Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 29. Apr. 2010 - 1 Verg 3/10

bei uns veröffentlicht am29.04.2010

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 23. Dezember 2009, Geschäftszeichen 1 VK LVwA 54/09, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerin, ein Unternehmen der privaten Entsorgungswirtschaft, das einem bundesweit agierenden Entsorgungskonzern angehört, begehrt im Wege des Nachprüfungsverfahrens die Feststellung der Nichtigkeit des zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen am 29. November 2002 abgeschlossenen Entsorgungsvertrages.

2

Der Antragsgegner ist eine entsorgungspflichtige kommunale Körperschaft für die in ihrem Gebiet anfallenden, überlassungspflichtigen Abfälle. Er ist gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Kreisgebietsneuregelung im Zuge der Kreisgebietsreform vom 01. Juli 2007 aus der Zusammenlegung der Landkreise M. L. und S. hervor gegangen und nach § 9 des Gesetzes zur Kreisgebietsneuregelung Rechtsnachfolger dieser Altkreise geworden.

3

Mit Vertrag über die Teilübertragung der Abfallentsorgung vom 29. November 2002 hatte der Altkreis S. die Verwertung und Beseitigung der in seinem Gebiet anfallenden Abfälle ohne vorherige Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens der Beigeladenen (W. GmbH , im Folgenden: W.) übertragen. Gemäß § 5 Abs. 1 des Vertrages ist eine Vertragslaufzeit bis zum 31. Dezember 2015 vorgesehen mit einer Verlängerungsoption um fünf Jahre.

4

Die Beigeladene war durch Gesellschaftsvertrag vom 29. Mai 2002 von der E. GmbH S. (im Folgenden: E.), einer 100%-gen Tochtergesellschaft des Antragsgegners, und der N. GmbH (im Folgenden: N. gegründet worden. Während die E. als Mehrheitsgesellschafterin 51 % der Geschäftsanteile am Stammkapital hielt, hatte die N. 49 % der Anteile inne. An der Mitgesellschafterin N. waren neben der E. , die 51 % der Geschäftsanteile hielt, als weitere Gesellschafterin die Rn. GmbH und Co KG, eine Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, mit einem Anteil von 49 % an dem Gesellschaftskapital beteiligt. Mit Vertrag vom 31. Dezember 2006 übertrug die Antragstellerin die von ihr bis dahin gehaltenen Geschäftsanteile an der N. innerhalb des eigenen Konzerns an die K. GmbH (im Folgenden: K.), deren alleinige Gesellschafterin wiederum die Antragstellerin ist. Über das Vermögen der N. hat das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – Halle mit Beschluss vom 04. Juni 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die E. befindet sich seit 27.10.2009 in Insolvenz.

5

Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen ist die Erfüllung von Entsorgungsaufgaben in Bezug auf andienungspflichtige Haus- und Gewerbeabfälle, deren Aufbereitung durch mechanische Behandlung zu Ersatzbrennstoffen und die anschließende Zuführung zur Verbrennung in Kraftwerken. Der mit dem Antragsgegner abgeschlossene Entsorgungsvertrag macht dabei einen allenfalls untergeordneten Teil der Entsorgungstätigkeit der W. aus. Rund 21 % der Gesamtkapazität der Beigeladenen entfallen auf die für den Antragsgegner auf der Grundlage der Kommunalaufträge vom 29. November 2002 (Altkreis S.) und vom 25. Mai 2005 (Altkreis M. L.) entsorgten Abfallmengen. Im übrigen erzielt die Beigeladene ihre Umsatzerlöse durch Drittaufträge.

6

In der Sitzung des Kreistages vom 24. Juni 2009 beschloss der Antragsgegner die Veräußerung der über seine Tochtergesellschaft E. gehaltenen Geschäftsanteile von 51 % an der Beigeladenen. Die E. übertrug darauf hin mit dem vor dem Notar U. B. zur Urkundenrollennummer 900/2009 am 04.Juli 2009 beurkundeten Anteilskauf- und –Abtretungsvertrag ihre Anteile an der Beigeladenen auf die R. - GmbH (i. F. R.) als Käuferin.

7

Da die Antragstellerin die Ansicht vertrat, dass die Anteilsveräußerung an die R. - GmbH dem Vergaberechtsregime nach §§ 97 ff GWB unterliegt, rügte sie das beabsichtigte Vorgehen des Antragsgegners mit Schreiben vom 23. Juni 2009 als vergaberechtswidrig und bekundete zugleich Interesse an dem Erwerb der Beteiligung sowie an einem Auftrag über die Erbringung von Entsorgungsleistungen.

8

Unter dem 10. Juli 2009 strengte die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren (Geschäftszeichen 1 VK LVwA 48/09) gegen die E. vor der Vergabekammer an, das darauf abzielte, die E. zu verpflichten, die von ihr gehaltenen Geschäftsanteile an der W. nur nach Durchführung eines vorherigen förmlichen Vergabeverfahrens zu verkaufen und hilfsweise festzustellen, dass der zwischen der E. und der R. am 04. Juli 2009 geschlossene Geschäftsanteilskauf-und Abtretungsvertrag unwirksam sei.

9

Mit Anwaltsschriftsatz vom 29. September 2009 erweiterte die Antragstellerin das Nachprüfungsverfahren auf den Antragsgegner und hat wegen des zwischenzeitlich bei der W. eingetretenen Gesellschafterwechsels nunmehr auch die Nichtigkeit des Entsorgungsvertrages vom 29. November 2002 geltend gemacht.

10

Sie hat die Ansicht vertreten, dass der zwischen der W. und dem Antragsgegner am 29. November 2002 zustande gekommenen Entsorgungsvertrag aufgrund des notariell- beurkundeten Geschäftsanteilskaufs- und Übertragungsvertrages vom 04. Juli 2009 und des damit bei der W. einher gehenden Gesellschafterwechsels hätte neu ausgeschrieben werden müssen. Denn die Tatsache, dass innerhalb der Geltungsdauer des ursprünglichen Entsorgungsvertrages privates Kapital, nämlich hier die R. , zur Beteiligung am gemischtwirtschaftlichen Grundkapital der W. zugelassen worden sei, sei als eine eine Neuausschreibung gebietende wesentliche Änderung einer grundlegenden Bedingung des Auftrages zu werten. Auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Auftragsvergabe und der Anteilsveräußerung komme es dabei nicht an. Alleinige Voraussetzung für das Entstehen einer Ausschreibungspflicht sei vielmehr die innerhalb der Vertragslaufzeit vorgenommene Öffnung des vornehmlich von der öffentlichen Hand gehaltenen Gesellschaftskapitals für privates Vermögen. Denn dies sei einem Vertragspartnerwechsel und insoweit einer Neuvergabe des Auftrages gleich zu erachten. Der Antragsgegner habe hier jedoch gleichwohl von der Einleitung eines offenen Vergabeverfahrens abgesehen. Die Fortsetzung des Entsorgungsverhältnisses zwischen der Beigeladenen und dem Antragsgegner ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens sei daher als unzulässige de facto - Vergabe anzusehen, deren Unwirksamkeit nach § 101 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GWB festzustellen sei.

11

Von dem Vergaberechtsverstoß habe die Antragstellerin erstmals aufgrund des am 10. September 2009 verkündeten Urteils des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache „Sea Srl“ (Geschäftszeichen C-573/07) Kenntnis erlangt. Bis zu diesem Urteil des EuGH habe nämlich in der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Rechtsliteratur die allgemeine Auffassung vorgeherrscht, dass Änderungen in der Gesellschafterzusammensetzung des Auftragnehmers während der Vertragslaufzeit keine vergaberechtlich relevante Leistungsänderung darstellen könnten. In Abweichung von der bislang herrschenden Meinung habe der EuGH in seiner Entscheidung vom 10. September 2009 nunmehr jedoch klargestellt, dass im Falle der Vergabe eines Auftrages ohne Ausschreibung an eine Gesellschaft, bei der das Grundkapital ausschließlich aus öffentlichen Kapital bestehe und kein konkreter Hinweis auf eine baldige Öffnung für private Teilnehmer vorliege (sog. In-house-Vergabe), die eine Ausschreibung erfordernde Änderung der grundlegenden Bedingungen des Auftrages anzunehmen sei, wenn innerhalb der Geltungsdauer des Vertrages privates Kapital zugelassen würde. Erst auf der Grundlage des Urteils des EuGH sei die bislang unsichere Rechtslage für die Antragstellerin so eindeutig geklärt worden, dass sie von einem Vergaberechtsverstoß des Antragsgegners habe ausgehen müssen und deshalb binnen der 30 Tage – Frist des § 101 b Abs.2 GWB den Nachprüfungsantrag angebracht habe.

12

Die Antragstellerin hat beantragt,

13

festzustellen, dass der zwischen dem Antragsgegner und der W. GmbH (W.) abgeschlossene Entsorgungsvertrag vom 29. November 2002 betreffend die Entsorgung der im Altkreis S. anfallenden Abfälle nichtig ist.

14

Der Antragsgegner ist dem Nachprüfungsantrag entgegen getreten.

15

Er ist der Meinung gewesen, dass der am 29. September 2009 anhängig gemachte Nachprüfungsantrag verfristet sei, weil die Antragstellerin versäumt habe, den Antrag binnen der 30-Tage-Frist des § 101 b Abs. 2 GWB bei der Vergabekammer anzubringen. Insoweit hat er vorgetragen, dass die Antragstellerin spätestens mit Zustellung des Erwiderungsschriftsatzes der E. vom 21. Juli 2009 in dem Parallelverfahren 1 VK LVwA 48/09 von der Beurkundung des Anteilskaufvertrages vom 04. Juli 2009 Kenntnis erlangt habe. Sie hätte daher bis spätestens 20. August 2009 in einem Nachprüfungsverfahren geltend machen müssen, dass sie hierin eine vergaberechtswidrige Änderung des Vertrages erblicke. Der Nachprüfungsantrag entbehre aber auch deshalb der Zulässigkeit, weil der bei der W. eingetretene Gesellschafterwechsel schon keinen vergaberechtsrelevanten Beschaffungsvorgang darstellen würde, der das Vergaberechtsregime der §§ 97 ff GWB eröffnen könnte. Denn im Unterschied zu dem vom EuGH in der Rechtssache SEA Srl entschiedenen Sachverhalt hätten die Voraussetzungen einer In-house-Vergabe im Streitfall von Anfang an wegen der Minderheitenbeteiligung der Antragstellerin bzw. deren Rechtsvorgängerin an der Beigeladenen nicht vorgelegen. Dementsprechend könne aber von einer wesentlichen Änderung einer grundlegenden Bedingung des zugrunde liegenden Auftrages im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EuGH zur Rechtssache „Sea Srl“ nicht ausgegangen werden.

16

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag von dem Verfahren 1 VK LVwA 48/09 abgetrennt, unter dem Aktenzeichen 1 VK LVwA 54/09 geführt und mit Beschluss vom 23. Dezember 2009 als unzulässig verworfen.

