Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2008 - 1 StR 59/08

bei uns veröffentlicht am03.06.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 59/08
vom
3. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und aus München
als Verteidiger,
Rechtsanwalt aus Friedberg
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12. Oktober 2007 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos.

I.


3
Die Strafkammer hat festgestellt:
4
Der Angeklagte ist Vater des am 4. März 2006 geborenen D. , eines sehr unruhigen Kindes, das viel schrie. Ende August/Anfang September 2006 war der Angeklagte weitgehend allein für die Versorgung des Kindes verantwortlich. Mit dieser Aufgabe war er überfordert. Er behandelte das Kind „zunehmend gereizt und aggressiv“. Zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt innerhalb dieses Zeitraumes packte der Angeklagte das schreiende Kind am Brustkorb und schüttelte es, um es zum Schweigen zu bringen, so heftig in „sagittaler Richtung“, dass der Kopf nach vorne und hinten schlug und wegen der noch schwachen Nackenmuskulatur erst in der Extremposition, also Brust und Nacken, abgebremst wurde. Es kam zum Abriss so genannter Brückenvenen zwischen Schädelkalotte und Gehirn. Dies führte zu subduralen Blutungen und zu beidseits flächenhaften mehrschichtigen Netzhauteinblutungen.
5
Unabhängig davon hatte der Angeklagte das Kind auch wiederholt in den Oberarm, die Wange und das Gesäß gebissen, was zu entsprechenden Spuren an dessen Körper führte. Weitere Spuren am Körper des Kindes im Bereich der Gesäßfalte/Steißbeinregion sowie unterhalb beider Schlüsselbeine waren vom Angeklagten durch stumpfe Gewalteinwirkung hervorgerufen worden (wegen dieser Taten wurde das Verfahren eingestellt, da sie neben den abgeurteilten Taten nicht ins Gewicht fielen). Der Angeklagte versuchte, gegenüber der Mutter des Kindes diese Spuren sowohl als „Knutschflecken“ als auch als von der Katze verursacht zu verharmlosen. Die Mutter ging aber wegen dieser Verletzungsspuren zur Polizei, die eine Untersuchung in der Rechtsmedizin veranlasste. Dort fiel der ungewöhnliche Umfang des Kopfes des Kindes auf und es wurde sofort in die Kinderklinik verbracht, wo sein Leben - nur - durch zahlreiche intensivmedizinische Maßnahmen gerettet werden konnte. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde anhand entsprechender Spuren im Körper des Kindes festgestellt, dass es auch schon vor Ende August/Anfang September in ähnlicher Weise und mit ähnlichen Folgen wie dort geschüttelt worden sein muss (zur Erfahrung, dass wiederholte Tathandlungen in diesem Zusammenhang nicht selten sind vgl. auch Schneiders/Schröder: Das Schütteltrauma - eine häufig unbekannte Form der Kindesmisshandlung, Kriminalistik 2005, 734, 735). Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Landgericht war eine bestimmte Hirnfunktion des Kindes noch gestört. Ob dauerhaft geistige oder motorische Retardierungen zurückbleiben werden, war noch nicht absehbar.

II.


6
1. Die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf sind nicht zu beanstanden. Der näheren Ausführung bedarf dies nur insoweit, als die Revision die Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich des ersten Schüttelns nicht für rechtsfehlerfrei festgestellt hält.
7
a) Dem liegt folgendes zu Grunde: Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache gemacht und im Ermittlungsverfahren jedes Fehlverhalten bestritten. Auch mit sachverständiger Hilfe konnte die Strafkammer - nahe liegend - nicht exakt feststellen, an welchem Tag der Angeklagte das Kind erstmals so heftig geschüttelt hatte, dass die geschilderten Folgen auftraten. Festzustellen war nur, dass das Kind mindestens vier Wochen alt war, als ihm diese Verletzungen zugefügt wurden und dass die Verletzungen schon mindestens vier Wochen alt waren, als sie entdeckt wurden. Da das Kind am 6. März 2006 geboren wurde und ab dem 8. September 2006 in der Kinderklinik untersucht und behandelt wurde, hat demnach das erste Schütteln frühestens Anfang April 2006 und spätestens Mitte August 2006 stattgefunden. Der Angeklagte wohnte jedoch erst ab Ende April 2006 mit dem Kind in derselben Wohnung. Daher geht die Strafkammer davon aus, dass die erste Tat nicht vor diesem Zeitpunkt begangen wurde.
8
b) Die Revision meint, die Annahme der Täterschaft des Angeklagten sei ein Zirkelschluss. Ein Tatzeitpunkt vor Ende April 2006 sei medizinisch nicht auszuschließen. Der Angeklagte habe aber erst ab Ende April 2006 Gelegenheit zur Tat gehabt. Das Gericht habe sich mit der Möglichkeit, dass die Tat schon vorher begangen worden sei, der Angeklagte also nicht der Täter sei, gedanklich nicht auseinandergesetzt. Soweit die Strafkammer, so die Revision ergänzend in der Hauptverhandlung vor dem Senat, geprüft und verneint habe, ob andere Personen als der Angeklagte als Täter in Betracht kämen, bezöge sich dies (ebenfalls) nur auf den Zeitraum ab Ende April 2006. Dies bekräftige, dass die Strafkammer den möglichen Tatzeitraum rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten verkürzt habe.
9
c) Der Senat sieht keinen Rechtsfehler.
10
Das Kind lebte bis Ende April 2006 in der Wohnung des früheren Ehemannes der Mutter, R. , dann zogen Mutter und Kind mit dem Angeklagten zusammen. Die Strafkammer hat jedoch, ohne insoweit eine zeitliche Einschränkung vorzunehmen, geprüft, ob der frühere Ehemann oder - sämtliche - andere Personen, die mit dem Kind schon in der Wohnung des früheren Ehemannes Kontakt hatten, als Täter in Betracht kommen. Ihre Prüfung beschränkt sich daher offensichtlich nicht auf den Zeitraum, ab dem das Kind nicht mehr in der Wohnung des früheren Ehemannes lebte. Dass die Strafkammer diese Personen rechtsfehlerhaft als Täter ausgeschlossen hätte, ist weder konkret behauptet noch sonst ersichtlich. Mit anderen Personen als denen, deren mögliche Täterschaft die Strafkammer geprüft hat, hatte das Kind, so ergeben die Urteilsgründe, zu keinem Zeitpunkt Kontakt. Auch diese Feststellungen, gegen die die Revision ebenfalls keine konkreten Einwendungen erhebt, sind rechtsfehlerfrei. Wenn also eine andere Person als der Angeklagte Täter des ersten Schüttelns sein sollte, müsste es ein Unbekannter gewesen sein, zu dem das Kind im Übrigen keinen Kontakt hatte. Es ist jedoch weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten einen Sachverhalt zu unterstellen, für dessen Vorliegen sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben haben (NJW 2007, 2274; NStZ-RR 2005, 147; 2003, 371 ; NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.). Dementsprechend war auch eine ausdrückliche Erörterung der aufgezeigten fern liegenden und bloß theoretischen Möglichkeit nicht geboten.
11
2. Auch der - bedingte - Tötungsvorsatz ist rechtsfehlerfrei bejaht.
12
Der Senat verkennt nicht, dass nach forensischer Erfahrung in „Schüttelfällen“ ein derartiger Vorsatz vielfach nicht festzustellen ist (vgl. zusammenfassend Schneider in NStZ 2004, 202, 203 m.w.N.; vgl. auch Schneiders/Schröder aaO m.w.N. in Fußn. 9). Allein dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern liegt, schließt jedoch nicht aus, dass der Tatrichter im Einzelfall auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann (vgl. BGH, Urt. vom 12. Juni 2007 - 1 StR 73/07; zum Tötungsvorsatz beim Schütteltrauma vgl. BGH, Urt. vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 538/99). Hier stützt die Strafkammer die Annahme eines Tötungsvorsatzes nicht allein auf das - wie sich die Strafkammer nach sachverständiger Beratung und Demonstration überzeugt hat - vorliegend „äußerst heftige“ und „sehr schnelle“ Schütteln, sondern auch etwa darauf, dass der Angeklagte wiederholt und von unterschiedlichen Personen darauf hingewiesen worden war, dass man bei Kindern „ganz besonders auf den Kopf achten müsse, nachdem diese ihren Kopf noch nicht selbst halten könnten“, und dass „so ein Genick schnell gebrochen sei“. Diese und weitere für und gegen einen Tötungsvorsatz, auch hinsichtlich des erforderlichen voluntativen Vorsatzelements (vgl. zusammenfassend Schneider aaO m.w.N.), sprechende Gesichtspunkte, wie sie sich etwa aus den Feststellungen zum sonstigen Verhalten des Angeklagten gegenüber dem Kind ergeben, hat die Strafkammer sorgfältig gegeneinander abgewogen. Hinsichtlich des zweiten Schüttelns hat sie auch erwogen (und verneint), ob der letztlich nicht tödliche Ausgang des ersten Schüttelns gegen einen (bedingten) Tötungsvorsatz beim zweiten Schütteln sprechen könnte. Es ist insgesamt nicht ersichtlich, dass das von ihr gefundene Ergebnis auf widersprüchlicher, lückenhafter oder unklarer Grundlage beruhte, gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstieße oder sonst die dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung gezogenen rechtlichen Grenzen überschritte.
13
3. Der Generalbundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass die Strafkammer nicht geprüft hat, ob (jeweils) ein strafbefreiender Rücktritt (§ 24 StGB) vorliegen könnte. Ein den Bestand des Urteils gefährdender durchgreifender Mangel liegt deshalb jedoch nicht vor.
14
a) Ein strafbefreiender freiwilliger Rücktritt käme allerdings schon im Ansatz nicht in Betracht, wenn die Tat(en) fehlgeschlagen wäre(n). Dies ist der Fall, wenn entweder der Erfolgseintritt objektiv nicht mehr möglich ist und der Täter dies erkennt oder wenn der Täter den Erfolgseintritt jedenfalls nicht mehr für möglich hält (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 39, 221, 228 m.w.N.).
15
b) Es ist den Urteilsgründen jedoch nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer (jeweils) von einem fehlgeschlagen Versuch ausgegangen wäre.

