschaft nach Erlass der Anordnung durch Verfahrenseinstellung oder Freispruch entfällt und ein Restverdacht verbleibt, so gilt dies erst recht für den Zeitraum, in dem das Strafverfahren noch nicht endgültig abgeschlossen ist.

Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO bestimmt sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis der Verdächtigen einer noch aufzuklärenden anderen Straftat einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend, fördern könnten (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 22 m. w. N.). Es hat stets eine Abwägung zu erfolgen, in die einerseits das Interesse der Öffentlichkeit an einer effektiven Verhinderung bzw. Aufklärung von Straftaten und andererseits das Interesse des Betroffenen einzustellen ist, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potentieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist. Im Falle des Klägers hat der der Anzeige der Großmutter der Geschädigten zugrunde liegende Sachverhalt zur Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft und inzwischen wohl auch zur Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Amtsgericht geführt. Dieser Sachverhalt rechtfertigt auch die Prognose des Beklagten, der Kläger werde auch in Zukunft Straftaten auf sexueller Basis begehen. Für die Prognose der Wiederholungsgefahr sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art, Schwere und Begehensweise der dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit und der Zeitraum, während dem er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, als Anhaltspunkte heranzuziehen. Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Einschätzung des Beklagten, dass nach sachgerechter und vertretbarer kriminalistischer Erfahrung tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der Kläger könne als Beschuldigter einer Sexualstraftat künftig in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden und die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen könne dann ermittlungsfördernd sein, als zutreffend. Sexualdelikte sind regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt und bergen damit statistisch betrachtet eine signifikant höhere Rückfallgefahr, wenn nicht die Tatumstände und alle weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten (OVG Saarland, B. v. 13.3.2009 - 3 B 34.09 - juris Rn. 33 ff.; BayVGH, U. v. 22.11.2013 - 10 B 12.278 - juris Rn. 25). Gegen die Einmaligkeit der Anlasstat spricht vorliegend bereits, dass die Geschädigte der Tat vom 23. April 2014 ausgesagt hat, dass sie den Kläger bereits im Januar oder Februar 2014 ebenfalls im Hallenbad in S. bei exhibitionistischen Handlungen beobachtet habe. Auch die Begehensweise der Tat in einem Schwimmbad, in dem die anderen Schwimmer nur mit Badekleidung bekleidet sind und sich in unmittelbarer Nähe des Klägers im Schwimmbecken aufhalten, spricht gegen den Kläger. Das von den Stadtwerken S. ausgesprochene Hausverbot in dem Schwimmbad in S. lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Es ist nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass der Kläger aufgrund seiner Veranlagung andere Bäder aufsuchen könnte, um dort exhibitionistische Handlungen zu begehen, nachdem ihm für das Hallenbad in S. ein Hausverbot erteilt worden ist.

Der Beklagte hat sich im Bescheid vom 8. Dezember 2014 auch damit auseinandergesetzt, welche erkennungsdienstlichen Unterlagen über den Kläger benötigt werden. Er hat ausgeführt, dass mit Hilfe von Lichtbildern und einer Personenbeschreibung eine Identifizierung möglich ist oder Fahndungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Mit Fingerabdrücken könne die Anwesenheit an einem bestimmten Tatort nachgewiesen werden. Die Einwendungen des Klägers, wonach bei Tathandlungen unter Wasser Fingerabdrücke zur Identifizierung nicht geeignet seien und ihm außerdem schon vor ca. 30 Jahren Fingerabdrücke abgenommen worden sein, lassen die im Bescheid vom 8. Dezember 2014 angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig erscheinen. Finger- und Handflächenabdrücke unterliegen schon durch den natürlichen Alterungsprozess Veränderungen (vgl. BayVGH, B. v. 20.1.2011 - 10 CS 10.2725 - juris Rn. 12; OVG Lüneburg, U. v. 21.2.2008 - 11 LB 417/97 - juris Rn. 30 ff. m. w. N.). Aus der dem Kläger zur Last gelegten Straftat ergibt sich auch nicht zwangsläufig, dass der Kläger exhibitionistische Handlungen ausschließlich unter Wasser vornehmen würde und daher die Abnahme von Fingerabdrücken zu seiner Überführung nicht notwendig sein könnte. Da es sich bei Sexualstraftaten um Neigungsdelikte handelt, ist durchaus denkbar, dass der Kläger auch außerhalb von Schwimmbädern mit exhibitionistischen Handlungen auffällig wird und dabei Fingerabdrücke hinterlässt.