17

Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag verspätet, nämlich nicht innerhalb der Frist von 30 Tagen nach § 101 b Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Nr. 2 GWB angebracht worden sei. Der Entsorgungsvertrag vom 29. November 2002 habe zwar aufgrund des bei der W. eingetretenen Gesellschafterwechsels seine Wirksamkeit verloren. Denn die Privilegierung eines „In-house-Geschäfts“ sei mit dem teilweisen Wechsel der an der W. beteiligten Anteilseigner entfallen. Auch wenn die privilegierenden Voraussetzungen eines In-house-Geschäftes bei Vertragsabschluss am 29. November 2002 tatsächlich nicht vorgelegen hätten, müsse sich der Antragsgegner aber gleichwohl so behandeln lassen mit der Folge einer Neuausschreibungspflicht des Entsorgungsvertrages. Die Nichtigkeitsfolge aufgrund des Wegfalls der dem Vertragsabschluss zugrunde gelegten Privilegierung müsse nämlich erst Recht auch dann gelten, wenn sich der Auftraggeber seinerzeit lediglich rechtsirrig eines privilegierten Eingeschäfts berühmt habe. Der ursprünglich fälschlich eine Privilegierung annehmende öffentliche Auftraggeber dürfe nicht besser gestellt werden als derjenige, der sich mit Recht auf die Privilegierung eines In-house-Geschäftes berufen habe, die erst während der Vertragslaufzeit aufgrund eines Anteilsverkaufs entfallen sei. Im Fortgang des Leistungsaustausches über den 04. Juli 2009 hinaus liege daher hier eine im Wege eines Nachprüfungsverfahrens angreifbare de facto Vergabe. Spätestens mit Zugang des Schriftsatzes der Antragsgegnerseite (E.) vom 21. Juli 2009 am 23. Juli 2009 in dem Parallelverfahren 1 VK LVwA 48/09 habe die Antragstellerin von der Anteilsübertragung Kenntnis erlangt und zugleich über ein hinreichend gesichertes Wissen zu dem gerügten Vergaberechtsverstoß verfügt. Dass die Antragstellerin die Schlussfolgerung, dass eine vergaberechtskonforme Leistungserbringung nach dem Gesellschafterwechsel nicht mehr möglich sei, bereits vor Verkündung des Urteils des EuGH vom 10. September 2009 gezogen habe, gehe auch aus dem weiteren Schriftverkehr der Antragstellerin bzw. deren Tochtergesellschaft K. ohne weiteres hervor.

18

Gegen diesen, der Antragstellerin am 28. Dezember 2009 zugestellten Beschluss richtet sich ihre bei dem Oberlandesgericht am 30. Dezember 2009 eingegangene sofortige Beschwerde, mit der sie – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – ihren erstinstanzlichen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Entsorgungsvertrages vom 29. November 2002 weiter verfolgt.

19

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss der Vergabekammer mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet sei, denn die Vergabekammer habe das hier streitgegenständliche Nachprüfungsbegehren zu Unrecht von dem Ursprungsverfahren 1 VK LVwA 48/09 abgetrennt und die Verfahrensgegenstände in mehrere Nachprüfungsverfahren aufgesplittet. Dies sei schon deshalb unzulässig, weil sie die von ihr angestrengten Nachprüfungsverfahren in ein Eventualverhältnis gestellt habe. Außerdem sei ihr das rechtliche Gehör zu der von der Vergabekammer beabsichtigten, sachlich nicht veranlassten Verfahrenstrennung versagt worden.

20

In der Sache meint sie, dass die Vergabekammer mit Recht die Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags bejaht habe, weil die Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen zu einer wesentlichen Änderung einer grundlegenden Bedingung des bestehenden Entsorgungsvertrages geführt habe, die einer Neuvergabe gleich komme. Der den Bestimmungen des Vergaberechts zugrunde liegende Schutzzweck gebiete, dass die mit der Veräußerung der mehrheitlichen Beteiligung an der Beigeladenen verbundene Partizipation der R. an den der Beigeladenen vergebenen öffentlichen Aufträgen eine Neuausschreibungspflicht auslöse. Denn immer dann, wenn der öffentliche Auftraggeber seine Beteiligung an der rechtswidrig außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens beauftragten Gesellschaft veräußere, werde der Schutzzweck des Vergaberechts verletzt. Zwar sei der Auftrag seinerzeit nicht im Wege eines vergaberechtsfreien Eigengeschäfts erteilt worden, die von dem EuGH in der „Sea Srl“-Entscheidung zum Wegfall einer In-house-Privilegierung entwickelten Rechtsgrundsätze müssten hierauf bei einer schutzzweckbezogenen, funktionalen Betrachtung zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen jedoch erst Recht angewandt werden, denn auch hier führe der Gesellschafterwechsel letztlich dazu, dass ein privates Unternehmen durch seine Beteiligung am Kapital des vergabefrei beauftragten Auftragnehmers einen Vorteil im Hinblick auf die bestehenden öffentlichen Aufträge gegenüber seinen Konkurrenten erlange. Im übrigen dürfe der rechtskonform handelnde Auftraggeber nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der schon von Anfang an, nämlich bei der Auftragsvergabe gegen das Vergaberecht verstoßen habe. Das zwischen dem Antragsgegner, der E. und der R. abgestimmte Verhalten im Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der W. habe letztlich darauf abgezielt, den Entsorgungsvertrag auf die Anteilserwerberin, die R. , faktisch überzuleiten, was im wirtschaftlichen Ergebnis einer vergabepflichtigen Vertragsübernahme gleich komme und ersichtlich allein der Umgehung vergaberechtlicher Bestimmungen gedient habe. Wie die Informationsvorlage des Antragsgegners vom 23. März 2009 belege, habe die Privatisierung der Beigeladenen einerseits über den Erwerb der Geschäftsanteile durch die R. und andererseits durch Einzug der bisher von der N. gehaltenen Geschäftsanteile nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens realisiert werden sollen.

21

Weiterhin rügt die Beschwerdeführerin, dass die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag zu Unrecht als nach § 101 b Abs. 2 S. 1 GWB verfristet angesehen habe. Sie habe frühestens mit der Verkündung des Urteils des EuGH in der Rechtssache „Sea Srl“ vom 10. September 2009 die für den Fristbeginn nach § 101 b Abs. 2 S. 1 GWB erforderliche positive Kenntnis von der nunmehr geklärten, vergaberechtlich relevanten Rechtslage erlangt. Sie ist zudem der Ansicht, dass sich die Regelung des § 101 b Abs. 2 GWB als gemeinschaftsrechtswidrig erweise, da sie entgegen der Rechtsmittelrichtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. EU Nr. L 335 vom 20. Dezember 2007, 31 ff) den Lauf der 30-Tage-Frist nicht an die Bekanntgabe der Auftragsvergabe durch den öffentlichen Auftraggeber bzw. der Information der betroffenen Bieter und Bewerber über den Vertragsabschluss durch den öffentlichen Auftraggeber knüpft, sondern an die positive Kenntnis von dem Vergaberechtsverstoß. Im übrigen meint sie, dass die in das Vergaberecht neu eingeführte Fristenregelung des § 101 b Abs. 2 GWB auf das streitgegenständliche Vergabeverfahren gemäß der Überleitungsvorschrift des § 131 Abs. 8 GWB keine Anwendung finden könne, da die Vorbereitungen zu der Geschäftsanteilveräußerung im Streitfall schon weit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts am 24. April 2009 angesetzt hätten.

22

Die Antragstellerin beantragt zuletzt,

23

den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 23. Dezember 2009 aufzuheben und festzustellen, dass der zwischen dem ehemaligen Landkreis S. , dessen Rechtsnachfolger der Antragsgegner ist, und der Beigeladenen abgeschlossene Vertrag zur Teilübertragung der Abfallentsorgung vom 29. November 2002 unwirksam ist;

24

hilfsweise,

25

die zwischen dem ehemaligen Landkreis S. , dessen Rechtsnachfolger der Antragsgegner ist, und der Beigeladenen abgeschlossene Vereinbarung zur Teilübertragung der Abfallentsorgung vom 29. November 2002 für unwirksam zu erklären.

26

Der Antragsgegner beantragt,

27

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurück zu weisen.

28

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

29

Er hält an seiner Ansicht fest, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen schon keine wesentliche, eine Neuausschreibungspflicht begründende Vertragsänderung im Sinne der neueren Rechtsprechung des EuGH darstelle, die einer Neuvergabe eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB gleich zu erachten sei. Die W. sei bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Entsorgungsvertrages ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen gewesen, das sowohl aus öffentlichem als auch aus privatem Kapital bestanden habe. Die privilegierenden Voraussetzungen eines In-house-Geschäftes hätten daher von Anfang an nicht vorgelegen, so dass durch die Anteilsveräußerung auch keine besondere Privilegierung habe entfallen können. Soweit die Vergabekammer die von dem EuGH in der Rechtssache Sea Srl entwickelten Rechtsgrundsätze dagegen auf den hier vorliegenden Fall einer vergaberechtswidrigen ad-hoc Vergabe eines öffentlichen Auftrages an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen im Wege eines Erst- Recht Schlusses übertragen habe und in diesem Zusammenhang davon ausgehe, dass bei Zulassung weiteren privaten Kapitals eine wesentliche Änderung der grundlegenden Bedingung des Auftrages selbst dann gegeben sei, wenn der Auftraggeber seinerzeit auch nur rechtsirrig die zur Direktvergabe berechtigende Privilegierung angenommen habe, könne ihr nicht gefolgt werden. Denn für die Frage einer der Neuvergabe gleich zu erachtenden Vertragsänderung dürfe nicht allein auf subjektive Vorstellungen und Erwägungen der Vergabestelle bei Vertragsschluss abgestellt werden. Der von der Vergabekammer vorgenommene Erst-Recht-Schluss sei auch nicht zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen geboten gewesen. Denn der vergaberechtswidrig erteilte Auftrag habe hier zunächst unter dem Vorbehalt der Anfechtbarkeit gestanden.

30

Im übrigen hält sie an ihrer Ansicht fest, dass der Nachprüfungsantrag jedenfalls verspätet angebracht worden sei. Die Vorschrift des § 101 b Abs. 2 S. 1 GWB verstoße auch keineswegs gegen Art. 2 lit. f Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG und sei daher nicht als gemeinschaftswidrig zu betrachten. Der deutsche Gesetzgeber habe sich mit der Ausgestaltung des § 101 b Abs.2 UWG vielmehr im Rahmen seines Umsetzungsspielraumes bewegt.

31

Er ist zudem der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss nicht an einem Verfahrensfehler leide. Eine Verfahrenstrennung sei hier angezeigt gewesen, da sich die gewillkürte Parteierweiterung als unzulässig dargestellt habe.

32

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

33

Der Senat hat das Gesuch der Antragstellerin, die sofortige Beschwerde mit dem unter dem Geschäftszeichen 1 Verg 11/09 geführten Beschwerdeverfahren zu verbinden, mit Beschluss vom 23. Februar 2010 abgelehnt. Die mit Beschluss vom gleichen Tage zu dem gerichtlichen Beschwerdeverfahren als weitere Beteiligte beigeladene Firma W. GmbH (W.) hat von einer eigenen Antragstellung abgesehen.

B.

34

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach §§ 116, 117 GWB zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) bei dem nach § 116 Abs. 3 S. 1 GWB zuständigen Gericht eingelegt und begründet worden.

