Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 23. Aug. 2018 - 6 A 11730/17

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2018:0823.6A11730.17.00
bei uns veröffentlicht am23.08.2018

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. September 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf einer Ausnahmegenehmigung für kürzere Schließzeiten („Sperrzeitverkürzung“) einer ihrer Spielhallen.

2

Die Klägerin betreibt in K... in der P... Straße 188 vier Spielhallen. Die hier in Rede stehende Spielhalle („Konzession IV“) wurde im Jahr 2010 nach § 33i Gewerbeordnung und mit Bescheid vom 14. Juni 2017 nach Maßgabe der Neuregelung des Glücksspielstaatsvertrags und des Landesglücksspielgesetzes vom 22. Juni 2012 – befristet bis zum 30. Juni 2021 – genehmigt.

3

Mit Bescheid vom 28. Juli 2010 hatte die Beklagte der Klägerin eine Ausnahmegenehmigung für den Betrieb der Spielhalle außerhalb der damals geltenden Sperrzeit (0:00 bis 6:00 Uhr) bewilligt und diese auf die Stunde von 5:00 bis 6:00 Uhr verkürzt. Dabei wurde unter der Überschrift „Ausnahmegenehmigung“ ein Widerrufsvorbehalt geregelt, der folgenden Wortlaut hatte:

4

„Die Genehmigung wird gem. § 20 Abs. 2 GastVO unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt.“

5

Unter der nachfolgenden Überschrift „Gründe“ wurde ergänzend ausgeführt:

6

„Die Sperrzeit für Spielhallen kann gem. § 19 der GastVO bei einem öffentlichen Bedürfnis oder bei Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden.

7

Hierbei ist vor allem der Schutz der Nachtruhe der Nachbarschaft sowie die Störungsempfindlichkeit der Umgebung zu berücksichtigen.

8

Aufgrund der örtlichen Lage der Spielhalle kann davon ausgegangen werden, dass eine Störung der Nachtruhe für die Nachbarschaft nicht erfolgt.

9

Sollte sich jedoch herausstellen, dass durch die Verkürzung der Sperrzeit Nachteile entstehen, kann diese jederzeit verlängert oder aufgehoben werden.“

10

Zum 1. Juli 2012 trat mit dem Landesglücksspielgesetz vom 22. Juni 2012 (GVBl. S. 166) – LGlüG (2012) – eine neue Sperrzeitregelung für Spielhallen in Kraft. § 11 Abs. 8 LGlüG (2012) lautete:

11

„(8) Die Sperrzeit für Spielhallen beginnt um 0.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr. An den folgenden Tagen ist das Spiel in Spielhallen nicht zugelassen:

12

1. am Karfreitag, am Volkstrauertag und am Totensonntag jeweils ab 4.00 Uhr,

13

2. am Allerheiligentag von 11.00 bis 20.00 Uhr,

14

3. am 24. Dezember ab 11.00 Uhr und

15

4. am 25. Dezember von 0.00 bis 24.00 Uhr.“

16

Mit Schreiben vom 4. Juni 2013 wandte sich die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) an die für den Vollzug des Landesglücksspielgesetzes und des Glücksspielstaatsvertrages zuständigen Behörden. Bei der Beklagten ging das Schreiben am 12. Juni 2013 ein. Es enthielt unter anderem folgende Ausführungen:

17

„Sperrzeiten (§ 11 Abs. 8 LGlüG)

18

Das Landesglücksspielgesetz enthält in § 11 Abs. 8 Satz 1 eine generelle Sperrzeit von 0.00 bis 6.00 Uhr. Diese entspricht der bereits geltenden Regelung in § 18 Abs. 1 GastVO. § 11 Abs. 8 beinhaltet allerdings – anders als dies für die GastVO der Fall ist – keine Rechtsgrundlage für die Erteilung von Ausnahmen. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmen von der Sperrzeit per se ausschließen wollte. Soweit daher Sperrzeitverkürzungen noch nicht widerrufen wurden, sollte dies baldmöglich geschehen.“

19

Die Beklagte widerrief daraufhin die Ausnahmegenehmigung mit Bescheid vom 5. Dezember 2013 gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alternative VwVfG und führte zur Begründung aus, die Erlaubnis zur Verkürzung der Sperrzeit sei gemäß § 20 Abs. 2 GastVO unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt worden. Zum 1. Juli 2012 habe sich die gesetzliche Situation in der Weise geändert, dass das neue Landesglücksspielgesetz in Kraft getreten sei. Nach dessen § 11 Abs. 8 beginne die Sperrzeit für Spielhallen um 0:00 Uhr und ende um 6:00 Uhr. Eine Ausnahme zu dieser Regelung sei nicht mehr vorgesehen. Bei der Abwägung der Interessen an einer verkürzten Sperrzeit gegenüber dem öffentlichen Interesse an deren Einhaltung gebühre dem öffentlichen Interesse der Vorrang.

20

Die Klägerin legte Widerspruch gegen den Widerruf ein.

21

Während des anhängigen Widerspruchsverfahrens trat am 22. August 2015 ein durch das Erste Landesgesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015 (GVBl. S. 190) – LGlüG (2015) – neu eingefügter § 11d in Kraft, in dessen Absatz 1 Satz 1 die regelmäßige Sperrzeit für Spielhallen auf 2:00 bis 8:00 Uhr festgelegt wird. Nach Absatz 2 der Vorschrift sind Ausnahmen von der Sperrzeit nach Absatz 1 Satz 1 oder der Gaststättenverordnung nicht zulässig.

22

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2017 wies der Stadtrechtsausschuss bei der Beklagten den Widerspruch zurück, weil die Beklagte ihre Entscheidung auf der Grundlage der damals geltenden Vorschriften zutreffend und nachvollziehbar begründet habe. Die Jahresfrist für den Widerruf sei eingehalten. Zum Wohle und im Interesse der Spielhallenbetreiber sei nicht sofort der Widerruf erklärt worden, sondern auf einen Hinweis bezüglich eines einheitlichen Gesetzesvollzugs gewartet worden. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Entscheidung des Stadtrechtsausschusses sei dessen mündliche Verhandlung. Am 29. November 2016 stelle sich die Rechtslage jedoch so dar, dass die Änderung, auf die sich die Beklagte bezogen habe, durch eine weitere Gesetzesänderung zum 15. August 2015 überholt worden sei. Nach dem neuen § 11d LGlüG sei die Sperrzeit der Spielhallen nicht mehr in das Ermessen der Behörde gestellt, und nach Absatz 2 der Vorschrift dürfe auch keine Ausnahme mehr erteilt werden. Somit sei der Widerruf der Sperrzeitverkürzungen im nun maßgeblichen Zeitpunkt ohnehin auszusprechen gewesen. Für den Stadtrechtsausschuss bestehe dabei keine Bindungswirkung an die Begründungen und Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde. Vielmehr dürfe er auch eine neue Ermessensentscheidung treffen. Anlass, die Ermessensentscheidung in einer anderen Weise zu treffen, sehe er nicht.

23

Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen hat, der Widerruf sei rechtmäßig. Der Widerrufsvorbehalt sei nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft worden. Die Widerrufsentscheidung beruhe auf den Zwecken der für das Spielhallenrecht geltenden gesetzlichen Lage im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung. Inwieweit § 11 Abs. 8 LGlüG (2012) eine Ausnahme nach §§ 19, 20 GastVO weiter zugelassen habe, sei unerheblich. Mit Inkrafttreten von § 11d Abs. 2 GlüG (2015) habe die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für eine Sperrzeitverkürzung im Widerspruch zur eindeutigen gesetzlichen Lage gestanden. Verfassungsrecht sei durch diese Bestimmung nicht verletzt. Der Widerruf sei auch ermessensfehlerfrei. Besondere Vertrauenstatbestände seien nicht erkennbar. Auch die Widerrufsfrist sei gewahrt. Alle für die Widerrufsentscheidung maßgeblichen Tatsachen seien der Beklagten erst mit dem Erhalt des Schreibens der ADD vom 4. Juni 2013 bekannt gewesen. Die Widerrufsfrist sei auch nicht durch Inkrafttreten des § 11d Abs. 2 LGlüG (2015) während des Widerspruchsverfahrens neu angelaufen.

24

Mit ihrer durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend, der Widerruf sei rechtswidrig. Die von der Beklagten angeführten Ermessenserwägungen seien fehlerhaft, denn sie orientierten sich nicht an dem Rahmen und dem gesetzlichen Zweck der Ermächtigungsgrundlage. Der Zweck der Spielsuchtbekämpfung habe nichts mit dem gesetzlichen Zweck der Gaststättenverordnung zu tun. An den örtlichen Verhältnissen, die Grund für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung gewesen seien, habe sich nichts geändert. Eine im Nachhinein ergangene gesetzliche Regelung könne nicht als Widerrufsgrund herangezogen werden. Der Gesetzgeber habe gerade nicht gewollt, dass erteilte Sperrzeitverkürzungen mit Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes keine Geltung mehr behalten sollten. Es hätte diesem auch frei gestanden, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, wonach die Behörden ermächtigt würden, erlassene Sperrzeitverkürzungen auch aus anderen als in der Ermächtigungsgrundlage wurzelnden Gründen zurückzunehmen oder zu widerrufen. Dies sei ebenfalls nicht geschehen. Eine solch wesentliche Frage müsse der Gesetzgeber nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Gesetz selbst regeln. Der Gesetzgeber habe dies versäumt. Unabhängig davon sei der Widerruf auch verfristet. Das Schreiben der ADD vom 4. Juni 2013 könne insoweit nicht maßgeblich sein, da nicht diese, sondern die Beklagte für den Widerruf zuständig sei. Zudem müsse auch hier der Grundsatz von Treu und Glauben greifen. Wenn die vom Gesetz betroffenen Spielhallenbetreiber für die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom Oktober 2011 gegen sich gelten lassen müssten, so wäre es ein unerträglicher Schluss, für die Behörde nicht einmal den Tag des Inkrafttretens des Gesetzes als maßgeblich für den Beginn der Widerrufsfrist ansehen zu wollen.

25

Die Klägerin beantragt,

26

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. September 2017 den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 19. Januar 2017 aufzuheben.

27

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

31

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht durch den Ablauf der Übergangsfrist gemäß § 29 Abs. 4 Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV – am 30. Juni 2017 entfallen. Seitdem ist zwar für den Betrieb ihrer Spielhalle eine „neue“ Gewerbeerlaubnis nach § 33i GewerbeordnungGewO – unter Einschluss einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach §§ 24, 25 GlüstV i.V.m. § 11 Landesglücksspielgesetz – LGlüG – erforderlich. Diese hat sie jedoch mit Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2017 erhalten, so dass sie im Falle eines Obsiegens weiterhin von der bestandskräftigen Sperrzeitverkürzung Gebrauch machen könnte. Die Ausnahmegenehmigung zur Sperrzeitverkürzung hat sich auch nicht gleichsam „automatisch“ aufgrund ihrer Akzessorietät zu der Gewerbeerlaubnis aus dem Jahr 2010 mit Ablauf des 30. Juni 2017 erledigt (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG). Vielmehr geht der Gesetzgeber selbst von ihrem Fortbestand und damit von dem Erfordernis einer Aufhebung durch die zuständige Behörde aus (vgl. LT-Drs. 16/4671, S. 29: „Noch bestehende Verkürzungen oder Aufhebungen der Sperrzeit sind zu widerrufen“).

II.

32

Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

33

1. Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. VwVfG.

34

Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist.

35

Diese Voraussetzungen für den Widerruf der Ausnahmegenehmigung lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens vor (a). Ermessensfehler sind nicht feststellbar (b). Auch das Fristerfordernis des § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 und § 48 Abs. 4 VwVfG ist gewahrt (c).

36

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Ausnahmegenehmigung vom 28. Juli 2010 – einem begünstigenden, bei Erlass rechtmäßigen Verwaltungsakt – lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vor.

37

aa) Der nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO insoweit maßgebliche Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 19. Januar 2017 ist zutreffend auf die Änderung der Vorschriften über die Sperrzeit von Spielhallen durch die mit Art. 1 des Ersten Landesgesetzes zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015 (GVBl. S. 190) – LGlüG (2015) – eingefügte Neuregelung der Sperrzeit für Spielhallen in § 11d Abs. 1 LGlüG (von 2:00 Uhr bis 8:00 Uhr statt wie zuvor von 0:00 bis 6:00 Uhr) gestützt, von der es nach § 11d Abs. 2 LGlüG nunmehr ausdrücklich keine Ausnahmegenehmigung mehr geben darf.

38

Diese Vorschrift war zum 22. August 2015 und damit im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – der Entscheidung über den Widerspruch (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. November 2006 – 10 B 19.06 –, DÖV 2007, 302 m.w.N.) durch den Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2017 – bereits in Kraft getreten.

39

Die zuvor geltende Regelung in § 11 Abs. 8 LGlüG vom 22. Juni 2012 (GVBl. S. 166) – LGlüG (2012) –, die ihrerseits die Sperrzeitregelung der Gaststättenverordnung – GastVO – (0:00 bis 6:00 Uhr) übernommen hatte und auf deren Inkrafttreten der Ausgangsbescheid gestützt war, kam hingegen als Widerrufsgrund schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil sie zu dem Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch bereits nicht mehr auf Spielhallen anwendbar war, da sie insoweit durch die Neuregelung in § 11d LGlüG (2015) abgelöst worden war.

40

Der Stadtrechtsausschuss hat den in dem Ausgangsbescheid vom 5. Dezember 2013 angeführten Widerrufsgrund damit zu Recht ersetzt und diesem Bescheid insoweit die für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt verliehen (zu etwaigen Folgen für die Widerrufsfrist s. unten 2.c.bb)).

41

bb) Der Widerrufsvorbehalt in der Ausnahmegenehmigung vom 28. Juli 2010 trägt diesen Widerrufsgrund.

42

Der Widerrufsvorbehalt in der Ausnahmegenehmigung vom 28. Juli 2010 beruht auf § 20 Abs. 2 GastVO und enthält keine weitergehende Einschränkung auf bestimmte Widerrufsgründe (1). Der Widerruf aufgrund der Änderung der Vorschriften über die Sperrzeit von Spielhallen ist von diesem Vorbehalt umfasst (2). Dieser Widerruf ist hier auch nicht im Hinblick auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG – der für einen Widerruf wegen einer Änderung einer Rechtsvorschrift eine Gefährdung des öffentlichen Interesses erfordert – ausgeschlossen (3). Der auf die Änderung der Vorschriften über die Sperrzeit von Spielhallen gestützte Widerruf ist ferner nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil die Neuregelung in § 11d LGlüG (2015) verfassungswidrig wäre (4).

43

(1) Der in der Ausnahmegenehmigung vom 28. Juli 2010 enthaltene Widerrufsvorbehalt beruht auf § 20 Abs. 2 GastVO. Die Auslegung des Bescheids vom 28. Juli 2010 ergibt, dass der Vorbehalt darin nicht mit weitergehenden inhaltlichen Einschränkungen versehen worden ist. Insbesondere ist der Widerruf nicht auf Fälle einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (hinsichtlich der örtlichen Lage bzw. der Störung der Nachbarschaft) beschränkt.

44

Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend der §§ 133, 157 BGB durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes und der speziellen Sachkunde des adressierten Fachkreises zu ermitteln (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – 8 C 18/16 –, juris Rn. 14 m.w.N.). Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Diese bestimmt den Inhalt der getroffenen Regel mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2013 – 8 C 21/12 –, BVerwGE 148, 146, juris Rn. 14 und vom 26. Oktober 2017 – 8 C 18/16 –, juris Rn. 14).

45

Der Bescheid vom 28. Juli 2010, mit dem für die Spielhalle der Klägerin eine Sperrzeitverkürzung auf 5:00 bis 6:00 Uhr genehmigt wurde, enthält in seinem Spruch (d.h. seinem Tenor) in Übereinstimmung mit § 20 Abs. 2 GastVO einen Widerrufsvorbehalt im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. VwVfG, der wie folgt formuliert ist:

46

„Die Genehmigung wird gem. § 20 Abs. 2 GastVO unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt“.

47

Die eigentliche Regelung in dem Spruch des Verwaltungsakts („wird unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt“) enthält damit einen Begründungsteil, nämlich einen Hinweis auf § 20 Abs. 2 GastVO, der die Behörde zur Aufnahme eines allgemeinen, uneingeschränkten Widerrufsvorbehalts verpflichtet, wenn sie eine Ausnahmegenehmigung erteilt: Nach dieser Vorschrift „ist“ im Falle der Verkürzung oder Aufhebung der Sperrzeit die Ausnahmegenehmigung „unter Widerrufsvorbehalt zu erteilen“.

48

Dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung durch die Regelung eines allgemeinen Widerrufsvorbehalts nachkommen wollte, ergibt sich aber nicht nur aus dem Hinweis auf § 20 Abs. 2 GastVO, sondern darüber hinaus aus dem Zusatz „jederzeit“. Aus der Sicht eines Adressaten wird bei objektiver Würdigung durch diesen Zusatz im Spruchsatz des Verwaltungsakts weniger auf eine zeitlich – d.h. im Hinblick auf eine Uhrzeit oder ein Datum – uneingeschränkte Widerrufsmöglichkeit der Behörde hingewiesen, sondern auf die sachlich uneingeschränkte Widerrufsmöglichkeit. In Zusammenhang mit dem Hinweis auf § 20 Abs. 2 GastVO wird hierin deutlich, dass die Formulierung „jederzeit“ dem Adressaten die hohe Bedeutung des Widerrufsvorbehalts vor Augen führen und ihn vor dem möglichen Widerruf warnen soll, auf den er gefasst sein möge. Der Zusatz „jederzeit“ dient damit letztlich der größtmöglichen Einschränkung eines denkbaren Vertrauens in die Ausnahmegenehmigung.

49

Der optisch abgesetzte, eigentliche Begründungsteil des Bescheides enthält angesichts der Klarheit, mit der die Beklagte in deren Tenor den uneingeschränkten Widerrufsvorbehalt geregelt und zugleich begründet hat, keine inhaltliche Einschränkung des Vorbehalts. In der Begründung des Bescheids findet sich zunächst ein Absatz, mit dem die Ausnahmegenehmigung begründet wird („Die Sperrzeit für Spielhallen kann [...] verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden. Hierbei ist vor allem [...] zu berücksichtigen. Aufgrund der örtlichen Lage der Spielhalle kann davon ausgegangen werden, dass eine Störung der Nachtruhe für die Nachbarschaft nicht erfolgt.“). Der darauf folgende Absatz bezieht sich auf den Widerrufsvorbehalt („Sollte sich jedoch herausstellen, dass durch die Verkürzung der Sperrzeit der Spielhalle Nachteile entstehen, kann diese jederzeit verlängert oder aufgehoben werden.“). Die Verwendung der Formulierung „herausstellen“ und die Bezeichnung der den Widerrufsvorbehalt auslösenden Veränderungen als „Nachteile“ könnten bei isolierter Betrachtung dieses Satzes zwar den Eindruck erwecken, lediglich tatsächliche Änderungen der Sachlage sollten die Beklagte zu einem Widerruf berechtigen. Der Satz ist jedoch nicht isoliert, sondern in seinem Zusammenhang mit denjenigen Begründungselementen zu betrachten, die – wie dargelegt – bereits der Spruch des Bescheids enthält. In der Zusammenschau mit diesen Elementen besteht bei objektiver Würdigung kein Zweifel daran, dass die Beklagte in Übereinstimmung mit ihrer gesetzlichen Verpflichtung einen allgemeinen, uneingeschränkten Widerrufsvorbehalt aufgenommen hat und der Hinweis auf den Widerruf im Falle des „Herausstellens von Nachteilen“ im Begründungsteil lediglich der beispielhaften Veranschaulichung eines besonders naheliegenden Widerrufsgrundes dienen sollte.

50

(2) Die Änderung der Vorschriften über die Sperrzeit von Spielhallen stellt einen zulässigen Widerrufsgrund im Sinne dieses Vorbehalts dar.

51

Selbst wenn man den Widerruf als „actus contrarius“ zum Erlass der Ausnahmegenehmigung betrachtet und für den Widerruf eine Änderung von solchen Umständen verlangt, die ihrerseits bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu berücksichtigen waren, stellt die Änderung der Vorschriften über die Sperrzeit von Spielhallen einen solchen Umstand dar. Denn bei Erteilung der Ausnahmegenehmigung war die Sperrzeitregelung in § 20 GastVO zu beachten, die durch die neu in Kraft getretene Sperrzeitregelung in § 11d LGlüG (2015) ersetzt wurde.

52

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein „öffentliches Bedürfnis“, welches gemäß § 18 Abs. 1 GastG und §§ 20 Abs. 1, 19 Abs. 2 GastVO eine Ausnahmegenehmigung rechtfertigt, die Vereinbarkeit dieser Ausnahmegenehmigung mit der übrigen Rechtsordnung voraussetzt (vgl. BVerwG Urteil vom 7. Mai 1996 – 1 C 10/95 –, NVwZ 1997, 276 [= juris Rn. 26]: „Ein öffentliches Bedürfnis für eine Verkürzung der Sperrzeit liegt daher u.a. dann nicht vor, wenn [...] seine Befriedigung aber nicht im Einklang mit der Rechtsordnung [...] stünde, also dem Gemeinwohl zuwiderliefe“).

53

(3) Der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG aufgrund der Änderung der Vorschriften über die Sperrzeit von Spielhallen (hier: Ersetzung der §§ 19, 20 GastVO durch § 11d LGlüG [2015]) ist auch nicht im Hinblick auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG – der für einen Widerruf wegen einer Änderung einer Rechtsvorschrift eine Gefährdung des öffentlichen Interesses erfordert – ausgeschlossen.

54

Ein etwaiger Vorrang von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG dürfte zwar im Falle eines Widerrufsvorbehalts bei gebundenen Entscheidungen nach § 36 Abs. 1, 2. Alt. VwVfG – d.h. bei Verwaltungsakten, auf die ein Anspruch besteht – anzunehmen sein. Hinsichtlich solcher Verwaltungsakte hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Dezember 2015 ausgeführt, Nebenbestimmungen, die sicherstellen sollten, dass die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts auch künftig erfüllt blieben, seien nach § 36 Abs. 1, 2. Alt. VwVfG nicht zulässig. Denn sonst würden die differenzierten Regelungen über den Widerruf rechtmäßig erlassener Verwaltungsakte nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG unterlaufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 6 C 37/14 –, BVerwGE 153, 301, juris Rn. 20; ähnlich bereits OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 1992 – 5 A 1320/88 –, juris Rn. 71: „... dass ein umfassendes Absichern der Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheids durch einen Widerrufsvorbehalt [...] unzulässig ist“).

55

Diese Erwägungen sind auf die vorliegende Konstellation eines gesetzlich vorgeschriebenen Widerrufsvorbehalts für eine Ermessensentscheidung über die Gewährung eines Dauerverwaltungsakts jedoch nicht übertragbar.

56

Im Falle der hier in Rede stehenden Ausnahmegenehmigung nach § 20 GastVO handelte es sich nämlich nicht um gebundene Entscheidungen, auf die der Begünstigte einen Anspruch hat (vgl. § 36 Abs. 1 VwVfG), sondern um eine Ermessensentscheidung. Der Widerrufsvorbehalt verkürzt in einem solchen Falle nicht – wie in den Fällen des § 36 Abs. 1, 2. Alt. VwVfG – den Anspruch des Begünstigten inhaltlich, ohne dass hierfür eine gesetzliche Grundlage in der einschlägigen materiellen Ermächtigungsgrundlage bestünde. Im Gegenteil gibt im Falle des § 20 GastVO die Ermächtigungsgrundlage den Widerrufsvorbehalt zwingend vor und ermächtigt die Behörde zur Ausübung von Ermessen. Zudem handelt es sich bei der widerrufenen Ausnahmegenehmigung um einen Dauerverwaltungsakt, der nach wohl herrschender Auffassung im Falle seiner nachträglichen Rechtswidrigkeit unabhängig von dem Erfordernis eines öffentlichen Interesses für die Zukunft auch nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden könnte (vgl. dazu eingehend unten II.2.b)aa)).

57

(4) Der Widerruf aufgrund des Inkrafttretens von § 11d LGlüG (2015) ist auch nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil diese Norm verfassungswidrig wäre.

58

(a) § 11d LGlüG ist formell verfassungsgemäß, insbesondere ist die Vorschrift kompetenzgemäß erlassen worden.

59

Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG können die Länder im Bereich der ihnen durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 GG zugewiesenen Materien das als Bundesrecht fortgeltende Recht durch Landesrecht ersetzen. Dabei ist es den Ländern verwehrt, bei Fortbestand der bundesrechtlichen Regelung einzelne Vorschriften zu ändern, wodurch eine unzulässige „Mischlage“ aus Bundes- und Landesrecht für ein- und denselben Regelungsgegenstand im selben Anwendungsbereich vermieden werden soll. Die Ersetzung des Bundesrechts erfordert, dass der Landesgesetzgeber die Materie, gegebenenfalls auch einen abgrenzbaren Teilbereich, in eigener Verantwortung regelt (vgl. insoweit zum verfassungsrechtlichen Maßstab BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 – 1 BvR 636/02 –, NJW 2004, 2363 [2364]).

60

Mit der Sperrzeitregelung in § 11d LGlüG (2015) hat das Land Rheinland-Pfalz von seiner Ersetzungsbefugnis nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG wirksam Gebrauch gemacht (vgl. bereits entsprechend zur rheinland-pfälzischen Mindestabstandsregelung im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 4/16 –, juris Rn. 16, dort bb)). Die Norm ist dem Recht der Spielhallen zuzuordnen, das gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG aus der konkurrierenden Kompetenz der Bundes herausgenommen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 97 ff.). Mit dem Betrieb der Spielhallen ist die Regelung ihrer Sperrzeit verbunden (vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 7. Februar 2018 – 4 bf 217/17 –, juris Rn. 184 m.w.N.).

61

In Bezug auf diese Sperrzeitregelung – einem trotz inhaltlichen Zusammenhangs klar abgrenzbaren Teilbereich des Rechts der Spielhallen – besteht ersichtlich keine „Mischlage“ zwischen Bundes- und Landesrecht. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber in § 11d Abs. 2 LGlüG (2015) sogar ausdrücklich die Anwendbarkeit der auf der bundesrechtlichen Verordnungsermächtigung in § 18 GastG beruhenden §§ 19, 20 GastVO ausgeschlossen: Nach § 11d Abs. 2 LGlüG (2015) sind „Ausnahmen von der Sperrzeit nach Absatz 1 Satz 1 oder der Gaststättenverordnung vom 2. Dezember 1971 (GVBl. S. 274, BS 711-7) in der jeweils geltenden Fassung [...] nicht zulässig“. Der Landesgesetzgeber hat damit für den Bereich der Spielhallen die vorherige Sperrzeitregelung ohne jeden Zweifel durch eine andere, von der Verordnungsermächtigung im Bundesgesetz unabhängige, eigene Regelung ersetzt.

62

Unabhängig davon besteht in Rheinland-Pfalz auch hinsichtlich des Rechts der Spielhallen im Übrigen keine unzulässige Mischlage. Vielmehr sind auch in Anbetracht der Fortgeltung von § 33i GewO die vom Landesgesetzgeber verantworteten Regelungsbereiche (§§ 24 ff. GlüStV, LGlüG) und der vom Bundesgesetzgeber verantwortete Regelungsbereich (§ 33i GewO) formell klar abgegrenzt (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Bayern BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 196; zur Rechtslage in Niedersachsen OVG Niedersachsen, Urteil vom 12. Juli 2018 – 11 LC 400/17 –, BeckRS 2018, 16842 Rn. 29; zur Rechtslage in Sachsen BVerwG, Urteil vom 5. April 2017 – 8 C 16/16 –, juris Rn. 20; SächsOVG, Beschluss vom 18. Dezember 2017 – 3 B 312/17 –, juris). Auch die Einbeziehung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis in die landesrechtlich durch § 15 Abs. 3 LGlüG angeordnete Konzentrationswirkung der gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33i GewO ändert daran nichts, denn die parlamentarischen Verantwortungsbereiche können danach weiter klar unterschieden werden.

63

(b) § 11d LGlüG (2015) ist auch materiell verfassungsgemäß. Die Regelung ist mit Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 58 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – (Berufsfreiheit) und Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 LV (Gleichbehandlungsgrundsatz) vereinbar.

64

Die Sperrzeitregelung, mit der Spielhallenbetreiber dahingehend in ihrer Berufsausübung eingeschränkt werden, dass sie die Spielhallen in der Zeit von 2:00 Uhr bis 8:00 Uhr (sowie an sechs im Einzelnen genannten besonderen Feiertagen ganztätig und am 24. Dezember ab 11:00) – und damit länger als die dreistündige Mindest-Sperrzeit nach § 26 Abs. 2 GlüStV – geschlossen halten müssen, greift zwar in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein. Denn die Betreiber müssen ihre Spielhallen im vorgegebenen Zeitraum für die Dauer von täglich sechs Stunden geschlossen halten. Zugleich stellt die Regelung aufgrund der Festlegung genauer Schließzeiten (2:00 Uhr bis 8:00 Uhr) eine organisatorische Vorgabe für die Arbeitszeiten der Betreiber und ihrer Mitarbeiter dar, von der individuell nicht abgewichen werden kann.

65

Der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

66

(aa) Dem Gesetzgeber steht im Rahmen eines Eingriffs in die Berufsfreiheit nicht nur bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele, sondern auch bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich halten darf, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 –, BVerfGE 110, 141, juris Rn. 66 m.w.N.; speziell zum Einschätzungsspielraum im Glücksspielrecht BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 137 ff.). Bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohen, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollen, ist der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers erst überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 –, BVerfGE 110, 141, juris Rn. 66 m.w.N.).

67

Hieran gemessen ist die Sperrzeitregelung in § 11d LGlüG (2015) von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie dient ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 16/4671, S. 29) dem Ziel der Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht und damit einem Zweck, der in der Rechtsprechung als besonders wichtiges Gemeinwohlziel anerkannt ist, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, ihre Familien und die Gemeinschaft führen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 133 m.w.N.). Dieses Ziel vermag grundsätzlich sogar eine objektive Berufswahlbeschränkung zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1954/01 –, BVerfGE 115, 276, juris Rn. 98 ff.; s. auch Hamburgisches OVG, Urteil vom 7. Februar 2018 – 4 bf 217/17 –, juris Rn. 96).

68

(bb) In Bezug auf das Ziel der Suchtbekämpfung ist die Sperrzeitregelung in § 11d LGlüG (2015) verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen (vgl. i.E. wie hier zu einer siebenstündigen Sperrzeit auch Hamburgisches OVG, Urteil vom 7. Februar 2018 – 4 bf 217/17 –, juris Rn. 178 ff.). Der Landesgesetzgeber hat seinen diesbezüglichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

69

Zwangsweise Ruhe- und Unterbrechungszeiten, die den Anreiz zum Weiterspielen hemmen oder unterbrechen sollen, sind in Bezug auf die Bekämpfung der Glücksspielsucht mindestens förderlich. Sie sind geeignet, (potenzielle) Spieler davon abzuhalten, das Glücksspiel an Geldspielautomaten zeitlich uneingeschränkt zu beginnen oder fortzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6/15 –, BVerwGE 157, 127, juris Rn. 69; Hamburgisches OVG, Urteil vom 7. Februar 2018 – 4 bf 217/17 –, juris Rn. 191; s. im Übrigen BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 89: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden gegen die Sperrzeitverlängerung aufgrund unzureichender Auseinandersetzung der Beschwerdeführer mit Zweck und Verhältnismäßigkeit der Regelungen). Die Einheitlichkeit der gesetzlich festgelegten Sperrzeit schließt zudem die Möglichkeit potentiell suchtgefährdeter Spieler aus, nach Schluss der Öffnungszeit einer Spielhalle in eine andere Spielhalle mit abweichenden Öffnungszeiten zu wechseln.

70

Die von der Klägerin eines Parallelverfahrens eingewandte Abwanderungsbewegung in das unkontrollierte, ununterbrochene Internet-Glücksspiel bzw. hin zu unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten (vgl. dazu den Endbericht des Landes Hessen zur Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages vom 10. April 2017, u.a. S. 24) lässt die verfassungsrechtliche Geeignetheit der Sperrzeitregelung zur Suchtbekämpfung nicht von vornherein entfallen. Sie deutet allerdings auf Regulierungs- oder Vollzugsdefizite im Bereich des Internet-Glücksspiels hin. Die Entscheidung darüber, wie den im Bereich des Internet-Glücksspiels ebenfalls – oder womöglich sogar in gesteigertem Maße – vorhandenen Suchtrisiken (und damit zugleich einer etwaigen Abwanderung dorthin) zu begegnen ist, obliegt jedoch ebenfalls in erster Linie dem Gesetzgeber im Rahmen seines politischen Entscheidungsspielraums. Dieser hat sich grundsätzlich für eine Regulierung des Internet-Glücksspiels, nämlich für ein Verbot entschieden (vgl. § 4 Abs. 4 GlüStV). Soweit in dessen Bereich Vollzugsdefizite konstatiert werden (vgl. dazu den Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder [bis auf Hessen] nach § 32 GlüStV vom 28. April 2017, S. 30 f., hinsichtlich der Nicht-Beteiligung des Landes Hessen an diesem gemeinsamen Bericht der Länder vgl. ebd., S. 7), schließt dies nicht bereits die verfassungsrechtliche Geeignetheit von Sperrzeitregelungen für legale Spielhallen zur Bekämpfung der Spielsucht aus.

71

Vielmehr liegt es innerhalb des politischen Spielraums des Gesetzgebers, wenn er anstelle einer Deregulierung des Glücksspielmarkts (z.B. durch Verringerung der Sperrzeit oder der Legalisierung von Online-Glücksspielen) bei den Fragen ansetzt, „wie der Vollzug gegen illegale Online-Glücksspielangeboten (insbesondere illegalen Lotterieangeboten, Sportwettangeboten, Online-Casinoangeboten) kurz- und mittelfristig nachhaltig verbessert werden kann“ (vgl. den Evaluationsbericht der Länder vom 28. April 2017, S. 5 und S. 27) und „welche regulatorischen Maßnahmen dazu beitragen können, die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags in diesem Bereich besser zu erreichen“ (ebd., S. 31). Es ist insoweit nicht Aufgabe des Senats, seine eigene Einschätzung und Bewertung über eine sinnvolle Regulierung des Glücksspielmarktes an die Stelle der politischen Entscheidung des Gesetzgebers zu setzen.

72

Unabhängig davon wäre, selbst wenn man die Sperrzeitregelung infolge einer durch sie ausgelösten Abwanderungsbewegung in den illegalen Glücksspielmarkt als ungeeignet zur Suchtbekämpfung ansehen würde, die Regelung noch immer zur Förderung ihrer anderen Ziele geeignet. Nach § 26 Abs. 2 GlüStV dient die Sperrzeitregelung nämlich ebenso allen weiteren Zielen des § 1 GlüStV, also neben dem Spieler- auch dem Jugendschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV).

73

Die Sperrzeitregelung ist des Weiteren erforderlich. Ein milderes, gleich effektives Mittel ist nicht ersichtlich, zumal dem Gesetzgeber auch hier ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zukommt (vgl. entspr. zu Verbund- und Abstandsgeboten BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 153 m.w.N.). Es liegt im Spielraum des Gesetzgebers, eine Spielunterbrechung von hier sechs Stunden in Bezug auf die Suchtbekämpfung für wirksamer zu halten als die in § 26 Abs. 2 GlüStV vorgesehene (Mindest-)Unterbrechung von drei Stunden.

74

Die mit der Sperrzeitregelung verbundenen Belastungen der Spielhallenbetreiber sind im Ergebnis auch nicht unangemessen.

75

Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe wahrt die Sperrzeitregelung in § 11d LGlüG (2015) auch unter Berücksichtigung der weiteren einschränkenden Regelungen der Spielhallengesetze insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit und belastet die Betroffenen nicht übermäßig (vgl. entspr. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 155). Dies gilt sowohl für die Dauer als auch in Bezug auf die festgelegten Tages- und Nachtzeiten der Sperrzeit. Denn den Spielhallenbetreibern verbleibt in Rheinland-Pfalz zur Tag- und Nachtzeit noch ein durchaus erheblicher ein Zeitraum von 18 Stunden, in denen die Spielhallen betrieben werden können. Es ist auch nicht dargetan oder ersichtlich, dass der Schwerpunkt des Spielhallenbetriebs innerhalb der Zeiten zwischen 2:00 Uhr und 8:00 Uhr läge, so dass speziell die festgelegten Uhrzeiten zu einer übermäßigen Belastung führten.

76

Die Sperrzeitregelung ist auch nicht etwa deshalb unverhältnismäßig, weil – wie in einem der Parallelverfahren eingewandt wird – eine Übergangs- und Härtefallregelung fehlte. Solche Regelungen dienen dazu, ein vorhandenes Vertrauen in den Bestand einer bestimmten Rechtslage zu schützen und den Übergang in eine neue Rechtslage abzufedern. Denn bei der Aufhebung und Modifizierung geschützter Rechtspositionen hat der Gesetzgeber auch dann, wenn ein Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist, aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung zu treffen. Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber dabei allerdings ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung der Gerichte unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (vgl. BVerfG Beschluss vom 30. November 2010 – 1 BvL 3/07 –, juris Rn. 49 m.w.N.).

77

Diese Grenze ist hier nicht überschritten. Im Falle der Sperrzeitregelung war das Vertrauen der Betreiber der hier allein in Rede stehenden „Bestandsspielhallen“ (vgl. § 11a LGlüG) bereits nach Maßgabe des § 29 Abs. 4 GlüstV geschützt. Die Tatsache, dass nach Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags und des Landesglücksspielgesetzes (2012) überhaupt ein Weiterbetrieb stattfand, beruhte also bereits ihrerseits auf einer Übergangsregelung. Zudem hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die unter Geltung der alten Rechtslage erteilten Ausnahmegenehmigungen hinsichtlich der Sperrzeit mit Inkrafttreten des § 11d LGlüG (2015) für wirkungslos zu erklären. Stattdessen wurde der Weg einer Aufhebung der Bescheide durch die Behörden gewählt (vgl. LT-Drs. 16/4671, S. 29). Das Vertrauen der Betreiber in die ihnen in der Vergangenheit nach §§ 19, 20 GastVO gewährten Ausnahmen wurde demnach zunächst durch die Bestandskraft der betreffenden Bescheide und sodann durch die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Aufhebung bestandskräftiger begünstigender Verwaltungsakte (§§ 48, 49 VwVfG), geschützt. Dafür, dass ein noch weitergehender Vertrauensschutz verfassungsrechtlich zwingend geboten sein könnte, sind keine Gründe ersichtlich. Dies wird auch in Anbetracht des vorliegenden Falles und der entsprechenden Parallelverfahren deutlich, in denen die Klägerinnen mehr als drei Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 11d Abs. 2 LGlüG (2015) im Ergebnis noch immer Gebrauch von den nach Maßgabe der alten Rechtslage erteilten Sperrzeitverkürzungen machen.

78

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in dem Verzicht des Gesetzgebers auf eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über den Widerruf der bestandskräftigen Sperrzeitverkürzungen auch keine Verletzung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes. Dieser verpflichtet den parlamentarischen Gesetzgeber, wesentliche, für die Grundrechtsverwirklichung maßgebliche Regelungen selbst zu treffen und nicht anderen Normgebern oder der Exekutive zu überlassen (vgl. zum verfassungsrechtlichen Maßstab zuletzt BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 1 BvL 3/14 –, juris Rn. 116 und BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 2018 – 1 BvR 1780/17 –, juris Rn. 17 ff. m.w.N.). Diesen Anforderungen hat der Gesetzgeber genügt, indem er selbst die grundrechtswesentlichen Entscheidungen über die Dauer und Uhrzeit der Sperrzeit sowie den Ausschluss von Ausnahmemöglichkeiten getroffen hat. Die nachgelagerte Entscheidung über die Ausübung der in den bestandskräftigen Sperrzeitverkürzungen enthaltenen Widerrufsvorbehalte – von denen der Gesetzgeber angesichts von § 20 Abs. 2 GastVO ausgehen konnte – durfte er vor diesem Hintergrund der Entscheidung der nach § 49 VwVfG zuständigen Behörden überlassen (vgl. LT-Drs. 16/4671, S. 29)

79

(cc) Auch der Einwand, die Sperrzeitregelung in § 11d LGlüG (2015) führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Spielhallen einerseits und Spielbanken andererseits, greift nicht durch.

80

Unterschiedliche Regelungen verschiedener Glücksspielformen sind zulässig, sofern der Gesetzgeber eine angemessene Suchtprävention nicht außer Acht lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 123 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential beider Typen von Spielstätten (Verankerung im Alltag bei Spielhallen gegenüber Abstand vom Alltag bei Spielbanken) und insbesondere in der sehr unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten ein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung von Spielhallen und Spielbanken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 174; s. auch speziell in Bezug auf Spielbanken in Rheinland-Pfalz: BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 4/16 –, juris Rn. 30). Aufgrund dieser sich auch auf die Suchtproblematik auswirkenden Unterschiede ist eine Ungleichbehandlung durch Vorschriften, die – wie hier die Sperrzeitregelung – eine zeitliche Begrenzung des Spiels in Spielhallen bezwecken, gerechtfertigt (vgl. entsprechend BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, BVerfGE 145, 20, juris Rn. 174).

81

Nach alledem durfte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung aus Anlass des Inkrafttretens von § 11d LGlüG (2015) widerrufen.

82

b) Der Widerruf ist ermessensfehlerfrei erfolgt.

83

Der Widerruf ist gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 VwVfG eine Ermessensentscheidung. Bei dieser Entscheidung muss die Behörde sich im Rahmen der Zwecksetzungen der gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass des in Frage stehenden Verwaltungsakts und der Ermächtigung zum Widerruf gemäß § 49 VwVfG halten (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 49 Rn. 28), und sie muss die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten.

84

Diesen Anforderungen ist hier genügt. Der insoweit nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO maßgebliche Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2017, der der behördlichen Ermessensentscheidung ihre für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt gegeben hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2011 – 7 B 34/11 –, juris Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 – 8 C 5/15 –, BVerwGE 155, 261, juris Rn. 22 m.w.N.), lässt keine Ermessensfehler erkennen.

85

Es liegt insbesondere kein Ermessensausfall vor. Im Gegenteil geht aus dem Widerspruchsbescheid hervor, dass der Stadtrechtsausschuss bewusst eine eigene Ermessensentscheidung getroffen hat. So wird auf S. 7 des Widerspruchsbescheids u.a. ausgeführt: „[...] Anlass, die Ermessensentscheidung in einer anderen Weise zu treffen, sieht der Stadtrechtsausschuss nicht.“

86

Auch ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht feststellbar. Der Stadtrechtsausschuss hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung gebraucht. Wie oben dargelegt, ist der Widerruf aufgrund der Änderung der Sperrzeitregelung für Spielhallen von den Zwecken des Vorbehalts und den Zwecken der Rechtsgrundlage der Ausnahmegenehmigung nach §§ 19, 20 GastVO gedeckt, zumal die Vereinbarkeit des Spielhallenbetriebs mit der übrigen Rechtsordnung zu deren Zwecken gehört (vgl. oben II.1.a) bb) (2)).

87

Auch die Zwecke des § 49 VwVfG sind gewahrt. Soweit in den Parallelverfahren vorgetragen wird, das Vertrauen der betroffenen Klägerinnen in den Bestand der Ausnahmegenehmigungen sei unzureichend berücksichtigt, vermag dies nicht zu überzeugen. Aufgrund des Widerrufsvorbehalts konnte die Klägerin gerade kein darüber hinausgehendes schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Ausnahmegenehmigung entfalten. Das Gesetz sieht für einen vorbehaltenen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG – anders als in den Fällen eines Widerrufs nach den Nummern 3 bis 5 des Absatzes 2 (vgl. § 49 Abs. 6 VwVfG) – keinen Vertrauensschutz vor, da in diesen Fällen schon aufgrund des im jeweiligen Verwaltungsakt vorbehaltenen Widerrufs kein Anlass für ein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts besteht (vgl. auch HessVGH, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 9 A 1238/12 –, juris Rn. 32).

88

Vor diesem Hintergrund musste die Beklagte der Klägerin im Rahmen der Ermessensausübung auch keine Übergangsfrist einräumen oder eine solche auch nur gesondert erwägen. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zur fehlenden Notwendigkeit einer gesetzlichen Übergangsfrist (vgl. II.1.a)bb) (3)(b)(bb)) entsprechend.

89

c) aa) Die Jahresfrist des § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG wurde gewahrt.

90

Nach dem von § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Bezug genommenen § 48 Abs. 4 VwVfG ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres zulässig, seit die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhalten hat, welche den Widerruf des Verwaltungsaktes rechtfertigen. Hierzu gehört auch die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 1988 – 7 B 79/88 –, NVwZ 1988, 822 = juris Rn. 3 und Beschluss vom 3. November 1992 – 4 B 97/92 –, juris Rn. 3). Die Frist ist, wie der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1984, BVerwGE 70, 356 [362 f.]) entschieden hat, keine „Bearbeitungsfrist“ für die Behörde, sondern eine ab „Entscheidungsreife“ laufende Frist, deren Beginn auch die Kenntnis der für eine sachgerechte Ermessensausübung erforderlichen Gesichtspunkte voraussetzt.

91

Übertragen auf den Fall des hier in Rede stehenden Widerrufs wegen einer Änderung der Rechtslage bedeutet dies, dass die Widerrufsfrist erst dann zu laufen beginnen kann, wenn die Behörde die Rechtsänderung erkennt (vgl. entsprechend Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014 § 49 Rn. 86 f.). Demnach begann die Jahresfrist für die hier in Rede stehende Ausübung des Widerrufsvorbehalts aufgrund einer Änderung der einschlägigen Rechtsvorschriften (hier: Ausschluss der Anwendbarkeit von §§ 19, 20 GastVO auf Spielhallen) erst mit der Kenntnis der Beklagten von dieser Rechtsänderung.

92

Diese Kenntnis und damit Anlass zum Widerruf hatte die Beklagte erst mit der Kenntnis des Schreibens der Aufsichtsbehörde vom 4. Juni 2013. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stand die Tatsache der Rechtsänderung für die Beklagte nämlich nicht schon aufgrund des Inkrafttretens von § 11 Abs. 8 LGlüG (2012) zum 1. Juli 2012 fest. Denn dieser Vorschrift war gerade nicht eindeutig zu entnehmen, ob Ausnahmen von der Sperrzeit nach §§ 19, 20 GastVO weiterhin möglich bleiben oder ausgeschlossen werden sollten (vgl. zur vergleichbaren Problematik einerseits BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2013 – 8 BN 3/12 –, juris Rn. 3 a.E.: Weitergeltung von § 11 GastVO BW nach Inkrafttreten von § 46 LGlüG BW [2012]; andererseits VGH BW, Urteil vom 12. September 2013 – 6 S 1172/13 –, juris Rn. 32 f.: keine Weitergeltung).

93

Vor diesem Hintergrund stellte das Schreiben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) vom 4. Juni 2013, welches an die zuständigen Stadt-, Gemeinde- und Verbandsgemeindeverwaltungen gerichtet war und den „Vollzug des Landesglücksspielgesetzes (LGlüG) vom 22.06.2012 i.V.m. dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) vom 15.12.2011 (GVBl. Nr. 9 vom 28.06.2012, S. 166 ff.)“ betraf, erst diejenige Tatsache dar, deren Vorliegen den Lauf der Jahresfrist in Gang setze. In diesem Schreiben artikulierte die Aufsichtsbehörde vor dem Hintergrund der unklaren Rechtslage ihre Rechtsauffassung und wies die zuständigen Behörden des Landes darauf hin, dass als Konsequenz der Neuregelung die Ausnahmegenehmigungen widerrufen werden sollten (vgl. S. 2 des Schreibens: „[...] Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmen von der Sperrzeit per se ausschließen wollte. Soweit daher Sperrzeitverkürzungen noch nicht widerrufen wurden, sollte dies baldmöglich geschehen“). Ausweislich des Eingangsstempels hat die Beklagte dieses Schreiben am 12. Juni 2013 erhalten.

94

Demnach war der Widerruf innerhalb eines Jahres nach Zugang des Schreibens der ADD zulässig, also bis zum 12. Juni 2014.

95

Der Grundsatz von Treu und Glauben, auf den die Klägerin sich beruft, gebietet keinen früheren Fristbeginn. Die Rechtsprechung zum Vertrauensschutz der Spielhallenbetreiber hinsichtlich des Erfordernisses einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis – die auf die Absehbarkeit der Rechtsänderung abstellt – ist auf die gesetzliche Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht übertragbar. Bei der Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG geht es nicht um ein etwaiges Vertrauen der Behörde in das Unterbleiben einer Rechtsänderung, sondern um das Vertrauen der Inhaber bestandskräftiger Bescheide auf ein Unterbleiben der Rücknahme.

96

Nach alledem war die Jahresfrist bei Erlass des Ausgangsbescheids vom 5. Dezember 2013 noch nicht verstrichen.

97

bb) Der Austausch des Widerrufsgrundes durch den Stadtrechtsausschuss – der bereits aufgrund des Außerkrafttretens von § 11 Abs. 8 LGlüG (2012) erforderlich wurde – unterlag keiner erneuten Fristbindung, nachdem der Ausgangsbescheid seinerseits die Jahresfrist gewahrt hatte.

98

Grundsätzlich beginnt zwar für jeden Widerrufsgrund die Widerrufsfrist je gesondert zu laufen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 106 m.w.N.). Der Stadtrechtsausschuss hat jedoch nicht „den Widerruf“ – wie § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG nach seinem Wortlaut voraussetzt („[...] so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres [...]“ bzw. entspr. „[...] so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres [...]“) – erstmals oder erneut ausgesprochen. Er hat vielmehr lediglich dem Ausgangsbescheid durch das Auswechseln des Widerrufsgrundes die maßgebliche Gestalt verliehen (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Für die Frage, ob die Jahresfrist eingehalten ist, kommt es demnach nicht auf den Erlass des Widerspruchsbescheids an, sondern es ist grundsätzlich auf den ursprünglichen Bescheid abzustellen, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO es vorschreibt (vgl. ähnlich zur Nichtanwendbarkeit der Frist nach § 19 Abs. 6 Zivildienstgesetz im Falle einer Gestaltänderung durch einen Widerspruchsbescheid BVerwG, Urteil vom 25. März 1981 – 8 C 69/80 –, BVerwGE 62, 80, juris Rn. 23 f.).

99

Es besteht nach Sinn und Zweck des § 48 Abs. 4 VwVfG auch kein Anlass für eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Heranziehung dieser Vorschrift. Die Widerrufsfrist dient nämlich in erster Linie dem Vertrauensschutz (vgl. Kopp/Raumsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 48 Rn. 146 m.w.N.), d.h. dem Vertrauen in das Unterbleiben eines Widerrufs. Dieses Vertrauen ist in einer Konstellation wie der vorliegenden jedoch bereits durch den Ausgangsbescheid, mit dem der Widerruf fristgerecht ausgesprochen wurde, erschüttert worden. Im Falle eines anhängigen Widerspruchsverfahrens vermag ein etwaiges Vertrauen in das Unterbleiben eines Widerrufs nicht allein durch Zeitablauf wieder aufzuleben oder neu gebildet zu werden. Vielmehr muss ein Widerspruchsführer mit einem – ggf. mit einem Austausch von Gründen verbundenen – Widerspruchsbescheid auch nach Ablauf eines Jahres rechnen; für eine etwaige Beschleunigung des Verfahrens steht ihm der prozessuale Weg nach § 75 VwGO zur Verfügung. Sofern ein Widerspruchsführer darauf vertraut, dass die Ausgangsbehörde den begünstigenden Verwaltungsakt zu Unrecht widerrufen hat, weil der in den Gründen des Bescheids angegebene Widerrufsgrund diesen nicht trägt, muss er damit rechnen, dass der Ausgangsbescheid nicht aufgehoben, sondern die Begründung durch die Widerspruchsbehörde geändert wird (vgl. entspr. BVerwG, Urteil vom 25. März 1981 – 8 C 69/80 –, BVerwGE 62, 80 = juris Rn. 23).

100

Nach alledem ist der Widerruf der Ausnahmegenehmigung hier rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

101

2. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Widerrufs könnte die Klage aber selbst dann keinen Erfolg haben, wenn der Widerruf entgegen der Auffassung des Senats rechtswidrig wäre, etwa weil er doch nicht von dem Widerrufsvorbehalt in dem Bescheid vom 28. Juli 2010 umfasst gewesen sein sollte (vgl. oben II.1.a)bb) (1) und (2)), oder weil ein solcher Widerruf aufgrund des Vorrangs von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ausgeschlossen wäre (vgl. oben II.1.a)bb)(3)).

102

In diesem Falle könnte die Aufhebung der Sperrzeitverkürzung in eine Rücknahme nach § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG umgedeutet werden. Die Umdeutungsvoraussetzungen liegen vor (a). Als Rücknahme wäre die Aufhebung der Sperrzeitverkürzung rechtmäßig, auch wenn der Widerruf aus den vorgenannten Gründen rechtswidrig gewesen wäre (b).

103

a) Ein fehlerhafter – rechtswidriger oder nichtiger – Verwaltungsakt kann gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die inhaltlichen Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung sind unter diesen Voraussetzungen auch die Verwaltungsgerichte im gerichtlichen Verfahren ermächtigt, fehlerhafte Verwaltungsakte umzudeuten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November 1999 – 9 C 16/99 –, NVwZ 2000, 575 m.w.N.). Darüber hinaus darf die Umdeutung nicht nach § 47 Abs. 2 und 3 VwVfG ausgeschlossen sein.

104

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt (vgl. wie hier für die grundsätzliche Möglichkeit, einen Widerruf eines rechtswidrig gewordenen Dauerverwaltungsakts auf § 48 VwVfG zu stützen: BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 2 C 13/11 –, BVerwGE 143, 230, juris Rn. 15; ausf. Kiefer, NVwZ 2013, 1257 [1259 f.] m.w.N. aus der Lit. in Fn. 28; aA für den Fall des rechtswidrigen Widerrufs einer Sperrzeitverkürzung OVG NRW, Beschluss vom 5. September 2014 – 4 B 30/14 –, juris Rn. 19 f. = GewArch 2015, 35).

105

Die Rücknahme wäre im vorliegenden Fall auf das gleiche Ziel wie der verfügte Widerruf, nämlich darauf gerichtet, die Ausnahmegenehmigung vom 28. Juli 2010 mit Wirkung ex nunc aufzuheben. Die Rücknahme führt hier also nicht zu einer zusätzlichen Belastung gegenüber dem Widerruf.

106

Auch der Rahmen für die Ausübung des Ermessens ist – wie § 47 Abs. 3 VwVfG es verlangt – identisch. Insbesondere ist weder im Falle des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG noch im Falle der Rücknahme eines rechtswidrig gewordenen Dauerverwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwVfG, der keine Geldleistung oder teilbare Sachleistung im Sinne von § 48 Abs. 2 VwVfG gewährt, ein wirtschaftliches Bestandsinteresse der Klägerin einzustellen. Dies folgt im Falle des vorbehaltenen Widerrufs daraus, dass das Vertrauen des Betroffenen durch den Vorbehalt aufgefangen wird und § 49 Abs. 3 und Abs. 6 VwVfG in diesen Fällen keine Anwendung finden (vgl. oben II.1.b)). Im Falle der Rücknahme folgt dies nach herrschender Auffassung – jedenfalls wenn keine außergewöhnlichen Umstände ersichtlich sind – aus der gesonderten Regelung des Entschädigungsverfahrens nach § 48 Abs. 3 VwVfG, in dem die wirtschaftlichen (materiellen) Bestandsinteressen des Betroffenen grundsätzlich gesondert zu bewerten sind (s. zur Prüfung von Vertrauensschutzgesichtspunkten im Verfahren nach Abs. 3 BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 – 9 C 12.89 –, BVerwGE 85, 79, juris, Rn. 26 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 48 Rn. 137).

107

b) Als Rücknahme wäre der Widerruf rechtmäßig gewesen. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme lagen im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2017 vor (aa). Die Ermessenserwägungen des Stadtrechtsausschusses der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2017 tragen auch die Rücknahme (bb). Auch die Verfahrens- und Formerfordernisse für die Rücknahme sind gewahrt; dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Fristerfordernis des § 48 Abs. 4 VwVfG (cc).

108

aa) Die Voraussetzungen für eine (fiktive) Rücknahme sind im maßgeblichen Zeitpunkt erfüllt. Im Falle einer Umdeutung müssen die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des durch Umdeutung erzeugten Verwaltungsakts (hier: der Rücknahme) nicht nur zum Zeitpunkt der Umdeutung vollständig erfüllt sein, sondern sie müssen darüber hinaus auch Gegenstand des abgelaufenen Verwaltungsverfahrens gewesen sein, d.h., zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens vorgelegen haben (vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Juli 1991 – 2 A 795/90 –, BeckRS 1991, 8493, Rn. 55).

109

So liegt der Fall hier. Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2017 lagen die – auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch erfüllten – Rücknahmevoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG vor.

110

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Für Verwaltungsakte, die eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt haben oder Voraussetzung hierfür sind, gelten insoweit die besonderen Regelungen über die Berücksichtigung des Vertrauensschutzes bei der Rücknahmeentscheidung in § 48 Abs. 2 VwVfG. Für rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte, die nicht unter Absatz 2 fallen, bestimmt § 48 Abs. 3 VwVfG, dass die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensvorteil auszugleichen hat, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Nach § 48 Abs. 4 VwVfG ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen.

111

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Ausnahmegenehmigung vom 28. Juli 2010 war bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2017 „rechtswidrig“ im Sinne von § 48 Abs. 1 VwVfG.

112

Die Regelung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 VwVfG betrifft zwar grundsätzlich nur Fälleanfänglich rechtswidriger Verwaltungsakte, d.h. solcher Verwaltungsakte, die bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren. Etwas anderes gilt aber für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Dauerverwaltungsakte). Bei diesen ist der materiell-rechtlich maßgebliche Zeitpunkt für das Rechtswidrigkeitsurteil nach § 48 Abs. 1 VwVfG der Zeitpunkt der (hier fiktiven) Rücknahmeentscheidung (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2012 – 2 C 2.11 –, BVerwGE 143, 230, und vom 9. Mai 2012 – 6 C 3.11 –, BVerwGE 143, 87, sowie vom 28. Oktober 2004 – 2 C 13/03 –, NVwZ 2005, 341 f.; VGH BW, Urteil vom 24. September 2001 – 8 S 641/01 – , NVwZ-RR 2002, 621; aA Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl. 2014, § 48 Rn. 48; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 48 Rn. 15a).

113

Das hat seinen Grund letztlich darin, dass es dem Gerechtigkeitsempfinden widerspräche, wenn die Klage gegen einen Verwaltungsakt, dessen Regelung sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern der auf unbestimmte Dauer angelegt ist und sich gewissermaßen ständig wiederholt, abgewiesen werden müsste, obwohl er sich – trotz anfänglicher Rechtmäßigkeit – nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht als rechtswidrig darstellt (vgl. VGH BW, Urteil vom 24. September 2001 – 8 S 641/01 – , NVwZ-RR 2002, 621). Dementsprechend besteht kein Anlass, eine Aufhebung eines solchen Verwaltungsakts – soweit er mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird – auf Fälle zu beschränken, in denen die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG, also insbesondere eine Gefährdung des öffentlichen Interesses, vorliegen (vgl. VGH BW, Urteil vom 24. September 2001 – 8 S 641/01 –, NVwZ-RR 2002, 621).

114

Bei der Ausnahmegenehmigung vom 28. Juli 2010 handelt es sich um einen solchen Dauerverwaltungsakt, nämlich um einen Verwaltungsakt, dessen Rechtsfolgen nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintreten, so dass sich der Verwaltungsakt grundsätzlich von Tag zu Tag fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt (vgl. zum Begriff Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 223 m.w.N.).

115

Die Ausnahmegenehmigung war zwar nicht bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses am 28. Juli 2010 rechtswidrig. Sie wurde es aber jedenfalls mit Inkrafttreten von § 11d Abs. 2 LGlüG (2015) am 22. August 2015. Seitdem sind Ausnahmen von der Sperrzeit nach § 11d Abs. 1 Satz 1 LGlüG oder der Gaststättenverordnung in der jeweils geltenden Fassung nicht zulässig. Durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 11d LGlüG (2015) bestehen nicht (vgl. oben II.1.a)bb)(4)).

116

bb) Ermessensfehler sind, wie dargelegt, nicht feststellbar (vgl. oben II.1.b) und II.2.a) zur Entsprechung des Ermessensrahmens), und auch die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG wurde nach den obigen Ausführungen (vgl. II.1.c)) gewahrt.

117

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

118

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

119

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Das Verfahren kann Gelegenheit geben zur Klärung der Reichweite des Anwendungsbereichs der Frist nach § 48 Abs. 4 VwVfG sowie zum Verhältnis von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. VwVfG zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG (vgl. oben II.1.) bzw. zur Klärung der Zulässigkeit der Umdeutung eines Widerrufs eines rechtswidrig gewordenen Dauerverwaltungsakts in eine Rücknahme gemäß § 48 VwVfG (vgl. oben II.2.).

Beschluss

120

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

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(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

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Gaststättengesetz - GastG | § 19 Verbot des Ausschanks alkoholischer Getränke


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(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung.

2

Spätestens seit November 2009 veranstaltete bzw. vermittelte sie auf mehreren Internetseiten, die von Baden-Württemberg aus aufrufbar waren, Sportwetten, Poker- und Casinospiele. Mit Bescheid vom 21. Januar 2010 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Klägerin nach vorheriger Anhörung, in Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV in der damaligen Fassung (GlüStV 2008) zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Nr. 1). Die untersagten Tätigkeiten seien unverzüglich und dauerhaft einzustellen (Nr. 2). Außerdem drohte das Regierungspräsidium ein Zwangsgeld an (Nr. 3) und setzte eine Verwaltungsgebühr für den Bescheid fest (Nr. 4). Die Klägerin veranstalte bzw. vermittle auf den Internetseiten A., B., C. öffentliches Glücksspiel in Form von Sportwetten, Poker- und Casinospielen und betreibe Werbung hierfür. Die für Baden-Württemberg erforderliche Erlaubnis besitze sie nicht. Eine solche könne ihr auch nicht erteilt werden. Außerdem wurde ausgeführt, die Verfügung erstrecke sich auf alle von der Klägerin betriebenen Internetauftritte, sofern dort öffentliches Glücksspiel betrieben werde und dieses Angebot von Baden-Württemberg aus erreichbar sei.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Bescheid, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache zuvor im Übrigen übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Berufungsurteils aufgehoben. Die Untersagungsverfügung genüge nicht dem Bestimmtheitserfordernis. Sie erfasse jegliche - auch künftige - Internetauftritte der Klägerin, mit denen öffentliches Glücksspiel betrieben werde, sofern das Angebot von Baden-Württemberg aus erreichbar sei. Sie stelle keine bestimmte, konkrete Einzelfallregelung dar, sondern gebe lediglich die abstrakt-generelle gesetzliche Regelung wieder und überschreite damit eine absolute Grenze zur Unbestimmtheit. Die Verfügung wäre auch dann nicht hinreichend bestimmt, wenn sie sich nur auf Online-Sportwetten, Online-Poker- und Online-Casinospiele bezöge. Auch die generalisierende Nennung von Glücksspielarten in der Begründung des Bescheides bestimme die Reichweite ihres Regelungsgehalts nicht hinreichend. Die Untersagungsverfügung sei außerdem ermessensfehlerhaft ergangen. Dabei könne offenbleiben, ob das Entschließungsermessen auf Null reduziert sei. Im Lichte von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 3 GG dürfe die zuständige Behörde in gleichgelagerten Fällen nicht unterschiedlich, systemwidrig oder planlos vorgehen. Ein tragfähiges Konzept, unter welchen Voraussetzungen und in welcher zeitlichen Reihenfolge gegen Anbieter von Internetglücksspiel vorgegangen werde (etwa aufgrund der Marktpräsenz, der Umsätze oder des Gewinns), sei nicht einmal in Ansätzen erkennbar.

4

Im Revisionsverfahren hat der Beklagte erklärt, der Bescheid vom 21. Januar 2010 beziehe sich lediglich auf Online-Sportwetten, Online-Poker- und Online-Casinospiele. Die Beteiligten haben das Verfahren daraufhin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt, soweit der Bescheid zunächst auch andere, nicht ausdrücklich benannte Glücksspielarten erfasst hat. Außerdem haben die Beteiligten bezüglich des Untersagungszeitraums zwischen dem Ergehen des Berufungsurteils und dem 25. Oktober 2017 - dem Tag der Revisionsverhandlung - übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben.

5

Zur Begründung seiner Revision führt der Beklagte aus, der angegriffene Bescheid sei jedenfalls in seinem zuletzt noch streitgegenständlichen Umfang, der durch eine Bezugnahme auf die von der Klägerin angebotenen Glücksspielarten beschrieben werde, hinreichend bestimmt. Soweit die Klägerin Pokervarianten anbieten sollte, die als Geschicklichkeitsspiel einzustufen seien, seien diese nicht von der Untersagung erfasst. Die Glücksspielaufsicht sei zum Einschreiten gegen die Klägerin verpflichtet gewesen, weil das von dieser veranstaltete Online-Glücksspiel wegen Verstoßes gegen das Internetverbot (§ 4 Abs. 4 GlüStV 2008, jetzt GlüStV 2012) materiell nicht erlaubnisfähig gewesen sei. Vor dem Einschreiten gegen einzelne illegale Anbieter müsse kein Vollzugskonzept entworfen werden. Es liege wegen des großen Angebots an illegalem Glücksspiel im Internet in der Natur der Sache, dass nach Maßgabe der vorhandenen Kapazitäten der Behörde bekanntgewordene Fälle aufgegriffen und abgearbeitet würden. Das Internetverbot stehe auch mit der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 f. AEUV im Einklang. Wegen der spezifischen Gefahren des Anbietens von Spielen über das Internet sei es zur Bekämpfung der Spielsucht und zur Gewährleistung des Jugendschutzes erforderlich und angemessen.

6

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. September 2015 zu ändern, soweit es den Untersagungszeitraum ab dem 26. Oktober 2017 betrifft, und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. November 2011 insoweit zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision insoweit zurückzuweisen.

8

Sie hat erklärt, derzeit keine Glücksspiele mehr innerhalb der Europäischen Union anzubieten. Sie verteidigt das Berufungsurteil dennoch weiterhin und führt ergänzend aus, die Untersagung habe durch eine Auflistung der untersagten Glücksspiele im Einzelnen konkretisiert werden können und müssen. Die Beantwortung der Frage, ob ein Spiel als Glücksspiel einzustufen sei, dürfe nicht in ein etwaiges Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Der Senat sei an die im Berufungsurteil getroffene Feststellung gebunden, dass der Beklagte bei seinem Einschreiten gegen die Klägerin keine sachlichen Gründe für ein abgestuftes Vorgehen habe vorweisen können.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Vorbringen des Beklagten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Er trägt ergänzend vor, die Klägerin und der Beklagte seien aufgrund ihrer Sachkenntnis in der Lage, zu beurteilen, ob die von der Klägerin im Internet angebotenen oder vermittelten Sportwetten, Online-Poker- und -Casinospiele als Glücksspiel einzustufen sind. Das Willkürverbot verpflichtet den Beklagten nicht, auf der Grundlage eines landesweiten Handlungskonzepts flächendeckend und gleichzeitig gegen die Anbieter unerlaubten Glücksspiels im Internet vorzugehen.

Entscheidungsgründe

10

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben; insoweit sind die Urteile des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs wirkungslos (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Im Übrigen hat die Revision des Beklagten Erfolg. Insoweit beruht das angegriffene Berufungsurteil auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

11

1. Die Anfechtungsklage ist weiterhin zulässig. Die Untersagungsverfügung vom 21. Januar 2010 hat sich nicht dadurch erledigt, dass die Klägerin nach eigenem Bekunden keine Glücksspiele mehr innerhalb der Europäischen Union anbietet. Bei einer Änderung der Sachlage entfällt die Regelungswirkung eines Verwaltungsakts nicht automatisch. Ein Verwaltungsakt verliert seine Rechtswirkungen erst dann, wenn er aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage gegenstandslos geworden ist. Bei in die Zukunft gerichteten glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügungen setzt dies voraus, dass das untersagte Verhalten endgültig aufgegeben wurde oder nicht mehr aufgenommen werden kann (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 16 und - 8 C 47.12 - juris Rn. 15 f.). Das ist hier nicht der Fall. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin ihr eigenes Glücksspielangebot überhaupt aufgegeben hat. Im Impressum der in der Untersagungsverfügung genannten Webseiten wird nunmehr angegeben, "[u]nsere Dienstleistungen in den Mitgliedsländern des europäischen Binnenmarktes (ausgenommen Länder, in denen unsere Dienstleistungen unter einer lokalen Lizenz zur Verfügung gestellt werden) werden von V. Limited, einem Unternehmen mit Sitz in G. durchgeführt, das zur Europäischen Union gehört". Hiernach sind es weiterhin die Dienstleistungen der Klägerin, die von der V. Limited durchgeführt werden. Dementsprechend wird das im Impressum einleitend aufgeführte "Copyright" der Klägerin zugeschrieben und sie als Inhaberin einer Glücksspiellizenz nach dem Recht von G. bezeichnet, die sie sich - wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erläutert hat - mit der V. teilt. Jedenfalls verbietet die Untersagungsverfügung der Klägerin vorliegend auch eine Wiederaufnahme ihres Glücksspielangebots, sodass die Untersagung jedenfalls deshalb weiterhin eine Beschwer begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 12.12 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 285 S. 27). Dass die Klägerin die untersagten Tätigkeiten dauerhaft und endgültig aufgegeben hätte oder diese nicht wieder aufnehmen könnte, hat sie nicht substantiiert dargelegt.

12

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat den angegriffenen Bescheid, soweit er noch Streitgegenstand ist, zu Unrecht für unbestimmt gehalten und damit § 37 Abs. 1 VwVfG BW, der seinem Wortlaut nach § 37 Abs. 1 VwVfG entspricht und daher revisibel ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), verletzt.