16
Allerdings stellt sie Erwägungen darüber an, wie lange genau der Angeklagte das Kind geschüttelt hat. Sachverständig beraten geht sie davon aus, dass - auch angesichts des Gewichts des Kindes - ein Erwachsener das Kind so heftig wie festgestellt zehn oder maximal 20 Sekunden geschüttelt haben kann, danach würde er ermüden und könnte nicht länger schütteln. „Zu Gunsten des Angeklagten“, so die Strafkammer, gehe sie davon aus, dass er zehn Sekunden geschüttelt habe, offenbar weil er dann ermüdet gewesen sei. Wenn mit alledem zum Ausdruck gebracht sein sollte, es läge ein fehlgeschlagener Versuch vor, weil der Angeklagte das Kind so lange geschüttelt habe, wie er konnte, bestünden allerdings Bedenken. Ein Versuch ist (unter anderem) dann nicht gescheitert, wenn sie der Täter zwar auf der Stelle kurzfristig nicht fortsetzen kann, ihm dies aber ohne nennenswerte zeitliche Zäsur möglich bleibt (BGH, Beschl. vom 27. November 2002 - 1 StR 462/02 m.w.N. = NStZ-RR 2003, 199 ; BGHSt aaO m.w.N.). Dass ein junger, zur Tatzeit 22 oder 23 Jahre alter Mann, selbst wenn er wegen Ermüdung einen Säugling nicht länger als zehn oder 20 Sekunden schütteln kann, nicht alsbald wieder so zu Kräften käme, dass er weiter schütteln könnte, wenn er dies will, versteht sich jedenfalls nicht von selbst. Im Übrigen ist jedenfalls im zweiten Fall der Versuch schon deshalb nicht fehlgeschlagen, weil das Kind ohne die späteren intensivmedizinischen Maßnahmen an den Folgen des Schüttelns gestorben wäre. Der Senat versteht die Urteilsgründe jedoch nicht so, dass die Strafkammer deshalb den Rücktritt nicht prüft, weil sie die Versuche wegen Ermüdung als endgültig gescheitert ansehen würde. Abgesehen davon, dass dies nicht ausdrücklich ausgeführt ist, spricht gegen diese Annahme insbesondere, dass die Strafkammer in diesem Zusammenhang die von ihr als wesentlich angesehene Frage in den Mittelpunkt stellt, ob der Angeklagte nach zehn oder erst nach 20 Sekunden ermüdet war, was - allenfalls - für die Frage der Intensität der Handlung bedeut- sam sein mag, für die Frage eines gescheiterten Versuchs aber bedeutungslos ist.
17
Im Übrigen bemerkt der Senat in diesem Zusammenhang, dass es jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint, dass der Täter in derartigen Fällen zu schütteln aufhört, weil das Kind still geworden ist und er deshalb sein eigentliches Ziel erreicht hat: „Das Fatale bei dem Schütteltrauma ist, dass der von dem Täter/der Täterin intendierte Erfolg, dass der Säugling endlich aufhört zu schreien, aufgrund der Schädigungen sofort eintritt“ (Schneiders/Schröder aaO 735). Die unterbliebene Erörterung dieser Möglichkeit durch die Strafkammer stellt jedoch keine den Bestand des Urteils gefährdende Lücke dar, weil die (etwaige) Feststellung, der Angeklagte habe zu Schütteln aufgehört, weil das Kind nicht mehr geschrien hat, keine notwendigen - zumal nicht den Angeklagten entlastende - Schlüsse darüber ergibt, welche Vorstellungen er über die bisherigen Folgen des Schüttelns hatte.
18
c) Liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor, so kommt es hinsichtlich des Rücktritts darauf an, ob ein unbeendeter oder ein beendeter Versuch vorliegt. Dies richtet sich nach der Vorstellung, die der Täter zu dem Zeitpunkt hat, zu dem er auf die ihm mögliche Weiterführung der Tat verzichtet („Rücktrittshorizont“ ; st. Rspr. seit BGHSt 33, 295 ff. unter Hinweis auf BGHSt 31, 170). Geht er davon aus, sein bisheriges Handeln reiche nicht aus, den Erfolg der Tat herbeizuführen , so läge ein unbeendeter Versuch vor; für einen strafbefreienden Rücktritt genügt dann freiwilliges Nichtweiterhandeln (§ 24 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative StGB). Glaubt er dagegen, sein bisheriges Verhalten werde zum Erfolg der Tat führen - oder macht er sich überhaupt keine Vorstellungen hierüber (vgl. BGHSt 40, 304, 306) - so liegt ein beendeter Versuch vor. Strafbefreiender Rücktritt verlangt dann, dass er erfolgreiche Bemühungen entfaltet, um den drohenden Eintritt des (schädlichen) Erfolgs seiner Tat zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative StGB).
19
d) Ein auf erfolgreichen Rettungsbemühungen beruhender Rücktritt (vom beendeten Versuch) liegt offensichtlich nicht vor.
20
e) Grundvoraussetzung für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts wäre daher, dass der Angeklagte nach dem Schütteln geglaubt hätte, tödliche Folgen würden schon allein deshalb ausbleiben, weil er nicht weiter schüttelte. Hiervon brauchte die Strafkammer nicht auszugehen:
21
Der Angeklagte wusste nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen beim Schütteln, dass dieses tödliche Folgen haben konnte, und nahm dies billigend in Kauf.
22
In tatsächlicher Hinsicht unterscheidet sich eine solche Gewalthandlung von vielen anderen Gewalthandlungen insoweit, als ihre Auswirkungen nicht ohne weiteres äußerlich erkennbar sind; ebenso wenig muss der tödliche Erfolg in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der todesverursachenden Handlung stehen, sondern er kann - wie es hier ohne die Rettungsmaßnahmen der Fall gewesen wäre - auch etliche Tage später noch eintreten. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, an welche realen Gesichtspunkte die Annahme anknüpfen könnte, der Angeklagte habe bei Beendigung des Schüttelns geglaubt , dass die von ihm beim Schütteln noch für möglich gehaltenen Folgen jetzt doch nicht eintreten sollten. Auch er selbst hat sich weder innerhalb noch außerhalb des Verfahrens je in diesem Sinne geäußert. Bei einer solchen Beweislage sind präzise Feststellungen über eine sogenannte innere Tatsache - also darüber, was der Angeklagte, ohne dies erkennbar werden zu lassen, geglaubt oder nicht geglaubt hat - offenbar nicht möglich.
23
Allerdings ist der Zweifelssatz auch auf das Vorliegen von Rücktrittsvoraussetzungen anzuwenden, wenn bei einer Gesamtbeurteilung der Tatsachen keine eindeutigen Feststellungen getroffen werden können. Jedoch ist es - auch - in diesem Zusammenhang nicht zulässig, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für die es keinerlei konkrete Anhaltspunkte gibt (st. Rspr. vgl. d. N. oben II 1 c; speziell zum Rücktritt vgl. BGH, Urt. vom 13. März 2008 - 4 StR 610/07; vgl. hierzu zusammenfassend auch Leipold/Beukelmann NJW-Spezial 2008, 281). All dies führt auch bei einem (wie hier) schweigenden beziehungsweise pauschal bestreitenden Angeklagten nicht zu einer mit dem Schuldprinzip kollidierenden Beweislastumkehr, sondern ist notwendige Folge der Verpflichtung des Gerichts, gemäß § 261 StPO seine Überzeugung aus dem Gang der Hauptverhandlung zu schöpfen (vgl. BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NJW 2007, 2274).
24
Kann aber eine Vorstellungsänderung des Angeklagten als auf nichts gestützte und daher nur denktheoretische Möglichkeit schon im Ansatz nicht tragfähige Grundlage ihn begünstigender Schlussfolgerungen sein, so brauchte die Strafkammer diese Möglichkeit auch nicht ausdrücklich zu erörtern.
25
4. Auch im Übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.
26
5. Ebenso hält auch der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung Stand. Anzumerken ist insoweit nur folgendes: Die Strafkammer führt näher aus, dass gegen den Angeklagten 1997 ein Verfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 45 JGG behandelt wurde (eingetragen im Erziehungsregister gem. § 60 Abs. 1 Nr. 7 BZRG) und dass er in einem weiteren Verfahren wegen Sachbeschädigung 2002 vom Jugendrichter verwarnt wurde (eingetragen im Erziehungsregister gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 BZRG). Weitere Vorahndungen gibt es nicht. Ausweislich der Urteilsgründe sind diese Feststellungen auf einen mehrere Monate vor der Hauptverhandlung erhobenen Auszug aus dem Bundeszentralregister gestützt. Da der Angeklagte aber zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits das 24. Lebensjahr vollendet hatte, waren die genannten Eintragungen im Erziehungsregister gemäß § 63 Abs. 1 und 2 BZRG bereits entfernt und durften gemäß § 63 Abs. 4 BZRG i.V.m. § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden (BGHR BZRG § 60 Erziehungsregister 1 m.w.N.; § 63 Verwertung 1). Nachdem die Strafkammer jedoch diese Vorahndungen ausschließlich unter der Überschrift „Strafmilderungsgründe“ bewertet und dort ausführt, dass sie „allesamt noch dem Jugendrecht unterfielen, nicht einschlägig (sind) und … bereits längere Zeit zurück(liegen)“, kann der Senat ausschließen, dass sich der aufgezeigte Mangel zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Der Senat hat daher zu der andernfalls nahe liegenden Prüfung, ob die Strafe als angemessen i.S.d. § 354 Abs. 1a StPO anzusehen ist, keine Veranlassung.
Herr RiBGH Dr. Boetticher befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Wahl Nack Graf Sander