35

Das Rechtsmittel der Antragstellerin bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

I.

36

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin beruht die Entscheidung der Vergabekammer nicht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel.

37

Insbesondere ist die von der Vergabekammer entsprechend § 93 S. 2 VwGO angeordnete Verfahrenstrennung von dem Nachprüfungsverfahren 1 VK LVwA 48/09 nicht zu beanstanden und rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Die Vergabekammer hat bei ihrer Entscheidung über die Trennung der Nachprüfungsverfahren das ihr nach § 93 S. 2 GWB eingeräumte Ermessen vielmehr pflichtgemäß gehandhabt.

38

Auf das Verfahren vor der Vergabekammer werden im wesentlichen – soweit der vierte Teil des GWB nichts anderes vorschreibt – die Vorschriften der VwGO analog angewendet (vgl. BGH VergabeR 2004, 201 f; OLG Düsseldorf NZBau 2008, 461 – 465 zitiert nach juris).

39

a)§ 64 VwGO in Verbindung mit § 60 ZPO lässt eine subjektive Klagehäufung zwar grundsätzlich zu, wenn auf im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Gründen beruhende Ansprüche den Gegenstand des Rechtsstreites bilden, wobei diese Begriffe – wie die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde zutreffend ausführt – weit auszulegen sind(vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2008, 461 – 465 zitiert nach juris).

40

b) Bedenken begegnet allerdings bereits, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klageänderung nach § 91 VwGO für die gewillkürte Parteierweiterung auf Antragsgegnerseite vorgelegen haben. Der Antragsgegner hat seine Zustimmung zur Parteierweiterung jedenfalls versagt. Ob die Klageänderung in Gestalt einer gewillkürten Parteierweiterung sich unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie als sachdienlich erwiesen hätte, erscheint zweifelhaft. Denn der Sachdienlichkeit könnte hier das dem Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff GWB immanente Beschleunigungsbedürfnis entgegen stehen (vgl. hierzu: OLG Düsseldorf NZBau 2008, 461 – 465 zitiert nach juris), zumal das ursprünglich gegen die E. angestrengte Nachprüfungsverfahren 1 VK LVwA 48/09 bei Eingang der Antragserweiterung am 29. September 2009 bereits entscheidungsreif gewesen ist, was die Daten der jeweiligen Beschlüsse deutlich machen. Diese Frage kann der Senat im Ergebnis aber auch dahin gestellt sein lassen.

41

c) Es ist der Vergabekammer aus Gründen der Verfahrensökonomie und -beschleunigung unbenommen geblieben, das neu angestrengte Nachprüfungsverfahren entsprechend § 93 S. 2 VwGO von dem seinerzeit entscheidungsreifen Verfahren 1 VK LwVA 48/09 abzutrennen (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2008, 461 – 465 zitiert nach juris). Die mit Schriftsatz vom 29. September 2009 angebrachte Antragserweiterung hätte nämlich zu einer nicht unerheblichen weiteren Verfahrensverzögerung geführt, die gerade auch mit Blick auf den für das Nachprüfungsverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatz nicht mehr hinzunehmen war.

42

Im übrigen hat die Verfahrenstrennung hier auch - als Mittel der materiellen Sachleitung - der Übersichtlichkeit der Verfahren gedient. Die Tatsache, dass sich eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung für die Antragstellerin als kostengünstiger dargestellt hätte, rechtfertigt im Rahmen des § 93 S. 2 VwGO keine abweichende Beurteilung. Denn anerkannt ist, dass die im pflichtgemäßen Ermessen der erkennenden Vergabekammer stehende Entscheidung über die Trennung der Verfahren selbst unter dem Gesichtspunkt eines mit der Trennung verbundenen erhöhten Kostenrisikos für die Antragstellerin nicht gegen das Fairnessgebot verstößt (vgl. BrandVerfG NVwZ-RR 2003, 469 zitiert nach juris; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 93 VwGO Rdn. 3).

43

Eine Trennung hätte sich nach der Natur der Sache nur dann verboten, wenn die Antragstellerin den nachträglich angebrachten Nachprüfungsantrag in ein Eventualverhältnis zu dem in der Hauptsache verfolgten Antrag gestellt hätte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 93 VwGO Rdn. 3 m.w.N.). Dies ist hier jedoch – entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift – nicht der Fall gewesen. Die Antragstellerin hat das gegen den Antragsgegner gerichtete Nachprüfungsverfahren keineswegs in erster Instanz nur hilfsweise unter der prozessualen Bedingung angestrengt, dass sie mit ihrem Hauptantrag nicht durchzudringen vermag. Aus der Vergabeakte und insbesondere aus dem Erweiterungsschriftsatz vom 29. September 2009 geht eine Hilfsantragstellung jedenfalls nicht hervor. Die Antragstellerin hat ihren weiteren Nachprüfungsantrag vielmehr unbedingt in Form einer kumulativen Klagehäufung angebracht.

44

Dass die Vergabekammer davon abgesehen hat, die Verfahrensbeteiligten zu der beabsichtigten Verfahrenstrennung zuvor anzuhören, ist ebenfalls unschädlich gewesen. Der Trennungsbeschluss kann nämlich nach § 93 VwGO auch ohne vorherige Anhörung und mündliche Verhandlung ergehen. Selbst eine stillschweigende Trennung ist im allgemeinen grundsätzlich zulässig (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 93 VwGO Rdn. 3).

45

Nach alledem ist gegen das Vorgehen der Vergabekammer in verfahrensrechtlicher Hinsicht nichts einzuwenden.

II.

46

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist unzulässig.

47

Er ist nicht nach § 102 GWB in Verbindung mit §§ 101 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 99 GWB statthaft. Die Fortsetzung des Entsorgungsvertrages durch die W. nach Verkauf der Geschäftsanteile, die die E. an ihr hielt ohne Neuausschreibung der streitgegenständlichen Entsorgungsleistungen unterliegt nicht den Bestimmungen des Kartellvergaberechts nach §§ 97 ff GWB.

48

1. Wie die Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, findet auf das vorliegende Nachprüfungsverfahren gemäß der Übergangsbestimmung des § 131 Abs. 8 GWB das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in seiner Neufassung gemäß dem mit Wirkung zum 24. April 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (BGBl. I 2009, S. 790 ff) Anwendung.

49

Nach der Übergangsbestimmung des § 131 Abs. 8 GWB ist auf den Beginn eines Vergabeverfahrens, einschließlich der sich anschließenden Nachprüfungsverfahren, abzustellen. Liegt dieser vor dem 24. April 2009, ist die bis zum 23. April 2009 geltende alte Fassung des GWB anzuwenden.

50

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass die hier als Vergabe streitgegenständlichen Vorgänge schon vor dem insoweit für die Anwendung des Rechts maßgeblichen Stichtag am 24. April 2009 begonnen habe, so dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in seiner Neufassung durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz vom 20. April 2009 zugrunde zu legen ist. Verfahrensgegen-stand bildet die Fortsetzung des ursprünglichen Entsorgungsvertragsverhältnisses trotz zwischenzeitlicher Geschäftsanteilsveräußerung. Die Beschwerdeführerin rügt also gewissermaßen eine Vergabe ohne förmliches Vergabeverfahren.

51

In so einem Fall ist die Ermittlung des Anfangszeitpunktes zwar mit größeren Schwierigkeiten verbunden als bei einem förmlichen Vergabeverfahren. Es ist eine materielle Betrachtung anzustellen und dabei an diejenigen Maßnahmen anzuknüpfen, mit der der erste Schritt zur Herbeiführung eines konkreten Vertragsabschlusses unternommen wird und die deshalb einer förmlichen Einleitung eines Vergabeverfahrens gleich zu erachten sind (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 08. Oktober 2010, 1 Verg9/09, VergR 2010, 219, 221).

52

Sofern in der Veräußerung der Geschäftsanteile an der Beigeladenen durch die E. eine zur Neuausschreibung verpflichtenden wesentliche Änderung einer grundlegenden Bedingung des Entsorgungsvertrages gesehen würde, würde der Anteilsverkauf auch den wesentlichen Zeitpunkt für die Feststellung des Beginns des nicht förmlichen Vergabevorgangs markieren. Der Antragstellerin kann zwar darin beigepflichtet werden, dass die Verhandlungen über den Abschluss des Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrages vor der Beurkundung des Vertrages am 04. Juli 2009 aufgenommen worden sind. Bloße Vorbereitungen der Geschäftsanteilsveräußerung stellen allerdings noch nicht ohne weiteres den Beginn im o. a. Sinn dar.

53

Durch bloße Vorbereitungshandlungen, wie Maßnahmen zur Markterkundung, Machbarkeitsstudien, interne Beratungen einschließlich der Erstbefassung der späteren Entscheidungsgremien oder vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnungen wird ein Vergabeverfahren ebensowenig begonnen wie durch Selbstauskünfte der Vergabestelle über künftige Beschaffungsvorhaben oder etwaige Vorinformationen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 08. Oktober 2010, 1 Verg9/09, VergR 2010, 219, 221). Dementsprechend vermag auch die hier in Rede stehende, interne Informationsvorlage vom 23. März 2009 noch nicht zu genügen, um hieran den Beginn eines de facto-Vergabevorgangs anzuknüpfen, zumal aus der Vorlage keineswegs hervorgeht, dass der Landrat seinerzeit bereits ermächtigt war, die bisher von dem Antragsgegner gehaltenen Geschäftsanteile an der Beigeladenen zu einem bestimmten Kaufpreis veräußern zu können. Denn in der Informationsvorlage ist ausdrücklich aufgeführt, dass es sich hierbei lediglich um einen Beschlussentwurf zur Vorlage an die zuständigen Entscheidungsgremien handelt, die hierüber zu befinden haben. Dementsprechend ist die Regelung über die Vollmachtserteilung auch lediglich als Beschlussentwurf gekennzeichnet.

54

Der Zeitpunkt für die Einleitung des Vergabeverfahrens liegt jedenfalls nicht vor der internen Entscheidung der maßgeblichen Entscheidungsgremien des Antragsgegners über eine Anteilsveräußerung unter gleichzeitiger Fortsetzung des Entsorgungsvertrages. Diese interne Entscheidung über die Veräußerung der Geschäftsanteile ist aber unstreitig erst in der Sitzung des Kreistages vom 24. Juni 2009 getroffen worden und damit zeitlich nach Inkrafttreten der Neuregelungen des GWB am 24. April 2009.

55

2. Der vergaberechtliche Primärrechtsschutz ist im Streitfall – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – indessen nicht nach § 101 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GWB eröffnet.

56

Nach § 101 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GWB kann die Unwirksamkeit eines de facto Vertrages, bei dem eine Ausschreibung rechtswidrig unterblieben ist, innerhalb bestimmter Fristen in einem Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden.

57

a) Der Antragsgegner ist als kommunale Gebietskörperschaft Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB.

58

b) Es fehlt hier allerdings an einem selbständigen, vergaberechtsrelevanten Beschaffungsvorgang im Sinne des § 99 GWB. Vielmehr ist von einer vergaberechtsneutralen Fortsetzung des bereits seit dem Jahre 2002 bestehenden Entsorgungsverhältnisses auszugehen.