13

Nach § 37 Abs. 1 VwVfG BW ist die hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts Voraussetzung seiner Rechtmäßigkeit. Kann einem Verwaltungsakt durch Auslegung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1975 - 6 C 163.73 - BVerwGE 48, 279 <281 f.>) kein eindeutiger Regelungsgehalt beigemessen werden, ist er nach § 37 Abs. 1 VwVfG rechtswidrig. Ob der Bescheid in solch einem Fall auch nichtig ist, regelt § 44 VwVfG. Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt dann, wenn der Adressat erkennen kann, was von ihm gefordert wird und wenn der Bescheid darüber hinaus geeignet ist, Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung zu sein. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <338> und vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 - BVerwGE 148, 146 <149>).

14

Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes und der speziellen Sachkunde des adressierten Fachkreises in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 <89> m.w.N.). Hinreichende Bestimmtheit liegt vor, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 6 C 20.02 - BVerwGE 119, 282 <284>).

15

Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügen die noch verfahrensgegenständlichen Regelungen des angegriffenen Bescheides. Sie betreffen ausschließlich die in dessen Begründung bezeichneten, von der Klägerin angebotenen Glücksspielarten der Online-Sportwetten, des Online-Poker und der Online-Casinospiele, nicht jedoch die darüber hinausgehende, von den Teilerledigungserklärungen umfasste Erstreckung der Verfügung auf jegliches von Baden-Württemberg aus abrufbare öffentliche Glücksspiel im Internet.

16

Der Gegenstand der verbliebenen, noch verfahrensgegenständlichen Regelungen des Bescheides wird durch die Benennung der Glücksspielarten (Online-Sportwetten, Online-Poker sowie Online-Casinospiele) bezeichnet und durch die Aufzählung der Internetseiten mit entsprechenden damaligen Spielangeboten der Klägerin in der Begründung des Bescheides konkretisiert. Dadurch wird die sachkundige Klägerin in die Lage versetzt, eindeutig zu erkennen, welche konkreten Glücksspiele unter die Verbotsverfügung im noch verfahrensgegenständlichen Umfang fallen. Die Bezeichnung der Glücksspielarten knüpft jeweils an den Zugang per Internet sowie an die Spielhandlung (Online-Sportwetten und -Poker) oder an die Zugehörigkeit zu denjenigen Glücksspielen an, die üblicherweise in Spielbanken angeboten werden (Casino-Spiele). Zu diesen zählt schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch neben dem sogenannten Großen Spiel (wie etwa Roulette und Baccara) auch das als Kleines Spiel bezeichnete Automatenspiel (etwa an Slot-Machines). Für die Klägerin als sachkundige Anbieterin ist damit klargestellt, dass die Verbotsverfügung neben den Online-Sportwetten, dem Online-Poker und den Online-Varianten des Großen Spiels auch Online-Varianten des sogenannten Kleinen Spiels erfasst. Etwa verbleibende Unsicherheiten bei der Zuordnung eines Spiels oder künftig geplanten Spielangebots - etwa hinsichtlich der Eingrenzung der von der Untersagungsverfügung erfassten dem Glücksspiel zugeordneten Pokerformen - räumt die beispielhafte Konkretisierung der untersagten Spielangebote durch die Aufzählung der Internetseiten aus, deren Angebote - für die Klägerin erkennbar - Anlass des Einschreitens des Beklagten waren. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass auch die mit dem Vollzug der Untersagungsverfügung befassten Mitarbeiter des Beklagten über die erforderliche Sachkunde verfügen, um auf der Grundlage des Verfügungsausspruchs und der bei Erlass des Bescheides festgestellten Spielangebote der Klägerin erkennen zu können, ob es sich bei den von der Klägerin möglicherweise zukünftig angebotenen Spielen um Sportwetten, Poker oder Casinospiele handelt. Einer detaillierten textlichen Beschreibung der von der Verfügung im Einzelnen erfassten Glücksspiele bedurfte es daher nicht.

17

Ein höheres Maß an Bestimmtheit ist nicht im Hinblick auf die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Glücksspielstaatsvertrages der Länder - hier in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - Erster GlüÄndStV) vom 15. Dezember 2011 (GBl. BW 2012, 385, 388) - bestehende Möglichkeit zur Auferlegung von Zahlungseinschränkungen gegenüber Dritten, insbesondere Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten (sog. Financial Blocking), geboten. Voraussetzung für eine Unterbindung der Zahlungsströme ist der Erlass weiterer Verfügungen gegenüber diesen Dritten, die losgelöst von der Untersagungsverfügung ihrerseits hinreichend bestimmt sein müssen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. August 2016 - 11 ME 61/16 - GewArch 2016, 425 <426>). Verfügungen, mit denen Dritten Zahlungseinschränkungen auferlegt werden, um unerlaubte Glücksspielaktivitäten zu unterbinden, stellen keine Vollstreckung aus einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung dar, sondern unabhängige Instrumente der Glücksspielaufsicht, die an "unerlaubtes" und nicht an untersagtes Glücksspiel anknüpfen. Gleiches gilt im Hinblick auf eine etwaige Strafbarkeit des unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 StGB. Die Frage nach einer etwaigen Strafbarkeit stellt sich unabhängig von der Vollstreckung einer Untersagungsverfügung. Insofern muss das Strafgesetz seinerseits hinreichend bestimmt sein.

18

Die Untersagungsverfügung genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG BW schließlich auch, soweit mit ihr das "Unterstützen" der Veranstaltung oder Vermittlung von bzw. Werbung für Online-Sportwetten, Online-Poker oder Online-Casinospiele untersagt wird. Was "Unterstützen" im glücksspielrechtlichen Kontext meint, ist zwar weder gesetzlich festgelegt noch durch die Rechtsprechung im Einzelnen geklärt (vgl. aber z.B. zum Aufenthaltsrecht: BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 28 ff.). Aus dem üblicherweise mit dem Wort "Unterstützen" verbundenen Bedeutungsgehalt und der für den Adressaten ohne Weiteres erkennbaren Intention der Erlassbehörde wird aber unzweifelhaft deutlich, dass sämtliche Beiträge unterbunden werden sollen, mit denen die im Einzelnen bezeichneten, der Klägerin selbst untersagten Tätigkeiten als Tätigkeiten Dritter gefördert werden, etwa durch Zurverfügungstellen einer Domain oder finanzieller oder personeller Ressourcen. Die Erfassung von solchen Unterstützungshandlungen soll verhindern, dass der Adressat des Bescheides das Verbot durch eine lediglich wirtschaftliche oder technische Neustrukturierung seines Glücksspielangebots unterläuft, insbesondere durch Auslagern der untersagten Tätigkeit auf Dritte.

19

3. Auch die weitere selbständig tragende Erwägung des Berufungsgerichts, die Untersagungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, verletzt Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Ermessensverstoß mit der Begründung bejaht, selbst bei einer Reduzierung des Entschließungsermessens auf Null habe der Beklagte gegen die Klägerin nur aufgrund eines im Lichte der Anforderungen der Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG tragfähigen Eingriffskonzepts einschreiten dürfen. Das Erfordernis eines vorherigen Eingriffskonzepts auch bei einer Verpflichtung zum Einschreiten im konkreten Fall ist jedoch weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG zu entnehmen.

20

a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hängt die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung eines zeitlich gestaffelten Vorgehens in Fällen der Ermessensreduzierung auf Null nach Art. 3 Abs. 1 GG nur vom Vorliegen zureichender sachlicher Gründe für etwaige Differenzierungen und nicht zusätzlich davon ab, dass die Behörde vor dem ersten Zugriff ein Eingriffskonzept erstellt hat und auf dessen Grundlage vorgegangen ist. Zwar bindet ein etwa erstelltes Konzept die Behörde als antizipierte Verwaltungspraxis gleichheitsrechtlich ebenso wie eine bereits bestehende Praxis. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt aber keine Pflicht, vor dem gesetzlich gebotenen Zugriff ein behördliches Eingriffskonzept zu erstellen.

21

Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt als gesetzliche Ermessensgrenze die Handlungsmöglichkeiten der Behörden. Ermächtigt ein Gesetz dazu, unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Verhaltensweisen nach Ermessen zu untersagen, und lässt es damit der Behörde die Wahl, nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zwischen mehreren Rechtsfolgen zu wählen, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, das Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde von der Ermessensermächtigung gedeckte Maßnahmen zur Bekämpfung rechtswidriger Zustände, so hat sie in vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen zwar nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Es ist ihr indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Behandelt sie mehrere Fallgruppen unterschiedlich, so bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes. Dasselbe gilt, wenn sie sich darauf beschränkt, einen Einzelfall herauszugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2014 - 8 C 36.12 - NVwZ 2014, 1583 m.w.N.).

22

Anders verhält es sich, wenn die Behörde, wie hier vom Verwaltungsgerichtshof unterstellt, zum Einschreiten verpflichtet ist. Bei einer Ermessensreduzierung auf Null hat die Behörde keine Handlungsalternativen mehr, zwischen denen sie nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auswählen kann. Sie muss vielmehr in allen Fällen, in denen eine Reduzierung des Entschließungsermessens eingetreten ist, einschreiten. Daher muss sie für ihr Einschreiten gegen einen Ordnungspflichtigen regelmäßig keinen - weiteren - Sachgrund anführen. Begründungsbedürftig ist vielmehr allenfalls ein vorübergehendes Absehen von einem Einschreiten. Sachgründe, die geeignet sind, ein vorübergehendes Absehen von einem an sich sofort gebotenen Einschreiten zu rechtfertigen, können mangelnde personelle Ressourcen, aber auch der Wunsch der Behörde sein, zunächst ein Musterverfahren durchzuführen, um ihre Rechtsansicht gerichtlich überprüfen zu lassen.

23

Entscheidet eine Behörde sich, den Einsatz ihrer begrenzten Ressourcen, die kein gleichzeitiges Einschreiten gegen alle Störungen ermöglichen, an einem Plan auszurichten, muss sie sich, um Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu verletzen, an ihn halten. Fehlt es an einem Plan, so genügt es, dass sich ein Einschreiten der Behörde nicht als willkürlich darstellt. Dafür reicht es beispielsweise aus, wenn die Behörde Anhaltspunkten für Gesetzesverstöße nachgeht und einschreitet, sobald sie im regulären Gang der Verwaltung die Überzeugung gewonnen hat, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten gegeben sind (vgl. zu Bauordnungsverfügungen: BVerwG, Beschluss vom 11. März 1991 - 4 B 26.91 - juris Rn. 5). Sie ist vor dem Gleichheitsgebot nicht gehalten, ein Handlungskonzept für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen mehrere Störungen aufzustellen oder gar Störungen, für die ein Einschreiten in Betracht kommt, zu ermitteln, um dann gestuft nach der Schwere der Verstöße einzuschreiten.

24

Die Forderung des Berufungsgerichts, die zeitliche Reihenfolge des Vorgehens gegen Anbieter von Internetglücksspielen an deren Marktpräsenz, Umsätzen oder Gewinn auszurichten, überspannt diese Anforderungen deutlich. Seine für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen liefern keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte einen Plan für sein Einschreiten verlassen hätte oder gar willkürlich vorgegangen wäre.

25

b) Das Aufstellen eines Zeitplans für das ordnungsbehördliche Einschreiten ist vorliegend auch nicht unter dem Aspekt des Konkurrenzschutzes durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Wird ein Konkurrent erst später als die Klägerin mit einer Untersagungsverfügung überzogen, obwohl die Voraussetzungen dafür auch ihm gegenüber schon zum Zeitpunkt des Einschreitens gegen die Klägerin vorlagen, mag er zwar daraus einen faktischen Wettbewerbsvorteil ziehen können. Daraus folgt jedoch kein Recht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG, die eigene Tätigkeit bis zum Einschreiten - auch - gegen den Konkurrenten fortsetzen zu dürfen. Die Berufsfreiheit schützt nämlich keine Tätigkeiten, die der Gesetzgeber grundrechtskonform als unerlaubt eingestuft hat (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397>). Sie vermittelt keinen Anspruch darauf, aus wirtschaftlichen Gründen die mit dem Internetverbot bekämpften Gefahren für wichtige Rechtsgüter herbeiführen zu dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <6>).

26

4. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruht mangels tragfähiger Alternativbegründung auf der dargestellten Verletzung revisiblen Rechts und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die noch verfahrensgegenständlichen Regelungen der Untersagungsverfügung sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Revisionsentscheidung rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in deren Rechten.

27

a) Ermächtigungsgrundlage für Ziffer 1 und 2 der angegriffenen Verfügung vom 21. Januar 2010, soweit diese den noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum seit dem 26. Oktober 2017 betreffen, sind § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland in der derzeit geltenden Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland - GlüStV 2012 - i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 2 des Landesglücksspielgesetzes BW - LGlüG. Die genannten Vorschriften ermächtigen die zuständigen Behörden zum Erlass der erforderlichen Anordnungen, um Verstöße gegen die durch den Glücksspielstaatsvertrag begründeten Verpflichtungen zu unterbinden. Die Behörden dürfen insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und Werbung hierfür untersagen. § 3 Abs. 4 Satz 2 LGlüG legt auf der Grundlage von § 28 Satz 2 GlüStV 2012 weitergehend fest, dass die Veranstaltung und die Vermittlung unerlaubten Glücksspiels sowie die Werbung hierfür untersagt werden sollen.

28

Die Voraussetzungen für eine Untersagung sind hiernach erfüllt. Die Klägerin bedarf für die von ihr im Internet veranstalteten Poker- und Casinospiele einer Erlaubnis (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 GlüStV 2012), die sie nicht hat und die ihr auch nicht erteilt werden kann. Das Veranstalten und Vermitteln dieser öffentlichen Glücksspiele im Internet und die Werbung hierfür sind ausnahmslos verboten (§ 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 GlüStV 2012; dazu sogleich unter b).

29

Die von der Klägerin im Internet veranstalteten Sportwetten stehen ebenfalls unter Erlaubnisvorbehalt. Insoweit hätte die Klägerin zwar möglicherweise nach § 10a Abs. 1 und 2, 4 GlüStV 2012 eine Erlaubnis erhalten können. Sie hat eine solche aber noch nicht einmal beantragt (dazu unter c). Das Regierungspräsidium war auch zum Einschreiten gegen die Klägerin verpflichtet. Wird die Ermessensausübung durch eine Soll-Vorschrift gesteuert, hat die zuständige Behörde grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Liegen keine Umstände vor, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, so bedeutet das "Soll" ein "Muss" (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1982 - 5 C 70.80 - BVerwGE 64, 318 <323>). Solche Umstände waren hier auch hinsichtlich der von der Klägerin veranstalteten Sportwetten nicht gegeben. Eine formell illegale, aber unter Erlaubnisvorbehalt stehende Tätigkeit ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit allenfalls dann zu dulden, wenn sie offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar, die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt, sodass die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 <322> und Beschluss vom 25. Februar 2015 - 8 B 36.14 - ZfWG 2015, 227). Wenn der betroffene Glücksspielanbieter - wie hier - weder einen Erlaubnisantrag gestellt noch unabhängig davon aussagekräftige Unterlagen vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass die Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind, ist nicht ohne weitere Prüfung erkennbar, dass dessen Angebot zu erlauben wäre. Da das Ermessen nach den landesrechtlichen Vorgaben grundsätzlich zum Einschreiten intendiert ist, bedurfte es insoweit keiner besonderen Ermessenserwägungen des Beklagten.

30

b) Soweit der Bescheid vom 21. Januar 2010 auf die Untersagung des Online-Poker- und Online-Casinospielangebots zielt, kann der Klägerin das Internetverbot des § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 entgegengehalten werden. Es steht mit Verfassungs- und Unionsrecht im Einklang. Wie der Senat (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1), das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338) und der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteile vom 8. September 2009 - C-42/07 [ECLI:EU:C:2009:519], Liga Portuguesa -, vom 8. September 2010 - C-316/07 [ECLI:EU:C:2010:504], Markus Stoß - und - C-46/08 [ECLI:EU:C:2010:505], Carmen Media - und vom 30. Juni 2011 - C-212/08 [ECLI:EU:C:2011:437], Zeturf -) zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Dass nunmehr nach § 4 Abs. 5 des geänderten Glücksspielstaatsvertrages der Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sport- bzw. Pferdewetten (vgl. § 27 Abs. 2 GlüStV 2012) im Internet erlaubt werden können, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

31

aa) Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <12>, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, a.a.O., Carmen Media - Rn. 102 f., 105).

32

Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten (so die amtl. Erläuterungen zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag, S. 18 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 65, unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG). Den spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). So soll die in § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2012 hervorgehobene Schwarzmarktbekämpfung unter anderem durch die teilweise Öffnung des Internets für erlaubte Lotterie- sowie Sport- und Pferdewettangebote verwirklicht werden. Damit wird bezweckt, die Nachfrage spielaffiner Personen in Richtung der legalen Angebote und bei diesen wiederum in Richtung der, insbesondere aus suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefahrenträchtigen Spielformen zu lenken (amtl. Erl. S. 6 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 53). Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59).

33

Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- (bb) und unionsrechtskonform (cc).

34

bb) Das Internetverbot verstößt weiterhin nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Verfassungsrechtlich ist dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten bei der Bestimmung der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme ein Einschätzungs- und Prognosespielraum eingeräumt, der erst dann überschritten wird, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 133; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 <143>). Gemessen daran stellt seine begrenzte und regulierte Öffnung des Vertriebswegs Internet für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten die Geeignetheit des Internetverbots nicht in Frage. Das von den Ländern gewählte Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Kanalisierung herbeiführen, die das Angebot an Glücksspielen beschränkt und die Transparenz des Spielbetriebs fördert. Die zuständigen Landesbehörden werden durch das Erlaubniserteilungsverfahren in die Lage versetzt, unmittelbar Einfluss auf die Zahl und die Personen der auf dem Glücksspielmarkt tätigen Veranstalter und Vermittler zu nehmen (vgl. dazu bereits BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338). Im Übrigen ist das modifizierte Internetverbot weiterhin geeignet, die Zwecke des Glücksspielstaatsvertrages zu erreichen, indem es den Spieler zwingt, die ihm unterfallenden Glücksspielangebote real aufzusuchen und so die spielsuchtfördernde häusliche Online-Spielvariante zu vermeiden.

35

Das Verbot ist auch erforderlich, die damit verfolgten legitimen Zwecke zu erreichen. Gleich geeignete mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Dass die Länder von der Möglichkeit, den gesamten Glücksspielmarkt im Internet zu legalisieren, unter Verweis auf die hohe Manipulationsanfälligkeit von Casinospielen und Poker, deren herausragendes Suchtpotenzial sowie ihre Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche abgesehen haben, erscheint nicht als offensichtlich fehlsam.

36

Die Regelung ist auch weiterhin verhältnismäßig im engeren Sinne. Wenn schon das generelle Internetverbot angemessen war (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <8>), gilt dies erst recht für ein Internetverbot, von dem für bestimmte Fallgruppen im Erlaubniswege Ausnahmen gemacht werden können.

37

Das Internetverbot in seiner Ausgestaltung durch § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ausnahmen vom Internetverbot für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 werden durch die vom Gesetzgeber angestrebte Kanalisierung des Glücksspiels im oben dargestellten Sinne und die geringere Suchtgefahr bei den ausnahmsweise zulässigen Spielformen sachlich gerechtfertigt.

38

cc) Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 ist auch mit Unionsrecht vereinbar. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die - wie die Klägerin - ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen.

39

Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - C-316/07, a.a.O., Markus Stoß - und - C-46/08, a.a.O., Carmen Media -). Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2014 - C-390/12 [ECLI:EU:C:2014:281], Pfleger -). Gleichwohl obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand derer dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - C-316/07, a.a.O., Markus Stoß - Rn. 71, vom 15. September 2011 - C-347/09 [ECLI:EU:C:2011:582], Dickinger/Ömer - Rn. 54 und vom 30. April 2014 - C-390/12, a.a.O., Pfleger -). Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind (vgl. EuGH, Urteile vom 30. April 2014 - C-390/12, a.a.O., Pfleger -, vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:EU:C:2015:386], Berlington Hungary - und vom 14. Juni 2017 - C-685/15 [ECLI:EU:C:2017:452], Online Games -).

40

Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Mit der kontrollierten Zulassung des Vertriebswegs Internet für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten soll den unerlaubten Angeboten im Internet zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2012 eine legale, sichere und den Spielerschutz gewährleistende Alternative gegenübergestellt werden. Eine begrenzte Erlaubnis von Glücksspielen im Rahmen von Sonder- oder Ausschließlichkeitsrechten kann der Verwirklichung der im Allgemeininteresse liegenden Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung dienen, da sie die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen lenkt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-98/14, a.a.O., Berlington Hungary -). Etwaige praktische Probleme des Staates, Verbote im Glücksspielwesen wirksam durchzusetzen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Internet als einem schwer zu kontrollierenden transnationalen Medium, vermögen die grundsätzliche Eignung der Maßnahme nicht in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-316/07, a.a.O., Markus Stoß - Rn. 86 f.).

41

Das Internetverbot trägt auch nach Zulassung der Ausnahmen für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten in systematischer und kohärenter Weise zur Erreichung der dargelegten Ziele des Glücksspielstaatsvertrages bei. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 31 ff., 51 ff. m.w.N. und vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 <165>). Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 53 und 55).

42

Die teilweise Zulassung der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet widerspricht keiner konsequenten Eindämmung der den Glücksspielen immanenten Gefahren. Sie bezieht sich lediglich auf die nach Einschätzung des Gesetzgebers unter suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefährlichen Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten. Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Darüber hinaus ist die ausnahmsweise Erlaubniserteilung für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 an strenge Voraussetzungen geknüpft, die dem spezifischen Gefährdungspotenzial des Online-Glücksspiels Rechnung tragen (vgl. zur Übergangsregelung des § 25 Abs. 6 GlüStV 2008: BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338). Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen. Lotterien mit hoher Ziehungsfrequenz, die dadurch zum Weiterspielen animieren, sind im Internet daher nicht erlaubnisfähig. Entsprechendes gilt für Sportwetten, bei denen nach § 21 Abs. 4 Satz 4 GlüStV 2012 ein generelles Verbot von Live-Ereigniswetten besteht. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit die begrenzte und regulierte Zulassung von Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet die Erreichung des Ziels der Suchtbekämpfung bei im Internet weiterhin verbotenen Glücksspielen konterkarieren würde.

43

Dass es bei der Prüfung der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen (vgl. EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-464/15 [ECLI:EU:C:2016:500], Admiral - und vom 14. Juni 2017 - C-685/15, a.a.O., Online Games -), führt zu keiner anderen Beurteilung. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die partielle und streng regulierte Öffnung des Internetvertriebswegs hinsichtlich der Sportwetten ausdrücklich Experimentiercharakter hat (vgl. § 10a GlüStV 2012). Im Rahmen der Experimentierklausel soll erprobt werden, ob sich durch ein kontrolliertes Angebot privater Konzessionäre die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, insbesondere das Ziel, den Schwarzmarkt zurückzuführen bzw. in ein legales Feld zu überführen (vgl. amtl. Erl. S. 8 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 55), besser verwirklichen lassen. Die Experimentierklausel ist gerade darauf angelegt, Erfahrungen zu sammeln und die Ergebnisse der probeweisen Öffnung systematisch zu beobachten und auszuwerten (vgl. amtl. Erl. S. 10 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 57). Da dieses Experiment noch nicht abgeschlossen ist, sondern die Erteilung der zahlenmäßig limitierten Sportwettenkonzessionen angesichts noch hierzu anhängiger gerichtlicher Verfahren weiterhin aussteht, kann die probeweise Öffnung des Vertriebswegs Internet, insbesondere hinsichtlich seiner Eignung, noch nicht abschließend bewertet werden. Die beschränkte Öffnung für Online-Lotterien und -Pferdewetten steht zwar nicht unter diesem Experimentiervorbehalt. Es fehlen aber jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die regulierte Öffnung dieser Glücksspielarten eine allgemeine Spielleidenschaft über diesen begrenzten Markt hinaus entfacht hätte.

44

c) Soweit der Bescheid vom 21. Januar 2010 auf das Online-Sportwettenangebot der Klägerin zielt, kann ihr das Fehlen der erforderlichen Erlaubnis entgegengehalten werden. Sie hat nach eigenem Bekunden nicht an dem Sportwettenkonzessionsverfahren teilgenommen, obwohl ihr eine Antragstellung rechtlich und faktisch möglich gewesen wäre.

45

Die normative Ausgestaltung des Konzessionserteilungsverfahrens für Sportwetten in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012 bietet eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung des Erlaubnisverfahrens und ist insbesondere unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Als eine die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 f. AEUV beschränkende Regelung genügt der Erlaubnisvorbehalt nur dann den Anforderungen dieser Bestimmungen, wenn das Erlaubnisverfahren auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden zum Schutz vor willkürlichen Entscheidungen hinreichende Grenzen setzen. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden Maßnahme betroffen ist, ein wirkungsvoller Rechtsweg offenstehen (vgl. EuGH, Urteile vom 3. Juni 2010 - C-203/08 [ECLI:EU:C:2010:307], Sporting Exchange - Rn. 50, vom 8. September 2010 - C-46/08, a.a.O., Carmen Media - Rn. 87 und vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Ince; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 <321> und vom 20. Juni 2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 54). Diesen Anforderungen tragen die an die EU-Kommission notifizierten Regelungen über die Erteilung einer Sportwettenkonzession in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012, insbesondere durch das in § 4b GlüStV 2012 geregelte Verfahren, Rechnung. § 4b Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 gibt vor, dass die Konzessionen nach Aufruf zur Bewerbung und Durchführung eines transparenten, diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens erteilt werden. Die in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012 geregelten Anforderungen ermöglichen eine präventive Prüfung insbesondere der für die Wetttätigkeit erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit und der Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes (vgl. § 4a Abs. 4 GlüStV 2012). Durch die in § 4b Abs. 5 GlüStV 2012 genannten und in § 4b Abs. 2 GlüStV 2012 konkretisierten Auswahlkriterien wird das Ermessen der Auswahlbehörde hinreichend begrenzt. Es werden detailliert die Unterlagen aufgeführt, welche die Grundlage der Auswahlentscheidung bilden müssen. Ob das Konzessionsverfahren tatsächlich nach diesen gesetzlichen Kriterien abläuft und ob eine auf dieser Grundlage erteilte oder abgelehnte Konzessionsentscheidung rechtmäßig ist, kann jeder Bewerber gerichtlich überprüfen lassen. Dabei kann er zur effektiven Durchsetzung seiner Rechte auch um Eilrechtsschutz nachsuchen.

46

Hat es die Klägerin trotz dieser ausreichenden rechtlichen Rahmenbedingungen unterlassen, einen Antrag auf Erteilung einer Sportwettenkonzession zu stellen, obwohl ihr dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre, kann sie sich nicht darauf berufen, dass das gesetzlich ausreichend geregelte Konzessionsverfahren in seiner praktischen Umsetzung gegenüber denjenigen, die einen Antrag gestellt haben, rechtsfehlerhaft durchgeführt worden wäre. Sie kann folglich nicht geltend machen, dass das zuständige Hessische Ministerium des Innern und für Sport in seinem Verwaltungsverfahren zur Vergabe der 20 Sportwettenkonzessionen nach ihrer Auffassung normative Vorgaben nicht beachtet oder diese nicht in angemessener Zeit umgesetzt habe. Denn diese rechtlichen Fragen betreffen eine etwaige Verletzung eines Bewerberverfahrensanspruchs aus Art. 3 Abs. 1 GG, die nur derjenige geltend machen kann, der überhaupt zum Kreis der Bewerber gehört. Überdies berühren solche Einwände gegen die tatsächliche Durchführung des Erlaubnisverfahrens allein die Rechtmäßigkeit einer zukünftigen Konzessionsentscheidung, die am Maßstab der gesetzlichen (Verfahrens-)Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages und des Verfassungs- und Unionsrechts selbständig überprüfbar wäre. Eine solche in einem Konzessionsverfahren gegenüber der Klägerin ergangene Entscheidung steht aber vorliegend im Verfahren zur Anfechtung einer Untersagungsverfügung nicht zur Prüfung.

47

Abweichendes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach einem Wirtschaftsteilnehmer nicht vorgeworfen werden kann, auf eine Bewerbung um eine Konzession angesichts fehlender Rechtssicherheit verzichtet zu haben (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - C-72/10 und C-77/10 [ECLI:EU:C:2012:80], Costa und Cifone -). Sie betrifft den - hier nicht vorliegenden - Fall, dass der Wirtschaftsteilnehmer von einer früheren Konzessionsausschreibung unionsrechtswidrig ausgeschlossen worden war und sich deshalb bei einer späteren, erneuten Ausschreibung nicht nochmals um die Erteilung einer Konzession bemühte. Soweit der Europäische Gerichtshof des Weiteren entschieden hat, dass die Anwendung der fraglichen Vorschriften gegenüber allen Bietern transparent sein müsse (EuGH, Urteil vom 22. Juni 2017 - C-49/16 [ECLI:EU:C:2017:491], Unibet -), betraf dies nationale Vorschriften, die dem Wirtschaftsminister die Auswahl zwischen einem transparenten und einem intransparenten Verfahren überließen, und nicht solche Normen, die - wie hier - ausschließlich die Durchführung eines transparenten Verfahrens vorsehen. Dass § 10a Abs. 3 GlüStV 2012 die Anzahl der höchstens zu erteilenden Konzessionen auf 20 begrenzt, berührt nicht die Transparenz des Auswahlverfahrens und ist angesichts der hierfür genannten tragfähigen Gründe (vgl. amtl. Erl. S. 11 = LT-Drs. BW 15/1570 S. 58) auch nicht willkürlich.

48

d) Ist das nach § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 vorgesehene teilweise Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar, gilt Entsprechendes für das Verbot, im Internet für Glücksspiele zu werben (§ 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2012), von dem Ausnahmen lediglich für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten möglich sind (§ 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV 2012). Mit der Nutzung des Internets als Werbemedium ist eine besonders starke Anreizwirkung verbunden, die mit den Zielen der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und des Jugendschutzes unvereinbar wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <18>). Soweit das Spielangebot im Internet zugelassen wird, entspricht es der angestrebten Kanalisierungswirkung, es dort auch bewerben zu dürfen (vgl. amtl. Erl. S. 29 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 76). Dem Ziel der Suchtprävention wird durch die nach § 5 Abs. 1, 2 und 4 GlüStV 2012 geltenden Werberestriktionen Rechnung getragen.

49

Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides vom 21 Januar 2010, die auf §§ 20, 18, 19 und 23 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg beruht, und die in Ziffer 4 des Bescheides auf der Grundlage von §§ 1, 4, 7 und 12 Abs. 4 des Landesgebührengesetzes gestützte Gebührenfestsetzung sind rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit die Revision des Beklagten erfolgreich war, sind der Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen. Der Beklagte trägt gemäß § 161 Abs. 2 VwGO jedoch die Kosten des hinsichtlich weiterer unbenannter Glücksspielarten in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits, weil die Klägerin nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung insoweit voraussichtlich obsiegt hätte. Die Untersagungsverfügung war, soweit sie über die von der Klägerin konkret angeboten Glücksspielarten hinaus das Veranstalten, Vermitteln, hierfür Werben und Unterstützen jeglichen Glücksspiels im Sinne von § 3 GlüStV 2012 auf Internetseiten, die von Baden-Württemberg aus erreichbar sind, untersagte, nicht hinreichend bestimmt. Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 GlüStV 2012, auf den die Verfügung in ihrem Untersagungstenor Bezug nahm, war auch für den fachkundigen Adressaten nicht so eindeutig, dass dieser unzweifelhaft erkennen konnte, welche Verhaltensweisen für ihn noch erlaubt und welche schon verboten waren. Den insoweit möglicherweise drohenden Streit konnte der Beklagte nicht durch Verwendung des Gesetzeswortlautes im Tenor seines Bescheides in das Vollstreckungsverfahren verlagern. Entsprechend bestimmt sich die Kostenlast bezüglich des von den Teilerledigungserklärungen umfassten Untersagungszeitraums bis zur Revisionsverhandlung. Es entspricht billigem Ermessen, den Umfang des voraussichtlichen Unterliegens des Beklagten mit einem Viertel des Streitwertes zu bemessen und eine dementsprechende quotale Kostentragung anzusetzen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Untersagungsverfügung wegen unerlaubten Glücksspiels.

2

Die Klägerin - ein Medienunternehmen - bot in der Bundesligasaison 2009/2010 auf ihrer Webseite www... ein Bundesligamanagerspiel ("...") an und machte hierfür Werbung. Den Spielregeln zufolge stellt jeder Teilnehmer aus Spielern der ersten Fußballbundesliga eine fiktive Mannschaft zusammen, die während einer Bundesligasaison nach festgelegten Bewertungskriterien mit ebenfalls fiktiven Mannschaften anderer Teilnehmer konkurriert. Pro Mannschaft entrichtet der Teilnehmer, der mit höchstens zehn Mannschaften antreten kann, einen Betrag von 7,99 €, wobei jede dritte Mannschaft eines Teilnehmers kostenlos ist. Nach der Zahlung registrieren sich die Spieler über das Internet und stellen für jeden Spieltag ihre Mannschaft zusammen. Vom Veranstalter erhalten die Teilnehmer laufend Bewertungen für die Spieler ihrer Mannschaft. Es werden monatlich Sachpreise für die besten fünf Teilnehmer der nach Geschicklichkeitsstufen eingeteilten drei Ligen und am Ende der Saison für die Plätze 4 bis 100 ausgeschüttet. Geldpreise erhalten die Bestplatzierten nach der Hin- und Rückrunde (insgesamt je 8 000 €) sowie die drei Bestplatzierten der Gesamtwertung am Ende der Saison (insgesamt 135 000 €). Die Vergabe der Punkte an die Teilnehmer erfolgt zum einen auf der Grundlage der Bewertung der einzelnen Bundesligaspieler durch eine Jury der ...-Redaktion, zum anderen aufgrund bestimmter weiterer Bewertungskriterien, die im Verhältnis zur Redaktionsbewertung der Spieler eine doppelte Wertigkeit haben.

3

Nach Anhörung der Klägerin untersagte ihr das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Verfügung vom 12. November 2009, in Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Nr. 1). Ferner wurde verfügt, die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung vorbezeichneter Tätigkeiten dem Regierungspräsidium Karlsruhe schriftlich mitzuteilen (Nr. 2). Für den Fall, dass die Klägerin den Verpflichtungen aus den Nummern 1 und 2 der Verfügung bis zwei Wochen nach Bekanntgabe der Verfügung nicht nachkam, wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 € angedroht (Nr. 3). Zur Begründung der Verfügung wurde ausgeführt: Die Untersagung beruhe auf § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Bei dem von der Klägerin veranstalteten Turnier handele es sich um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV.

4

Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen, weil es sich bei dem von der Klägerin angebotenen Bundesligamanagerspiel um öffentliches Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages handele. Die Klägerin verfüge nicht über die dazu erforderliche Erlaubnis. Zudem verstoße sie gegen das Internetverbot. Die Verfügung sei auch im Übrigen ermessensfehlerfrei.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2009 aufgehoben. Ferner hat er festgestellt, dass die Klägerin in Baden-Württemberg ohne Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV berechtigt ist, im Internet das in der Bundesligasaison 2009/2010 unter der Domain www... angebotene Managerspiel zu veranstalten. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV seien nicht gegeben. Bei dem von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 angebotenen Fußballmanagerspiel handele es sich nicht um Glücksspiel im Sinne des Gesetzes. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV liege ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt werde und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge. Letzteres könne offenbleiben. Jedenfalls fehle es für die Einordnung als Glücksspiel an dem erforderlichen Erwerb einer Gewinnchance gegen Entgelt. Bei dem von der Klägerin erhobenen Betrag von 7,99 € pro Team handele es sich nicht um ein solches Entgelt. Unter "Entgelt" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sei nicht jede geldwerte Leistung zu verstehen, die für die Teilnahme am Spiel erbracht werde. Voraussetzung sei vielmehr, dass gerade aus diesem Entgelt die Gewinnchance des Einzelnen erwachse (sogenannter Einsatz). Daran fehle es bei einer Teilnahmegebühr, die bloß eine Mitspielberechtigung gewähre, etwa um die Spieler an den Aufwendungen für die Organisation des Spiels zu beteiligen. Insoweit stimme der Glücksspielbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV mit dem strafrechtlichen Glücksspielbegriff des § 284 StGB überein. Das in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vorausgesetzte Entgelt müsse in den Gewinn einfließen. Für diese Deutung sprächen der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrages, die auf eine Deckungsgleichheit des Glücksspielbegriffs im Glücksspielstaatsvertrag und im Strafrecht schließen ließen. Darüber hinaus stünden nur solche Glücksspiele einer Regelung durch Landesgesetz offen, die der Begriffsbestimmung des § 284 StGB unterlägen. Da die Teilnahmegebühr hier lediglich der Deckung der Veranstaltungskosten, nicht aber der Finanzierung der von Sponsoren zur Verfügung gestellten Gewinne diene, erwachse aus ihr nicht die Gewinnchance des Einzelnen. Die von der Klägerin erhobene Teilnahmegebühr ermögliche lediglich die Teilnahme am Spiel und sei stets verloren.

6

Selbst wenn das Bundesligamanagerspiel als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages anzusehen sein sollte, sei die Untersagungsverfügung nicht ermessensfehlerfrei ergangen, schon weil der Beklagte offensichtlich unzutreffend davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem Fußballmanagerspiel der Klägerin um die strafbare Veranstaltung öffentlichen Glücksspiels nach § 284 StGB handele. Zudem habe der Beklagte nicht sämtliche für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Gesichtspunkte in seine Erwägungen eingestellt. Zwar könne er sich bei der Ausübung seines Untersagungsermessens von dem Ziel der Suchtvorbeugung und -bekämpfung und den weiteren in § 1 GlüStV genannten Zielen leiten lassen. Bei relativ geringen Einsätzen, die zudem nur einmal im Jahr - zu Beginn der Bundesligasaison - zu leisten seien und dann zur Teilnahme an dem Managerspiel über den Zeitraum einer ganzen Bundesligasaison berechtigten, sei jedoch die Gefahr, dass die Spielsucht die Lebensgrundlage zerstören und zu Beschaffungskriminalität führen könne, ebenso nahezu ausgeschlossen wie die Gefahr der Geldwäsche, Manipulation oder nicht ordnungsgemäßer Gewinnauszahlung durch den Veranstalter. Kennzeichnend für das pathologische Glücksspiel und dessen Gefahren sei insbesondere das Kriterium des sich wiederholenden und gegebenenfalls steigernden Einsatzes zur Erreichung und Steigerung des Gewinns. Dies sei bei dem Managerspiel der Klägerin nicht gegeben.

7

Zur Begründung seiner Revision trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Der Verwaltungsgerichtshof gehe von einem fehlerhaften Verständnis des § 284 StGB aus. Der Strafrechtsgesetzgeber habe den Begriff des Glücksspiels nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei neben der Zufallsabhängigkeit die Zahlung eines Einsatzes erforderlich. Unter Einsatz verstehe der Bundesgerichtshof eine Leistung, die erbracht werde in der Hoffnung, im Falle eines Gewinns eine gleich oder höhere Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass diese im Falle des Verlierens dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheim falle. Diese Definition verlange nicht, dass der Einsatz zur Finanzierung der Gewinne herangezogen werde. Wende man diese Maßstäbe des Bundesgerichtshofs auf das Managerspiel der Klägerin an, dann handele es sich bei dem Entgelt, das je nach der Zahl der Mannschaften pro Spieler zwischen 7,99 € und 55,93 € betrage, um einen Einsatz im Sinne des § 284 StGB. Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und der Möglichkeit, die ausgelobten Gewinne zu erhalten. Da diese Gewinne im Verhältnis zu dem zu zahlenden Entgelt sehr hoch seien, dürfte die Aussicht auf die ausgelobten Gewinne für viele Spieler auch einen Anreiz setzen, an dem Spiel teilzunehmen. Es sei anerkannt, dass auch kleine Lotterien im Sinne des § 18 GlüStV, deren Gewinne häufig von Sponsoren finanziert würden, Glücksspiele im Sinne des Gesetzes seien. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne auch, dass bei jedem Glücksspiel der Einsatz stets verloren sei. Der Spieler erhalte den Einsatz im Falle eines Gewinnes nicht zurück, sondern erhalte nur den Gewinn. Man könne bei dem Entgelt des Managerspiels auch keine Parallele zu den Eintrittsgeldern bei den Spielbanken ziehen, die in der Tat nicht als glücksspielrechtliches Entgelt angesehen werden könnten. Überdies habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Begriffs "öffentliches Glücksspiel" entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bewusst weiter gefasst als der Strafgesetzgeber und dazu im Glücksspielstaatsvertrag eine eigene gesetzliche Definition des Glücksspiels aufgenommen. Danach sei das Vorliegen eines Glücksspiels nur dann ausgeschlossen, wenn für die Teilnahme an dem Spiel keinerlei Entgelt verlangt werde. Bei Glücksspielen im Internet liege stets eine Ermessensreduktion auf Null vor. Nichts anderes könne beim Anbieten von Glücksspielen über das Internet gelten. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch das Verhältnismäßigkeitsgebot fehlerhaft angewendet. Eine Untersagungsverfügung, die der Klägerin nur das untersage, was ihr auch kraft Gesetzes verboten sei, belaste die Klägerin nicht zusätzlich.

8

Der Beklagte beantragt,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2009 aufgehoben und festgestellt wird, dass das von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 im Internet unter der Domain www... angebotene "Managerspiel" kein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV ist.

10

Sie verteidigt das angegriffene Urteil des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat den streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2009 zu Recht aufgehoben (1.). Seine Feststellung, dass das von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 in Baden-Württemberg ohne Erlaubnis im Internet angebotene und dort beworbene Fußballmanagerspiel kein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ist, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand (2.).

12

1. Die Anfechtungsklage der Klägerin hat schon deshalb Erfolg, weil die Untersagungsverfügung vom 12. November 2009 in ihrer Nummer 1 als Einzelfallregelung nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG, § 37 Abs. 1 LVwVfG BW, Art. 20 Abs. 3 GG). Revisionsrechtlich fehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin damit nicht nur das für die Bundesligasaison 2009/2010 angebotene Glücksspiel untersagt wird, sondern darüber hinaus die Veranstaltung, Vermittlung, Werbung oder Unterstützung weiteren öffentlichen Glücksspiels, obwohl nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin neben dem Angebot des Bundesligamanagerspiels andere Glücksspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV angeboten hätte oder deren Veranstaltung für die Zukunft beabsichtigte.

13

Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG, § 37 Abs. 1 LVwVfG BW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (Urteil vom 15. Februar 1990 - BVerwG 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <338> = Buchholz 406.11 § 39b BBauG Nr. 1).

14

Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (stRspr; vgl. Beschluss vom 4. Dezember 2008 - BVerwG 2 B 60.08 - juris Rn. 2 m.w.N.). Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts (Urteil vom 18. Juni 1980 - BVerwG 6 C 55.79 - BVerwGE 60, 223 <228 f.> = Buchholz 448.0 § 25a WPflG Nr. 2). Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 39 Rn. 26 m.w.N.).

15

In Nummer 1 der angefochtenen Verfügung wird der Klägerin allgemein untersagt, in Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Dass der Beklagte damit nicht nur das von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 im Internet angebotene und beworbene Spiel untersagte, sondern jegliche künftigen Internetauftritte der Klägerin, mit denen öffentliches Glücksspiel betrieben wird, verdeutlicht die Begründung des Bescheids auf Seite 7. Mit dieser weiten Fassung der Untersagungsverfügung hat der Beklagte keine bestimmte, konkrete Einzelfallregelung getroffen, sondern lediglich die abstrakt-generelle gesetzliche Regelung wiedergegeben und deren Konkretisierung offengelassen.

16

2. Die Feststellungsklage ist ebenfalls zulässig und begründet. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass das von der Klägerin angebotene Glücksspiel im Internet kein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV ist.

17

a) Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen nicht.

18

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 VwGO). Diese Subsidiaritätsregelung will eine unnötige Feststellungsklage vermeiden, wenn dem Kläger eine andere sachnähere oder effektivere Klageart zur Verfügung steht. Aus Gründen der Prozessökonomie soll der Rechtsschutz auf dasjenige Verfahren konzentriert werden, welches seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird.

19

Die Anfechtungsklage gegen die Untersagungsverfügung stellt für die Klägerin keinen gleich wirksamen Rechtsschutz dar. Namentlich ist offen, ob die Anfechtungsklage zur Klärung der Frage führt, ob das von der Klägerin betriebene Managerspiel ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ist. Für die Klägerin bestand die Gefahr, dass diese Frage im gerichtlichen Verfahren nicht entscheidungserheblich wird, etwa wegen der fehlenden Bestimmtheit der Verfügung oder wegen Ermessensfehlern. Wirksamen und effektiven Rechtsschutz bezüglich der Zulässigkeit ihres Geschäftsmodells konnte sie nur über eine zusätzliche Feststellungsklage erreichen.

20

b) Der Verwaltungsgerichtshof hat das von der Klägerin angebotene Fußballmanagerspiel zu Recht nicht als Glücksspiel angesehen. Seine Annahme, die von der Klägerin geforderten 7,99 € seien als Teilnahmegebühr zu qualifizieren und nicht als Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da das Revisionsgericht diejenige Rechtslage zugrunde legen muss, die das Berufungsgericht, entschiede es jetzt, anzuwenden hätte (stRspr; vgl. Urteil vom 18. Dezember 1992 - BVerwG 7 C 16.92 - BVerwGE 91, 334 <338> = Buchholz 113 § 12 InVorG Nr. 1; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Kommentar, Rn. 23 zu § 137; jeweils m.w.N.), beurteilt sich dies nach dem Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung des am 1. Juli 2012 in Baden-Württemberg in Kraft getretenen Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages vom 15. November 2011 - GlüStV -, der gemäß § 33 GlüStV nunmehr revisibel ist.

21

(1) Ein Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Frage der Zufallsabhängigkeit offengelassen und darauf abgestellt, dass es bei dem Fußballmanagerspiel der Klägerin jedenfalls an dem erforderlichen Erwerb einer Gewinnchance gegen Entgelt fehle. Das Zahlungsverlangen von 7,99 € pro Team sei eine Teilnahmegebühr an dem Spiel und kein Entgelt im Sinne des Gesetzes.

22

Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal des Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sich mit dem des Einsatzes für ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB jedenfalls insoweit deckt, als verlangt wird, dass die Gewinnchance gerade aus dem Entgelt erwächst. Das Berufungsurteil nimmt nur unzutreffend an, dies setze eine Verwendung des Entgelts zur Finanzierung der Gewinne voraus. Stattdessen genügt es, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Entgelt und Gewinnchance besteht. Dazu muss die Gewinnchance - und nicht der Gewinn selbst - sich gerade aus der Entgeltzahlung ergeben. Daran fehlt es, wenn mit ihr lediglich die Berechtigung zur Teilnahme erworben wird. Dann handelt es sich nur um eine Teilnahmegebühr mit der Folge, dass kein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vorliegt.

23

Diese Auslegung ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der glücksspielrechtlichen Regelung mit § 33h Nr. 3 Gewerbeordnung (GewO), der seinerseits auf § 284 StGB Bezug nimmt. Sie entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und ist mit dessen Wortlaut und der Entstehungsgeschichte vereinbar.

24

§ 33h GewO normiert das Verhältnis der gewerberechtlichen Vorschriften, die Gewinnspiele betreffen, zu den landesrechtlichen, ordnungsrechtlichen Glücksspielregelungen. Im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Nr. 11 Grundgesetz (GG) hat der Bundesgesetzgeber das gewerbliche Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit (§ 33c GewO) sowie das gewerbliche Veranstalten anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit (§ 33d GewO) unter Erlaubnisvorbehalt gestellt und in §§ 33c ff. GewO näher geregelt. § 33g Nr. 2 GewO normiert einen Vorbehalt, die Erlaubnispflicht auf bestimmte nicht gewerbsmäßig betriebene Gewinnspiele auszudehnen. §§ 33c bis 33g GewO sind nach § 33h Nr. 1 und 2 GewO jedoch nicht auf die dort aufgeführten Spielbanken, Lotterien und Ausspielungen anzuwenden. Nach § 33h Nr. 3 GewO gelten sie auch nicht für diejenigen "anderen" Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind. Diese - und nur diese - "anderen" Spiele bleiben der Regelung durch den Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das Ordnungsrecht überlassen. Die Übrigen, die nicht unter § 284 StGB fallen, sind in § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO detailliert und abschließend geregelt. Diese Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Gewerbeordnung vollzieht die Abgrenzung zwischen der Bundesgesetzgebungskompetenz für das Wirtschaftsrecht und der Landesgesetzgebungskompetenz für das Ordnungsrecht nach (vgl. BTDrucks 8/1863 S. 10 f.; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 33h, Stand: Mai 2011, Rn. 1). Sie steht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers. Er darf den ordnungsrechtlichen Begriff des Glücksspiels bei "anderen" Spielen mit Gewinnmöglichkeit, wie dem hier umstrittenen Fußballmanagerspiel, nicht weiter fassen als den Glücksspielbegriff des § 284 StGB. Das Tatbestandsmerkmal des für den Erwerb einer Gewinnchance verlangten Entgelts im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV darf deshalb nicht weiter ausgelegt werden als der Begriff des Einsatzes, der Bestandteil der Definition des Glücksspiels im Sinne des § 284 StGB ist.

25

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zu jedem Glücksspiel in dem in § 284 StGB vorausgesetzten Sinn ein Einsatz; denn bei einem Glücksspiel geht es um die Erzielung eines Gewinns oder um den Verlust eines Einsatzes. Unter den Begriff des Einsatzes fällt jede Leistung, die in der Hoffnung erbracht wird, im Falle des Gewinnens eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Falle des Verlierens dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheim fällt. Wegen der notwendigen Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel darf der Einsatz allerdings nicht nur ganz unbeträchtlich sein. Von einem Glücksspieleinsatz kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn zwischen Aufwendung eines Vermögenswerts und dessen Gewinn oder Verlust ein notwendiger Zusammenhang besteht (BGH, Beschluss vom 29. September 1986 - 4 StR 148/86 - BGHSt 34, 171 <171 ff.> m.w.N.). Daraus folgt auch für den ordnungsrechtlichen Glücksspielbegriff, dass sich bereits aufgrund der Zahlung des Entgelts die Gewinnchance oder die Verlustmöglichkeit ergeben muss. Daran fehlt es, wenn erst weitere Umstände wie etwa das Verhalten von Mitspielern oder Aktivitäten des Spielteilnehmers selbst die Gewinnchance oder Verlustmöglichkeit entstehen lassen. Für den erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und der Gewinn- oder der Verlustmöglichkeit genügt nicht schon, dass die Zahlung die Berechtigung zur Teilnahme am Spiel vermittelt.

26

Der Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV spricht ebenfalls dafür, als Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance nur einen Einsatz im Sinne des strafrechtlichen Glücksspielbegriffs zu verstehen. Die ordnungsrechtliche Regelung dient nach § 1 GlüStV dazu, die Spielsucht zu bekämpfen, den Jugendschutz zu gewährleisten und vor Begleitkriminalität zu schützen. Dieser Zweck erfordert nicht, über einen Einsatz hinaus auch eine bloße Teilnahmegebühr in den Tatbestand einzubeziehen. Nach den tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz besteht die potenziell zur Spielsucht führende Versuchung, die Gewinnchancen durch Erhöhen des Einsatzes steigern und erlittene Verluste mit weiteren Einsätzen wettmachen zu wollen, bei einer festen Teilnahmegebühr nicht oder jedenfalls nicht in vergleichbarem Maß. Gleiches gilt für das Risiko kriminellen Verhaltens. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO mangels wirksamer Verfahrensrügen gebunden. Selbst der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass von dem Fußballmanagerspiel für die Spieler keine Suchtgefahr ausgehe.

27

Diese Feststellungen lassen die Auslegung des Entgelterfordernisses im Sinne eines Einsatzes auch verfassungsrechtlich geboten erscheinen. Vor dem rechtsstaatlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit sind die Beschränkungen durch den Glücksspielstaatsvertrag nur gerechtfertigt, soweit sie zur Bekämpfung der genannten Gefahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Bei Spielen, für die kein Einsatz, sondern nur eine Teilnahmegebühr verlangt wird, gehen die glücksspielrechtlichen Anforderungen an die Aufklärung der Spieler, das Erstellen eines Sozialkonzepts und ein System der Spielersperre (§§ 6 bis 8 GlüStV) weit über das zur Suchtbekämpfung erforderliche Maß hinaus. Den Anforderungen des Jugendschutzes und der Abwehr krimineller Taten kann bereits durch eine Regulierung auf dem Niveau des § 33d GewO Rechnung getragen werden. Dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages auf ein wesentlich höheres Gefahrenniveau zugeschnitten sind, zeigen die Bestimmungen über die Ausnahmen vom Internetverbot (§ 4 Abs. 5 GlüStV), die eine Freigabe bei Einsätzen bis zu 1 000 € monatlich zulassen, und die Öffnung des Glücksspielstaatsvertrages bezüglich der Erlaubniserteilung für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial (vgl. §§ 12 ff. GlüStV). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist entgegen der Auffassung des Beklagten jeweils die konkrete Spielgestaltung in den Blick zu nehmen und nicht auf eine mögliche Gefährdung durch ein Zusammenwirken aller auf dem Markt angebotenen Glücksspiele abzustellen.

28

(2) Bei dem von der Klägerin angebotenen Fußballmanagerspiel ist der erforderliche notwendige Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und der Gewinnchance bzw. der Verlustmöglichkeit nicht gegeben. Nicht die bloße Zahlung hat eine Gewinnchance zur Folge, sondern erst das sich daran anschließende Spielverhalten des jeweiligen Spielteilnehmers und seiner Mitkonkurrenten. Eine Gewinnchance eröffnet sich nicht schon mit der entgeltlichen Registrierung, sondern erst und nur, wenn der Teilnehmer sich entscheidet, sich in das Spielgeschehen einzubringen und den in der Spielsaison erforderlichen zeitlichen Aufwand zu investieren. Diese Entscheidung erfolgt unabhängig von der Zahlung des Entgelts. Der Teilnehmer kann auch jederzeit aus dem Spiel wieder aussteigen, ohne dass für ihn ein Anreiz besteht, einen Vermögensverlust wieder wettmachen zu wollen. Das Entgelt für die Registrierung erhält er in keinem Fall zurück. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, bei dem von der Klägerin geforderten Betrag handele es sich nur um eine Teilnahmegebühr, ist in Anbetracht des dargestellten Spielmodells revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung.

2

Spätestens seit November 2009 veranstaltete bzw. vermittelte sie auf mehreren Internetseiten, die von Baden-Württemberg aus aufrufbar waren, Sportwetten, Poker- und Casinospiele. Mit Bescheid vom 21. Januar 2010 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Klägerin nach vorheriger Anhörung, in Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV in der damaligen Fassung (GlüStV 2008) zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Nr. 1). Die untersagten Tätigkeiten seien unverzüglich und dauerhaft einzustellen (Nr. 2). Außerdem drohte das Regierungspräsidium ein Zwangsgeld an (Nr. 3) und setzte eine Verwaltungsgebühr für den Bescheid fest (Nr. 4). Die Klägerin veranstalte bzw. vermittle auf den Internetseiten A., B., C. öffentliches Glücksspiel in Form von Sportwetten, Poker- und Casinospielen und betreibe Werbung hierfür. Die für Baden-Württemberg erforderliche Erlaubnis besitze sie nicht. Eine solche könne ihr auch nicht erteilt werden. Außerdem wurde ausgeführt, die Verfügung erstrecke sich auf alle von der Klägerin betriebenen Internetauftritte, sofern dort öffentliches Glücksspiel betrieben werde und dieses Angebot von Baden-Württemberg aus erreichbar sei.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Bescheid, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache zuvor im Übrigen übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Berufungsurteils aufgehoben. Die Untersagungsverfügung genüge nicht dem Bestimmtheitserfordernis. Sie erfasse jegliche - auch künftige - Internetauftritte der Klägerin, mit denen öffentliches Glücksspiel betrieben werde, sofern das Angebot von Baden-Württemberg aus erreichbar sei. Sie stelle keine bestimmte, konkrete Einzelfallregelung dar, sondern gebe lediglich die abstrakt-generelle gesetzliche Regelung wieder und überschreite damit eine absolute Grenze zur Unbestimmtheit. Die Verfügung wäre auch dann nicht hinreichend bestimmt, wenn sie sich nur auf Online-Sportwetten, Online-Poker- und Online-Casinospiele bezöge. Auch die generalisierende Nennung von Glücksspielarten in der Begründung des Bescheides bestimme die Reichweite ihres Regelungsgehalts nicht hinreichend. Die Untersagungsverfügung sei außerdem ermessensfehlerhaft ergangen. Dabei könne offenbleiben, ob das Entschließungsermessen auf Null reduziert sei. Im Lichte von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 3 GG dürfe die zuständige Behörde in gleichgelagerten Fällen nicht unterschiedlich, systemwidrig oder planlos vorgehen. Ein tragfähiges Konzept, unter welchen Voraussetzungen und in welcher zeitlichen Reihenfolge gegen Anbieter von Internetglücksspiel vorgegangen werde (etwa aufgrund der Marktpräsenz, der Umsätze oder des Gewinns), sei nicht einmal in Ansätzen erkennbar.

4

Im Revisionsverfahren hat der Beklagte erklärt, der Bescheid vom 21. Januar 2010 beziehe sich lediglich auf Online-Sportwetten, Online-Poker- und Online-Casinospiele. Die Beteiligten haben das Verfahren daraufhin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt, soweit der Bescheid zunächst auch andere, nicht ausdrücklich benannte Glücksspielarten erfasst hat. Außerdem haben die Beteiligten bezüglich des Untersagungszeitraums zwischen dem Ergehen des Berufungsurteils und dem 25. Oktober 2017 - dem Tag der Revisionsverhandlung - übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben.

5

Zur Begründung seiner Revision führt der Beklagte aus, der angegriffene Bescheid sei jedenfalls in seinem zuletzt noch streitgegenständlichen Umfang, der durch eine Bezugnahme auf die von der Klägerin angebotenen Glücksspielarten beschrieben werde, hinreichend bestimmt. Soweit die Klägerin Pokervarianten anbieten sollte, die als Geschicklichkeitsspiel einzustufen seien, seien diese nicht von der Untersagung erfasst. Die Glücksspielaufsicht sei zum Einschreiten gegen die Klägerin verpflichtet gewesen, weil das von dieser veranstaltete Online-Glücksspiel wegen Verstoßes gegen das Internetverbot (§ 4 Abs. 4 GlüStV 2008, jetzt GlüStV 2012) materiell nicht erlaubnisfähig gewesen sei. Vor dem Einschreiten gegen einzelne illegale Anbieter müsse kein Vollzugskonzept entworfen werden. Es liege wegen des großen Angebots an illegalem Glücksspiel im Internet in der Natur der Sache, dass nach Maßgabe der vorhandenen Kapazitäten der Behörde bekanntgewordene Fälle aufgegriffen und abgearbeitet würden. Das Internetverbot stehe auch mit der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 f. AEUV im Einklang. Wegen der spezifischen Gefahren des Anbietens von Spielen über das Internet sei es zur Bekämpfung der Spielsucht und zur Gewährleistung des Jugendschutzes erforderlich und angemessen.

6

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. September 2015 zu ändern, soweit es den Untersagungszeitraum ab dem 26. Oktober 2017 betrifft, und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. November 2011 insoweit zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision insoweit zurückzuweisen.

8

Sie hat erklärt, derzeit keine Glücksspiele mehr innerhalb der Europäischen Union anzubieten. Sie verteidigt das Berufungsurteil dennoch weiterhin und führt ergänzend aus, die Untersagung habe durch eine Auflistung der untersagten Glücksspiele im Einzelnen konkretisiert werden können und müssen. Die Beantwortung der Frage, ob ein Spiel als Glücksspiel einzustufen sei, dürfe nicht in ein etwaiges Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Der Senat sei an die im Berufungsurteil getroffene Feststellung gebunden, dass der Beklagte bei seinem Einschreiten gegen die Klägerin keine sachlichen Gründe für ein abgestuftes Vorgehen habe vorweisen können.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Vorbringen des Beklagten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Er trägt ergänzend vor, die Klägerin und der Beklagte seien aufgrund ihrer Sachkenntnis in der Lage, zu beurteilen, ob die von der Klägerin im Internet angebotenen oder vermittelten Sportwetten, Online-Poker- und -Casinospiele als Glücksspiel einzustufen sind. Das Willkürverbot verpflichtet den Beklagten nicht, auf der Grundlage eines landesweiten Handlungskonzepts flächendeckend und gleichzeitig gegen die Anbieter unerlaubten Glücksspiels im Internet vorzugehen.

Entscheidungsgründe

10

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben; insoweit sind die Urteile des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs wirkungslos (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Im Übrigen hat die Revision des Beklagten Erfolg. Insoweit beruht das angegriffene Berufungsurteil auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

11

1. Die Anfechtungsklage ist weiterhin zulässig. Die Untersagungsverfügung vom 21. Januar 2010 hat sich nicht dadurch erledigt, dass die Klägerin nach eigenem Bekunden keine Glücksspiele mehr innerhalb der Europäischen Union anbietet. Bei einer Änderung der Sachlage entfällt die Regelungswirkung eines Verwaltungsakts nicht automatisch. Ein Verwaltungsakt verliert seine Rechtswirkungen erst dann, wenn er aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage gegenstandslos geworden ist. Bei in die Zukunft gerichteten glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügungen setzt dies voraus, dass das untersagte Verhalten endgültig aufgegeben wurde oder nicht mehr aufgenommen werden kann (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 16 und - 8 C 47.12 - juris Rn. 15 f.). Das ist hier nicht der Fall. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin ihr eigenes Glücksspielangebot überhaupt aufgegeben hat. Im Impressum der in der Untersagungsverfügung genannten Webseiten wird nunmehr angegeben, "[u]nsere Dienstleistungen in den Mitgliedsländern des europäischen Binnenmarktes (ausgenommen Länder, in denen unsere Dienstleistungen unter einer lokalen Lizenz zur Verfügung gestellt werden) werden von V. Limited, einem Unternehmen mit Sitz in G. durchgeführt, das zur Europäischen Union gehört". Hiernach sind es weiterhin die Dienstleistungen der Klägerin, die von der V. Limited durchgeführt werden. Dementsprechend wird das im Impressum einleitend aufgeführte "Copyright" der Klägerin zugeschrieben und sie als Inhaberin einer Glücksspiellizenz nach dem Recht von G. bezeichnet, die sie sich - wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erläutert hat - mit der V. teilt. Jedenfalls verbietet die Untersagungsverfügung der Klägerin vorliegend auch eine Wiederaufnahme ihres Glücksspielangebots, sodass die Untersagung jedenfalls deshalb weiterhin eine Beschwer begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 12.12 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 285 S. 27). Dass die Klägerin die untersagten Tätigkeiten dauerhaft und endgültig aufgegeben hätte oder diese nicht wieder aufnehmen könnte, hat sie nicht substantiiert dargelegt.

12

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat den angegriffenen Bescheid, soweit er noch Streitgegenstand ist, zu Unrecht für unbestimmt gehalten und damit § 37 Abs. 1 VwVfG BW, der seinem Wortlaut nach § 37 Abs. 1 VwVfG entspricht und daher revisibel ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), verletzt.

13

Nach § 37 Abs. 1 VwVfG BW ist die hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts Voraussetzung seiner Rechtmäßigkeit. Kann einem Verwaltungsakt durch Auslegung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1975 - 6 C 163.73 - BVerwGE 48, 279 <281 f.>) kein eindeutiger Regelungsgehalt beigemessen werden, ist er nach § 37 Abs. 1 VwVfG rechtswidrig. Ob der Bescheid in solch einem Fall auch nichtig ist, regelt § 44 VwVfG. Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt dann, wenn der Adressat erkennen kann, was von ihm gefordert wird und wenn der Bescheid darüber hinaus geeignet ist, Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung zu sein. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <338> und vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 - BVerwGE 148, 146 <149>).

14

Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes und der speziellen Sachkunde des adressierten Fachkreises in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 <89> m.w.N.). Hinreichende Bestimmtheit liegt vor, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 6 C 20.02 - BVerwGE 119, 282 <284>).

15

Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügen die noch verfahrensgegenständlichen Regelungen des angegriffenen Bescheides. Sie betreffen ausschließlich die in dessen Begründung bezeichneten, von der Klägerin angebotenen Glücksspielarten der Online-Sportwetten, des Online-Poker und der Online-Casinospiele, nicht jedoch die darüber hinausgehende, von den Teilerledigungserklärungen umfasste Erstreckung der Verfügung auf jegliches von Baden-Württemberg aus abrufbare öffentliche Glücksspiel im Internet.

16

Der Gegenstand der verbliebenen, noch verfahrensgegenständlichen Regelungen des Bescheides wird durch die Benennung der Glücksspielarten (Online-Sportwetten, Online-Poker sowie Online-Casinospiele) bezeichnet und durch die Aufzählung der Internetseiten mit entsprechenden damaligen Spielangeboten der Klägerin in der Begründung des Bescheides konkretisiert. Dadurch wird die sachkundige Klägerin in die Lage versetzt, eindeutig zu erkennen, welche konkreten Glücksspiele unter die Verbotsverfügung im noch verfahrensgegenständlichen Umfang fallen. Die Bezeichnung der Glücksspielarten knüpft jeweils an den Zugang per Internet sowie an die Spielhandlung (Online-Sportwetten und -Poker) oder an die Zugehörigkeit zu denjenigen Glücksspielen an, die üblicherweise in Spielbanken angeboten werden (Casino-Spiele). Zu diesen zählt schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch neben dem sogenannten Großen Spiel (wie etwa Roulette und Baccara) auch das als Kleines Spiel bezeichnete Automatenspiel (etwa an Slot-Machines). Für die Klägerin als sachkundige Anbieterin ist damit klargestellt, dass die Verbotsverfügung neben den Online-Sportwetten, dem Online-Poker und den Online-Varianten des Großen Spiels auch Online-Varianten des sogenannten Kleinen Spiels erfasst. Etwa verbleibende Unsicherheiten bei der Zuordnung eines Spiels oder künftig geplanten Spielangebots - etwa hinsichtlich der Eingrenzung der von der Untersagungsverfügung erfassten dem Glücksspiel zugeordneten Pokerformen - räumt die beispielhafte Konkretisierung der untersagten Spielangebote durch die Aufzählung der Internetseiten aus, deren Angebote - für die Klägerin erkennbar - Anlass des Einschreitens des Beklagten waren. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass auch die mit dem Vollzug der Untersagungsverfügung befassten Mitarbeiter des Beklagten über die erforderliche Sachkunde verfügen, um auf der Grundlage des Verfügungsausspruchs und der bei Erlass des Bescheides festgestellten Spielangebote der Klägerin erkennen zu können, ob es sich bei den von der Klägerin möglicherweise zukünftig angebotenen Spielen um Sportwetten, Poker oder Casinospiele handelt. Einer detaillierten textlichen Beschreibung der von der Verfügung im Einzelnen erfassten Glücksspiele bedurfte es daher nicht.

17

Ein höheres Maß an Bestimmtheit ist nicht im Hinblick auf die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Glücksspielstaatsvertrages der Länder - hier in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - Erster GlüÄndStV) vom 15. Dezember 2011 (GBl. BW 2012, 385, 388) - bestehende Möglichkeit zur Auferlegung von Zahlungseinschränkungen gegenüber Dritten, insbesondere Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten (sog. Financial Blocking), geboten. Voraussetzung für eine Unterbindung der Zahlungsströme ist der Erlass weiterer Verfügungen gegenüber diesen Dritten, die losgelöst von der Untersagungsverfügung ihrerseits hinreichend bestimmt sein müssen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. August 2016 - 11 ME 61/16 - GewArch 2016, 425 <426>). Verfügungen, mit denen Dritten Zahlungseinschränkungen auferlegt werden, um unerlaubte Glücksspielaktivitäten zu unterbinden, stellen keine Vollstreckung aus einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung dar, sondern unabhängige Instrumente der Glücksspielaufsicht, die an "unerlaubtes" und nicht an untersagtes Glücksspiel anknüpfen. Gleiches gilt im Hinblick auf eine etwaige Strafbarkeit des unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 StGB. Die Frage nach einer etwaigen Strafbarkeit stellt sich unabhängig von der Vollstreckung einer Untersagungsverfügung. Insofern muss das Strafgesetz seinerseits hinreichend bestimmt sein.

18

Die Untersagungsverfügung genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG BW schließlich auch, soweit mit ihr das "Unterstützen" der Veranstaltung oder Vermittlung von bzw. Werbung für Online-Sportwetten, Online-Poker oder Online-Casinospiele untersagt wird. Was "Unterstützen" im glücksspielrechtlichen Kontext meint, ist zwar weder gesetzlich festgelegt noch durch die Rechtsprechung im Einzelnen geklärt (vgl. aber z.B. zum Aufenthaltsrecht: BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 28 ff.). Aus dem üblicherweise mit dem Wort "Unterstützen" verbundenen Bedeutungsgehalt und der für den Adressaten ohne Weiteres erkennbaren Intention der Erlassbehörde wird aber unzweifelhaft deutlich, dass sämtliche Beiträge unterbunden werden sollen, mit denen die im Einzelnen bezeichneten, der Klägerin selbst untersagten Tätigkeiten als Tätigkeiten Dritter gefördert werden, etwa durch Zurverfügungstellen einer Domain oder finanzieller oder personeller Ressourcen. Die Erfassung von solchen Unterstützungshandlungen soll verhindern, dass der Adressat des Bescheides das Verbot durch eine lediglich wirtschaftliche oder technische Neustrukturierung seines Glücksspielangebots unterläuft, insbesondere durch Auslagern der untersagten Tätigkeit auf Dritte.

19

3. Auch die weitere selbständig tragende Erwägung des Berufungsgerichts, die Untersagungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, verletzt Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Ermessensverstoß mit der Begründung bejaht, selbst bei einer Reduzierung des Entschließungsermessens auf Null habe der Beklagte gegen die Klägerin nur aufgrund eines im Lichte der Anforderungen der Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG tragfähigen Eingriffskonzepts einschreiten dürfen. Das Erfordernis eines vorherigen Eingriffskonzepts auch bei einer Verpflichtung zum Einschreiten im konkreten Fall ist jedoch weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG zu entnehmen.