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 51 Verwertungsverbot


(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden. (

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 45 Absehen von der Verfolgung


(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen. (2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits dur

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 63 Entfernung von Eintragungen


(1) Eintragungen im Erziehungsregister werden entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat. (2) Die Entfernung unterbleibt, solange im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 60 Eintragungen in das Erziehungsregister


(1) In das Erziehungsregister werden die folgenden Entscheidungen und Anordnungen eingetragen, soweit sie nicht nach § 5 Abs. 2 in das Zentralregister einzutragen sind:1.die Anordnung von Maßnahmen nach § 3 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes,2.die Ano

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als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 9. Oktober 2006 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts stützt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

II.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am 26. Dezember 2005 war H. G. , das spätere Tatopfer, mit seinem Bruder T. und seinen Eltern zu Besuch bei der Großmutter. Diese wohnte in einem Mehrfamilienhaus, in dem auch der Angeklagte und seine Ehefrau eine Wohnung hatten. Kurz vor Mitternacht gingen die beiden Brüder in den Keller des mehrstöckigen Mietshauses, um Bettzeug zu holen, weil die Familie übernachten wollte. T. G. hatte einen Schlüsselbund dabei, an dem sich der Wohnungsschlüssel zur Wohnung der Großmutter und weitere Schlüssel befanden. Auf dem Rückweg in die oberen Stockwerke hatten sich die Brüder scherzend unterhalten. Versehentlich gerieten sie vor die Wohnung des Angeklagten, die im Stockwerk über der Wohnung der Großmutter lag. T. G. versuchte nun, mit einem der Schlüssel die Wohnungstür des Angeklagten zu öffnen. Nachdem dies nicht gelang, probierte er unter weiterem Scherzen und Lachen der Brüder andere Schlüssel aus. Dabei stand er an der rechten Türseite, wo sich der Türanschlag befand. Sein Bruder H. G. stand links - an der Seite des Türschlosses -, leicht nach hinten versetzt aufrecht neben ihm. Er hielt Bettdecken mit beiden Armen umschlungen vor seinem Körper und machte seinem Bruder scherzend Vorhaltungen, er sei nur zu ungeschickt, um die Tür zur Wohnung der Großmutter aufsperren zu können.
4
Der Angeklagte hatte Geräusche an seiner Wohnungstür gehört. Auf sein Bitten hatte die Ehefrau den Fernseher im Wohnzimmer leiser gestellt. Der Angeklagte hörte zwei Männerstimmen vor seiner Tür und erkannte ein Scherzen und Lachen - so das Landgericht -. Es war jetzt 23.50 Uhr. Der Angeklagte nahm in der Küche aus dem Besteckkasten in der Schublade ein 28,6 cm langes , einseitig geschliffenes Messer mit einer Klingenlänge von 15 cm und begab sich damit zur Wohnungstür. Er wollte die beiden vor seiner Tür befindlichen Personen überraschen und ging davon aus, dass sie mit seinem Handeln nicht rechnen würden. Er öffnete die Tür blitzschnell, wobei er einen Schritt zurücktrat , dann zumindest einen Schritt nach außen machte und auf den die Bettdecken haltenden H. G. zustach. Er setzte mit angehobenem Arm in einer bogenförmigen Bewegung einen wuchtigen Stich, der von der linken äußeren Brusthälfte nahezu waagerecht zum Herzen vordrang, den Herz- muskel auf eine Länge von 3 cm durchdrang und in der hinteren linken Brustkorbhöhle endete. Der Stichkanal betrug 16,5 cm. Zum Zwecke der Ausführung des Stiches nutzte der Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers aus und nahm zumindest billigend in Kauf, dass er es töten werde. Trotz dieser Stichverletzung lief H. G. noch in die Wohnung seiner Großmutter, wo er infolge Verblutens gegen 0.55 Uhr verstarb.
5
Der Angeklagte begab sich, unmittelbar nachdem er zugestochen hatte, wieder in die Küche seiner Wohnung, wischte das Blut vom Messer ab und legte es zurück in die Schublade. Dann ging er ins Wohnzimmer, setzte sich und sah fern.
6
Die dem Angeklagten entnommene Blutprobe ergab bei Rückrechnung auf die Tatzeit eine maximale Blutalkoholkonzentration von 1,84 Promille.
7
2. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, er habe zwar die beiden Männerstimmen gehört, jedoch nicht wahrgenommen, was und worüber sie gesprochen hätten. Er habe Angst bekommen, an anderer Stelle des Urteils ist in diesem Zusammenhang von Panik die Rede. Er habe an den Überfall in seiner Gegend auf die "N. " gedacht und dass die Einbrecher noch nicht festgenommen seien. Deshalb sei er in die Küche gegangen und habe nach dem ersten Besten gegriffen. Als er die Tür geöffnet habe, habe er einen Mann gesehen, über dessen Arm ein weißes Tuch gehangen habe. Es hätte eine Pistole darunter sein können, die dieser jederzeit hätte benutzen können. Er habe eine Abwehrbewegung gemacht, um zu erschrecken. Er habe niemanden verletzen, sondern nur - wie es an anderer Stelle der Urteilsgründe in diesem Zusammenhang heißt: "überraschen" und - wegjagen wollen.
8
3. Die Strafkammer hält diese Einlassung aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme für widerlegt und geht - sachverständig beraten - von der vollen Schuldfähigkeit des trinkgewohnten Angeklagten aus.

III.

9
1. Der Beschwerdeführer rügt mit der Aufklärungsrüge die unterlassene Verlesung der ermittlungsrichterlichen Vernehmungsprotokolle vom 27. Dezember 2005 (am Morgen nach der Tatnacht) und vom 13. Januar 2006 (Haftprüfungstermin ). Diese jeweils ein Geständnis enthaltenden Protokolle hätten die Konstanz der Aussagen des Angeklagten während des gesamten Verfahrens ergeben.
10
Die Rüge ist unbegründet. Die Kammer war nicht gedrängt, die benannten Protokolle zu verlesen. Der vorgetragene Inhalt des ermittlungsrichterlichen Protokolls vom 27. Dezember 2005 und des in Bezug genommenen Haftbefehls entspricht den Bekundungen des Angeklagten bei der polizeilichen Erstvernehmung durch KHK K. . Diese wurden durch dessen Zeugenvernehmung in die Hauptverhandlung eingeführt. Die vorgetragene und im Haftprüfungsprotokoll vom 13. Januar 2006 niedergelegte Aussage des Angeklagten entspricht seiner Einlassung in der Hauptverhandlung. Beide Aussagen waren somit Gegenstand der Hauptverhandlung. Ob zwischen diesen Aussagen Konstanz besteht, ist eine Frage der Bewertung, die die Revision anders beurteilt, als die Strafkammer es getan hat. Die Urteilsgründe belegen, worauf sich die Bewertung der Strafkammer stützt. All dies unterliegt ohnehin der sachlich-rechtlichen Überprüfung.
11
2. Die übrigen Verfahrensbeschwerden versagen aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt hat.

IV.