59

Der ursprüngliche Entsorgungsvertrag vom 29. November 2002 stellt unzweifelhaft einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB dar, da er auf die Beschaffung von Dienstleistungen gerichtet war. Der Vertragsabschluss vom 29. November 2002 über die Teilübertragung der Abfallentsorgung bildet allerdings nicht den Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens der Antragstellerin, diese wendet sich mit ihrem Nachprüfungsantrag vielmehr allein gegen die vergaberechtswidrige Fortsetzung des Vertrages nach Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen mit Anteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 04. Juli 2009.

60

aa) Ein Beschaffungsakt eines öffentlichen Auftraggebers kann zwar nicht nur in dem Abschluss eines neuen Vertrages liegen. Auch die Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses kann unter Umständen in wirtschaftlicher Hinsicht bei wertender Betrachtung den Wirkungen einer Neuvergabe gleichkommen und eine Neuausschreibungspflicht begründen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 29. Oktober 2009, 13 Verg 8/09, IBR 2009, 732 zitiert nach juris; Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, Bearbeitung 2006, § 99 GWB Rdn. 67 ff; Bungenberg in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 99 GWB Rdn. 35; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, Bearbeitung 2007, § 99 GWB Rdn. 47).

61

Der Europäische Gerichtshof hat in der „Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich“ - Entscheidung vom 19. Juni 2008 (C-454/06, NJW 2008, 3341 ff zitiert nach juris) hierzu ausgeführt, dass die Sicherstellung der Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Bieter im Sinne der Richtlinie 92/50/EWG gebiete, dass Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrages während seiner Geltungsdauer stets dann als vergaberechtsrelevante Neuvergabe des Auftrages anzusehen seien, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrages erkennen lassen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008, C-454/ 06 zitiert nach juris). Ausgehend von dem Ziel der Gemeinschaftsvorschriften, die Grundfreiheiten und einen unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten, ist - dem EuGH zufolge - eine Änderung eines öffentlichen Auftrages während seiner Laufzeit insbesondere dann als wesentlich anzusehen, wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebotes erlaubt hätten, sofern sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären. Desgleichen kann eine Änderung des ursprünglichen Auftrags als wesentlich eingestuft werden, wenn sie den Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert oder das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008, C-454/06, Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich, NJW 2008, 3341 ff, zitiert nach juris).

62

bb) Gemessen an diesen vom EuGH aufgestellten Kriterien ist hier von einer eine Neuausschreibung erfordernden wesentlichen Vertragsänderung aufgrund der Abtretung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen auf die R. auf der Grundlage des Anteilskauf- und Abtretungsvertrages vom 04. Juli 2009 indessen nicht auszugehen.

63

(1) Ein im Wege der Vertragsübernahme erfolgter Auftragnehmerwechsel hätte den zugrunde liegenden Vertrag im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zwar wesentlich ändern können. Die Ersetzung des Vertragspartners, dem der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ursprünglich erteilt hat, durch einen neuen berührt die Grundlagen des betreffenden öffentlichen Dienstleistungsvertragsverhältnisses (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008, C-454/06, Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich, NJW 2008, 3341 ff, zitiert nach juris). Ein solcher Wechsel in der Person des Vertragspartners liegt hier indessen nicht vor. Die Beigeladene ist als Dienstleistungserbringerin vielmehr als solche erhalten geblieben. Durch den Anteilsverkauf hat sich lediglich an ihrem Gesellschafterbestand etwas verändert. Die Vertragspartner sind jedoch dieselben geblieben.

64

Der Verkauf von Geschäftsanteilen eines öffentlichen Auftraggebers an privatrechtlich organisierte Gesellschaften (materielle Privatisierung) stellt sich dagegen grundsätzlich als vergaberechtsneutral dar und vermag insbesondere noch keine wesentliche Änderung des zugrunde liegenden Auftrages herbei zu führen. Der Ansicht der Antragstellerin, Anteilsabtretungen der öffentlichen Hand seien stets beschaffungsrechtlich relevante Vorgänge, wenn das Unternehmen Dienstleistungen für einen öffentlichen Auftraggeber erbringe, vermag der Senat so nicht zu folgen.

65

(a) Einer Veränderung im Kreise der Anteilseigner an einer juristischen Person kann eine vergaberechtliche Bedeutung im allgemeinen nicht beigemessen werden. Es ist vielmehr grundsätzlich vergaberechtlich hinzunehmen, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an einem Auftragnehmer ändern, der einen öffentlichen Auftrag hält.

66

Der EuGH hat in der „Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich“ - Entscheidung vom 19.Juni 2008 (C-454/06, NJW 2008, 3341 ff zitiert nach juris) hierzu festgestellt, dass eine Änderung in der Mitgliederzusammensetzung des ursprünglich beauftragten Dienstleistungserbringers während der Vertragslaufzeit die Gültigkeit der Vergabe eines öffentlichen Auftrages an eine solche Gesellschaft nicht in Frage stellt und dementsprechend nicht grundsätzlich zu einer wesentlichen Änderung des an die Gesellschaft vergebenen Auftrages führt. Werde ein öffentlicher Auftrag – wie auch hier –an eine juristische Person vergeben, so ergebe sich schon aus deren Wesen selbst, dass sich die Besitzverhältnisse jederzeit ändern könnten. Etwas anderes könne nur in Ausnahmefällen wie etwa bei Manipulationen zur Umgehung vergaberechtlicher Gemeinschaftsvorschriften gelten (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008, C-454/06 zitiert nach juris).

67

Die von dem EuGH im Hinblick auf die Beteiligungsverhältnisse an einer börsenorientierten Aktiengesellschaft und ebenso an einer registrierten Genossenschaft mit beschränkter Haftung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze beanspruchen in gleicher Weise bei einer Änderung des Gesellschafterbestandes einer in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Gesellschaft Geltung (vgl. Niestedt/Hölzl, NJW 2008, 3321, 3323). Es ist kein sachlich gerechtfertigter Grund ersichtlich, warum bei der Frage, ob eine Veränderung der Besitzverhältnisse an einer Gesellschaft zu einer Ausschreibungspflicht der von dieser gehaltenen Verträge führt, zwischen dem Wechsel eines Anteilseigners an einer börsenorientierten Aktiengesellschaft einerseits und der Zusammensetzung von Personen- oder Kapitalgesellschaften andererseits differenziert werden sollte. Eine börsenorientierte Aktiengesellschaft sowie eine eingetragene Genossenschaft, auf die sich die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich in erster Linie bezogen, mögen zwar nach ihrer Gesellschaftsstruktur stärker auf eine Veränderung im Bestand der Gesellschafter angelegt sein als dies bei einer GmbH der Fall ist. Die GmbH ist als Kapitalgesellschaft aber gleichfalls körperschaftlich organisiert und damit vom Mitgliederbestand grundsätzlich unabhängig, ihre Geschäftsanteile sind frei veräußerbar. Wollte man eine Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen einer juristischen Person zum Anlass nehmen, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen, würde dies die Fungibilität der Geschäftsanteile wesentlich einschränken und die Vergabe öffentlicher Aufträge an Kapitalgesellschaften nahezu unmöglich machen (vgl. Niestedt/Hölzl, NJW 2008, 3321, 3323). Es ließe sich - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - mithin in vergaberechtlicher Hinsicht nicht darstellen, die Änderung der Zusammensetzung der Gesellschafter einer GmbH dem Vergaberechtsregime der §§ 97 ff GWG zu unterstellen, während der Wechsel eines Anteilseigners an einer börsenrechtlich orientierten Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft keine Ausschreibungspflicht auslöst.

68

(b) Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass sich der Sachverhalt in der Entscheidung des EuGH vom 19. Juni 2008 in der Rechtssache „Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich“ von dem vorliegenden Fall darin unterscheidet, dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall an dem ursprünglichen Dienstleistungserbringer, an dem der öffentliche Auftrag erteilt wurde, der öffentliche Auftraggeber nicht selbst mit eigenen Geschäftsanteilen mehrheitlich beteiligt war. Dass der Antragsgegner bislang in öffentlicher Hand gehaltene Geschäftsanteile an dem Dienstleistungserbringer an einen Privaten veräußert hat, der dadurch an der Gesellschaft beteiligt wird, die entgeltliche Leistungen für die öffentliche Hand erbringt, führt hier jedoch zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Veräußerung von Geschäftsanteilen durch die öffentliche Hand an privatrechtlich organisierte Gesellschaften ist – isoliert gesehen - nicht ausschreibungspflichtig, so lange sie nicht mit der Vergabe eines hierin eingekapselten Beschaffungsverhältnis verbunden ist. Soweit sich die Anteilsveräußerung in einem bloßen Verkauf staatlichen Vermögens erschöpft, kein zeitlicher Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe besteht, der Auftrag vielmehr – wie auch hier – vor Anteilsübertragung begonnen wurde und sich auch keine Indizien für eine künstliche Konstruktion ergeben, unterfallen Anteilsverkäufe der öffentlichen Hand nicht dem Vergaberecht. Es fehlt ihnen der Beschaffungscharakter, welcher aber Wesensmerkmal des öffentlichen Auftrages im Sinne von § 99 GWB ist (vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 2005, C-29/04 – Stadt Mödling, zitiert nach juris; Eschenbruch in Kulartz/Kus/Portz, GWB, Bearbeitung 2006, § 99 GWB Rdn. 271; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 99 UWG Rdn. 82; Drügemöller/Conrad, VergabeR 2008, 651, 653; Jasper/Arnold, NZBau 2006, 24, 25).

69

Wenn der EuGH die Veräußerung von Geschäftsanteilen an einem Dienstleistungserbringer durch die öffentliche Hand schlechthin als eine vergaberechtsrelevante Vertragsänderung angesehen hätte, hätte er sein Urteil in der Rechtssache Stadt Mödling vom 10. November 2005 (C-29/ 04, Slg. 2005, I – 09705 zitiert nach juris) allein hierauf stützen können. So hat er seine Entscheidung aber nicht begründet. Er hat aber in dem Urteil gerade nicht festgestellt, dass Anteilsverkäufe der öffentlichen Hand stets vergabepflichtige Beschaffungsvorgänge darstellen, wenn dadurch private Unternehmen an Gesellschaften beteiligt werden, die entgeltliche Leistungen für öffentliche Auftraggeber erbringen. Er hat vielmehr eine Gesamtbetrachtung unterschiedlicher Indizien im konkreten Einzelfall vorgenommen, was aber darauf schließen lässt, dass Anteilsabtretungen der öffentlichen Hand, die nicht unmittelbar mit einer Auftragsvergabe zusammen hängen, aus Sicht des Vergaberechts nicht per se ausschreibungspflichtig sind (vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 2005, Stadt Mödling, C-29/04, Slg. 2005, I-09705 zitiert nach juris; Jasper/Arnold, NZBau 2006, 24, 26; Drügemöller/Conrad, VergabeR 2008, 651, 653) und damit auch keine wesentliche Vertragsänderung für ein zugrunde liegendes Vertragsverhältnis begründen können.

70

Der Veräußerung von Geschäftsanteilen eines öffentlichen Auftraggebers an privatrechtlich organisierten Gesellschaften (materielle Privatisierung) kann danach aber im allgemeinen keine vergaberechtliche Bedeutung beigemessen werden.