20

a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hängt die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung eines zeitlich gestaffelten Vorgehens in Fällen der Ermessensreduzierung auf Null nach Art. 3 Abs. 1 GG nur vom Vorliegen zureichender sachlicher Gründe für etwaige Differenzierungen und nicht zusätzlich davon ab, dass die Behörde vor dem ersten Zugriff ein Eingriffskonzept erstellt hat und auf dessen Grundlage vorgegangen ist. Zwar bindet ein etwa erstelltes Konzept die Behörde als antizipierte Verwaltungspraxis gleichheitsrechtlich ebenso wie eine bereits bestehende Praxis. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt aber keine Pflicht, vor dem gesetzlich gebotenen Zugriff ein behördliches Eingriffskonzept zu erstellen.

21

Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt als gesetzliche Ermessensgrenze die Handlungsmöglichkeiten der Behörden. Ermächtigt ein Gesetz dazu, unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Verhaltensweisen nach Ermessen zu untersagen, und lässt es damit der Behörde die Wahl, nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zwischen mehreren Rechtsfolgen zu wählen, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, das Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde von der Ermessensermächtigung gedeckte Maßnahmen zur Bekämpfung rechtswidriger Zustände, so hat sie in vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen zwar nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Es ist ihr indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Behandelt sie mehrere Fallgruppen unterschiedlich, so bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes. Dasselbe gilt, wenn sie sich darauf beschränkt, einen Einzelfall herauszugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2014 - 8 C 36.12 - NVwZ 2014, 1583 m.w.N.).

22

Anders verhält es sich, wenn die Behörde, wie hier vom Verwaltungsgerichtshof unterstellt, zum Einschreiten verpflichtet ist. Bei einer Ermessensreduzierung auf Null hat die Behörde keine Handlungsalternativen mehr, zwischen denen sie nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auswählen kann. Sie muss vielmehr in allen Fällen, in denen eine Reduzierung des Entschließungsermessens eingetreten ist, einschreiten. Daher muss sie für ihr Einschreiten gegen einen Ordnungspflichtigen regelmäßig keinen - weiteren - Sachgrund anführen. Begründungsbedürftig ist vielmehr allenfalls ein vorübergehendes Absehen von einem Einschreiten. Sachgründe, die geeignet sind, ein vorübergehendes Absehen von einem an sich sofort gebotenen Einschreiten zu rechtfertigen, können mangelnde personelle Ressourcen, aber auch der Wunsch der Behörde sein, zunächst ein Musterverfahren durchzuführen, um ihre Rechtsansicht gerichtlich überprüfen zu lassen.

23

Entscheidet eine Behörde sich, den Einsatz ihrer begrenzten Ressourcen, die kein gleichzeitiges Einschreiten gegen alle Störungen ermöglichen, an einem Plan auszurichten, muss sie sich, um Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu verletzen, an ihn halten. Fehlt es an einem Plan, so genügt es, dass sich ein Einschreiten der Behörde nicht als willkürlich darstellt. Dafür reicht es beispielsweise aus, wenn die Behörde Anhaltspunkten für Gesetzesverstöße nachgeht und einschreitet, sobald sie im regulären Gang der Verwaltung die Überzeugung gewonnen hat, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten gegeben sind (vgl. zu Bauordnungsverfügungen: BVerwG, Beschluss vom 11. März 1991 - 4 B 26.91 - juris Rn. 5). Sie ist vor dem Gleichheitsgebot nicht gehalten, ein Handlungskonzept für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen mehrere Störungen aufzustellen oder gar Störungen, für die ein Einschreiten in Betracht kommt, zu ermitteln, um dann gestuft nach der Schwere der Verstöße einzuschreiten.

24

Die Forderung des Berufungsgerichts, die zeitliche Reihenfolge des Vorgehens gegen Anbieter von Internetglücksspielen an deren Marktpräsenz, Umsätzen oder Gewinn auszurichten, überspannt diese Anforderungen deutlich. Seine für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen liefern keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte einen Plan für sein Einschreiten verlassen hätte oder gar willkürlich vorgegangen wäre.

25

b) Das Aufstellen eines Zeitplans für das ordnungsbehördliche Einschreiten ist vorliegend auch nicht unter dem Aspekt des Konkurrenzschutzes durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Wird ein Konkurrent erst später als die Klägerin mit einer Untersagungsverfügung überzogen, obwohl die Voraussetzungen dafür auch ihm gegenüber schon zum Zeitpunkt des Einschreitens gegen die Klägerin vorlagen, mag er zwar daraus einen faktischen Wettbewerbsvorteil ziehen können. Daraus folgt jedoch kein Recht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG, die eigene Tätigkeit bis zum Einschreiten - auch - gegen den Konkurrenten fortsetzen zu dürfen. Die Berufsfreiheit schützt nämlich keine Tätigkeiten, die der Gesetzgeber grundrechtskonform als unerlaubt eingestuft hat (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397>). Sie vermittelt keinen Anspruch darauf, aus wirtschaftlichen Gründen die mit dem Internetverbot bekämpften Gefahren für wichtige Rechtsgüter herbeiführen zu dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <6>).

26

4. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruht mangels tragfähiger Alternativbegründung auf der dargestellten Verletzung revisiblen Rechts und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die noch verfahrensgegenständlichen Regelungen der Untersagungsverfügung sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Revisionsentscheidung rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in deren Rechten.

27

a) Ermächtigungsgrundlage für Ziffer 1 und 2 der angegriffenen Verfügung vom 21. Januar 2010, soweit diese den noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum seit dem 26. Oktober 2017 betreffen, sind § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland in der derzeit geltenden Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland - GlüStV 2012 - i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 2 des Landesglücksspielgesetzes BW - LGlüG. Die genannten Vorschriften ermächtigen die zuständigen Behörden zum Erlass der erforderlichen Anordnungen, um Verstöße gegen die durch den Glücksspielstaatsvertrag begründeten Verpflichtungen zu unterbinden. Die Behörden dürfen insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und Werbung hierfür untersagen. § 3 Abs. 4 Satz 2 LGlüG legt auf der Grundlage von § 28 Satz 2 GlüStV 2012 weitergehend fest, dass die Veranstaltung und die Vermittlung unerlaubten Glücksspiels sowie die Werbung hierfür untersagt werden sollen.

28

Die Voraussetzungen für eine Untersagung sind hiernach erfüllt. Die Klägerin bedarf für die von ihr im Internet veranstalteten Poker- und Casinospiele einer Erlaubnis (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 GlüStV 2012), die sie nicht hat und die ihr auch nicht erteilt werden kann. Das Veranstalten und Vermitteln dieser öffentlichen Glücksspiele im Internet und die Werbung hierfür sind ausnahmslos verboten (§ 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 GlüStV 2012; dazu sogleich unter b).

29

Die von der Klägerin im Internet veranstalteten Sportwetten stehen ebenfalls unter Erlaubnisvorbehalt. Insoweit hätte die Klägerin zwar möglicherweise nach § 10a Abs. 1 und 2, 4 GlüStV 2012 eine Erlaubnis erhalten können. Sie hat eine solche aber noch nicht einmal beantragt (dazu unter c). Das Regierungspräsidium war auch zum Einschreiten gegen die Klägerin verpflichtet. Wird die Ermessensausübung durch eine Soll-Vorschrift gesteuert, hat die zuständige Behörde grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Liegen keine Umstände vor, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, so bedeutet das "Soll" ein "Muss" (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1982 - 5 C 70.80 - BVerwGE 64, 318 <323>). Solche Umstände waren hier auch hinsichtlich der von der Klägerin veranstalteten Sportwetten nicht gegeben. Eine formell illegale, aber unter Erlaubnisvorbehalt stehende Tätigkeit ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit allenfalls dann zu dulden, wenn sie offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar, die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt, sodass die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 <322> und Beschluss vom 25. Februar 2015 - 8 B 36.14 - ZfWG 2015, 227). Wenn der betroffene Glücksspielanbieter - wie hier - weder einen Erlaubnisantrag gestellt noch unabhängig davon aussagekräftige Unterlagen vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass die Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind, ist nicht ohne weitere Prüfung erkennbar, dass dessen Angebot zu erlauben wäre. Da das Ermessen nach den landesrechtlichen Vorgaben grundsätzlich zum Einschreiten intendiert ist, bedurfte es insoweit keiner besonderen Ermessenserwägungen des Beklagten.

30

b) Soweit der Bescheid vom 21. Januar 2010 auf die Untersagung des Online-Poker- und Online-Casinospielangebots zielt, kann der Klägerin das Internetverbot des § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 entgegengehalten werden. Es steht mit Verfassungs- und Unionsrecht im Einklang. Wie der Senat (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1), das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338) und der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteile vom 8. September 2009 - C-42/07 [ECLI:EU:C:2009:519], Liga Portuguesa -, vom 8. September 2010 - C-316/07 [ECLI:EU:C:2010:504], Markus Stoß - und - C-46/08 [ECLI:EU:C:2010:505], Carmen Media - und vom 30. Juni 2011 - C-212/08 [ECLI:EU:C:2011:437], Zeturf -) zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Dass nunmehr nach § 4 Abs. 5 des geänderten Glücksspielstaatsvertrages der Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sport- bzw. Pferdewetten (vgl. § 27 Abs. 2 GlüStV 2012) im Internet erlaubt werden können, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

31

aa) Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <12>, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, a.a.O., Carmen Media - Rn. 102 f., 105).

32

Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten (so die amtl. Erläuterungen zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag, S. 18 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 65, unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG). Den spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). So soll die in § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2012 hervorgehobene Schwarzmarktbekämpfung unter anderem durch die teilweise Öffnung des Internets für erlaubte Lotterie- sowie Sport- und Pferdewettangebote verwirklicht werden. Damit wird bezweckt, die Nachfrage spielaffiner Personen in Richtung der legalen Angebote und bei diesen wiederum in Richtung der, insbesondere aus suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefahrenträchtigen Spielformen zu lenken (amtl. Erl. S. 6 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 53). Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59).

33

Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- (bb) und unionsrechtskonform (cc).

34

bb) Das Internetverbot verstößt weiterhin nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Verfassungsrechtlich ist dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten bei der Bestimmung der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme ein Einschätzungs- und Prognosespielraum eingeräumt, der erst dann überschritten wird, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 133; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 <143>). Gemessen daran stellt seine begrenzte und regulierte Öffnung des Vertriebswegs Internet für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten die Geeignetheit des Internetverbots nicht in Frage. Das von den Ländern gewählte Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Kanalisierung herbeiführen, die das Angebot an Glücksspielen beschränkt und die Transparenz des Spielbetriebs fördert. Die zuständigen Landesbehörden werden durch das Erlaubniserteilungsverfahren in die Lage versetzt, unmittelbar Einfluss auf die Zahl und die Personen der auf dem Glücksspielmarkt tätigen Veranstalter und Vermittler zu nehmen (vgl. dazu bereits BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338). Im Übrigen ist das modifizierte Internetverbot weiterhin geeignet, die Zwecke des Glücksspielstaatsvertrages zu erreichen, indem es den Spieler zwingt, die ihm unterfallenden Glücksspielangebote real aufzusuchen und so die spielsuchtfördernde häusliche Online-Spielvariante zu vermeiden.

35

Das Verbot ist auch erforderlich, die damit verfolgten legitimen Zwecke zu erreichen. Gleich geeignete mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Dass die Länder von der Möglichkeit, den gesamten Glücksspielmarkt im Internet zu legalisieren, unter Verweis auf die hohe Manipulationsanfälligkeit von Casinospielen und Poker, deren herausragendes Suchtpotenzial sowie ihre Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche abgesehen haben, erscheint nicht als offensichtlich fehlsam.

36

Die Regelung ist auch weiterhin verhältnismäßig im engeren Sinne. Wenn schon das generelle Internetverbot angemessen war (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <8>), gilt dies erst recht für ein Internetverbot, von dem für bestimmte Fallgruppen im Erlaubniswege Ausnahmen gemacht werden können.

37

Das Internetverbot in seiner Ausgestaltung durch § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ausnahmen vom Internetverbot für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 werden durch die vom Gesetzgeber angestrebte Kanalisierung des Glücksspiels im oben dargestellten Sinne und die geringere Suchtgefahr bei den ausnahmsweise zulässigen Spielformen sachlich gerechtfertigt.

38

cc) Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 ist auch mit Unionsrecht vereinbar. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die - wie die Klägerin - ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen.

39

Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - C-316/07, a.a.O., Markus Stoß - und - C-46/08, a.a.O., Carmen Media -). Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2014 - C-390/12 [ECLI:EU:C:2014:281], Pfleger -). Gleichwohl obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand derer dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - C-316/07, a.a.O., Markus Stoß - Rn. 71, vom 15. September 2011 - C-347/09 [ECLI:EU:C:2011:582], Dickinger/Ömer - Rn. 54 und vom 30. April 2014 - C-390/12, a.a.O., Pfleger -). Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind (vgl. EuGH, Urteile vom 30. April 2014 - C-390/12, a.a.O., Pfleger -, vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:EU:C:2015:386], Berlington Hungary - und vom 14. Juni 2017 - C-685/15 [ECLI:EU:C:2017:452], Online Games -).

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Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Mit der kontrollierten Zulassung des Vertriebswegs Internet für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten soll den unerlaubten Angeboten im Internet zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2012 eine legale, sichere und den Spielerschutz gewährleistende Alternative gegenübergestellt werden. Eine begrenzte Erlaubnis von Glücksspielen im Rahmen von Sonder- oder Ausschließlichkeitsrechten kann der Verwirklichung der im Allgemeininteresse liegenden Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung dienen, da sie die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen lenkt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-98/14, a.a.O., Berlington Hungary -). Etwaige praktische Probleme des Staates, Verbote im Glücksspielwesen wirksam durchzusetzen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Internet als einem schwer zu kontrollierenden transnationalen Medium, vermögen die grundsätzliche Eignung der Maßnahme nicht in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-316/07, a.a.O., Markus Stoß - Rn. 86 f.).

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Das Internetverbot trägt auch nach Zulassung der Ausnahmen für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten in systematischer und kohärenter Weise zur Erreichung der dargelegten Ziele des Glücksspielstaatsvertrages bei. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 31 ff., 51 ff. m.w.N. und vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 <165>). Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 53 und 55).

42

Die teilweise Zulassung der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet widerspricht keiner konsequenten Eindämmung der den Glücksspielen immanenten Gefahren. Sie bezieht sich lediglich auf die nach Einschätzung des Gesetzgebers unter suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefährlichen Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten. Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Darüber hinaus ist die ausnahmsweise Erlaubniserteilung für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 an strenge Voraussetzungen geknüpft, die dem spezifischen Gefährdungspotenzial des Online-Glücksspiels Rechnung tragen (vgl. zur Übergangsregelung des § 25 Abs. 6 GlüStV 2008: BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338). Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen. Lotterien mit hoher Ziehungsfrequenz, die dadurch zum Weiterspielen animieren, sind im Internet daher nicht erlaubnisfähig. Entsprechendes gilt für Sportwetten, bei denen nach § 21 Abs. 4 Satz 4 GlüStV 2012 ein generelles Verbot von Live-Ereigniswetten besteht. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit die begrenzte und regulierte Zulassung von Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet die Erreichung des Ziels der Suchtbekämpfung bei im Internet weiterhin verbotenen Glücksspielen konterkarieren würde.

43

Dass es bei der Prüfung der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen (vgl. EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-464/15 [ECLI:EU:C:2016:500], Admiral - und vom 14. Juni 2017 - C-685/15, a.a.O., Online Games -), führt zu keiner anderen Beurteilung. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die partielle und streng regulierte Öffnung des Internetvertriebswegs hinsichtlich der Sportwetten ausdrücklich Experimentiercharakter hat (vgl. § 10a GlüStV 2012). Im Rahmen der Experimentierklausel soll erprobt werden, ob sich durch ein kontrolliertes Angebot privater Konzessionäre die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, insbesondere das Ziel, den Schwarzmarkt zurückzuführen bzw. in ein legales Feld zu überführen (vgl. amtl. Erl. S. 8 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 55), besser verwirklichen lassen. Die Experimentierklausel ist gerade darauf angelegt, Erfahrungen zu sammeln und die Ergebnisse der probeweisen Öffnung systematisch zu beobachten und auszuwerten (vgl. amtl. Erl. S. 10 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 57). Da dieses Experiment noch nicht abgeschlossen ist, sondern die Erteilung der zahlenmäßig limitierten Sportwettenkonzessionen angesichts noch hierzu anhängiger gerichtlicher Verfahren weiterhin aussteht, kann die probeweise Öffnung des Vertriebswegs Internet, insbesondere hinsichtlich seiner Eignung, noch nicht abschließend bewertet werden. Die beschränkte Öffnung für Online-Lotterien und -Pferdewetten steht zwar nicht unter diesem Experimentiervorbehalt. Es fehlen aber jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die regulierte Öffnung dieser Glücksspielarten eine allgemeine Spielleidenschaft über diesen begrenzten Markt hinaus entfacht hätte.

44

c) Soweit der Bescheid vom 21. Januar 2010 auf das Online-Sportwettenangebot der Klägerin zielt, kann ihr das Fehlen der erforderlichen Erlaubnis entgegengehalten werden. Sie hat nach eigenem Bekunden nicht an dem Sportwettenkonzessionsverfahren teilgenommen, obwohl ihr eine Antragstellung rechtlich und faktisch möglich gewesen wäre.

45

Die normative Ausgestaltung des Konzessionserteilungsverfahrens für Sportwetten in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012 bietet eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung des Erlaubnisverfahrens und ist insbesondere unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Als eine die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 f. AEUV beschränkende Regelung genügt der Erlaubnisvorbehalt nur dann den Anforderungen dieser Bestimmungen, wenn das Erlaubnisverfahren auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden zum Schutz vor willkürlichen Entscheidungen hinreichende Grenzen setzen. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden Maßnahme betroffen ist, ein wirkungsvoller Rechtsweg offenstehen (vgl. EuGH, Urteile vom 3. Juni 2010 - C-203/08 [ECLI:EU:C:2010:307], Sporting Exchange - Rn. 50, vom 8. September 2010 - C-46/08, a.a.O., Carmen Media - Rn. 87 und vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Ince; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 <321> und vom 20. Juni 2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 54). Diesen Anforderungen tragen die an die EU-Kommission notifizierten Regelungen über die Erteilung einer Sportwettenkonzession in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012, insbesondere durch das in § 4b GlüStV 2012 geregelte Verfahren, Rechnung. § 4b Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 gibt vor, dass die Konzessionen nach Aufruf zur Bewerbung und Durchführung eines transparenten, diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens erteilt werden. Die in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012 geregelten Anforderungen ermöglichen eine präventive Prüfung insbesondere der für die Wetttätigkeit erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit und der Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes (vgl. § 4a Abs. 4 GlüStV 2012). Durch die in § 4b Abs. 5 GlüStV 2012 genannten und in § 4b Abs. 2 GlüStV 2012 konkretisierten Auswahlkriterien wird das Ermessen der Auswahlbehörde hinreichend begrenzt. Es werden detailliert die Unterlagen aufgeführt, welche die Grundlage der Auswahlentscheidung bilden müssen. Ob das Konzessionsverfahren tatsächlich nach diesen gesetzlichen Kriterien abläuft und ob eine auf dieser Grundlage erteilte oder abgelehnte Konzessionsentscheidung rechtmäßig ist, kann jeder Bewerber gerichtlich überprüfen lassen. Dabei kann er zur effektiven Durchsetzung seiner Rechte auch um Eilrechtsschutz nachsuchen.

46

Hat es die Klägerin trotz dieser ausreichenden rechtlichen Rahmenbedingungen unterlassen, einen Antrag auf Erteilung einer Sportwettenkonzession zu stellen, obwohl ihr dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre, kann sie sich nicht darauf berufen, dass das gesetzlich ausreichend geregelte Konzessionsverfahren in seiner praktischen Umsetzung gegenüber denjenigen, die einen Antrag gestellt haben, rechtsfehlerhaft durchgeführt worden wäre. Sie kann folglich nicht geltend machen, dass das zuständige Hessische Ministerium des Innern und für Sport in seinem Verwaltungsverfahren zur Vergabe der 20 Sportwettenkonzessionen nach ihrer Auffassung normative Vorgaben nicht beachtet oder diese nicht in angemessener Zeit umgesetzt habe. Denn diese rechtlichen Fragen betreffen eine etwaige Verletzung eines Bewerberverfahrensanspruchs aus Art. 3 Abs. 1 GG, die nur derjenige geltend machen kann, der überhaupt zum Kreis der Bewerber gehört. Überdies berühren solche Einwände gegen die tatsächliche Durchführung des Erlaubnisverfahrens allein die Rechtmäßigkeit einer zukünftigen Konzessionsentscheidung, die am Maßstab der gesetzlichen (Verfahrens-)Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages und des Verfassungs- und Unionsrechts selbständig überprüfbar wäre. Eine solche in einem Konzessionsverfahren gegenüber der Klägerin ergangene Entscheidung steht aber vorliegend im Verfahren zur Anfechtung einer Untersagungsverfügung nicht zur Prüfung.

47

Abweichendes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach einem Wirtschaftsteilnehmer nicht vorgeworfen werden kann, auf eine Bewerbung um eine Konzession angesichts fehlender Rechtssicherheit verzichtet zu haben (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - C-72/10 und C-77/10 [ECLI:EU:C:2012:80], Costa und Cifone -). Sie betrifft den - hier nicht vorliegenden - Fall, dass der Wirtschaftsteilnehmer von einer früheren Konzessionsausschreibung unionsrechtswidrig ausgeschlossen worden war und sich deshalb bei einer späteren, erneuten Ausschreibung nicht nochmals um die Erteilung einer Konzession bemühte. Soweit der Europäische Gerichtshof des Weiteren entschieden hat, dass die Anwendung der fraglichen Vorschriften gegenüber allen Bietern transparent sein müsse (EuGH, Urteil vom 22. Juni 2017 - C-49/16 [ECLI:EU:C:2017:491], Unibet -), betraf dies nationale Vorschriften, die dem Wirtschaftsminister die Auswahl zwischen einem transparenten und einem intransparenten Verfahren überließen, und nicht solche Normen, die - wie hier - ausschließlich die Durchführung eines transparenten Verfahrens vorsehen. Dass § 10a Abs. 3 GlüStV 2012 die Anzahl der höchstens zu erteilenden Konzessionen auf 20 begrenzt, berührt nicht die Transparenz des Auswahlverfahrens und ist angesichts der hierfür genannten tragfähigen Gründe (vgl. amtl. Erl. S. 11 = LT-Drs. BW 15/1570 S. 58) auch nicht willkürlich.

48

d) Ist das nach § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 vorgesehene teilweise Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar, gilt Entsprechendes für das Verbot, im Internet für Glücksspiele zu werben (§ 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2012), von dem Ausnahmen lediglich für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten möglich sind (§ 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV 2012). Mit der Nutzung des Internets als Werbemedium ist eine besonders starke Anreizwirkung verbunden, die mit den Zielen der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und des Jugendschutzes unvereinbar wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 <18>). Soweit das Spielangebot im Internet zugelassen wird, entspricht es der angestrebten Kanalisierungswirkung, es dort auch bewerben zu dürfen (vgl. amtl. Erl. S. 29 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 76). Dem Ziel der Suchtprävention wird durch die nach § 5 Abs. 1, 2 und 4 GlüStV 2012 geltenden Werberestriktionen Rechnung getragen.

49

Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides vom 21 Januar 2010, die auf §§ 20, 18, 19 und 23 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg beruht, und die in Ziffer 4 des Bescheides auf der Grundlage von §§ 1, 4, 7 und 12 Abs. 4 des Landesgebührengesetzes gestützte Gebührenfestsetzung sind rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit die Revision des Beklagten erfolgreich war, sind der Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen. Der Beklagte trägt gemäß § 161 Abs. 2 VwGO jedoch die Kosten des hinsichtlich weiterer unbenannter Glücksspielarten in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits, weil die Klägerin nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung insoweit voraussichtlich obsiegt hätte. Die Untersagungsverfügung war, soweit sie über die von der Klägerin konkret angeboten Glücksspielarten hinaus das Veranstalten, Vermitteln, hierfür Werben und Unterstützen jeglichen Glücksspiels im Sinne von § 3 GlüStV 2012 auf Internetseiten, die von Baden-Württemberg aus erreichbar sind, untersagte, nicht hinreichend bestimmt. Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 GlüStV 2012, auf den die Verfügung in ihrem Untersagungstenor Bezug nahm, war auch für den fachkundigen Adressaten nicht so eindeutig, dass dieser unzweifelhaft erkennen konnte, welche Verhaltensweisen für ihn noch erlaubt und welche schon verboten waren. Den insoweit möglicherweise drohenden Streit konnte der Beklagte nicht durch Verwendung des Gesetzeswortlautes im Tenor seines Bescheides in das Vollstreckungsverfahren verlagern. Entsprechend bestimmt sich die Kostenlast bezüglich des von den Teilerledigungserklärungen umfassten Untersagungszeitraums bis zur Revisionsverhandlung. Es entspricht billigem Ermessen, den Umfang des voraussichtlichen Unterliegens des Beklagten mit einem Viertel des Streitwertes zu bemessen und eine dementsprechende quotale Kostentragung anzusetzen.

(1) Für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten kann durch Rechtsverordnung der Landesregierungen eine Sperrzeit allgemein festgesetzt werden. In der Rechtsverordnung ist zu bestimmen, daß die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden oder andere Behörden übertragen.

(2) (weggefallen)

Verboten ist,

1.
Alkohol im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 1 des Alkoholsteuergesetzes vom 21. Juni 2013 (BGBl. I S. 1650, 1651), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 420) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, oder überwiegend alkoholhaltige Lebensmittel durch Automaten feilzuhalten,
2.
in Ausübung eines Gewerbes alkoholische Getränke an erkennbar Betrunkene zu verabreichen,
3.
im Gaststättengewerbe das Verabreichen von Speisen von der Bestellung von Getränken abhängig zu machen oder bei der Nichtbestellung von Getränken die Preise zu erhöhen,
4.
im Gaststättengewerbe das Verabreichen alkoholfreier Getränke von der Bestellung alkoholischer Getränke abhängig zu machen oder bei der Nichtbestellung alkoholischer Getränke die Preise zu erhöhen.

Aus besonderem Anlaß kann der gewerbsmäßige Ausschank alkoholischer Getränke vorübergehend für bestimmte Zeit und für einen bestimmten örtlichen Bereich ganz oder teilweise verboten werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerrufsvorbehalt, welchen die obere Schulaufsichtsbehörde der Anerkennung einer Ersatzschule der Klägerin beigefügt hat.

2

Die Klägerin betreibt in Böblingen ein privates Kaufmännisches Berufskolleg I, das als Ersatzschule genehmigt ist. Sie beantragte, ihrer Ersatzschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zu verleihen. Das Regierungspräsidium Stuttgart als obere Schulaufsichtsbehörde lehnte den Antrag ab: Nach der Nr. 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz Baden-Württemberg - VVPSchG BW - erfülle eine Ersatzschule die Anforderungen für ihre Anerkennung unter anderem nur dann, wenn ihre Lehrer in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besäßen. Aufgrund dieser Bestimmung müssten mindestens zwei Drittel der eingesetzten Lehrkräfte die dort vorausgesetzte Anstellungsfähigkeit besitzen. Das treffe auf die Lehrkräfte an der Schule der Klägerin nicht zu.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Begehren, das beklagte Land zu verpflichten, dem Kaufmännischen Berufskolleg der Klägerin die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zu verleihen, abgewiesen.

4

Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat das Regierungspräsidium Stuttgart die begehrte Anerkennung zunächst befristet und durch Bescheid vom 16. Oktober 2013 unbefristet unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule nicht mehr vorliegen, insbesondere die Zahl der Lehrkräfte mit Anstellungsfähigkeit im Sinne der Nr. 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f VVPSchG BW unter zwei Drittel der an diesem Bildungsgang unterrichtenden Lehrkräfte fällt.

5

Die Klägerin hat daraufhin mit Zustimmung des beklagten Landes ihr Begehren geändert und beantragt, den Widerrufsvorbehalt in dem Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart aufzuheben.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch das angefochtene Urteil die Berufung der Klägerin mit diesem Antrag zurückgewiesen: Die geänderte Klage sei als Anfechtungsklage zwar zulässig, aber unbegründet. Der Widerrufsvorbehalt könne isoliert angefochten werden. Die Anerkennung sei in ihrer Wirksamkeit nicht vom gleichzeitig ausgesprochenen Vorbehalt des Widerrufs abhängig. Dieser diene nicht dazu, eine sonst aktuell nicht bestehende Möglichkeit der Anerkennung zu sichern. Die Voraussetzungen des Widerrufsvorbehalts nach § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG BW lägen vor. Auf die Anerkennung als private Ersatzschule bestehe ein Anspruch, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 PSchG BW vorlägen. Derzeit seien diese Voraussetzungen nach übereinstimmender Ansicht beider Beteiligter erfüllt. Die Anerkennung hätte deshalb ohne Widerrufsvorbehalt ausgesprochen werden können. Die Möglichkeit einer Nebenbestimmung ergebe sich hier daraus, dass nach § 10 Abs. 1 PSchG BW die dauerhafte Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen Voraussetzung für die begehrte Anerkennung sei. Aus dem notwendig prognostischen Element der aktuellen Einschätzung ergebe sich die Möglichkeit, den begünstigenden Verwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung zu versehen, welche die Aufrechterhaltung der Voraussetzungen sichere. Der Widerrufsvorbehalt sei auch inhaltlich berechtigt.

7

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, den Widerrufsvorbehalt aufzuheben: § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG BW lasse eine Nebenbestimmung, welche das Erfülltbleiben von Anspruchsvoraussetzungen sicherstellen solle, allenfalls dann zu, wenn deren alsbaldiger Wegfall bereits bei Erlass des Verwaltungsakts konkret zu erwarten sei. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Widerrufsvorbehalt sei inhaltlich rechtswidrig. Die Anerkennung einer privaten Ersatzschule dürfe nicht von dem Erfordernis abhängig gemacht werden, dass zwei Drittel ihrer Lehrkräfte die Anstellungsfähigkeit für den öffentlichen Schuldienst besäßen.

8

Das beklagte Land verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hätte den streitigen Widerrufsvorbehalt auf die zulässigerweise geänderte Klage der Klägerin aufheben müssen. Der isoliert anfechtbare Widerrufsvorbehalt kann nicht auf die gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisible Vorschrift des § 36 Abs. 1 VwVfG BW gestützt werden.

10

Nach § 36 Abs. 1 VwVfG BW darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Die Vorschrift regelt abschließend, unter welchen Voraussetzungen ein gebundener begünstigender Verwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf.

11

Der Verwaltungsgerichtshof hat die irrevisible Vorschrift des § 10 Abs. 1 PSchG BW für den Senat verbindlich dahin ausgelegt, dass die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule nach dieser Vorschrift ein Verwaltungsakt ist, auf den ein Anspruch besteht, dessen Erlass also nicht im Ermessen der oberen Schulaufsichtsbehörde steht.

12

Von den beiden Alternativen des danach anwendbaren § 36 Abs. 1 VwVfG BW kommt, wie sich aus den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs ergibt, von vornherein nur die zweite Alternative in Betracht, denn es fehlt an einer fachgesetzlichen Rechtsvorschrift, welche im Sinne der ersten Alternative des § 36 Abs. 1 VwVfG BW Nebenbestimmungen zur Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zulässt.

13

Der streitige Widerrufsvorbehalt soll jedoch nicht im Sinne der zweiten Alternative des § 36 Abs. 1 VwVfG BW sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Ersatzschule der Klägerin erfüllt werden. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der unbefristet ausgesprochenen Anerkennung vollständig vor. Die Nebenbestimmung in Gestalt des Widerrufsvorbehalts war der Anerkennung der Ersatzschule nur für den Fall beigefügt, dass diese gesetzlichen Voraussetzungen künftig wegfallen sollten. Eine Nebenbestimmung mit dieser Zielsetzung ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG BW nicht gedeckt.

14

Nach § 10 Abs. 1 PSchG BW kann die obere Schulaufsichtsbehörde einer Ersatzschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule verleihen, wenn die Ersatzschule die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt. Nach der Nr. 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz Baden-Württemberg - VVPSchG BW - sind diese Anforderungen unter anderem nur dann erfüllt, wenn die Lehrer in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das ihrer Tätigkeit entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs wird diese Voraussetzung in der Verwaltungspraxis der Schulaufsichtsbehörden als erfüllt angesehen, wenn mindestens zwei Drittel der Lehrer an der Ersatzschule die Anstellungsfähigkeit besitzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Weiteren die Bestimmung des § 10 Abs. 1 PSchG BW dahin ausgelegt, die Anerkennung setze voraus, dass diese Anforderung aufgrund einer Prognose im Zeitpunkt der Anerkennung auf Dauer erfüllt sein werde.

15

Das Regierungspräsidium Stuttgart als obere Schulaufsichtsbehörde hat in seinem Bescheid vom 16. Oktober 2013 die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule ausgesprochen und sich den Widerruf der Anerkennung nur für den Fall vorbehalten, dass die Voraussetzungen für diese Anerkennung "nicht mehr" vorliegen. Hieran anknüpfend hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, nach übereinstimmender Ansicht beider Beteiligter seien die Voraussetzungen für die Anerkennung der Ersatzschule derzeit erfüllt. Er hat sich diese tatsächliche Einschätzung zu eigen gemacht und hieraus die Folgerung gezogen, die Anerkennung hätte auch ohne Widerruf ausgesprochen werden können, weil der Widerrufsvorbehalt nicht dazu diene, einen ohne diese Nebenbestimmung nicht zulässigen begünstigenden Verwaltungsakt zu ermöglichen.

16

Nach diesen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO verbindlichen Feststellungen waren im Zeitpunkt der Anerkennung deren Voraussetzungen einschließlich einer Prognose ihrer dauerhaften Erfüllung gegeben. Die Nebenbestimmung diente mithin auch nicht dazu, eine günstige Prognose dauerhafter Erfüllung der Voraussetzungen zu ermöglichen, die sonst in diesem Zeitpunkt nicht hätte getroffen werden können, etwa weil sich bereits im Zeitpunkt der Anerkennung aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte konkret abgezeichnet hätte, dass die Voraussetzungen der Anerkennung in absehbarer Zeit wieder fortfallen könnten.

17

Eine Nebenbestimmung ist nach der zweiten Alternative des § 36 Abs. 1 VwVfG BW nur zulässig, wenn sie sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts erfüllt werden, nicht hingegen dann, wenn sie - wie hier - nur sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen erfüllt bleiben.

18

Schon der Wortlaut der Vorschrift stellt eindeutig und ausschließlich darauf ab, dass die Nebenbestimmung sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Der Wortlaut bringt damit zugleich den Zweck der Bestimmung zum Ausdruck. Die Behörde soll gemäß § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG BW eine Nebenbestimmung beifügen dürfen, die es ihr ermöglicht, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl noch nicht sämtliche vom Fachrecht hierfür aufgestellten Voraussetzungen erfüllt oder nachgewiesen sind. Die Nebenbestimmung ist ein Mittel, das Fehlen von Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts zu überbrücken. Im Interesse des betroffenen Bürgers eröffnet sich so ein Weg, Gründe für eine Versagung auszuräumen. Einen begünstigenden Verwaltungsakt unter Beifügung einer Nebenbestimmung zu erteilen, ist vielfach das mildere Mittel gegenüber seiner sonst erforderlichen Ablehnung.

19

Der systematische Zusammenhang der beiden Alternativen des § 36 Abs. 1 VwVfG BW bestätigt diese Deutung der zweiten Alternative der Vorschrift. Gemeinsamer Anwendungsbereich beider Alternativen sind Nebenbestimmungen zu solchen Verwaltungsakten, auf welche dem Grunde nach ein Anspruch besteht. In seiner ersten Alternative knüpft § 36 Abs. 1 VwVfG BW die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen an eine dazu ermächtigende besondere Rechtsvorschrift. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Nebenbestimmung den Inhaber des Anspruchs belastet. Sein Anspruch wird eingeschränkt, wenn er die mit dem Verwaltungsakt verbundene Begünstigung etwa nur noch unter einer bestimmten Bedingung, für einen gewissen Zeitraum oder um den Preis einer ihm zugleich auferlegten Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht begehren kann. Macht § 36 Abs. 1 VwVfG BW in seiner ersten Alternative somit die Zulässigkeit von anspruchsbeschränkenden Nebenbestimmungen von einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung abhängig, spricht dies im Umkehrschluss dafür, dass § 36 Abs. 1 VwVfG BW in seiner zweiten Alternative nicht auf eine allgemeine Einschränkung fachgesetzlich eingeräumter Rechtspositionen dergestalt zielt, dass begünstigende Verwaltungsakte selbst dann mit belastenden Nebenbestimmungen versehen werden dürften, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllt sind und eine besondere Ermächtigung im Sinne der ersten Alternative von § 36 Abs. 1 VwVfG BW fehlt. Die Funktion der zweiten Alternative des § 36 Abs. 1 VwVfG BW liegt vielmehr darin, vom Erfordernis der gesonderten fachrechtlichen Ermächtigungsgrundlage dort eine Ausnahme zuzulassen, wo dieses Erfordernis zum Nachteil des Bürgers ausschlagen, nämlich sich als Hindernis für den Erlass eines Verwaltungsakts auswirken könnte, der unter Beifügung einer Nebenbestimmung bereits erlassen werden könnte.

20

Wären nach § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG BW Nebenbestimmungen zulässig, welche sicherstellen sollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts auch künftig erfüllt bleiben, würden zudem die differenzierten Regelungen über den Widerruf rechtmäßig erlassener Verwaltungsakte nach § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG BW unterlaufen. Das gilt jedenfalls für solche Nebenbestimmungen, die - wie auflösende Bedingung, Befristung oder Widerrufsvorbehalt - darauf zielen, die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts zu beseitigen. Bei einer Vielzahl begünstigender Verwaltungsakte besteht die Möglichkeit, dass seine ursprünglich gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage entfallen. Dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG BW Rechnung getragen, dabei aber dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes besonderes Gewicht verliehen. Wäre die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen oder einer nachträglich geänderten Rechtsvorschrift berechtigt, einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt jetzt nicht mehr zu erlassen, setzt sein Widerruf in jedem Fall voraus, dass ohne ihn das öffentliche Interesse gefährdet würde. Der hierdurch bewirkte Schutz des Bestandsinteresses des Betroffenen würde durch einen Widerrufsvorbehalt umgangen, der - wie hier - allein daran anknüpft, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts nachträglich weggefallen sind, und der insoweit einen eigenständigen Widerrufsgrund schafft (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG BW), der dieses Bestandsinteresse nicht in derselben Weise sichert.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit

1.
einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung);
2.
einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung);
3.
einem Vorbehalt des Widerrufs
oder verbunden werden mit
4.
einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage);
5.
einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage.

(3) Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Artikels 74 Abs. 1, der Einfügung des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7, des Artikels 85 Abs. 1 Satz 2 oder des Artikels 105 Abs. 2a Satz 2 oder wegen der Aufhebung der Artikel 74a, 75 oder 98 Abs. 3 Satz 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht ersetzt werden.

(2) Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 in der bis zum 15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 72 Abs. 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, dass es durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(3) Recht, das als Landesrecht erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 73 nicht mehr als Landesrecht erlassen werden könnte, gilt als Landesrecht fort. Es kann durch Bundesrecht ersetzt werden.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Artikels 74 Abs. 1, der Einfügung des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7, des Artikels 85 Abs. 1 Satz 2 oder des Artikels 105 Abs. 2a Satz 2 oder wegen der Aufhebung der Artikel 74a, 75 oder 98 Abs. 3 Satz 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht ersetzt werden.

(2) Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 in der bis zum 15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 72 Abs. 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, dass es durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(3) Recht, das als Landesrecht erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 73 nicht mehr als Landesrecht erlassen werden könnte, gilt als Landesrecht fort. Es kann durch Bundesrecht ersetzt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Wiedererteilung einer Erlaubnis für die von ihr seit 2012 in der D. Straße ... in K. betriebene Spielhalle.

2

Für diese war ihr am 31. Mai 2012 eine Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung (GewO) erteilt worden. In den betreffenden Räumlichkeiten hatte zuvor ein anderes Unternehmen eine Spielhalle betrieben. Nach einem Brand im Jahr 2010 hatte es für diese jedoch eine Vergnügungssteuerabmeldung und zum 15. April 2012 eine gewerberechtliche Abmeldung vorgenommen. Nach Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes Rheinland-Pfalz (LGlüG RP) und des geänderten Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) am 1. Juli 2012 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach neuem Recht. Unter Hinweis auf zwei nahegelegene, überwiegend von Minderjährigen besuchte Einrichtungen - das "... Jugenddorf Deutschland e.V." in ca. 330 Meter Entfernung und das "Haus der Jugend K. e.V." in ca. 400 Meter Entfernung zur Spielhalle - versagte der Beigeladene mit Schreiben vom 3. Juli 2013 die Zustimmung zur Erteilung einer Erlaubnis. Daraufhin lehnte die Beklagte die Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Spielhalle ab dem 1. Juli 2013 mit Bescheid vom 22. Juli 2013 ab. Eine Ausnahme vom Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern zu einer überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtung könne wegen der besonderen Suchtgefährdung Minderjähriger nicht erteilt werden. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Sie hat am 4. September 2013 Klage erhoben, die zunächst auf eine Feststellung gerichtet war, dass die ihr bereits erteilte gewerberechtliche Spielhallenerlaubnis die glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 15 Abs. 3 LGlüG RP einschließe. Mit Urteil vom 20. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

3

Mit ihrer Berufung hiergegen hat die Klägerin hilfsweise zu ihrem Feststellungsbegehren die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die streitgegenständliche Spielhalle beantragt. Mit Urteil vom 10. März 2015 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Das Feststellungsbegehren sei unbegründet, weil die einjährige Übergangsfrist nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV für die der Klägerin am 31. Mai 2012 erteilte gewerberechtliche Erlaubnis am 30. Juni 2013 abgelaufen sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neuerteilung einer die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 15 Abs. 3 LGlüG RP i.V.m. § 24 Abs. 1 GlüStV zugleich umfassenden Erlaubnis nach § 33i GewO, weil die Spielhalle jedenfalls im Hinblick auf das von Jugendlichen im Alter von 11 bis 23 Jahren besuchte "Haus der Jugend" den nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP geforderten Mindestabstand von 500 Metern nicht einhalte. Diese Abstandsbestimmung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Entscheidung der Beigeladenen, dass der Erteilung einer Ausnahme zugunsten der Klägerin im Hinblick auf die Gefährdung Jugendlicher nicht zugestimmt werden könne, sei ermessensfehlerfrei und trage dem gesetzlichen Ziel des Jugendschutzes Rechnung. Sie werde durch die Ergebnisse einer Studie über problematisches Glücksspiel bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz gestützt.

4

Zur Begründung ihrer vom Senat im Umfang des Hilfsbegehrens der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Erlaubniserteilung zugelassenen Revision macht diese im Wesentlichen geltend, die Länder seien zum Erlass einer Mindestabstandsvorschrift für Spielhallen nicht befugt. Eine solche Befugnis folge nicht aus dem Gesetzgebungskompetenztitel der Länder für das "Recht der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, der normativ-rezeptiv entsprechend dem Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO auszulegen sei. Mindestabstandsregelungen unterfielen vielmehr dem Kompetenztitel des Bundes für das Gewerberecht, von dem dieser abschließend Gebrauch gemacht habe. Außerdem entfalteten die bundesplanungsrechtlichen Regelungen zur Zulässigkeit von Spielhallen Sperrwirkung gegenüber Abstandsregelungen der Länder. Das Abstandsgebot im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige verletze die Klägerin auch materiell in ihrer Berufsfreiheit. Ein alternativer Standort stehe für die Spielhalle im Gemeindegebiet der Beklagten nicht zur Verfügung. Die Abstandsvorschrift sei weder zur Suchtbekämpfung geeignet noch neben der Möglichkeit von Auflagen zur Erlaubnis erforderlich oder zumutbar. Sie diene in Wahrheit dem fiskalischen Ziel des Schutzes des Spielangebots in Spielbanken. Der geforderte Abstand sei willkürlich bemessen und ohne erkennbaren Grund doppelt so groß wie für Wettvermittlungsstellen in Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus sei es mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar, dass sich die Kriterien für die Erteilung einer Ausnahme vom Abstandsgebot nicht der gesetzlichen Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 LGlüG RP entnehmen ließen.

5

Die Erteilung einer Erlaubnis sei vorliegend auch aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten, weil die Klägerin erhebliche Investitionen getätigt habe. Die einjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV für nach dem 28. Oktober 2011 erteilte Erlaubnisse sei unverhältnismäßig kurz. Darüber hinaus verletze die Abstandsvorschrift das Grundrecht der Klägerin auf Eigentum sowie das Gebot der Gleichbehandlung von Spielhallen im Verhältnis zu Spielbanken und Gaststätten. Sie sei mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit und dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot für Regelungen im Glücksspielbereich unvereinbar. Für Lottoannahmestellen, Sportwettenvermittlungsstellen und Spielbanken in Rheinland-Pfalz gälten ohne hinreichenden Grund weniger strenge Anforderungen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. März 2015 und des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 22. Juli 2013 die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag i.V.m. § 11 Landesglücksspielgesetz zu erteilen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das Berufungsurteil. Die Mindestabstandsregelung sei der Ländergesetzgebungskompetenz für das "Recht der Spielhallen" aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen. Sie schränke die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin, die noch weitere Spielhallen betreibe, in verhältnismäßiger Weise zugunsten des Schutzes Jugendlicher ein. Wann von der Abstandsregelung eine Ausnahme erteilt werden könne, lasse sich anhand des Verweises auf die Ziele des § 1 GlüStV, auf die Verhältnisse im Umfeld des Standortes und die Lage des Einzelfalls mit hinreichender Bestimmtheit aus § 11 Abs. 1 LGlüG RP ableiten.

9

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und tritt dem Standpunkt der Beklagten bei. Die Regelungsbefugnis der Länder für das "Recht der Spielhallen" gehe über das Normprogramm des § 33i GewO hinaus und ermögliche auch den Erlass von Abstandsregelungen zum Spieler- und Jugendschutz. Angesichts der hohen Bedeutung der Suchtbekämpfung und des hohen Suchtpotenzials des Automatenspiels habe der Landesgesetzgeber seinen Beurteilungsspielraum mit Erlass des § 11 Abs. 1 Nr. 4 LGlüG RP nicht überschritten. Die Regelung sei verfassungskonform.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Länder zur Regelung von Mindestabständen zu Einrichtungen, die von Minderjährigen besucht werden, befugt. Solche Regelungen seien zwar mangels unmittelbaren Bezuges zur Räumlichkeit von Spielhallen nicht dem "Recht der Spielhallen" zuzuordnen. Jedoch habe der Bund insoweit jedenfalls von seiner Kompetenz zur Regelung der "öffentlichen Fürsorge" und des "Rechts der Wirtschaft" keinen Gebrauch gemacht. Die Abstandsregelung des Landes stelle eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung dar.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt nicht revisibles Recht.

12

1. Die im Revisionsverfahren allein streitgegenständliche Verpflichtungsklage ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die erstmalige Einführung dieses Klagebegehrens im Berufungsverfahren zutreffend als nach § 91 Abs. 2 VwGO zulässige Klageänderung angesehen.

13

2. Das Berufungsgericht hat die Berufung, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zu Recht zurückgewiesen. Es hat entschieden, dass die Klägerin für den Weiterbetrieb ihrer Spielhalle seit dem 1. Juli 2013 einer neuen Erlaubnis nach § 33i GewO bedarf, die aufgrund der in § 15 Abs. 3 Satz 2 des Landesgesetzes zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und dem Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (Landesglücksspielgesetz - LGlüG RP) vom 22. Juni 2012 (GVBl. S. 166, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. August 2015, GVBl. S. 190) geregelten Konzentrationswirkung die glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV umfasst. Insoweit ist das Berufungsurteil rechtskräftig geworden, weil der Senat die Revision gegen die Ablehnung des Feststellungsbegehrens, dass die zum Betrieb der Spielhalle am 31. Mai 2012 erteilte Erlaubnis noch bis zum 30. Juni 2017 Wirkung entfaltet, nicht zugelassen hat. Das Berufungsgericht hat weiter entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zusteht. Insoweit hat der Senat die Revision zugelassen.

14

Die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin verletzt kein Bundesrecht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 33i GewO, § 15 Abs. 3 Satz 2 LGlüG RP i.V.m. § 24 Abs. 1 GlüStV für die streitgegenständliche Spielhalle. Nach den für die revisionsgerichtliche Überprüfung bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hält die Spielhalle den nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV erforderlichen Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie zu einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht wird, nicht ein. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das von Jugendlichen im Alter von 11 bis 23 Jahren zur aktiven Freizeitgestaltung besuchte "Haus der Jugend" den gesetzlichen Mindestabstand unterschreitet. Die Klägerin hat weder gegen die Feststellung des Abstandes zwischen der Spielhalle und dem "Haus der Jugend" noch gegen die Feststellung von dessen überwiegender Nutzung durch Minderjährige Verfahrensrügen erhoben.

15

Die der Erteilung einer Erlaubnis entgegenstehende Mindestabstandsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 LGlüG RP verletzt nicht Verfassungsrecht (a) und ist auch im Hinblick auf Unionsrecht anwendbar (b).

16

a) aa) Das Land Rheinland-Pfalz war zum Erlass der Mindestabstandsregelung im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige als Erteilungsvoraussetzung für eine Spielhallenerlaubnis befugt. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen in seinem Urteil vom selben Tage zum Parallelverfahren BVerwG 8 C 6.15, die sich mit gleichgerichteten Rügen der dortigen Klägerin befassen:

"Der ausdrückliche und ausschließliche Länderkompetenztitel (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 13) in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das 'Recht der Spielhallen' ermächtigt die Länder zur Regelung sämtlicher Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebes einschließlich der räumlichen Bezüge in ihrem Umfeld. Dies ergibt die Auslegung des Kompetenztitels nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck (vgl. allg. BVerfGE, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <273 f.>).

aa) Der Wortlaut des Kompetenztitels 'Recht der Spielhallen' ist weit und erfasst über die Voraussetzungen der Erteilung einer Spielhallenerlaubnis hinaus alle Gesichtspunkte des mit der Räumlichkeit einer Spielhalle verbundenen Betriebes. Insbesondere beschränkt er sich nicht auf den Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO. Regelungen dagegen, die sich unabhängig vom Aufstellungsort Spielhalle produktbezogen mit der Gestaltung, Zulassung, Aufstellung und Überprüfung von Spielgeräten befassen, sind dem 'Recht der Spielhallen' wegen des im Wortlaut angelegten räumlichen Bezuges dieser Materie nicht zuzuordnen.

Auch die Entstehungsgeschichte des im Zuge der Föderalismusreform zugunsten der Länder umgestalteten Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht dafür, dass das 'Recht der Spielhallen' alle Aspekte der Erlaubnis und des Betriebes von Spielhallen umfasst. Insbesondere lassen sich weder den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), mit dem die Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG verabschiedet wurde, noch den Materialien der 2003 eingesetzten 'Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung' (Föderalismuskommission I), an deren Ergebnisse das verfassungsändernde Gesetz anknüpfte, Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit ihm lediglich der Regelungsbereich der bisherigen Rechtsgrundlage für eine Spielhallenerlaubnis in § 33i GewO normativ rezipiert und die Gesetzgebungsbefugnis der Länder hierauf beschränkt werden sollte.

Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen im Jahre 2006 ging auf die Initiative der Länder zurück, die bundesstaatliche Ordnung kritisch zu überprüfen und den Ländern wieder mehr Kompetenzen zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <264>). In der Föderalismuskommission I konnte allerdings zwischen Bund und Ländern kein Konsens darüber hergestellt werden, welche Materien aus dem Kompetenztitel des 'Rechts der Wirtschaft' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auf die Länder verlagert werden sollten. Einigkeit bestand lediglich darüber, dass den Ländern Materien übertragen werden sollten, die einen regionalen Bezug aufwiesen und nicht zur Wahrung des einheitlichen Wirtschaftsraums in der Bundeskompetenz verbleiben mussten (vgl. Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 'Regionale Themen' am 29. September 2004, S. 2; Stenografischer Bericht der 9. Sitzung der Kommission am 14. Oktober 2004, S. 231; alle auch nachfolgend genannten Dokumente der Föderalismuskommission I in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, CD-ROM). Eine Übertragung der Materie der 'Spielhallen' auf die Länder schlugen erstmals die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission I in ihren abschließenden Darstellungen und ihrem Vorentwurf eines Beschlussvorschlages vor (vgl. Sprechzettel der Vorsitzenden zur Erweiterten Obleuterunde am 26. November 2004, S. 4 und am 3. Dezember 2004, S. 3; Vorentwurf vom 13. Dezember 2004 für einen Vorschlag der Vorsitzenden, S. 4). Die Reichweite der dort aufgeführten Materie 'Spielhallen' wurde darin nicht erläutert. Die vorhergehenden Arbeitsdokumente der Föderalismuskommission I enthielten weder einen Vorschlag zur Übertragung der späteren Ländermaterie 'Recht der Spielhallen' noch Hinweise für deren Eingrenzung. Das gilt auch für die von der Klägerin und von Teilen der Literatur als Beleg für eine enge Auslegung in Bezug genommene Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 28. September 2004 zur 'Gewerbeordnung und Handwerksordnung' (PAU-5/0020), in der 'Spielhallen (§ 33i)' erwähnt sind (vgl. ebd. S. 4). Die Stellungnahme des Bundesministeriums sollte auf Bitten der Länder klären, ob der Bund ein Bedürfnis, grundlegende Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Betätigung weiterhin bundesgesetzlich zu regeln, für alle Bereiche der Gewerbeordnung sah (vgl. ebd. S. 2), nachdem das Ministerium zuvor die Position der Länder zur Übertragung des gesamten Gewerberechts auf sie umfassend zurückgewiesen hatte (vgl. BMWA, Stellungnahme für die Bereiche u.a. Handwerksrecht und allgemeines Gewerberecht zu: ^Konkretisierung der Länderposition zum 'Recht der Wirtschaft' <art. 74 abs. 1 nr. 11 gg>^, PAU-3/0007 = PAU-5/0006 S. 3 f.). Das Ministerium schlug in der Stellungnahme nicht vor, die Regelung von Spielhallen den Ländern zu übertragen, sondern listete den bestehenden Inhalt der Gewerbeordnung auf. Dem jeweiligen einfachgesetzlichen Regelungsbereich der Vorschriften der §§ 30 bis 38 GewO wurde jeweils in Klammern deren Paragrafenbezeichnung hinzugesetzt, also beispielsweise 'Gewinnspiele und Geldspielgeräte (...) (§§ 33c bis h), Spielhallen (§ 33i), Pfandleiher (§ 34)'. Diese Bestimmungen, so die Stellungnahme, würden zum Teil ergänzt durch ausführliche Verordnungen mit Detailregelungen. Bei einzelnen dieser Bereiche komme eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länderebene in Betracht, soweit ein lokaler Bezug vorhanden sei. Allerdings sei den Ländern in diesen Bereichen bereits nach geltendem Recht die materielle Ausgestaltung überlassen (PAU-5/0020 S. 4). Welche Bereiche sich konkret für eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länder eigneten, führte das Ministerium nicht aus. In der zuständigen Projektgruppe 5 'Regionale Themen' war zu diesem Zeitpunkt außerdem offen, ob eine etwaige Zuständigkeitsverlagerung auf die Länder einfachgesetzlich oder verfassungsrechtlich erfolgen solle (vgl. den Bericht in der 7. Sitzung der Arbeitsgruppe 'Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte' der Föderalismuskommission I, Protokollvermerk vom 6. Oktober 2004 S. 22 f.). Jedenfalls sollte die Verteilung der Kompetenzen im Bereich des Wirtschaftsrechts dem Ansatz der 'örtlichen Radizierung' folgen (vgl. den Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 'Regionale Themen' am 29. September 2004 S. 2). Zur Verabschiedung eines Ergebnisses der Föderalismuskommission kam es nicht mehr, nachdem die Vorsitzenden deren Arbeit für gescheitert erklärten (vgl. Stenografischer Bericht der 11. Sitzung vom 17. Dezember 2004 S. 279 ff.).

Die Entstehungsgeschichte des - mit dem Entwurf für das verfassungsändernde Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) wieder aufgegriffenen - Vorentwurfs eines Vorschlages der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I bietet daher für die Auslegung des heutigen Kompetenztitels des 'Rechts der Spielhallen' keine konkrete Substanz. Sie spricht aber dagegen, dass den Ländern im Bereich des Gewerberechts kleinteilig Gesetzgebungsbefugnisse nach Maßgabe der bestehenden Regelungen in der Gewerbeordnung übertragen werden sollten. Hierfür hätte die in der Föderalismuskommission I ebenfalls erwogene Schaffung einfachgesetzlicher Öffnungsklauseln zugunsten der Länder genügt. Vielmehr wurden unter Sichtung der Gewerbeordnung Sachverhalte von vorrangig regionaler Bedeutung gesucht, die von den Ländern deshalb ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums selbständig gestaltet werden konnten. Dazu gehörte nach dem Vorentwurf der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I die Regelung von Spielhallen, nicht dagegen die Regelung von Gewinnspielen und Geldspielgeräten, die zuvor in der Auflistung des Inhalts der Gewerbeordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ebenso aufgeführt waren. Der infolge der Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005 erarbeitete Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 7. März 2006 (BT-Drs. 16/813) griff den letzten Sachstand der Föderalismuskommission I aus dem Vorsitzendenentwurf ausdrücklich auf (vgl. ebd. S. 3, 7 und 13). Die verabschiedete Endfassung entspricht dem Gesetzesentwurf.

Der Auffassung, der Zuweisungsgehalt des 'Rechts der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG müsse normativ-rezeptiv nach dem Regelungsbereich des § 33i GewO bestimmt werden (vgl. z.B. Schneider, GewArch 2009, 269 <270>; Uhle, Normativ-rezeptive Kompetenzzuweisung und Grundgesetz, 2015, 46 ff.), kann auch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden. Von einer normativen Rezeption geht das Bundesverfassungsgericht aus, wenn der Verfassungsgeber eine normativ ausgeformte Materie vorgefunden und sie nachvollziehend benannt hat, so dass die einfachgesetzliche Ausformung in der Regel unter dem Gesichtspunkt des Traditionellen und Herkömmlichen den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznorm bestimmt (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218> und Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 Rn. 29). Sie ist bislang allenfalls für bereits vorkonstitutionell ausgeformte, umfangreiche Rechtsmaterien anerkannt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12 - BVerfGE 134, 33 <55 ff.> und Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 für das Strafrecht). Für eine restriktive Anwendung der Rechtsfigur spricht, dass sie das Rangverhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht umkehrt und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers schwächt, wenn sie die überkommene einfachgesetzliche Ausgestaltung für seine verfassungsrechtliche Regelungskompetenz für maßgeblich hält (vgl. dazu Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 35, 39; Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 70 Rn. 49).

Die normative Rezeption eines als einheitliches Regelungswerk konzipierten Normenkomplexes (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 34, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218>) in einem verfassungsrechtlichen Kompetenztitel soll eine gewisse Kontinuität der Gesetzgebung in langjährig entwickelten Rechtsgebieten über Verfassungsänderungen hinweg gewährleisten. Sie setzt einen von anderen Regelungsbereichen abgrenzbaren und langjährig gefestigten einfachgesetzlichen Normbestand voraus, der prägende Wirkung für eine Kompetenzmaterie entwickeln kann. Daran fehlt es hier. Die ordnungs- und gewerberechtlichen Anforderungen an Spielhallen wurden bis zur Schaffung der Kompetenzmaterie der Länder im Jahr 2006 immer wieder grundlegend geändert (vgl. eingehend m.w.N. zur Regelungsgeschichte Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 1 ff.; Hahn, in: Friauf, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 4 ff.) und waren mit Anforderungen an Aufsteller von Geräten und Veranstalter anderer Spiele verschränkt (vgl. nur § 33i Abs. 2 i.V.m. § 33c Abs. 2, § 33d Abs. 3 GewO, § 3a i.V.m. § 3 SpielV). 1933 wurde die gewerbsmäßige Aufstellung mechanischer Spiele und Spieleinrichtungen mit Gewinnmöglichkeit an öffentlichen Orten genehmigungspflichtig (RGBl. 1933 I S. 1080). Durch Verordnung wurde 1953 erstmals die Aufstellung von Geldspielgeräten in geschlossenen Räumen - und damit auch der Betrieb einer Spielhalle - zugelassen (BGBl. 1953 I S. 935). 1960 wurden in der Gewerbeordnung der Erlaubnisvorbehalt für den gewerbsmäßigen Betrieb einer Spielhalle und, hiervon getrennt, eine Aufstellererlaubnis und eine Bauartzulassung für Spielgeräte eingeführt (BGBl. 1960 I S. 61, ber. S. 92). 1979 wurde die Aufstellererlaubnis in eine orts- und geräteübergreifende personenbezogene Erlaubnis umgewandelt (BGBl. 1979 I S. 149). Dies bedingte eine stärkere Inpflichtnahme des Betreibers einer Spielhalle für die Einhaltung der Anforderungen an die Aufstellung der Geräte im konkreten Betrieb. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Änderungen der 1962 erlassenen Spielverordnung (SpielV). Deren gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 33f GewO erlaubte zum Zeitpunkt der Föderalismusreform I den Erlass von Verordnungsbestimmungen zur Durchführung von gerätebezogenen wie auch von aufstellerbezogenen und von spielhallenbetreiberbezogenen Regelungen der Gewerbeordnung (Fassung vom 25. November 2003, BGBl. I S. 2304). Entsprechend enthielt die Spielverordnung spielhallenbezogene Regelungen, die sich teilweise an die Aufsteller von Spielgeräten, teilweise aber auch an die Veranstalter von Spielen und an die Betreiber von Spielhallen richteten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 und 3, §§ 3a und 4 SpielV i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1985, BGBl. I S. 2245, geändert durch Verordnung vom 24. April 2003, BGBl. I S. 547 und durch die 5. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 17. Dezember 2005, BGBl. I S. 3495).

Im Übrigen wäre selbst bei einer normativ-rezeptiven Auslegung des 'Rechts der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu berücksichtigen, dass die bundesrechtlichen Regelungen zu Spielhallen 2006 über erlaubnisbezogene Anforderungen hinausgingen. Sie umfassten neben orts- und betriebsbezogenen Anforderungen auch Pflichten des Spielhallenbetreibers zur Einhaltung von Höchstzahlen für Geräte und andere Spiele, Aufsichtsverpflichtungen und Sicherungsmaßnahmen zugunsten von Minderjährigen sowie die Verpflichtung, die Aufstellung von Geräten nur bei Einhaltung der aufstellungsbezogenen rechtlichen Anforderungen zuzulassen (vgl. § 33c Abs. 3 Satz 3, § 33f Abs. 1 Nr. 1 und 4 GewO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 und 3, §§ 3a, 4 SpielV).

Der systematische Zusammenhang der Länderkompetenz für das 'Recht der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht ebenfalls dafür, den Ländern die Regelungsbefugnis für sämtliche erlaubnis- und betriebsbezogenen Aspekte des Spiels in Spielhallen zuzuordnen. Die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ausgenommenen, ausschließlich den Ländern zugeordneten Materien des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen sowie der Messen, Ausstellungen und Märkte betreffen durchweg Gewerbeaktivitäten mit Bezug zu einer räumlich-betrieblich abgegrenzten Einrichtung oder Veranstaltung vor Ort. Sie alle weisen damit den von der Föderalismuskommission I geforderten regionalen Bezug auf. Damit hat der Gesetzgeber in Anknüpfung an die oben genannten Überlegungen in der Föderalismuskommission I aus dem 'Recht der Wirtschaft' Bereiche identifiziert, die in erster Linie auf regionale Sachverhalte bezogen sind und deshalb typischerweise ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums von den Ländern eigenständig gestaltet werden können. Mit ihnen hat der Verfassungsgeber in Kauf genommen, dass sich bundesweit tätige Unternehmen wie Einzelhandels- und Restaurantketten, Beschicker von Märkten und Messen ebenso wie Vertreiber und Aufsteller von Spielgeräten auf unterschiedliche Regelungen der Länder in diesen Materien einzustellen haben. Regelungsgegenstände ohne räumlich-betrieblichen Bezug wie das 'Recht der Spielgeräte' und der ortsübergreifenden Zulassung ihrer Aufstellung, die bei einer länderspezifischen Ausgestaltung etwa die Handelbarkeit des Produkts beeinträchtigen könnten, fallen dagegen aus der Systematik dieser ausschließlichen Ländermaterien heraus und sind der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das 'Recht der Wirtschaft (Gewerbe)' zuzuordnen.

Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Kompetenznorm. Mit der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine neu konturierte und klare föderale Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten im Recht der Wirtschaft erzielen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <277>). Deutlicher voneinander abgegrenzte Verantwortlichkeiten sollten die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern verbessern und die Landesgesetzgeber durch Zuweisung neuer Materien mit Regionalbezug, die eine bundesgesetzliche Regelung nicht zwingend erfordern, gestärkt werden (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 7, 9). Schon die Föderalismuskommission I verfolgte das Ziel, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entflechten und die Länderebene zu stärken (vgl. Positionspapier der Ministerpräsidenten zur Föderalismusreform, Kommissionsdrucksache 0045 S. 1, in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005). Die Anknüpfung der Kompetenzverlagerung auf die Länder an einen überwiegenden regionalen Bezug der Materie bedeutet daher nicht, dass jede einzelne Regelung durch einen besonderen Bedarf für landes- oder ortsspezifische Differenzierungen zum Erlass von Regelungen gedeckt sein muss. Ein solcher Vorbehalt würde die Neuzuweisung von Kompetenzen an die Länder ohne Rückhalt in der Entstehungsgeschichte des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wesentlich einschränken und neue Unsicherheiten in der Abgrenzung der Kompetenzverteilung schaffen, die mit der Verfassungsänderung vermieden werden sollten.

bb) Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG können die Länder im Bereich der ihnen durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 GG zugewiesenen Materien das als Bundesrecht fortgeltende Recht durch Landesrecht ersetzen. Mit den von der Klägerin angegriffenen Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin, des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Ausführungsgesetzes des Landes Berlin hierzu hat das Land Berlin von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Sie lassen sich dem Kompetenztitel für das 'Recht der Spielhallen' auch zuordnen.

Für die Zuordnung gesetzlicher Regelungen zu einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm sind ihr Gegenstand und Gesamtzusammenhang im jeweiligen Gesetz maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <216>; Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 402, 906/08 - BVerfGE 121, 317 <348>; Rozek, in: von Mangold/Klein/Starck, a.a.O., Bd. 2 Art. 70 Rn. 55). ... Die erstmals eingeführten Mindestabstände zu ... sonstigen Einrichtungen ... regeln ihr (der Spielhallen) räumliches Verhältnis zu sonstigen Einrichtungen, deren Nutzer der Gesetzgeber als schutzwürdig ansieht. Sie betreffen die räumlichen Bezüge einer Spielhalle in ihrem Umfeld und damit einen Regelungsgegenstand, der nicht zwingend bundeseinheitlich zu regeln ist und im Hinblick auf die jeweilige soziale Bevölkerungsstruktur und Dichte des Spielangebots regionale Bezüge aufweist. Für die Zuordnung zur Kompetenzmaterie 'Recht der Spielhallen' ist nicht maßgeblich, ob diese Regelungen an eine abstrakte oder an eine konkrete Gefahr anknüpfen.

Mindestabstandsregelungen für Spielhallen sind nicht der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG für das 'Bodenrecht' zuzuordnen. Dazu gehören Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben und die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu ihm regeln (BVerfG, Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 <424>; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318 <320>). Die Vorschriften über den Mindestabstand zwischen Spielhallen sowie zu anderen Einrichtungen regeln nicht den Ausgleich verschiedener Nutzungsinteressen an Grund und Boden oder die Wahrung des Gebietscharakters des Umfeldes einer Spielhalle, sondern den Spielerschutz und den Schutz von Minderjährigen vor der Entstehung von Spielsucht (vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13, 1 VB 15/13 - ESVGH 65, 58, juris Rn. 319).

Regelungen des Mindestabstandes von Spielhallen zu Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, sind auch nicht der Materie der 'öffentliche Fürsorge' nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zuzuordnen, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt. Zwar erfasst sie auch Regelungen des Jugendschutzes (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 2 BvL 10/70 - BVerfGE 31, 113 <117>; BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1966 - 5 C 104.63 - BVerwGE 23, 112 <113>). Der Schwerpunkt des Mindestabstandsgebotes zu Einrichtungen für Minderjährige liegt aber auf der spielerschützenden Ausgestaltung der räumlichen Bezüge der Spielhalle. Der Jugendschutz stellt dabei einen Annex zum Schutz vor Spielsucht bei Zulassung der Spielhalle als einer Gefahrenquelle dar. Im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen für die Regulierung des Glücksspiels dürfen die Länder auch Aspekte des Jugendschutzes mit regeln. Selbst bei Zuordnung des Mindestabstandes zu Einrichtungen für Minderjährige zum Kompetenztitel des Bundes für die 'öffentliche Fürsorge' bliebe den Ländern nach Art. 72 Abs. 1 GG Raum für die hier in Rede stehenden Regelungen zum Schutz im Vorfeld des Betretens von Spielhallen, da der Bund mit der Regelung des Zugangsverbots für Minderjährige in § 6 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2016, BGBl. I S. 1666) von seiner Befugnis für jugendschützende Regelungen im Hinblick auf Spielhallen nicht abschließend Gebrauch gemacht hat."

17

bb) Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP normierte Erteilungsvoraussetzung des Mindestabstandes zu Einrichtungen, die überwiegend von Minderjährigen besucht werden, ist materiell mit der Berufsfreiheit der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie greift in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Senats im Parallelverfahren BVerwG 8 C 6.15 zu den gleichgerichteten Rügen der dortigen Klägerin:

"Ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfordert eine kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Grundlage, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 - NJW 2016, 700 <701> m.w.N.; vom 14. Januar 2014 - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 - BVerfGE 135, 90 <111 Rn. 57> und vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 <38>). Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden, soweit Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 Rn. 45). Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <284 f. m.w.N.>). Wirkt eine auf die Berufsausübung zielende Regelung auf die Berufswahl zurück, weil sie in ihren Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahe kommt, so ist ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung an den Anforderungen an Regelungen betreffend die Berufswahl zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>; Kammerbeschluss vom 24. August 2011 - 1 BvR 1611/11 - NVwZ 2012, 104 <105>).