12
Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg.
13
1. Der Angeklagte hat sich im Kern damit verteidigt, er habe aus Angst und in Panik gehandelt, weil er geglaubt habe, vor seiner Tür seien Einbrecher, die in seine Wohnung eindringen wollten. Demgegenüber hat die Strafkammer festgestellt, der Angeklagte habe gewusst, dass er es nicht mit Einbrechern zu tun gehabt habe.
14
Die dem zu Grunde liegende Beweiswürdigung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
15
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die angefallenen Erkenntnisse anders gewürdigt hätte. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist - von dem hier nicht einschlägigen Gesichtspunkt überspannter Anforderungen an die Überzeugungsbildung abgesehen - im Wesentlichen nur der Fall, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, oder gegen die Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstößt (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 51 m. zahlr. Nachw.).
16
b) Die Strafkammer stützt die genannte Annahme auf eine umfassende Gesamtwürdigung, in die sie die zahlreichen, in diesem Zusammenhang wesentlichen Beweisanzeichen - das durch eingehende Darlegung des Inhalts seiner ersten polizeilichen Vernehmung im einzelnen belegte inkonstante Aussageverhalten des Angeklagten ebenso wie die Aussage des Zeugen T. G. , die Augenscheinseinnahme vom Tatort, das Verletzungsbild des Getöteten und das Verhalten des Angeklagten vor, während und nach der Tat - eingehend und rechtsfehlerfrei gewürdigt hat.
17
c) Dies gilt auch hinsichtlich der in das Gesamtergebnis miteingeflossenen Würdigung des von der Strafkammer eingenommenen Augenscheins am Tatort. Er hat ergeben, dass der Angeklagte im Innern der Wohnung hören konnte, dass vor der Wohnungstür gelacht und gescherzt wurde. Die Strafkammer hat dabei die Tatsache, dass der Fernseher im Wohnzimmer leiser gestellt wurde, ebenso in ihre Überlegungen einbezogen, wie die Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit, die ihn - wie sie nach sachverständiger Beratung ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt hat - in seiner Wahrnehmung und seinen kognitiven Fähigkeiten nicht beeinträchtigt hat. Ihr Ergebnis, der Angeklagte , der eingeräumt hat, zwei Männerstimmen gehört zu haben, habe erkannt, dass diese Männer lachten und scherzten, wird dadurch nicht gefährdet. Auch wenn - wie die Strafkammer nicht verkannt hat - die situative Konstellation zur Tatzeit bei der Augenscheinseinnahme nicht exakt rekonstruierbar war, so ist dieser dennoch deshalb nicht jegliche Eignung abzusprechen, Aussagen zu widerlegen und in Zweifel zu ziehen (vgl . BGH, Urt. vom 6. Oktober 1987 - 1 StR 455/87).
18
d) Auch sonst sind Rechtsfehler bei der in Rede stehenden Beweiswürdigung nicht ersichtlich. Zwar deutet der Umstand, dass ein Wohnungsinhaber nachts hört, wie von außen versucht wird, die Wohnungstür aufzuschließen, zunächst darauf hin, dass dieser glaubt, der Aufschließende wolle unberechtigt in die Wohnung eindringen, sei also ein Einbrecher. Hier hat die Strafkammer jedoch mit eingehender und nachvollziehbarer, auf konkrete Tatsachen gestützte Begründung festgestellt, der Angeklagte habe bemerkt, dass vor seiner Tür gut hörbar gelacht und gescherzt wurde. Die Annahme, Einbrecher, die gegen Mitternacht in eine Wohnung eindringen wollten, hätten dabei nicht so laut gelacht und gescherzt, dass ihre Anwesenheit vor der Tür im Wohnungsinnern ohne weiteres bemerkt werden konnte, erscheint nicht fern liegend; sie ist jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ebenso wenig überschreitet es die dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung gezogenen Grenzen, wenn er folgert , der in seinen kognitiven Fähigkeiten nicht eingeschränkte Angeklagte, der das Lachen und Scherzen bemerkt habe, habe deshalb erkannt, dass keine Einbrecher vor der Tür stehen.
19
e) Hinzu zu alledem kommt aber noch, dass der Angeklagte nach dem Öffnen der Tür auch noch gesehen hatte, dass ihm keine Gefahr drohte. Allerdings hatte er während des Ermittlungsverfahrens in einem Haftprüfungstermin und in der Hauptverhandlung angegeben, er habe nach Öffnen der Tür einen Mann gesehen, über dessen Arm ein weißes Tuch gehangen habe; weil er befürchtet habe, unter dem Tuch könne eine Pistole sein, habe er eine Abwehrbewegung gemacht.
20
Die Strafkammer hat bei der Bewertung dieser Aussage rechtsfehlerfrei erwogen, dass er bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung von einer "Abwehr" noch nicht gesprochen hatte, hier war lediglich die Rede davon, dass er zugestochen habe. Auch von einer (vermuteten) Pistole war keine Rede, ebenso wenig bei seiner richterlichen Vernehmung am Tag nach der Tat.
21
Die Strafkammer stützt ihre Bewertung der in Rede stehenden Behauptung des Angeklagten aber nicht nur auf sein hierauf bezogenes rechtsfehlerfrei als inkonstant bewertetes Aussageverhalten, sondern auch auf die von ihr ebenso rechtsfehlerfrei als glaubhaft angesehene Aussage des Zeugen T. G. . Diese ergibt, dass H. G. , als er vor der Tür stand und vom Angeklagten gesehen wurde, die Bettdecken mit beiden Armen umschlungen hielt und dass seine Hände - ohne Pistole - vor den Bettdecken sichtbar waren. Die Möglichkeit, dass angesichts der konkreten Umstände des Falles die Wahrnehmungsfähigkeit des Angeklagten eingeschränkt gewesen sei, ist rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage durfte die Strafkammer die nachgeschobene Einlassung des Angeklagten, er habe eine Pistole befürchtet, als widerlegt ansehen.
22
2. Ging der Angeklagte aber schon vor Öffnen der Tür davon aus, dass die Personen vor der Tür keine Einbrecher waren und hat er nach Öffnen der Tür auch noch gesehen, dass ihm von diesen keine Gefahr drohte, so kann sich die Frage nicht stellen, wie das Verhalten des Angeklagten rechtlich zu bewerten wäre, wenn es auf der Grundlage der irrtümlichen Annahme einer Notwehrlage (Putativnotwehr) erfolgt wäre.
23
3. Auch der Tötungsvorsatz ist rechtsfehlerfrei bejaht.
24
Äußerst gefährliche Gewalthandlungen legen trotz der hohen Hemmschwelle gegen die Tötung eines Menschen die Annahme von zumindest bedingtem Tötungsvorsatz nahe (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 33, 38 jew. m.w.N.). Der Täter handelt bereits dann mit bedingtem Vorsatz, wenn er den Erfolgseintritt als nur möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, gleichwohl sein gefährliches Handeln ausführt und ihm dabei ein solcher Erfolg gleichgültig ist. Ein solcher Täter handelt deshalb vorsätzlich, weil er mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. BGHSt 40, 304, 306 f. m.w.N.). Die Strafkammer stellt hauptsächlich auf die Art und Weise der Stichführung ab, nämlich den gezielten Stich in die linke äußere Brusthälfte, der mit solcher Wucht gesetzt wurde, dass er das Herz durchdrang. Dies legt nahe, dass dem Angeklagten die Folgen seiner Tat, der Tod des Opfers, zumindest gleichgültig waren (vgl. auch BGH, Urt. vom 30. August 2006 - 2 StR 198/06). Die Strafkammer hat der Sache nach auch geprüft, ob hier Besonderheiten vorliegen , die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Sie hat jedoch eine Beeinträchtigung der Bewusstseinsbildung wegen des vorangegangenen Alkoholkonsums im Anschluss an die Sachverständige rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Ebenso hat sie Angst und Panik mit nachvollziehbaren Erwägungen ausgeschlossen. Dazu zieht sie das planvolle und gezielte Vorgehen sowie das Leistungsverhalten vor, während und nach der Tat heran. Rechtsfehler sind auch in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Der Senat hat erwogen, ob sich an alledem deshalb etwas ändert, weil ein nachvollziehbares Motiv für die Tat nicht ausdrücklich festgestellt ist. Dies war zu verneinen. Die Einlassung des Angeklagten, er habe mit dem aus nächster Nähe wuchtig gegen das Herz geführten Messerstich nicht einmal verletzen - und demzufolge erst Recht nicht töten - wollen, liegt offensichtlich neben der Sache und ist als Grundlage für eine Feststellung zum Inhalt des Vorsatzes des Angeklagten nicht geeignet. Sie hindert dementsprechend die Strafkammer nicht an der Annahme eines Tötungsvorsatzes , die sich nach dem äußeren Tatgeschehen aufdrängt. Der Grundsatz, dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH NStZ-RR 2005, 147; 2003, 371 (L); NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.), gilt auch hier.
25
4. Ebenso hält auch die Annahme von Heimtücke i. S. d. § 211 StGB rechtlicher Überprüfung stand.
26
Zu den hier offensichtlich vorliegenden objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke muss das sogenannte Ausnutzungsbewusstsein hinzukommen; der Täter muss also die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen und sie bewusst zur Tatbegehung instrumentalisiert haben (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 264, 265 m.w.N.). Auch dies hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei bejaht. Der weder durch Alkohol noch sonst in seinen kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigte Angeklagte hatte die Art der Unterhaltung - Lachen und Scherzen - vor der Tür gehört und er hatte nach dem Öffnen der Tür gesehen, dass das Opfer "die Hände vor den von ihm gehaltenen Bettdecken" hatte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte das Opfer nach eigener Angabe "überraschen" wollte. Dies trägt die Annahme, dass der Angeklagte die für die Arg- und Wehrlosigkeit maßgeblichen Umstände nicht nur realisiert , sondern sie auch für seine Tat instrumentalisiert hat.
27
5. Auch im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Nack Wahl Boetticher RiBGH Dr. Kolz und RiBGH Dr. Graf befinden sich in Urlaub und sind deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Nack