71

(2) Eine andere vergaberechtliche Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn dem Auftrag eine In-house-Vergabe zugrunde lag.

72

Auch wenn die Anteilsveräußerung durch die öffentliche Hand nicht dazu führt, dass die zu erbringenden Dienstleistungen auf einen neuen Dienstleistungsträger übertragen werden, ließe sie aber jedenfalls die Voraussetzungen der Privilegierung des In-house-Geschäftes entfallen und führt damit – im Sinne der in der Pressetext-Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich -Entscheidung des EuGH vom 19. Juni 2008 (C-454/06) aufgestellten Grundsätze zu der einer Neuvergabe gleichgestellten wesentlichen Vertragsänderung – in das bestehende Vertragsverhältnis nachträglich neue Bedingungen ein, die zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt und geboten hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären. Der Auftrag wäre unter diesen Bedingungen nämlich mangels Vorliegens eines In-house-Geschäftes ausschreibungspflichtig gewesen. Eine solche vertragswesentliche Änderung des bestehenden Auftrages muss aber zu einer Ausschreibungspflicht führen.

73

Der EuGH hat in der Rechtssache „Sea Srl/Comune di Ponte Nossa“ mit Urteil vom 10. September 2009 (C-573/07) dementsprechend in einem obiter dictum festgestellt, dass im Falle einer In-house-Vergabe eines Auftrages an eine Gesellschaft mit öffentlichem Kapital, bei der das Grundkapital vollständig aus öffentlichen Mitteln besteht und kein konkreter Hinweis auf eine baldige Öffnung des Grundkapitals dieser Gesellschaft für private Teilhaber vorliegt, eine eine Ausschreibung erfordernde Änderung einer grundlegenden Bedingung dieses Auftrages dann anzunehmen ist, wenn zu einem späteren Zeitpunkt, aber immer noch innerhalb der Gültigkeitsdauer des Auftrages, Privatpersonen zur Beteiligung am Grundkapital der genannten Gesellschaft zugelassen werden.

74

Mit dem gesellschaftsrechtlichen Transfergeschäft wandelt sich das ursprüngliche Eigengeschäft in eine Fremdleistung um. Damit aber ist die vergaberechtliche Zulässigkeit der In-house-Vergabe, die allein im Falle einer Eigenleistung des öffentlichen Auftraggebers gerechtfertigt erscheint, entfallen. Die bei einer In-house-Vergabe vorliegende wirtschaftliche Identität zwischen Auftraggeber und Dienstleistungserbringer ist nach Anteilsabtretung aufgehoben, so dass es faktisch zu einer Neuvergabe des Auftrages kommt. Der öffentliche Auftraggeber und die durch Anteilsveräußerung entstandene gemischtwirtschaftliche Gesellschaft mit gemischt öffentlichem und privatem Kapital sind nämlich nunmehr rechtlich und wirtschaftlich zwei unterschiedliche Rechtsträger, und es hat sich im Hinblick auf die ursprünglich vorliegende In-house-Situation materiell gewissermaßen ein Vertragspartnerwechsel vollzogen (vgl. Shirvani, Vergaberechtliche Relevanz von öffentlich-privaten Partnerschaften nach der „pressetext Nachrichtenagentur“-Entscheidung des EuGH, VergabeR 2010, 21, 28; Bultmann/Hölzl, Rspr.-Anmerkung, VergabeR 2009, 893, 897; Klein, Veräußerung öffentlichen Anteils- und Grundstücksvermögens nach dem Vergaberecht, VergabeR 2005, 22, 28; Eilmannsberger, JurBl. 2001, 562, 574 ff). Wird die Gesellschaft privaten Anteilseignern geöffnet, so liegt hierin eine Wettbewerbsverfälschung und Diskriminierung potenzieller Bieter, die sich ursprünglich um den Auftrag wegen dessen In-house-Charakters nicht bewerben konnten (vgl. Shirvani, Vergaberechtliche Relevanz von öffentlich-privaten Partnerschaften nach der „pressetext Nachrichtenagentur“-Entscheidung des EuGH, VergabeR 2010, 21, 28).

75

Eine Teilprivatisierung einer auftragsausführenden Gesellschaft, deren Anteile bis dato vollständig von der öffentlichen Hand gehalten wurden, stellt sich danach in Bezug auf das vorausgehende In-house-Geschäft als eine wesentliche Vertragsänderung dar und löst die Pflicht zur Neuvergabe des betreffenden Auftrages aus.

76

(3) Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von der der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Sea Srl/Comune di Ponte Nossa vom 10. September 2009 zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation vielmehr dadurch, dass hier schon bei Abschluss des Entsorgungsvertrages am 29. November 2002 die Voraussetzungen einer In-house-Vergabe nicht vorgelegen haben, der Antragsgegner vielmehr zu Unrecht von einem vergaberechtsfreien Eigengeschäft ausgegangen ist, so dass von einer nachträglichen Änderung einer grundlegenden Bedingung des Auftrages im eigentlichen Sinne nicht die Rede sein kann.

77

Der öffentliche Auftrag vom 29. November 2002 hätte nicht ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff GWB an die gemischt wirtschaftlich geführte Beigeladene vergeben werden dürfen.

78

(a) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH setzt ein vergaberechtsfreies In-house-Geschäft, das bereits tatbestandlich nicht dem Anwendungsbereich des EG-Vergaberechts unterfällt, voraus, dass die den Auftrag erteilende Körperschaft der öffentlichen Hand über die betreffende Einrichtung eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt und die Einrichtung ihre Tätigkeit im wesentlichen für die öffentliche Stelle verrichtet, die ihre Anteile inne hat (vgl. EuGH, Urteil vom 18. November 1999, C-107/98, Teckal, Slg. 1999, I-8121; EuGH, Urteil vom 11. Januar 2005, C-26/03 – Stadt Halle und RPL Lochau – zitiert nach juris; EuGH, Urteil vom 10. November 20054, C-29/04, Stadt Modling, zitiert nach juris; EuGH, Urteil vom 10. September 2009, C-573/07, Sea-Srl und Comune di Ponte Nossa, zitiert nach juris). In der Rechtssache „Stadt Halle“ und RPL Recyclingpark Lorchau GmbH vom 1. Januar 2005 (C-26/03) hat der EuGH überdies klar gestellt, dass die auch nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall ausschließt, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Beziehung zwischen einer öffentlichen Stelle, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, und ihren Dienststellen vornehmlich durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von allein im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammen hängen, während die Anlage von privatem Kapital in einem Unternehmen auf Überlegungen beruht, bei denen private Interessen vorherrschen und daher andere Ziele verfolgt. Im übrigen würde die Vergabe eines öffentlichen Auftrages an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Ausschreibung das Ziel eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und den in der Richtlinie 92/50 genannten Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessen beeinträchtigen, insbesondere weil ein solches Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmen beteiligten privaten Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschaffen würde (EuGH, Urteil vom 11. Januar 2005, C-26/03, Stadt Halle, NZBau 2005, 111, 114 f, zitiert nach juris). Allein eine 100%-ige Beherrschung des Auftragnehmers durch den öffentlichen Auftraggeber kann danach die Annahme eines vergaberechtsfreien In-house-Geschäfts rechtfertigen.

79

(b) An dieser Voraussetzung fehlt es hier bereits. Das Kapital an der Beigeladenen stand zur Zeit der Auftragsvergabe keineswegs ausschließlich dem öffentlichen Auftraggeber allein bzw. zusammen mit weiteren öffentlichen Stellen zu. Die Beigeladene war vielmehr bereits im Jahre 2002 ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen, an dem die öffentliche Hand als Mehrheitsgesellschafter einen Anteil hielt. An der Auftragnehmerin war daneben mittelbar über deren Mitgesellschafterin N. , die 49 % der Geschäftsanteile hielt, auch privates Kapital an der Gesellschaft beteiligt. Das Grundkapital der N. stand nämlich zu 49 % der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin zu. Diese mittelbare Beteiligung eines privaten Unternehmens hat es aber von Anfang an ausgeschlossen, dass der Antragsgegner über die W. eine ähnliche Kontrolle ausüben konnte, wie über eine seiner Dienststellen.

80

Auch die zweite Voraussetzung für die Annahme eines In-house-Geschäftes liegt hier nicht vor. Das Erfordernis, im wesentlichen nur für die öffentlichen Auftraggeber tätig zu sein, die sie kontrollieren, soll nach der Rechtsprechung des EuGH sicher stellen, dass die Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen anwendbar bleiben, wenn ein von einer oder mehreren Körperschaften kontrolliertes Unternehmen auf dem Markt tätig ist und daher mit anderen Unternehmen in den Wettbewerb treten kann. Ist das Unternehmen auf dem Markt tätig und erhielte es ohne Ausschreibung an sich dem Vergaberecht unterliegende Aufträge, träte eine Verfälschung des Wettbewerbs ein. Um dies zu verhindern, setzt ein vergaberechtsfreies Eigengeschäft des weiteren voraus, dass das Unternehmen hauptsächlich für die öffentliche Körperschaft, die seine Anteile innehaben, tätig wird und jede andere Tätigkeit allenfalls rein nebensächlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. April 2007, C-295/05 – Asemfo und Tragsa - zitiert nach juris; OLG Celle, Urteil vom 29. Oktober 2009, 13 Verg 8/ 09, IBR 2009, 732 zitiert nach juris).

81

Der Antragsgegner hat – unbestritten – vorgetragen, dass die öffentlichen Aufträge des Altkreises S. sowie des Altkreises M. L. tatsächlich nur einen untergeordneten Teil der Entsorgungstätigkeit der Beigeladenen ausmachen würden und diese im übrigen ihre Aufträge auf dem privatwirtschaftlichen Markt einholt. So habe sich der Anteil der von der Beigeladenen auf der Grundlage der mit dem Antragsgegner abgeschlossenen Entsorgungsverträge aus den Jahren 2002 und 2004 entsorgten Abfallmengen in den letzten drei Jahren auf lediglich durchschnittlich 21 % belaufen (Blatt 65 der Vergabeakte 1 VK LvwA 54/ 09); die Kommunalaufträge hätten in den vergangenen Jahren an den Umsätzen der Beigeladenen zwischen 18,1 % und 29,7 % beigetragen. Im übrigen erwirtschaftet die Beigeladene ihre Umsätze durch Drittaufträge. Danach aber kann nicht die Rede davon sein, dass die W. hauptsächlich für die öffentliche Körperschaft, die ihre Anteile hält, tätig wird und jede andere Tätigkeit nur rein nebensächlicher Natur sei(vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 19. April 2007, C-295/ 05 – Asemfo und Tragsa – zitiert nach juris; OLG Celle, Urteil vom 29. Oktober 2009, 13 Verg 8/09, IBR 2009, 732 zitiert nach juris).

82

Durch die Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen konnte nach alledem eine In-house-Privilegierung nicht in Wegfall geraten, weil ein solcher Privilegierungstatbestand von Anbeginn an nicht vorgelegen hat. Die Anteilsübertragung hat den Anteil an privatem Kapital an der Beigeladenen vielmehr lediglich erhöht und damit den bereits bei Auftragsvergabe vorliegenden Zustand eines gemischt wirtschaftlichen Unternehmens perpetuiert, die Beschaffungsvoraussetzungen aber als solches nicht verändert.