Gemessen hieran stellen die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar. Der Auffassung der Klägerin, es handele sich bei den Mindestabstandsgeboten ... sowie aufgrund einer kumulativen Betrachtung bei sämtlichen angegriffenen Regelungen um objektive Berufswahlbeschränkungen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Dafür sind die Auswirkungen der betreffenden Regelungen in ihrem gesamten räumlichen Geltungsbereich zu betrachten."

18

Der Auffassung der Klägerin, sie sei durch das Mindestabstandsgebot im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige in ihrer Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Es kommt wegen der gebotenen Betrachtung des gesamten räumlichen Geltungsbereichs des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP, also des Landes Rheinland-Pfalz, nicht darauf an, ob der Klägerin für ihre Spielhalle in der beklagten Gemeinde wegen dieser Einschränkung kein anderer Standort zur Verfügung steht. Den Feststellungen des Berufungsurteils lässt sich ebenso wenig wie dem Vorbringen der Klägerin entnehmen, dass die Durchsetzung der Mindestabstandsregelung im Land Rheinland-Pfalz absehbar zu einer faktischen Erschöpfung der Standortkapazität für Spielhallen und damit zu einer Kontingentierung führen könnte, deren Wirkung einer Berufswahlbeschränkung nahe käme (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 1295/07 - NJW 2008, 1293 <1294>). Für die revisionsgerichtliche Prüfung ist daher davon auszugehen, dass die von der Klägerin angegriffenen Beschränkungen nicht schon den Zugang zur nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Tätigkeit des Spielhallenbetreibers beschränken, sondern lediglich Anforderungen an deren Ausübung stellen.

19

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig. Die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP dient der Verminderung der Glücksspielsucht und dem Jugendschutz (vgl. LT-Drs. RP 16/1179 S. 49). Der Entwurf zu dieser Vorschrift sah nach den Ergebnissen einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein steigendes Suchtpotenzial von Geldspielautomaten insbesondere für die Altersgruppe der jungen Männer (ebd. S. 48). Bei der Änderung des Landesglücksspielgesetzes Rheinland-Pfalz zum 22. August 2015 (durch das Erste Landesgesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015, GVBl. S. 190), die den nach § 7 LGlüG RP erforderlichen Abstand für Wettvermittlungsstellen zu überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtungen von 500 Metern auf 250 Meter halbierte, hat der Gesetzgeber an dem Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern von Spielhallen zu solchen Einrichtungen bewusst festgehalten. Der Entwurf des Änderungsgesetzes verwies hierfür erneut auf Erkenntnisse aus Studien, wonach die unter allen Glücksspielen am suchtgefährdendsten Geldspielgeräte auf Jugendliche eine besondere Anziehungskraft ausübten (vgl. LT-Drs. RP 16/4671 S. 21). Die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht ist als überragend wichtiges Gemeinwohlziel anerkannt, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen selbst, für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 338; Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>). Der Landesgesetzgeber durfte beim Erlass von Regelungen über Spielhallen auf die Zielsetzung der Bekämpfung von Glücksspielsucht zurückgreifen, auch wenn bereits die bundesrechtlichen Vorschriften über die Gerätezulassung auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Verfassungsrechtlich legitime Schutzzwecke für Maßnahmen innerhalb der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers werden nicht durch Regelungen "verbraucht", die der Bundesgesetzgeber unter derselben Zielsetzung für die ihm zustehenden Kompetenzmaterien getroffen hat.

20

Die Mindestabstandsregelung ist zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels der Prävention und Bekämpfung von Spielsucht bei Kindern und Jugendlichen geeignet, erforderlich und zumutbar.

21

Eine Regelung ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Insoweit kommt dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 263 <183> m.w.N.). Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetzgeber auch für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Dieser ist nur dann überschritten, wenn aufgrund der dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und der bereits vorhandenen Erfahrungen feststellbar ist, dass weniger grundrechtsbelastende, aber gleich wirksame Regelungsalternativen in Betracht kommen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - BVerfGK 18, 116 <121>).

22

Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass ein Mindestabstand von 500 Metern zwischen Spielhallen und Einrichtungen für Minderjährige zur Vermeidung von Glücksspielsucht geeignet und erforderlich ist, überschreitet nicht den ihm zustehenden weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Mildere, gleich wirksame Mittel sind nicht erkennbar. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die folgenden, entsprechend auf die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LGlüG RP übertragbaren Ausführungen in dem Urteil im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 vom selben Tage zur Regelung des Spielhallengesetzes Berlin über den Mindestabstand von Spielhallen zu überwiegend von Kindern und Jugendlichen besuchten Einrichtungen:

"Diese Regelung soll Kinder und Jugendliche vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Spielhallen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Bildungs- und Freizeiteinrichtungen schützen (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 12) und einem 'Reiz des Verbotenen' für Minderjährige entgegenwirken. Sie dient der Suchtprävention durch einen Schutz von Kindern und Jugendlichen im Vorfeld des Betretens einer Spielhalle und der Teilnahme am Automatenspiel, welche schon nach § 6 Abs. 1 JuSchG und § 6 Abs. 4 SpielhG BE verboten sind. Dieser Schutzzweck wird nicht schon durch den Erlaubnisversagungsgrund der Gefährdung der Jugend abgedeckt, den § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpielhG BE aus § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO übernommen hat. Er dient regelmäßig der Abwehr der vom konkreten Spielhallenbetrieb ausgehenden Gefährdungen für Minderjährige (vgl. Hahn, in: Friauf, GewO, § 33i Rn. 77).

Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, der Spielsucht müsse bei Minderjährigen auch über den Ausschluss ihres Zutritts hinaus in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Spielhallen und eines Anreizes des für sie verbotenen Glücksspiels entgegengewirkt werden, überschreitet nicht den ihm zustehenden, weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Dies gilt selbst im Hinblick auf den Schutz von kleineren Kindern davor, dass sie entweder allein oder in Begleitung einer Betreuungsperson im Umfeld ihrer Bildungs-, Freizeit- oder sonstigen Betreuungseinrichtungen mit Spielhallen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können. Im Übrigen geht es hier um Bestandsspielhallen, die im Sonderverfahren nur einen Abstand zu Schulen einhalten müssen (§ 5 Abs. 1 MindAbstUmsG BE) Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE ist zur Erreichung des legitimen Ziels der Spielsuchtprävention bei Minderjährigen geeignet, erforderlich und auch angemessen."

23

Die Zumutbarkeit der Mindestabstandsregelung wird auch durch die Möglichkeit der Erlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 1 Satz 2 LGlüG RP gewahrt, mit Zustimmung des Beigeladenen Ausnahmen zuzulassen. Anders als die Klägerin meint, ist diese Regelung mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar. Durch Auslegung der Norm in ihrem Kontext und anhand der Schutzintention des Abstandsgebotes lässt sich bestimmen, in welchen Einzelfällen die Erlaubnisbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen von dem Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie absehen kann. Die in der Regelung festgelegten Kriterien der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls steuern den Verwaltungsvollzug mit hinreichender Deutlichkeit. So wird eine Ausnahme zu prüfen sein, wenn die Abstandsmessung per Luftlinie etwaige Barrieren zwischen der geschützten Einrichtung für Minderjährige und dem Spielhallenstandort wie beispielsweise eine schwer überwindbare Verkehrsschneise oder sonstige Zugangshindernisse nicht berücksichtigt. Eine Ausnahmeerteilung wird umso näher liegen, je weniger es wahrscheinlich ist, dass Minderjährige mit der Spielhalle konfrontiert werden. Welche weiteren Umstände in die Einzelfallprüfung einzustellen sind, musste der Parlamentsgesetzgeber nicht selbst regeln. Er konnte dies einer an verfassungsrechtlichen Belangen und den einfachgesetzlichen Regelungszielen orientierten Verwaltungspraxis überlassen.

24

Das Berufungsgericht hat die Ermessensentscheidung, mit der die Erteilung einer Ausnahme zugunsten der Klägerin abgelehnt worden war, für rechtmäßig erachtet. Dem hier in Rede stehenden Schutz von Jugendlichen komme ein besonderes Gewicht zu. Nach der Studie "Problematisches Glücksspielverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz" sei die Zielgruppe der Minderjährigen ab dem 10. Lebensjahr besonders gefährdet; der frühe Konsum in der Jugend erhöhe deutlich das Risiko für späteres pathologisches Spielverhalten (UA S. 12). Die Klägerin hat diese Feststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Das Berufungsgericht hat auch keine Gesichtspunkte festgestellt, aus denen sich besondere Verhältnisse im Umfeld der Spielhalle oder eine sonstige besondere Lage des Einzelfalls ergäben. Die Klägerin hat auch dies nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und überdies keine Umstände angeführt, die dafür sprächen, dass ihr eine Ausnahme zu erteilen sein könnte. Der Umstand allein, dass nach ihrem Vortrag in der beklagten Gemeinde kein alternativer Standort für ihre Spielhalle zur Verfügung steht, begründet keine Besonderheit, die eine Abweichung vom Mindestabstandsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP nach dessen Schutzzweck rechtfertigen könnte.

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cc) Das Mindestabstandsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG ist auch mit dem Grundrecht der Klägerin auf Eigentum aus Art. 14 GG vereinbar. Ihm kommt keine enteignende Wirkung zu. Eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG setzt eine staatliche Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder eines sonst Enteignungsbegünstigten voraus (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11, 2 BvR 321, 1456/12 - Rn. 246 und Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <9 f.>), die hier nicht in Rede steht. Als gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition der Klägerin sind die Anforderungen an Spielhallen jedenfalls verhältnismäßig.

26

Die Klägerin hat die Immobilie, in der sie ihre Spielhalle betreibt, nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im März 2012 erworben und ist im April 2012 in die Miet- und Leasingverträge für die in ihr aufgestellten Geldspielautomaten eingetreten (UA S. 2, 8). Zu diesen Zeitpunkten verfügte die Klägerin über keine Spielhallenerlaubnis für den dortigen Betrieb. Die ihrer Vorgängerin erteilte Erlaubnis war nach dem insoweit rechtskräftigen Berufungsurteil bereits Ende Juni 2011 erloschen und die Erwartung der Klägerin, in den Räumlichkeiten eine Spielhalle betreiben zu dürfen, ohne rechtliche Grundlage nicht schutzwürdig (UA S. 7, 9). Zwar wurde der Klägerin am 31. Mai 2012 eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt. Diese Erlaubnis ist jedoch nach der Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV am 30. Juni 2013 abgelaufen. Nach rechtskräftiger Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass die am 31. Mai 2012 erteilte Erlaubnis bis zum 30. Juni 2017 Wirkung entfaltet, kann die Klägerin nicht mehr geltend machen, dass die Übergangsfrist von einem Jahr mit Blick auf im Vertrauen auf die Erlaubnis vom 31. Mai 2012 getätigte Investitionen und Dispositionen unangemessen kurz gewesen sei. Unabhängig davon fehlt es an der tatrichterlichen Feststellung einer solchen Vertrauensbetätigung im fraglichen Zeitraum.

27

dd) Das zwischen Spielhallen und Einrichtungen für Minderjährige geltende Abstandsgebot verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

28

aaa) Die Klägerin wird nicht dadurch gegenüber Betreibern von Wettbüros verfassungswidrig ungleich behandelt, dass ihre Spielhalle seit der Änderung des § 7 Abs. 3 LGlüG RP einen doppelt so großen Abstand zu Einrichtungen für Minderjährige einhalten muss wie Wettbüros. Hierfür hat sich der Gesetzgeber auf tragfähige sachliche Gründe gestützt. Den Mindestabstand zwischen Wettbüros und Einrichtungen für Minderjährige hat er mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015 (GVBl. RP S. 190) zum Zwecke der Bekämpfung des Schwarzmarktes im Bereich der Sportwetten halbiert (vgl. LT-Drs. RP 16/4671 S. 21) und dabei die Differenzierung zwischen Spielhallen und Wettbüros wegen des unterschiedlichen Suchtpotenzials der jeweils angebotenen Glücksspiele für gerechtfertigt angesehen. Das gegenüber Wettbüros höhere Suchtpotenzial und die durch aktuelle Studien belegte Anziehungskraft von Geldspielautomaten auf Jugendliche geböten es, für Spielhallen an dem Mindestabstand von 500 Metern zu Einrichtungen für Minderjährige festzuhalten (ebd.). Das Berufungsurteil ist vor dieser Änderung des Landesrechts ergangen und konnte sich mit dem klägerischen Einwand der Ungleichbehandlung nicht auseinandersetzen. Gegen die vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Differenzierung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die höhere Gefahreneinschätzung des Landesgesetzgebers für Spielhallen im Umfeld von Kindern und Jugendlichen ist nicht offensichtlich fehlsam und stellt einen hinreichenden sachlichen Grund für die Wahl eines größeren Mindestabstandes als für Wettbüros dar.

29

bbb) Die Klägerin wird auch gegenüber Gaststätten und Spielbanken in Rheinland-Pfalz, für die kein Mindestabstand zu Einrichtungen für Minderjährige vorgeschrieben ist, nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Insoweit kann auf die folgenden Ausführungen des Senatsurteils im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 zu den umfassenden Rügen einer Ungleichbehandlung von Spielhallen in Berlin gegenüber anderen Spielorten verwiesen werden:

"Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 - BVerfGE 139, 1 <12 f.>). Diesem Maßstab genügen die für die Feststellungsanträge der Klägerin relevanten Regelungen über die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen.

aaa) Gegenüber Spielbanken in Berlin werden Spielhallen durch die angegriffenen Regelungen nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Der Gesetzgeber darf Anforderungen an das Spiel an gewerblich zugelassenen Spielautomaten in Spielhallen und das Spiel an Automaten in Spielbanken (sog. kleines Spiel) trotz der Ähnlichkeit beider Glücksspielformen jeweils gesondert regeln. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts liegt insoweit hier kein vergleichbarer Sachverhalt vor, weil die Spielbank Berlin nur wenige Außenstellen hat. Zu ihnen besteht zudem im Hinblick auf das Ziel der Suchtbekämpfung ein strenger reglementierter Zugang. Demgegenüber gibt es in Berlin hunderte von Spielhallen, die für potenzielle Spieler in deren unmittelbarem Lebensumfeld leicht zugänglich sind (UA S. 58). Dass die weitaus größere Verfügbarkeit des Automatenspiels eine höhere Gefahreneinschätzung für Spielhallen rechtfertigt, entspricht auch den von der Klägerin im Revisionsverfahren eingereichten Ausführungen des Suchtexperten Zeltner, trotz höheren Risikopotenzials der Geldspielgeräte in Spielbanken sei die Gefährdung durch die höhere Verfügbarkeit von Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten größer (S. 24 der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 24. November 2016).

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der rechtlichen Anforderungen an Spielbanken in Berlin verletzen die festzustellenden Regelungsunterschiede nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Spielbanken unterliegen dort der gleichen Sperrzeit für das Automatenspiel wie Spielhallen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (Spielbankengesetz - SpBG BE) vom 8. Februar 1999, GVBl. BE 1990 S. 70, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. März 2010, GVBl. BE 2010 S. 124, i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 der von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport erlassenen Spielordnung für die Spielbank Berlin vom 16. Januar 2008, https://www.berlin.de/sen/inneres/buerger-und.../spielo_spielbank_01-2008.pdf). Allerdings dürfen in ihnen ohne Höchstzahlbegrenzung Automaten aufgestellt werden, die nicht den spielerschützenden Bauartbeschränkungen des Gewerberechts unterliegen (vgl. § 33h Nr. 1 GewO) und die anerkanntermaßen ein höheres Gefährdungspotenzial beinhalten. Werbung für das Glücksspiel in Spielbanken wird in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 5 GlüStV weniger stark beschränkt als für Spielhallen in § 4 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE, § 26 Abs. 1 GlüStV. Spielbanken unterliegen jedoch im Hinblick auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht Anforderungen, die insgesamt jedenfalls kein geringeres Schutzniveau als die Regelungen für Spielhallen gewährleisten. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer öffentlichen Spielbank in Berlin (§ 2 SpBG BE). Der repressive Erlaubnisvorbehalt gewährleistet eine staatliche Kontrolle auch der Anzahl von Spielbanken. Eine Erlaubnis wird befristet erteilt (§ 2 Abs. 6 SpBG BE). Spielbanken sind dem länderübergreifenden Sperrsystem nach §§ 8 und 23 GlüStV angeschlossen und müssen durch Einlass- und Identitätskontrollen (§ 5 Spielordnung BE) nicht nur Selbstsperrungen, sondern auch Fremdsperrungen aus dem gesamten Bundesgebiet umsetzen, die aufgrund von Wahrnehmungen des Personals oder Meldungen Dritter vorgenommen worden sind. Das Geschehen an Spielautomaten ist u.a. zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebes laufend videotechnisch zu überwachen (§ 10a SpBG BE). Es entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung, dass Spielbanken und gewerbliches Glücksspiel wegen unterschiedlicher ordnungsrechtlicher Ziele auch unterschiedlich geregelt werden dürfen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 2003 - 6 B 33.03 - GewArch 2003, 433, vom 24. August 2001 - 6 B 47.01 - GewArch 2001, 476 und vom 15. Dezember 1994 - 1 B 190.94 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 8 S. 6).

bbb) Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht dadurch verletzt, dass die Anforderungen an das Automatenspiel in Gaststätten hinter den für Spielhallen geltenden Einschränkungen zurückbleiben. Das Land Berlin hat bislang keine Regelungen über das Automatenspiel in Gaststätten erlassen. Aufgrund der fortgeltenden bundesrechtlichen Spielverordnung dürfen in Gaststätten höchstens drei, ab dem 10. November 2019 höchstens zwei Geldspielgeräte aufgestellt werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV sowie Art. 5 der 6. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 4. November 2014, BGBl. I S. 1678). Allerdings sind für sie weder ein Mindestabstand noch ein Sichtschutz zwischen den Geräten vorgeschrieben. Für Gaststätten gilt lediglich eine Sperrzeit zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr (vgl. § 6 Abs. 1 der Gaststättenverordnung vom 10. September 1971, GVBl. S. 1778, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2005, GVBl. S. 754). Die Einhaltung des Verbots der Teilnahme von Minderjährigen am öffentlichen Glücksspiel (§ 6 Abs. 2 JuSchG, § 2 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 GlüStV) ist durch ständige Aufsicht sicherzustellen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV). Der Zutritt zu Gaststätten ist jedoch für Minderjährige, anders als der Zutritt zu Spielhallen, nicht generell verboten. Er kann Jugendlichen ab 16 Jahren zwischen 5:00 Uhr und 24:00 Uhr auch ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person grundsätzlich gestattet werden (vgl. § 4 Abs. 1 JuSchG), sodass sie das Automatenspiel Erwachsener dort zumindest beobachten können. Gaststätten mit Geldspielautomaten unterliegen den Anforderungen der §§ 5 bis 7 GlüStV an Werbung für Glücksspiel und sind ebenfalls zur Erstellung eines Sozialkonzeptes, Schulung von Personal und Bereithaltung von spielrelevanten Informationen verpflichtet.

Es ist nicht zu bestreiten, dass der hierdurch gewährleistete Schutz vor Spielsucht im Bereich des gewerblichen Automatenspiels in Gaststätten bislang geringer ist als in Spielhallen, obwohl Spielautomaten in Gaststätten ebenfalls im unmittelbaren Lebensumfeld potenzieller Spieler leicht zugänglich sind. Vom Spielangebot in Spielhallen und in Gaststätten gehen jedoch unterschiedliche Gefahren aus, die es rechtfertigen, dass der Landesgesetzgeber zunächst strengere Beschränkungen für Spielhallen eingeführt hat (vgl. auch VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 20. Juni 2014 - 96/13 - NVwZ-RR 2014, 825 <827>). Die deutlich geringere Anzahl von drei, künftig zwei höchstens zulässigen Spielgeräten in Gaststätten gegenüber acht Geräten in Spielhallen verringert den suchtgefährdenden Spielanreiz, der nach Einschätzung des Gesetzgebers mit einem vielfältigen Spielangebot verbunden ist. In Gaststätten sehen sich Spieler anders als in Spielhallen regelmäßig einer Sozialkontrolle durch nicht spielende Gäste ausgesetzt. Regelungsunterschiede lassen sich auch dadurch rechtfertigen, dass Gaststätten ihr Gepräge durch das Verabreichen von Getränken und Speisen erhalten und nur gelegentlich dem Automatenspiel der Besucher dienen, während Spielhallen regelmäßig allein um des Spiels Willen aufgesucht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1991 - 1 B 174.90 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 5 S. 5; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 u.a. - NVwZ 1997, 573 <575> und vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - BVerfGK 16, 162 <175>).

ccc) Das nach dem Vortrag der Klägerin in Berlin bestehende Spielangebot in illegalen Spielstätten - sog. 'Café-Casinos' - kann schon deshalb nicht ihr Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, weil solche Spielstätten denselben rechtlichen Vorschriften unterworfen sind wie Spielhallen, sofern sie die Voraussetzungen eines Unternehmens nach § 1 Abs. 1 und 2 SpielhG BE erfüllen oder dies nach § 1 Abs. 2 Satz 2 SpielhG BE jedenfalls gesetzlich vermutet wird (s.o.)."

30

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis zu Spielbanken ist auch in Rheinland-Pfalz nicht gegeben, weil diese im Lebensumfeld potenzieller Spieler nicht in vergleichbarer Weise verfügbar sind wie Spielhallen. § 2 des Spielbankgesetzes Rheinland-Pfalz (Gesetz vom 19. November 1985, GVBl. RP S. 260, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015, GVBl. RP S. 473) sieht für das gesamte Bundesland sechs Standorte für öffentliche Spielbanken bzw. deren Zweigspielbetriebe vor. Auch in Rheinland-Pfalz ist die Erlaubnis für Spielbanken als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ausgestaltet (§§ 3, 4 Spielbankgesetz RP), sind Spielbanken an das bundesweite Sperrsystem nach §§ 20, 23 GlüStV anzuschließen und entsprechende Einlass- und Identitätskontrollen durchzuführen (§ 3 Abs. 1 bis 3 des Landesverordnung über den Spielbetrieb in öffentlichen Spielbanken - Spielordnung - vom 21. Juli 2008, GVBl. RP S. 135, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juni 2012, GVBl. RP S. 166). Außerdem findet eine Videoüberwachung u.a. des Spielbetriebes statt (§ 4a Spielordnung).

31

b) aa) Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich auch ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit nach Art. 56, 49 AEUV nicht erkennen. Insoweit nimmt der Senat auf die folgenden Ausführungen in seinem Urteil vom selben Tage im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 Bezug:

"Der Gewährleistungsgehalt dieser Grundfreiheiten wäre nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorläge (vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Juli 2016, Art. 45 AEUV Rn. 53 f. m.w.N.). Dafür reicht es nicht aus, dass die Klägerin oder Kunden ihrer Spielhallen hypothetisch von einer unionsrechtlichen Grundfreiheit Gebrauch machen könnten. Weder dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt noch dem Vortrag der Klägerin lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Klägerin, bei der es sich um eine nach deutschem Recht gegründete juristische Person mit Sitz in Deutschland handelt, die dort ihre Spielhallen betreibt, wegen eines grenzüberschreitenden Bezuges auf die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit berufen kann. Soweit der Europäische Gerichtshof nationale Regelungen, mit denen das Automatenspiel in stationären Glücksspielstätten eingeschränkt wurde, am Maßstab der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit gemessen hat, war nach dem jeweiligen Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Gerichts ein grenzüberschreitender Sachverhalt jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juli 2012 - C-470/11 [ECLI:EU:C:2012:505], Garkalns - NVwZ 2012, 1162 <1163> und vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:EU:C:2015:386], Berlington Hungary - ZfWG 2015, 336 <340>).

Selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin oder ihre Kunden durch die angegriffenen Regelungen in der Wahrnehmung einer unionsrechtlichen Grundfreiheit beschränkt würden, wären diese Regelungen nicht wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot unanwendbar. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass Monopolregelungen nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden dürfen, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 < 58 ff., 71 ff.> m.w.N.).

Der Europäische Gerichtshof hat das unionsrechtliche Kohärenzgebot für das Glücksspiel in seiner bisherigen Rechtsprechung lediglich im Bereich staatlicher Monopolregelungen für relevant gehalten. Der Senat kann offenlassen, ob es auch in nicht monopolisierten Bereichen des Glücksspielrechts Wirkung entfaltet, soweit eine unionsrechtliche Grundfreiheit berührt ist. Denn es läge hier jedenfalls kein Verstoß gegen die aus ihm abgeleiteten Anforderungen vor. Das monopolspezifische Gebot der Binnenkohärenz hätte für Regelungsbereiche außerhalb eines staatlichen Monopols keine Relevanz. Es bestehen überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen lediglich 'scheinheilig' zur Suchtbekämpfung eingeführt worden wären, tatsächlich aber einem anderen - insbesondere fiskalischen - Zweck dienten. Zu ihnen gibt es auch bereichsübergreifend keine gegenläufigen landesgesetzlichen Regelungen oder eine sie konterkarierende Politik, für die zu prüfen wäre, ob sie die Wirksamkeit der für Spielhallen geltenden Einschränkungen beeinträchtigen könnten."

32

Auch für das Land Rheinland-Pfalz ist keine Expansionspolitik in einem Sektor mit gleich hohem wie oder höherem Suchtpotenzial als dem Automatenspiel erkennbar, die der Zielsetzung des Mindestabstandsgebots im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige zuwiderliefe. Für die Eröffnung des Gewährleistungsgehalts der genannten Grundfreiheiten ergibt sich aus dem nicht näher konkretisierten Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nichts anderes als in dem zitierten, eine Berliner Spielhallenbetreiberin betreffenden Urteil. Das gilt für das Vorbringen, es sei denkbar, dass sie vom Ausland aus eine Spielhalle betreiben wolle, ebenso wie für den weiteren Vortrag, außerdem werde ihr Angebot wegen der Grenznähe von Spielern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union wahrgenommen. In den für das Revisionsverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) findet dieser Vortrag keinen Rückhalt. Verfahrensrügen hat die Klägerin auch insoweit nicht erhoben.

33

bb) Die für das Verpflichtungsbegehren der Klägerin entscheidungserhebliche Erteilungsvoraussetzung der Einhaltung des Mindestabstandes zu überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP ist schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21. Juli 1998 S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. L 363 S. 81) unanwendbar. Hierzu nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in seinem Urteil zum Verfahren BVerwG 8 C 6.15, die umfassende landesrechtliche Einschränkungen für Spielhallen in Berlin betrafen:

"Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten der Kommission den Entwurf einer technischen Vorschrift übermitteln und die Kommission über die Gründe der Festlegung der technischen Vorschrift unterrichten. Der Entwurf darf nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der Kommission angenommen werden. Ein Verstoß gegen die Notifikationspflicht führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Ince - NVwZ 2016, 369 <372>). Anders als der Glücksspielstaatsvertrag sind die Entwürfe des Spielhallengesetzes ... und des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag des Landes Berlin nicht an die Europäische Kommission übermittelt worden.

Die hier angegriffenen Vorschriften dieser Gesetze unterlagen nicht der Informationspflicht aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/34/EG, da sie keine 'technischen Vorschriften' im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie darstellen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sie unter den vier Kategorien von Maßnahmen, die der Begriff 'technische Vorschrift' umfasst (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 [ECLI:EU:C:2016:771], Naczelnik - Rn. 18 m.w.N.), allenfalls den 'sonstigen Vorschriften' im Sinne von Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG zuzuordnen wären. Der Europäische Gerichtshof sieht nationale Vorschriften, die bestimmte Verwendungsmöglichkeiten eines Erzeugnisses nach seinem Inverkehrbringen einschränken, nur dann als notifizierungspflichtige 'sonstige Vorschriften' nach Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG an, wenn sie auf das Erzeugnis selbst bezogen sind und dessen Zusammensetzung, Art oder Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH, Urteile vom 21. April 2005 - C-267/03 [ECLI:EU:C:2005:246], Lindberg - Rn. 62 ff., 95; vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. [ECLI:EU:C:2012:495], Fortuna - NVwZ-RR 2012, 717 <718 Rn. 35 ff.> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 20 ff., 29). Ob die Größe des Marktes für das Erzeugnis durch diesem nicht selbst anhaftende Anforderungen beeinflusst wird, ist dagegen für die Notifizierungspflicht unerheblich (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Die Verwendungsbeschränkung muss sich demnach auf jedes Exemplar des betreffenden Erzeugnisses beziehen und ihm dadurch kraft seiner Beschaffenheit im weiteren Lebenszyklus anhaften. Dies wird auch daran deutlich, dass eine nationale Verwendungsbeschränkung nur dann als 'sonstige Vorschrift' mitteilungspflichtig ist, wenn sie die Nutzungskanäle für das betreffende Erzeugnis verringert (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 <345> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 26). Das ist der Fall, wenn in einem bestimmten Nutzungskanal kein Exemplar des betreffenden Erzeugnisses mehr verwendet werden darf. Dies traf auf die mitgliedstaatlichen Verbote der Verwendung von Spielautomaten außerhalb von Spielcasinos, die der Europäische Gerichtshof als notifizierungspflichtig angesehen hat, zu (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 Rn. 99 und vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. - NVwZ-RR 2012, 717 ). Eine geplante nationale Regelung ist dagegen nicht nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie mitteilungspflichtig, wenn sie den potenziellen Einsatzbereich eines Erzeugnisses lediglich bestimmten Bedingungen unterwirft und ihn damit in einer Weise beschränkt, die nicht für jedes einzelne Exemplar zum Tragen kommt.

Weder die Abstandsgebote zu anderen Spielhallen und sonstigen Einrichtungen noch die Verringerung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen oder sonstige der hier streitgegenständlichen Anforderungen an die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen haften dem Erzeugnis der Spielautomaten als solches an und verringern ihre Nutzungskanäle. Sie führen vielmehr zu einer stärkeren Spreizung zulässiger Spielhallenstandorte im Berliner Stadtgebiet und zu einer verringerten Dichte an Geldspielgeräten innerhalb dieser Spielstätten. Anders als eine Beschränkung des Einsatzes von Glücksspielautomaten außerhalb einer definierten Kategorie stationärer Spielstätten haften sie nicht jedem Exemplar dieser Automaten an, sondern verringern die Größe des Marktes für Spielautomaten und möglicherweise auch deren Wert, was indes für die Frage der Notifizierungspflicht irrelevant ist (EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Auch nach vollständiger Umsetzung der angegriffenen Regelungen im Land Berlin bleibt die Verwendung von Spielgeräten in Spielhallen zulässig, selbst wenn einige Betreiber zur Wahl eines anderen Standortes veranlasst werden und in einer Spielhalle nur eine geringere Zahl von Geräten aufgestellt werden darf."

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen waren der Klägerin nicht aufzuerlegen, da er sich nicht mit eigenen Anträgen am Kostenrisiko beteiligt hat.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten kann durch Rechtsverordnung der Landesregierungen eine Sperrzeit allgemein festgesetzt werden. In der Rechtsverordnung ist zu bestimmen, daß die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden oder andere Behörden übertragen.

(2) (weggefallen)

(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die glücksspielrechtliche Erlaubnispflicht für eine bestehende Spielhalle.

2

Die Klägerin übernahm im Herbst 2011 eine bestehende, gewerberechtlich erlaubt betriebene Spielhalle, die zu einer Grundschule 236 m, von einem Gymnasium 246 m und von der nächstgelegenen anderen Spielhalle 121 m Luftlinie entfernt ist. Sie erhielt für die Fortführung des Spielhallenbetriebs am 2. November 2011 ebenfalls eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis. Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 27. August 2012 mit, aufgrund des Glücksspieländerungsstaatsvertrages unterliege der Betrieb von Spielhallen seit dem 1. Juli 2012 neuen Anforderungen. Sie müssten insbesondere einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie zu weiteren Spielhallen und zu allgemeinbildenden Schulen einhalten. Da die Klägerin nach dem 28. Oktober 2011 eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis erhalten habe, sei sie bis zum 30. Juni 2013 noch von der Einhaltung dieser Erfordernisse befreit. Nach Ablauf dieser Frist komme die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis wegen dreifacher Unterschreitung des Mindestabstands nicht in Betracht.

3

Daraufhin hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sie für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle über den 30. Juni 2013 hinaus keine neue Erlaubnis benötige. Das Verwaltungsgericht hat diesem Antrag mit Urteil vom 30. April 2015 in vollem Umfang stattgegeben. Es fehle an einer rechtlichen Grundlage für die vom Beklagten geforderte zusätzliche glücksspielrechtliche Erlaubnis. Zwar begründe der Glücksspieländerungsstaatsvertrag ein Mindestabstandsgebot und einen glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalt. Es handele sich aber nur um materiell-rechtliche Regelungen, die einer verfahrensrechtlichen Ergänzung durch Landesrecht bedürften. Der Landesgesetzgeber habe nur eine unzureichende verfahrensrechtliche Regelung geschaffen. Nach § 18a Abs. 1 SächsGlüStVAG schließe die gewerberechtliche Erlaubnis die glücksspielrechtliche Erlaubnis ein. Die Klägerin verfüge über die gewerberechtliche Erlaubnis und bedürfe keiner weiteren Genehmigung.

4

Auf die Berufung des Beklagten hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht am 11. Mai 2016 das Urteil geändert und festgestellt, dass die Klägerin für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle lediglich bis zum Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist seit Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages - also bis zum 30. Juni 2017 - keine neue Erlaubnis benötige. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt des § 24 Abs. 1 GlüStV gelte auch für Altspielhallen. Die in § 18a Abs. 1 SächsGlüStVAG vorgesehene Konzentration des glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahrens im gewerberechtlichen Erlaubnisverfahren gelte nur für neue Spielhallen, die nach dem Staatsvertrag beantragt wurden. Das für Altspielhallen vorgesehene zusätzliche glücksspielrechtliche Erlaubnisverfahren sei auch hinreichend landesgesetzlich geregelt. Insbesondere sei in § 18a Abs. 3, § 19 Abs. 2 SächsGlüStVAG die Zuständigkeit der Landesdirektion Sachsen festgelegt. In diesem Verfahren könne auch die in § 18a Abs. 5 SächsGlüStVAG vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit der Übergangsfrist berücksichtigt werden.

5

Im vorliegenden Fall sei die längere fünfjährige Bestandsschutzregelung des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV und nicht die kürzere einjährige Bestandsschutzregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV einschlägig. Denn für die Spielhalle sei bereits vor dem Stichtag des 28. Oktober 2011 eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis erteilt worden. Dass diese Genehmigung nicht der Klägerin, sondern ihrem Rechtsvorgänger erteilt worden sei, sei unschädlich. Der Vertrauensschutz knüpfe nämlich nicht an die Person des Spielhallenbetreibers, sondern an den Betrieb der Spielhalle an. Dies folge aus dem Wortlaut der Vorschrift und aus dem Regelungszweck des Investitionsschutzes. Diesem Auslegungsergebnis stünden auch nicht die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, der Jugendschutz und die Bekämpfung der Spielsucht, entgegen. Bei Einführung zusätzlicher Genehmigungserfordernisse sei auch das Vertrauen in den Fortbestand der bestehenden Rechtslage angemessen zu schützen. Die fünfjährige Übergangsfrist mit der Option einer weiteren mehrjährigen Befreiung in Härtefällen sei verfassungsrechtlich unbedenklich.

6

Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die teilweise Klageabweisung. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts sei schon nicht im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO ausreichend begründet. Das Oberverwaltungsgericht überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung, wenn es die in § 18a Abs. 1 SächsGlüStVAG eindeutig angeordnete Konzentrationswirkung missachte und ein vom Gesetzgeber nicht vorgesehenes weiteres Erlaubnisverfahren einführe. Ferner habe es die Verfassungsmäßigkeit der in § 29 Abs. 4 GlüStV vorgesehenen Stichtagsregelung zu Unrecht offen gelassen. Die Wahl des Stichtags 28. Oktober 2011 stehe nicht in Einklang mit der Eigentumsgarantie und genüge nicht dem Gebot des Vertrauensschutzes, weil an diesem Tag die künftige Gesetzeslage noch keineswegs in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar gewesen sei. Das Abstellen auf die behördliche Erlaubniserteilung werde auch dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verfahrensfairness nicht gerecht, weil die Erlaubniserteilung in der Hand der zuständigen Behörde gelegen habe. Ferner seien die §§ 24 bis 26 GlüStV formell und materiell verfassungswidrig. Für die Abstandsgebote und Verbundverbote fehle den Ländern die Gesetzgebungskompetenz, weil der Bundesgesetzgeber für die räumliche Verteilung von Spielhallen bereits auf der Grundlage seiner Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht eine abschließende Regelung getroffen habe. Das Verbundverbot und das Abstandsgebot seien mit den Grundrechten der Spielhallenbetreiber auf Berufsfreiheit und Handlungsfreiheit im Wettbewerb nicht vereinbar.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2016 zu ändern und die Berufung des Beklagten auch im Übrigen zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30. April 2015 und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2016 insgesamt abzuweisen.

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Er verteidigt die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts. Von der in § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG angeordneten Konzentrationswirkung der gewerberechtlichen Erlaubnis würden nur Spielhallen erfasst, die nach Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages neu zugelassen wurden. Dies folge aus § 18a Abs. 1 Satz 2 SächsGlüStVAG, der in Ergänzung der Konzentrationswirkung die Beteiligung der Glücksspielaufsicht am gewerberechtlichen Erlaubnisverfahren vorsehe. Da diese Beteiligung in den Altfällen nicht erfolgt sei, fehle bei "Altspielhallen" auch die Rechtfertigung für eine Konzentrationswirkung. Für sie ergebe sich der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt unmittelbar aus § 24 GlüStV.

10

Auch die Stichtagsregelung des § 29 Abs. 4 GlüStV sei verfassungsgemäß. Am 28. Oktober 2011 habe die Ministerpräsidentenkonferenz den Beschluss gefasst, dem neuen Glücksspielstaatsvertrag zuzustimmen und diesen am 15. Dezember 2011 zu unterzeichnen. Ab diesem Zeitpunkt sei mit der beabsichtigten Rechtsänderung für Spielhallen zu rechnen gewesen. Nach der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung könne schon die Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Bundestag zur Vorhersehbarkeit einer Rechtsänderung führen. Eine in etwa vergleichbare Situation sei hier im Bereich der vertraglichen Selbstkoordination der Länder anzunehmen.

11

Schließlich bestünden auch an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 24 bis 26 i.V.m. § 29 Abs. 4 GlüStV keine Zweifel. In formeller Hinsicht stehe den Ländern das Recht zur Gesetzgebung im Bereich der Spielhallen zu (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG). Die allein streitgegenständliche Abstandsvorschrift des § 25 GlüStV verfolge keine bodenrechtlichen Ziele, sondern diene der Bekämpfung der Spielsucht. Es handele sich um eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung. Im Übrigen liege auch der absolute Revisionsgrund des Fehlens eines mit Gründen versehenen Urteils nicht vor.

12

Im Wege der Anschlussrevision macht der Beklagte geltend, die Klägerin könne sich nicht auf die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV berufen. Da die gewerberechtliche Erlaubnis personenbezogen und nicht anlagebezogen sei, könne nur die der Klägerin am 2. November 2011 erteilte Erlaubnis für das Eingreifen der Übergangsfrist maßgeblich sein. Das Bestehen der Spielhalle bei Inkrafttreten des Änderungsstaatsvertrages genüge nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV nicht. Hinzukommen müsse eine Schutzbedürftigkeit des "Alt-Betreibers". Ein "Neu-Betreiber" könne sein Verhalten auf die bevorstehende Rechtsänderung einstellen und sei daher weniger schutzbedürftig. Es überzeuge nicht, dass § 29 Abs. 4 GlüStV pauschal dem Schutz von Investitionen beim Betrieb von Spielhallen dienen solle. Es gehe vielmehr allein um das Vertrauen auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung des § 33i GewO, das ab dem 28. Oktober 2011 nicht mehr uneingeschränkt schutzwürdig gewesen sei. Ein Aufschub der beabsichtigten Glücksspielregelung sei nicht unabhängig von der Person des Spielhallenbetreibers beabsichtigt gewesen. Auch spreche der Vergleich des Erwerbers einer Altspielhalle mit dem Errichter einer neuen Spielhalle gegen die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Staatsvertrages.

13

Die Klägerin tritt der Anschlussrevision des Beklagten entgegen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten haben keinen Erfolg, weil das Urteil des Oberverwaltungsgerichts kein revisibles Recht verletzt. Prüfungsmaßstab ist neben Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) auch der Glücksspielstaatsvertrag der Länder - hier in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. November 2011 (SächsGVBl. 2012, 275) -, weil dies in § 33 GlüStV ausdrücklich angeordnet ist. Eine solche Zuweisung von landesrechtlichen Rechtsfragen an das Bundesverwaltungsgericht ist nach Art. 99 Alt. 2 GG zulässig.

15

1. Ohne Erfolg macht die Klägerin in ihrer Revision geltend, das angefochtene Urteil sei im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen. Diese Vorschrift knüpft an den notwendigen formellen Inhalt eines Urteils an (vgl. § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Danach müssen im Urteil die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblichen Gründe schriftlich niedergelegt werden. Einer Entscheidung fehlt nur dann die Begründung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO, wenn die Entscheidungsgründe die ihnen zukommende doppelte Aufgabe - Unterrichtung der Beteiligten über die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts sowie Ermöglichung der Nachprüfung des Urteils im Rechtsmittelverfahren - nicht mehr erfüllen können. Das ist zweifelsfrei der Fall, wenn dem Tenor überhaupt keine Gründe beigefügt sind, darüber hinaus aber auch dann, wenn die Begründung nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder in anderer Weise so unbrauchbar ist, dass sie zur Rechtfertigung des Urteilstenors ungeeignet ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 1998 - 8 B 187.98 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1; Urteil vom 28. November 2002 - 2 C 25.01 - BVerwGE 117, 228 <230>; Beschluss vom 1. Juni 2016 - 3 B 67.15 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 25 Rn. 17).

16

Davon kann hier keine Rede sein, weil das Oberverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung in einem 17 Seiten langen Urteil ausführlich und in sich schlüssig begründet hat. Die Klägerin meint, dass schon die mangelnde Erörterung ihrer Argumente zur Verfassungswidrigkeit der §§ 24 bis 26, 29 Abs. 4 GlüStV einem Fehlen der Urteilsbegründung gleichstehe. Das ist bereits im rechtlichen Ansatz verfehlt, weil eine bloß unvollständige, oberflächliche oder unrichtige Entscheidung die Voraussetzungen des für § 138 Nr. 6 VwGO erforderlichen groben Formmangels nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 1998 - 8 B 187.98 - insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1 - juris Rn. 9) und weil für die mangelnde Berücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens die Gehörsrüge zur Verfügung steht (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO). Darüber hinaus liegt die von der Klägerin behauptete Außerachtlassung ihres zentralen Vorbringens nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht ist auf die Verfassungsmäßigkeit der aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV ausführlich eingegangen. Die Verfassungswidrigkeit der übrigen angegriffenen Regelungen war aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblich; insbesondere sei die hier einschlägige Regelung zum Mindestabstand erst nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist im Rahmen des dann einzuleitenden Erlaubnisverfahrens zu prüfen. Der Anspruch auf eine Urteilsbegründung begründet aber ebenso wie der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 - 3 B 40.14 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 91 Rn. 4 m.w.N.).

17

2. Die Klägerin kann im Revisionsverfahren auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass ihre unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 18a Abs. 1 Satz 1 des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag (SächsGlüStVAG) vom 14. Dezember 2007 (SächsGVBl. S. 542), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2016 (SächsGVBl. S. 650) bereits die vom Beklagten geforderte glücksspielrechtliche Erlaubnis umfasst. Ob und in welchen Fällen nach dieser Vorschrift im Freistaat Sachsen die gewerberechtliche Erlaubnis zugleich eine glücksspielrechtliche Erlaubnis einschließt, betrifft die Auslegung irrevisiblen Landesrechts, über das in erster Linie das Sächsische Oberverwaltungsgericht zu befinden hat. Es hat seine Auffassung, dass von der Konzentrationswirkung des § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG nur Erlaubnisse erfasst sind, die nach Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages am 1. Juli 2012 beantragt worden sind, auch eingehend begründet. Diese Auslegung nicht revisiblen Landesrechts ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO im Revisionsverfahren grundsätzlich bindend.

18

Etwas Anderes könnte allenfalls gelten, wenn diese Auslegung - wie die Klägerin meint - die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten würde (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 Rn. 53 m.w.N.). Da das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere der Vorrang des Gesetzes und die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), und das im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verankerte Willkürverbot eine unübersteigbare bundesrechtliche Grenze jeden Verwaltungshandelns und der Rechtsprechung darstellen, kann im Revisionsverfahren geprüft werden, ob sich das Instanzgericht bei der Anwendung und Auslegung irrevisiblen Rechts so weit vom zugrunde liegenden Gesetz entfernt hat, dass der Zusammenhang mit dem Gesetz nicht mehr hinreichend erkennbar und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt - auch nicht als richterliche Rechtsfortbildung - verständlich ist (BVerwG, Urteile vom 23. August 1991 - 8 C 37.90 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 27 S. 15 und vom 14. September 1994 - 6 C 42.92 - BVerwGE 96, 350 <352>; Beschluss vom 7. Januar 2008 - 9 B 81.07 - Buchholz 401.00 § 171 AO Nr. 1 Rn. 8).

19

Für eine Überschreitung dieser Grenzen ist nichts ersichtlich. Zwar ist der Wortlaut des § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG offen für ein Verständnis, dass alle gewerberechtlichen Erlaubnisse nach § 33i GewO zugleich die glücksspielrechtliche Erlaubnis einschließen. Ein solches Auslegungsergebnis wird von der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 5/8722 S. 5 f.) aber nicht gestützt. Weder bei den Erläuterungen zur allgemeinen Anordnung der Konzentrationswirkung in § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG noch bei den Erläuterungen zu den Übergangsregelungen für Altspielhallen nach § 18a Abs. 5 SächsGlüStVAG findet sich eine dezidierte Aussage im Regierungsentwurf zu der Frage, ob vor Inkrafttreten des Gesetzes erteilte Erlaubnisse nach § 33i GewO Konzentrationswirkung haben. Das Oberverwaltungsgericht kann sich für seine Rechtsauffassung, dass es in diesen Altfällen gerade an der Konzentrationswirkung fehlt, auf systematische und teleologische Argumente berufen. In systematischer Hinsicht hat es insbesondere ausgeführt, dass die Konzentrationswirkung nach § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG in engem Zusammenhang mit der Beteiligung der Glücksspielbehörde im Genehmigungsverfahren nach § 18a Abs. 1 Satz 2 SächsGlüStVAG steht. Bei den Alterlaubnissen hat aber gerade keine zusätzliche glücksspielrechtliche Überprüfung durch Beteiligung der Glücksspielaufsicht stattgefunden. In teleologischer Hinsicht hat sich das Oberverwaltungsgericht darauf berufen, dass der Gesetzeszweck der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Spieler- und Jugendschutzes nicht erreicht würde, wenn man den ohne Beteiligung der Glücksspielaufsicht zustande gekommenen gewerberechtlichen Alterlaubnissen zugleich eine glücksspielrechtliche Genehmigungswirkung beimesse. Diese Auslegung trägt den Grundsätzen der juristischen Methodenlehre Rechnung und überschreitet die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht.

20

3. Auch der Einwand der Klägerin, dass das Sächsische Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag kein gesondertes glücksspielrechtliches Erlaubnisverfahren vorsehe, kann keinen Erfolg haben. Ohne Rechtsfehler ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 GlüStV unmittelbar einen glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalt für neue und bestehende Spielhallen begründen (a). Auch fehlt es nicht an hinreichend bestimmten Durchführungsbestimmungen (b).

21

a) Dass § 24 Abs. 1 GlüStV unmittelbar einen Erlaubnisvorbehalt begründet, folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Danach bedürfen "die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach diesem Staatsvertrag". Die Länder können in diesem Zusammenhang gemäß § 24 Abs. 3 GlüStV zwar das "Nähere" regeln, müssen aber den im Staatsvertrag bereits enthaltenen Erlaubnisvorbehalt als solchen nicht nochmals anordnen, wenn der Staatsvertrag - wie hier - als Landesgesetz erlassen wird. Wie § 2 Abs. 1 und 3 GlüStV ausführt, "gelten" für Spielhallen die Vorschriften des 7. und 8. Abschnitts, so dass es für die Begründung des darin vorgesehenen Erlaubnisvorbehalts keines zusätzlichen legislativen Umsetzungsakts bedarf.

22

Unmittelbar im Glücksspieländerungsstaatsvertrag geregelt ist ferner, dass dieser Erlaubnisvorbehalt auch für bereits bestehende und anderweitig genehmigte "Altspielhallen" gilt. Denn die Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV begründet für nach § 33i GewO erlaubte Spielhallen zeitlich befristete Vereinbarkeitsfiktionen mit den Regelungen der §§ 24 und 25 GlüStV. Diese Fiktionen wären überflüssig und widersinnig, wenn das Erlaubniserfordernis für diese Altspielhallen nicht gelten würde. Daher kann der in § 29 Abs. 4 Satz 1 GlüStV aufgestellte Grundsatz, dass die Regelungen des 7. Abschnitts bereits ab Inkrafttreten des Staatsvertrages Anwendung finden, nur so verstanden werden, dass diese Regelungen schon ab dem 1. Juli 2012 grundsätzlich für alle Spielhallen Geltung beanspruchen.

23

Dass für die Altspielhallen auch nach Auffassung des Gesetzgebers ein zusätzliches glücksspielrechtliches Erlaubnisverfahren durchzuführen ist, ist mittlerweile durch das Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2016 (SächsGVBl. S. 650) ausdrücklich bestätigt worden. Nach § 22 SächsGlüStVAG in der Fassung des Änderungsgesetzes bedürfen Altspielhallen nach Ablauf der für sie geltenden Übergangsfristen des § 29 Abs. 4 GlüStV für den weiteren Betrieb einer Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV. Wie der Gesetzentwurf ausdrücklich hervorhebt, wird damit nur deklaratorisch die in der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 3 B 418/13 - GewArch 2014, 400) bereits anerkannte Erlaubnispflicht bestätigt (LT-Drs. 6/4785 S. 11). Es wird also gerade nicht - wie die Klägerin vorträgt - ein neuer Erlaubnisvorbehalt konstitutiv begründet.

24

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es für die Durchführung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahrens auch nicht an hinreichend bestimmten landesgesetzlichen Durchführungsbestimmungen. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Zuständigkeit und das Verfahren für die Erteilung von glücksspielrechtlichen Erlaubnissen an Betreiber von Altspielhallen in § 18a Abs. 3 Satz 1, § 19 Abs. 2 SächsGlüStVAG ausreichend normiert sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschriften obliegt der Landesdirektion Sachsen als oberer Glücksspielaufsichtsbehörde der Vollzug des Glücksspielstaatsvertrages, soweit nichts anderes bestimmt ist. Es liegt somit hinsichtlich der Zuständigkeit für das behördliche Verfahren kein ungeregelter Zustand vor. Auch lassen sich die wesentlichen Gegenstände des glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahrens den § 24 Abs. 2, § 29 Abs. 4 GlüStV i.V.m. § 18a SächsGlüStVAG entnehmen. § 24 Abs. 2 Satz 1 GlüStV begründet einen präventiven Erlaubnisvorbehalt, wobei auf die Erteilung der Erlaubnis vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Gewerbefreiheit ein Rechtsanspruch besteht (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. November 2005 - 6 C 8.05 - Buchholz 451.20 § 33c GewO Nr. 6 Rn. 32 zu § 33i GewO und vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 39). Die Erlaubnis ist nur zu versagen, wenn die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle den Zielen des § 1 GlüStV zuwiderlaufen. Da die Erlaubnis nach § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV schriftlich zu erteilen und zu befristen ist sowie nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV auch nachträglich mit Nebenbestimmungen versehen werden kann, hat der Landesgesetzgeber ihren wesentlichen Regelungsgehalt umrissen.

25

4. Dieser Erlaubnisvorbehalt ist von der Gesetzgebungskompetenz der Länder gedeckt und auch ansonsten formell verfassungsmäßig.

26

a) Zu Unrecht bezweifelt die Klägerin in formeller Hinsicht die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Wie sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ergibt, erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf das Recht der Wirtschaft "ohne... das Recht der Spielhallen". Durch diese im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 eingefügte Ausnahme wird bewirkt, dass die Gesetzgebung für das "Recht der Spielhallen" nach Art. 70 Abs. 1 GG den Ländern obliegt. Dieser ausdrückliche und ausschließliche Länderkompetenztitel ermächtigt zur Regelung sämtlicher Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebs einschließlich der räumlichen Bezüge in ihrem Umfeld (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 19 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 97 ff.). Vom "Recht der Spielhallen" ist damit auch die gesetzgeberische Befugnis der Länder zur Einführung eines speziellen Erlaubnisvorbehalts umfasst. Ebenso können die Länder Mindestabstandsregelungen für Spielhallen erlassen (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 30 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 111).

27

Dem steht nicht - wie die Klägerin meint - entgegen, dass der Erlaubnisvorbehalt des § 24 Abs. 1 GlüStV der Sicherung räumlicher Anforderungen dient und dass der Bundesgesetzgeber auf der Grundlage seiner Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG für das "Bodenrecht" bereits eine Regelung zur Situierung von Spielhallen getroffen hat. Denn die bauplanungsrechtlichen Vorschriften lassen die Kompetenz der Länder zum Erlass nicht bauplanungsrechtlich motivierter Abstandsvorschriften unberührt (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 31; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 114 f.).

28

b) Zu Unrecht zieht die Klägerin die formelle Verfassungsmäßigkeit der § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 GlüStV auch im Hinblick auf Art. 125a GG in Zweifel. Zwar gilt die Vorschrift des § 33i GewO über die gewerberechtliche Erlaubnis von Spielhallen gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fort. Auch können die Länder nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG dieses fortgeltende Bundesrecht nur "ersetzen" und nicht lediglich einzelne Vorschriften "ändern". Die andernfalls entstehende Mischlage aus Bundes- und Landesrecht für ein und denselben Regelungsgegenstand im selben Anwendungsbereich wäre im bestehenden System der Gesetzgebung ein Fremdkörper. Eine Ersetzung erfordert, dass der Gesetzgeber die Materie, gegebenenfalls einen abgrenzbaren Teil, in eigener Verantwortung regelt (BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/04 - BVerfGE 111, 10 <29 f.>; Kammerbeschluss vom 7. Oktober 2015 - 2 BvR 568/15 - juris Rn. 11).

29

Diesen Anforderungen, die auch dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtsklarheit dienen, wird der Erlaubnisvorbehalt der § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 GlüStV jedoch gerecht. Denn der Staatsvertrag ändert nicht lediglich einzelne Worte oder Sätze des § 33i GewO ab, sondern ergänzt diesen Erlaubnistatbestand für einen abgegrenzten Teil des Spielhallenrechts durch eine weitere, ausschließlich vom Landesgesetzgeber verantwortete glücksspielrechtliche Erlaubnisregelung. Da der gewerberechtliche Erlaubnistatbestand nach der früheren bundesgesetzlichen Regelungskonzeption keine den §§ 25 und 26 GlüStV vergleichbaren Abstandsgebote, Verbundverbote und Werbeeinschränkungen enthalten hat, entsteht auch keine unklare Mischlage, bei der eine eindeutige parlamentarische Verantwortlichkeit für die Gesamtregelung verloren ginge. Vielmehr sind die vom Landesgesetzgeber verantworteten Regelungsbereiche (§§ 24 bis 26, § 29 Abs. 4 GlüStV) und der vom Bundesgesetzgeber verantwortete Regelungsbereich (§ 33i GewO) formell klar abgegrenzt. Es wird lediglich der mit einer gewerberechtlichen Erlaubnis verbundene Freigabeeffekt bei Altspielhallen durch das Hinzutreten eines weiteren Erlaubnisvorbehalts eingeschränkt.

30

5. Der zusätzliche glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt verletzt auch nicht die materiellen Verfassungsrechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG.

31

a) Im Rahmen der Revision ist allerdings nur zu prüfen, ob die im Fall der Klägerin zur Anwendung kommenden Vorschriften zu einem verfassungswidrigen Eingriff führen. Da Streitgegenstand der vorliegenden Feststellungsklage allein das wirksame Bestehen eines Erlaubnisvorbehalts ist, müssen nicht alle Versagungsgründe auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden. Denn ein präventiver Erlaubnisvorbehalt kann auch dann verfassungskonform sein, wenn einzelne Versagungsgründe nicht mit höherrangigem Recht in Einklang stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273 Rn. 77 und vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 53). Nach dieser Rechtsprechung ist die Einführung einer Erlaubnispflicht schon dann verhältnismäßig, wenn auch nur ein eigenständiger formell und materiell verfassungsmäßiger Erlaubnistatbestand sie rechtfertigt. Demzufolge reicht es für die Verfassungsmäßigkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV aus, dass ihn der Versagungsgrund einer zu großen Nähe zu allgemeinbildenden Schulen verfassungsrechtlich rechtfertigt. Dementsprechend müssen die von der Klägerin angesprochenen verfassungsrechtlichen Probleme der sächsischen Mindestabstandsregelung zwischen Spielhallen nicht vertieft werden. Insbesondere bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner näheren Erörterung, ob das sächsische Landesrecht eine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für die behördliche Auswahlentscheidung zwischen mehreren zu nahe beieinander liegenden, ansonsten aber erlaubnisfähigen Spielhallen enthält und ob ein entsprechendes Regelungsdefizit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot oder dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts widerspricht (vgl. zum saarländischen Spielhallengesetz BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 183 ff.).

32

b) Der mit dem zusätzlichen Erlaubnisvorbehalt verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin (Art. 12 Abs. 1 GG) ist gerechtfertigt. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ergibt sich schon daraus, dass die angegriffenen Vorschriften den von der Klägerin praktizierten und bislang unbefristet genehmigten Spielhallenbetrieb reglementieren und - soweit vor Ablauf der Übergangsfrist keine Erlaubnis erteilt wird - zeitlich beschränken.

33

aa) Um vor dem Grundrechtsschutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Bestand zu haben, bedarf ein Eingriff einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Normen genügt. Die eingreifende Vorschrift muss kompetenzgemäß erlassen worden sein, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 1864/94 u.a. - BVerfGE 95, 193 <214>; Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 121). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die zu prüfenden Vorschriften sind kompetenzkonform (s.o. juris Rn. 97 ff.) und beachten insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

34

bb) Der Glücksspielstaatsvertrag und das Sächsische Ausführungsgesetz dienen vorrangig dem Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen (§ 1 GlüStV). Die Einhaltung dieser Ziele ist auch oberste Maxime bei der Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis (§ 24 Abs. 2 GlüStV). Damit werden überragend wichtige Gemeinwohlziele verfolgt, die selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 ff.>; Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 122, 132, 158; StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2016 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 325 f.).

35

Dass Glücksspiele in ein krankhaftes Suchtverhalten münden können, steht nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung fest. Spielsucht kann zu einer Verschuldung der Betroffenen und zu Folge- und Begleitkriminalität und damit zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Spieler selbst, sondern auch für ihre Familien und die Gemeinschaft führen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304> - juris Rn. 99). Es ist bekannt, dass das Spielen an Geldautomaten ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens birgt. Ebenso ist belegt, dass die Anzahl der Spielhallenkonzessionen in Deutschland vor Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages deutlich angestiegen ist (vgl. StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2016 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 329 f.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 138 f., 150). Vor diesem Hintergrund konnten die Landesgesetzgeber im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative bei der Beurteilung einer Bedrohungslage für ein Gemeinschaftsgut zu dem Ergebnis gelangen, dass zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Geldautomaten und Spielhallen geboten sind.

36

cc) Die Einführung eines Mindestabstands von Spielhallen zu allgemeinbildenden Schulen ist zur Erreichung dieses Zieles grundsätzlich geeignet. Eine Regelung ist schon dann zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Insoweit kommt dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 163 <183> m.w.N.).

37

Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass der Erlaubnisvorbehalt und die räumliche Trennung zwischen allgemeinbildenden Schulen und Spielhallen der Spielsuchtbekämpfung dienen können, ist auch nicht offensichtlich fehlsam. Eine unmittelbare räumliche Nähe zwischen dem Hauptaufenthaltsort von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und einem Glücksspielangebot schafft zwangsläufig Anreize, freie Zeiten zwischen und nach den Unterrichtsstunden in Spielhallen zu verbringen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass Kindern und Jugendlichen ohnedies der Aufenthalt in Spielhallen nach § 6 Abs. 1 JuSchG verboten ist. Wie der Senat im Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - (juris Rn. 59) ausgeführt hat, wirkt eine räumliche Trennung dem "Reiz des Verbotenen" entgegen, den eine in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Schule befindliche Spielhalle ausübt. Eine klare räumliche Trennung hilft, Kinder und Jugendliche vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Glücksspielangebots in ihrem täglichen Lebensumfeld zu schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 59 sowie BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 152, 154). Dieser Aspekt verdient nicht zuletzt deswegen besondere Beachtung, weil der Anteil junger Spieler in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist und die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen den größten Spieleranteil an Geldspielgeräten darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 139; Bunde, in: Anhörung durch den Innenausschuss am 26. April 2012, Protokoll vom 15. Mai 2012, S. 14 und Anlage S. 6).

38

dd) Der Gesetzgeber durfte den Erlaubnisvorbehalt des § 24 Abs. 1 GlüStV und die Mindestabstandsregelung des § 25 Abs. 1 GlüStV i.V.m. § 18a Abs. 4 Satz 1 SächsGlüStVAG angesichts des ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraums auch als erforderliche Maßnahmen ansehen. Insoweit gilt nichts anderes als für die Abstandsgebote zu Kinder- und Jugendeinrichtungen nach dem Spielhallenrecht von Berlin, die mit dem Berufs- und Eigentumsrecht sowie dem Gleichheitsgebot vereinbar sind (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 34 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 119 ff.; zum Abstandsgebot zu Einrichtungen für Minderjährige nach dem rheinland-pfälzischen Spielhallenrecht BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 4.16 - juris Rn. 17 ff. und speziell zur hinreichenden Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit eines auf die Luftlinie bezogenen Mindestabstands in Verbindung mit der Möglichkeit von Ausnahmen oder Abweichungen Rn. 23).

39

ee) Schließlich führt auch eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe zu dem Ergebnis, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 155 ff.). Die im Rahmen der Revision allein streitige Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV von fünf Jahren ist nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bereits geklärt, dass ein solcher u.a. auf Mindestabstandsgebote zu Einrichtungen für Minderjährige bezogener Übergangszeitraum mit Blick auf die Notwendigkeit beruflicher Neuorientierung oder betrieblicher Anpassungen sowie schutzwürdiger Investitionen und Dispositionen ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 63 bis 65 und 74 f.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 188 bis 195). Bei der Beurteilung der Angemessenheit der angegriffenen Abstandsregelung ist des Weiteren zu bedenken, dass der Gesetzgeber den Inhabern von Altspielhallenerlaubnissen in Härtefällen mit § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV i.V.m. § 18a Abs. 5 SächsGlüStVAG die Möglichkeit eröffnet hat, für bis zu sechs weitere Jahre eine Befreiung vom Abstandsgebot zu erhalten. Da bei dieser Ermessensentscheidung besondere individuelle Umstände berücksichtigt werden können, ist die Übergangsregelung insgesamt zumutbar.

40

b) Mit Art. 14 Abs. 1 GG sind die Abstandsregelungen ebenfalls vereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 72 bis 74; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 169).

41

c) Die Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV verstößt auch nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot und das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Wie die Beklagte zutreffend ausführt, liegt in dieser Übergangsregelung keine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung. Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm - wie hier - erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine unechte Rückwirkung vor (ebenso StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2016 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 448). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Sie ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u.a. - BVerfGE 127, 31 = juris Rn. 69). Damit ergeben sich aus dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot für den vorliegenden Fall einer unechten Rückwirkung durch tatbestandliche Rückanknüpfung keine weitergehenden Anforderungen als die Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist, die hier gewährt wurde.

42

6. Die Anschlussrevision des Beklagten ist gleichfalls unbegründet. Entgegen der teilweise auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht (OVG Magdeburg, Beschluss vom 8. April 2014 -1 M 21/14 - juris Rn. 5 ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 5. September 2014 - 8 B 1036/14 - juris Rn. 14 ff.) des Beklagten ist bei einem Betreiberwechsel nach dem Stichtag die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV anzuwenden (vgl. OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 8. November 2013 - 7 ME 82/13 - juris Rn. 7 ff. und vom 18. Januar 2017 - 7 ME 3/17 - juris Rn. 6; OVG Münster, Beschluss vom 29. Februar 2016 - 4 A 809/15 - juris Rn. 4 ff.). Denn die Übergangsvorschrift gewährt Vertrauensschutz nicht betreiber-, sondern spielhallenbezogen.

43

a) Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV. Das Gesetz nennt als Voraussetzungen für den Bestandsschutz das Bestehen der Spielhalle und das Vorhandensein einer noch mindestens fünf Jahre gültigen gewerberechtlichen Erlaubnis für den Betrieb dieser Spielhalle am gesetzlichen Stichtag des 28. Oktober 2011. Hingegen erwähnt der Wortlaut der Vorschrift die Person des Spielhallenbetreibers nicht. Die Fiktion der Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages ist nach dem Normtext ebenfalls nur objektiv auf die für die Spielhalle geltenden Anforderungen bezogen, nicht jedoch auf betreiberbezogene Voraussetzungen. Der Gesetzestext bezieht den Betreiber auch nicht dadurch in die Betrachtung ein, dass er für die am Stichtag vorhandene Erlaubnis nach § 33i GewO einschränkend fordert, deren Geltungsdauer dürfe nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages enden. Denn damit wird nur der Gedanke zum Ausdruck gebracht, dass der durch § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV vermittelte glücksspielrechtliche Bestandsschutz der Spielhalle nicht länger dauern soll als der zum Stichtag konkret absehbare gewerberechtliche Bestandsschutz.

44

b) Auch die Entstehungsgeschichte der Norm legt ein rein spielhallenbezogenes Verständnis nahe. Die Entwurfsfassung des Staatsvertrages, die in § 29 Abs. 4 Satz 5 eine vorzeitige Erlaubnispflicht beim Wechsel des Betreibers der Spielhalle vorsah (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin Drs. 16/4142 S. 20), wurde nicht in die Endfassung des Staatsvertrages übernommen. In den von dem Beklagten zitierten amtlichen Erläuterungen des Staatsvertrages sind auch keine Ausführungen dahingehend zu finden, dass im Falle eines Betreiberwechsels nach dem Stichtag gleichwohl - wie ursprünglich vorgesehen - eine kürzere Übergangsfrist gelten solle (vgl. Bayerischer Landtag, LT-Drs. 16/11995 S. 32).

45

c) In systematischer Hinsicht kann man zwar daraus, dass die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO betreiber- und betriebsbezogen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Oktober 1984 - 1 C 21.83 - BVerwGE 70, 180 <184>), folgern, dass auch der glücksspielrechtliche Bestandsschutz betreiber- und betriebsbezogen auszulegen sei. Diese auf den ersten Blick naheliegende Annahme erweist sich bei näherer Betrachtung als keineswegs zwingend. Im Spielhallenrecht kamen und kommen nämlich auch rein betriebsbezogene Übergangsregelungen vor. Ferner sieht § 29 Abs. 4 GlüStV als Rechtsfolge keine subjektive Erlaubnis oder Erlaubnisfiktion vor.

46

Bei der systematischen Auslegung fällt außerdem ins Gewicht, dass die fünfjährige Übergangsfrist als Grundsatz der gesetzlichen Regelung in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV vorangestellt ist. Die gesetzliche Regeldauer wird nur in Ausnahmefällen nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV verkürzt oder nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV verlängert. Bei der Frage, ob im Falle eines Betreiberwechsels nach dem Stichtag ausnahmsweise eine Verkürzung der fünfjährigen Regeldauer auf die einjährige Übergangszeit erfolgen soll, kommt es damit auch auf den Wortlaut sowie auf den Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV an. Diese Bestimmung ist ebenfalls rein spielhallenbezogen formuliert und ihr Zweck wird dahingehend erläutert, dass sie "Vorratserlaubnisse in Kenntnis der beabsichtigten Änderung der Rechtslage verhindern" soll (vgl. Bayerischer Landtag, LT-Drs. 16/11995 S. 32).

47

Das Gesetz geht dabei davon aus, dass mit der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 28. Oktober 2011 zum Abschluss des Glücksspieländerungsstaatsvertrages die beabsichtigte Verschärfung der Spielhallenzulassungsvoraussetzungen publik geworden ist. Es sieht die Gefahr, dass potentielle Spielhallenbetreiber, um den drohenden glücksspielrechtlichen Zulassungsbegrenzungen zu entgehen, noch nach altem Recht gewerberechtliche Spielhallenerlaubnisse beantragen und vor dem Inkrafttreten des Staatsvertrages erhalten könnten. Die Verkürzung der Übergangsfrist in § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV auf ein Jahr dient dazu, solche unerwünschten Mitnahmeeffekte bei bislang nicht bestandsgeschützten Spielhallen zu verhindern (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 27. April 2016 - 1 A 3/15 - ZfWG 2016, 264 Rn. 55). Um die Eröffnung neuer Spielhallen nach Bekanntwerden der Reformpläne geht es aber nicht, wenn eine schon vor dem Stichtag bestehende und unbefristet erlaubte Spielhalle lediglich den Betreiber wechselt. Daher würde eine Einbeziehung dieser Fälle in den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV nicht dessen beschränkter Zielsetzung entsprechen und dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zu § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV widersprechen.