Bedenken an der Zumutbarkeit der durch den Bescheid vom 8. Dezember 2014 angeordneten Maßnahmen bestehen auch im Hinblick auf die vom Kläger behauptete seelische Belastung durch die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht. Im konkreten Einzelfall darf zwar die Schwere des mit der konkreten erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesse stehen (NdsOVG, U. v. 30.1.2013 - 11 LB 51/12 - juris Rn. 34). Da aber tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Kläger auch künftig wieder exhibitionistische Handlungen vornehmen könnte und somit eine Gefahr für ein hohes Schutzgut besteht, und demgegenüber nicht ersichtlich ist, inwieweit die Vornahme der angeordneten er-kennungsdienstlichen Maßnahmen den Kläger wegen der von ihm geschilderten Verfolgung durch das SED-Regime in besonderer Weise belasten würde, überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse, ermittlungsfördernde Unterlagen über den Kläger zu erhalten. Insbesondere ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen zu den Opfern des SED-Regimes und dem Vorbringen des Klägers nicht, dass es durch die Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung beim Kläger zu einer schweren psychischen Krise oder ähnlich schwerwiegenden Folgen kommen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

12
Der Senat verkennt nicht, dass nach forensischer Erfahrung in „Schüttelfällen“ ein derartiger Vorsatz vielfach nicht festzustellen ist (vgl. zusammenfassend Schneider in NStZ 2004, 202, 203 m.w.N.; vgl. auch Schneiders/Schröder aaO m.w.N. in Fußn. 9). Allein dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern liegt, schließt jedoch nicht aus, dass der Tatrichter im Einzelfall auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann (vgl. BGH, Urt. vom 12. Juni 2007 - 1 StR 73/07; zum Tötungsvorsatz beim Schütteltrauma vgl. BGH, Urt. vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 538/99). Hier stützt die Strafkammer die Annahme eines Tötungsvorsatzes nicht allein auf das - wie sich die Strafkammer nach sachverständiger Beratung und Demonstration überzeugt hat - vorliegend „äußerst heftige“ und „sehr schnelle“ Schütteln, sondern auch etwa darauf, dass der Angeklagte wiederholt und von unterschiedlichen Personen darauf hingewiesen worden war, dass man bei Kindern „ganz besonders auf den Kopf achten müsse, nachdem diese ihren Kopf noch nicht selbst halten könnten“, und dass „so ein Genick schnell gebrochen sei“. Diese und weitere für und gegen einen Tötungsvorsatz, auch hinsichtlich des erforderlichen voluntativen Vorsatzelements (vgl. zusammenfassend Schneider aaO m.w.N.), sprechende Gesichtspunkte, wie sie sich etwa aus den Feststellungen zum sonstigen Verhalten des Angeklagten gegenüber dem Kind ergeben, hat die Strafkammer sorgfältig gegeneinander abgewogen. Hinsichtlich des zweiten Schüttelns hat sie auch erwogen (und verneint), ob der letztlich nicht tödliche Ausgang des ersten Schüttelns gegen einen (bedingten) Tötungsvorsatz beim zweiten Schütteln sprechen könnte. Es ist insgesamt nicht ersichtlich, dass das von ihr gefundene Ergebnis auf widersprüchlicher, lückenhafter oder unklarer Grundlage beruhte, gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstieße oder sonst die dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung gezogenen rechtlichen Grenzen überschritte.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.