83

(4) Soweit die Vergabekammer die hier in Rede stehende Fallkonstellation der Situation bei Vorliegen eines vergaberechtsfreien Eigengeschäftes, dessen Privilegierung durch die Anteilsveräußerung entfallen ist, aus allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen im Wege eines Erst-Recht- Schlusses gleich erachtet, weil sie dafür hält, dass der Antragsgegner, der die Vorzüge einer In-house-Privilegierung bei Vergabe der Entsorgungsleistungen im Jahre 2002 zunächst rechtsirrig für sich in Anspruch genommen hat, nicht besser gestellt werden dürfe als derjenige Auftraggeber, der die engen Voraussetzungen eines In-house- Geschäftes bei Vergabe des öffentlichen Auftrages tatsächlich erfüllt hat und sich damit rechtstreu verhalten hat, folgt der Senat dem nicht.

84

Für den von der Vergabekammer vollzogenen Erst-Recht-Schluss ist in dem für Beschaffungsvorhaben im Sinne des § 99 GWB eröffneten, formalisierten und justizförmlich ausgestalteten Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff GWB auch aufgrund einer schutzzweckorientierten, funktionalen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der gesetzlichen Schutzzwecke des Vergaberechts, nämlich der Gewährleistung eines freien Dienstleistungsverkehrs, dem Schutz eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und der Gleichbehandlung, kein Raum. Mit der Anwendung des Erst-Recht-Schlusses ginge ein Verlust an Rechtssicherheit einher.

85

Für die Beurteilung einer eine Ausschreibungspflicht nach §§ 97 ff GWB auslösenden wesentlichen Änderung einer grundlegenden Bedingung des zugrunde legenden Auftrages muss im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vielmehr grundsätzlich an objektive Kriterien angeknüpft werden. Ob ein ausschreibungspflichtiger Vorgang vorliegt, ist aus Gründen der Rechtssicherheit daher in der Regel anhand der objektiven Verhältnissen und Bedingungen zu prüfen, die zum Zeitpunkt der fraglichen Vergabe des öffentlichen Auftrages vorlagen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 2005, C-29/ 04 – Stadt Mödling – Sgl. 2005, I – 09705 zitiert nach juris). Allein die rechtsirrige Vorstellung des Auftraggebers vom Vorliegen eines vergaberechtsfreien Eigengeschäftes kann einer auf objektive Gegebenheiten beruhenden, tatsächlichen Änderung der Vertragssituation durch Entfallen des Privilegierungstatbestandes bei erstmaliger Zulassung privater Investoren an einer Gesellschaft, deren gesamtes Grundkapital ursprünglich von dem öffentlichen Auftraggeber gehalten wurde, dagegen nicht gleich gestellt werden.

86

Die Eröffnung des Vergaberechtsweges darf nicht von den subjektiven Vorstellungen der Vergabestelle bei Auftragserteilung abhängen.

87

Deshalb kommt es für die Frage einer vertragswesentlichen Änderung des Auftrages durch Veräußerung der Geschäftsanteile an der Dienstleistungserbringerin nicht auf die seinerzeitigen subjektiven Erwägungen der Vergabestelle bei Vergabe des ursprünglichen Auftrages an.

88

Die Erforschung der subjektiven Motivlage der Vergabestelle bei Direktvergabe des Auftrages an ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen durch die Nachprüfungsinstanz wird im übrigen allenfalls mit Schwierigkeiten möglich sein. Zudem handelt es sich bei den in § 97 GWB statuierten Zielen des Kartellvergaberechts um rein objektive Rechtsgewährleistungen, die mit einer Motiverforschung nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen sind (vgl. Klein, VergabeR 2005, 22, 27; Shirvani, VergabeR 2010, 21, 25 m.w.N.). Der Begriff des öffentlichen Auftrages darf über den gesetzlichen Wortlaut hinaus deshalb allenfalls mit großer Zurückhaltung ausgedehnt werden, was in jedem Fall sorgsam zu begründen wäre (vgl. Klein, VergabeR 2005, 22, 29).

89

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin gebietet eine an den gesetzlichen Schutzzwecken des Vergaberechts orientierte funktionale Betrachtung keine abweichende Beurteilung.

90

Zu Recht weist die Antragstellerin zwar darauf hin, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrages an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Ausschreibung mit den vergaberechtlichen Zielen eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und den in der Richtlinie 92/ 50 genannten Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten nicht vereinbar wäre, weil dem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten Unternehmen hierdurch ein Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten erwachsen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Januar 2005, C-26/03 – Stadt Halle und RPL Recyclingpark Lorchau GmbH, Slg. 2005, I-00001 zitiert nach juris; Shirvani, VergabeR 2010, 21, 28).

91

Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz stand den an dem Auftrag ebenfalls interessierten Bietern aber seinerzeit durchaus offen. Der durch die Direktvergabe der Entsorgungsleistungen im Jahre 2002 an die als gemischt wirtschaftliches Unternehmen geführte Beigeladene insoweit begangene Vergaberechtsverstoß hätte nämlich ohne weiteres einer Nachprüfung nach Maßgabe der §§ 97 ff GWB unterzogen werden können. Der im Wege einer de facto-Vergabe erteilte öffentliche Auftrag vom 29. November 2002 war nach Maßgabe des § 13 VgV in der bis zum 23. April 2009 gültigen alten Fassung zweifellos ursprünglich angreifbar. Eine vergaberechtliche Nachprüfung der Vergabe des ursprünglichen Entsorgungsvertrages ist jedoch unterblieben, und deren Nachholung wäre nunmehr in jedem Fall unzulässig. Dabei kann der Senat dahin gestellt sein lassen, ob der Zulässigkeit eines nachgeholten Nachprüfungsbegehrens bereits die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 GWB a.F. entgegen stehen würde oder ob bei einer de facto- Vergabe auch schon nach alter Rechtslage eine Rügepräklusion von vorneherein ausgeschlossen war, so wie es nunmehr die Neufassung des § 107 Abs. 3 GWB aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 nunmehr ausdrücklich vorsieht (vgl. OLG Celle Urteil vom 29. Oktober 2009, 13 Verg 8/09, IBR 2009, 732 zitiert nach juris). Denn jedenfalls ist das Nachprüfungsrecht der Antragstellerin in jedem Fall wegen Zeitablaufs nach § 242 BGB verwirkt und der Entsorgungsvertrag aus dem Jahre 2002 damit letztlich „bestandskräftig“ geworden.

92

Die Antragstellerin, die seinerzeit davon absah, ein Nachprüfungsverfahren wegen des Vergaberechtsverstoßes anzustrengen, obwohl sie von dem Fehlen einer In-house-Privilegierung damals unstreitig Kenntnis hatte und als Anteilseignerin an der N. von dem Eigengeschäft selbst profitierte, kann nun nicht aufgrund des als solchen ausschreibungsfreien Anteilsverkauf der E. an der Beigeladenen, der den Anteil privaten Kapitals an dem Dienstleistungserbringer lediglich weiter erhöht hat, den vergangenen Vergabefehler wieder aufgreifen und zumindest mittelbar im Wege eines Erst-Recht-Schlusses zum Gegenstand eines neuen Nachprüfungsverfahrens machen. Ist der ursprüngliche Auftrag - wie hier - vergaberechtswidrig ohne Ausschreibung und ohne gesetzliche Rechtfertigung durch eine In-house-Konstellation direkt an eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft vergeben worden, kann es nicht angehen, dass dieser Rechtsanwendungsfehler nun dadurch geheilt werden soll, dass eine sehr viel spätere Anteilsveräußerung als mittelbarer Beschaffungsakt gedeutet und damit dem Vergaberecht unterworfen wird (vgl. Klein, VergabeR 2005, 22, 29; Shirvani, VergabeR 2010, 21, 29).

93

Auch nach dem Sinn und Zweck des Vergaberechts, die Grundfreiheiten und den unverfälschten Wettbewerb im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu gewährleisten, ist eine erneute Ausschreibung nicht mehr erforderlich.

94

(5) Eine Ausschreibungspflicht kann sich hier schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der vergaberechtlichen Schutzbestimmungen ergeben.

95

Einen Umgehungstatbestand vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit die Antragstellerin meint, der Antragsgegner habe durch die Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen die vollständige Privatisierung der Beigeladenen befördert und in wirtschaftlicher Hinsicht damit letztlich eine faktische Vertragsübernahme durch die R. - GmbH bewirkt, kann der Senat dem so nicht folgen. Für das Vorliegen einer entsprechenden Manipulation durch den Antragsgegner zur Umgehung vergaberechtlicher Bestimmungen bestehen - bei funktionaler Gesamtbetrachtung des der Anteilsveräußerung zugrunde liegenden Sachverhaltes – nach Lage der Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte. Eine auf Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen und Verschleierung einer tatsächlich bestehenden Ausschreibungspflicht abzielende künstliche Konstruktion, wie sie der EuGH in dem in der Rechtssache Stadt Mödling getroffenen Urteil vom 10. November 2005 (C-29/04, Sgl. 2005, I – 09705 zitiert nach juris) dargestellt hat, ist im Streitfall nicht feststellbar. Der zeitliche Abstand zwischen der Vergabe des öffentlichen Auftrages im Jahre 2002 und der hier in Rede stehenden Anteilsveräußerung vom 04. Juli 2009 spricht bei der insoweit gebotenen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung vielmehr gegen die Annahme eines einheitlichen Vorgangs mit Umgehungsabsicht. Inzwischen hatte sich die Situation für alle Beteiligten nämlich nicht unwesentlich verändert. Die beiden Landkreise S. und M. L. waren zum Landkreis M. zusammen gelegt worden. Der neue Landkreis hatte die bislang unterschiedlichen Organisationsstrukturen der Abfallwirtschaft aus den beiden früheren Landkreisen neu auszurichten. Gleichzeitig veränderten sich die Rahmenbedingungen der Abfallwirtschaft insgesamt.

96

Dass der Veräußerungszweck allein darin bestand, der R. den Zugriff auf die öffentlichen Aufträge zu ermöglichen bzw. diese faktisch auf die R. überzuleiten, kann weder der zur Akte gereichten Beschlussvorlage des Antragsgegners vom 23. März 2009, noch dem Geschäftsanteilskaufvertrag vom 04. Juli 2009 selbst zweifelsfrei entnommen werden.