48

d) Auch die teleologische Auslegung des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV spricht für ein spielhallenbezogenes Normverständnis. Die Vorschrift dient nicht nur dem Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der Rechtslage, sondern auch dem Schutz der wirtschaftlichen Vertrauensbetätigung. Die Spielhallenbetreiber haben regelmäßig im Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage erhebliche wirtschaftliche Dispositionen für die Errichtung und den Betrieb bestehender Spielhallen an einem bestimmten Standort getroffen. Sie haben zumeist Verträge mit Arbeitnehmern, Vermietern von Räumen und Leasinggebern von Spielgeräten geschlossen, die regelmäßig nicht kurzfristig kündbar sind. In einigen Fällen haben sie sogar Spielgeräte und Immobilien gekauft. Damit haben sie erhebliche Investitionen getätigt und ihre wirtschaftliche Existenz auf einen mehrjährigen Spielhallenbetrieb ausgerichtet. Die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV trägt dem Interesse der Betreiber, eine Amortisierung der im Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage in die Spielhalle getätigten Investitionen zu erreichen und dabei einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften, Rechnung (vgl. StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 455 f.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 193). Dieser Investitionsschutz soll bei einem Betreiberwechsel nicht entfallen. Denn die vor dem Stichtag getätigten Investitionen des "Altbetreibers“ würden weitgehend entwertet, wenn ein danach erfolgter Betreiberwechsel die Verkürzung des Bestandsschutzes auf ein Jahr zur Folge hätte. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass bei Geltung des einjährigen Übergangszeitraums nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV in Fällen des Betreiberwechsels keine Regelung bestünde, mit der Härtefällen wie etwa einer Übergabe der Spielhalle aus gesundheitlichen Gründen oder einem erbfallbedingten Wechsel begegnet werden könnte.

49

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen gesetzliche Regelungen des Landes Berlin, die den Betrieb ihrer Spielhallen nachteilig betreffen.

2

Sie betreibt in dem nicht in ihrem Eigentum stehenden Gebäudekomplex ... in Berlin sechs Spielhallen, die kreisförmig um einen Aufsichtsbereich herum angeordnet sind. Den Betrieb einer siebten Spielhalle dort hat sie im Verlauf des Revisionsverfahrens aufgegeben; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Bescheiden vom 4. November 2008 waren der Klägerin für ihre Spielhallen unbefristete Erlaubnisse nach § 33i Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) erteilt worden.

3

Nachdem am 2. Juni 2011 das Spielhallengesetz Berlin (SpielhG BE) in Kraft getreten war, wies das Bezirksamt ... von Berlin die Klägerin auf die danach einzuhaltenden Anforderungen an den Betrieb von Spielhallen hin. Bei nicht fristgerechter Einhaltung sei das Ordnungsamt gehalten, Widerrufsverfahren einzuleiten.

4

Am 27. Juli 2011 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage auf Feststellung erhoben, dass die ihr erteilten Erlaubnisse auch nach deren im Spielhallengesetz Berlin vorgesehenen Erlöschen am 31. Juli 2016 wirksam bleiben, sie für den Betrieb ihrer Spielhallen keine weiteren Erlaubnisse benötigt und näher bezeichneten Vorschriften des Spielhallengesetzes Berlin und des Ausführungsgesetzes Berlin zum Glücksspielstaatsvertrag (AGGlüStV BE) nicht unterliegt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. März 2013 abgewiesen.

5

Mit Urteil vom 11. Juni 2015 hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klägerin ihre Berufung durch Antragsbeschränkung im Berufungsverfahren zurückgenommen hat, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die Feststellungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Das Land Berlin sei nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zum Erlass der angegriffenen Bestimmungen befugt gewesen. Diese schränkten die Berufsausübungsfreiheit zum Zweck der Bekämpfung und Prävention von Spielsucht sowie zur Sicherung des Jugendschutzes in verhältnismäßiger Weise ein. Es sei nicht feststellbar, dass die Klägerin wegen der Beschränkungen zulässiger Standorte oder einer wirtschaftlichen Erdrosselung künftig in Berlin keine Spielhalle mehr werde betreiben können. Sie könne auf andere Standorte im Berliner Stadtgebiet ausweichen. Da bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an Automaten spielten, die nach der Gewerbeordnung betrieben werden dürften, habe der Berliner Gesetzgeber von einem nicht unerheblichen Suchtpotenzial ausgehen und entsprechende präventive Regelungen erlassen dürfen. Seine Annahme, eine Reduzierung der Anzahl und Dichte von Spielhallen könne Spielsüchtige vom Spielen abhalten und einem Gewöhnungseffekt für Kinder und Jugendliche entgegenwirken, sei nicht offensichtlich fehlsam. Die Eignung der Regelungen werde nicht durch ein etwaiges Vollzugsdefizit gegenüber nicht genehmigten Spielhallen in Frage gestellt, da kein normatives Regelungsdefizit bestehe. Für Ausweichbewegungen von Spielern in Gaststätten mit Geldspielautomaten seien keine verlässlichen Erkenntnisse ersichtlich. Die Regelungen verletzten weder den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber Gaststätten oder der Spielbank Berlin noch das Grundrecht der Klägerin auf Eigentum. Sie seien auch nicht wegen Verstoßes gegen die Informationspflicht gegenüber der Europäischen Kommission nach der Richtlinie 98/34/EG unanwendbar, da sie keine technischen Vorschriften darstellten.

6

Am 7. Juli 2015 hat die Klägerin hiergegen Revision eingelegt. Nach Inkrafttreten des am 22. März 2016 verabschiedeten Mindestabstandsumsetzungsgesetzes Berlin (MindAbstUmsG BE) am 6. April 2016, das für die Neuerteilung von Erlaubnissen an Bestandsspielhallen ein Sonderverfahren vorsieht, hat sie für die streitgegenständlichen Spielhallen entsprechende Erlaubnisanträge gestellt. Gleichzeitig hält sie an ihrem Feststellungsbegehren fest.

7

Zur Begründung der Revision macht die Klägerin neben Verfahrensrügen im Wesentlichen geltend, die von ihr angegriffenen Regelungen seien formell und materiell verfassungswidrig. Den Ländern komme insoweit keine Gesetzgebungskompetenz zu. Durch die Föderalismusreform 2006 sei ihnen mit dem "Recht der Spielhallen" im Wege der normativen Rezeption lediglich die Zuständigkeit für den eingeschränkten Regelungsbereich des § 33i GewO übertragen worden. Regelungen zur abstrakten Gefahrenabwehr und zur Suchtprävention im gewerblichen Automatenspiel seien dem Geräte- und Aufstellungsrecht zuzuordnen, für das der Bund regelungsbefugt sei. Standortbezogene Beschränkungen für Spielhallen seien ausschließlich dem Bauplanungsrecht zuzuordnen. Jugendschützende Regelungen unterfielen der Regelungskompetenz des Bundes für die öffentliche Fürsorge. Insoweit habe der Bund von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht. Eine weitere Rechtsetzung der Länder sei daher gesperrt.

8

Die mit dem Spielhallengesetz Berlin, dem Glücksspielstaatsvertrag und dem Ausführungsgesetz für das Land Berlin geschaffenen neuen Erlaubnisvorbehalte stellten repressive Verbote und objektive Berufswahlbeschränkungen für Spielhallenbetreiber dar. Sie seien nach neuerer Suchtforschung nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verfolge mit ihnen in Wahrheit fiskalische Ziele, da er das stärker spielsuchtrelevante Automatenspiel in Spielbanken nicht vergleichbar reguliere. Angesichts des Vollzugsdefizits gegenüber einer Vielzahl illegaler Spielstätten in Berlin sei den Betreibern langjährig unbeanstandeter Bestandsspielhallen eine Schließung nicht zuzumuten. Die landesrechtlichen Abstandsregelungen für Spielhallen konterkarierten bauplanungsrechtliche Regelungen zur Konzentration von Spielhallen in bestimmten Baugebieten und führten zu einem "Kahlschlag" der vorhandenen Spielhallen. Das Mindestabstandsgebot von 500 Metern zu anderen Spielhallen sei wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. Neben dem bestehenden Zugangsverbot zu Spielhallen für Jugendliche nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) sei das Verbot von Spielhallenstandorten in räumlicher Nähe zu Einrichtungen, die von Minderjährigen besucht werden, unverhältnismäßig. Es sei auch nicht hinreichend bestimmt. Das nach dem Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin vorgesehene Sonderverfahren für die Erteilung einer Erlaubnis an Bestandsunternehmen führe zu zusätzlichen Standorteinschränkungen und erhebe mit dem Losentscheid den Zufall zum Rechtsprinzip. Die Reduzierung der Höchstzahl von zwölf auf acht Geräte in einer Spielhalle sei betriebswirtschaftlich nicht verkraftbar und zur Spielsuchtbekämpfung nicht erforderlich.

9

Die Regelung des Spielhallengesetzes über das Erlöschen von Alterlaubnissen verletzte die Klägerin auch in ihrem Grundrecht auf Eigentum. Eine fünfjährige Übergangsfrist für Bestandsbetriebe reiche wegen der Ungewissheit darüber, welcher Bestandsbetrieb eine Erlaubnis nach neuem Recht erhalte, nicht aus. Auch die Reduzierung der Gerätehöchstzahl greife in das Eigentumsrecht von Spielhallenbetreibern ein. Darüber hinaus verstoße es gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG, Spielhallen stärker zu beschränken als Gaststätten mit Geldspielgeräten und Spielbanken mit teilweise hunderten stärker spielergefährdenden Automaten in einem Saal. Die angegriffenen Einschränkungen für Spielhallen verletzten zudem das verfassungsrechtliche Konsistenzgebot und das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Die Klägerin hält an ihren in den Vorinstanzen erhobenen Einwänden gegen die Werberestriktionen für Spielhallen, die Verpflichtung zur Stellung einer Aufsichtsperson pro Spielhalle, gegen obligatorische Eingangskontrollen und die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Selbstsperren fest. Sie meint, die über den Glücksspielstaatsvertrag hinausgehenden Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin verstießen gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens. Außerdem sei das Spielhallengesetz wegen einer Verletzung der Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG unanwendbar.

10

Die Klägerin beantragt,

soweit das Verfahren nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. März 2013 zu ändern und

1. a) festzustellen, dass die Klägerin im Hinblick auf die ihr im November 2008 erteilten Gewerbeerlaubnisse gemäß § 33i Gewerbeordnung auch ohne Neuerteilung von landesrechtlichen Erlaubnissen nach dem Spielhallengesetz Berlin vom 20. Mai 2011 oder nach dem Zweiten Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 19. Juni 2012, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Mindestabstands nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen sowie zur Änderung spielrechtlicher Vorschriften vom 22. März 2016, weiterhin berechtigt ist, die Spielhallen M. I "...", M. II "...", M. III "...", M. IV "...", M. V "..." und M. VI "..." zu betreiben,

hilfsweise,

b) festzustellen, dass die zuständige Erlaubnisbehörde nicht berechtigt ist, die Erteilung landesrechtlicher Erlaubnisse für die im Klagantrag Ziffer 1. a) aufgeführten Spielhallen wegen Nichteinhaltung der in § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 4 Spielhallengesetz vorgesehenen Standortbeschränkungen abzulehnen.

2. festzustellen, dass die Klägerin entgegen der in § 4 Abs. 2 Spielhallengesetz und in § 4 Abs. 3 Spielhallengesetz vorgesehenen Begrenzungen berechtigt ist, in den in Ziffer 1 bezeichneten Spielhallen bei Einhaltung der weiteren, in der Spielverordnung vorgesehenen Voraussetzungen jeweils bis zu zwölf Geld- oder Warenspielgeräte aufzustellen und bis zu drei andere Spiele zu veranstalten,

3. festzustellen, dass die Klägerin in den in Ziffer 1 genannten Spielhallen entgegen § 6 Abs. 1 Satz 1 Spielhallengesetz auch dann Speisen und nichtalkoholische Getränke verabreichen darf, wenn in einer Spielhalle vier oder mehr Geld- oder Warenspielgeräte aufgestellt sind,

4. festzustellen, dass die Klägerin in den in Ziffer 1 genannten Spielhallen entgegen § 6 Abs. 1 Satz 2 Spielhallengesetz Speisen und Getränke unentgeltlich abgeben darf,

5. festzustellen, dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 1 Spielhallengesetz berechtigt ist, die in Ziffer 1 genannten Spielhallen auch in der Zeit von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr und in der Zeit von 6:00 Uhr bis 11:00 Uhr zu betreiben, soweit nicht das feiertägliche Spielverbot gemäß § 5 Abs. 2 Spielhallengesetz eingreift,

6. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die in § 4 Abs. 1 Satz 2 Spielhallengesetz und in § 26 Abs. 1 des Glücksspieländerungsstaatsvertrages vorgesehenen Werbebeschränkungen einzuhalten,

7. festzustellen, dass die Klägerin nicht gemäß § 6 Abs. 2 Spielhallengesetz während der Öffnungszeiten sicherstellen muss, dass in jeder der in Ziffer 1 genannten Spielhallen mindestens eine Aufsichtsperson dauerhaft anwesend ist,

8. festzustellen, dass die Klägerin abgesehen von Zweifelsfällen im Hinblick auf die Einhaltung der Altersgrenze (siehe § 2 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 1 JuSchG) nicht gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 Spielhallengesetz verpflichtet ist, durch Eingangskontrolle und Prüfung des Personalausweises oder anderer Dokumente die Identität und/oder das Alter der Personen, die Zutritt zu einer Spielhalle begehren, zu kontrollieren,

9. festzustellen, dass die Klägerin nicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 Spielhallengesetz verpflichtet ist, Personen für die Dauer von mindestens einem Jahr vom Spiel auszuschließen, die dies ihr gegenüber oder gegenüber dem mit der Aufsicht betrauten Personal verlangen,

10. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die in § 6 und § 7 Glücksspielstaatsvertrag geregelten Pflichten der Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen zu beachten.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Er verteidigt das Berufungsurteil. Mit den angegriffenen Regelungen habe der Gesetzgeber auf den sprunghaften Anstieg von Spielhallenstandorten und den in ihnen aufgestellten Spielgeräten vor allem in den Innenstadtbezirken Berlins reagiert, um der herausragenden Suchtgefahr des Geldautomatenspiels entgegenzuwirken. Insoweit verfüge der Gesetzgeber über einen legislativen Einschätzungsspielraum, der hier auch ausweislich neuester Studien über Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland nicht überschritten sei. Die Länder seien für sämtliche der angegriffenen Regelungen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG regelungsbefugt. Die Ausübung des Berufs des Spielhallenbetreibers bleibe in Berlin selbst bei Einhaltung der Mindestabstände möglich, da auch bauplanungsrechtlich ausreichend Standorte zur Verfügung stünden. Die angegriffenen Einschränkungen für Spielhallen seien zur Spielsuchtbekämpfung und -prävention geeignet, erforderlich und zumutbar. Das Sonderverfahren zur Auswahl von Standorten für Bestandsspielhallen stelle eine Entscheidung anhand hinreichend bestimmter qualitativer Kriterien und eine grundrechtsschonende Ausschöpfung der Standortkapazität sicher. Der Landesgesetzgeber habe Spielhallen gegenüber dem Automatenspiel in Gaststätten und in Spielbanken unterschiedlich behandeln dürfen. Die nach § 33i GewO erteilten Alterlaubnisse würden durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützt. Bis zu ihrem Erlöschen gelte eine großzügige Übergangsfrist. Die große Zahl der nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes weiterbetriebenen Spielhallen spreche gegen eine Erdrosselungswirkung der neuen Regelungen. Unionsrecht stehe ihrer Anwendung nicht entgegen. Insbesondere seien sie keine notifizierungspflichtigen technischen Vorschriften im Sinne der Richtlinie 98/34/EG.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Länder zur Regelung von Mindestabständen zu anderen Spielhallen und zu Einrichtungen, die von Minderjährigen besucht werden, für befugt. Solche Regelungen seien zwar mangels unmittelbaren Bezuges zur Räumlichkeit von Spielhallen nicht dem "Recht der Spielhallen" zuzuordnen. Jedoch habe der Bund insoweit jedenfalls von seiner Kompetenz zur Regelung der öffentlichen Fürsorge und des Rechts der Wirtschaft keinen Gebrauch gemacht. Die Länder seien aber nicht befugt, Gerätehöchstzahlbegrenzungen und Regelungen über Beschränkungen bei Abgabe von Speisen oder Getränken in einer Spielhalle zu erlassen.

Entscheidungsgründe

14

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit - hinsichtlich der von der Klägerin nicht mehr betriebenen Spielhalle M. VII "..." - übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen bleibt die zulässige Revision ohne Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt nicht revisibles Recht.

15

1. Die Feststellungsklage der Klägerin ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Soweit sie sich dagegen wendet, mit ihren Spielhallen bereits in Kraft getretenen betriebsbezogenen Einschränkungen zu unterliegen, ist sie an einem gegenwärtigen, feststellungsfähigen Rechtsverhältnis beteiligt. § 43 Abs. 2 VwGO greift insoweit nicht ein, da die Vorschriften bußgeldbewehrt sind und der Klägerin nicht zuzumuten ist, etwaige Sanktionen abzuwarten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - BVerwGE 136, 54 <64>). Soweit sich die Klägerin gegen erst künftig eintretende, mit dem Erlöschen ihrer Spielhallenerlaubnisse und dem Erfordernis einer neuen Erlaubnis verbundene Beschränkungen wendet, ist die Klage als vorbeugende Feststellungsklage zulässig. Zwar gelten die ihr auf der Grundlage von § 33i GewO erteilten Erlaubnisse nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Umsetzung des Mindestabstandes nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen (Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin - MindAbstUmsG BE) vom 22. März 2016 (GVBl. 2016 S. 117) bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung im Sonderverfahren als fortbestehend, weil die Klägerin für die streitgegenständlichen Spielhallen Anträge auf Neuerteilung von Erlaubnissen gestellt hat und bislang noch keine Auswahlentscheidung über die fortbestehenden Standorte getroffen worden ist. Welchen rechtlichen Anforderungen sie im Hinblick auf die künftige Erteilung einer Erlaubnis unterliegen wird, ist aber bereits jetzt sachlich und zeitlich hinreichend überschaubar. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist deshalb auch insoweit gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1989 - 2 C 23.88 - NJW 1990, 1866). Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an sämtlichen von ihr begehrten Feststellungen ergibt sich aus ihrem Interesse, Klarheit über die Rechtslage zu erzielen, um wirtschaftliche Dispositionen für ihre Spielhallenbetriebe treffen zu können (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Mai 2001 - 3 C 2.01 - BVerwGE 114, 226 <227> und vom 20. November 2003 - 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37 S. 18 f.).

16

2. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler des Berufungsgerichts liegen nicht vor. Die Ablehnung ihrer Beweisanträge Nr. 5 a bis d verletzt den Untersuchungsgrundsatz nicht. Ausgehend von seiner für die Prüfung von Verfahrensmängeln maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 <189>), dass es auf wirtschaftliche Nachteile der Spielhallenbetriebe wegen illegaler Spielangebote nur ankomme, wenn diese Nachteile in einem normativen Regelungsdefizit angelegt sind, musste das Oberverwaltungsgericht den von der Klägerin beantragten Beweis zu den Gründen der Schließung zweier Berliner Verbundspielhallen wegen der Konkurrenz benachbarter illegaler scheingastronomischer Spielangebote nicht erheben. Mit der Ablehnung des Beweisantrags war keine vorweggenommene Beweiswürdigung indizieller Tatsachen verbunden. Vielmehr hat das Berufungsgericht die wirtschaftliche Konkurrenz durch illegale Spielstätten für rechtlich unerheblich gehalten, weil es ein normatives Regelungsdefizit als Ursache der illegalen Konkurrenz verneint hat. Den Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur regelmäßigen wirtschaftlichen Unmöglichkeit des Weiterbetriebes vorhandener (Mehrfach-)Spielhallen aufgrund der Neuregelungen für Spielhallen hat das Berufungsgericht zwar insoweit zu eng verstanden, als es auf die künftige rechtliche Unzulässigkeit des Betriebes von Mehrfachspielhallen verwiesen und deren Weiterbetrieb als Einzelspielhallen ausgeblendet hat (vgl. UA S. 66). Die Ablehnung dieses Beweisantrages findet gleichwohl im geltenden Prozessrecht eine hinreichende Stütze. Auf Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass ein Ausweichen von Bestandsspielhallen in andere Bereiche des Berliner Stadtgebietes möglich und rechtlich zumutbar sei, war die zum Beweis gestellte Tatsache nicht entscheidungserheblich, soweit sie sich auf die verfahrensgegenständlichen Spielhallen der Klägerin bezog. Darüber hinaus durfte der Antrag mangels hinreichender Substantiierung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2014 - 10 B 34.14 - juris Rn. 9) abgelehnt werden. Die Klägerin hatte angesichts der vom Berufungsgericht hervorgehobenen beträchtlichen Anzahl von Spielhallen, die im Land Berlin nach Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen weiterhin betrieben werden, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Fortführung ihrer Spielhallenbetriebe als Einzelspielhallen in Berlin wirtschaftlich unmöglich wäre. Gleiches gilt für die Ablehnung der Beweisanträge zur Übertragbarkeit von Ertragsrechnungen dreier pseudonymisierter Spielhallenbetriebe auf andere Spielhallen. Diese Anträge enthielten schon keine Angaben zur Art und Lage der als exemplarisch dargestellten Betriebe und waren nicht hinreichend bestimmt, um dem Berufungsgericht eine Sachaufklärung zur wirtschaftlichen Auskömmlichkeit des Betriebes von Spielhallen unter Geltung der neuen Anforderungen nahezulegen.

17

Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht aktenwidrig unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz angenommen, dass die wirtschaftliche Konkurrenz für Spielhallen durch illegale Spielstätten singulär nur bestimmte Bezirke des Stadtgebietes betreffe und es weder dargetan noch ersichtlich sei, dass Spielhallen nicht in den unattraktiveren Außenbereichen von Berlin wirtschaftlich betrieben werden könnten. Diese berufungsgerichtlichen Annahmen liegen nicht außerhalb des Gesamtergebnisses des Verfahrens, denn die Klägerin hatte ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils (UA S. 3 ff.) vorgetragen, in einigen Bezirken sei künftig ein Betrieb von Spielhallen faktisch nicht mehr möglich, in manchen Stadtgebieten gebe es eine große Anzahl illegaler Spielbetriebe und durch die Abstandsregelungen würden künftig Spielhallen auch in Gegenden eröffnet, in denen es solche bislang nicht gegeben habe. Eine Berichtigung des Tatbestandes des Berufungsurteils hat die Klägerin insoweit nicht beantragt.

18

3. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen, da die Klage unbegründet ist. Die von der Klägerin begehrten Feststellungen können nicht getroffen werden, weil ihnen verfassungs- und unionsrechtskonforme landesrechtliche Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Berlin (Spielhallengesetz Berlin - SpielhG BE) vom 20. Mai 2011 (GVBl. BE 2011 S. 223, geändert durch Gesetz vom 22. März 2016, GVBl. BE 2016 S. 117) i.V.m. dem Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin (MindAbstUmsG BE), des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. Dezember 2011 (GVBl. BE 2012 S. 193, 199) sowie des hierzu ergangenen Ausführungsgesetzes des Landes Berlin zum Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung vom 20. Juli 2012 (AGGlüStV BE, GVBl. BE 2012 S. 238, zwischenzeitlich geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2016, GVBl. BE 2016 S. 450) entgegenstehen. Das erst nach Verkündung des Berufungsurteils erlassene Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin ist in die revisionsgerichtliche Prüfung einzubeziehen, weil für das Feststellungsbegehren der Klägerin die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Revisionsgerichts maßgeblich ist und das Revisionsgericht eine Änderung des Landesrechts nach Erlass des Berufungsurteils zu beachten hat, wenn das Berufungsgericht bei einer Entscheidung zu diesem Zeitpunkt auf die entsprechenden Regelungen abzustellen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990 - 1 C 30.86 - NJW 1990, 2768), und von der Anwendung des geänderten irrevisiblen Rechts die richtige Anwendung des revisiblen Rechts abhängt (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 24 m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil durch das Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin wesentliche, grundrechtsrelevante Anforderungen an die Neuerteilung von Erlaubnissen für Bestandsspielhallen nach dem Spielhallengesetz Berlin ausgestaltet werden. Insbesondere hat der Gesetzgeber darin erstmals Regelungen über die Auflösung einer Konkurrenz mehrerer bestehender Spielhallen an den künftig noch zulässigen Spielhallenstandorten geschaffen und hierdurch berechtigten Zweifeln daran, ob sich die wesentlichen Entscheidungen für die Auswahl unter konkurrierenden Bestandsspielhallen einem Parlamentsgesetz entnehmen ließen, Rechnung getragen.

19

a) Das Land Berlin war zum Erlass sämtlicher mit den Feststellungsbegehren angegriffener Regelungen befugt. Der ausdrückliche und ausschließliche Länderkompetenztitel (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 13) in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das "Recht der Spielhallen" ermächtigt die Länder zur Regelung sämtlicher Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebes einschließlich der räumlichen Bezüge in ihrem Umfeld. Dies ergibt die Auslegung des Kompetenztitels nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck (vgl. allg. BVerfGE, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <273 f.>).

20

aa) Der Wortlaut des Kompetenztitels "Recht der Spielhallen" ist weit und erfasst über die Voraussetzungen der Erteilung einer Spielhallenerlaubnis hinaus alle Gesichtspunkte des mit der Räumlichkeit einer Spielhalle verbundenen Betriebes. Insbesondere beschränkt er sich nicht auf den Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO. Regelungen dagegen, die sich unabhängig vom Aufstellungsort Spielhalle produktbezogen mit der Gestaltung, Zulassung, Aufstellung und Überprüfung von Spielgeräten befassen, sind dem "Recht der Spielhallen" wegen des im Wortlaut angelegten räumlichen Bezuges dieser Materie nicht zuzuordnen.

21

Auch die Entstehungsgeschichte des im Zuge der Föderalismusreform zugunsten der Länder umgestalteten Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht dafür, dass das "Recht der Spielhallen" alle Aspekte der Erlaubnis und des Betriebes von Spielhallen umfasst. Insbesondere lassen sich weder den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), mit dem die Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG verabschiedet wurde, noch den Materialien der 2003 eingesetzten "Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung" (Föderalismuskommission I), an deren Ergebnisse das verfassungsändernde Gesetz anknüpfte, Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit ihm lediglich der Regelungsbereich der bisherigen Rechtsgrundlage für eine Spielhallenerlaubnis in § 33i GewO normativ rezipiert und die Gesetzgebungsbefugnis der Länder hierauf beschränkt werden sollte.

22

Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen im Jahre 2006 ging auf die Initiative der Länder zurück, die bundesstaatliche Ordnung kritisch zu überprüfen und den Ländern wieder mehr Kompetenzen zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <264>). In der Föderalismuskommission I konnte allerdings zwischen Bund und Ländern kein Konsens darüber hergestellt werden, welche Materien aus dem Kompetenztitel des "Rechts der Wirtschaft" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auf die Länder verlagert werden sollten. Einigkeit bestand lediglich darüber, dass den Ländern Materien übertragen werden sollten, die einen regionalen Bezug aufwiesen und nicht zur Wahrung des einheitlichen Wirtschaftsraums in der Bundeskompetenz verbleiben mussten (vgl. Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 "Regionale Themen" am 29. September 2004, S. 2; Stenografischer Bericht der 9. Sitzung der Kommission am 14. Oktober 2004, S. 231; alle auch nachfolgend genannten Dokumente der Föderalismuskommission I in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, CD-ROM). Eine Übertragung der Materie der "Spielhallen" auf die Länder schlugen erstmals die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission I in ihren abschließenden Darstellungen und ihrem Vorentwurf eines Beschlussvorschlages vor (vgl. Sprechzettel der Vorsitzenden zur Erweiterten Obleuterunde am 26. November 2004, S. 4 und am 3. Dezember 2004, S. 3; Vorentwurf vom 13. Dezember 2004 für einen Vorschlag der Vorsitzenden, S. 4). Die Reichweite der dort aufgeführten Materie "Spielhallen" wurde darin nicht erläutert. Die vorhergehenden Arbeitsdokumente der Föderalismuskommission I enthielten weder einen Vorschlag zur Übertragung der späteren Ländermaterie "Recht der Spielhallen" noch Hinweise für deren Eingrenzung. Das gilt auch für die von der Klägerin und von Teilen der Literatur als Beleg für eine enge Auslegung in Bezug genommene Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 28. September 2004 zur "Gewerbeordnung und Handwerksordnung" (PAU-5/0020), in der "Spielhallen (§ 33i)" erwähnt sind (vgl. ebd. S. 4). Die Stellungnahme des Bundesministeriums sollte auf Bitten der Länder klären, ob der Bund ein Bedürfnis, grundlegende Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Betätigung weiterhin bundesgesetzlich zu regeln, für alle Bereiche der Gewerbeordnung sah (vgl. ebd. S. 2), nachdem das Ministerium zuvor die Position der Länder zur Übertragung des gesamten Gewerberechts auf sie umfassend zurückgewiesen hatte (vgl. BMWA, Stellungnahme für die Bereiche u.a. Handwerksrecht und allgemeines Gewerberecht zu: "Konkretisierung der Länderposition zum 'Recht der Wirtschaft' <art. 74 abs. 1 nr. 11 gg>", PAU-3/0007 = PAU-5/0006 S. 3 f.). Das Ministerium schlug in der Stellungnahme nicht vor, die Regelung von Spielhallen den Ländern zu übertragen, sondern listete den bestehenden Inhalt der Gewerbeordnung auf. Dem jeweiligen einfachgesetzlichen Regelungsbereich der Vorschriften der §§ 30 bis 38 GewO wurde jeweils in Klammern deren Paragrafenbezeichnung hinzugesetzt, also beispielsweise "Gewinnspiele und Geldspielgeräte (...) (§§ 33c bis h), Spielhallen (§ 33i), Pfandleiher (§ 34)". Diese Bestimmungen, so die Stellungnahme, würden zum Teil ergänzt durch ausführliche Verordnungen mit Detailregelungen. Bei einzelnen dieser Bereiche komme eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länderebene in Betracht, soweit ein lokaler Bezug vorhanden sei. Allerdings sei den Ländern in diesen Bereichen bereits nach geltendem Recht die materielle Ausgestaltung überlassen (PAU-5/0020 S. 4). Welche Bereiche sich konkret für eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länder eigneten, führte das Ministerium nicht aus. In der zuständigen Projektgruppe 5 "Regionale Themen" war zu diesem Zeitpunkt außerdem offen, ob eine etwaige Zuständigkeitsverlagerung auf die Länder einfachgesetzlich oder verfassungsrechtlich erfolgen solle (vgl. den Bericht in der 7. Sitzung der Arbeitsgruppe "Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte" der Föderalismuskommission I, Protokollvermerk vom 6. Oktober 2004 S. 22 f.). Jedenfalls sollte die Verteilung der Kompetenzen im Bereich des Wirtschaftsrechts dem Ansatz der "örtlichen Radizierung" folgen (vgl. den Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 "Regionale Themen" am 29. September 2004 S. 2). Zur Verabschiedung eines Ergebnisses der Föderalismuskommission kam es nicht mehr, nachdem die Vorsitzenden deren Arbeit für gescheitert erklärten (vgl. Stenografischer Bericht der 11. Sitzung vom 17. Dezember 2004 S. 279 ff.).

23

Die Entstehungsgeschichte des - mit dem Entwurf für das verfassungsändernde Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) wieder aufgegriffenen - Vorentwurfs eines Vorschlages der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I bietet daher für die Auslegung des heutigen Kompetenztitels des "Rechts der Spielhallen" keine konkrete Substanz. Sie spricht aber dagegen, dass den Ländern im Bereich des Gewerberechts kleinteilig Gesetzgebungsbefugnisse nach Maßgabe der bestehenden Regelungen in der Gewerbeordnung übertragen werden sollten. Hierfür hätte die in der Föderalismuskommission I ebenfalls erwogene Schaffung einfachgesetzlicher Öffnungsklauseln zugunsten der Länder genügt. Vielmehr wurden unter Sichtung der Gewerbeordnung Sachverhalte von vorrangig regionaler Bedeutung gesucht, die von den Ländern deshalb ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums selbständig gestaltet werden konnten. Dazu gehörte nach dem Vorentwurf der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I die Regelung von Spielhallen, nicht dagegen die Regelung von Gewinnspielen und Geldspielgeräten, die zuvor in der Auflistung des Inhalts der Gewerbeordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ebenso aufgeführt waren. Der infolge der Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005 erarbeitete Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 7. März 2006 (BT-Drs. 16/813) griff den letzten Sachstand der Föderalismuskommission I aus dem Vorsitzendenentwurf ausdrücklich auf (vgl. ebd. S. 3, 7 und 13). Die verabschiedete Endfassung entspricht dem Gesetzesentwurf.

24

Der Auffassung, der Zuweisungsgehalt des "Rechts der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG müsse normativ-rezeptiv nach dem Regelungsbereich des § 33i GewO bestimmt werden (vgl. z.B. Schneider, GewArch 2009, 269 <270>; Uhle, Normativ-rezeptive Kompetenzzuweisung und Grundgesetz, 2015, 46 ff.), kann auch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden. Von einer normativen Rezeption geht das Bundesverfassungsgericht aus, wenn der Verfassungsgeber eine normativ ausgeformte Materie vorgefunden und sie nachvollziehend benannt hat, so dass die einfachgesetzliche Ausformung in der Regel unter dem Gesichtspunkt des Traditionellen und Herkömmlichen den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznorm bestimmt (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218> und Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 Rn. 29). Sie ist bislang allenfalls für bereits vorkonstitutionell ausgeformte, umfangreiche Rechtsmaterien anerkannt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12 - BVerfGE 134, 33 <55 ff.> und Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 für das Strafrecht). Für eine restriktive Anwendung der Rechtsfigur spricht, dass sie das Rangverhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht umkehrt und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers schwächt, wenn sie die überkommene einfachgesetzliche Ausgestaltung für seine verfassungsrechtliche Regelungskompetenz für maßgeblich hält (vgl. dazu Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 35, 39; Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 70 Rn. 49).

25

Die normative Rezeption eines als einheitliches Regelungswerk konzipierten Normenkomplexes (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 34, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218>) in einem verfassungsrechtlichen Kompetenztitel soll eine gewisse Kontinuität der Gesetzgebung in langjährig entwickelten Rechtsgebieten über Verfassungsänderungen hinweg gewährleisten. Sie setzt einen von anderen Regelungsbereichen abgrenzbaren und langjährig gefestigten einfachgesetzlichen Normbestand voraus, der prägende Wirkung für eine Kompetenzmaterie entwickeln kann. Daran fehlt es hier. Die ordnungs- und gewerberechtlichen Anforderungen an Spielhallen wurden bis zur Schaffung der Kompetenzmaterie der Länder im Jahr 2006 immer wieder grundlegend geändert (vgl. eingehend m.w.N. zur Regelungsgeschichte Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 1 ff.; Hahn, in: Friauf, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 4 ff.) und waren mit Anforderungen an Aufsteller von Geräten und Veranstalter anderer Spiele verschränkt (vgl. nur § 33i Abs. 2 i.V.m. § 33c Abs. 2, § 33d Abs. 3 GewO, § 3a i.V.m. § 3 SpielV). 1933 wurde die gewerbsmäßige Aufstellung mechanischer Spiele und Spieleinrichtungen mit Gewinnmöglichkeit an öffentlichen Orten genehmigungspflichtig (RGBl. 1933 I S. 1080). Durch Verordnung wurde 1953 erstmals die Aufstellung von Geldspielgeräten in geschlossenen Räumen - und damit auch der Betrieb einer Spielhalle - zugelassen (BGBl. 1953 I S. 935). 1960 wurden in der Gewerbeordnung der Erlaubnisvorbehalt für den gewerbsmäßigen Betrieb einer Spielhalle und, hiervon getrennt, eine Aufstellererlaubnis und eine Bauartzulassung für Spielgeräte eingeführt (BGBl. 1960 I S. 61, ber. S. 92). 1979 wurde die Aufstellererlaubnis in eine orts- und geräteübergreifende personenbezogene Erlaubnis umgewandelt (BGBl. 1979 I S. 149). Dies bedingte eine stärkere Inpflichtnahme des Betreibers einer Spielhalle für die Einhaltung der Anforderungen an die Aufstellung der Geräte im konkreten Betrieb. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Änderungen der 1962 erlassenen Spielverordnung (SpielV). Deren gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 33f GewO erlaubte zum Zeitpunkt der Föderalismusreform I den Erlass von Verordnungsbestimmungen zur Durchführung von gerätebezogenen wie auch von aufstellerbezogenen und von spielhallenbetreiberbezogenen Regelungen der Gewerbeordnung (Fassung vom 25. November 2003, BGBl. I S. 2304). Entsprechend enthielt die Spielverordnung spielhallenbezogene Regelungen, die sich teilweise an die Aufsteller von Spielgeräten, teilweise aber auch an die Veranstalter von Spielen und an die Betreiber von Spielhallen richteten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 und 3, §§ 3a und 4 SpielV i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1985, BGBl. I S. 2245, geändert durch Verordnung vom 24. April 2003, BGBl. I S. 547 und durch die 5. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 17. Dezember 2005, BGBl. I S. 3495).

26

Im Übrigen wäre selbst bei einer normativ-rezeptiven Auslegung des "Rechts der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu berücksichtigen, dass die bundesrechtlichen Regelungen zu Spielhallen 2006 über erlaubnisbezogene Anforderungen hinausgingen. Sie umfassten neben orts- und betriebsbezogenen Anforderungen auch Pflichten des Spielhallenbetreibers zur Einhaltung von Höchstzahlen für Geräte und andere Spiele, Aufsichtsverpflichtungen und Sicherungsmaßnahmen zugunsten von Minderjährigen sowie die Verpflichtung, die Aufstellung von Geräten nur bei Einhaltung der aufstellungsbezogenen rechtlichen Anforderungen zuzulassen (vgl. § 33c Abs. 3 Satz 3, § 33f Abs. 1 Nr. 1 und 4 GewO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 und 3, §§ 3a, 4 SpielV).

27

Der systematische Zusammenhang der Länderkompetenz für das "Recht der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht ebenfalls dafür, den Ländern die Regelungsbefugnis für sämtliche erlaubnis- und betriebsbezogenen Aspekte des Spiels in Spielhallen zuzuordnen. Die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ausgenommenen, ausschließlich den Ländern zugeordneten Materien des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen sowie der Messen, Ausstellungen und Märkte betreffen durchweg Gewerbeaktivitäten mit Bezug zu einer räumlich-betrieblich abgegrenzten Einrichtung oder Veranstaltung vor Ort. Sie alle weisen damit den von der Föderalismuskommission I geforderten regionalen Bezug auf. Damit hat der Gesetzgeber in Anknüpfung an die oben genannten Überlegungen in der Föderalismuskommission I aus dem "Recht der Wirtschaft" Bereiche identifiziert, die in erster Linie auf regionale Sachverhalte bezogen sind und deshalb typischerweise ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums von den Ländern eigenständig gestaltet werden können. Mit ihnen hat der Verfassungsgeber in Kauf genommen, dass sich bundesweit tätige Unternehmen wie Einzelhandels- und Restaurantketten, Beschicker von Märkten und Messen ebenso wie Vertreiber und Aufsteller von Spielgeräten auf unterschiedliche Regelungen der Länder in diesen Materien einzustellen haben. Regelungsgegenstände ohne räumlich-betrieblichen Bezug wie das "Recht der Spielgeräte" und der ortsübergreifenden Zulassung ihrer Aufstellung, die bei einer länderspezifischen Ausgestaltung etwa die Handelbarkeit des Produkts beeinträchtigen könnten, fallen dagegen aus der Systematik dieser ausschließlichen Ländermaterien heraus und sind der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das "Recht der Wirtschaft (Gewerbe)" zuzuordnen.

28

Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Kompetenznorm. Mit der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine neu konturierte und klare föderale Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten im Recht der Wirtschaft erzielen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <277>). Deutlicher voneinander abgegrenzte Verantwortlichkeiten sollten die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern verbessern und die Landesgesetzgeber durch Zuweisung neuer Materien mit Regionalbezug, die eine bundesgesetzliche Regelung nicht zwingend erfordern, gestärkt werden (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 7, 9). Schon die Föderalismuskommission I verfolgte das Ziel, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entflechten und die Länderebene zu stärken (vgl. Positionspapier der Ministerpräsidenten zur Föderalismusreform, Kommissionsdrucksache 0045 S. 1, in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005). Die Anknüpfung der Kompetenzverlagerung auf die Länder an einen überwiegenden regionalen Bezug der Materie bedeutet daher nicht, dass jede einzelne Regelung durch einen besonderen Bedarf für landes- oder ortsspezifische Differenzierungen zum Erlass von Regelungen gedeckt sein muss. Ein solcher Vorbehalt würde die Neuzuweisung von Kompetenzen an die Länder ohne Rückhalt in der Entstehungsgeschichte des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wesentlich einschränken und neue Unsicherheiten in der Abgrenzung der Kompetenzverteilung schaffen, die mit der Verfassungsänderung vermieden werden sollten.

29

bb) Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG können die Länder im Bereich der ihnen durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 GG zugewiesenen Materien das als Bundesrecht fortgeltende Recht durch Landesrecht ersetzen. Mit den von der Klägerin angegriffenen Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin, des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Ausführungsgesetzes des Landes Berlin hierzu hat das Land Berlin von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Sie lassen sich dem Kompetenztitel für das "Recht der Spielhallen" auch zuordnen.

30

Für die Zuordnung gesetzlicher Regelungen zu einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm sind ihr Gegenstand und Gesamtzusammenhang im jeweiligen Gesetz maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <216>; Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 402, 906/08 - BVerfGE 121, 317 <348>; Rozek, in: von Mangold/Klein/Starck, a.a.O., Bd. 2 Art. 70 Rn. 55). Die angegriffenen Erlaubnisvorbehalte für den Betrieb von Spielhallen enthalten als Zulassungsvoraussetzungen personenbezogene Anforderungen an die Betreiber von Spielhallen und Anforderungen an die Art und Weise des Betriebes. Die erstmals eingeführten Mindestabstände zu anderen Spielhallen und sonstigen Einrichtungen sowie das Verbot der Zulassung und des Betriebes mehrerer Spielhallen im Verbund beschränken die Dichte von Spielhallen in einem bestimmten Gebiet und regeln ihr räumliches Verhältnis zu sonstigen Einrichtungen, deren Nutzer der Gesetzgeber als schutzwürdig ansieht. Sie betreffen die räumlichen Bezüge einer Spielhalle in ihrem Umfeld und damit einen Regelungsgegenstand, der nicht zwingend bundeseinheitlich zu regeln ist und im Hinblick auf die jeweilige soziale Bevölkerungsstruktur und Dichte des Spielangebots regionale Bezüge aufweist. Für die Zuordnung zur Kompetenzmaterie "Recht der Spielhallen" ist nicht maßgeblich, ob diese Regelungen an eine abstrakte oder an eine konkrete Gefahr anknüpfen.

31

Mindestabstandsregelungen für Spielhallen sind nicht der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG für das "Bodenrecht" zuzuordnen. Dazu gehören Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben und die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu ihm regeln (BVerfG, Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 <424>; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318 <320>). Die Vorschriften über den Mindestabstand zwischen Spielhallen sowie zu anderen Einrichtungen regeln nicht den Ausgleich verschiedener Nutzungsinteressen an Grund und Boden oder die Wahrung des Gebietscharakters des Umfeldes einer Spielhalle, sondern den Spielerschutz und den Schutz von Minderjährigen vor der Entstehung von Spielsucht (vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13, 1 VB 15/13 - ESVGH 65, 58, juris Rn. 319).

32

Regelungen des Mindestabstandes von Spielhallen zu Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, sind auch nicht der Materie der "öffentliche Fürsorge" nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zuzuordnen, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt. Zwar erfasst sie auch Regelungen des Jugendschutzes (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 2 BvL 10/70 - BVerfGE 31, 113 <117>; BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1966 - 5 C 104.63 - BVerwGE 23, 112 <113>). Der Schwerpunkt des Mindestabstandsgebotes zu Einrichtungen für Minderjährige liegt aber auf der spielerschützenden Ausgestaltung der räumlichen Bezüge der Spielhalle. Der Jugendschutz stellt dabei einen Annex zum Schutz vor Spielsucht bei Zulassung der Spielhalle als einer Gefahrenquelle dar. Im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen für die Regulierung des Glücksspiels dürfen die Länder auch Aspekte des Jugendschutzes mit regeln. Selbst bei Zuordnung des Mindestabstandes zu Einrichtungen für Minderjährige zum Kompetenztitel des Bundes für die "öffentliche Fürsorge" bliebe den Ländern nach Art. 72 Abs. 1 GG Raum für die hier in Rede stehenden Regelungen zum Schutz im Vorfeld des Betretens von Spielhallen, da der Bund mit der Regelung des Zugangsverbots für Minderjährige in § 6 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2016, BGBl. I S. 1666) von seiner Befugnis für jugendschützende Regelungen im Hinblick auf Spielhallen nicht abschließend Gebrauch gemacht hat.

33

Auch alle weiteren, von der Revisionsführerin angegriffenen Regelungen betreffen die Ausgestaltung des Spielhallenbetriebes und sind dem "Recht der Spielhallen" zuzuordnen. Beschränkungen der Verabreichung von Speisen und Getränken, der Werbung für Spielhallen und für die in ihnen angebotenen Spiele, die Sperrzeit für Spielhallen sowie die Pflichten zur Stellung von Aufsichtspersonal, zur Durchführung von Identitätskontrollen, Sperrung von Spielern und Erstellung von Sozialkonzepten und von Informationen für Spielende stellen Anforderungen an die Organisation und räumlich-betriebliche Ausgestaltung von Spielhallen dar. Das gilt auch für Regelungen zur Höchstzahl von Spielgeräten oder anderen Spielen und zur Art und Weise der Aufstellung von Spielgeräten. Insbesondere sind Gerätehöchstzahl- und -aufstellungsregelungen nicht dem produktbezogenen Geräterecht oder dem ortsübergreifenden Aufstellerrecht als Teil des in der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes verbliebenen "Gewerberechts" nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen. Sie betreffen nicht die Beschaffenheit und Vermarktung von Spielautomaten, sondern die Art und Weise des Spielhallenbetriebes vor Ort. Nachdem die Gesetzgebungskompetenz für die Ausgestaltung des Betriebes von Spielhallen im Rahmen der Föderalismusreform I ausschließlich den Ländern übertragen worden ist, bleibt für bundesrechtliche Neuregelungen der Höchstzahl von Spielgeräten und deren räumliche Anordnung in Spielhallen kein Raum mehr. Dafür ist unerheblich, ob die vor 2006 erlassenen Verordnungsbestimmungen über die Höchstzahl und Art und Weise der Aufstellung von Geräten in der bundesrechtlichen Spielverordnung der Durchführung der Regelungen in der Gewerbeordnung über Spielgeräte (§ 33c ff. GewO) oder der Regelungen über die Zulassung von Spielhallen (§ 33i GewO) dienten. Im Übrigen gehörte die Gewährleistung der Einhaltung der Gerätehöchstzahl in einer Spielhalle auch nach bisherigem Recht mit zu den Verpflichtungen des Gewerbetreibenden, in dessen Betrieb die Spielgeräte aufgestellt waren (§§ 3, 3a SpielV).

34

b) Die angegriffenen landesrechtlichen Regelungen sind materiell mit der Verfassung vereinbar.

35

aa) Sie greifen in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfordert eine kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Grundlage, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 - NJW 2016, 700 <701> m.w.N.; vom 14. Januar 2014 - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 - BVerfGE 135, 90 <111 Rn. 57> und vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 <38>). Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden, soweit Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 Rn. 45). Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <284 f. m.w.N.>). Wirkt eine auf die Berufsausübung zielende Regelung auf die Berufswahl zurück, weil sie in ihren Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahe kommt, so ist ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung an den Anforderungen an Regelungen betreffend die Berufswahl zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>; Kammerbeschluss vom 24. August 2011 - 1 BvR 1611/11 - NVwZ 2012, 104 <105>).

36

Gemessen hieran stellen die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar. Der Auffassung der Klägerin, es handele sich bei den Mindestabstandsgeboten, dem Verbundverbot und den Gerätehöchstzahlregelungen sowie aufgrund einer kumulativen Betrachtung bei sämtlichen angegriffenen Regelungen um objektive Berufswahlbeschränkungen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Dafür sind die Auswirkungen der betreffenden Regelungen in ihrem gesamten räumlichen Geltungsbereich zu betrachten.

37

Das Oberverwaltungsgericht hat mit bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass Spielhallenbetreiber von ihrem derzeitigen Standort erforderlichenfalls in Gebiete des Landes Berlin ausweichen können, in denen eine geringere Konzentration von Spielhallen und weniger Konkurrenz besteht, und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Spielhallen dort nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Auch in der Gesamtschau aller landesrechtlichen Beschränkungen für Spielhallen einschließlich der Erhebung der Vergnügungsteuer sowie bauplanungsrechtlicher Einschränkungen ist es nicht davon ausgegangen, dass Spielhallen in Berlin künftig nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können (vgl. UA S. 46, 53, 66). Die von der Klägerin nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen geben auch nichts dafür her, dass die Durchsetzung der Mindestabstandsregelungen im Verhältnis zu anderen Spielhallen und zu überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besuchten Einrichtungen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 SpielhG BE) absehbar zu einer Erschöpfung der Standortkapazität für Spielhallen im gesamten Geltungsbereich der betreffenden Regelungen und damit zu einer faktischen Kontingentierung führen könnten, deren Wirkung einer Berufswahlbeschränkung nahe käme (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 1295/07 - NJW 2008, 1293 <1294>). Soweit die Klägerin annimmt, das Verfahren zur Auswahl der den Mindestabstand unterschreitenden Spielhallenstandorte oder der Spielhallen in einem Mehrfachkomplex (§§ 7, 8 MindAbstUmsG BE) komme bezogen auf den jeweiligen Standort einer Kontingentierung gleich, übersieht sie, dass eine verfassungsrechtlich relevante objektive Berufswahlbeschränkung nur vorliegt, wenn die Kontingentierung sich auf den räumlichen Geltungsbereich der Norm - hier also auf das Gebiet des Landes Berlin - erstreckt. Für die revisionsgerichtliche Prüfung ist daher davon auszugehen, dass die von der Klägerin angegriffenen Beschränkungen nicht schon den Zugang zur nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Tätigkeit des Spielhallenbetreibers ausschließen, sondern lediglich Anforderungen an deren Ausübung stellen.

38

Die angegriffenen Regelungen sollen den Gefahren der Glücksspielsucht entgegenwirken (vgl. die Begründung zum Entwurf des Spielhallengesetzes Berlin, Abghs.-Drs. 16/4027 S. 1; Entwurf zum Zweiten Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel, Abghs.-Drs. 17/0313 S. 46, 50, 56, 78 f.). Die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht ist als überragend wichtiges Gemeinwohlziel anerkannt, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen selbst, für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338; Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>). Das Berufungsgericht hat in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ferner angenommen, dass bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an gewerberechtlich zugelassenen Automaten spielen, und dass der Berliner Gesetzgeber daher von einem nicht unerheblichen Suchtpotenzial ausgehen durfte (UA S. 48, vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <305>). Die Klägerin hat diese Einschätzung nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Der Landesgesetzgeber durfte entgegen der Auffassung der Revision beim Erlass von Regelungen über Spielhallen auf die Zielsetzung der Bekämpfung von Glücksspielsucht zurückgreifen, auch wenn bereits die bundesrechtlichen Vorschriften über die Gerätezulassung auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Verfassungsrechtlich legitime Schutzzwecke für Maßnahmen innerhalb der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers werden nicht durch Regelungen "verbraucht", die der Bundesgesetzgeber unter derselben Zielsetzung für die ihm zustehenden Kompetenzmaterien getroffen hat.

39

aaa) Die in § 2 SpielhG BE und § 24 GlüStV i.V.m. § 15 AGGlüStV BE geregelten Erlaubnisvorbehalte für das Betreiben einer Spielhalle verletzen die Klägerin nicht in ihrer Berufsfreiheit. Der Betrieb einer Spielhalle darf einem Erlaubnisvorbehalt unterstellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 - 6 C 11.04 - Buchholz 451.20 § 15 GewO Nr. 5, S. 8 zu § 33i GewO). Eine Ausgestaltung der für die Erteilung einer Erlaubnis in § 2 SpielhG BE genannten Voraussetzungen als erlaubnisunabhängige, ggf. mit Mitteln der Aufsicht durchzusetzende Anforderungen stellt kein zur Verwirklichung des Regelungszwecks gleich geeignetes milderes Mittel dar. Es liegt auf der Hand, dass die mit Blick auf den Mindestabstand zwischen den Spielhallenstandorten und dem Verbot von Mehrfachkomplexen zu treffenden Entscheidungen, welche Spielhallen geschlossen werden müssen, nicht bei einer Fortgeltung der Alterlaubnisse nach § 33i GewO im Wege der Aufsicht, sondern nur im Rahmen eines Erlaubnisverfahrens getroffen werden können. Dann ist auch nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen eines solchen Erlaubnisverfahrens geprüft wird, ob weitere zentrale Anforderungen an den Spielhallenbetrieb aktuell vorliegen. Zur Verfolgung der gewichtigen Gemeinwohlinteressen der Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht wäre im Übrigen grundsätzlich sogar ein Erlaubnisvorbehalt zulässig, der keinen Rechtsanspruch vorsieht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 Rn. 52). Der Berliner Landesgesetzgeber hat sich, auch wenn er strengere Erlaubnisvoraussetzungen als bislang nach § 33i GewO eingeführt hat, auf eine Präventivkontrolle der Zulassung von Spielhallen beschränkt. Nach beiden landesrechtlichen Erlaubnisvorbehalten besteht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung einer Spielhallenerlaubnis. Ein repressiver Verbotscharakter ergibt sich weder aus den standortbezogenen Erlaubnisvoraussetzungen des Verbundverbotes und der Einhaltung der Mindestabstände nach § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 5 SpielhG BE, § 25 Abs. 1 und 2 GlüStV i.V.m. § 15 Abs. 3 AGGlüStV BE noch aus den über § 33i GewO hinausgehenden Versagungsgründen eines fehlenden Sachkundenachweises oder Sozialkonzepts (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 und 5 SpielhG BE).

40

Es verletzt die Klägerin nicht in ihrer Berufsfreiheit, dass der Berliner Landesgesetzgeber seinen Verpflichtungen aus dem Glücksspielstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 durch Schaffung eines weiteren Erlaubnisvorbehaltes nach § 15 AGGlüStV BE, der neben den schon seit dem 2. Juni 2011 geltenden Erlaubnisvorbehalt des § 2 SpielhG BE getreten ist, nachgekommen ist. Dass zum Betrieb einer Spielhalle in Berlin zwei gesonderte Erlaubnisse erforderlich sind, führt angesichts der parallelen Ausgestaltung beider Erlaubnisvorbehalte nicht zu einer spürbaren Belastung von Spielhallenbetreibern. Die behördliche Zuständigkeit, der zeitliche Ablauf der Erteilung sowie die standortbezogenen Erteilungsvoraussetzungen und wesentlichen Versagungsgründe für beide Erlaubnisse sind nach § 15 AGGlüStV BE einander angeglichen. Dabei fällt nicht ins Gewicht, dass der glücksspielstaatsvertragliche Erlaubnisvorbehalt einzelne Anforderungen, die nach dem SpielhG BE als reine Betreiberpflichten ausgestaltet sind, als Versagungsgründe normiert (so die Werbebeschränkungen nach § 5 Abs. 1 bis 3 GlüStV, die Einhaltung der Sperrzeit nach § 26 Abs. 2 GlüStV und die Pflicht zur Bereitstellung von Informationen an Spieler nach § 7 GlüStV, vgl. § 15 Abs. 2 AGGlüStV BE). Beide Erlaubnisvorbehalte genügen des Weiteren dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und eröffnen der Exekutive keinen Anwendungsspielraum, der hinter den Anforderungen an gesetzliche Erlaubnisvorbehalte (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. April 2007 - 1 BvR 78/02 - BVerfGK 11, 21 <25 f.> m.w.N.) zurückbliebe. Auch der Erlaubnisversagungsgrund in § 24 Abs. 2 GlüStV i.V.m. § 15 Abs. 2 AGGlüStV BE, wenn Errichtung und Betrieb einer Spielhalle den Zielen des § 1 GlüStV zuwiderlaufen, ist hinreichend bestimmt. Die dort festgeschriebenen Ziele des Glücksspielstaatsvertrages sind für Spielhallen im Glücksspielstaatsvertrag selbst und in den dazu ergangenen Ausführungsregelungen des Landes Berlin hinreichend konkretisiert worden, um den behördlichen Vollzug parlamentsgesetzlich zu steuern.

41

bbb) Das in § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE als Erteilungsvoraussetzung für die Spielhallenerlaubnis ausgestaltete Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern zu weiteren Spielhallen und die in § 2 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE geregelte Beschränkung auf ein Unternehmen für jeden Spielhallenstandort (Verbundverbot) greifen in verhältnismäßiger Weise in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein. Der Mindestabstand zu anderen Spielhallen soll gewährleisten, dass Spieler sich nach Verlassen einer Spielhalle von der Spielatmosphäre lösen und einen neuen, selbständigen Entschluss fassen können, ob sie eine weitere Spielhalle betreten (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 11 f.). Mit dem Verbundverbot (Verbot von Mehrfachkomplexen) wollte der Gesetzgeber darüber hinaus einer suchtsteigernden Häufung des Spielangebots an einem Standort entgegenwirken (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 11).

42

Beide Regelungen sind zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels der Bekämpfung von Spielsucht geeignet, erforderlich und zumutbar.

43

(a) Eine Regelung ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Insoweit kommt dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 263 <183> m.w.N.). Die gesetzgeberische Einschätzung, dass eine Spielpause nach Verlassen einer Spielhalle eine Abkühlphase gewährleisten kann, in der Spieler die Fortsetzung ihres Spiels überdenken können, ist nicht offensichtlich fehlsam. Sie greift auf das im gewerblichen Glücksspielrecht bereits verankerte Mittel der Suchtbekämpfung durch eine Spielpause (vgl. § 13 Nr. 6 und 6a SpielV) zurück. Gegen die Eignung des Mindestabstandes zwischen Spielhallen zur Spielsuchtbekämpfung kann auch nicht eingewandt werden, dass Spieler ihren Entschluss zur Beendigung des Spielens bereits mit Verlassen einer Spielhalle gefasst hätten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie diesen Entschluss revidieren, wenn sie auf ein erneutes Spielangebot treffen, oder dass sie sich durch Wechsel der Spielstätte lediglich der Beobachtung des Aufsichtspersonals entziehen wollen oder von diesem zur Beendigung der Spieltätigkeit angehalten bzw. vom weiteren Spiel ausgeschlossen worden sind (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 SpielhG BE).

44

Ebenso stellt das Verbot mehrerer Spielhallen an einem Standort (Verbundverbot) einen förderlichen Beitrag zur Bekämpfung und Prävention von Spielsucht dar. Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsurteils ist die ihm zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Verfügbarkeit von Spielangeboten die Suchtgefahr erhöht und durch Reduzierung der Anzahl und Dichte von Spielhallen Spielanreize zurückgeführt und Spielsüchtige vom Spielen abgehalten werden können, jedenfalls nicht offensichtlich fehlsam (UA S. 49).

45

Der Eignung der Abstandsregelung steht nicht entgegen, dass Spieler innerhalb des Mindestabstandes von 500 Metern zu anderen Spielhallen auf Gaststätten treffen können, in denen bis zu drei Geldspielgeräte zulässig sind. Das Berufungsgericht ist aufgrund bindender Tatsachenfeststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass es angesichts des unterschiedlichen Gepräges von Gaststätten durch das im Vordergrund stehende Angebot von Speisen und Getränken und von Spielhallen durch das Bereithalten eines umfangreichen und vielfältigen Spielangebots (so auch BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1991 - 1 B 174.90 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 5 S. 5; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 u.a. - NVwZ 1997, 573 <575> und vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - BVerfGK 16, 162 <175>) keine verlässlichen Erkenntnisse für ein Ausweichen von Spielern auf Gaststätten mit Geldspielautomaten gibt (UA S. 51).

46

Gegen die Eignung des Verbots von Mehrfachkomplexen und des Abstandsgebots zur Minderung des spielsuchtfördernden Spielanreizes kann nicht eingewandt werden, dass der Landesgesetzgeber trotz der hohen Anzahl von Spielautomaten in Automatensälen der Spielbank Berlin auf einen Mindestabstand zwischen Spielhallen und Spielbanken verzichtet hat. Die Eignung dieser beiden Regelungen wäre hierdurch nur in Frage gestellt, wenn das Spielautomatenangebot der Spielbank in vergleichbarer Weise im Lebensumfeld von Spielern, die auch Spielhallen besuchen, verfügbar wäre. Das ist nach den tatbestandlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Spielbank Berlin nur wenige Außenstellen hat (UA S. 58), jedoch nicht der Fall.

47

Die angegriffenen Abstandsregelungen sind auch nicht wegen eines Vollzugsdefizits bei illegalen Angeboten des Automatenspiels in Einrichtungen der sog. Scheingastronomie, sog. "Café-Casinos", zur Spielsuchtbekämpfung ungeeignet. Das Berufungsurteil geht zutreffend davon aus, dass dafür nur normativ angelegte Hindernisse relevant sein könnten, die Ausdruck eines strukturbedingt zu einer defizitären Praxis führenden Regelungsdefizits sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. November 2009 - 7 C 20.08 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 2 Rn. 22 und vom 23. Februar 2011 - 8 C 50.09 - Buchholz 451.25 LadSchlG Nr. 30 Rn. 38; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a. - BVerfGE 133, 168 Rn. 117 f.). Unabhängig davon, dass dem Berufungsurteil keine Feststellung zu entnehmen ist, dass die Vollzugsbehörden im Geltungsbereich der angegriffenen Regelungen illegale Angebote des Geldautomatenspiels dulden, sind in den angegriffenen landesrechtlichen Anforderungen an Spielhallen keine Umgehungsmöglichkeiten im Sinne eines normativen Regelungsdefizits angelegt. Vielmehr stellt die Definition von Spielhallen in § 1 SpielhG BE, die zur Anwendbarkeit der nachfolgenden Regelungen führt, entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zu § 33i GewO (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 - 6 C 11.04 - Buchholz 451.20 § 15 GewO Nr. 5 S. 3) darauf ab, ob das betreffende Unternehmen ausschließlich oder überwiegend der gewerbsmäßigen Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele nach der Gewerbeordnung dient. Ergänzend hat der Landesgesetzgeber die Spielhallendefinition mit Wirkung zum 6. April 2016 in § 1 Abs. 2 SpielhG BE präzisiert, um eine Umgehung des Spielhallenrechts zu verhindern (vgl. Art. 2 MindAbstUmsG BE und dazu Abghs.-Drs. 17/2714 S. 29). Danach ist eine Spielhalle ungeachtet einer anderslautenden Anzeige und Bestätigung des Aufstellungsortes für Spielautomaten anzunehmen, wenn bei einer Gesamtschau der objektiven Betriebsmerkmale die anderweitige Gewerbeausübung lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Bei Vorliegen bestimmter äußerlich erkennbarer Merkmale wird eine Spielhalle gesetzlich vermutet. Auch dies steht der Annahme einer normativ angelegten Schutzlücke im Hinblick auf den Vollzug des Spielhallengesetzes Berlin entgegen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Problematik der illegalen "Café-Casinos" nur bestimmte Bezirke betrifft (UA S. 66). Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen greifen - wie dargelegt - nicht durch. Die Existenz illegaler "Café-Casinos" vermag daher auch tatsächlich nicht zu verhindern, dass durch das Abstandsgebot die Anzahl und Dichte von Spielhallen zurückgeführt und damit das Ziel der Suchtbekämpfung und -prävention gefördert wird.

48

(b) Die Mindestabstandsregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE und das Verbot von Mehrfachkomplexen sind auch erforderlich und zumutbar.

49

Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetzgeber auch für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Dieser ist nur dann überschritten, wenn aufgrund der dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und der bereits vorhandenen Erfahrungen feststellbar ist, dass weniger grundrechtsbelastende, aber gleich wirksame Regelungsalternativen in Betracht kommen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - BVerfGK 18, 116 <121>). Nach dem für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand durfte der Landesgesetzgeber im Rahmen dieses Einschätzungsspielraums annehmen, dass es keine gleich wirksamen und weniger belastenden Alternativen zur Herabsetzung der suchtfördernden Verfügbarkeit des Spielangebots in Spielhallen gibt als die Einführung eines Mindestabstandes von 500 Metern zu anderen Spielhallen und eines Verbotes von Mehrfachkomplexen. Gegen die Erforderlichkeit der Mindestabstandsregelung lässt sich auch nicht einwenden, dass andere Länder geringere Abstände vorsehen. Es liegt in der Einschätzungsprärogative des einzelnen Landesgesetzgebers zu bestimmen, welche Vorgaben für die höchstzulässige Spielhallendichte nach dem bereits vorhandenen Spielangebot und der jeweiligen sozialen Bevölkerungsstruktur erforderlich sind.

50

Die Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit von Spielhallenbetreibern durch die Mindestabstandsregelung und das Verbot von Mehrfachkomplexen sind auch verhältnismäßig im engeren Sinne, d.h. zumutbar. Allerdings sind die dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen intensiv. Im Falle der Klägerin hat die Anwendung dieser Regelungen zur Folge, dass sie von den derzeit am Standort "..." vorhandenen sechs Spielhallen dort allenfalls eine Spielhalle wird weiter betreiben können. Dem steht jedoch die überragende Bedeutung gegenüber, die der Gesetzgeber der Bekämpfung und Prävention der Glücksspielsucht angesichts des gerade vom Spielhallenangebot ausgehenden hohen Suchtpotenzials beimessen durfte. Ein derart gewichtiges Gemeinwohlziel vermag selbst eine objektive Berufswahlbeschränkung wie ein Wettmonopol zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 ff.> und Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338), die vorliegend wegen der - vom Berufungsgericht festgestellten - Möglichkeit des auch wirtschaftlich zumutbaren Ausweichens auf andere, wenn auch weniger attraktive Standorte im Stadtgebiet nicht erreicht wird. Die Zumutbarkeit der Mindestabstandsregelung wird ergänzend durch die Möglichkeit gesichert, im Rahmen der Soll-Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE atypischen Fällen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus kann die Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes und der Lage des Einzelfalls eine abweichende Entscheidung treffen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 5 SpielhG BE).

51

Die Zumutbarkeit der spielhallenrechtlich bedingten Beeinträchtigungen der Ausübung des Berufs eines Spielhallenbetreibers setzt auch nicht voraus, dass der Gesetzgeber die durch das Spielen an Spielautomaten hervorgerufenen Suchtgefahren gleichzeitig auch bezogen auf andere Aufstellorte wie Spielbanken oder Gaststätten konsequent oder gar mit uniformen Mitteln bekämpft. Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassung ein Konsistenzgebot lediglich für das aus ordnungsrechtlichen Gründen beim Staat monopolisierte Glücksspielangebot entnommen und überdies klargestellt, dass sich aus ihr kein sektor-übergreifendes Gebot der Kohärenz glücksspielrechtlicher Regelungen einschließlich derjenigen zum gewerberechtlich zugelassenen Automatenspiel ableiten lässt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - BVerfGK 15, 263 <268>). Eine Übertragung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an glücksspielrechtliche Regelungen innerhalb des Monopolbereichs auf das nicht monopolisierte Glücksspiel wäre verfassungsrechtlich auch nicht zu rechtfertigen. Eine Konsistenzkontrolle von Regelungen, die der Parlamentsgesetzgeber in Übereinstimmung mit sonstigem Verfassungsrecht einschließlich des Gleichbehandlungsgebotes erlassen hat, durch Gerichte würde weit in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingreifen und könnte allenfalls bei besonders intensiven Eingriffen wie einem gewerblichen Betätigungsmonopol des Staates in Betracht kommen.

52

Unabhängig hiervon wäre eine Inkonsistenz der von der Klägerin angegriffenen spielhallenrechtlichen Regelungen u.a. der Mindestabstände zu anderen Spielhallen und des Verbotes von Mehrfachkomplexen auch nicht erkennbar. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehenden spielhallenrechtlichen Regelungen inkonsistent wären. Insbesondere ist nicht zu sehen, dass der Gesetzgeber ein identisches Suchtpotenzial des Angebots von Spielautomaten in Spielhallen unterschiedlich gewichtet hätte (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. - BVerfGE 121, 317 <362 f.>). Eine Inkonsistenz besteht auch nicht sektorübergreifend mit Blick auf das in Spielbanken und Gaststätten bestehende Angebot zum Automatenspiel. Die verfassungsrechtliche Schlüssigkeitsprüfung beschränkt sich auf Regelungen innerhalb ein und derselben gesetzgeberischen Maßnahme und bewertet nicht, welche weiteren Regelungen der Gesetzgeber in anderen Regelungsbereichen hätte schaffen müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402, 906/08 - BVerfGE 121, 317 <362 f.>). Dass sich der Landesgesetzgeber auf Anforderungen an Spielhallen beschränkt und diese nicht für Gaststätten und Spielbanken nachgezeichnet hat, begründet deshalb keinen Mangel an Schlüssigkeit seiner Maßnahme. Beim Automatenspiel in Gaststätten und Spielbanken handelt es sich gegenüber dem Automatenspiel in Spielhallen um gesonderte Bereiche, für die eine eigene Gefahreneinschätzung getroffen und andere gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden dürfen. Im Übrigen unterscheidet sich die durch Spielbanken und Gaststätten hervorgerufene Suchtgefahr wegen der geringeren Verfügbarkeit bzw. des unterschiedlichen Gepräges der Einrichtung von derjenigen des Spielhallenangebots; auch dies rechtfertigt eine andere Gefahreneinschätzung und andere Maßnahmen (s.o. II.3 (a); s.u. II.3.cc). Hinsichtlich der illegalen "Café-Casinos" fehlt es, wie ausgeführt, bereits an einem normativ angelegten Vollzugsdefizit.

53

ccc) Die Klägerin wird als Betreiberin von Bestandsspielhallen, für die sie Anträge auf Erlaubnisse im sog. Sonderverfahren des Landes Berlin gestellt hat, auch durch die ergänzenden Regelungen des erst nach Ergehen des Berufungsurteils geschaffenen Mindestabstandsumsetzungsgesetzes Berlin nicht in ihrer Berufsfreiheit verletzt.