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 462/02
vom
27. November 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2002 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Freiburg vom 7. August 2002 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Schriftsatz der Verteidigung vom 25. November 2002 hat vorgelegen.
Nach den Urteilsfeststellungen "verschwand" der durch
zwei Schüsse vom Angeklagten verletzte F. "sofort
wieder in seiner durch eine Tür gesicherten Wohnung, so daß es
dem Angeklagten nicht möglich war, weitere Schüsse auf ihn abzugeben".
Entgegen der Auffassung der Revision tragen diese
Feststellungen die Annahme, ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch
(§ 24 Abs. 1 StGB) liege nicht vor.
Mit dem Vorbringen, in der Hauptverhandlung hätte sich, entsprechend
auch dem Akteninhalt (Skizze, polizeiliche Aussage des
Zeugen F. ), ergeben, daß die Wohnung nicht durch eine Tür
"gesichert" war, kann die Revision nicht gehört werden. Eine Rekonstruktion
es Ergebnisses der Beweisaufnahme ist dem Revisionsgericht
ebensowenig möglich wie ein Abgleich der Urteilsgründe
mit dem Akteninhalt (st. Rspr., vgl. zusammenfassend
Wahl in NJW - Sonderheft für G. Schäfer 2002, 73 m.N.).
Darüber hinaus meint die Revision, auch sonst seien die Feststellungen
zu dem die Freiwilligkeit des Rücktritts ausschließenden
Scheitern des Versuchs lückenhaft. Es bleibe nämlich offen,
ob der mit einer Maschinenpistole bewaffnete Angeklagte nicht
objektiv oder zumindest nach seiner Vorstellung sich den Einlaß
in die Wohnung hätte erzwingen und dann weiter auf F. hätte
schießen können. Auch damit kann sie nicht gehört werden. Zwar
liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor, wenn der Täter nach
anfänglichem Mißlingen des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu
der Annahme gelangt, er könne die Tat ohne zeitliche Zäsur mit
den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln
noch vollenden (BGHSt 39, 221, 228 m.w.N.). Entscheidend ist,
ob es sich bei dem gescheiterten Anlauf zur Verwirklichung der
Tat und dem neuen Anlauf, auf den der Täter schließlich verzichtet
hat, um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln würde
(vgl. BGHSt 40, 75; zusammenfassend zur Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. §
24 Rdn. 17c m. zahlr.N.).
Ein einheitlicher Lebensvorgang hätte jedoch bei der von der Revision
genannten, von der Strafkammer nicht ausdrücklich erörterten
Möglichkeit - das auf der Straße angeschossene Opfer
flüchtet in eine (wie auch immer im einzelnen durch eine Tür gesicherte
) Wohnung, in die der Täter eindringen müßte - nicht vorgelegen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 610/07
vom
13. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 10. Juli 2007 aufgehoben , jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zum Tatvorgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Verletzung sachlichen Rechts. Nach ihrer Auffassung hat das Landgericht zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch sowie eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts.

I.