97

In der Beschlussvorlage des Landkreises M. vom 23.03.2009 für die Kreistagssitzung vom 01.04.2009 werden umfangreich die wirtschaftlichen Folgen einer Insolvenz der W. für den Landkreis unter verschiedenen Gesichtspunkten, z.B. auch hinsichtlich einer von der Sparkasse M. gestellten Bürgschaft und hinsichtlich ihrer Konsequenzen für die E. dargestellt. Auch die Auswirkungen auf die R. Gruppe aufgrund der mit dieser bestehenden laufenden Geschäftsverbindung werden dargestellt. Anschließend wird die später vollzogene Lösung u.a. durch den Verkauf der Geschäftsanteile vorgeschlagen. Nachdem die vergaberechtlichen „Risiken“ auch unter dem Gesichtspunkt dargestellt werden, dass von Seiten eines angerufenen Gerichtes ein Umgehungsgeschäft angenommen werden könnte, wird vorgeschlagen, für einen solchen Fall die einvernehmliche Aufhebung der bei der W. bestehenden Dienstleistungsverträge vorzusehen. Es heißt hierzu wörtlich: „“Für den Fall, dass ein Gericht feststellen sollte, dass der Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen der E. GmbH und R. über die Geschäftsanteile der E. GmbH (51 %) an der W. GmbH, deshalb (vergabe)rechtswidrig ist, weil hiermit auch die Verträge des Landkreises M. zur „Teilübertragung der Abfallwirtschaft“ vom 29.11.2002 und zur „Entsorgung der Restabfälle des Landkreises M. L. ab 01.06.2005“ vom 25.05.2004 übergegangen sind, verpflichten sich der Käufer und der Landkreis M. zur Sicherung des Anteilsverkaufs die vorgenannten Dienstleistungsverträge einvernehmlich aufzuheben. Der Landkreis M. wird die Verträge sodann unverzüglich neue ausschreiben, sodass auch der Käufer Gelegenheit erhält hierzu ein Angebot abzugeben.“ Mit der Aufnahme einer solchen Klausel signalisieren die Vertragsparteien, dass nicht die Dienstleistungsverträge im Mittelpunkt des Kauf- und Abtretungsvertrages stehen, sondern die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz der W. GmbH“ Diese in der Informationsvorlage nieder gelegten Erwägungen machen deutlich, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile keineswegs wirtschaftlich in eine Gesamtkonstruktion eingebettet ist, deren Z i e l die Umgehung des Vergaberechts ist. Dass der neue Gesellschafter nunmehr anstelle des alten an den vorhandenen längerfristigen Entsorgungsverträgen mitverdient, reicht für sich allein genommen für eine solche Annahme nicht aus. Die in der Beschlussvorlage angestellten Überlegungen zeigen vielmehr, dass man die Anteilsveräußerung auch ohne die vorhandenen o.a. Entsorgungsverträge gewollt hat. Der Formulierungsvorschlag hat zwar dann in den Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vor dem Notar B. am 04. Juli 2009 keinen Eingang gefunden. Dieser Umstand kann aber nicht schon als Beleg dafür dienen, dass die gewählte Vertragskonstruktion – entgegen den in der Beschlussvorlage angestellten Erwägungen – nun doch auf Umgehung einer Neuausschreibung angelegt war.

98

Gemäß Abschnitt II) des notariell beurkundeten Anteilskaufvertrages waren sich die Vertragsparteien darüber einig, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile der E. der Sanierung der Gesellschaft und damit der Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Beigeladenen dienen sollte.

99

Dass sich die R. als Anteilserwerberin nach Abschnitt XIII Ziffer 1 lit.a) des Vertrages ein Rücktrittsrecht für den Fall vorbehalten hat, dass der Antragsgegner die Entsorgungsverträge aus den Jahren 2002 und 2005 vorzeitig beendet, ist aus ihrer Sicht wirtschaftlich verständlich. Gleichwohl ist es kein Indiz dafür, dass es ihr in erster Linie um den Erwerb dieser Entsorgungsverträge ging. Dagegen spricht bereits, dass diese Kommunalaufträge unstreitig nur circa ein Viertel der durch die Beigeladene erwirtschafteten Umsätzen ausmachen und für deren Unternehmenserfolg dementsprechend nicht allein entscheidend sind.

100

Die R. hat zwar auch die Geschäftsanteile der N. vom Insolvenzverwalter erworben und diesen Erwerb und den der Geschäftsanteile der E. an der W. im Zusammenhang gesehen, was die in Abschnitt XIII Ziffer 1 lit.b) vereinbarte Rücktrittsklausel deutlich macht. Dabei ist jedoch wiederum zu bedenken, dass mit dem Erwerb der Geschäftsanteile der E. sowohl der Antragsgegner als auch die Käuferin verschiedene Interessen verfolgten und sich keineswegs allein auf das Schicksal der beiden Entsorgungsverträge fokussierten.

101

Der Senat vermag daher auch in der Gesamtschau der Verträge keine gezielte Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Entsorgungsverträge anzunehmen. werden.

102

Der vergaberechtliche Primärrechtsschutz ist nach alledem hier mangels eines entgeltlichen Beschaffungsvorganges im Sinne des § 99 GWB nicht eröffnet, denn in der Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen liegt keine eine Ausschreibungspflicht auslösende, wesentliche Änderung des bestehenden Entsorgungsvertrages vom 29. November 2002.

103

Auf die von der Vergabekammer verneinte Frage, ob die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag gemäß § 101 b Abs. 2 S. 1 GWB rechtzeitig binnen 30 Tagen ab Kenntnis des Vergabeverstoßes angebracht hat, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr streitentscheidend an.

III.

104

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.


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(2) Anstelle des § 108 Absatz 1 ist Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) anzuwenden. Artikel 5 Absatz 5 und Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bleiben unberührt.

(3) Öffentliche Auftraggeber, die öffentliche Aufträge im Sinne von Absatz 1 vergeben, sollen gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verlangen, dass bei einem Wechsel des Betreibers der Personenverkehrsleistung der ausgewählte Betreiber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die beim bisherigen Betreiber für die Erbringung dieser Verkehrsleistung beschäftigt waren, übernimmt und ihnen die Rechte gewährt, auf die sie Anspruch hätten, wenn ein Übergang gemäß § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgt wäre. Für den Fall, dass ein öffentlicher Auftraggeber die Übernahme von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne von Satz 1 verlangt, beschränkt sich das Verlangen auf diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für die Erbringung der übergehenden Verkehrsleistung unmittelbar erforderlich sind. Der öffentliche Auftraggeber soll Regelungen vorsehen, durch die eine missbräuchliche Anpassung tarifvertraglicher Regelungen zu Lasten des neuen Betreibers zwischen der Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung und der Übernahme des Betriebes ausgeschlossen wird. Der bisherige Betreiber ist nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, alle hierzu erforderlichen Angaben zu machen.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

Tenor

Seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der E. GmbH mit Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 27.10.2009 ist das gerichtliche Beschwerdeverfahren gemäß § 240 ZPO analog unterbrochen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, ein Unternehmen der privaten Entsorgungswirtschaft, das einem bundesweit agierenden Entsorgungskonzern angehört, macht mit dem vorliegenden Nachprüfungsverfahren Ansprüche wegen einer Veräußerung von Geschäftsanteilen geltend, der kein Vergabeverfahren vorausging.

2

Die E. GmbH (E.), die ursprüngliche Antragsgegnerin, deren alleiniger Gesellschafter der Landkreis M. ist, war mit 51 % der Anteile Gesellschafterin der W. GmbH (kurz: W.), die in den Jahren 2002 und 2004 von den früheren Landkreisen S. und M. L. mit der Entsorgung von Restabfällen beauftragt worden war.

3

Die weiteren 49 % der Gesellschaftsanteile an der W. hält die N. GmbH (im Folgenden kurz: N.). Die Gesellschaftsanteile an der N. wiederum halten die E. zu 51 % und die K. GmbH, eine Tochtergesellschaft der Antragstellerin, zu 49 %. Über das Vermögen der N. wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 04.06.2009 (Az. 59 IN 235/09) das Insolvenzverfahren eröffnet.

4

Am 04.07.2009 veräußerte die E. die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an der W. an die R. -GmbH (im Folgenden kurz: R. GmbH), die Beigeladene Ziff. 5.

5

Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an der W. unterfalle als solche dem Anwendungsbereich des Vergaberechts. Daher hätte nach ihrer Rechtsansicht der Verkauf der Gesellschaftsanteile im Wege eines vergaberechtskonformen Verfahrens nach Ausschreibung erfolgen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, stelle eine unzulässige De-facto-Vergabe dar und mache den Verkauf der Gesellschaftsanteile unwirksam.

6

Die Antragstellerin hat vor der Vergabekammer zunächst beantragt, festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt wird, und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an der W. nur nach Durchführung eines vorherigen Vergabeverfahrens gemäß §§ 97 ff. GWB zu verkaufen. Hilfsweise hat sie beantragt, den zwischen der Antragsgegnerin und der R. GmbH abgeschlossenen Vertrag über den Erwerb von Geschäftsanteilen an der W. für unwirksam zu erklären.

7

Die Antragsgegnerin hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig angesehen. Weder sei sie als öffentlicher Auftraggeber tätig geworden, noch handele es sich bei dem Geschäftsanteilsverkauf um einen ausschreibungspflichtigen Vorgang.

8

Auch die ursprüngliche Antragsgegnerin (E.) wurde im Laufe des Nachprüfungsverfahrens insolvent. Mit Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 11.08.2009 (Az. 59 IN 679/09) wurde der heutige Antragsgegner zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Antragsgegnerin bestellt. Ein allgemeines Verfügungsverbot wurde jedoch noch nicht angeordnet.

9

Mit Beschluss vom 07.10.2009 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag verworfen. Sie hielt den Nachprüfungsantrag für unzulässig, weil der streitgegenständliche Vertrag keinen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB darstelle. Ein Beschaffungscharakter liege weder unmittelbar noch mittelbar vor. Der Verkauf von Gesellschaftsanteilen selbst sei kein Beschaffungsvorgang.

10

Gegen den ihr am 12.10.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 21.10.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Zugleich hat sie beantragt, das Beschwerdeverfahren auf den Landkreis M. zu erweitern, und hat hierzu einen weiteren Hilfsantrag gestellt, der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der zwischen den früheren Landkreisen S. und M. L. in den Jahren 2002 und 2004 geschlossenen Entsorgungsverträge gerichtet war. Diesen Antrag hat die Antragstellerin später nach Hinweisen des Gerichts mit Schriftsatz vom 01.04.2010 zurückgenommen und ihre Beschwerdeanträge auf den Antragsgegner beschränkt.

11

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27.10.2009 wurde auch über das Vermögen der E. das Insolvenzverfahren eröffnet und der heutige Antragsgegner zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 01.04.2010 hat deshalb der Senat darauf hingewiesen, dass er zunächst über die Frage zu entscheiden habe, ob nach der Insolvenz der Antragsgegnerin § 240 ZPO entsprechend anzuwenden sei.

12

Hierzu hat die Antragstellerin die Ansicht vertreten, dass § 240 ZPO mangels gesetzlicher Verweisung im Verfahren nach §§ 116 ff. GWB keine Anwendung finden könne. Eine Analogie käme nur in Betracht, wenn die Interessenlage der Beteiligten dies erforderte. Das sei im vorliegenden Fall aber zu verneinen, weil die Unterbrechung des Verfahrens die Durchsetzung der Ansprüche der Antragstellerin weiter verzögern würde. Diese Verzögerung verletzte das im Vergaberecht herrschende Beschleunigungsgebot und führe letztlich zu einer Vereitelung jeglichen Rechtsschutzes. Außerdem, so meint die Antragstellerin, sei auch der Tatbestand des § 240 ZPO nicht erfüllt, weil Gegenstand des Verfahrens allein ein Anspruch der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB sei, so dass das Nachprüfungsverfahren die Insolvenzmasse nicht betreffe.