54

Gegen das dort vorgesehene Verfahren zur Auswahl derjenigen Bestandsunternehmen, denen nach dem Erlöschen der Alterlaubnisse mit Ablauf des 31. Juli 2016 (§ 8 Abs. 1 SpielhG BE) am bisherigen Standort eine neue Erlaubnis zu erteilen ist, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach Inkrafttreten des Mindestabstandsumsetzungsgesetzes am 6. April 2016 konnten Anträge auf Neuerteilung von Erlaubnissen nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten gestellt werden. Über sie ist im Sonderverfahren nach §§ 4 bis 9 MindAbstUmsG BE zu entscheiden. Die für die Bestandsspielhallen auf Grundlage von § 33i GewO erteilten Alterlaubnisse gelten nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung im Sonderverfahren als fortbestehend. Die Mindestabstandsregelungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 SpielhG BE wurden für das Sonderverfahren modifiziert. Im Verhältnis zu anderen Spielhallen ist ohne Abweichungsmöglichkeit ein Mindestabstand von 500 Metern einzuhalten, der nach der Länge der Wegstrecke mithilfe eines Geoinformationssystems zu ermitteln ist (§ 6 Abs. 1 und 2 MindAbstUmsG BE). Bei Unterschreitung der Mindestabstände zwischen Bestandsunternehmen, die ansonsten alle rechtlichen Anforderungen einhalten, wird auf der letzten Stufe des Entscheidungsverfahrens eine softwareunterstützte Auswahl zwischen den konkurrierenden Standorten getroffen, die bei mehreren denkbaren Standortkombinationen die Variante mit der maximalen Anzahl von Standorten wählt und somit die Standortkapazität ausschöpft. Im Übrigen entscheidet das Los (§ 7 MindAbstUmsG BE). Für bestehende Mehrfachkomplexe haben die Betreiber nach § 8 Abs. 1 MindAbstUmsG BE darüber zu entscheiden, welches einzelne Unternehmen weiter betrieben werden soll. Haben Bestandsunternehmen in einem Mehrfachkomplex unterschiedliche Betreiber und erzielen diese kein Einvernehmen, entscheidet ebenfalls das Los. Zur Vermeidung unbilliger Härten ermöglicht § 9 MindAbstUmsG BE für einen beschränkten Zeitraum, der im Regelfall drei Jahre nicht überschreiten soll, eine Befreiung vom Verbundverbot und von den Abstandsregelungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SpielhG BE.

55

Soweit die Klägerin meint, das Sonderverfahren führe zu einer Marktabschottung von Bestandsspielhallen gegenüber Unternehmen, für die erstmals eine Spielhallenerlaubnis beantragt wird, würde sie als Betreiberin der streitgegenständlichen Bestandsspielhallen hierdurch ausschließlich begünstigt. Soweit sie den Losentscheid grundsätzlich in Zweifel zieht, weil dadurch der Zufall zum Rechtsprinzip erhoben werde, übersieht dieser Einwand, dass eine Bestandsspielhalle gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 MindAbstUmsG BE nur dann in das Auswahlverfahren einbezogen wird, wenn sämtliche qualifizierten Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 SpielhG BE vorliegen und der vorgeschriebene Abstand zu Schulen nach § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE i.V.m. § 5 MindAbstUmsG BE eingehalten ist. Dadurch wird gewährleistet, dass die in das Losverfahren gelangenden Antragsteller und deren Bestandsspielhallen hinsichtlich der für die Eindämmung der Suchtgefahr relevanten inhaltlichen Kriterien auf einer Stufe stehen. Der Gesetzgeber musste im Rahmen des Losentscheides auch nicht den an den einzelnen Standorten vorhandenen Bestandsspielhallen jeweils für sich gleiches Gewicht verleihen, sondern durfte nach § 7 Abs. 1 MindAbstUmsG BE in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 SpielhG BE auf den jeweiligen gesamten Standort abstellen. Eine stärkere Gewichtung von Standorten mit Verbundspielhallen war nicht durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten, da sich Spielhallenbetreiber innerhalb der fünfjährigen Übergangsfrist des § 8 Abs. 1 SpielhG BE darauf einstellen mussten, dass künftig nur eine Spielhalle je Standort betrieben werden darf. Die dem Losverfahren vorangehenden Auswahlkriterien mussten nicht um das Kriterium der Anzahl der aktuell aufgestellten Spielgeräte angereichert werden (vgl. Krainbring, ZfWG 2016, 200 <203>), weil die geltende Höchstzahl stets ausgeschöpft werden kann. Da die Zuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 MindAbstUmsG BE i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 SpielhG BE, § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO zwingende Voraussetzung ist, musste sich dem Gesetzgeber auch keine Auswahl nach der Dauer des Betriebes der jeweiligen Spielhalle durch den Antragsteller (Anciennität) aufdrängen. Eine Auswahl nach Eingang des Erlaubnisantrags (Priorität) ist angesichts der kurzen Ausschlussfrist von drei Monaten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 MindAbstUmsG BE nicht geboten. Für eine bevorzugte Auswahl zertifizierter Bestandsspielhallen fehlt es schließlich an einem staatlich anerkannten Zertifizierungsverfahren, auf das schon wegen der Schwere eines solchen Eingriffs nicht verzichtet werden kann.

56

Im Sonderverfahren wird der Mindestabstand zwischen Spielhallen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 MindAbstUmsG BE von den Eingängen zu den Standorten und nicht von den Eingängen der einzelnen Spielhallen aus gemessen. Mit dieser Regelung greift der Gesetzgeber die bereits in § 2 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE verankerte Unterscheidung zwischen Spielhallenunternehmen und Spielhallenstandorten auf (vgl. Abghs.-Drs. 17/2714 S. 24) und konkretisiert die Mindestabstandsregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE für das Sonderverfahren durch eine standortbezogene Messmethode. Die Messung ist schon deshalb vom gesamten Standort aus vorzunehmen, weil zunächst die weiterhin zulässigen Bestandsstandorte ermittelt werden (§ 7 MindAbstUmsG BE) und die Betreiber erst anschließend über die Auflösung des Spielhallenverbundes entscheiden und die verbleibende Spielhalle benennen (§ 8 MindAbstUmsG BE). Der Landesgesetzgeber durfte sich aus Gründen der Praktikabilität für diese Reihenfolge entscheiden, weil es einer solchen Auflösungsentscheidung der Betreiber nicht bedarf, wenn bereits der Standort als solcher künftig ausscheidet. Zum anderen wollte er den Verwaltungsaufwand bei der Abstandsmessung durch Verwendung eines das geltende amtliche Lagebezugssystem abbildenden Geoinformationssystem auf Basis der Geokoordinaten der Mitte der Eingänge zu den Standorten angemessen begrenzen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 MindAbstUmsG BE und dazu Abghs.-Drs. 17/2714 S. 24). Auch deshalb knüpft die Messung an den Außengrenzen eines Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes an.

57

Allerdings hat die Messweise zur Folge, dass dann, wenn ein Standort mit einem Mehrfachkomplex die auf den Mindestabstand bezogene Auslosung nach § 7 MindAbstUmsG BE verliert, auch einzelne Spielhallen schließen müssen, die den Abstand zu anderen Standorten einhalten würden, wenn stattdessen auf ihre Eingänge innerhalb des Gebäudes oder Gebäudekomplexes abgestellt würde. Würde außerdem in Fällen, in denen einzelne Spielhallen eines Mehrfachkomplexes für sich genommen den Mindestabstand einhielten, zunächst das auf das Verbot von Mehrfachkomplexen bezogene Verfahren nach § 8 MindAbstUmsG BE durchgeführt, könnte dies zur Auswahl einer den Mindestabstand einhaltenden Spielhalle führen mit der Folge, dass sich das Auswahlverfahren nach § 7 MindAbstUmsG BE erübrigte. Ob und in welchen Fällen die genannten verwaltungspraktischen Belange gleichwohl die Messmethode und die Reihung der Auswahlverfahren rechtfertigen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Es liegen keine Feststellungen zu den Abständen vor, die zwischen dem Mehrfachkomplex "..." der Klägerin oder den dort vorhandenen sechs Spielhallen jeweils für sich genommen zu benachbarten Spielhallenstandorten bestehen. Die auch messtechnische Wertung eines Mehrfachkomplexes als ein Standort, der ungeachtet der Lage der einzelnen Spielhallen als Ganzer den Mindestabstand einhalten muss, ist jedenfalls umso eher gerechtfertigt, als die Spielhallen - wie hier - einem Betreiber gehören und außerdem wegen ihrer engen Bezogenheit aufeinander (Verbund) wie eine besonders große Spielhalle erscheinen. Im Verfahren der Erlaubniserteilung wird bei Standorten mit Mehrfachkomplexen, bei denen der Mindestabstand nur wegen der Messmethode insgesamt unterschritten wird, ggf. zu prüfen sein, ob mit Blick auf die Sollregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE ein atypischer Fall bejaht werden kann.

58

Den weiteren Einwänden der Klägerin gegen die für das Sonderverfahren geltende Ausschlussfrist für die Einreichung vollständiger Antragsunterlagen (§ 2 Abs. 1 und 2 MindAbstUmsG BE), die Anwendung des Versagungsgrundes der übermäßigen Ausnutzung des Spieltriebes nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpielhG BE im Sonderverfahren und gegen die hinreichende Bestimmtheit der Härtefallklausel des § 9 MindAbstUmsG BE ist nicht nachzugehen, weil nach den tatrichterlichen Feststellungen und dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich ist, dass sie für die streitgegenständlichen Spielhallen relevant sein könnten, und gegebenenfalls eine Entscheidung der Behörde abzuwarten wäre. Der Landesgesetzgeber musste auch keine weiteren Vorgaben zur näheren Ausgestaltung der Methodik des Losentscheides zwischen rechtlich gleichrangigen Spielhallen einschließlich der nach § 7 MindAbstUmsG BE einzusetzenden Software treffen, sondern konnte sie der Verwaltungspraxis überlassen.

59

ddd) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die Erteilungsvoraussetzung für eine Spielhallenerlaubnis in § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE als hinreichend bestimmt und verfassungskonform angesehen, wonach eine Spielhalle nicht in räumlicher Nähe von Einrichtungen betrieben werden soll, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden. Diese Regelung soll Kinder und Jugendliche vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Spielhallen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Bildungs- und Freizeiteinrichtungen schützen (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 12) und einem "Reiz des Verbotenen" für Minderjährige entgegenwirken. Sie dient der Suchtprävention durch einen Schutz von Kindern und Jugendlichen im Vorfeld des Betretens einer Spielhalle und der Teilnahme am Automatenspiel, welche schon nach § 6 Abs. 1 JuSchG und § 6 Abs. 4 SpielhG BE verboten sind. Dieser Schutzzweck wird nicht schon durch den Erlaubnisversagungsgrund der Gefährdung der Jugend abgedeckt, den § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpielhG BE aus § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO übernommen hat. Er dient regelmäßig der Abwehr der vom konkreten Spielhallenbetrieb ausgehenden Gefährdungen für Minderjährige (vgl. Hahn, in: Friauf, GewO, § 33i Rn. 77).

60

Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, der Spielsucht müsse bei Minderjährigen auch über den Ausschluss ihres Zutritts hinaus in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Spielhallen und eines Anreizes des für sie verbotenen Glücksspiels entgegengewirkt werden, überschreitet nicht den ihm zustehenden, weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Dies gilt selbst im Hinblick auf den Schutz von kleineren Kindern davor, dass sie entweder allein oder in Begleitung einer Betreuungsperson im Umfeld ihrer Bildungs-, Freizeit- oder sonstigen Betreuungseinrichtungen mit Spielhallen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können. Im Übrigen geht es hier um Bestandsspielhallen, die im Sonderverfahren nur einen Abstand zu Schulen einhalten müssen (§ 5 Abs. 1 MindAbstUmsG BE) Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE ist zur Erreichung des legitimen Ziels der Spielsuchtprävention bei Minderjährigen geeignet, erforderlich und auch angemessen. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Einschätzungsspielraums annehmen, dass die Werbebeschränkungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SpielhG BE nicht genügen, um den Spielhallen den "Reiz des Verbotenen" für Minderjährige zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeit dieser Soll-Vorschrift wird auch dadurch gesichert, dass von ihr in atypischen Fällen, in denen die von ihr vorausgesetzte typische Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch Wahrnehmung von Spielhallen im Lebensumfeld nicht gegeben ist, abgesehen werden muss. Zudem sieht § 2 Abs. 1 Satz 5 SpielhG BE eine zusätzliche Abweichungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des Standortes und der Lage des Einzelfalls vor.

61

Das Mindestabstandsgebot zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche genügt trotz der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "räumlichen Nähe" anstelle einer festen, in Metern bemessenen Distanz dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Die Klägerin als Betreiberin von Bestandsspielhallen ist von ihm zunächst nur in der Ausformung des § 5 MindAbstUmsG BE im Rahmen des Sonderverfahrens betroffen. Danach steht der Erlaubniserteilung an Bestandsspielhallen nur die Nähe zu weiterführenden allgemeinbildenden, zu beruflichen Schulen oder zu Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt sowie zu Gemeinschaftsschulen entgegen. Eine räumliche Nähe liegt im Sonderverfahren regelmäßig nicht vor, wenn die Wegstrecke zur nächstgelegenen Schule 200 Meter überschreitet (§ 5 Abs. 2 MindAbstUmsG BE).

62

Außerhalb des Sonderverfahrens ist die Erlaubniserteilungsvoraussetzung der fehlenden "räumlichen Nähe" zu Minderjährigeneinrichtungen in § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE durch Auslegung hinreichend bestimmbar. Dabei kann als Auslegungshilfe auf die Begründung des Entwurfs zu § 5 MindAbstUmsG BE zurückgegriffen werden, aus der deutlich wird, dass es auf den jeweiligen Aktionsradius der betroffenen Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen, insbesondere auf ihre tatsächlichen Laufwege im Umfeld der betreffenden Einrichtung, auf ihren regelmäßigen Aufenthalt in Pausen und Freistunden oder die Lage einer Spielhalle in Sichtweite der Einrichtung ankommt (vgl. Abghs.-Drs. 17/2714 S. 22).

63

eee) Die Betreibern von Bestandsspielhallen in § 8 Abs. 1 SpielhG BE und § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE eingeräumte Übergangszeit wahrt den durch Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG gebotenen Vertrauensschutz. Bei der Gestaltung von Übergangsregelungen für neue Anforderungen an eine bislang in erlaubter Weise ausgeübte Tätigkeit steht dem Gesetzgeber ein breiter Spielraum zu, innerhalb dessen er die Schwere des Eingriffs mit dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe abzuwägen und den betroffenen Berufsausübenden eine Ausrichtung und Anpassung an die veränderte Rechtslage zu ermöglichen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011, 2959/07 - BVerfGE 126, 112 <155>). Eine Übergangsfrist von fünf Jahren reicht dabei regelmäßig aus, um eine berufliche Neuorientierung oder eine Betriebsanpassung zu ermöglichen (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Juni 2006 - 1 BvR 1319/04 - GewArch 2006, 431 <432>). Weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch das Gebot des Vertrauensschutzes verpflichten zu einer Übergangsregelung, die eine vollumfängliche Fortsetzung der früheren beruflichen Tätigkeit ermöglicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 7 C 48.07 - BVerwGE 132, 224 <232>).

64

Ausgehend davon wird dem Vertrauensschutzinteresse der Klägerin an der Weiterführung ihrer Bestandsspielhallen hinreichend Genüge getan. Die den Betreibern von Bestandsspielhallen nach § 33i GewO erteilten Alterlaubnisse erloschen nicht bereits mit Inkrafttreten des Spielhallengesetzes am 2. Juni 2011, sondern gemäß § 8 Abs. 1 SpielhG BE erst mit Ablauf des 31. Juni 2016. Die Erlaubnis nach § 33i GewO gilt außerdem nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung im Sonderverfahren als fortbestehend. Da das Sonderverfahren bislang nicht abgeschlossen wurde, sind seit Inkrafttreten des Spielhallengesetzes mehr als fünfeinhalb Jahre vergangen, ohne dass die Frist von sechs Monaten nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE zu laufen begonnen hat. Ein solcher Übergangszeitraum ist angesichts des besonders gewichtigen Gemeinwohlziels der Suchtbekämpfung auch unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit angemessen. Die Klägerin hält dem entgegen, dass bis zur Entscheidung im Sonderverfahren Ungewissheit über den Fortbestand der Spielhallen bestehe. Insbesondere gebe es keine Möglichkeit zur verbindlichen Klärung, ob der Abstand zu Schulen eingehalten werde und ob der jeweilige Spielhallenstandort wegen Unterschreitens des Mindestabstandes an einem Auswahlverfahren nach § 7 MindAbstUmsG BE teilnehmen müsse. Tatsächlich stehe den Betreibern von Bestandsspielhallen daher für betriebliche Anpassungen oder eine berufliche Neuorientierung nur die Frist von sechs Monaten nach einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren zur Verfügung, in der die Erlaubnisse nach § 33i GewO als fortbestehend gälten. Diese Frist sei unangemessen kurz.

65

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin lässt außer Acht, dass zur Wahrung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG in Fällen der Ungewissheit ein eigenständig gerichtlich - auch im Wege des Eilrechtsschutzes - durchsetzbarer Anspruch auf Auskunft über die Einhaltung der Abstandsgrenzen jedenfalls dann besteht, wenn dies erforderlich ist, um innerhalb der eingeräumten Übergangsfrist die notwendigen Maßnahmen zur betrieblichen Anpassung und beruflichen Orientierung vornehmen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2003 - 3 C 46.02 - BVerwGE 118, 270 <271>). Im Streitfall kann der Betreiber zur Herstellung notwendiger Planungssicherheit die Feststellung begehren, dass die Abstandsgebote eingehalten werden; bei besonderer Dringlichkeit kann Antrag auf vorläufige Feststellung nach § 123 VwGO gestellt werden (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 123 Rn. 35). Verbleibenden Ungewissheiten insbesondere über den Ausgang eines etwaigen Auswahlverfahrens muss durch geeignete Vertragsgestaltungen begegnet werden. Für dann nach einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren ggf. noch vorzunehmende Abwicklungsmaßnahmen verbleiben immer noch sechs Monate, während derer die Alterlaubnis als fortbestehend gilt. Dass es bis zur Entscheidung im Sonderverfahren Möglichkeiten zur flexiblen Reaktion gibt, zeigt gerade der Fall der Klägerin. Wegen des Verbots von Mehrfachkomplexen steht fest, dass von den derzeit sechs Spielhallen der Klägerin am Standort "..." nach Abschluss des Sonderverfahrens höchstens eine Spielhalle weiter betrieben werden kann. Trotz der von ihr hervorgehobenen Schwierigkeiten, den Betrieb angesichts der bevorstehenden umfangreichen Schließungen aufrechtzuerhalten und zu disponieren, hat die Klägerin für alle sechs Spielhallen Anträge auf Neuerteilung von Erlaubnissen gestellt, um die Fiktion des Fortbestands der Alterlaubnisse nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE in Anspruch nehmen zu können. Im Übrigen besteht für den Fall einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren nach § 9 MindAbstUmsG BE die Möglichkeit, zur Vermeidung einer unbilligen Härte einen Antrag auf Befreiung von den Anforderungen des Verbots von Mehrfachkomplexen und den Abstandsgeboten für einen Zeitraum von im Regelfall nicht mehr als drei Jahren zu stellen. Dadurch können besondere persönliche und wirtschaftliche Umstände berücksichtigt werden, aus denen eine Betriebsaufgabe mit Ablauf der Übergangsfrist aus von der Berufsfreiheit (oder der Eigentumsfreiheit) geschützten Gründen unverhältnismäßig wäre (Abghs.-Drs. 17/2714 S. 28). Die Klägerin selbst hat bisher nicht dargelegt, dass und inwieweit sie als Mieterin der Räumlichkeiten, als Arbeitgeberin von Beschäftigten oder aber im Hinblick auf die in der weiter zu betreibenden Einzelspielhalle aufgestellten Geräte daran gehindert wäre, sich betriebswirtschaftlich auf eine Entscheidung im Sonderverfahren einzustellen und diese Einzelspielhalle nach einer Negativentscheidung innerhalb von sechs Monaten an einen anderen Standort zu verlagern .

66

fff) Auch die von der Klägerin angegriffenen erlaubnisunabhängigen Anforderungen an den Betrieb einer Spielhalle stellen verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar.

67

Ausgehend von der Feststellung des Berufungsgerichts, dass bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an Automaten spielen, die nach der bisherigen Regelung nach der Gewerbeordnung betrieben werden durften, ist die Herabsetzung der zulässigen Höchstzahl von bislang zwölf (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 SpielV BE) auf acht Geldspielgeräte in einer Spielhalle (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 SpielhG BE) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Höchstzahlregelung, die auf Bestandsspielhallen nach Ablauf von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes Berlin anzuwenden ist, soll Anreize zu übermäßigem Spiel innerhalb einer Spielhalle vermindern und dadurch einen Beitrag zur Suchtprävention leisten (Abghs.-Drs. 16/4027 S. 14). Sie verringert die für den wirtschaftlichen Ertrag einer Spielhalle bedeutsame höchstens zulässige Geräteanzahl um ein Drittel und gehört damit zu den Neuregelungen, die Spielhallenbetreiber am stärksten betreffen. Gleichwohl ist auch sie verhältnismäßig, weil der Gesetzgeber innerhalb seines Einschätzungsspielraums von einem Zusammenhang zwischen Suchtgefährdung und Verfügbarkeit von Spielangeboten ausgehen und eine Verringerung der Geräteanzahl als geeigneten, erforderlichen und angemessenen Beitrag zur überragend wichtigen Spielsuchtprävention ansehen durfte. Das Berufungsgericht ist im Übrigen in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Betriebsführung auch bei Einhaltung dieser Gerätehöchstzahl möglich ist (UA S. 61).

68

Auch die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 3 SpielhG BE, die über die schon bislang nach § 3 Abs. 2 Satz 3 SpielV BE geltenden Anforderungen an die Aufstellung von Geräten innerhalb der Spielhalle hinaus eine Aufstellung in Zweiergruppen untersagt, dient in verhältnismäßiger Weise der Prävention und Eindämmung von Spielsucht. Mit ihr soll das gleichzeitige Bespielen mehrerer Automaten unter Umgehung der nach § 13 Nr. 6 SpielV BE durch die zugelassene Bauart von Geldspielgeräten gewährleisteten Spielpause im Sinne des Spielerschutzes erschwert werden (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 14). Ein solches Spielverhalten deutet auf den Kontrollverlust des Spielers hin und ist nach dem Evaluierungsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur 5. Novelle der Spielverordnung (BR-Drs. 881/10 S. 51 f.) mit besonders hohen Risiken verbunden.

69

Alle weiteren von der Klägerin beanstandeten Anforderungen an den Betrieb einer Spielhalle sind ebenfalls verhältnismäßig. Die Ausweitung der Sperrzeit für Spielhallen von einer auf acht Stunden (§ 5 Abs. 1 SpielhG BE) dient der Spielsuchtprävention, indem sie eine zwangsweise Spielpause gewährleistet, in der Spieler einen Schlussstrich unter das Tagesgeschehen ziehen und die Möglichkeit zur Erholung nutzen können (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 14). Mit der Begrenzung auf höchstens ein "anderes Spiel" nach § 4 Abs. 3 SpielhG BE, dem Verbot der unentgeltlichen Abgabe von Speisen und Getränken in Spielhallen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE und der Begrenzung auf drei Geräte bei Verabreichung von Speisen und Getränken (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SpielhG BE) werden Anreize zum überlangen Verweilen von Spielern in einer Spielhalle verhindert (vgl. ebd. S. 14 f.). Auch hinsichtlich der Werbebeschränkungen für Spielhallen aus § 4 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SpielhG BE und § 26 Abs. 1 GlüStV, die eine Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele und eine besonders auffällige Gestaltung der Spielhalle mit Anreizwirkung für den Spielbetrieb untersagen, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zu vergleichbaren Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages 2008 bereits BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338). Gleiches gilt für die ganz offenkundig vom Schutzziel der Spielsuchtprävention gedeckten Verpflichtungen zur Gewährleistung der dauerhaften Anwesenheit einer Aufsichtsperson (§ 6 Abs. 2 SpielhG BE), zum Spielausschluss für mindestens ein Jahr von Personen, die sich selbst gesperrt haben (§ 6 Abs. 6 SpielhG BE), zur Erstellung eines Sozialkonzepts und zum Vorhalten von Informationen für Spieler (§ 2 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 6 und 7 GlüStV). Spielhallenbetreiber dürfen auch zur Vornahme von Eingangs- und Identitätskontrollen verpflichtet werden, um das Zugangsverbot für Minderjährige und Selbstsperrer durchzusetzen (§ 6 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 6 SpielhG BE). Das Berufungsgericht hat die irrevisible Norm des § 6 Abs. 4 Satz 2 SpielhG BE dahin ausgelegt, dass sie Eingangskontrollen zur Sicherstellung des Zutrittsverbots für Minderjährige nur anlassbezogen verlangt (UA S. 64), wenn die Volljährigkeit einer Person nicht offensichtlich ist. Dem hierauf bezogenen Feststellungsantrag Nr. 8 ist nicht stattzugeben, weil sich der altersbezogene Gehalt schon aus § 6 Abs. 4 SpielhG BE ergibt und vom Beklagten nicht in Abrede gestellt wird und weil die begehrte Feststellung darüber hinaus vernachlässigt, dass Eingangs- und erforderlichenfalls Identitätskontrollen auch dem Ausschluss von Selbstsperrern dienen.

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Die erlaubnisunabhängigen Einschränkungen des Spielhallenbetriebes wie insbesondere die Herabsetzung der Anzahl der zulässigen Spielgeräte, der Verkürzung der Sperrzeit, des Gebots eines Mindestabstandes mit Sichtschutz zwischen den Geräten oder die Restriktionen im Zusammenhang mit der Verabreichung von Speisen und Getränken sind auch nicht deshalb unzumutbar, weil sie nicht auch für Spielbanken und Gaststätten eingeführt wurden. Wie bereits ausgeführt, besteht außerhalb des staatlichen Wettmonopols kein die unterschiedlichen Regelungsbereiche übergreifendes Konsistenzgebot. Im Übrigen gilt auch hier die Feststellung, dass unterschiedliche Gefahrensituationen vorliegen, denen der Gesetzgeber mit unterschiedlichen Mitteln begegnen kann (s.u. II.3.cc).

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ggg) Die angegriffenen Regelungen greifen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung (BVerfG, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 - BVerfGE 130, 372 <392>) auch kumulativ nicht unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Klägerin ein. Bloße Vermutungen reichen zur Annahme eines durch Kumulation verschiedener Maßnahmen unverhältnismäßigen "additiven" Grundrechtseingriffs nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <247>). Auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen tatsächlichen Feststellungen, dass sie selbst bei Berücksichtigung der Höhe der Vergnügungsteuer und bauplanungsrechtlicher Einschränkungen nicht zu einer wirtschaftlichen Erdrosselung von Spielhallenunternehmen führen und nicht ersichtlich ist, dass Spielhallen in den weniger attraktiven Außenbereichen von Berlin nicht wirtschaftlich betrieben werden könnten (UA S. 65 f.), lässt sich keine unangemessene Beeinträchtigung erkennen (so auch Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juli 2015 - 6 K 6070/12 - juris Rn. 61 f.).

72

bb) Die Klägerin wird durch die angegriffenen Einschränkungen für Spielhallen auch nicht in ihrer Eigentumsfreiheit verletzt. Diesen kommt keine enteignende Wirkung zu. Eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG setzt eine staatliche Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder eines sonst Enteignungsbegünstigten voraus (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 -1 BvR 2821/11, 2 BvR 321, 1456/12 - Rn. 246 und Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <9 f.>), die hier nicht in Rede steht. Als gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition der Klägerin sind die Anforderungen an Spielhallen jedenfalls verhältnismäßig.

73

Die der Klägerin nach § 33i GewO erteilten unbefristeten Alterlaubnisse, die nach § 8 Abs. 1 SpielhG BE mit Ablauf des 31. Juli 2016 ihre Wirksamkeit verloren haben und nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE nur zeitlich begrenzt als fortbestehend gelten, genießen keinen eigentumsgrundrechtlichen Schutz. Art. 14 GG schützt nicht die öffentliche Genehmigung als solche, sondern nur die aufgrund der Genehmigung geschaffenen privaten Vermögenspositionen (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - Rn. 232). Das Nutzungsrecht an den einzelnen Spielgeräten wird nicht durch die Erlaubnis zum Spielhallenbetrieb vermittelt. Die dort aufgestellten Spielgeräte können bei einem Entzug der Erlaubnis an anderen Orten aufgestellt werden. Zwar mag die Herabsetzung der Anzahl der in Berliner Spielhallen höchstens zulässigen Geräte den Markt für diese Produkte verringern. Derartige Beeinträchtigungen künftiger Chancen und Verdienstmöglichkeiten sind jedoch eigentumsrechtlich nicht geschützt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. März 1987 - 1 BvR 850/86 u.a. - NVwZ 1987, 1067). Davon abgesehen weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass die den Spielhallenbetreibern nach § 8 Abs. 3 SpielhG BE eingeräumte Frist von zwei Jahren für die Reduzierung der Spielgeräte nicht deshalb beanstandet werden kann, weil sie für eine Vollamortisation aller Geräte möglicherweise zu kurz ist. Art. 14 Abs. 1 GG und das Gebot des Vertrauensschutzes verlangen keine Regelung, die eine Vollamortisation ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 7 C 48.07 - BVerwGE 132, 224 <232>). Außerdem können die Betreiber vorrangig bereits abgeschriebene Geräte entfernen und ggf. noch nicht abgeschriebene Geräte anderweitig, etwa durch Verkauf, verwerten (UA S. 62). Was die Klägerin selbst angeht, ist im Übrigen nicht einmal festgestellt, dass die in ihren Spielhallen aufgestellten Automaten in ihrem Eigentum stehen.

74

Auch mit Blick auf den eigentumsrechtlichen Schutz von Investitionen und Dispositionen, die im Vertrauen auf die nach § 33i GewO unbefristet erteilten Alterlaubnisse vorgenommen wurden, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das gilt auch, falls ein weitergehender Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes berührt sein sollte (zweifelnd BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 28211/11 - juris Rn. 240). Wie bereits ausgeführt, wurde den Bestandsspielhallen eine fünfjährige Übergangsfrist vom Inkrafttreten des Spielhallengesetzes im Juni 2011 bis zum Erlöschen der Alterlaubnisse mit Ablauf des 31. Juli 2016 eingeräumt, die gemäß § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE für den Fall einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren nochmals bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe verlängert wird. Angesichts des hier in Rede stehenden überragend wichtigen Gemeinwohlziels der Suchtbekämpfung ist dieser Übergangszeitraum trotz zum Teil intensiver Eingriffe in die Eigentumsfreiheit angemessen. Im Übrigen besteht für wirtschaftliche Dispositionen, die vor Inkrafttreten des Spielhallengesetzes am 2. Juni 2011 getätigt wurden, die Härtefallregelung des § 9 MindAbstUmsG BE. Dabei können besondere individuelle Vertrauens- und Bestandsschutzinteressen berücksichtigt werden, die in Abwägung mit dem Gemeinwohlinteresse des Spieler- und Jugendschutzes eine zeitlich befristete Befreiung von den Abstandsgeboten oder dem Verbot von Mehrfachkomplexen rechtfertigen. Wirtschaftliche Dispositionen nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes konnten nicht mehr im Vertrauen auf den Fortbestand der Alterlaubnisse vorgenommen werden. Was die von der Klägerin hervorgehobene Unsicherheit während des Übergangszeitraums bis zu einer Entscheidung im Sonderverfahren und die daraus evtl. folgenden Schwierigkeiten angeht, sachgerechte Dispositionen treffen zu können, gilt das bereits oben Gesagte zu den Möglichkeiten einer frühzeitigen Klärung der Vereinbarkeit der Spielhallen mit den Abstandsgeboten. Auch hier ist anzumerken, dass der Entscheidung der Klägerin, das Sonderverfahren für sämtliche Spielhallen des Standortes "..." trotz der Gewissheit zu betreiben, dass die meisten Spielhallen wegen des Verbots von Mehrfachkomplexen schließen müssen, alternative Möglichkeiten zur Bewältigung der Übergangsphase gegenüberstehen, unter denen jeder Betreiber die aus seiner Sicht günstigste wählen kann.

75

Bezogen auf die Klägerin selbst fehlt es im Übrigen an Feststellungen zu Art, Umfang und Zeitpunkt etwaiger von ihr im Vertrauen auf bestehende Erlaubnisse getätigter Investitionen oder sonstiger eigentumsrechtlich geschützter wirtschaftlicher Dispositionen, die eine Beurteilung ihrer konkreten eigentumsrechtlichen Betroffenheit zuließen.

76

cc) Die Klägerin ist nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 - BVerfGE 139, 1 <12 f.>). Diesem Maßstab genügen die für die Feststellungsanträge der Klägerin relevanten Regelungen über die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen.

77

aaa) Gegenüber Spielbanken in Berlin werden Spielhallen durch die angegriffenen Regelungen nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Der Gesetzgeber darf Anforderungen an das Spiel an gewerblich zugelassenen Spielautomaten in Spielhallen und das Spiel an Automaten in Spielbanken (sog. kleines Spiel) trotz der Ähnlichkeit beider Glücksspielformen jeweils gesondert regeln. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts liegt insoweit hier kein vergleichbarer Sachverhalt vor, weil die Spielbank Berlin nur wenige Außenstellen hat. Zu ihnen besteht zudem im Hinblick auf das Ziel der Suchtbekämpfung ein strenger reglementierter Zugang. Demgegenüber gibt es in Berlin hunderte von Spielhallen, die für potenzielle Spieler in deren unmittelbarem Lebensumfeld leicht zugänglich sind (UA S. 58). Dass die weitaus größere Verfügbarkeit des Automatenspiels eine höhere Gefahreneinschätzung für Spielhallen rechtfertigt, entspricht auch den von der Klägerin im Revisionsverfahren eingereichten Ausführungen des Suchtexperten Zeltner, trotz höheren Risikopotenzials der Geldspielgeräte in Spielbanken sei die Gefährdung durch die höhere Verfügbarkeit von Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten größer (S. 24 der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 24. November 2016).

78

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der rechtlichen Anforderungen an Spielbanken in Berlin verletzen die festzustellenden Regelungsunterschiede nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Spielbanken unterliegen dort der gleichen Sperrzeit für das Automatenspiel wie Spielhallen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (Spielbankengesetz - SpBG BE) vom 8. Februar 1999, GVBl. BE 1990 S. 70, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. März 2010, GVBl. BE 2010 S. 124, i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 der von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport erlassenen Spielordnung für die Spielbank Berlin vom 16. Januar 2008, https://www.berlin.de/sen/inneres/buerger-und.../spielo_spielbank_01-2008.pdf). Allerdings dürfen in ihnen ohne Höchstzahlbegrenzung Automaten aufgestellt werden, die nicht den spielerschützenden Bauartbeschränkungen des Gewerberechts unterliegen (vgl. § 33h Nr. 1 GewO) und die anerkanntermaßen ein höheres Gefährdungspotenzial beinhalten. Werbung für das Glücksspiel in Spielbanken wird in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 5 GlüStV weniger stark beschränkt als für Spielhallen in § 4 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE, § 26 Abs. 1 GlüStV. Spielbanken unterliegen jedoch im Hinblick auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht Anforderungen, die insgesamt jedenfalls kein geringeres Schutzniveau als die Regelungen für Spielhallen gewährleisten. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer öffentlichen Spielbank in Berlin (§ 2 SpBG BE). Der repressive Erlaubnisvorbehalt gewährleistet eine staatliche Kontrolle auch der Anzahl von Spielbanken. Eine Erlaubnis wird befristet erteilt (§ 2 Abs. 6 SpBG BE). Spielbanken sind dem länderübergreifenden Sperrsystem nach §§ 8 und 23 GlüStV angeschlossen und müssen durch Einlass- und Identitätskontrollen (§ 5 Spielordnung BE) nicht nur Selbstsperrungen, sondern auch Fremdsperrungen aus dem gesamten Bundesgebiet umsetzen, die aufgrund von Wahrnehmungen des Personals oder Meldungen Dritter vorgenommen worden sind. Das Geschehen an Spielautomaten ist u.a. zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebes laufend videotechnisch zu überwachen (§ 10a SpBG BE). Es entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung, dass Spielbanken und gewerbliches Glücksspiel wegen unterschiedlicher ordnungsrechtlicher Ziele auch unterschiedlich geregelt werden dürfen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 2003 - 6 B 33.03 - GewArch 2003, 433, vom 24. August 2001 - 6 B 47.01 - GewArch 2001, 476 und vom 15. Dezember 1994 - 1 B 190.94 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 8 S. 6).

79

bbb) Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht dadurch verletzt, dass die Anforderungen an das Automatenspiel in Gaststätten hinter den für Spielhallen geltenden Einschränkungen zurückbleiben. Das Land Berlin hat bislang keine Regelungen über das Automatenspiel in Gaststätten erlassen. Aufgrund der fortgeltenden bundesrechtlichen Spielverordnung dürfen in Gaststätten höchstens drei, ab dem 10. November 2019 höchstens zwei Geldspielgeräte aufgestellt werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV sowie Art. 5 der 6. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 4. November 2014, BGBl. I S. 1678). Allerdings sind für sie weder ein Mindestabstand noch ein Sichtschutz zwischen den Geräten vorgeschrieben. Für Gaststätten gilt lediglich eine Sperrzeit zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr (vgl. § 6 Abs. 1 der Gaststättenverordnung vom 10. September 1971, GVBl. S. 1778, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2005, GVBl. S. 754). Die Einhaltung des Verbots der Teilnahme von Minderjährigen am öffentlichen Glücksspiel (§ 6 Abs. 2 JuSchG, § 2 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 GlüStV) ist durch ständige Aufsicht sicherzustellen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV). Der Zutritt zu Gaststätten ist jedoch für Minderjährige, anders als der Zutritt zu Spielhallen, nicht generell verboten. Er kann Jugendlichen ab 16 Jahren zwischen 5:00 Uhr und 24:00 Uhr auch ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person grundsätzlich gestattet werden (vgl. § 4 Abs. 1 JuSchG), sodass sie das Automatenspiel Erwachsener dort zumindest beobachten können. Gaststätten mit Geldspielautomaten unterliegen den Anforderungen der §§ 5 bis 7 GlüStV an Werbung für Glücksspiel und sind ebenfalls zur Erstellung eines Sozialkonzeptes, Schulung von Personal und Bereithaltung von spielrelevanten Informationen verpflichtet.

80

Es ist nicht zu bestreiten, dass der hierdurch gewährleistete Schutz vor Spielsucht im Bereich des gewerblichen Automatenspiels in Gaststätten bislang geringer ist als in Spielhallen, obwohl Spielautomaten in Gaststätten ebenfalls im unmittelbaren Lebensumfeld potenzieller Spieler leicht zugänglich sind. Vom Spielangebot in Spielhallen und in Gaststätten gehen jedoch unterschiedliche Gefahren aus, die es rechtfertigen, dass der Landesgesetzgeber zunächst strengere Beschränkungen für Spielhallen eingeführt hat (vgl. auch VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 20. Juni 2014 - 96/13 - NVwZ-RR 2014, 825 <827>). Die deutlich geringere Anzahl von drei, künftig zwei höchstens zulässigen Spielgeräten in Gaststätten gegenüber acht Geräten in Spielhallen verringert den suchtgefährdenden Spielanreiz, der nach Einschätzung des Gesetzgebers mit einem vielfältigen Spielangebot verbunden ist. In Gaststätten sehen sich Spieler anders als in Spielhallen regelmäßig einer Sozialkontrolle durch nicht spielende Gäste ausgesetzt. Regelungsunterschiede lassen sich auch dadurch rechtfertigen, dass Gaststätten ihr Gepräge durch das Verabreichen von Getränken und Speisen erhalten und nur gelegentlich dem Automatenspiel der Besucher dienen, während Spielhallen regelmäßig allein um des Spiels Willen aufgesucht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1991 - 1 B 174.90 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 5 S. 5; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 u.a. - NVwZ 1997, 573 <575> und vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - BVerfGK 16, 162 <175>).

81

ccc) Das nach dem Vortrag der Klägerin in Berlin bestehende Spielangebot in illegalen Spielstätten - sog. "Café-Casinos" - kann schon deshalb nicht ihr Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, weil solche Spielstätten denselben rechtlichen Vorschriften unterworfen sind wie Spielhallen, sofern sie die Voraussetzungen eines Unternehmens nach § 1 Abs. 1 und 2 SpielhG BE erfüllen oder dies nach § 1 Abs. 2 Satz 2 SpielhG BE jedenfalls gesetzlich vermutet wird (s.o.).

82

dd) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, verletzen die angegriffenen landesrechtlichen Regelungen, auch soweit sie über die im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen Einschränkungen für Spielhallen hinausgehen, entgegen der Auffassung der Klägerin nicht das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens. Sie berühren in keiner Weise das Schutzgut dieses verfassungsrechtlichen Gebotes, das bei der Wahrnehmung eigener Kompetenzen Rücksichtnahme auf die gesamtstaatlichen Interessen des Bundes oder die Interessen der anderen Länder verlangt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1282/11 - BVerfGE 139, 321 <353>). Auch der Glücksspielstaatsvertrag schließt es nicht aus, Spielhallen in einzelnen Ländern strengeren Anforderungen zu unterwerfen (vgl. § 28 Satz 2 GlüStV). Dies gilt umso mehr, als das Spielhallengesetz Berlin zum Zeitpunkt der Verabschiedung des novellierten Glücksspielstaatsvertrages bereits in Kraft war und die Erläuterungen zum Glückspielstaatsvertrag nichts dafür hergeben, dass von einer Rückführung des landesrechtlichen Normbestandes auf das Regelungsniveau des Glücksspielstaatsvertrages ausgegangen worden wäre. Dessen spielhallenbezogene Regelungen sind überdies zum Teil ausdrücklich darauf angelegt, durch Vorschriften der Länder ausgefüllt zu werden (§ 24 Abs. 3, § 25 Abs. 1 Satz 2 GlüStV).

83

c) Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich auch ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit nach Art. 56, 49 AEUV nicht erkennen. Der Gewährleistungsgehalt dieser Grundfreiheiten wäre nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorläge (vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettes-heim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Juli 2016, Art. 45 AEUV Rn. 53 f. m.w.N.). Dafür reicht es nicht aus, dass die Klägerin oder Kunden ihrer Spielhallen hypothetisch von einer unionsrechtlichen Grundfreiheit Gebrauch machen könnten. Weder dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt noch dem Vortrag der Klägerin lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Klägerin, bei der es sich um eine nach deutschem Recht gegründete juristische Person mit Sitz in Deutschland handelt, die dort ihre Spielhallen betreibt, wegen eines grenzüberschreitenden Bezuges auf die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit berufen kann. Soweit der Europäische Gerichtshof nationale Regelungen, mit denen das Automatenspiel in stationären Glücksspielstätten eingeschränkt wurde, am Maßstab der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit gemessen hat, war nach dem jeweiligen Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Gerichts ein grenzüberschreitender Sachverhalt jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juli 2012 - C-470/11 [ECLI:EU:C:2012:505], Garkalns - NVwZ 2012, 1162 <1163> und vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:EU:C:2015:386], Berlington Hungary - ZfWG 2015, 336 <340>).

84

Selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin oder ihre Kunden durch die angegriffenen Regelungen in der Wahrnehmung einer unionsrechtlichen Grundfreiheit beschränkt würden, wären diese Regelungen nicht wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot unanwendbar. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass Monopolregelungen nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden dürfen, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 < 58 ff., 71 ff.> m.w.N.).

85

Der Europäische Gerichtshof hat das unionsrechtliche Kohärenzgebot für das Glücksspiel in seiner bisherigen Rechtsprechung lediglich im Bereich staatlicher Monopolregelungen für relevant gehalten. Der Senat kann offenlassen, ob es auch in nicht monopolisierten Bereichen des Glücksspielrechts Wirkung entfaltet, soweit eine unionsrechtliche Grundfreiheit berührt ist. Denn es läge hier jedenfalls kein Verstoß gegen die aus ihm abgeleiteten Anforderungen vor. Das monopolspezifische Gebot der Binnenkohärenz hätte für Regelungsbereiche außerhalb eines staatlichen Monopols keine Relevanz. Es bestehen überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen lediglich "scheinheilig" zur Suchtbekämpfung eingeführt worden wären, tatsächlich aber einem anderen - insbesondere fiskalischen - Zweck dienten. Zu ihnen gibt es auch bereichsübergreifend keine gegenläufigen landesgesetzlichen Regelungen oder eine sie konterkarierende Politik, für die zu prüfen wäre, ob sie die Wirksamkeit der für Spielhallen geltenden Einschränkungen beeinträchtigen könnten. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an Automaten spielen, die nach der bisherigen Regelung der Gewerbeordnung betrieben werden durften (UA S. 48). Da sich nach dem Berufungsurteil Ausweichbewegungen von Spielern von Spielhallen zu Gaststätten in Berlin nicht feststellen lassen und Spielbanken sich in der Anzahl ihrer Außenstellen und der Zugangsreglementierung von Spielhallen wesentlich unterscheiden (vgl. UA S. 51, 58), ist eine Expansionspolitik des Landes Berlin in einem Sektor mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial, die der Zielsetzung der für Spielhallen geschaffenen Regelungen zuwiderliefe, in keiner Weise erkennbar.

86

d) Die für die Feststellungsbegehren der Klägerin entscheidungserheblichen Anforderungen an Spielhallen sind schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21. Juli 1998 S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. L 363 S. 81) unanwendbar. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten der Kommission den Entwurf einer technischen Vorschrift übermitteln und die Kommission über die Gründe der Festlegung der technischen Vorschrift unterrichten. Der Entwurf darf nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der Kommission angenommen werden. Ein Verstoß gegen die Notifikationspflicht führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Ince - NVwZ 2016, 369 <372>). Anders als der Glücksspielstaatsvertrag sind die Entwürfe des Spielhallengesetzes, des Mindestabstandumsetzungsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag des Landes Berlin nicht an die Europäische Kommission übermittelt worden.

87

Die hier angegriffenen Vorschriften dieser Gesetze unterlagen nicht der Informationspflicht aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/34/EG, da sie keine "technischen Vorschriften" im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie darstellen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sie unter den vier Kategorien von Maßnahmen, die der Begriff "technische Vorschrift“ umfasst (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 [ECLI:EU:C:2016:771], Naczelnik - Rn. 18 m.w.N.), allenfalls den "sonstigen Vorschriften" im Sinne von Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG zuzuordnen wären. Der Europäische Gerichtshof sieht nationale Vorschriften, die bestimmte Verwendungsmöglichkeiten eines Erzeugnisses nach seinem Inverkehrbringen einschränken, nur dann als notifizierungspflichtige "sonstige Vorschriften" nach Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG an, wenn sie auf das Erzeugnis selbst bezogen sind und dessen Zusammensetzung, Art oder Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH, Urteile vom 21. April 2005 - C-267/03 [ECLI:EU:C:2005:246], Lindberg - Rn. 62 ff., 95; vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. [ECLI:EU:C:2012:495], Fortuna - NVwZ-RR 2012, 717 <718 Rn. 35 ff.> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 20 ff., 29). Ob die Größe des Marktes für das Erzeugnis durch diesem nicht selbst anhaftende Anforderungen beeinflusst wird, ist dagegen für die Notifizierungspflicht unerheblich (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Die Verwendungsbeschränkung muss sich demnach auf jedes Exemplar des betreffenden Erzeugnisses beziehen und ihm dadurch kraft seiner Beschaffenheit im weiteren Lebenszyklus anhaften. Dies wird auch daran deutlich, dass eine nationale Verwendungsbeschränkung nur dann als "sonstige Vorschrift" mitteilungspflichtig ist, wenn sie die Nutzungskanäle für das betreffende Erzeugnis verringert (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 <345> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 26). Das ist der Fall, wenn in einem bestimmten Nutzungskanal kein Exemplar des betreffenden Erzeugnisses mehr verwendet werden darf. Dies traf auf die mitgliedstaatlichen Verbote der Verwendung von Spielautomaten außerhalb von Spielcasinos, die der Europäische Gerichtshof als notifizierungspflichtig angesehen hat, zu (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 Rn. 99 und vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. - NVwZ-RR 2012, 717 ). Eine geplante nationale Regelung ist dagegen nicht nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie mitteilungspflichtig, wenn sie den potenziellen Einsatzbereich eines Erzeugnisses lediglich bestimmten Bedingungen unterwirft und ihn damit in einer Weise beschränkt, die nicht für jedes einzelne Exemplar zum Tragen kommt.

88

Weder die Abstandsgebote zu anderen Spielhallen und sonstigen Einrichtungen noch die Verringerung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen oder sonstige der hier streitgegenständlichen Anforderungen an die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen haften dem Erzeugnis der Spielautomaten als solches an und verringern ihre Nutzungskanäle. Sie führen vielmehr zu einer stärkeren Spreizung zulässiger Spielhallenstandorte im Berliner Stadtgebiet und zu einer verringerten Dichte an Geldspielgeräten innerhalb dieser Spielstätten. Anders als eine Beschränkung des Einsatzes von Glücksspielautomaten außerhalb einer definierten Kategorie stationärer Spielstätten haften sie nicht jedem Exemplar dieser Automaten an, sondern verringern die Größe des Marktes für Spielautomaten und möglicherweise auch deren Wert, was indes für die Frage der Notifizierungspflicht irrelevant ist (EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Auch nach vollständiger Umsetzung der angegriffenen Regelungen im Land Berlin bleibt die Verwendung von Spielgeräten in Spielhallen zulässig, selbst wenn einige Betreiber zur Wahl eines anderen Standortes veranlasst werden und in einer Spielhalle nur eine geringere Zahl von Geräten aufgestellt werden darf.

89

4. Den Beweisanträgen der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung (Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 16. Dezember 2016) war nicht nachzugehen, weil das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Tatsachengerichts gebunden ist. Eine eigene Tatsachenermittlung ist ihm auch dann verwehrt, wenn der revisionsgerichtlichen Bewertung Rechtsvorschriften zugrunde zu legen sind, die erst nach der letzten tatrichterlichen Entscheidung erlassen worden sind. Sofern sich die tatrichterlichen Feststellungen bei Anwendung solcher nachträglich ergangener, in das Revisionsverfahren einzubeziehender Rechtsvorschriften als unzureichend erwiesen, was vorliegend nicht der Fall ist, wäre der Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Tatsachengericht zurückzuverweisen (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 44, 59; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 147).

90

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 161 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Kosten hinsichtlich des von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits waren nach billigem Ermessen der Klägerin aufzuerlegen, da ihre Revision auch insoweit keinen Erfolg gehabt hätte.

Gründe

I.

1

Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Erlaubnispflicht für die private Vermittlung unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteter Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) gemäß § 13 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (Glücksspielgesetz - GlüG LSA) vom 22. Dezember 2004 (GVBl LSA S. 846), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2005 (GVBl LSA S. 715), ohne Übergangsregelung für bestehende private Vermittlungsaktivitäten.

2

1. Die Klägerinnen der drei verbundenen Ausgangsverfahren (im Folgenden: Klägerinnen) sind private Unternehmen, die seit den 1990er Jahren in Sachsen-Anhalt gewerblich die Teilnahme an mittelbar oder unmittelbar durch die Bundesländer veranstalteten Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) vorwiegend über das Internet vermitteln. Sie wenden sich in dem Verfahren gegen die Untersagung ihrer Tätigkeit durch den Beklagten der Ausgangsverfahren, das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (im Folgenden: Beklagter).

3

Das beklagte Landesverwaltungsamt untersagte den Klägerinnen die Vermittlung der Beteiligung an Glücksspielen in Sachsen-Anhalt, und zwar der Klägerin zu 1) im November 2006, der Klägerin zu 2) im November 2008 und der Klägerin zu 3) im Dezember 2006. Es stützte die Untersagung auf § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (Anlage 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Juni 2004, GVBl LSA S. 328 - LottoStV) in Verbindung mit § 13 GlüG LSA, §§ 284, 287 Strafgesetzbuch (StGB) und § 18 GlüG LSA. Das beklagte Amt begründete die Untersagungen damit, die Klägerinnen hätten Glücksspiel ohne die entsprechende Erlaubnis vermittelt. Hilfsweise stützte es die Untersagung auf die Generalklausel des § 13 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. September 2003, in Kraft getreten am 8. Oktober 2003.

4

Die Vermittlung von Glücksspiel in Sachsen-Anhalt stelle eine nach § 13 GlüG LSA erlaubnispflichtige Tätigkeit dar. Die Ausübung der Vermittlungstätigkeit ohne die entsprechende Erlaubnis sei gemäß § 284 StGB sowie § 18 GlüG LSA strafbar. Die Untersagung betreffe das Angebot der Klägerinnen in Sachsen-Anhalt, im Auftrag von Spielinteressenten einzelne Spielverträge an im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossene Anbieter für Lotterien wie Lotto, KENO, Spiel 77, Super 6, Oddset-Sportwetten und Glücksspirale sowie andere Glücksspiele im Sinne von § 284 StGB insbesondere per Internet zu vermitteln. Zugleich untersagte das beklagte Amt ihnen die Werbung für in Sachsen-Anhalt illegale Glücksspiele, die im Gebiet des Bundeslandes über das Internet aufgerufen werden können. Die genannten Tätigkeiten seien ab Bekanntgabe des Bescheides zu unterlassen.

5

Die Klägerinnen vertreten in dem Ausgangsverfahren im Wesentlichen die Ansicht, dass für ihre Vermittlungstätigkeit keine Erlaubnispflicht bestehe. Ihre Tätigkeit sei als "Altgewerbe" geschützt, da sie bereits vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA legal Glücksspiele vermittelt hätten. Die Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA sei im Jahre 2004 eingeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie bereits legal gewerblich Spiele vermittelt und seien vorher durch die zuständigen Behörden niemals auf eine landes- oder bundesrechtliche Erlaubnispflichtigkeit oder Widerrechtlichkeit ihrer Tätigkeit hingewiesen worden. Als Gewerbetreibende, die ein Gewerbe vor dem Zeitpunkt, in dem die Gewerbeausübung erlaubnispflichtig geworden ist, bereits betrieben hätten, bedürften sie nach § 1 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) bei schlichter Fortsetzung ihrer Tätigkeit keiner Erlaubnis.

6

Keines der beiden im Jahre 2004 gemäß § 24 Abs. 1 GlüG LSA durch das GlüG LSA ersetzten Gesetze, weder das frühere Gesetz über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt (Lotto-Toto-G LSA) vom 16. August 1991 (GVBl LSA S. 266), geändert durch § 14 des Gesetzes vom 15. Oktober 2004 (GVBl LSA S. 744 <746>), noch das Lotteriegesetz vom 27. April 1993 (GVBl LSA S. 200), geändert durch Artikel 3 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Juni 2004 (Lotto StV-G), habe eine Erlaubnispflicht für die gewerbliche Vermittlung vorgesehen. Ihre Tätigkeit habe auch nicht gegen strafrechtliche Normen verstoßen.

7

Die Untersagungsverfügungen und die §§ 13, 18 GlüG LSA verletzten sie in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie im Vergleich zur Behandlung privater Annahmestellenbetreiber in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Fasse man die Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA und die Strafnorm des § 18 GlüG LSA so auf, dass die bereits ausgeübte Vermittlungstätigkeit hierunter falle, so müsse man zu dem Ergebnis gelangen, dass die Normen verfassungswidrig seien.

8

2. In den Jahren 1992 bis 2004 war das Glücksspielwesen in Sachsen-Anhalt durch das Lotto-Toto-G LSA vom 16. August 1991, geändert durch § 14 des Gesetzes vom 15. Oktober 2004, sowie durch das Lotteriegesetz vom 27. April 1993, geändert durch Artikel 3 Lotto StV-G, geregelt.

9

§ 1 Lotto-Toto-G LSA bestimmte, dass in Sachsen-Anhalt Unternehmen zur Entgegennahme von Wetten über die Ziehung von Zahlen (Zahlenlotto) und über sportliche Wettkämpfe durch die Landesregierung zugelassen werden konnten. Gemäß § 2 Abs. 1 Lotto-Toto-G LSA durfte Träger einer Konzession nur ein Unternehmen sein, dessen sämtliche Anteile dem Land gehörten. § 14 Lotto-Toto-G LSA enthielt eine Strafbestimmung für diejenigen Personen, die für ein Unternehmen, das in Sachsen-Anhalt nicht nach § 1 Lotto-Toto-G LSA zugelassen war, gewerbsmäßig Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe entgegennahmen oder vermittelten. Die Tat wurde mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, sofern sie nicht schon nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht war. Weitere Bestimmungen über die Vermittlung enthielt das Gesetz nicht.

10

Nach der allgemeinen Begründung der Landesregierung zum Lotto-Toto-G LSA (LT-LSA Drucksache 1/352 vom 17. April 1991, S. 9) entsprach der Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen dem niedersächsischen Recht (vgl. Gesetz über das Zahlenlotto in der Fassung vom 19. August 1970 , zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zahlenlotto und des Gesetzes über Sportwetten vom 16. Dezember 1983 , und Gesetz über Sportwetten in der Fassung vom 19. August 1970 , zuletzt geändert durch Artikel II des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zahlenlotto und des Gesetzes über Sportwetten vom 16. Dezember 1983). Der Begründung des Entwurfs zu § 14 Lotto-Toto-G LSA zufolge sind über §§ 284-287 StGB hinaus nur die gewerbsmäßige Entgegennahme oder Vermittlung von Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe strafbewehrt (LT-LSA Drucksache 1/352, S. 12).

11

Am 1. Juli 2004 trat der Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland in Kraft. In § 14 LottoStV wurde die gewerbliche Vermittlung von Lotterien geregelt. Gewerbliche Spielvermittlung betrieb gemäß § 14 Abs. 1 LottoStV, wer im Auftrag von Spielinteressenten einzelne Spielverträge an einen Veranstalter vermittelte (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 LottoStV) oder Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführte und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelte (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 LottoStV), sofern dies jeweils in der Absicht geschah, durch diese Tätigkeit nachhaltig Gewinn zu erzielen. Für die Tätigkeit des gewerblichen Spielvermittlers galten unbeschadet sonstiger gesetzlicher Regelungen die Anforderungen des § 14 Abs. 2 LottoStV. Gemäß Art. 3 und Art. 4 Lotto StV-G fand der Staatsvertrag ergänzend zu den bisherigen landesrechtlichen Regelungen des Lotto-Toto-G LSA und des Lotteriegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt Anwendung.

12

In § 2 des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrags über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen (Anlage 2 Lotto StV-G, GVBl LSA S. 333) wurde ebenfalls die gewerbliche Spielvermittlung geregelt. Danach betrieb gewerbliche Spielvermittlung, wer im Auftrag der Spielinteressenten (1.) einzelne Spielverträge an einen Veranstalter vermittelt oder (2.) Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelt, sofern dies in der Absicht geschieht, durch diese Tätigkeit nachhaltige Gewinne zu erzielen.

13

Am 30. Dezember 2004 trat gemäß § 1 GlüG LSA in Ergänzung zum Lottostaatsvertrag das Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in Kraft. Gleichzeitig traten das Lotto-Toto-Gesetz und das Lotteriegesetz gemäß § 24 Abs. 1 GlüG LSA außer Kraft. In § 13 GlüG LSA wurde ein Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlung von Glücksspielen eingeführt. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GlüG LSA bedarf die gewerbliche Vermittlung von Glücksspielen außerhalb von Wettannahmestellen, die von Wetteinnehmern im Auftrag eines zur Veranstaltung und Durchführung von Wetten über die Ziehung von Zahlen (Zahlenlotto) und über sportliche Wettkämpfe (Sportwetten) in Sachsen-Anhalt zugelassenen Wettunternehmens betrieben werden, einer Erlaubnis. Ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Erlaubnis besteht nicht. § 21 GlüG LSA enthielt eine Übergangsvorschrift, wonach aufgrund des Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt erteilte Konzessionen, Zustimmungen und Genehmigungen bis zum 31. Dezember 2005 fortgalten, sofern sie nicht vorher nach dem Glücksspielgesetz ersetzt werden konnten. Eine weitere Übergangsvorschrift war in § 24 Abs. 3 GlüG LSA enthalten. Danach war die Vermittlung von Glücksspiel für eine Übergangszeit von drei Jahren erlaubnisfrei, wenn sie im Auftrag eines im Land zugelassenen Wettunternehmers erfolgte und die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet wurden (§ 13 Abs. 7 GlüG LSA). Die Vermittlung von Wetten für ein in Sachsen-Anhalt nicht zugelassenes Unternehmen wurde gemäß § 18 GlüG LSA unter Strafe gestellt. Die Vermittlung von Wetten an ein in dem Land zugelassenes Wettunternehmen ohne die Erlaubnis zur Vermittlung nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA stellte demgegenüber gemäß § 19 GlüG LSA eine Ordnungswidrigkeit dar.

14

In der allgemeinen Begründung der Gesetzesmaterialien (Drucksache des Landtages LSA 4/1863 vom 1. November 2004, S. 14) heißt es, dass mit dem neuen Glücksspielgesetz die Anpassung des Landesrechts an den Lottostaatsvertrag fortgeführt werden solle. Hierzu sei vorgesehen, die Regelungen des Lotteriegesetzes und des Lotto-Toto-Gesetzes in einem Gesetz zusammenzufassen und dabei solche Vorschriften zu streichen, die durch die Zusammenfassung in einem Gesetz oder aufgrund des Lottostaatsvertrages verzichtbar seien. Ferner würden besondere rechtliche Regelungen getroffen beziehungsweise beibehalten. Dies betreffe insbesondere den vorgesehenen Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung.

15

Die gewerbliche Spielvermittlung ist in der Begründung des Gesetzesentwurfs an zwei Stellen ausdrücklich erwähnt. In der Begründung zu § 5 GlüG LSA heißt es, § 5 Abs. 1 GlüG LSA übernehme im Wesentlichen die Regelungen des § 4 Lotto-Toto-G und grenze die Tätigkeit der Wetteinnehmer in Wettannahmestellen von der gewerblichen Spielvermittlung nach § 14 LottoStV ab. § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüG LSA sei wortgleich mit § 4 Abs. 2 Lotto-Toto-G LSA. § 5 Abs. 2 Satz 2 GlüG LSA enthalte entsprechend dem Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung einen Zustimmungsvorbehalt. Zu § 13 Gesetzentwurf GlüG LSA heißt es, die Vorschrift regele ergänzend zu § 14 LottoStV die Vermittlung von Glücksspielen, die nicht durch Wettannahmestellen (§ 5) erfolge. § 13 Abs. 1 GlüG LSA stelle diese Vermittlung im Gegensatz zum bisherigen Recht, wonach die Vermittlung grundsätzlich verboten gewesen sei (§§ 284 ff. StGB, § 14 Lotto-Toto-G LSA), unter einen Erlaubnisvorbehalt. § 13 Abs. 7 GlüG LSA befreie die Vermittlung im Auftrage von Wettunternehmen, bei der die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet werden, von der Erlaubnispflicht. § 18 GlüG LSA übernehme § 14 Lotto-Toto-G LSA. § 19 GlüG LSA übernehme die Regelungen des § 15 Lotto-Toto-G LSA und des § 5a LottoG. Zusätzlich in den Katalog der Ordnungswidrigkeitstatbestände seien Verstöße gegen den Lottostaatsvertrag und das Glücksspielgesetz aufgenommen worden.

16

In der Ersten Beratung zum Entwurf des Glücksspielgesetzes trug der Minister des Innern des Landes Sachsen-Anhalt im Landtag vor, dass im Unterschied zum geltenden strafbewehrten Verbot ein Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlung von Glücksspiel vorgesehen sei (Plenarprotokoll 4/49 vom 11. November 2004, S. 3628 <3629>), während ein Abgeordneter des Landtags Klärungsbedarf anmeldete, ob eine Erlaubnis für die gewerbliche Spielvermittlung notwendig und in anderen Bundesländern eingeführt sei oder werden solle (a.a.O., S. 3631).

17

Das Glücksspielgesetz ist im Zuge des Inkrafttretens des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV, Anlage zum Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007, GVBl LSA S. 425) durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007 (GVBl LSA S. 412) neu gefasst worden. Es gilt gemäß § 1 GlüG LSA nunmehr ergänzend zu dem Glücksspielstaatsvertrag. § 13 Abs. 1 GlüG LSA regelt weiterhin die Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Glücksspielen. Auch die übrigen Bestimmungen des Gesetzes sind weitgehend gleich geblieben. Die Übergangsbestimmung in § 13 Abs. 7 GlüG LSA ist außer Kraft getreten.

18

3. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2007 gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob § 13 Abs. 1 GlüG LSA mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar ist, als die Bestimmung eine Erlaubnispflicht für die private Vermittlung unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteter Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) einführt, ohne dass zugleich für bereits bestehende Vermittlungsaktivitäten eine Übergangsfrist bestimmt wurde.

19

4. Das Verwaltungsgericht erwähnt eingangs in seinem Beschluss das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276 "Sportwettenurteil") und das Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. Februar 2007 (LVG LSA 19/05, LVerfGE 18, 521). Die vorgelegte Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit der "übergangslosen Legalentziehung" bei der Einführung der Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Glücksspielen sei nicht bereits Gegenstand der genannten Urteile gewesen.

20

Das Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt habe zwar auch die in dem Vorlagenbeschluss aufgeworfene Frage der Einführung der Erlaubnispflicht ohne Übergangsregelung zum Gegenstand gehabt. Das Verfahren habe jedoch im Unterschied zu den hier zu entscheidenden Fällen die Verfassungsbeschwerde eines privaten Vermittlers von privat veranstalteten Glücksspielen betroffen, dessen Tätigkeit auch schon vor dem Inkrafttreten des Glücksspielgesetzes verboten gewesen sei. Demgegenüber habe die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen bisher keiner besonderen Erlaubnis bedurft. Sie hätten diese im Rahmen der allgemeinen Gewerbefreiheit und des Grundrechts auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ausgeübt.

21

Die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen sei sowohl nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 GlüG LSA als auch nach der Praxis des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt nicht genehmigungsfähig. Das Verwaltungsgericht sei überzeugt davon, dass die Regelung des § 13 Abs. 1 GlüG LSA, auf die die streitbefangenen Untersagungsverfügungen zurückzuführen seien, die Klägerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletze. Das Übermaßverbot sei verletzt. Das Verwaltungsgericht sei im Übrigen davon überzeugt, dass der Gesetzgeber Übergangsfristen hätte einräumen müssen.

22

Eine verfassungskonforme Auslegung von § 13 Abs. 1 GlüG LSA dahingehend, dass die Vorschrift die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen erlaube, sei schon nach dem klaren Wortlaut nicht möglich. Außerdem sehe das Gesetz in § 13 Abs. 7 in Verbindung mit § 24 Abs. 3 GlüG LSA eigene Übergangsregelungen für den eng begrenzten Ausnahmefall vor, dass bei der von einem zugelassenen Unternehmen beauftragten Vermittlung die von den Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig an den staatlichen Glücksspielveranstalter weitergeleitet würden. Dies treffe auf die gewerbliche und gewinnorientierte Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen jedoch nicht zu. Diese Fallgruppe sei in der Ersten Beratung zum Glücksspielgesetz im Landtag auch ausdrücklich angesprochen worden, ohne dass ihre Einbeziehung in die Übergangsregelung erwogen worden sei.

23

Den Klägerinnen werde damit ohne Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist mit dem Inkrafttreten des Landesgesetzes ihre Tätigkeit in Sachsen-Anhalt untersagt. Eine solche übergangslose Entziehung einer bislang innegehabten Rechtsposition sei, wenn nicht ausschließlich aus überragenden Gründen des Gemeinwohls, dann nur unter Beachtung der Grundsätze des Übermaßverbotes zulässig. Der in § 13 Abs. 1 GlüG LSA eingeführte Erlaubnisvorbehalt erfülle die Voraussetzungen für eine übergangslose Rechtsentziehung jedoch nicht.

24

Der Landesgesetzgeber sei zu Unrecht bei Erlass des Glücksspielgesetzes davon ausgegangen, dass die gewerbliche Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen schon auf der Grundlage des früheren Rechts, insbesondere des Bundesstrafrechts (§§ 284, 287 StGB), ohne weiteres rechtswidrig und strafbar gewesen sei. Aus diesem Grund habe er die Voraussetzungen nicht geprüft, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Ad-hoc-Entziehung von Rechtspositionen ohne Einräumung von Übergangsfristen zu erfüllen seien.

25

Das Fehlen jeglicher, auf die Fallgruppe der Klägerinnen bezogener Übergangsregelung werde auch nicht dadurch kompensiert, dass der Beklagte die Vermittlungstätigkeit zunächst geduldet habe und erst nach etwa zwei Jahren eingeschritten sei. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerinnen aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG sei bereits durch den Landesgesetzgeber unmittelbar erfolgt, als dieser die Rechtsqualität der Vermittlungstätigkeit von "erlaubt" in "verboten" geändert habe.

26

Die Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs hänge im Übrigen nicht davon ab, ob und in welcher Intensität sich dieser Eingriff bereits verwirklicht habe, etwa durch eine entsprechende Praxis der Ordnungsbehörden. Nur durch eine gesetzlich geregelte und damit verlässliche Übergangsfrist könne diejenige Rechtssicherheit erreicht werden, auf die der Rechtsbetroffene im Rechtsverkehr angewiesen sei und die ihm einen von staatlichen Eingriffen möglichst freien Übergang (etwa zu einer anderen Betätigung) ermögliche. Mit einer bloß faktischen ordnungsbehördlichen Duldung eines Verhaltens, das staatlicherseits bereits als verboten und strafbar angesehen werde, werde dagegen kein Übergangsrecht erreicht, welches der bisherigen Rechtsposition des Betroffenen Rechnung trage. Denn jeder, der sich während der ihrer Dauer nach nicht bestimmten Duldungszeit auf Vermittlungsgeschäfte mit den Klägerinnen einlasse, müsse sich vor Augen führen, dass es sich um verbotene und unter Umständen auch für ihn selbst strafbare Geschäftstätigkeiten handele.

27

Das Verwaltungsgericht hat unter Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung dargelegt, dass für den Fall, dass die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen bereits aufgrund der bundesrechtlichen Strafbestimmungen strafbar gewesen sei, die in allen übrigen fünfzehn Bundesländern stattfindende Vermittlungstätigkeit gleichfalls als verboten angesehen werden müsse. Außerdem stelle sich die Frage, wieso der Landesgesetzgeber es für erforderlich gehalten habe, mit den Regelungen der §§ 18, 19 GlüG LSA landesrechtliche Sanktionsbestimmungen in das Glücksspielgesetz aufzunehmen. Angesichts dieses Befundes lasse sich die Einschätzung im Gesetzgebungsverfahren, dass die Vermittlung staatlicher Glücksspiele vor Einführung des § 13 Abs. 1 GlüG LSA eindeutig als verboten und strafbar anzusehen gewesen sei, nicht halten.