2
1. Zwischen dem Angeklagten und seiner deutschen Ehefrau, der Nebenklägerin , die im August 2004 in der Türkei geheiratet hatten, kam es nach dem Umzug nach Paderborn zu erheblichen Spannungen. Während ihrer Schwangerschaft zog die Nebenklägerin vorübergehend in das Frauenhaus. Im September 2006 trennte sie sich von dem Angeklagten, zog mit ihrer im November 2005 geborenen Tochter erneut ins Frauenhaus und wechselte im Dezember 2006 in das Mutter-Kind-Haus in Paderborn. Dort besuchte der Angeklagte die Nebenklägerin, der vom Familiengericht die Alleinsorge für die gemeinsame Tochter übertragen worden war, fast täglich. Weil es bei diesen Besuchen häufig zu Streitigkeiten und auch zu Handgreiflichkeiten kam, wurde dem Angeklagten Ende Januar 2007 von der Leitung des Mutter-Kind-Hauses Hausverbot erteilt. Auf Grund einer eidesstattlichen Versicherung des Angeklagten , die Nebenklägerin habe die gemeinsame Tochter aus dem Fenster gehalten, die der Rechtsanwalt des Angeklagten dem Jugendamt zugeleitet hatte, veranlasste dieses eine sog. Pflege-über-Nacht-Maßnahme.
3
In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 2007 kam der Angeklagte an der Wohnung der Nebenklägerin vorbei. Da er am Vortage von der "Pflegeüber -Nacht-Maßnahme“ des Jugendamtes erfahren hatte, entschloss er sich, "auch deshalb, um sich nach dem Verbleib des Kindes zu erkundigen", die Nebenklägerin aufzusuchen. Diese war kurz zuvor mit dem Zeugen B. in ihre Wohnung zurückgekehrt. Dem Angeklagten wurde auf sein Klopfen von der Nebenklägerin geöffnet, die ihren neuen Freund Thorsten K. erwartete. Der Angeklagte drängte die Nebenklägerin in Richtung Wohnküche. Die Nebenklägerin rief dem Zeugen B. zu: "Schick ihn raus. Er hat hier nichts zu suchen". Als der Angeklagte den auf dem Sofa sitzenden Zeugen bemerkte, forderte er ihn auf, die Wohnung zu verlassen. Der Angeklagte griff nach einem Messer, zwang den Zeugen B. unter Vorhalt des Messers, die Wohnung zu verlassen, und beschimpfte die Nebenklägerin unter anderem als "billige Schlampe". Auf seine Frage, wo seine Tochter sei, entgegnete die Nebenklägerin , das Kind sei weg und daran treffe ihn die Schuld.
4
Als die Nebenklägerin ihr Mobiltelefon ergriff, um die Polizei zu benachrichtigen , schlug es ihr der Angeklagte aus der Hand. Er stach unvermittelt mehrfach auf den Oberkörper der Nebenklägerin ein, wobei er deren Tod „zumindest“ billigend in Kauf nahm. Als diese in die Knie ging, ließ der Angeklagte von ihr ab. Er ging davon aus, dass die Nebenklägerin an den ihr zugefügten Verletzungen versterben könnte. Der Angeklagte verließ die Wohnung und warf die Tür hinter sich zu. Im Hausflur traf er auf die Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin. Die Zeugen Nicole N. und Ismail D. hatten die Hilfeschreie der Nebenklägerin vernommen und um 2.32 Uhr die Polizei benachrichtigt. Ohne ein Wort an die Zeugen zu richten, eilte der Angeklagte aus dem Haus und ging zu der nächstgelegenen Polizeidienststelle. Um 2.41 Uhr erschien er in der Wachschleuse der Polizeiwache und erklärte dem Wachhabenden , der ihn über die Sprechanlage angesprochen hatte, in gebrochenem Deutsch, er habe gerade mit einem Messer auf seine Frau eingestochen. Nach seinem Namen befragt, antwortete er: „Alexander E. “. Der Angeklagte wurde in die Wache gelassen und festgenommen. Da der Wachhabende annahm, dass es sich bei dem Angeklagten um die wegen des kurz zuvor telefonisch gemeldeten Vorfalls in dem Mutter-Kind-Haus gesuchte Person handelte, "fand keine weitere Kommunikation mit dem Angeklagten statt".
5
Der Nebenklägerin war es gelungen, sich bis zur Wohnungstür zu schleppen und diese auf das Klopfen ihrer Nachbarn zu öffnen. Dann brach sie im Flur ihrer Wohnung zusammen. Die Zeugen N. , B. und D. informierten sofort den Rettungsdienst und leisteten erste Hilfe. "Nur auf Grund dessen und der unverzüglich herbeigerufenen ärztlichen Hilfe konnte das Leben der Geschädigten gerettet werden."
6
2. Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB schuldig gesprochen. Von dem (tateinheitlich verwirklichten) beendeten Versuch des Totschlags sei der Angeklagte "strafbefreiend" nach § 24 StGB zurückgetreten. Das Landgericht hat hierzu u.a. ausgeführt: "Der Angeklagte hat sich unmittelbar nach dem Tatgeschehen zur nächstgelegenen Polizeidienststelle begeben. Insoweit geht die Kammer zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass er hierdurch auch die schnelle Hilfe für seine Ehefrau veranlassen wollte, denn er durfte auch davon ausgehen, dass die Polizei alle notwendigen Maßnahmen zur Rettung der Zeugin E. unternehmen werde. Die Polizeidienststelle war zudem nur wenige Minuten (neun Minuten) von der Wohnung des Opfers entfernt, so dass der Angeklagte auch in zeitlicher Hinsicht darauf vertrauen konnte, dass seine Ehefrau noch rechtzeitig Hilfe erfahren werde. Zu weiteren Angaben des Angeklagten konnte es schon deshalb nicht kommen, weil der wachhabende Beamte keine weitere Kommunikation führte".

II.


7
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei von dem Totschlagsversuch strafbefreiend zurückgetreten, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Totschlagsversuch beendet war, denn der Angeklagte ging davon aus, dass die Nebenklägerin an den ihr zugefügten Stichverletzungen versterben könnte. Ist ein Versuch beendet, setzt ein Rücktritt voraus, dass der Täter entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB) oder dass er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Beide Varianten des § 24 Abs. 1 StGB stellen unterschiedliche Anforderungen an die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung (vgl. BGHSt 48, 147, 149/150, 151 f. in Abgrenzung zu BGHSt 31, 46 und BGH NStZ-RR 1997, 193).