28

Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht mit der Rückwirkungsproblematik in Rechtsprechung und Literatur auseinandergesetzt (insbes. BVerfGE 31, 275; 36, 281; 43, 242; 58, 300; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2006 - 2 BvR 1339/06 -, juris).

29

Das Verwaltungsgericht geht auch von einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG aus. Die Entziehung der Möglichkeit, staatliche Glücksspiele zu vermitteln, stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, der die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletze. Es fehle an der notwendigen Übergangsregelung. Die völlige Entziehung einer Rechtsposition sei an strenge Anforderungen geknüpft (unter Verweis auf BVerfGE 83, 201 <211 f.>; BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076), denen § 13 Abs. 1 Satz 1 GlüG LSA nicht genüge.

30

Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt, weil den Klägerinnen zustehende unternehmerische Handlungsspielräume (z.B. Ort der wirtschaftlichen Betätigung, Art und Weise des wirtschaftlichen Engagements etc.) entzogen würden, die nicht bereits von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 oder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt seien (Verweis auf BVerfGE 105, 252<278>; BVerfGK 3, 337).

31

Die Gültigkeit von § 13 Abs. 1 GlüG LSA sei auch entscheidungserheblich. Für den Fall der Verfassungsmäßigkeit der Norm seien beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand alle Klagen abzuweisen, weil die Tätigkeit der Klägerinnen dann als unmittelbar verboten gelte. Sei § 13 Abs. 1 GlüG LSA dagegen verfassungswidrig, stünden die Vermittlungstätigkeiten der Klägerinnen im Einklang mit dem geltenden Recht. In diesem Fall seien die Untersagungsverfügungen des Beklagten rechtswidrig und verletzten die Klägerinnen in ihren Rechten aus § 1 Abs. 1 GewO, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Die Verfügungen seien dann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

II.

32

Die Vorlage ist unzulässig. Es fehlt an einer hinreichenden Darlegung der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift und ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren.

33

1. Dem vorlegenden Gericht obliegt es gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, in seinem Vorlagebeschluss umfassend darzutun, weshalb es von der Verfassungswidrigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm überzeugt ist und inwiefern die Entscheidung des Gerichts von ihrer Gültigkeit abhängig ist (vgl. BVerfGE 77, 259 <261>; 97, 49 <60>; 98, 169 <199>; 105, 61 <67>; stRspr).

34

Dabei muss es die für seine Überzeugung der Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm maßgeblichen Erwägungen umfassend und nachvollziehbar ausführen, insbesondere alle hierfür maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erschöpfend und nachvollziehbar darlegen (BVerfGE 93, 121 <132>). Zugleich muss es verdeutlichen, dass die Beantwortung der gestellten Verfassungsfrage sich als unerlässlich darstellt, damit es das Ausgangsverfahren fortführen und abschließend entscheiden kann (vgl. BVerfGE 11, 330 <335>; 42, 42 <50>; 50, 108 <113>; 63, 1 <22>). Dies ist der Fall, wenn das Gericht im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müsste als bei deren Gültigkeit (BVerfGE 22, 175 <176>; 84, 233 <237>). Das Bundesverfassungsgericht legt in ständiger Rechtsprechung einen strengen Maßstab an die Begründungsanforderungen an, der gewährleistet, dass der Grundsatz der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen gegenüber dem fachgerichtlichen Verfahren gewahrt wird, und der damit auch der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dient (BVerfGE 65, 265 <277>).

35

Daraus folgt, dass im Vorlagebeschluss dargelegt sein muss, dass das vorlegende Gericht die Verfassungsmäßigkeit in rechtlicher Hinsicht sorgfältig geprüft und sich mit den hierzu vertretenen Auffassungen befasst und dargelegt hat, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht kommt (BVerfGE 86, 71 <78>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>; BVerfGK 10, 171). Das Bundesverfassungsgericht ist nicht an die vom vorlegenden Gericht zugrunde gelegte Deutung der zu überprüfenden Norm gebunden, sondern kann seinerseits die angezweifelte Norm auslegen und über die Richtigkeit und Maßgeblichkeit der vom vorlegenden Gericht ermittelten Deutung entscheiden (BVerfGE 7, 45 <50>; 10, 340 <345>; 78, 20 <24>; 80, 54 <58 f.>). Denn nach dem Grundgedanken der Subsidiarität kann eine verfassungsgerichtliche Überprüfung dann nicht erfolgen, wenn zumindest eine verfassungskonforme Auslegung der Streitnorm in Betracht kommt (BVerfGE 86, 71 <78>).

36

2. Diesen Anforderungen wird die Vorlage in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

37

Das Verwaltungsgericht hat sich nicht hinreichend mit den in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen auseinandergesetzt und seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 13 GlüG LSA wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht hinreichend begründet. Das vorlegende Gericht hat zudem die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Verfassungsfrage nicht hinreichend dargelegt.

38

a) Hinsichtlich einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hat das vorlegende Gericht bereits nicht hinreichend dargelegt, dass es sich bei der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel um eine geschützte Eigentumsposition handelt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb zu den schutzfähigen Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gehört (BVerfGE 66, 116<145>; 68, 193 <222 f.>; 77, 84 <118>; 81, 208 <227 f.>; 96, 375 <397>; vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1984 - III ZR 35/83 -, juris; Jarass, in: Jarass/Pieroth [Hrsg.], GG, 11. Aufl. 2011, Art. 14 Rn. 11; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 95 m.w.N.). Wird dagegen in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit eingegriffen, so wird auch nach dieser Auffassung jedoch nicht der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG als betroffen angesehen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - III ZR 263/04 -, juris). Das Verwaltungsgericht hat nicht hinreichend dargelegt, weshalb die Erlaubnispflicht gleichwohl durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sein soll.

39

b) Das Verwaltungsgericht meint ferner, § 13 Abs. 1 GlüG LSA verletze die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufsfreiheit der gewerblichen Vermittler von Glücksspielen. Seine Ausführungen reichen aber zur Darlegung einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat keine ausreichende Grundrechtsprüfung vorgenommen. Es hat zum einen nicht hinreichend dargelegt, in welcher Intensität durch die Einführung der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfolgt ist. Es hat zudem nicht hinreichend dargelegt und begründet, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt war.

40

aa) Das Verwaltungsgericht hat zwar hinreichend dargelegt, dass die Tätigkeit der Klägerinnen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist. Art. 12 Abs. 1 GG schützt neben der freien Berufsausübung auch das Recht, einen Beruf frei zu wählen. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfGE 105, 252 <265> m.w.N.). Das Vermitteln von Lotterien über das Internet erfüllt diese Merkmale und steht daher als berufliche Tätigkeit unter dem Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.

41

Wie das Verwaltungsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, steht der Qualifizierung als Beruf nach Art. 12 Abs. 1 GG hier nicht entgegen, dass diese Tätigkeit möglicherweise nach §§ 284, 287 StGB und § 18 GlüG LSA strafbar ist beziehungsweise gemäß § 14 Lotto-Toto-G LSA strafbar war. Einer die Merkmale des Berufsbegriffs grundsätzlich erfüllenden Tätigkeit ist der Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht schon dann versagt, wenn das einfache Recht die gewerbliche Ausübung dieser Tätigkeit verbietet. Eine Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG in dem Sinne, dass dessen Gewährleistung von vornherein nur erlaubte Tätigkeiten umfasst, kommt allenfalls hinsichtlich solcher Tätigkeiten in Betracht, die schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können (BVerfGE 115, 276 <303> m.w.N.). Dies ist bei der gewerblichen Vermittlung von unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien nicht der Fall. Die Rechtsordnung kennt die gewerbliche Vermittlung von solchen Lotterien als erlaubte Betätigung. Bereits in § 14 LottoStV und § 3 Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen war der Beruf des gewerblichen Vermittlers von Lotterien als privates Gewerbe ausgestaltet.

42

bb) Ferner hat das Verwaltungsgericht überzeugend dargetan, dass die Einführung des Erlaubnisvorbehalts in § 13 Abs. 1 GlüG LSA wegen des mit ihm einhergehenden Ausschlusses der gewerblichen Vermittlung ohne entsprechende Genehmigung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt.

43

cc) Das vorlegende Gericht hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungswidrig ist.

44

(1) Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt (BVerfGE 7, 377 <399 ff.>; 86, 28 <40>). Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzmäßig erlassen wurde, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 95, 193 <214>; 102, 197 <212 f.>).

45

Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden im Rahmen der Berufsfreiheit durch die sogenannte "Stufenlehre" näher konkretisiert (BVerfGE 25, 1 <11 f.>). Danach ist zu unterscheiden, auf welcher Stufe der Berufsfreiheit die Regelung ansetzt. Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden (BVerfGE 103, 1 <10>). Allerdings müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 108, 150 <160>). Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen - mit Abstufungen im Einzelnen - sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (BVerfGE 7, 377 <406 f.>; 102, 197 <214>; 123, 186 <238 f.>).

46

(2) Das Verwaltungsgericht hat zur Eingriffsintensität nicht Stellung genommen. Es hat nicht dargelegt, ob es sich bei § 13 Abs. 1 GlüG LSA um eine Maßnahme mit Auswirkungen auf die Berufswahl- oder Berufsausübung handelt und ob die Norm unter Gemeinwohlaspekten verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist. Eine Qualifizierung der Eingriffsintensität wäre hier jedoch notwendig gewesen, um den Rechtfertigungsmaßstab festzulegen und anhand dessen zu bestimmen, ob der vorliegende Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Auch für die Feststellung der Anforderungen, die an die Zulässigkeit der von dem vorlegenden Gericht angenommenen unechten Rückwirkung zu stellen sind, hätte es zunächst einer Qualifizierung der Eingriffsintensität bedurft.

47

(3) Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch nicht ausreichend dargelegt, dass tatbestandlich überhaupt eine unechte Rückwirkung gegeben ist. Diese würde voraussetzen, dass die Tätigkeit nach altem Recht erlaubt gewesen ist.

48

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die gewerbliche Vermittlung von Lotterien in Sachsen-Anhalt vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA erlaubnisfrei zulässig gewesen. Durch die Erlaubnispflicht werde eine gesicherte Rechtsposition der gewerblichen Vermittler übergangslos entzogen.

49

(a) Die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sind wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>). Hieraus ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen für belastende Gesetze auch in Fällen einer sogenannten unechten Rückwirkung. Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet. Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann aber je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzen (BVerfGE 30, 392 <402>; 39, 128 <143 ff.>; 43, 242 <286>). Bei der Aufhebung und Modifizierung geschützter Rechtspositionen hat der Gesetzgeber auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist, aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung zu treffen (BVerfGE 21, 173 <183>; 22, 275 <276>; 25, 236 <248>; 31, 275 <284>; 32, 1 <22 f.>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>). Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 43, 242 <288 f.>).

50

(b) Nach Auffassung des vorlegenden Verwaltungsgerichts war die gewerbliche Vermittlung von Glücksspiel vor Einführung der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA ein zulässiges Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung. Das Verwaltungsgericht geht jedoch überhaupt nicht darauf ein, warum die streitgegenständliche Tätigkeit nicht nach § 33h GewO vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgeschlossen sein soll. Dafür hätte das Verwaltungsgericht sich mit dem Verhältnis von § 33h GewO zu der gewerblichen Vermittlung von Lotterien auseinandersetzen müssen. Es hätte sich auch mit den in der verwaltungsrechtlichen Literatur existierenden Meinungen auseinandersetzen und diese in seinem Vorlagebeschluss darlegen müssen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht getan. Dabei wird die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts durchaus auch in Teilen der Literatur vertreten (vgl. Stober, Zur staatlichen Regulierung der gewerblichen Spielevermittlung, GewArch 2003, S. 305 <307>; Pieroth/Görisch, Gewerbliche Lotteriespielvermittlung als Gegenstand der konkurrierenden Bundesgesetzgebungskompetenz, NVwZ 2005, S. 1225 <1228>).

51

(c) Das Verwaltungsgericht setzt sich nicht ausreichend mit dem strafbewehrten Verbot der Vermittlung von Wetten im Lotto-Toto-Gesetz auseinander. Bei seinen Darlegungen hinsichtlich der erlaubnisfreien Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel und zur Gesetzeslage vor dem Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA stellt das vorlegende Gericht lediglich auf den Willen des Gesetzgebers des Glücksspielgesetzes für Sachsen-Anhalt im Jahr 2004 ab. Dabei kommt es für die Erlaubnispflicht auf den Willen des Gesetzgebers des vor Dezember 2004 gültigen Lotto-Toto-Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1991 und des Lotteriegesetzes von Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1993 an. Hierzu hätte es insbesondere einer Auseinandersetzung mit § 14 Lotto-Toto-G LSA bedurft, der eine Strafbestimmung für diejenigen Personen enthielt, die für ein Unternehmen, das in Sachsen-Anhalt nicht nach § 1 Lotto-Toto-G LSA zugelassen war, gewerbsmäßig Wetten über die Ziehung von Zahlen entgegennahmen oder vermittelten. Zu diesem Zweck hätte das Verwaltungsgericht nachvollziehbar darlegen müssen, wie es die Begründung zu § 14 Lotto-Toto-G LSA versteht, wonach nur die gewerbsmäßige Entgegennahme oder Vermittlung von Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe strafbewehrt seien.

52

Da sich aus der allgemeinen Begründung des Gesetzesentwurfs zum Lotto-Toto-G LSA (Entwurf eines Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt, LT-LSA Drucksache 1/352 vom 17. April 1991) zudem ergibt, dass dieser in wesentlichen Teilen dem in Niedersachsen geltenden Gesetz über das Zahlenlotto und dem Gesetz über Sportwetten entspricht, hätte sich das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Auslegung zur Orientierung gegebenenfalls auch mit der früheren Rechtslage in Niedersachsen auseinandersetzen können.

53

Mit der amtlichen Begründung zu § 13 GlüG LSA hat sich das Verwaltungsgericht im Gegensatz zu den Gesetzesberatungen ebenfalls nicht auseinandergesetzt. Nach dieser soll § 13 Abs. 1 GlüG LSA die Vermittlung unter einen Erlaubnisvorbehalt stellen, während nach bisherigem Recht die Vermittlung grundsätzlich verboten gewesen sei (§§ 284 ff. StGB, § 14 Lotto-Toto-G LSA).

54

(d) Die Vorlage befasst sich zudem nicht hinreichend mit der Strafbarkeit der gewerblichen Vermittlung. Soweit das Verwaltungsgericht für die erlaubnisfreie Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2006 (1 Ss 296/05, NJW 2006, S. 2422) und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. November 2006 (2 StR 55/06, juris) heranzieht, verkennt es, dass die Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung aufgrund der Gesetzeskompetenz des Landes Sachsen-Anhalt im Kontext der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen zu sehen ist. Den zitierten gerichtlichen Entscheidungen liegen jedoch keine Sachverhalte zugrunde, die sich unmittelbar auf die Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel in Sachsen-Anhalt beziehen. Aus ihnen ergibt sich daher nicht unmittelbar die von dem Verwaltungsgericht angenommene Erlaubnisfreiheit der Tätigkeit.

55

Auch aus der durch das Verwaltungsgericht zitierten Literatur (Lüderssen, Die Aufhebung der Straflosigkeit gewerblicher Spielvermittler durch den neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland?, NStZ 2007, S. 15; ders., Keine Strafdrohungen für gewerbliche Spielvermittler, 2006, S. 9 ff.; Eser/Heine  , in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 284 Rn. 12a ff. und § 287 Rn. 13b m.w.N.) ergibt sich nicht, dass die gewerbliche Vermittlung von unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien in Sachsen-Anhalt straffrei und zulässig war. Vielmehr war die Strafbarkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen umstritten (vgl. Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, a.a.O., § 284 Rn. 12a, 17a; § 287 Rn. 13b). In der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Literatur wird zudem vertreten, dass auch die behördliche Duldung einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit, wie sie möglicherweise durch die Behörden in Sachsen-Anhalt in Bezug auf die Tätigkeit der Klägerinnen erfolgt war, die betroffene Handlung nicht zu legalisieren vermochte beziehungsweise dies jedenfalls umstritten war (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, a.a.O., Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 62 und Cramer/Heine, Vorbem. §§ 324 ff. Rn. 20).

56

c) Eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Form der Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Art. 2 Abs. 1 GG scheidet als Maßstab bereits deshalb aus, weil die aufgeworfenen Fragen des Schutzes gewerblicher Vermittler von Glücksspielen an unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien thematisch von der sachlich speziellen Grundrechtsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst werden (BVerfGE 59, 128; 105, 252 <279>; BVerfGK 3, 337).

57

d) Die Vorlage ist darüber hinaus unzulässig, weil das Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 BVerfGG nicht hinreichend dargelegt hat.

58

Das Verwaltungsgericht setzt sich mit der objektiven Rechtslage auseinander. Es erklärt aber nicht, inwiefern die seines Erachtens unzureichende Übergangsvorschrift in § 13 Abs. 7 GlüG LSA für seine Entscheidung erheblich sein soll. Entscheidungserheblich für den Ausgang eines Rechtsstreits ist ein formelles Gesetz nur dann, wenn es auf seine Gültigkeit für die Entscheidung ankommt (BVerfGE 104, 74 <82>) und damit ein konkretes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur abschließenden Beurteilung des Ausgangsrechtsstreits unerlässlich ist (BVerfGE 50, 108 <113>; 76, 100 <104>; 85, 337 <343>; 90, 145 <170>). Das ist dann der Fall, wenn das vorlegende Gericht bei Gültigkeit des formellen Gesetzes im Ergebnis anders entscheiden müsste als bei dessen Ungültigkeit (BVerfGE 22, 175 <176 f.>; 84, 233 <236 f.>; 91, 118 <121>; 98, 169 <199>; 105, 61 <67>).

59

Das Verwaltungsgericht legt nicht dar, inwiefern die Klägerinnen auch mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung noch Vertrauensschutz genießen. § 13 Abs. 1 GlüG LSA ist im Dezember 2004 in Kraft getreten. Die Untersagungsverfügungen gegen die Klägerinnen sind mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der Norm ergangen. Zwar war in § 13 Abs. 7 GlüG LSA geregelt, dass die Vermittlung von Glücksspiel für eine Übergangszeit von drei Jahren erlaubnisfrei sein sollte, wenn sie im Auftrag eines in dem Land zugelassenen Wettunternehmers erfolgte und die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet wurden. Hieraus ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig, dass die von dem Verwaltungsgericht als notwendig erachtete Übergangsregelung für gewerbliche Vermittler automatisch ebenso lang hätte ausfallen müssen. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276 <319>) für eine Neuregelung des Glücksspielrechts eine Übergangsfrist von etwas mehr als einem Jahr als angemessen angesehen (bis zum 31. Dezember 2007). Auch die Übergangsregelungen in § 25 GlüStV sehen lediglich eine Frist von einem Jahr für die Geltungsdauer von bereits erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnissen vor.

60

Selbst wenn man hier mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, dass § 13 Abs. 7 GlüG LSA eine mit Blick auf die gewerbliche Glücksspielvermittlung nicht ausreichende Übergangsregelung enthielt, hat das Gericht die unzumutbare Benachteiligung der Klägerinnen und damit die Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerinnen sind ihrer Tätigkeit als gewerbliche Vermittler auch nach dem Inkrafttreten der Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA nachgegangen. Für die Entscheidungserheblichkeit ist maßgeblich, ob sich das Vertrauen der Klägerinnen bei Abwägung ihrer Interessen gegenüber dem Anliegen des Gesetzgebers als vorrangig erweisen würde.

61

Bei der Aufhebung oder Modifizierung geschützter Rechtspositionen hat der Gesetzgeber - auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist - aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung zu treffen (BVerfGE 21, 173 <183>; 22, 275 <276>; 25, 236 <248>; 31, 275 <284>; 32, 1 <22 f.>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>). Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 43, 242 <288 f.>).

62

Vorliegend sind keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich, dass eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll berücksichtigende Übergangsregelung den Klägerinnen eine günstigere Position hätte einräumen müssen als sie tatsächlich innehatten (vgl. BVerfGE 43, 242 <290>).

63

Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich lediglich dargelegt, dass mit der bloß faktischen ordnungsbehördlichen Duldung eines Verhaltens, das staatlicherseits bereits als verboten und strafbar angesehen werde, kein Übergangsrecht erreicht werde, welches der bislang innegehabten Rechtsposition des Betroffenen Rechnung trage. Denn jeder, der sich während der ihrer Dauer nach nicht bestimmten Duldungszeit auf Vermittlungsgeschäfte mit den Klägerinnen einlasse, müsse sich vor Augen führen, dass es sich um verbotene und unter Umständen auch für ihn selbst strafbare Geschäftstätigkeiten handele. Diese abstrakten Ausführungen zur objektiven Rechtslage erklären jedoch nicht, warum eine mögliche Übergangsregelung auf die in der Zwischenzeit weiterhin gewerblich vermittelnd tätigen Klägerinnen auch über zwei Jahre nach Inkrafttreten der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA noch hätte angewandt werden müssen.

64

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Wiedererteilung einer Erlaubnis für die von ihr seit 2012 in der D. Straße ... in K. betriebene Spielhalle.

2

Für diese war ihr am 31. Mai 2012 eine Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung (GewO) erteilt worden. In den betreffenden Räumlichkeiten hatte zuvor ein anderes Unternehmen eine Spielhalle betrieben. Nach einem Brand im Jahr 2010 hatte es für diese jedoch eine Vergnügungssteuerabmeldung und zum 15. April 2012 eine gewerberechtliche Abmeldung vorgenommen. Nach Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes Rheinland-Pfalz (LGlüG RP) und des geänderten Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) am 1. Juli 2012 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach neuem Recht. Unter Hinweis auf zwei nahegelegene, überwiegend von Minderjährigen besuchte Einrichtungen - das "... Jugenddorf Deutschland e.V." in ca. 330 Meter Entfernung und das "Haus der Jugend K. e.V." in ca. 400 Meter Entfernung zur Spielhalle - versagte der Beigeladene mit Schreiben vom 3. Juli 2013 die Zustimmung zur Erteilung einer Erlaubnis. Daraufhin lehnte die Beklagte die Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Spielhalle ab dem 1. Juli 2013 mit Bescheid vom 22. Juli 2013 ab. Eine Ausnahme vom Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern zu einer überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtung könne wegen der besonderen Suchtgefährdung Minderjähriger nicht erteilt werden. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Sie hat am 4. September 2013 Klage erhoben, die zunächst auf eine Feststellung gerichtet war, dass die ihr bereits erteilte gewerberechtliche Spielhallenerlaubnis die glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 15 Abs. 3 LGlüG RP einschließe. Mit Urteil vom 20. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

3

Mit ihrer Berufung hiergegen hat die Klägerin hilfsweise zu ihrem Feststellungsbegehren die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die streitgegenständliche Spielhalle beantragt. Mit Urteil vom 10. März 2015 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Das Feststellungsbegehren sei unbegründet, weil die einjährige Übergangsfrist nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV für die der Klägerin am 31. Mai 2012 erteilte gewerberechtliche Erlaubnis am 30. Juni 2013 abgelaufen sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neuerteilung einer die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 15 Abs. 3 LGlüG RP i.V.m. § 24 Abs. 1 GlüStV zugleich umfassenden Erlaubnis nach § 33i GewO, weil die Spielhalle jedenfalls im Hinblick auf das von Jugendlichen im Alter von 11 bis 23 Jahren besuchte "Haus der Jugend" den nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP geforderten Mindestabstand von 500 Metern nicht einhalte. Diese Abstandsbestimmung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Entscheidung der Beigeladenen, dass der Erteilung einer Ausnahme zugunsten der Klägerin im Hinblick auf die Gefährdung Jugendlicher nicht zugestimmt werden könne, sei ermessensfehlerfrei und trage dem gesetzlichen Ziel des Jugendschutzes Rechnung. Sie werde durch die Ergebnisse einer Studie über problematisches Glücksspiel bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz gestützt.

4

Zur Begründung ihrer vom Senat im Umfang des Hilfsbegehrens der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Erlaubniserteilung zugelassenen Revision macht diese im Wesentlichen geltend, die Länder seien zum Erlass einer Mindestabstandsvorschrift für Spielhallen nicht befugt. Eine solche Befugnis folge nicht aus dem Gesetzgebungskompetenztitel der Länder für das "Recht der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, der normativ-rezeptiv entsprechend dem Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO auszulegen sei. Mindestabstandsregelungen unterfielen vielmehr dem Kompetenztitel des Bundes für das Gewerberecht, von dem dieser abschließend Gebrauch gemacht habe. Außerdem entfalteten die bundesplanungsrechtlichen Regelungen zur Zulässigkeit von Spielhallen Sperrwirkung gegenüber Abstandsregelungen der Länder. Das Abstandsgebot im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige verletze die Klägerin auch materiell in ihrer Berufsfreiheit. Ein alternativer Standort stehe für die Spielhalle im Gemeindegebiet der Beklagten nicht zur Verfügung. Die Abstandsvorschrift sei weder zur Suchtbekämpfung geeignet noch neben der Möglichkeit von Auflagen zur Erlaubnis erforderlich oder zumutbar. Sie diene in Wahrheit dem fiskalischen Ziel des Schutzes des Spielangebots in Spielbanken. Der geforderte Abstand sei willkürlich bemessen und ohne erkennbaren Grund doppelt so groß wie für Wettvermittlungsstellen in Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus sei es mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar, dass sich die Kriterien für die Erteilung einer Ausnahme vom Abstandsgebot nicht der gesetzlichen Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 LGlüG RP entnehmen ließen.

5

Die Erteilung einer Erlaubnis sei vorliegend auch aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten, weil die Klägerin erhebliche Investitionen getätigt habe. Die einjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV für nach dem 28. Oktober 2011 erteilte Erlaubnisse sei unverhältnismäßig kurz. Darüber hinaus verletze die Abstandsvorschrift das Grundrecht der Klägerin auf Eigentum sowie das Gebot der Gleichbehandlung von Spielhallen im Verhältnis zu Spielbanken und Gaststätten. Sie sei mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit und dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot für Regelungen im Glücksspielbereich unvereinbar. Für Lottoannahmestellen, Sportwettenvermittlungsstellen und Spielbanken in Rheinland-Pfalz gälten ohne hinreichenden Grund weniger strenge Anforderungen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. März 2015 und des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 22. Juli 2013 die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag i.V.m. § 11 Landesglücksspielgesetz zu erteilen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das Berufungsurteil. Die Mindestabstandsregelung sei der Ländergesetzgebungskompetenz für das "Recht der Spielhallen" aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen. Sie schränke die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin, die noch weitere Spielhallen betreibe, in verhältnismäßiger Weise zugunsten des Schutzes Jugendlicher ein. Wann von der Abstandsregelung eine Ausnahme erteilt werden könne, lasse sich anhand des Verweises auf die Ziele des § 1 GlüStV, auf die Verhältnisse im Umfeld des Standortes und die Lage des Einzelfalls mit hinreichender Bestimmtheit aus § 11 Abs. 1 LGlüG RP ableiten.

9

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und tritt dem Standpunkt der Beklagten bei. Die Regelungsbefugnis der Länder für das "Recht der Spielhallen" gehe über das Normprogramm des § 33i GewO hinaus und ermögliche auch den Erlass von Abstandsregelungen zum Spieler- und Jugendschutz. Angesichts der hohen Bedeutung der Suchtbekämpfung und des hohen Suchtpotenzials des Automatenspiels habe der Landesgesetzgeber seinen Beurteilungsspielraum mit Erlass des § 11 Abs. 1 Nr. 4 LGlüG RP nicht überschritten. Die Regelung sei verfassungskonform.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Länder zur Regelung von Mindestabständen zu Einrichtungen, die von Minderjährigen besucht werden, befugt. Solche Regelungen seien zwar mangels unmittelbaren Bezuges zur Räumlichkeit von Spielhallen nicht dem "Recht der Spielhallen" zuzuordnen. Jedoch habe der Bund insoweit jedenfalls von seiner Kompetenz zur Regelung der "öffentlichen Fürsorge" und des "Rechts der Wirtschaft" keinen Gebrauch gemacht. Die Abstandsregelung des Landes stelle eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung dar.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt nicht revisibles Recht.

12

1. Die im Revisionsverfahren allein streitgegenständliche Verpflichtungsklage ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die erstmalige Einführung dieses Klagebegehrens im Berufungsverfahren zutreffend als nach § 91 Abs. 2 VwGO zulässige Klageänderung angesehen.

13

2. Das Berufungsgericht hat die Berufung, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zu Recht zurückgewiesen. Es hat entschieden, dass die Klägerin für den Weiterbetrieb ihrer Spielhalle seit dem 1. Juli 2013 einer neuen Erlaubnis nach § 33i GewO bedarf, die aufgrund der in § 15 Abs. 3 Satz 2 des Landesgesetzes zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und dem Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (Landesglücksspielgesetz - LGlüG RP) vom 22. Juni 2012 (GVBl. S. 166, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. August 2015, GVBl. S. 190) geregelten Konzentrationswirkung die glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV umfasst. Insoweit ist das Berufungsurteil rechtskräftig geworden, weil der Senat die Revision gegen die Ablehnung des Feststellungsbegehrens, dass die zum Betrieb der Spielhalle am 31. Mai 2012 erteilte Erlaubnis noch bis zum 30. Juni 2017 Wirkung entfaltet, nicht zugelassen hat. Das Berufungsgericht hat weiter entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zusteht. Insoweit hat der Senat die Revision zugelassen.

14

Die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin verletzt kein Bundesrecht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 33i GewO, § 15 Abs. 3 Satz 2 LGlüG RP i.V.m. § 24 Abs. 1 GlüStV für die streitgegenständliche Spielhalle. Nach den für die revisionsgerichtliche Überprüfung bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hält die Spielhalle den nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV erforderlichen Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie zu einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht wird, nicht ein. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das von Jugendlichen im Alter von 11 bis 23 Jahren zur aktiven Freizeitgestaltung besuchte "Haus der Jugend" den gesetzlichen Mindestabstand unterschreitet. Die Klägerin hat weder gegen die Feststellung des Abstandes zwischen der Spielhalle und dem "Haus der Jugend" noch gegen die Feststellung von dessen überwiegender Nutzung durch Minderjährige Verfahrensrügen erhoben.

15

Die der Erteilung einer Erlaubnis entgegenstehende Mindestabstandsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 LGlüG RP verletzt nicht Verfassungsrecht (a) und ist auch im Hinblick auf Unionsrecht anwendbar (b).

16

a) aa) Das Land Rheinland-Pfalz war zum Erlass der Mindestabstandsregelung im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige als Erteilungsvoraussetzung für eine Spielhallenerlaubnis befugt. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen in seinem Urteil vom selben Tage zum Parallelverfahren BVerwG 8 C 6.15, die sich mit gleichgerichteten Rügen der dortigen Klägerin befassen:

"Der ausdrückliche und ausschließliche Länderkompetenztitel (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 13) in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das 'Recht der Spielhallen' ermächtigt die Länder zur Regelung sämtlicher Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebes einschließlich der räumlichen Bezüge in ihrem Umfeld. Dies ergibt die Auslegung des Kompetenztitels nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck (vgl. allg. BVerfGE, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <273 f.>).

aa) Der Wortlaut des Kompetenztitels 'Recht der Spielhallen' ist weit und erfasst über die Voraussetzungen der Erteilung einer Spielhallenerlaubnis hinaus alle Gesichtspunkte des mit der Räumlichkeit einer Spielhalle verbundenen Betriebes. Insbesondere beschränkt er sich nicht auf den Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO. Regelungen dagegen, die sich unabhängig vom Aufstellungsort Spielhalle produktbezogen mit der Gestaltung, Zulassung, Aufstellung und Überprüfung von Spielgeräten befassen, sind dem 'Recht der Spielhallen' wegen des im Wortlaut angelegten räumlichen Bezuges dieser Materie nicht zuzuordnen.

Auch die Entstehungsgeschichte des im Zuge der Föderalismusreform zugunsten der Länder umgestalteten Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht dafür, dass das 'Recht der Spielhallen' alle Aspekte der Erlaubnis und des Betriebes von Spielhallen umfasst. Insbesondere lassen sich weder den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), mit dem die Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG verabschiedet wurde, noch den Materialien der 2003 eingesetzten 'Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung' (Föderalismuskommission I), an deren Ergebnisse das verfassungsändernde Gesetz anknüpfte, Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit ihm lediglich der Regelungsbereich der bisherigen Rechtsgrundlage für eine Spielhallenerlaubnis in § 33i GewO normativ rezipiert und die Gesetzgebungsbefugnis der Länder hierauf beschränkt werden sollte.

Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen im Jahre 2006 ging auf die Initiative der Länder zurück, die bundesstaatliche Ordnung kritisch zu überprüfen und den Ländern wieder mehr Kompetenzen zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <264>). In der Föderalismuskommission I konnte allerdings zwischen Bund und Ländern kein Konsens darüber hergestellt werden, welche Materien aus dem Kompetenztitel des 'Rechts der Wirtschaft' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auf die Länder verlagert werden sollten. Einigkeit bestand lediglich darüber, dass den Ländern Materien übertragen werden sollten, die einen regionalen Bezug aufwiesen und nicht zur Wahrung des einheitlichen Wirtschaftsraums in der Bundeskompetenz verbleiben mussten (vgl. Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 'Regionale Themen' am 29. September 2004, S. 2; Stenografischer Bericht der 9. Sitzung der Kommission am 14. Oktober 2004, S. 231; alle auch nachfolgend genannten Dokumente der Föderalismuskommission I in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, CD-ROM). Eine Übertragung der Materie der 'Spielhallen' auf die Länder schlugen erstmals die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission I in ihren abschließenden Darstellungen und ihrem Vorentwurf eines Beschlussvorschlages vor (vgl. Sprechzettel der Vorsitzenden zur Erweiterten Obleuterunde am 26. November 2004, S. 4 und am 3. Dezember 2004, S. 3; Vorentwurf vom 13. Dezember 2004 für einen Vorschlag der Vorsitzenden, S. 4). Die Reichweite der dort aufgeführten Materie 'Spielhallen' wurde darin nicht erläutert. Die vorhergehenden Arbeitsdokumente der Föderalismuskommission I enthielten weder einen Vorschlag zur Übertragung der späteren Ländermaterie 'Recht der Spielhallen' noch Hinweise für deren Eingrenzung. Das gilt auch für die von der Klägerin und von Teilen der Literatur als Beleg für eine enge Auslegung in Bezug genommene Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 28. September 2004 zur 'Gewerbeordnung und Handwerksordnung' (PAU-5/0020), in der 'Spielhallen (§ 33i)' erwähnt sind (vgl. ebd. S. 4). Die Stellungnahme des Bundesministeriums sollte auf Bitten der Länder klären, ob der Bund ein Bedürfnis, grundlegende Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Betätigung weiterhin bundesgesetzlich zu regeln, für alle Bereiche der Gewerbeordnung sah (vgl. ebd. S. 2), nachdem das Ministerium zuvor die Position der Länder zur Übertragung des gesamten Gewerberechts auf sie umfassend zurückgewiesen hatte (vgl. BMWA, Stellungnahme für die Bereiche u.a. Handwerksrecht und allgemeines Gewerberecht zu: ^Konkretisierung der Länderposition zum 'Recht der Wirtschaft' <art. 74 abs. 1 nr. 11 gg>^, PAU-3/0007 = PAU-5/0006 S. 3 f.). Das Ministerium schlug in der Stellungnahme nicht vor, die Regelung von Spielhallen den Ländern zu übertragen, sondern listete den bestehenden Inhalt der Gewerbeordnung auf. Dem jeweiligen einfachgesetzlichen Regelungsbereich der Vorschriften der §§ 30 bis 38 GewO wurde jeweils in Klammern deren Paragrafenbezeichnung hinzugesetzt, also beispielsweise 'Gewinnspiele und Geldspielgeräte (...) (§§ 33c bis h), Spielhallen (§ 33i), Pfandleiher (§ 34)'. Diese Bestimmungen, so die Stellungnahme, würden zum Teil ergänzt durch ausführliche Verordnungen mit Detailregelungen. Bei einzelnen dieser Bereiche komme eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länderebene in Betracht, soweit ein lokaler Bezug vorhanden sei. Allerdings sei den Ländern in diesen Bereichen bereits nach geltendem Recht die materielle Ausgestaltung überlassen (PAU-5/0020 S. 4). Welche Bereiche sich konkret für eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länder eigneten, führte das Ministerium nicht aus. In der zuständigen Projektgruppe 5 'Regionale Themen' war zu diesem Zeitpunkt außerdem offen, ob eine etwaige Zuständigkeitsverlagerung auf die Länder einfachgesetzlich oder verfassungsrechtlich erfolgen solle (vgl. den Bericht in der 7. Sitzung der Arbeitsgruppe 'Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte' der Föderalismuskommission I, Protokollvermerk vom 6. Oktober 2004 S. 22 f.). Jedenfalls sollte die Verteilung der Kompetenzen im Bereich des Wirtschaftsrechts dem Ansatz der 'örtlichen Radizierung' folgen (vgl. den Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 'Regionale Themen' am 29. September 2004 S. 2). Zur Verabschiedung eines Ergebnisses der Föderalismuskommission kam es nicht mehr, nachdem die Vorsitzenden deren Arbeit für gescheitert erklärten (vgl. Stenografischer Bericht der 11. Sitzung vom 17. Dezember 2004 S. 279 ff.).

Die Entstehungsgeschichte des - mit dem Entwurf für das verfassungsändernde Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) wieder aufgegriffenen - Vorentwurfs eines Vorschlages der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I bietet daher für die Auslegung des heutigen Kompetenztitels des 'Rechts der Spielhallen' keine konkrete Substanz. Sie spricht aber dagegen, dass den Ländern im Bereich des Gewerberechts kleinteilig Gesetzgebungsbefugnisse nach Maßgabe der bestehenden Regelungen in der Gewerbeordnung übertragen werden sollten. Hierfür hätte die in der Föderalismuskommission I ebenfalls erwogene Schaffung einfachgesetzlicher Öffnungsklauseln zugunsten der Länder genügt. Vielmehr wurden unter Sichtung der Gewerbeordnung Sachverhalte von vorrangig regionaler Bedeutung gesucht, die von den Ländern deshalb ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums selbständig gestaltet werden konnten. Dazu gehörte nach dem Vorentwurf der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I die Regelung von Spielhallen, nicht dagegen die Regelung von Gewinnspielen und Geldspielgeräten, die zuvor in der Auflistung des Inhalts der Gewerbeordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ebenso aufgeführt waren. Der infolge der Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005 erarbeitete Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 7. März 2006 (BT-Drs. 16/813) griff den letzten Sachstand der Föderalismuskommission I aus dem Vorsitzendenentwurf ausdrücklich auf (vgl. ebd. S. 3, 7 und 13). Die verabschiedete Endfassung entspricht dem Gesetzesentwurf.

Der Auffassung, der Zuweisungsgehalt des 'Rechts der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG müsse normativ-rezeptiv nach dem Regelungsbereich des § 33i GewO bestimmt werden (vgl. z.B. Schneider, GewArch 2009, 269 <270>; Uhle, Normativ-rezeptive Kompetenzzuweisung und Grundgesetz, 2015, 46 ff.), kann auch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden. Von einer normativen Rezeption geht das Bundesverfassungsgericht aus, wenn der Verfassungsgeber eine normativ ausgeformte Materie vorgefunden und sie nachvollziehend benannt hat, so dass die einfachgesetzliche Ausformung in der Regel unter dem Gesichtspunkt des Traditionellen und Herkömmlichen den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznorm bestimmt (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218> und Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 Rn. 29). Sie ist bislang allenfalls für bereits vorkonstitutionell ausgeformte, umfangreiche Rechtsmaterien anerkannt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12 - BVerfGE 134, 33 <55 ff.> und Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 für das Strafrecht). Für eine restriktive Anwendung der Rechtsfigur spricht, dass sie das Rangverhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht umkehrt und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers schwächt, wenn sie die überkommene einfachgesetzliche Ausgestaltung für seine verfassungsrechtliche Regelungskompetenz für maßgeblich hält (vgl. dazu Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 35, 39; Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 70 Rn. 49).

Die normative Rezeption eines als einheitliches Regelungswerk konzipierten Normenkomplexes (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 34, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218>) in einem verfassungsrechtlichen Kompetenztitel soll eine gewisse Kontinuität der Gesetzgebung in langjährig entwickelten Rechtsgebieten über Verfassungsänderungen hinweg gewährleisten. Sie setzt einen von anderen Regelungsbereichen abgrenzbaren und langjährig gefestigten einfachgesetzlichen Normbestand voraus, der prägende Wirkung für eine Kompetenzmaterie entwickeln kann. Daran fehlt es hier. Die ordnungs- und gewerberechtlichen Anforderungen an Spielhallen wurden bis zur Schaffung der Kompetenzmaterie der Länder im Jahr 2006 immer wieder grundlegend geändert (vgl. eingehend m.w.N. zur Regelungsgeschichte Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 1 ff.; Hahn, in: Friauf, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 4 ff.) und waren mit Anforderungen an Aufsteller von Geräten und Veranstalter anderer Spiele verschränkt (vgl. nur § 33i Abs. 2 i.V.m. § 33c Abs. 2, § 33d Abs. 3 GewO, § 3a i.V.m. § 3 SpielV). 1933 wurde die gewerbsmäßige Aufstellung mechanischer Spiele und Spieleinrichtungen mit Gewinnmöglichkeit an öffentlichen Orten genehmigungspflichtig (RGBl. 1933 I S. 1080). Durch Verordnung wurde 1953 erstmals die Aufstellung von Geldspielgeräten in geschlossenen Räumen - und damit auch der Betrieb einer Spielhalle - zugelassen (BGBl. 1953 I S. 935). 1960 wurden in der Gewerbeordnung der Erlaubnisvorbehalt für den gewerbsmäßigen Betrieb einer Spielhalle und, hiervon getrennt, eine Aufstellererlaubnis und eine Bauartzulassung für Spielgeräte eingeführt (BGBl. 1960 I S. 61, ber. S. 92). 1979 wurde die Aufstellererlaubnis in eine orts- und geräteübergreifende personenbezogene Erlaubnis umgewandelt (BGBl. 1979 I S. 149). Dies bedingte eine stärkere Inpflichtnahme des Betreibers einer Spielhalle für die Einhaltung der Anforderungen an die Aufstellung der Geräte im konkreten Betrieb. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Änderungen der 1962 erlassenen Spielverordnung (SpielV). Deren gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 33f GewO erlaubte zum Zeitpunkt der Föderalismusreform I den Erlass von Verordnungsbestimmungen zur Durchführung von gerätebezogenen wie auch von aufstellerbezogenen und von spielhallenbetreiberbezogenen Regelungen der Gewerbeordnung (Fassung vom 25. November 2003, BGBl. I S. 2304). Entsprechend enthielt die Spielverordnung spielhallenbezogene Regelungen, die sich teilweise an die Aufsteller von Spielgeräten, teilweise aber auch an die Veranstalter von Spielen und an die Betreiber von Spielhallen richteten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 und 3, §§ 3a und 4 SpielV i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1985, BGBl. I S. 2245, geändert durch Verordnung vom 24. April 2003, BGBl. I S. 547 und durch die 5. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 17. Dezember 2005, BGBl. I S. 3495).

Im Übrigen wäre selbst bei einer normativ-rezeptiven Auslegung des 'Rechts der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu berücksichtigen, dass die bundesrechtlichen Regelungen zu Spielhallen 2006 über erlaubnisbezogene Anforderungen hinausgingen. Sie umfassten neben orts- und betriebsbezogenen Anforderungen auch Pflichten des Spielhallenbetreibers zur Einhaltung von Höchstzahlen für Geräte und andere Spiele, Aufsichtsverpflichtungen und Sicherungsmaßnahmen zugunsten von Minderjährigen sowie die Verpflichtung, die Aufstellung von Geräten nur bei Einhaltung der aufstellungsbezogenen rechtlichen Anforderungen zuzulassen (vgl. § 33c Abs. 3 Satz 3, § 33f Abs. 1 Nr. 1 und 4 GewO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 und 3, §§ 3a, 4 SpielV).

Der systematische Zusammenhang der Länderkompetenz für das 'Recht der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht ebenfalls dafür, den Ländern die Regelungsbefugnis für sämtliche erlaubnis- und betriebsbezogenen Aspekte des Spiels in Spielhallen zuzuordnen. Die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ausgenommenen, ausschließlich den Ländern zugeordneten Materien des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen sowie der Messen, Ausstellungen und Märkte betreffen durchweg Gewerbeaktivitäten mit Bezug zu einer räumlich-betrieblich abgegrenzten Einrichtung oder Veranstaltung vor Ort. Sie alle weisen damit den von der Föderalismuskommission I geforderten regionalen Bezug auf. Damit hat der Gesetzgeber in Anknüpfung an die oben genannten Überlegungen in der Föderalismuskommission I aus dem 'Recht der Wirtschaft' Bereiche identifiziert, die in erster Linie auf regionale Sachverhalte bezogen sind und deshalb typischerweise ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums von den Ländern eigenständig gestaltet werden können. Mit ihnen hat der Verfassungsgeber in Kauf genommen, dass sich bundesweit tätige Unternehmen wie Einzelhandels- und Restaurantketten, Beschicker von Märkten und Messen ebenso wie Vertreiber und Aufsteller von Spielgeräten auf unterschiedliche Regelungen der Länder in diesen Materien einzustellen haben. Regelungsgegenstände ohne räumlich-betrieblichen Bezug wie das 'Recht der Spielgeräte' und der ortsübergreifenden Zulassung ihrer Aufstellung, die bei einer länderspezifischen Ausgestaltung etwa die Handelbarkeit des Produkts beeinträchtigen könnten, fallen dagegen aus der Systematik dieser ausschließlichen Ländermaterien heraus und sind der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das 'Recht der Wirtschaft (Gewerbe)' zuzuordnen.

Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Kompetenznorm. Mit der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine neu konturierte und klare föderale Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten im Recht der Wirtschaft erzielen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <277>). Deutlicher voneinander abgegrenzte Verantwortlichkeiten sollten die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern verbessern und die Landesgesetzgeber durch Zuweisung neuer Materien mit Regionalbezug, die eine bundesgesetzliche Regelung nicht zwingend erfordern, gestärkt werden (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 7, 9). Schon die Föderalismuskommission I verfolgte das Ziel, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entflechten und die Länderebene zu stärken (vgl. Positionspapier der Ministerpräsidenten zur Föderalismusreform, Kommissionsdrucksache 0045 S. 1, in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005). Die Anknüpfung der Kompetenzverlagerung auf die Länder an einen überwiegenden regionalen Bezug der Materie bedeutet daher nicht, dass jede einzelne Regelung durch einen besonderen Bedarf für landes- oder ortsspezifische Differenzierungen zum Erlass von Regelungen gedeckt sein muss. Ein solcher Vorbehalt würde die Neuzuweisung von Kompetenzen an die Länder ohne Rückhalt in der Entstehungsgeschichte des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wesentlich einschränken und neue Unsicherheiten in der Abgrenzung der Kompetenzverteilung schaffen, die mit der Verfassungsänderung vermieden werden sollten.

bb) Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG können die Länder im Bereich der ihnen durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 GG zugewiesenen Materien das als Bundesrecht fortgeltende Recht durch Landesrecht ersetzen. Mit den von der Klägerin angegriffenen Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin, des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Ausführungsgesetzes des Landes Berlin hierzu hat das Land Berlin von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Sie lassen sich dem Kompetenztitel für das 'Recht der Spielhallen' auch zuordnen.

Für die Zuordnung gesetzlicher Regelungen zu einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm sind ihr Gegenstand und Gesamtzusammenhang im jeweiligen Gesetz maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <216>; Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 402, 906/08 - BVerfGE 121, 317 <348>; Rozek, in: von Mangold/Klein/Starck, a.a.O., Bd. 2 Art. 70 Rn. 55). ... Die erstmals eingeführten Mindestabstände zu ... sonstigen Einrichtungen ... regeln ihr (der Spielhallen) räumliches Verhältnis zu sonstigen Einrichtungen, deren Nutzer der Gesetzgeber als schutzwürdig ansieht. Sie betreffen die räumlichen Bezüge einer Spielhalle in ihrem Umfeld und damit einen Regelungsgegenstand, der nicht zwingend bundeseinheitlich zu regeln ist und im Hinblick auf die jeweilige soziale Bevölkerungsstruktur und Dichte des Spielangebots regionale Bezüge aufweist. Für die Zuordnung zur Kompetenzmaterie 'Recht der Spielhallen' ist nicht maßgeblich, ob diese Regelungen an eine abstrakte oder an eine konkrete Gefahr anknüpfen.

Mindestabstandsregelungen für Spielhallen sind nicht der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG für das 'Bodenrecht' zuzuordnen. Dazu gehören Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben und die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu ihm regeln (BVerfG, Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 <424>; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318 <320>). Die Vorschriften über den Mindestabstand zwischen Spielhallen sowie zu anderen Einrichtungen regeln nicht den Ausgleich verschiedener Nutzungsinteressen an Grund und Boden oder die Wahrung des Gebietscharakters des Umfeldes einer Spielhalle, sondern den Spielerschutz und den Schutz von Minderjährigen vor der Entstehung von Spielsucht (vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13, 1 VB 15/13 - ESVGH 65, 58, juris Rn. 319).

Regelungen des Mindestabstandes von Spielhallen zu Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, sind auch nicht der Materie der 'öffentliche Fürsorge' nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zuzuordnen, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt. Zwar erfasst sie auch Regelungen des Jugendschutzes (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 2 BvL 10/70 - BVerfGE 31, 113 <117>; BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1966 - 5 C 104.63 - BVerwGE 23, 112 <113>). Der Schwerpunkt des Mindestabstandsgebotes zu Einrichtungen für Minderjährige liegt aber auf der spielerschützenden Ausgestaltung der räumlichen Bezüge der Spielhalle. Der Jugendschutz stellt dabei einen Annex zum Schutz vor Spielsucht bei Zulassung der Spielhalle als einer Gefahrenquelle dar. Im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen für die Regulierung des Glücksspiels dürfen die Länder auch Aspekte des Jugendschutzes mit regeln. Selbst bei Zuordnung des Mindestabstandes zu Einrichtungen für Minderjährige zum Kompetenztitel des Bundes für die 'öffentliche Fürsorge' bliebe den Ländern nach Art. 72 Abs. 1 GG Raum für die hier in Rede stehenden Regelungen zum Schutz im Vorfeld des Betretens von Spielhallen, da der Bund mit der Regelung des Zugangsverbots für Minderjährige in § 6 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2016, BGBl. I S. 1666) von seiner Befugnis für jugendschützende Regelungen im Hinblick auf Spielhallen nicht abschließend Gebrauch gemacht hat."

17

bb) Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP normierte Erteilungsvoraussetzung des Mindestabstandes zu Einrichtungen, die überwiegend von Minderjährigen besucht werden, ist materiell mit der Berufsfreiheit der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie greift in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Senats im Parallelverfahren BVerwG 8 C 6.15 zu den gleichgerichteten Rügen der dortigen Klägerin:

"Ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfordert eine kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Grundlage, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 - NJW 2016, 700 <701> m.w.N.; vom 14. Januar 2014 - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 - BVerfGE 135, 90 <111 Rn. 57> und vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 <38>). Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden, soweit Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 Rn. 45). Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <284 f. m.w.N.>). Wirkt eine auf die Berufsausübung zielende Regelung auf die Berufswahl zurück, weil sie in ihren Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahe kommt, so ist ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung an den Anforderungen an Regelungen betreffend die Berufswahl zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>; Kammerbeschluss vom 24. August 2011 - 1 BvR 1611/11 - NVwZ 2012, 104 <105>).

Gemessen hieran stellen die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar. Der Auffassung der Klägerin, es handele sich bei den Mindestabstandsgeboten ... sowie aufgrund einer kumulativen Betrachtung bei sämtlichen angegriffenen Regelungen um objektive Berufswahlbeschränkungen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Dafür sind die Auswirkungen der betreffenden Regelungen in ihrem gesamten räumlichen Geltungsbereich zu betrachten."

18

Der Auffassung der Klägerin, sie sei durch das Mindestabstandsgebot im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige in ihrer Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Es kommt wegen der gebotenen Betrachtung des gesamten räumlichen Geltungsbereichs des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP, also des Landes Rheinland-Pfalz, nicht darauf an, ob der Klägerin für ihre Spielhalle in der beklagten Gemeinde wegen dieser Einschränkung kein anderer Standort zur Verfügung steht. Den Feststellungen des Berufungsurteils lässt sich ebenso wenig wie dem Vorbringen der Klägerin entnehmen, dass die Durchsetzung der Mindestabstandsregelung im Land Rheinland-Pfalz absehbar zu einer faktischen Erschöpfung der Standortkapazität für Spielhallen und damit zu einer Kontingentierung führen könnte, deren Wirkung einer Berufswahlbeschränkung nahe käme (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 1295/07 - NJW 2008, 1293 <1294>). Für die revisionsgerichtliche Prüfung ist daher davon auszugehen, dass die von der Klägerin angegriffenen Beschränkungen nicht schon den Zugang zur nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Tätigkeit des Spielhallenbetreibers beschränken, sondern lediglich Anforderungen an deren Ausübung stellen.

19

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig. Die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP dient der Verminderung der Glücksspielsucht und dem Jugendschutz (vgl. LT-Drs. RP 16/1179 S. 49). Der Entwurf zu dieser Vorschrift sah nach den Ergebnissen einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein steigendes Suchtpotenzial von Geldspielautomaten insbesondere für die Altersgruppe der jungen Männer (ebd. S. 48). Bei der Änderung des Landesglücksspielgesetzes Rheinland-Pfalz zum 22. August 2015 (durch das Erste Landesgesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015, GVBl. S. 190), die den nach § 7 LGlüG RP erforderlichen Abstand für Wettvermittlungsstellen zu überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtungen von 500 Metern auf 250 Meter halbierte, hat der Gesetzgeber an dem Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern von Spielhallen zu solchen Einrichtungen bewusst festgehalten. Der Entwurf des Änderungsgesetzes verwies hierfür erneut auf Erkenntnisse aus Studien, wonach die unter allen Glücksspielen am suchtgefährdendsten Geldspielgeräte auf Jugendliche eine besondere Anziehungskraft ausübten (vgl. LT-Drs. RP 16/4671 S. 21). Die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht ist als überragend wichtiges Gemeinwohlziel anerkannt, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen selbst, für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 338; Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>). Der Landesgesetzgeber durfte beim Erlass von Regelungen über Spielhallen auf die Zielsetzung der Bekämpfung von Glücksspielsucht zurückgreifen, auch wenn bereits die bundesrechtlichen Vorschriften über die Gerätezulassung auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Verfassungsrechtlich legitime Schutzzwecke für Maßnahmen innerhalb der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers werden nicht durch Regelungen "verbraucht", die der Bundesgesetzgeber unter derselben Zielsetzung für die ihm zustehenden Kompetenzmaterien getroffen hat.

20

Die Mindestabstandsregelung ist zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels der Prävention und Bekämpfung von Spielsucht bei Kindern und Jugendlichen geeignet, erforderlich und zumutbar.

21

Eine Regelung ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Insoweit kommt dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 263 <183> m.w.N.). Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetzgeber auch für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Dieser ist nur dann überschritten, wenn aufgrund der dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und der bereits vorhandenen Erfahrungen feststellbar ist, dass weniger grundrechtsbelastende, aber gleich wirksame Regelungsalternativen in Betracht kommen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - BVerfGK 18, 116 <121>).

22

Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass ein Mindestabstand von 500 Metern zwischen Spielhallen und Einrichtungen für Minderjährige zur Vermeidung von Glücksspielsucht geeignet und erforderlich ist, überschreitet nicht den ihm zustehenden weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Mildere, gleich wirksame Mittel sind nicht erkennbar. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die folgenden, entsprechend auf die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LGlüG RP übertragbaren Ausführungen in dem Urteil im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 vom selben Tage zur Regelung des Spielhallengesetzes Berlin über den Mindestabstand von Spielhallen zu überwiegend von Kindern und Jugendlichen besuchten Einrichtungen:

"Diese Regelung soll Kinder und Jugendliche vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Spielhallen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Bildungs- und Freizeiteinrichtungen schützen (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 12) und einem 'Reiz des Verbotenen' für Minderjährige entgegenwirken. Sie dient der Suchtprävention durch einen Schutz von Kindern und Jugendlichen im Vorfeld des Betretens einer Spielhalle und der Teilnahme am Automatenspiel, welche schon nach § 6 Abs. 1 JuSchG und § 6 Abs. 4 SpielhG BE verboten sind. Dieser Schutzzweck wird nicht schon durch den Erlaubnisversagungsgrund der Gefährdung der Jugend abgedeckt, den § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpielhG BE aus § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO übernommen hat. Er dient regelmäßig der Abwehr der vom konkreten Spielhallenbetrieb ausgehenden Gefährdungen für Minderjährige (vgl. Hahn, in: Friauf, GewO, § 33i Rn. 77).

Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, der Spielsucht müsse bei Minderjährigen auch über den Ausschluss ihres Zutritts hinaus in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Spielhallen und eines Anreizes des für sie verbotenen Glücksspiels entgegengewirkt werden, überschreitet nicht den ihm zustehenden, weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Dies gilt selbst im Hinblick auf den Schutz von kleineren Kindern davor, dass sie entweder allein oder in Begleitung einer Betreuungsperson im Umfeld ihrer Bildungs-, Freizeit- oder sonstigen Betreuungseinrichtungen mit Spielhallen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können. Im Übrigen geht es hier um Bestandsspielhallen, die im Sonderverfahren nur einen Abstand zu Schulen einhalten müssen (§ 5 Abs. 1 MindAbstUmsG BE) Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE ist zur Erreichung des legitimen Ziels der Spielsuchtprävention bei Minderjährigen geeignet, erforderlich und auch angemessen."

23

Die Zumutbarkeit der Mindestabstandsregelung wird auch durch die Möglichkeit der Erlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 1 Satz 2 LGlüG RP gewahrt, mit Zustimmung des Beigeladenen Ausnahmen zuzulassen. Anders als die Klägerin meint, ist diese Regelung mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar. Durch Auslegung der Norm in ihrem Kontext und anhand der Schutzintention des Abstandsgebotes lässt sich bestimmen, in welchen Einzelfällen die Erlaubnisbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen von dem Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie absehen kann. Die in der Regelung festgelegten Kriterien der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls steuern den Verwaltungsvollzug mit hinreichender Deutlichkeit. So wird eine Ausnahme zu prüfen sein, wenn die Abstandsmessung per Luftlinie etwaige Barrieren zwischen der geschützten Einrichtung für Minderjährige und dem Spielhallenstandort wie beispielsweise eine schwer überwindbare Verkehrsschneise oder sonstige Zugangshindernisse nicht berücksichtigt. Eine Ausnahmeerteilung wird umso näher liegen, je weniger es wahrscheinlich ist, dass Minderjährige mit der Spielhalle konfrontiert werden. Welche weiteren Umstände in die Einzelfallprüfung einzustellen sind, musste der Parlamentsgesetzgeber nicht selbst regeln. Er konnte dies einer an verfassungsrechtlichen Belangen und den einfachgesetzlichen Regelungszielen orientierten Verwaltungspraxis überlassen.

24

Das Berufungsgericht hat die Ermessensentscheidung, mit der die Erteilung einer Ausnahme zugunsten der Klägerin abgelehnt worden war, für rechtmäßig erachtet. Dem hier in Rede stehenden Schutz von Jugendlichen komme ein besonderes Gewicht zu. Nach der Studie "Problematisches Glücksspielverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz" sei die Zielgruppe der Minderjährigen ab dem 10. Lebensjahr besonders gefährdet; der frühe Konsum in der Jugend erhöhe deutlich das Risiko für späteres pathologisches Spielverhalten (UA S. 12). Die Klägerin hat diese Feststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Das Berufungsgericht hat auch keine Gesichtspunkte festgestellt, aus denen sich besondere Verhältnisse im Umfeld der Spielhalle oder eine sonstige besondere Lage des Einzelfalls ergäben. Die Klägerin hat auch dies nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und überdies keine Umstände angeführt, die dafür sprächen, dass ihr eine Ausnahme zu erteilen sein könnte. Der Umstand allein, dass nach ihrem Vortrag in der beklagten Gemeinde kein alternativer Standort für ihre Spielhalle zur Verfügung steht, begründet keine Besonderheit, die eine Abweichung vom Mindestabstandsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP nach dessen Schutzzweck rechtfertigen könnte.

25

cc) Das Mindestabstandsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG ist auch mit dem Grundrecht der Klägerin auf Eigentum aus Art. 14 GG vereinbar. Ihm kommt keine enteignende Wirkung zu. Eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG setzt eine staatliche Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder eines sonst Enteignungsbegünstigten voraus (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11, 2 BvR 321, 1456/12 - Rn. 246 und Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <9 f.>), die hier nicht in Rede steht. Als gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition der Klägerin sind die Anforderungen an Spielhallen jedenfalls verhältnismäßig.

26

Die Klägerin hat die Immobilie, in der sie ihre Spielhalle betreibt, nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im März 2012 erworben und ist im April 2012 in die Miet- und Leasingverträge für die in ihr aufgestellten Geldspielautomaten eingetreten (UA S. 2, 8). Zu diesen Zeitpunkten verfügte die Klägerin über keine Spielhallenerlaubnis für den dortigen Betrieb. Die ihrer Vorgängerin erteilte Erlaubnis war nach dem insoweit rechtskräftigen Berufungsurteil bereits Ende Juni 2011 erloschen und die Erwartung der Klägerin, in den Räumlichkeiten eine Spielhalle betreiben zu dürfen, ohne rechtliche Grundlage nicht schutzwürdig (UA S. 7, 9). Zwar wurde der Klägerin am 31. Mai 2012 eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt. Diese Erlaubnis ist jedoch nach der Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV am 30. Juni 2013 abgelaufen. Nach rechtskräftiger Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass die am 31. Mai 2012 erteilte Erlaubnis bis zum 30. Juni 2017 Wirkung entfaltet, kann die Klägerin nicht mehr geltend machen, dass die Übergangsfrist von einem Jahr mit Blick auf im Vertrauen auf die Erlaubnis vom 31. Mai 2012 getätigte Investitionen und Dispositionen unangemessen kurz gewesen sei. Unabhängig davon fehlt es an der tatrichterlichen Feststellung einer solchen Vertrauensbetätigung im fraglichen Zeitraum.

27

dd) Das zwischen Spielhallen und Einrichtungen für Minderjährige geltende Abstandsgebot verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

28

aaa) Die Klägerin wird nicht dadurch gegenüber Betreibern von Wettbüros verfassungswidrig ungleich behandelt, dass ihre Spielhalle seit der Änderung des § 7 Abs. 3 LGlüG RP einen doppelt so großen Abstand zu Einrichtungen für Minderjährige einhalten muss wie Wettbüros. Hierfür hat sich der Gesetzgeber auf tragfähige sachliche Gründe gestützt. Den Mindestabstand zwischen Wettbüros und Einrichtungen für Minderjährige hat er mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015 (GVBl. RP S. 190) zum Zwecke der Bekämpfung des Schwarzmarktes im Bereich der Sportwetten halbiert (vgl. LT-Drs. RP 16/4671 S. 21) und dabei die Differenzierung zwischen Spielhallen und Wettbüros wegen des unterschiedlichen Suchtpotenzials der jeweils angebotenen Glücksspiele für gerechtfertigt angesehen. Das gegenüber Wettbüros höhere Suchtpotenzial und die durch aktuelle Studien belegte Anziehungskraft von Geldspielautomaten auf Jugendliche geböten es, für Spielhallen an dem Mindestabstand von 500 Metern zu Einrichtungen für Minderjährige festzuhalten (ebd.). Das Berufungsurteil ist vor dieser Änderung des Landesrechts ergangen und konnte sich mit dem klägerischen Einwand der Ungleichbehandlung nicht auseinandersetzen. Gegen die vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Differenzierung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die höhere Gefahreneinschätzung des Landesgesetzgebers für Spielhallen im Umfeld von Kindern und Jugendlichen ist nicht offensichtlich fehlsam und stellt einen hinreichenden sachlichen Grund für die Wahl eines größeren Mindestabstandes als für Wettbüros dar.

29

bbb) Die Klägerin wird auch gegenüber Gaststätten und Spielbanken in Rheinland-Pfalz, für die kein Mindestabstand zu Einrichtungen für Minderjährige vorgeschrieben ist, nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Insoweit kann auf die folgenden Ausführungen des Senatsurteils im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 zu den umfassenden Rügen einer Ungleichbehandlung von Spielhallen in Berlin gegenüber anderen Spielorten verwiesen werden:

"Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 - BVerfGE 139, 1 <12 f.>). Diesem Maßstab genügen die für die Feststellungsanträge der Klägerin relevanten Regelungen über die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen.

aaa) Gegenüber Spielbanken in Berlin werden Spielhallen durch die angegriffenen Regelungen nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Der Gesetzgeber darf Anforderungen an das Spiel an gewerblich zugelassenen Spielautomaten in Spielhallen und das Spiel an Automaten in Spielbanken (sog. kleines Spiel) trotz der Ähnlichkeit beider Glücksspielformen jeweils gesondert regeln. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts liegt insoweit hier kein vergleichbarer Sachverhalt vor, weil die Spielbank Berlin nur wenige Außenstellen hat. Zu ihnen besteht zudem im Hinblick auf das Ziel der Suchtbekämpfung ein strenger reglementierter Zugang. Demgegenüber gibt es in Berlin hunderte von Spielhallen, die für potenzielle Spieler in deren unmittelbarem Lebensumfeld leicht zugänglich sind (UA S. 58). Dass die weitaus größere Verfügbarkeit des Automatenspiels eine höhere Gefahreneinschätzung für Spielhallen rechtfertigt, entspricht auch den von der Klägerin im Revisionsverfahren eingereichten Ausführungen des Suchtexperten Zeltner, trotz höheren Risikopotenzials der Geldspielgeräte in Spielbanken sei die Gefährdung durch die höhere Verfügbarkeit von Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten größer (S. 24 der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 24. November 2016).

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der rechtlichen Anforderungen an Spielbanken in Berlin verletzen die festzustellenden Regelungsunterschiede nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Spielbanken unterliegen dort der gleichen Sperrzeit für das Automatenspiel wie Spielhallen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (Spielbankengesetz - SpBG BE) vom 8. Februar 1999, GVBl. BE 1990 S. 70, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. März 2010, GVBl. BE 2010 S. 124, i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 der von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport erlassenen Spielordnung für die Spielbank Berlin vom 16. Januar 2008, https://www.berlin.de/sen/inneres/buerger-und.../spielo_spielbank_01-2008.pdf). Allerdings dürfen in ihnen ohne Höchstzahlbegrenzung Automaten aufgestellt werden, die nicht den spielerschützenden Bauartbeschränkungen des Gewerberechts unterliegen (vgl. § 33h Nr. 1 GewO) und die anerkanntermaßen ein höheres Gefährdungspotenzial beinhalten. Werbung für das Glücksspiel in Spielbanken wird in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 5 GlüStV weniger stark beschränkt als für Spielhallen in § 4 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE, § 26 Abs. 1 GlüStV. Spielbanken unterliegen jedoch im Hinblick auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht Anforderungen, die insgesamt jedenfalls kein geringeres Schutzniveau als die Regelungen für Spielhallen gewährleisten. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer öffentlichen Spielbank in Berlin (§ 2 SpBG BE). Der repressive Erlaubnisvorbehalt gewährleistet eine staatliche Kontrolle auch der Anzahl von Spielbanken. Eine Erlaubnis wird befristet erteilt (§ 2 Abs. 6 SpBG BE). Spielbanken sind dem länderübergreifenden Sperrsystem nach §§ 8 und 23 GlüStV angeschlossen und müssen durch Einlass- und Identitätskontrollen (§ 5 Spielordnung BE) nicht nur Selbstsperrungen, sondern auch Fremdsperrungen aus dem gesamten Bundesgebiet umsetzen, die aufgrund von Wahrnehmungen des Personals oder Meldungen Dritter vorgenommen worden sind. Das Geschehen an Spielautomaten ist u.a. zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebes laufend videotechnisch zu überwachen (§ 10a SpBG BE). Es entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung, dass Spielbanken und gewerbliches Glücksspiel wegen unterschiedlicher ordnungsrechtlicher Ziele auch unterschiedlich geregelt werden dürfen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 2003 - 6 B 33.03 - GewArch 2003, 433, vom 24. August 2001 - 6 B 47.01 - GewArch 2001, 476 und vom 15. Dezember 1994 - 1 B 190.94 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 8 S. 6).

bbb) Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht dadurch verletzt, dass die Anforderungen an das Automatenspiel in Gaststätten hinter den für Spielhallen geltenden Einschränkungen zurückbleiben. Das Land Berlin hat bislang keine Regelungen über das Automatenspiel in Gaststätten erlassen. Aufgrund der fortgeltenden bundesrechtlichen Spielverordnung dürfen in Gaststätten höchstens drei, ab dem 10. November 2019 höchstens zwei Geldspielgeräte aufgestellt werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV sowie Art. 5 der 6. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 4. November 2014, BGBl. I S. 1678). Allerdings sind für sie weder ein Mindestabstand noch ein Sichtschutz zwischen den Geräten vorgeschrieben. Für Gaststätten gilt lediglich eine Sperrzeit zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr (vgl. § 6 Abs. 1 der Gaststättenverordnung vom 10. September 1971, GVBl. S. 1778, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2005, GVBl. S. 754). Die Einhaltung des Verbots der Teilnahme von Minderjährigen am öffentlichen Glücksspiel (§ 6 Abs. 2 JuSchG, § 2 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 GlüStV) ist durch ständige Aufsicht sicherzustellen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV). Der Zutritt zu Gaststätten ist jedoch für Minderjährige, anders als der Zutritt zu Spielhallen, nicht generell verboten. Er kann Jugendlichen ab 16 Jahren zwischen 5:00 Uhr und 24:00 Uhr auch ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person grundsätzlich gestattet werden (vgl. § 4 Abs. 1 JuSchG), sodass sie das Automatenspiel Erwachsener dort zumindest beobachten können. Gaststätten mit Geldspielautomaten unterliegen den Anforderungen der §§ 5 bis 7 GlüStV an Werbung für Glücksspiel und sind ebenfalls zur Erstellung eines Sozialkonzeptes, Schulung von Personal und Bereithaltung von spielrelevanten Informationen verpflichtet.

Es ist nicht zu bestreiten, dass der hierdurch gewährleistete Schutz vor Spielsucht im Bereich des gewerblichen Automatenspiels in Gaststätten bislang geringer ist als in Spielhallen, obwohl Spielautomaten in Gaststätten ebenfalls im unmittelbaren Lebensumfeld potenzieller Spieler leicht zugänglich sind. Vom Spielangebot in Spielhallen und in Gaststätten gehen jedoch unterschiedliche Gefahren aus, die es rechtfertigen, dass der Landesgesetzgeber zunächst strengere Beschränkungen für Spielhallen eingeführt hat (vgl. auch VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 20. Juni 2014 - 96/13 - NVwZ-RR 2014, 825 <827>). Die deutlich geringere Anzahl von drei, künftig zwei höchstens zulässigen Spielgeräten in Gaststätten gegenüber acht Geräten in Spielhallen verringert den suchtgefährdenden Spielanreiz, der nach Einschätzung des Gesetzgebers mit einem vielfältigen Spielangebot verbunden ist. In Gaststätten sehen sich Spieler anders als in Spielhallen regelmäßig einer Sozialkontrolle durch nicht spielende Gäste ausgesetzt. Regelungsunterschiede lassen sich auch dadurch rechtfertigen, dass Gaststätten ihr Gepräge durch das Verabreichen von Getränken und Speisen erhalten und nur gelegentlich dem Automatenspiel der Besucher dienen, während Spielhallen regelmäßig allein um des Spiels Willen aufgesucht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1991 - 1 B 174.90 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 5 S. 5; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 u.a. - NVwZ 1997, 573 <575> und vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - BVerfGK 16, 162 <175>).

ccc) Das nach dem Vortrag der Klägerin in Berlin bestehende Spielangebot in illegalen Spielstätten - sog. 'Café-Casinos' - kann schon deshalb nicht ihr Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, weil solche Spielstätten denselben rechtlichen Vorschriften unterworfen sind wie Spielhallen, sofern sie die Voraussetzungen eines Unternehmens nach § 1 Abs. 1 und 2 SpielhG BE erfüllen oder dies nach § 1 Abs. 2 Satz 2 SpielhG BE jedenfalls gesetzlich vermutet wird (s.o.)."

30

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis zu Spielbanken ist auch in Rheinland-Pfalz nicht gegeben, weil diese im Lebensumfeld potenzieller Spieler nicht in vergleichbarer Weise verfügbar sind wie Spielhallen. § 2 des Spielbankgesetzes Rheinland-Pfalz (Gesetz vom 19. November 1985, GVBl. RP S. 260, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015, GVBl. RP S. 473) sieht für das gesamte Bundesland sechs Standorte für öffentliche Spielbanken bzw. deren Zweigspielbetriebe vor. Auch in Rheinland-Pfalz ist die Erlaubnis für Spielbanken als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ausgestaltet (§§ 3, 4 Spielbankgesetz RP), sind Spielbanken an das bundesweite Sperrsystem nach §§ 20, 23 GlüStV anzuschließen und entsprechende Einlass- und Identitätskontrollen durchzuführen (§ 3 Abs. 1 bis 3 des Landesverordnung über den Spielbetrieb in öffentlichen Spielbanken - Spielordnung - vom 21. Juli 2008, GVBl. RP S. 135, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juni 2012, GVBl. RP S. 166). Außerdem findet eine Videoüberwachung u.a. des Spielbetriebes statt (§ 4a Spielordnung).

31

b) aa) Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich auch ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit nach Art. 56, 49 AEUV nicht erkennen. Insoweit nimmt der Senat auf die folgenden Ausführungen in seinem Urteil vom selben Tage im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 Bezug:

"Der Gewährleistungsgehalt dieser Grundfreiheiten wäre nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorläge (vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Juli 2016, Art. 45 AEUV Rn. 53 f. m.w.N.). Dafür reicht es nicht aus, dass die Klägerin oder Kunden ihrer Spielhallen hypothetisch von einer unionsrechtlichen Grundfreiheit Gebrauch machen könnten. Weder dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt noch dem Vortrag der Klägerin lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Klägerin, bei der es sich um eine nach deutschem Recht gegründete juristische Person mit Sitz in Deutschland handelt, die dort ihre Spielhallen betreibt, wegen eines grenzüberschreitenden Bezuges auf die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit berufen kann. Soweit der Europäische Gerichtshof nationale Regelungen, mit denen das Automatenspiel in stationären Glücksspielstätten eingeschränkt wurde, am Maßstab der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit gemessen hat, war nach dem jeweiligen Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Gerichts ein grenzüberschreitender Sachverhalt jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juli 2012 - C-470/11 [ECLI:EU:C:2012:505], Garkalns - NVwZ 2012, 1162 <1163> und vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:EU:C:2015:386], Berlington Hungary - ZfWG 2015, 336 <340>).

Selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin oder ihre Kunden durch die angegriffenen Regelungen in der Wahrnehmung einer unionsrechtlichen Grundfreiheit beschränkt würden, wären diese Regelungen nicht wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot unanwendbar. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass Monopolregelungen nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden dürfen, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 < 58 ff., 71 ff.> m.w.N.).

Der Europäische Gerichtshof hat das unionsrechtliche Kohärenzgebot für das Glücksspiel in seiner bisherigen Rechtsprechung lediglich im Bereich staatlicher Monopolregelungen für relevant gehalten. Der Senat kann offenlassen, ob es auch in nicht monopolisierten Bereichen des Glücksspielrechts Wirkung entfaltet, soweit eine unionsrechtliche Grundfreiheit berührt ist. Denn es läge hier jedenfalls kein Verstoß gegen die aus ihm abgeleiteten Anforderungen vor. Das monopolspezifische Gebot der Binnenkohärenz hätte für Regelungsbereiche außerhalb eines staatlichen Monopols keine Relevanz. Es bestehen überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen lediglich 'scheinheilig' zur Suchtbekämpfung eingeführt worden wären, tatsächlich aber einem anderen - insbesondere fiskalischen - Zweck dienten. Zu ihnen gibt es auch bereichsübergreifend keine gegenläufigen landesgesetzlichen Regelungen oder eine sie konterkarierende Politik, für die zu prüfen wäre, ob sie die Wirksamkeit der für Spielhallen geltenden Einschränkungen beeinträchtigen könnten."

32

Auch für das Land Rheinland-Pfalz ist keine Expansionspolitik in einem Sektor mit gleich hohem wie oder höherem Suchtpotenzial als dem Automatenspiel erkennbar, die der Zielsetzung des Mindestabstandsgebots im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige zuwiderliefe. Für die Eröffnung des Gewährleistungsgehalts der genannten Grundfreiheiten ergibt sich aus dem nicht näher konkretisierten Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nichts anderes als in dem zitierten, eine Berliner Spielhallenbetreiberin betreffenden Urteil. Das gilt für das Vorbringen, es sei denkbar, dass sie vom Ausland aus eine Spielhalle betreiben wolle, ebenso wie für den weiteren Vortrag, außerdem werde ihr Angebot wegen der Grenznähe von Spielern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union wahrgenommen. In den für das Revisionsverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) findet dieser Vortrag keinen Rückhalt. Verfahrensrügen hat die Klägerin auch insoweit nicht erhoben.

33

bb) Die für das Verpflichtungsbegehren der Klägerin entscheidungserhebliche Erteilungsvoraussetzung der Einhaltung des Mindestabstandes zu überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP ist schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21. Juli 1998 S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. L 363 S. 81) unanwendbar. Hierzu nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in seinem Urteil zum Verfahren BVerwG 8 C 6.15, die umfassende landesrechtliche Einschränkungen für Spielhallen in Berlin betrafen:

"Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten der Kommission den Entwurf einer technischen Vorschrift übermitteln und die Kommission über die Gründe der Festlegung der technischen Vorschrift unterrichten. Der Entwurf darf nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der Kommission angenommen werden. Ein Verstoß gegen die Notifikationspflicht führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Ince - NVwZ 2016, 369 <372>). Anders als der Glücksspielstaatsvertrag sind die Entwürfe des Spielhallengesetzes ... und des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag des Landes Berlin nicht an die Europäische Kommission übermittelt worden.

Die hier angegriffenen Vorschriften dieser Gesetze unterlagen nicht der Informationspflicht aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/34/EG, da sie keine 'technischen Vorschriften' im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie darstellen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sie unter den vier Kategorien von Maßnahmen, die der Begriff 'technische Vorschrift' umfasst (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 [ECLI:EU:C:2016:771], Naczelnik - Rn. 18 m.w.N.), allenfalls den 'sonstigen Vorschriften' im Sinne von Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG zuzuordnen wären. Der Europäische Gerichtshof sieht nationale Vorschriften, die bestimmte Verwendungsmöglichkeiten eines Erzeugnisses nach seinem Inverkehrbringen einschränken, nur dann als notifizierungspflichtige 'sonstige Vorschriften' nach Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG an, wenn sie auf das Erzeugnis selbst bezogen sind und dessen Zusammensetzung, Art oder Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH, Urteile vom 21. April 2005 - C-267/03 [ECLI:EU:C:2005:246], Lindberg - Rn. 62 ff., 95; vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. [ECLI:EU:C:2012:495], Fortuna - NVwZ-RR 2012, 717 <718 Rn. 35 ff.> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 20 ff., 29). Ob die Größe des Marktes für das Erzeugnis durch diesem nicht selbst anhaftende Anforderungen beeinflusst wird, ist dagegen für die Notifizierungspflicht unerheblich (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Die Verwendungsbeschränkung muss sich demnach auf jedes Exemplar des betreffenden Erzeugnisses beziehen und ihm dadurch kraft seiner Beschaffenheit im weiteren Lebenszyklus anhaften. Dies wird auch daran deutlich, dass eine nationale Verwendungsbeschränkung nur dann als 'sonstige Vorschrift' mitteilungspflichtig ist, wenn sie die Nutzungskanäle für das betreffende Erzeugnis verringert (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 <345> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 26). Das ist der Fall, wenn in einem bestimmten Nutzungskanal kein Exemplar des betreffenden Erzeugnisses mehr verwendet werden darf. Dies traf auf die mitgliedstaatlichen Verbote der Verwendung von Spielautomaten außerhalb von Spielcasinos, die der Europäische Gerichtshof als notifizierungspflichtig angesehen hat, zu (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 Rn. 99 und vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. - NVwZ-RR 2012, 717 ). Eine geplante nationale Regelung ist dagegen nicht nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie mitteilungspflichtig, wenn sie den potenziellen Einsatzbereich eines Erzeugnisses lediglich bestimmten Bedingungen unterwirft und ihn damit in einer Weise beschränkt, die nicht für jedes einzelne Exemplar zum Tragen kommt.

Weder die Abstandsgebote zu anderen Spielhallen und sonstigen Einrichtungen noch die Verringerung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen oder sonstige der hier streitgegenständlichen Anforderungen an die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen haften dem Erzeugnis der Spielautomaten als solches an und verringern ihre Nutzungskanäle. Sie führen vielmehr zu einer stärkeren Spreizung zulässiger Spielhallenstandorte im Berliner Stadtgebiet und zu einer verringerten Dichte an Geldspielgeräten innerhalb dieser Spielstätten. Anders als eine Beschränkung des Einsatzes von Glücksspielautomaten außerhalb einer definierten Kategorie stationärer Spielstätten haften sie nicht jedem Exemplar dieser Automaten an, sondern verringern die Größe des Marktes für Spielautomaten und möglicherweise auch deren Wert, was indes für die Frage der Notifizierungspflicht irrelevant ist (EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Auch nach vollständiger Umsetzung der angegriffenen Regelungen im Land Berlin bleibt die Verwendung von Spielgeräten in Spielhallen zulässig, selbst wenn einige Betreiber zur Wahl eines anderen Standortes veranlasst werden und in einer Spielhalle nur eine geringere Zahl von Geräten aufgestellt werden darf."

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen waren der Klägerin nicht aufzuerlegen, da er sich nicht mit eigenen Anträgen am Kostenrisiko beteiligt hat.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Eintragung seines Fachwerkhauses in die Denkmalliste. Im angefochtenen Bescheid begründete die Beklagte die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes mit ortsgeschichtlichen, städtebaulichen und hauskundlichen Gründen. Sie nahm dabei Bezug auf eine Stellungnahme der beigeladenen Fachbehörde. Darin ging diese davon aus, dass das in zwei Bauphasen errichtete Haus im Jahre 1813 seine jetzige Gestalt erhalten habe. In einer im Widerspruchsverfahren vorgelegten weiteren Stellungnahme korrigierte die Fachbehörde diese Annahme und datierte die zweite Bauphase, in der das Haus wesentlich vergrößert worden sei, auf die Zeit vor 1876, bestätigte aber den Denkmalwert des Gebäudes; auf diese Stellungnahme verwies die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt. Der angefochtene Bescheid sei wegen eines beachtlichen Begründungsmangels, der auch nicht geheilt worden sei, rechtswidrig. Im Bescheid seien keine für die Erhaltung und Nutzung des Hauses sprechenden Schutzgründe benannt, die der zuletzt festgestellten Baugeschichte Rechnung trügen. Die erforderliche Begründung sei im Widerspruchsverfahren nicht nachgeholt worden. Im gerichtlichen Verfahren sei die Begründung in unzulässiger Weise ausgetauscht worden. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe das Fachwerkhaus zu Recht als Denkmal eingestuft. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids enthalte die nach § 39 Abs. 1 VwVfG NRW erforderliche Begründung. Für die formelle Rechtmäßigkeit sei ohne Belang, ob die angeführten Gründe die Unterschutzstellung letztlich trügen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung in die Denkmalliste lägen vor. Die Denkmalwürdigkeit stehe zur Überzeugung des Senats fest.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen sein Urteil nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

3

Die Beschwerde ist unzulässig. Das Vorbringen des Klägers führt auf keinen der von ihm in Anspruch genommenen Zulassungsgründe; es genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

4

1. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Das leistet der Kläger nicht. Er verkennt, dass die genannte gesetzliche Regelung nur Verstöße des Tatsachengerichts gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrensrechts erfasst, also Fehler, die das Gericht bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die folglich den Weg zur abschließenden Sachentscheidung und die Art und Weise ihres Erlasses, nicht aber deren Inhalt betreffen (vgl. Beschlüsse vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 und vom 18. Juni 2007 - BVerwG 2 B 36.07 - juris Rn. 5). Die vom Kläger im Anschluss an die Ausführungen des Verwaltungsgerichts gerügten Mängel des vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens sind Gegenstand der materiell-rechtlichen Beurteilung des Gerichts. Sie bleiben demnach grundsätzlich außer Betracht (vgl. schon Urteil vom 4. Dezember 1959 - BVerwG 6 C 455.56 - BVerwGE 10, 37 <43> = Buchholz 234 § 62 G 131 Nr. 11 sowie Beschluss vom 8. Januar 2009 - BVerwG 7 B 42.08 - Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 77) und können nur ausnahmsweise als gerichtliche Verfahrensmängel angesehen werden, wenn sie sich auf das gerichtliche Verfahren, auf die verfahrensrechtliche Stellung und Behandlung des Beteiligten in diesem Verfahren auswirken (vgl. Beschlüsse vom 7. Dezember 1983 - BVerwG 7 B 159.83 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 13 und vom 1. Juni 1995 - BVerwG 5 B 30.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 7). Solche Besonderheiten liegen hier ersichtlich nicht vor.

5

2. Mit der auf Fehler des behördlichen Verfahrens bezogenen Grundsatzrüge dringt der Kläger ebenso wenig durch. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. An der entsprechenden Darlegung fehlt es.

6

Der Kläger möchte sinngemäß die Frage geklärt wissen, ob die Widerspruchsbehörde die von der Ausgangsbehörde zur Begründung der Denkmaleigenschaft angeführten Annahmen im Laufe des Verwaltungsverfahrens austauschen darf. Revisionsrechtlicher Überprüfung zugänglich ist nach § 137 Abs. 1 VwGO allein die auf die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen bezogene Frage der Zulässigkeit des Austausches der Begründung eines belastenden Verwaltungsakts durch die Widerspruchsbehörde. Ein Klärungsbedarf wird insoweit indessen nicht aufgezeigt; denn die Frage ist auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ohne Weiteres zu bejahen.

7

Im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis nimmt die Widerspruchsbehörde gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei Erlass des Widerspruchsbescheids nach § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine umfassende Überprüfung der Rechtmäßigkeit sowie bei Ermessensentscheidungen - vorbehaltlich von Sonderregelungen bei Selbstverwaltungsangelegenheiten - der Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheids vor. Eine Bindung an die Rechtsauffassung und die Sachverhaltsfeststellungen der Ausgangsbehörde besteht dabei nicht, sodass die Widerspruchsbehörde deren Entscheidung ggf. auch mit abweichenden Erwägungen bestätigen kann. Für die gerichtliche Nachprüfung der Behördenentscheidung ist dann der Widerspruchsbescheid von maßgeblicher Bedeutung. Ausgangs- und Widerspruchverfahren stellen zwar zwei Verwaltungsverfahren dar. Diese bilden aber eine Einheit, denn gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gibt erst der Widerspruchsbescheid der behördlichen Entscheidung die für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt. Das gilt auch dann, wenn der Widerspruchsbescheid den Entscheidungsausspruch unverändert lässt; in dieser Situation kommt es für die Überprüfung der formellen Rechtmäßigkeit in Bezug auf die Bestimmtheits- und Begründungsanforderungen ebenfalls auf die Gestalt an, die der ursprüngliche Verwaltungsakt durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 7 C 14.05 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 42; Beschluss vom 30. April 1996 - BVerwG 6 B 77.95 - Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 32). Die daran anschließende Frage, ob der angefochtene Bescheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (vgl. Urteile vom 19. August 1988 - BVerwG 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96 <98> = Buchholz 406.11 § 135 BBauGB Nr. 30 und vom 31. März 2010 - BVerwG 8 C 12.09 - Buchholz 451.20 § 33c GewO Nr. 8).

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung, mit der der Klägerin die Annahme und die Vermittlung von Sportwetten untersagt wurde. Darüber hinaus wendet sie sich gegen zwei Zwangsgeldfestsetzungsbescheide.

2

Die Klägerin vermittelte im März 2010 in ihrer Betriebsstätte W.straße ... in L. Sportwetten an einen privaten Wettunternehmer. Daraufhin untersagte ihr die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD) mit Ordnungsverfügung vom 19. April 2010 auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV 2008, GVBl. RP 2007, 244) i.V.m. §§ 6, 11 des Landesgesetzes zu dem Glücksspielstaatsvertrag (Landesglücksspielgesetz - LGlüG, GVBl. RP 2007, 240) in ihren Geschäftsräumen sowie im gesamten Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz die Annahme und Vermittlung von Sportwetten aller Anbieter, die nicht über eine Erlaubnis des Landes Rheinland-Pfalz nach dem Landesglücksspielgesetz verfügten, und forderte sie auf, den Betrieb der Annahmestelle für Sportwetten einzustellen. Außerdem ordnete die Behörde die Einstellung der Werbung für Sportwetten an. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte sie jeweils die Festsetzung eines Zwangsgeldes an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe in ihren Betriebsräumen ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis Sportwetten angenommen und vermittelt. Sie habe auch keine Aussicht, eine Erlaubnis zu erhalten, weil die Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele im Interesse der Eindämmung und Lenkung des Spieltriebs der Bevölkerung in Deutschland monopolisiert sei. Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin sei keine andere Ermessensentscheidung möglich.

3

Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass die Klägerin weiterhin Sportwetten vermittelte und die Werbung hierfür nicht eingestellt hatte, setzte die ADD mit Bescheiden vom 27. September 2011 und vom 4. November 2011 die angedrohten Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 25 000 € fest. Die hiergegen erhobenen Widersprüche wurden nicht beschieden. Die Klägerin beglich die Zwangsgelder am 27. Oktober 2011 und am 5. Dezember 2011.

4

Den Widerspruch der Klägerin gegen die Untersagungsverfügung wies die ADD mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2012 zurück. Da es sich bei der Untersagung um einen Dauerverwaltungsakt handele, sei maßgeblich auf die derzeitige Sach- und Rechtslage abzustellen. Die von der Klägerin vermittelten Sportwetten wären als öffentliches Glücksspiel nur erlaubt, wenn dafür eine Erlaubnis nach § 6 Abs. 1 LGlüG i.V.m. § 4 Abs. 1 GlüStV 2008 vorliege. Daran fehle es jedoch. Im Herbst 2010 sei das Erlaubnisverfahren auch für die private Vermittlung von Sportwetten vorsorglich eröffnet worden. Sofern einem Veranstalter eine Erlaubnis erteilt werde, könne für diesen Veranstalter auch eine Vermittlungserlaubnis beantragt werden. Im Fall der Klägerin lägen beide Erlaubnisse derzeit nicht vor. Die Voraussetzungen für deren Erteilung seien auch nicht offensichtlich erfüllt. Nach nochmaliger Ermessensausübung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes werde die Untersagung zur Durchsetzung der Ziele des § 1 GlüStV 2008 aufrechterhalten.

5

Am 30. April 2012 hat die Klägerin Klage gegen die Untersagungsverfügung erhoben, in die sie im Dezember 2012 die beiden Zwangsgeldfestsetzungsbescheide einbezogen hat. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20. Juni 2013 den Bescheid vom 19. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2012 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben und festgestellt, dass die Untersagungsverfügung im Zeitraum von ihrer Bekanntgabe am 5. Mai 2010 bis zur Eröffnung des Erlaubnisverfahrens am 8. November 2010 rechtswidrig gewesen sei; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

6

Im Berufungsverfahren, dessen Gegenstand nur noch die Untersagungsverfügung für den Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 3. April 2012 sowie die beiden Zwangsgeldfestsetzungsbescheide waren, hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 1. Juli 2014 das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert. Es hat die beiden Zwangsgeldfestsetzungsbescheide vom 27. September 2011 und vom 4. November 2011 sowie die betriebsstättenbezogenen Anordnungen der Untersagungsverfügung vom 19. April 2010 für den Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 5. Dezember 2011 aufgehoben und weiterhin festgestellt, dass die Untersagungsverfügung im Zeitraum vom 6. Dezember 2011 bis zum 3. April 2012 rechtswidrig gewesen sei; die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen.

7

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Zwangsgeldfestsetzungsbescheide seien rechtswidrig, weil ihnen im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Zwangsmittelverfahrens, also am 5. Dezember 2011, eine rechtmäßige Grundlage gefehlt habe. Die ihnen zugrunde liegende und nicht bestandskräftige Untersagungsverfügung vom 19. April 2010 sei zu diesem Zeitpunkt ermessensfehlerhaft gewesen, weil sie auf das staatliche Sportwettenmonopol gestützt gewesen sei. Der Beklagte habe zwar nach Abschluss der Zwangsmittelverfahren seine Ermessensausübung modifiziert und die Zurückweisung des Widerspruchs durch Bescheid vom 27. März 2012 mit dem Fehlen einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis begründet. Diese Änderung der Ermessensausübung hinsichtlich der Untersagungsverfügung wirke aber weder auf den Zeitpunkt ihres Erlasses noch auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Zwangsmittelverfahren zurück.

8

Die betriebsstättenbezogenen Anordnungen der Untersagungsverfügung vom 19. April 2010 seien für den Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 5. Dezember 2011 rechtswidrig gewesen, weil sie ermessensfehlerhaft mit dem Sportwettenmonopol begründet worden seien. Das Sportwettenmonopol sei in diesem Zeitraum schon wegen der Werbung des Monopolträgers für die Sportwette Oddset und für andere Monopolangebote als Sportwetten sowie der im Rahmen des deutschen Lotto- und Totoblocks abgestimmten Werbestrategie unter einer gemeinsamen Dachmarke sowohl nach europarechtlichen als auch nach verfassungsrechtlichen Maßstäben zu beanstanden. Soweit sich der Beklagte auf seine Bereitschaft berufe, seit dem Herbst 2010 auch privaten Wettveranstaltern und Wettvermittlern die erforderlichen glücksspielrechtlichen Erlaubnisse zu erteilen, habe das keinen Eingang in die Ermessensbetätigung gefunden. Erst im Widerspruchsbescheid, also zeitlich nach dem hier maßgeblichen Zeitraum, habe sich der Beklagte auf den Erlaubnisvorbehalt berufen.

9

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend: Das angefochtene Urteil verletze § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Das Widerspruchsverfahren sei kein gesondertes zusätzliches Verwaltungsverfahren, sondern bilde mit dem Ausgangsverfahren eine Einheit. Bei der gebotenen gemeinsamen Überprüfung von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid liege kein Ermessensfehler vor. Außerdem habe das Oberverwaltungsgericht die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB missachtet. Bei zutreffender Auslegung des Ausgangsbescheids vom 19. April 2010 sei davon auszugehen, dass auch dieser schon maßgeblich auf den Erlaubnisvorbehalt und erst nachrangig auf das Monopol gestützt gewesen sei. Ferner sei das Berufungsgericht von einem unzulässig engen Werbebegriff ausgegangen, der weder mit Gemeinschaftsrecht noch mit deutschem Gesetzesrecht in Einklang stehe. Es sei auch nicht überzeugend, ein strukturelles Vollzugsdefizit darin zu sehen, dass im gesamten entscheidungserheblichen Zeitraum systematisch gegen die Werbebeschränkungen verstoßen worden sei. Die glücksspielrechtliche Betätigung der Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt offensichtlich erlaubnisfähig gewesen. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Februar 2016 in der Rechtssache - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Sebat Ince - könne die Klägerin nichts für sich herleiten. Schließlich seien auch die Zwangsgeldfestsetzungsbescheide rechtmäßig.

10

Im Laufe des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Untersagung für den Zeitraum vom 6. Dezember 2011 bis zum 3. April 2012 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

11

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Juli 2014 zu ändern und die Berufung der Klägerin hinsichtlich der betriebsstättenbezogenen Untersagungsverfügung des Beklagten (Ziff. 1, 3, 4, 5, 6 ,8, 9 und 10) für den Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 5. Dezember 2011 sowie hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzungsbescheide des Beklagten vom 27. September 2011 und vom 4. November 2011 zurückzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Das im November 2010 in Rheinland-Pfalz eröffnete Erlaubnisverfahren sei ein unzureichendes "Alibiverfahren" gewesen, dem es an der erforderlichen Transparenz gefehlt habe. Privaten Sportwettenanbietern seien keine Erlaubnisse erteilt worden. Auch der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 4. Februar 2016 die übergangsweise Durchführung eines provisorisch eingerichteten Erlaubnisverfahrens nicht als unionsrechtskonforme Ausgestaltung des Monopols gewertet.

Entscheidungsgründe

14

Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Insoweit sind die Urteile der Vorinstanzen klarstellend für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Im Übrigen hat die Revision des Beklagten Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einer unzutreffenden Anwendung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Da seine Tatsachenfeststellungen keine abschließende Entscheidung zulassen, war das angegriffene Urteil, soweit es den verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Untersagungsverfügung und die beiden Zwangsgeldfestsetzungsbescheide betrifft, aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

15

1. Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage gegen die angegriffene Untersagungsverfügung bezüglich des verfahrensgegenständlichen Zeitraums vom 8. November 2010 bis zum 5. Dezember 2011 als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig ist. Sie ist in Ansehung der Vollstreckung der Untersagungsverfügung mittels Zwangsgeldes statthaft, weil insoweit noch eine Beschwer durch die betriebsstättenbezogenen Anordnungen bezüglich des bereits abgelaufenen Zeitraums vorliegt.

16

Glücksspielrechtliche Untersagungen erledigen sich als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung grundsätzlich von Tag zu Tag fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum. Eine Erledigung tritt allerdings nicht ein, wenn die Untersagung für den abgelaufenen Zeitraum gegenwärtig noch nachteilige Rechtswirkungen für den Betroffenen entfaltet. Das ist der Fall, wenn sie die Rechtsgrundlage für noch rückgängig zu machende Vollstreckungsmaßnahmen bildet. Dazu gehört die Vollstreckung mittels Zwangsgeldes, weil sie bei Aufhebung der Grundverfügung rückabgewickelt werden kann. Die Rückzahlung eines gezahlten Zwangsgeldes kann nicht auf dem Weg über ein Schadensersatzverlangen auf die Sekundärebene verschoben werden, sondern setzt die Beseitigung der Grundverfügung voraus, die der Vollstreckung zugrunde liegt. Wird ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie hier die Untersagungsverfügung - nur in bestimmten Abschnitten seines Geltungszeitraums zwangsweise durchgesetzt, genügt es zur Rückabwicklung der Vollstreckung, die Untersagungsverfügung in Ansehung des Zeitraums zu beseitigen, in welchem sie zwangsweise durchgesetzt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 - juris Rn. 19 f.).

17

Im vorliegenden Fall wurde die Untersagungsverfügung mit Zwangsgeldfestsetzungen durchgesetzt, bis die Klägerin am 5. Dezember 2011 das Zwangsgeld in gesamter Höhe beglichen und den Betrieb der Sportwettenvermittlung - bis zur späteren Wiederaufnahme aufgrund einer vom Beklagten erteilten Duldung - eingestellt hat. In Ansehung dieser Zwangsvollstreckung ist die Anfechtungsklage statthaft.

18

Die Anfechtung der Zwangsgeldfestsetzungen vom 27. September 2011 und vom 4. November 2011 hat das Oberverwaltungsgericht ebenfalls zu Recht für zulässig gehalten. Dass die von der Klägerin gegen die beiden Bescheide eingelegten Widersprüche nicht beschieden wurden, steht der Zulässigkeit der Klage gemäß § 75 VwGO nicht entgegen.

19

2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Anfechtungsklage sei für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 5. Dezember 2011 sowie hinsichtlich der beiden Zwangsgeldfestsetzungsbescheide auch begründet, hält jedoch der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil steht insoweit nicht im Einklang mit Bundesrecht, weil es § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

20

a) Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Beklagten die bundesrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB bei Auslegung des Ausgangsbescheids vom 19. April 2010 nicht missachtet. Diese Bestimmungen sind auf öffentlich-rechtliche Erklärungen entsprechend anzuwenden. Bei Verwaltungsakten kommt es wie bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen auf den objektiven Erklärungswert an. Maßgeblich ist, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen musste. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 27). Die Auslegung des Ausgangsbescheids vom 19. April 2010 durch das Oberverwaltungsgericht genügt diesen Anforderungen. Sie hat den objektiven Erklärungswert dieses Bescheids mit der Annahme, die Untersagungsverfügung sei maßgeblich mit dem staatlichen Glücksspielmonopol begründet, das einen Antrag auf Erteilung der erforderlichen Erlaubnis für die Klägerin und den Wettanbieter aussichtslos erscheinen lasse, zutreffend erfasst.

21

b) Das Berufungsurteil beruht jedoch auf einer unzutreffenden Anwendung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Seine Annahme, der Widerspruchsbescheid vom 27. März 2012 einschließlich der darin enthaltenen Ermessenserwägungen sei nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung, steht nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

22

Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Das in §§ 68 ff. VwGO geregelte Widerspruchsverfahren ist kein gesondertes Verwaltungsverfahren, sondern bildet mit dem Ausgangsverfahren eine Einheit, das erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen wird (BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1989 - 8 C 14.88 - BVerwGE 84, 178 <181> und vom 23. August 2011 - 9 C 2.11 - BVerwGE 140, 245 Rn. 20). Diese Einheit setzt sich im gerichtlichen Verfahren fort, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zeigt. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie hat grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Ausgangsbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1978 - 7 C 68.77 - BVerwGE 57, 130 <145>; vom 11. Februar 1999 - 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274 <280> und vom 23. August 2011 - 9 C 2.11 - BVerwGE 140, 245 Rn. 20). Der Widerspruchsbescheid gibt dem Ausgangsbescheid seine endgültige und für den Verwaltungsprozess maßgebliche Gestalt. Dementsprechend ist der gerichtlichen Prüfung der ursprüngliche Verwaltungsakt mit dem Inhalt und der Begründung zugrunde zu legen, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (BVerwG, Urteil vom 25. März 1981 - 8 C 69.80 - BVerwGE 62, 80 <81>). Trifft die Widerspruchsbehörde eine eigene Ermessensentscheidung, so tritt diese an die Stelle derjenigen der Ausgangsbehörde und führt bei - auch erstmaligen - Fehlern zugleich zur Aufhebung des Ermessensverwaltungsaktes (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 68 Rn. 14 und § 73 Rn. 13; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 79 Rn. 22).

23

Nach diesen Grundsätzen hätte das Oberverwaltungsgericht die gerichtliche Kontrolle nicht auf den Ausgangsbescheid vom 19. April 2010 beschränken dürfen, sondern hätte den Widerspruchsbescheid vom 27. März 2012 einschließlich der darin enthaltenen Ermessenserwägungen in seine Prüfung einbeziehen müssen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - (BVerwGE 147, 81 Rn. 32) nichts Anderes entnehmen. Es betrifft die Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 114 Satz 2 VwGO, das hier erst nach Ergehen des Widerspruchsbescheides eingeleitet wurde. Der vom Oberverwaltungsgericht aus dem zitierten Urteil gezogene Schluss, auch in einem vor Klageerhebung abgeschlossenen Widerspruchsverfahren sei eine Änderung der Ermessenserwägungen nicht zulässig, wenn die ursprüngliche Ermessensentscheidung im Kern ausgewechselt werde, findet in dieser Entscheidung keine Grundlage. Der von der Klägerin zur Frage der Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen im Verwaltungsverfahren angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es nicht, weil ein unionsrechtlicher Bezug dieser Frage im Sinne von Art. 267 Abs. 1 AEUV nicht gegeben ist. Der Berücksichtigung des Widerspruchsbescheids im berufungsgerichtlichen Verfahren steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihren in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht formulierten Antrag ausdrücklich auf den Ausgangsbescheid vom 19. April 2010 beschränkt hat. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO stellt insoweit klar, dass für die Prüfung des Ausgangsbescheids die Gestalt maßgeblich ist, die dieser durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 79 Rn. 6) und entzieht den Parteien insoweit die Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand. Ob und inwieweit Verwaltungsverfahrensrecht und § 114 Satz 2 VwGO einer gerichtlichen Berücksichtigung völlig neuer Ermessenserwägungen in einem erst nach Klageerhebung ergangenen Widerspruchsbescheid entgegenstehen können, muss hier nicht geklärt werden, weil das Widerspruchsverfahren bereits vor Klageerhebung abgeschlossen wurde.

24

3. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Es könnte sich trotz des Verstoßes gegen § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im Ergebnis als richtig erweisen, wenn auch die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2012 die Untersagung der Sportwettenvermittlung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht rechtfertigen könnte.

25

Anders als der ursprüngliche Verwaltungsakt hat die Widerspruchsbehörde das Vermittlungsverbot im Widerspruchsbescheid jedenfalls für den noch streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 8. November 2010 maßgeblich damit begründet, dass im Herbst 2010 in Rheinland-Pfalz ein Erlaubnisverfahren für Private eröffnet worden sei, die Klägerin aber nicht über die erforderliche Erlaubnis verfüge. Auf diese Begründung kann das Untersagungsermessen jedoch nur dann gestützt werden, wenn das Erlaubnisverfahren geeignet war, die Unionsrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols zu beheben. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass das rheinland-pfälzische Sportwettenmonopol im verfahrensgegenständlichen Zeitraum rechtswidrig war (a). Es hat jedoch - aus seiner Sicht folgerichtig - keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob das in Rheinland-Pfalz im Herbst 2010 für Private eröffnete Erlaubnisverfahren geeignet war, die Unionsrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols zu beheben (b). Da die Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils für eine abschließende Entscheidung des Senats insoweit nicht ausreichen, ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

26

a) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das staatliche Sportwettenmonopol sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unions- und verfassungsrechtlich unzulässig gewesen, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand. Seine Auffassung, das staatliche Monopol habe wegen der im Rahmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks abgestimmten Werbestrategie unter einer gemeinsamen Dachmarke sowie wegen der Werbung des Monopolträgers für die Sportwette Oddset und für andere Monopolangebote als Sportwetten dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot nicht genügt, ist revisionsrechtlich fehlerfrei. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht den Begriff der Werbung nicht unzulässig verengt. Es hat dem angefochtenen Urteil die einschlägige bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung sowie diejenige des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt. Gegen die Anwendung dieser Grundsätze ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern (zum Werbebegriff vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 35). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die keine wirksamen Verfahrensrügen erhoben wurden und an die der Senat gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), betreibt der Beklagte Werbemaßnahmen zusammen mit anderen im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengefassten Monopolträgern unter einer landesgrenzenübergreifend abgestimmten und systematisch umgesetzten Dachmarkenstrategie. Das Oberverwaltungsgericht ist weiterhin davon ausgegangen, dass es unabhängig hiervon auch wegen der Jackpot-Werbung für die Lotterie "6 aus 49" an der erforderlichen Binnenkohärenz des staatlichen Sportwettenmonopols fehlte. Weiterhin hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Präsentation der Glücksspirale vor der Hauptausgabe der Tagesschau, die Übertragung der Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen und die Jackpot-Werbung für die Lotterie "6 aus 49" im Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 5. Dezember 2011 nicht nur in einzelnen Fällen, sondern systematisch die unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung über einen längeren Zeitraum missachteten. Dass das Berufungsgericht aus dieser systematischen Missachtung der Werbebeschränkungen auf ein strukturelles Vollzugsdefizit geschlossen hat, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 50). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch in Ansehung der gegenteiligen Auffassung des Beklagten fest.

27

b) Ob das im Herbst 2010 in Rheinland-Pfalz für Private eröffnete Erlaubnisverfahren geeignet war, das unionsrechtswidrige staatliche Sportwettenmonopol zu beheben, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf ein mit dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbares staatliches Sportwettenmonopol auch für eine Übergangszeit nicht weiter angewandt werden (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - C-409/06 [ECLI:EU:C:2010:503], Winner Wetten - Rn. 69 und vom 24. Januar 2013 - C-186/11 [ECLI:EU:C:2013:33], Stanleybet - Rn. 38.). Zwar kann für eine Übergangszeit bis zur Anwendung einer glücksspielrechtlichen Neuregelung das Erlaubnisverfahren für Private eröffnet werden (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 57). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht jedoch die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV der strafrechtlichen Ahndung unerlaubter Sportwettenveranstaltung und -vermittlung entgegen, wenn das für Private eröffnete Erlaubnisverfahren nicht transparent, diskriminierungsfrei und gleichheitsgerecht ausgestaltet ist oder praktiziert wird und deshalb faktisch weiterhin ein staatliches Sportwettenmonopol besteht. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn ein privater Wirtschaftsteilnehmer zwar theoretisch eine Erlaubnis für die Veranstaltung oder die Vermittlung von Sportwetten erhalten kann, die Kenntnis über das Erlaubnisverfahren aber nicht sichergestellt ist. Insoweit verlangt das unionsrechtliche Transparenzgebot, dass die Eröffnung des Erlaubnisverfahrens und die Erlaubnisvoraussetzungen in einer Weise öffentlich bekannt gemacht werden, die potenziellen privaten Veranstaltern oder Vermittlern von Sportwetten die Kenntnisnahme ermöglicht (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Sebat Ince - Rn. 55, 57, 65).

28

Ebenso wenig wie private Wettanbieter oder Wettvermittler nicht wegen Verstoßes gegen den Erlaubnisvorbehalt strafrechtlich sanktioniert werden können, wenn das für Private bis zur Anwendung einer glücksspielrechtlichen Neuregelung eingeführte Erlaubnisverfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet worden ist und deshalb faktisch ein staatliches Sportwettenmonopol fortbesteht, kann in einem solchen Fall das Fehlen einer Erlaubnis eine Untersagung der Sportwettenvermittlung begründen. Ob das in Rheinland-Pfalz im Herbst 2010 für private Veranstalter und Vermittler von Sportwetten eröffnete Erlaubnisverfahren den dargelegten Anforderungen genügte oder ob ein faktisches Sportwettenmonopol fortbestand, was insbesondere zuträfe, wenn die Eröffnung des Erlaubnisverfahrens und die Erlaubnisvoraussetzungen nicht öffentlich bekannt gemacht worden wären, lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht abschließend entscheiden. Dies wird das Berufungsgericht im zurückverwiesenen Verfahren zu klären haben. Bei dieser Sachlage war die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der auf die Auslegung des Art. 56 AEUV sowie auf das Erlaubnisverfahren bezogenen Fragen nicht geboten. Angesichts der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht sind diese Fragen nicht entscheidungserheblich.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Gründe

1

Die Antragstellerin betreibt im Stadtgebiet der Antragsgegnerin vier Spielhallen. Am 13. Dezember 2011 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin durch Rechtsverordnung die Sperrzeit für Spielhallen von 0:00 Uhr bis 11:00 Uhr festzusetzen. Dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat der Verwaltungsgerichtshof entsprochen und die Rechtsverordnung über die Sperrzeitfestsetzung für Spielhallen vom 13. Dezember 2011 für unwirksam erklärt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

2

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat mit dem Ergebnis Erfolg, dass auf ihre Verfahrensrüge das angegriffene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 6 VwGO).

3

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Beschwerde zulässig. Die Antragsgegnerin ist trotz einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beschwert. Es trifft zwar zu, dass am 20. November 2012 in Baden-Württemberg § 46 Abs. 1 Landesglücksspielgesetz (LGlüG) in Kraft getreten ist. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs eröffnet § 46 Abs. 1 LGlüG die Möglichkeit, durch Einzelverwaltungsakte (und nicht mehr allgemein durch Rechtsverordnung) die Sperrzeit bei Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse oder eines öffentlichen Bedürfnisses zu verändern, als der Beginn der Sperrzeit vorverlegt oder dessen Ende hinausgeschoben werden kann. Die Sperrzeit für Spielhallen wird in § 46 Abs. 1 LGlüG unverändert aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Gaststättenverordnung (GastVO) übernommen, der im Gegenzug dazu aufgehoben wurde (§ 50 Abs. 1 LGlüG). Daneben ermächtigt jedoch nach wie vor § 11 GastVO bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse, die Sperrzeit durch Rechtsverordnung zu verlängern, zu verkürzen oder aufzuheben.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat gegen den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, weil ihm bei der Tatsachenfeststellung und deren Würdigung ein methodischer Fehler unterlaufen ist. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt. Er hat entscheidungserheblichen Vortrag der Antragsgegnerin ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen.

5

1. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Um als Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erheblich sein zu können, kommt eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur in Betracht, wenn ein Mangel im Tatsachenbereich gesehen wird (Beschluss vom 8. Juli 2008 - BVerwG 8 B 29.08 - juris). Einen derartigen Mangel im Tatsachenbereich macht die Antragsgegnerin geltend. Sie meint, der Verwaltungsgerichtshof habe seiner rechtlichen Beurteilung einen tatsächlichen Vergleichsmaßstab zugrunde gelegt, der denklogisch als tragfähige Grundlage innerer Überzeugungsbildung ausscheidet. Zum einen hätte der Verwaltungsgerichtshof die vom Arbeitskreis S. e.V. ermittelte Quote von Einwohnern pro Geldspielgerät in P. nicht in die Ermittlung einer Durchschnittsquote vergleichbarer großer Städte einbeziehen dürfen, und zum anderen habe der Verwaltungsgerichtshof bei der Bildung der Quote wesentliche Umstände übergangen, die für die Einschätzung des Fehlens atypischer Verhältnisse maßgeblich gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe es nämlich versäumt, bei der Vergleichsberechnung auch die Quoten anderer hinsichtlich der Einwohnerzahl ebenfalls vergleichbarer Städte mit einzubeziehen. Auf dieser fehlerhaften Tatsachenbewertung beruhe die Entscheidung.

6

Unter Zugrundelegung der für die Beurteilung von Verfahrensfehlern maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs (stRspr, u.a. Beschluss vom 29. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 31.10 - juris Rn. 17) liegt der geltend gemachte Verstoß vor. Der Verwaltungsgerichtshof geht in materiellrechtlicher Hinsicht davon aus, dass es grundsätzlich zulässig ist, die Verlängerung der - landesweit geltenden - allgemeinen Sperrzeit für Spielhallen durch Rechtsverordnung nach § 11 GastVO auch auf Gesichtspunkte des Spielerschutzes und der Eindämmung von Spielsucht zu stützen, soweit hierfür ein öffentliches Bedürfnis oder besondere örtliche Verhältnisse sprechen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bezogen auf den Zuständigkeitsbereich des örtlichen Verordnungsgebers besondere, atypische Umstände vorliegen müssen. Für das Tatbestandsmerkmal der örtlichen Verhältnisse folge dies bereits aus dem Wortlaut; für das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Bedürfnisses folge es daraus, dass die allgemeine Sperrzeitregelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 GastVO durchschnittliche Gefahrenpotenziale bei dem Betrieb von Spielhallen Rechnung tragen solle und auf die Umstände des Einzelfalls keine Rücksicht genommen werden könne. Werde das Grundrecht der betroffenen Spielhallenbetreiber infolgedessen beschränkt, bedürfe dies einer Rechtfertigung im Sinne eines atypischen, nämlich erhöhten Gefahrenpotenzials im Zuständigkeitsbereich der handelnden Ordnungsbehörde. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs liegt den Sperrzeitregelungen des Landesgesetz- bzw. Verordnungsgebers der Gesichtspunkt des "durchschnittlichen Gefahrenpotenzials" beim Betrieb von Spielhallen zugrunde, und dem örtlichen Verordnungsgeber sind in der Ermächtigungsgrundlage für eine Sperrzeitverlängerung keine Kriterien vorgegeben, anhand derer das öffentliche Bedürfnis oder besondere örtliche Verhältnisse auszumachen sind. Damit ist der Regelfall der geltenden allgemeinen Sperrzeit vom landesdurchschnittlichen Gefährdungspotenzial geprägt. Hiervon ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen und hat eine örtliche Regelung, mit der die landesweit geltende Sperrzeitregelung verlängert werden soll, für gerechtfertigt erachtet, wenn der Anstieg von Geldspielgerät pro Einwohnerzahl im Bereich des örtlichen Verordnungsgebers von der durchschnittlichen landesweiten Steigerung so signifikant abweicht, dass von einer atypischen Situation gesprochen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bei seiner konkreten Würdigung des entscheidenden Parameters "Einwohnerzahl pro Geldspielgerät" nicht den ermittelten Landesdurchschnitt als Bewertungsmaß zugrunde gelegt, sondern nur einen engeren Durchschnitt vergleichbar großer Städte. Diese Vorgehensweise führt zu einer verfahrensfehlerhaft festgestellten Tatsachengrundlage, die im Ergebnis in größeren Städten eine ortsspezifische Regelung der Sperrzeit bereits dann verwehrt, wenn eine Abweichung vom Landesdurchschnitt bei sämtlichen größeren Städten feststellbar ist, selbst wenn eine signifikante Abweichung vom landesweiten Durchschnitt vorliegen sollte.

7

2. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Die Antragsgegnerin trägt insoweit vor, das Gericht habe ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 25. Juni 2012 zu dem starken Anstieg der sich wegen Spielsucht oder Spielsuchtgefährdung in Behandlung befindenden Personen in P. ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen. Sie habe in diesem Schriftsatz insbesondere auf eine detaillierte Darstellung der Suchtberatungsstelle der D. Mittelbaden GmbH vom 12. April 2012 hingewiesen, die in einer weiteren Email vom 16. April 2012 noch weiter präzisiert worden sei.

8

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist zwar nicht gezwungen, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur bei deutlichen gegenteiligen Anhaltspunkten kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Mai 1999 - BVerwG 7 B 300.98 - juris und vom 4. August 2000 - BVerwG 7 B 38.00 - ZOV 2002, 290). Geht das Gericht auf der Grundlage seiner insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <189> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Urteile vom 6. September 1988 - BVerwG 4 C 15.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 206, vom 15. April 1997 - BVerwG 8 C 20.96 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 274 und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235). So liegt der Fall hier.

9

Nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs müssen bezogen auf den Zuständigkeitsbereich des örtlichen Verordnungsgebers Umstände im Sinne eines atypischen erhöhten Gefahrenpotenzials vorliegen, damit eine Sperrzeitverlängerung zulässig ist. Neben dem statistischen Material hat der Verwaltungsgerichtshof keine Anhaltspunkte gesehen, dass in P. die schädlichen Folgen des Missbrauchs von Glücksspiel deutlicher als in anderen Gemeinden Baden-Württembergs zutage getreten seien (vgl. UA S. 16). Die Frage der negativen Auswirkungen eines starken Anstiegs der Anzahl der Geldspielgeräte in Spielhallen ist damit für den vorliegenden Fall von zentraler Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinen Entscheidungsgründen gleichwohl nicht auf den Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 25. Juni 2012 (in dem Verfahren VGH 6 S 544/12 vorgelegt) eingegangen, der sich unter Bezug auf eine Darstellung der Suchtberatungsstelle der D. Mittelbaden GmbH vom 12. April 2012 und einer weiteren Präzisierung durch die Email vom 16. April 2012, die als Anlagen dem Schriftsatz beigefügt waren, zur Zahl der Klienten verhält, die in den Suchtberatungsstellen in P. wegen Spielsucht behandelt worden sind. Danach hat sich von 2007 bis 2012 diese Zahl verdoppelt. Es lässt sich nicht ausschließen, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Berücksichtigung dieses Vortrags - möglicherweise nach einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) - zu einer anderweitigen Entscheidung gekommen wäre.

10

Da das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs auf verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellungen beruht und sich nicht mit Blick auf die weiteren Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts aus einem anderen Grunde als im Ergebnis richtig erweist (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO), nimmt der Senat die Verfahrensfehler zum Anlass, das angefochtene Urteil gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Tatbestand

1

Die 1946 geborene Klägerin war als Bundesbeamtin, zuletzt im Amt einer Fernmeldebetriebsinspektorin, bei der Deutschen Telekom AG (Telekom) beschäftigt. Die Telekom versetzte sie mit Wirkung vom 1. Dezember 2000 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.

2

Durch Bescheid vom 4. Januar 2001 setzte die Telekom das Ruhegehalt der Klägerin fest und bewilligte den Familienzuschlag der Stufe 1, weil der 1979 geborene Sohn in der Wohnung der Klägerin lebte. In der Folgezeit wies die Telekom die Klägerin auf die Bedeutung der Einkommensverhältnisse des Sohnes für die Zuschlagsberechtigung hin und forderte sie mehrfach auf, hierzu Angaben zu machen. Erst im Juli 2004 holte die Klägerin die Angaben nach. Hieraus ergab sich, dass die Eigenmittel des Sohnes aufgrund seines Arbeitseinkommens seit Juli 2002 in insgesamt 23 Monaten die gesetzliche Grenze für die Zuschlagsgewährung überstiegen.

3

Daraufhin hob die Telekom durch Bescheid vom 25. Oktober 2004 die "bisher erteilten Bescheide" auf und forderte die der Klägerin in den 23 Monaten gezahlten Zuschläge von insgesamt 1 585,46 € zurück. Diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 20. Juli 2006 rechtskräftig auf, weil die Begründung nicht erkennen lasse, dass die Telekom Ermessen ausgeübt habe.

4

Durch Bescheid vom 19. September 2006 widerrief die Telekom die Bewilligung des Familienzuschlags der Stufe 1 für die fraglichen Monate und setzte erneut einen Rückforderungsbetrag von 1 585,46 € fest. Zugleich erklärte sie sich bereit, der Klägerin Ratenzahlung zu gewähren.

5

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Beklagte könne den festgesetzten Betrag zurückfordern, weil die Klägerin in dieser Höhe den Familienzuschlag der Stufe 1 zu Unrecht erhalten habe. Durch den Bescheid vom 19. September 2006 habe die Telekom die Bewilligung des Zuschlags für die fraglichen Monate innerhalb der hierfür geltenden Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG aufgehoben. Nach dem entsprechend anzuwendenden § 53 Abs. 1 VwVfG habe der vom Verwaltungsgericht aufgehobene Bescheid vom 25. Oktober 2004 die Jahresfrist bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Einritt der Rechtskraft des Urteils vom 20. Juli 2006 gehemmt. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, die überzahlten Beträge im Rahmen der Lebensführung verbraucht zu haben. Der Rückforderungsbetrag müsse nicht aus Billigkeitsgründen ermäßigt werden.

7

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Klägerin. Sie beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 16. Februar 2011 und des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 4. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Deutschen Telekom AG vom 19. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2007 aufzuheben.

8

Die in der Revisionsverhandlung nicht vertretene Beklagte hat schriftlich den Antrag angekündigt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagten stehen Rückforderungsansprüche in der festgesetzten Höhe nach § 52 Abs. 2 Satz 1 bis 3 des Beamtenversorgungsgesetzes - BeamtVG - zu.

10

Die Zuständigkeit der Telekom für die Regelung der Versorgungsbezüge der Klägerin folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 des Postpersonalrechtsgesetzes - PostPersRG - in der Fassung des Gesetzes vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325). Die Telekom ist nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG ermächtigt, die Dienstherrnbefugnisse für die bei ihr beschäftigten Bundesbeamten auszuüben (stRspr; vgl. nur Urteil vom 20. August 1996 - BVerwG 1 D 80.95 - BVerwGE 103, 375 <377 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 7 S. 20 f.).

11

Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BeamtVG steht dem Dienstherrn unter folgenden Voraussetzungen ein Rückforderungsanspruch gegen einen Ruhestandsbeamten zu: Er muss zuviel Versorgungsbezüge gezahlt haben (Satz 1). Hat der Ruhestandsbeamte die zuviel gezahlten Beträge für die Lebensführung verbraucht, schuldet er die Rückzahlung, wenn er erkannt hat oder hätte offensichtlich erkennen müssen, dass ihm das Geld nicht zugestanden hat (Satz 2). Schließlich muss die Rückforderung der Höhe nach der Billigkeit entsprechen (Satz 3).

12

1. Versorgungsbezüge sind zuviel gezahlt im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, wenn die Zahlungen nicht von den Festsetzungen des Versorgungsfestsetzungsbescheids gedeckt sind. Während die Dienstbezüge der aktiven Beamten unmittelbar aufgrund Gesetzes gezahlt werden, werden die Ansprüche der Ruhestandsbeamten und anderer Versorgungsempfänger auf Zahlung der Versorgungsbezüge durch den Versorgungsfestsetzungsbescheid begründet. Nach dem durch § 49 Abs. 1 BeamtVG vorgegebenen Regelungsgehalt ist dieser Bescheid die gesetzlich vorgeschriebene, rechtsverbindliche Mitteilung über die Höhe der Versorgungsbezüge. Er regelt die Versorgungsbezüge in ihrer Gesamtheit (stRspr; vgl. Urteil vom 24. April 1959 - BVerwG 6 C 91.57 - BVerwGE 8, 261 <265 f.> = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 1 S. 10 f.). Hierzu gehört der Familienzuschlag der Stufe 1, weil diese Leistung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG Bestandteil der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge ist.

13

Der Anspruch auf Zahlung der festgesetzten Versorgungsbezüge monatlich im Voraus (§ 49 Abs. 4 BeamtVG, § 3 Abs. 4 Satz 1 BBesG) besteht unabhängig davon, ob die Festsetzungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Daher kann der Dienstherr festgesetzte Versorgungsbezüge erst dann als zuviel gezahlt zurückfordern, wenn und soweit er den Versorgungsfestsetzungsbescheid mit Wirkung für den Zeitraum der Zahlungen aufgehoben hat. § 52 Abs. 2 BeamtVG stellt keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung dar, sondern setzt sie voraus (stRspr; vgl. Urteil vom 24. April 1959 a.a.O.).

14

Dementsprechend hat die Telekom in dem angefochtenen Bescheid vom 19. September 2006 nicht nur den Rückforderungsbetrag festgesetzt, sondern zunächst den Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 4. Januar 2001 aufgehoben, der die Rechtsgrundlage für die Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 in den fraglichen Monaten war.

15

2. Da der Versorgungsfestsetzungsbescheid eine laufende Geldleistung gewährt, ist er darauf gerichtet, dauerhaft Rechtswirkungen zu entfalten (sog. Dauerverwaltungsakt). Dies hat zur Folge, dass sich Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die nach seinem Erlass eintreten, unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken können. Eine bei Erlass rechtmäßige Festsetzung kann nachträglich rechtswidrig werden. Die Aufhebung eines ursprünglich rechtmäßigen Versorgungsfestsetzungsbescheids wegen nachträglich eingetretener Rechtswidrigkeit richtet sich nicht nach den Bestimmungen des § 49 VwVfG über den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts, wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, sondern nach den Bestimmungen des § 48 VwVfG über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (Urteile vom 16. November 1989 - BVerwG 2 C 43.87 - BVerwGE 84, 111 <113 f.> = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 64 S. 2 und vom 16. Juli 2009 - BVerwG 2 C 43.08 - Buchholz 239.1 § 11 BeamtVG Nr. 13 Rn. 15).

16

Nach § 48 Abs. 1 und 2 Satz 1 bis 4 VwVfG ist die Rücknahme einer nach Erlass des Versorgungsfestsetzungsbescheids rechtswidrig gewordenen Festsetzung mit Wirkung für die Vergangenheit regelmäßig geboten, wenn das Vertrauen des Versorgungsempfängers in den Bestand dieser Festsetzung nicht schutzwürdig ist. Genießt der Versorgungsempfänger keinen Vertrauensschutz, ist die Behörde zur Rücknahme verpflichtet, wenn keine atypischen Umstände vorliegen.

17

Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Er muss objektiv eine Mitursache für den Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsakts gesetzt haben. Auf Verschulden kommt es nicht an. Das Unterlassen von Angaben steht unrichtigen Angaben gleich, wenn eine Mitteilungspflicht besteht (Urteile vom 14. August 1986 - BVerwG 3 C 9.85 - BVerwGE 74, 357 <363 f.> = Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 66 S. 137 f. und vom 19. Dezember 1995 - BVerwG 5 C 10.94 - BVerwGE 100, 199 <201> = Buchholz 435.12 § 45 SGB X Nr. 12 S. 2 f.).

18

Nach dem Zweck des § 48 Abs. 2 VwVfG genießt ein Versorgungsempfänger auch dann keinen Vertrauensschutz, wenn er es versäumt hat, versorgungsrechtlich erhebliche Änderungen der Einkommensverhältnisse mitzuteilen. Er muss durch seine Untätigkeit dazu beigetragen haben, dass die Behörde den Eintritt der Rechtswidrigkeit des Versorgungsfestsetzungsbescheids nicht erkannt und daher die festgesetzte Leistung weiterhin gewährt hat. Zwar ist der Verlust des Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG an das Erwirken, d.h. an den Erlass des Verwaltungsakts, durch unrichtige oder unvollständige Angaben geknüpft. Die Regelungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 VwVfG legen aber nicht abschließend fest, wann der Vertrauensschutz entfällt. Vielmehr sind die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers auch bei der Entscheidung nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG über die Rücknahme eines teilweise rechtswidrig gewordenen Dauerverwaltungsakts zu beachten.

19

Danach ist der angefochtene Bescheid vom 19. September 2006 von § 48 Abs. 2 Satz 1 und 4 VwVfG gedeckt, soweit die Telekom die Bewilligung des Familienzuschlags der Stufe 1 in dem Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 4. Januar 2001 für insgesamt 23 Monate aufgehoben hat:

20

In diesem Umfang ist der Versorgungsfestsetzungsbescheid nach seinem Erlass rechtswidrig geworden, weil die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG für die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 nicht vorlagen. Nach dieser Vorschrift, die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG auch auf Ruhestandsbeamte Anwendung findet, erhalten Beamte, die nicht bereits nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BBesG zuschlagsberechtigt sind, den Zuschlag, wenn sie eine unterhaltsberechtigte Person, für deren Unterhalt nicht mindestens Mittel in Höhe des Sechsfachen des Zuschlagsbetrags zur Verfügung stehen, in ihre Wohnung aufgenommen haben. Aufgrund der gesetzlichen Eigenmittelgrenze kann sich die Zuschlagsberechtigung von Monat zu Monat ändern (vgl. Urteil vom 3. November 2005 - BVerwG 2 C 16.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 35 Rn. 9). Das Oberverwaltungsgericht hat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass die Eigenmittel des Sohnes diese Grenze in denjenigen Monaten überstieg, in denen er Arbeitseinkommen bezog.

21

Die Klägerin genießt keinen Vertrauensschutz, weil sie die Ursache für die gesetzwidrigen Zahlungen gesetzt hat. Sie hat es trotz mehrerer Aufforderungen unterlassen, die erforderlichen Angaben zu den Einkommensverhältnissen ihres Sohnes zu machen. Ohne diese Angaben war es der Telekom nicht möglich, die Zuschlagsberechtigung zu beurteilen.

22

3. Der angefochtene Rücknahmebescheid vom 19. September 2006 ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ergangen. Allerdings folgt dies nicht aus der entsprechenden Anwendung des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG, wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, sondern unmittelbar aus § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. Das vom Oberverwaltungsgericht gefundene Ergebnis erweist sich daher aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

23

Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder bis zum Ablauf von sechs Monaten nach seiner anderweitigen Erledigung. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist der Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG auf Verjährungsfristen beschränkt. Er kann nicht im Wege der Analogie auf die Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erweitert werden.

24

Die analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (stRspr; vgl. Urteil vom 13. Dezember 1978 - BVerwG 6 C 46.78 - BVerwGE 57, 183 <186 f.> = Buchholz 235 § 40 BBesG Nr. 1 S. 3 f.; Beschluss vom 7. Juli 1993 - BVerwG 6 P 15.91 - Buchholz 251.2 § 40 BlnPersVG Nr. 1 S. 3 f.).

25

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Gesetzgeber versehentlich unterlassen hat, die Regelungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG über die Hemmung von Verjährungsfristen auf die Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zu erstrecken. Die Annahme eines derartigen Versäumnisses liegt bereits aufgrund der gesetzlichen Systematik fern. Die Vorschrift des § 53 VwVfG steht in dem besonderen, nur sie umfassenden Abschnitt 3 des Teils III "Verwaltungsakt" des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit der Abschnittsüberschrift "Verjährungsrechtliche Wirkungen des Verwaltungsaktes". Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Begriff "Verjährung" zweimal nur versehentlich gebraucht, eigentlich aber neben Verjährungsfristen auch gesetzliche Ausschlussfristen gemeint hat.

26

Darüber hinaus fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, weil sich Beginn und Lauf der Ausschlussfrist durch Auslegung des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG abschließend bestimmen lassen.

27

Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde Kenntnis von Tatsachen erhält, welche die Rücknahme rechtfertigen. Diese Jahresfrist kann weder verlängert werden noch ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich (Ausschlussfrist). Nach dem Normzweck handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr Zeit eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Rücknahme maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Rücknahmebefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht (Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1.84 und 2.84 - BVerwGE 70, 356 <358 ff.> = Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 33 S. 16 ff.).

28

Daher setzt der Fristbeginn zum einen voraus, dass sich die zuständige Behörde über die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts im Klaren ist. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass sie den Verwaltungsakt bislang zu Unrecht für rechtmäßig gehalten hat. Es ist unerheblich, ob sie sich zuvor in einem Irrtum über den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Tatsachenirrtum) oder über dessen rechtliche Beurteilung (Rechtsirrtum) befunden hat. Auch wenn der Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts darauf beruht, dass die Behörde den ihr vollständig bekannten Sachverhalt rechtsfehlerhaft gewürdigt oder das anzuwendende Recht verkannt hat, beginnt die Jahresfrist erst mit der Kenntnis des Rechtsfehlers zu laufen (Beschluss vom 19. Dezember 1984 a.a.O.; Urteile vom 19. Dezember 1995 - BVerwG 5 C 10.94 - BVerwGE 100, 199 <201 f.> = Buchholz 435.12 § 45 SGB X Nr. 12 S. 3 f. und vom 24. Januar 2001 - BVerwG 8 C 8.00 - BVerwGE 112, 360 <361 ff.> = Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 40 S. 4 ff.).

29

Zum anderen setzt der Fristbeginn voraus, dass sich die zuständige Behörde darüber im Klaren ist, dass sich aus der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts die Befugnis zu dessen Rücknahme ergibt. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass die weiteren Rücknahmevoraussetzungen des § 48 VwVfG gegeben sind. Dies ist anzunehmen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung imstande ist, diese Voraussetzungen des § 48 VwVfG, d.h. vor allem die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts, zutreffend zu beurteilen und daraus die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht (Beschluss vom 19. Dezember 1984 a.a.O. S. 358 bzw. S. 16; Urteile vom 19. Dezember 1995 a.a.O. S. 202 bzw. S. 3 und vom 24. Januar 2001 a.a.O. S. 363 bzw. S. 6).

30

Nach diesen Grundsätzen ist der Beginn des Laufs der Jahresfrist auch dann zu bestimmen, wenn ein erster Rücknahmebescheid im Widerspruchs- oder Klageverfahren aufgehoben wird. In diesen Fällen läuft die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ab dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der aufhebenden Entscheidung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufhebung auf tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen beruht. Die Gründe, auf denen die aufhebende Entscheidung beruht, verschaffen der Rücknahmebehörde die Kenntnis, welcher Tatsachen- oder Rechtsirrtum ihr angelastet wird. Erst dieses Wissen versetzt sie in die Lage, auf vollständiger tatsächlicher und rechtlicher Grundlage über die Ausübung der Rücknahmebefugnis zu entscheiden. Die der Aufhebung des ersten Rücknahmebescheids zugrunde liegende Rechtsauffassung ist maßgebend, weil Widerspruchsbehörde und Verwaltungsgericht die Aufhebungsbefugnis zusteht (§ 68 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO).

31

Wird der erste Rücknahmebescheid im Widerspruchs- oder Klageverfahren aufgehoben, weil die Behörde bei Erlass dieses Bescheids nach Auffassung von Widerspruchsbehörde oder Verwaltungsgericht bestimmte Tatsachen nicht berücksichtigt hat, die ihr - aus welchen Gründen auch immer - nicht bekannt waren, erlangt die Behörde erst mit Kenntnis dieser Auffassung die für den Fristbeginn erforderliche vollständige Kenntnis des entscheidungserheblichen Sachverhalts (Beschluss vom 20. Mai 1988 - BVerwG 7 B 79.88 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 56 S. 5 = NVwZ 1988, 822).

32

Nichts anderes gilt, wenn der erste Rücknahmebescheid im Widerspruchs- oder Klageverfahren aufgehoben wird, weil die Behörde nach Auffassung von Widerspruchsbehörde oder Verwaltungsgericht den vollständig aufgeklärten Sachverhalt rechtsfehlerhaft gewürdigt oder das anzuwendende Recht verkannt hat. Dies ist auch anzunehmen, wenn die Behörde bestimmte, ihr bekannte Tatsachen aus Rechtsgründen für unerheblich gehalten hat. Auch in diesen Fällen erlangt die Behörde erst mit Kenntnis dieser Rechtsauffassung die für den Fristbeginn erforderlichen Rechtserkenntnisse.

33

Dies gilt unabhängig davon, ob der der Behörde angelastete Rechtsanwendungsfehler die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts oder eine weitere gesetzliche Rücknahmevoraussetzung betrifft. Die einheitliche Behandlung der beiden Fehlerarten ist die zwingende Folge des Verständnisses der Jahresfrist als reiner Entscheidungsfrist, das der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts vor allem aus dem Normzweck hergeleitet hat (Beschluss vom 19. Dezember 1984 a.a.O. S. 359 f. bzw. S. 17 f.). Auch der Wortlaut des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG legt diese Annahme nahe. Danach bezieht sich die den Fristbeginn auslösende Kenntnis der Behörde nicht auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auf die Rechtfertigung seiner Rücknahme.

34

Zwar hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, dass nur ein Rechtsirrtum über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, nicht aber über eine weitere Rücknahmevoraussetzung dem Beginn des Laufs der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen steht (Urteil vom 19. Dezember 1995 a.a.O. S. 202 f. bzw. S. 3 f.). In Anbetracht des Beschlusses des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 (a.a.O.) kann diese Rechtsprechung aber nicht auf § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG übertragen werden. Hinzu kommt, dass die Regelungen der §§ 44 f. SGB X die Befugnis zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, die Sozialleistungen gewähren, gegenüber § 48 VwVfG deutlich einschränkt. So ist etwa die Rücknahme rechtswidriger Leistungsbescheide für die Vergangenheit und damit die Rückforderung der Leistungen nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Begünstigten nur möglich, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.

35

Danach hat im vorliegenden Fall die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ungeachtet der tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts und deren Richtigkeit erst mit Rechtskraft des Urteils vom 20. Juli 2006 zu laufen begonnen. Demnach hat die Telekom durch den angefochtenen Bescheid vom 19. September 2006 den Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 4. Januar 2001 in Bezug auf die Bewilligung des Familienzuschlags der Stufe 1 mit Wirkung für die fraglichen Monate rechtzeitig zurückgenommen, sodass die Klägerin für diese Zeit im Umfang der Rücknahme zuviel Versorgungsbezüge erhalten hat.

36

4. Der Klägerin kommt nicht zugute, dass sie die ungerechtfertigten Zuschlagszahlungen für ihre Lebensführung verbraucht hat. Ruhestandsbeamte sind nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG zur Rückzahlung der zuviel gezahlten Beträge verpflichtet, wenn sie den offensichtlichen Mangel der Zahlung hätten erkennen müssen. Dies ist anzunehmen, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 15.10 - juris Rn. 16 ).

37

Ein derartiger Pflichtenverstoß ist der Klägerin anzulasten. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wusste sie, dass ihr Sohn Arbeitseinkommen bezog. Auch musste ihr aufgrund der Hinweise und Belehrungen der Telekom klar sein, dass diese Mittel ihre Zuschlagsberechtigung für den jeweiligen Monat entfallen ließen.

38

Schließlich kommt eine Ermäßigung des Rückforderungsbetrags nicht in Betracht, weil die Klägerin die Überzahlungen allein zu verantworten hat (vgl. Urteil vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 25 f.). Diese hatten ihre Ursache ausschließlich darin, dass die Klägerin trotz mehrerer Aufforderungen die Einkommensverhältnisse ihres Sohnes nicht mitgeteilt hat. Die Telekom war auf diese Angaben angewiesen, um Überschreitungen der gesetzlichen Eigenmittelgrenze festzustellen.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.