10
a) Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB setzt zwar nicht voraus, dass der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste oder "optimale" gewählt hat (vgl. BGHSt 48, 147). Erforderlich ist aber, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich wird (vgl. BGHSt 33, 295, 301; BGH NStZ 2006, 503). Das ist nach den bisherigen Feststellungen jedoch nicht der Fall. Dass die Nebenklägerin die ihr vom Angeklagten zugefügten schweren Stichverletzungen überlebt hat, beruht vielmehr allein darauf, dass deren Wohnungsnachbarn bereits bevor der Angeklagte das Haus verließ, die Polizei benachrichtigt hatten, die Nebenklägerin ihren Wohnungsnachbarn die Wohnungstür öffnen konnte und diese umgehend auch den Rettungsdienst informierten und sofort erste Hilfe leisteten. Diese für die Verhinderung des Erfolgseintritts ursächlichen Hilfeleistungen erfolg- ten aber nach den bisherigen Feststellungen ohne Zutun des Angeklagten. Dieser hat weder auf die Wohnungsnachbarn, denen er im Hausflur begegnete, in irgendeiner Weise eingewirkt, noch hat er durch seine Äußerungen auf der Polizeiwache dazu beigetragen, dass der Einsatz der von den Nachbarn alarmierten Rettungskräfte beschleunigt oder erleichtert wurde.
11
b) Wird die Tat - wie hier - ohne Zutun des Täters nicht vollendet, kommt nur ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB in Frage. Dass der Angeklagte sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern , ist durch die bisherigen Feststellungen jedoch ebenfalls nicht belegt.
12
§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei sich der Täter auch eines Dritten bedienen kann (vgl. BGHSt 33, 295, 301/302; BGH StV 1997, 518 jew. m.w.N.). Wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGHSt 33, 295, 302). Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Rücktritt des Angeklagten entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er nicht sofort mit dem Mobiltelefon der Nebenklägerin Hilfe herbeigerufen oder die Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin hierzu aufgefordert hat. Dass ein Täter objektiv schon eher etwas und möglicherweise noch mehr hätte tun können, steht der Annahme eines Rücktritts nicht entgegen (vgl. BGH StV 1999, 211, 212; 1982, 467 m. w. N.). Maßgeblich ist vielmehr, dass der Täter, wenn er sich entschließt, die Vollendung der Tat zu verhindern, die aus seiner Sicht notwendigen Maßnahmen ergreift und sich um die bestmögliche Maßnahme bemüht (vgl. BGHSt 33, 295, 301/302; BGH StV 1999, 596). Dass der Angeklagte dies getan hat, ist durch die bisherigen Feststellungen nicht nachvollziehbar belegt.
13
aa) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schon die Annahme des Landgerichts, zugunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass er die Polizeiwache auch deshalb aufgesucht habe, um Rettungsmaßnahmen zu veranlassen. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe gewusst, dass die Nachbarn, die ihn gesehen hätten, sich um seine Frau kümmern würden und ihr helfen könnten. Er selbst habe nur gedacht, dass er schnell zur Polizei müsse. Bei dieser Sachlage versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte beim Aufsuchen der Polizei in der Vorstellung handelte, er könne noch einen nennenswerten Beitrag zur Rettung der Nebenklägerin leisten (vgl. BGH NStZ 1999, 300). Zwar ist es grundsätzlich zulässig, auch hinsichtlich der Rücktrittsvoraussetzungen auf den Zweifelssatz zurückzugreifen. Dies setzt aber voraus, dass bei einer Gesamtbeurteilung der Beweistatsachen eindeutige Feststellungen nicht möglich sind (vgl. BGH NStZ 1999, 300, 301), denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. BGH NJW 2007, 92, 94; 2005, 1727; NStZRR 2005, 147, 148). Dass solche Anhaltspunkte vorliegen, ist nicht dargetan.
14
bb) Selbst wenn der Angeklagte, wovon das Landgericht zu seinen Gunsten ausgegangen ist, die nahe gelegene Polizeiwache aufgesucht hat, um „hierdurch auch die schnelle Hilfe für seine Ehefrau“ zu veranlassen, liegt nach den Feststellungen jedenfalls deshalb kein Rücktritt vor, weil er die Verhinderungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. Die bloße Mitteilung des Angeklagten , er habe "auf seine Frau eingestochen" und die Nennung eines Namens waren – auch aus der Sicht des Angeklagten, der nicht wusste, dass der wach- habende Polizeibeamte bereits über den Notruf der Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin informiert war – nicht geeignet, die sofortige Einleitung der notwendigen Rettungsmaßnahmen zu ermöglichen. Dass der wachhabende Beamte mit dem Angeklagten „keine weitere Kommunikation führte“ ist ohne Belang. Vielmehr hätte der Angeklagte die für die Einleitung von Rettungsmaßnahmen erforderlichen Hinweise auf den Tatort und darauf, dass er die Wohnungstür zugezogen hatte, von sich aus geben müssen. Dass der Angeklagte dies getan oder jedenfalls versucht hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
15
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
16
2. Da die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils führt, ist die mit der Revisionseinlegung erhobene sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils gegenstandslos.

III.


17
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
18
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat, auch soweit sich der Angeklagte gegen die Höhe der gegen ihn verhängten Strafe wendet, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.

(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.

(1) In das Erziehungsregister werden die folgenden Entscheidungen und Anordnungen eingetragen, soweit sie nicht nach § 5 Abs. 2 in das Zentralregister einzutragen sind:

1.
die Anordnung von Maßnahmen nach § 3 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln sowie eines diesbezüglich verhängten Ungehorsamsarrestes (§§ 9 bis 16 des Jugendgerichtsgesetzes), Nebenstrafen oder Nebenfolgen (§ 8 Abs. 3, § 76 des Jugendgerichtsgesetzes) allein oder in Verbindung miteinander,
3.
der Schuldspruch, der nach § 13 Absatz 2 Satz 2 aus dem Zentralregister entfernt worden ist, sowie die Entscheidung, die nach § 13 Absatz 3 aus dem Zentralregister entfernt worden ist,
4.
Entscheidungen, in denen das Gericht die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überläßt (§§ 53, 104 Abs. 4 des Jugendgerichtsgesetzes),
5.
Anordnungen des Familiengerichts, die auf Grund einer Entscheidung nach Nummer 4 ergehen,
6.
der Freispruch wegen mangelnder Reife und die Einstellung des Verfahrens aus diesem Grund (§ 3 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes),
7.
das Absehen von der Verfolgung nach § 45 des Jugendgerichtsgesetzes und die Einstellung des Verfahrens nach § 47 des Jugendgerichtsgesetzes,
8.
(weggefallen)
9.
vorläufige und endgültige Entscheidungen des Familiengerichts nach § 1666 Abs. 1 und § 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie Entscheidungen des Familiengerichts nach § 1802 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit § 1666 Abs. 1 und § 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welche die Sorge für die Person des Minderjährigen betreffen; ferner die Entscheidungen, durch welche die vorgenannten Entscheidungen aufgehoben oder geändert werden.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 ist zugleich die vom Gericht nach § 45 Abs. 3 oder § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Jugendgerichtsgesetzes getroffene Maßnahme einzutragen.

(3) Ist ein Jugendarrest angeordnet worden, wird auch seine vollständige Nichtvollstreckung eingetragen.

(4) (weggefallen)

(1) Eintragungen im Erziehungsregister werden entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Die Entfernung unterbleibt, solange im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen ist.

(3) Die Registerbehörde kann auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, daß Eintragungen vorzeitig entfernt werden, wenn die Vollstreckung erledigt ist und das öffentliche Interesse einer solchen Anordnung nicht entgegensteht. § 49 Abs. 3 ist anzuwenden.

(4) Die §§ 51, 52 gelten entsprechend.

(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.

(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.

(1) In das Erziehungsregister werden die folgenden Entscheidungen und Anordnungen eingetragen, soweit sie nicht nach § 5 Abs. 2 in das Zentralregister einzutragen sind:

1.
die Anordnung von Maßnahmen nach § 3 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln sowie eines diesbezüglich verhängten Ungehorsamsarrestes (§§ 9 bis 16 des Jugendgerichtsgesetzes), Nebenstrafen oder Nebenfolgen (§ 8 Abs. 3, § 76 des Jugendgerichtsgesetzes) allein oder in Verbindung miteinander,
3.
der Schuldspruch, der nach § 13 Absatz 2 Satz 2 aus dem Zentralregister entfernt worden ist, sowie die Entscheidung, die nach § 13 Absatz 3 aus dem Zentralregister entfernt worden ist,
4.
Entscheidungen, in denen das Gericht die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überläßt (§§ 53, 104 Abs. 4 des Jugendgerichtsgesetzes),
5.
Anordnungen des Familiengerichts, die auf Grund einer Entscheidung nach Nummer 4 ergehen,
6.
der Freispruch wegen mangelnder Reife und die Einstellung des Verfahrens aus diesem Grund (§ 3 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes),
7.
das Absehen von der Verfolgung nach § 45 des Jugendgerichtsgesetzes und die Einstellung des Verfahrens nach § 47 des Jugendgerichtsgesetzes,
8.
(weggefallen)
9.
vorläufige und endgültige Entscheidungen des Familiengerichts nach § 1666 Abs. 1 und § 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie Entscheidungen des Familiengerichts nach § 1802 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit § 1666 Abs. 1 und § 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welche die Sorge für die Person des Minderjährigen betreffen; ferner die Entscheidungen, durch welche die vorgenannten Entscheidungen aufgehoben oder geändert werden.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 ist zugleich die vom Gericht nach § 45 Abs. 3 oder § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Jugendgerichtsgesetzes getroffene Maßnahme einzutragen.

(3) Ist ein Jugendarrest angeordnet worden, wird auch seine vollständige Nichtvollstreckung eingetragen.

(4) (weggefallen)

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.