13

Die Antragstellerin hält deshalb § 240 ZPO nicht für entsprechend anwendbar und beantragt zuletzt,

14

1. den Beschluss der Vergabekammer vom 07.10.2009 im Verfahren 1 VKLVwA 48/09 aufzuheben,

15

2. festzustellen, dass der am 04.07.2009 zwischen der ursprünglichen Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 2) abgeschlossene, den Erwerb von Geschäftsanteilen an der Beigeladenen zu 1) betreffende Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag unwirksam ist.

16

Hilfsweise beantragt die Antragstellerin,

17

3. den am 04.07.2009 zwischen der ursprünglichen Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 2) abgeschlossene, den Erwerb von Gesellschaftsanteilen an der Beigeladenen zu 1) betreffenden Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag für unwirksam zu erklären.

18

Der Antragsgegner

19

beruft sich auf § 240 ZPO und lehnt es daher ab, einen Antrag zur Sache zu stellen.

20

Er ist der Meinung, auch im Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB müsse § 240 ZPO analog gelten, um dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu geben, die Situation einzuschätzen und eine zum Wohle der Vermögensmasse sachgerechte Entscheidung zu treffen. Die bestehende gesetzliche Regelungslücke müsse ausgefüllt werden, denn die durch die Insolvenz der Vergabestelle eingetretene Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Situation erfordere eine entsprechende Verfahrensunterbrechung, die auch in anderen, nicht zivilrechtlichen Verfahren als Grundsatz anerkannt sei. Dem stehe auch der im Vergabenachprüfungsverfahren geltende Beschleunigungsgrundsatz nicht entgegen. Denn zum einen sei dem Schutz der Insolvenzmasse Vorrang zu gewähren, zum anderen könne das Interesse eines Beteiligten an der Vermeidung der Unterbrechung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nicht höher bewertet werden als das Beschleunigungsinteresse der Partei eines Eilverfahrens, in denen § 240 ZPO ebenfalls Anwendung finde.

21

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

II.

22

Das Verfahren ist gemäß § 240 ZPO analog seit dem 27.10.2009 unterbrochen.

23

Nach Ansicht des Senates muss § 240 ZPO im gerichtlichen Beschwerdeverfahren eines Vergabenachprüfungsverfahrens nach § 116 GWB jedenfalls in den Fällen Anwendung finden, in denen über das Vermögen der beteiligten Vergabestelle das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

24

1. Eine analoge Anwendung des § 240 ZPO ist nicht ausgeschlossen.

25

a) Der Senat verkennt nicht, dass es sich um ein Vergabenachprüfungsverfahren handelt, in welchem auch in der Beschwerdeinstanz besondere prozessuale Regelungen durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) getroffen werden. Eine ausdrückliche gesetzliche Verweisung auf § 240 ZPO gibt es im Vergabeverfahrensrecht nicht. Nach § 120 GWB finden die §§ 69, 70 Abs. 1 bis 3., § 71 Abs. 1 und 6, §§ 72, 73 mit Ausnahme der Verweisung auf § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung und die §§ 78, 111 und 113 Abs. 2 Satz 1 entsprechende Anwendung. In dieser Aufzählung findet sich die Vorschrift des § 240 ZPO nicht.

26

b) Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Nach Ansicht des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 17.08.2007, 1 Verg 5/07, VergabeR 2008, 291 ff.) ist das Beschwerdeverfahren vor den Vergabesenaten trotz der unmittelbaren und mittelbaren Verweisungen in § 120 Abs. 2 GWB nicht vollständig geregelt. Um Rechtslücken zu schließen, ist wegen der Nähe zum Kartellverfahrensrecht zunächst auf diese Bestimmungen zurückzugreifen (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 45, 48 und 2001, 164 f.). Jedenfalls darf aus dem fehlenden Verweis in § 120 GWB auf andere Normen des kartellrechtlichen Beschwerdeverfahrens nicht auf die Nichtanwendbarkeit dieser Normen geschlossen werden (vgl. OLG Frankfurt, NZBau 2004, 567, 568). Subsidiär kommen eine analoge Anwendung der VwGO und der ZPO in Betracht (so insgesamt auch Storr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, § 120 Rdn. 5; Stockmann in Dreher/Stockmann, Kartellvergaberecht, 4. Aufl. 2008, § 120 Rdn. 25; Willenbruch/Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 120 GWB, Rdn. 23 ff.). Die Frage der Schließung solcher Lücken muss allerdings für jede einzelne Verfahrensfrage gesondert geprüft werden (Senatsbeschluss vom 17.08.2007, a.a.O.; insoweit zustimmend auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.08.2009, Aktenzeichen L 6 B 186/09, zitiert nach juris; Jaeger in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl. 2005, § 120 Rdn. 1207; für eine „problembezogene“ Analogie: Stockmann a.a.O.).

27

2. Die Bedeutung des § 240 ZPO geht unbestritten über das Zivilverfahren hinaus. Denn die Regelung beruht auf verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit nach Art. 20 Abs. 3 GG mit dem Gebot eines fairen Verfahrens und des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG (Baumbach/Lauterbach/ Albers/ Hartmann, 68. Aufl. 2010, § 240 Rdn. 1 i.V.m. Übers vor § 239, Rdn. 2 m.N.; so wohl auch BGH, NJW 1997, 2525 ff.), deren Einhaltung auch in anderen gerichtlichen Verfahrensarten zu gewährleisten ist. Mit § 240 reagiert das Gesetz auf einen außerhalb des jeweiligen gerichtlichen Verfahrens eintretenden Umstand, nämlich die Insolvenz einer Partei. § 240 ZPO trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gemeinschuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch seine Prozessführungsbefugnis verliert und diese gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht (vgl. BGH, NJW 1997, a.a.O.). Dieser soll ausreichend Bedenkzeit haben, über die Fortsetzung des Prozesses zu entscheiden (BGHZ 9, 308 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 240 Rdn. 1; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 240 Rdn. 1). Dieser Zweck ist tangiert, wenn der Gemeinschuldner Partei des Verfahrens mit eigenen Rechten ist (vgl. OLG Bamberg, ZIP 2006, 1066 f.).

28

3. Da diese Situation unabhängig von der Verfahrensordnung in allen kontradiktorischen Verfahren auftreten kann, wird § 240 ZPO auch in allen Urteilsverfahren jeder zivilen Prozessart und in allen Instanzen angewendet (vgl. Greger, a.a.O., § 239 Rdn. 8). Die §§ 239 ff. ZPO gelten auch für solche Verfahren, die eine mündliche Verhandlung nicht notwendig voraussetzen, wie Mahnverfahren, Kostenfestsetzungsverfahren, Beschwerdeverfahren. § 240 ZPO gilt auch in besonders eiligen Verfahren wie Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren (vgl. BGH, NJW 1962, 591) sowie selbständigen Beweisverfahren (BGH, NJW 2004, 1388). Eine entsprechende Anwendung findet auch in arbeitsgerichtlichen (§§ 46 Abs. 2, 64 VI, 72 V ArbGG) und sozialgerichtlichen Verfahren statt sowie schon vor dessen Normierung im Verwaltungsprozess (OVG Hamburg, MDR 1953, 442) und im steuerrechtlichen Streitverfahren (BFH, BB 1970, 1163).

29

4. Im Vergabeverfahren liegen die Interessen der Beteiligten zumindest dann ähnlich, wenn die Vergabestelle insolvent wird. Dies wird vergleichsweise selten geschehen, weil öffentliche Aufträge überwiegend nicht von Privaten erteilt werden. Mit der zunehmenden Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in privaten Rechtsformen, der § 98 Nr. 2 GWB Rechnung trägt, kann aber auch die Insolvenz einer privatrechtlich organisierten Vergabestelle an Bedeutung gewinnen.

30

a) Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Analogie kann die Frage, ob § 240 ZPO angewandt werden soll, nicht von Fall zu Fall anhand der individuellen Interessenlage entschieden werden, sondern nur allgemein für eine abstrakt abzugrenzende Verfahrenssituation. Daher kommt es entgegen der Ansicht der Antragstellerin letztlich nicht darauf an, welche individuellen Folgen die Unterbrechung im hier vorliegenden Verfahren für sie hat, sondern allenfalls auf den Vergleich der grundsätzlichen Interessenlagen der Beteiligten mit der Situation in anderen Streitverfahren, in denen § 240 ZPO Anwendung findet. Insofern erscheint eher das Argument des Antragsgegners zuzutreffen, der das Interesse eines Bieters an der Vermeidung der Unterbrechung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nicht höher bewerten will als das Beschleunigungsinteresse der Partei eines zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens, in denen § 240 ZPO ebenfalls Anwendung findet.

31

b) Zu berücksichtigen sind zunächst die grundlegenden Ähnlichkeiten des (gerichtlichen) Vergabenachprüfungsverfahrens zum Zivilprozess und dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Wie dort handelt sich bei den Vergabenachprüfungsverfahren um Streitverfahren, die nur auf Antrag eröffnet werden. Wie im Zivilprozess haben die Beteiligten damit die Herrschaft über den Verfahrensbeginn, über den Verfahrensgegenstand und über das Verfahrensende. Die Interessenlage der sich als Parteien gegenüber stehenden Verfahrensbeteiligten ist ähnlich wie im Zivil- oder Verwaltungsprozess.

32

c) Das Vergabeverfahren bleibt von der Insolvenz der Vergabestelle nicht unberührt. Wird sie insolvent, kann die Vergabestelle den ausgeschriebenen oder bereits erteilten Auftrag nicht mehr ohne Weiteres erfüllen. Zumindest ist ihre Geschäftsführung rechtlich daran gehindert. An ihre Stelle tritt der Insolvenzverwalter, der seine Funktion im öffentlichen Interesse ausübt. Er braucht Bedenkzeit, um über die Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden. Im Vergabeverfahren stellt sich dabei nicht nur die Frage, ob die Ansprüche des Bieters im konkreten Vergabeverfahren berechtigt sind und gegebenenfalls gegenüber der insolventen Vergabestelle durchgesetzt werden könnten. Vielmehr muss der Insolvenzverwalter zunächst klären, ob die Vergabestelle das ausgeschriebene Projekt überhaupt noch durchführen kann.

33

d) Dass gegenüber dieser Interessenlage der insolventen Vergabestelle und ihrer Gläubiger dem Interesse der Bieter an einem effektiven Rechtsschutz (Art. 1 Abs. 1 UA 3, Art. 2 Abs. 1 a) der Richtlinie 2007/66/EG) durch unverzügliche Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens trotz Insolvenz der Vergabestelle der Vorrang zu gewähren wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Typischerweise dient das von einem unterlegenen Bieter eingeleitete Nachprüfungsverfahren dem Zweck, die Erteilung eines beabsichtigten Zuschlags an einen Mitbieter zu verhindern, die Wiederholung der Vergabeentscheidung bzw. der gesamten Ausschreibung zu erreichen oder zumindest eine Verletzung der Rechte des Antragstellers festzustellen. Die wirksame Durchsetzung dieser und anderer durch § 97 GWB geschützter Bieterinteressen kann aber ihre Grenze finden, wenn die Vergabestelle insolvent wird. Insofern ist der Antragstellerin zuzustimmen, dass ein vergaberechtlicher Anspruch gegenüber einer insolventen Vergabestelle unter Umständen dauerhaft nicht mehr durchgesetzt werden kann. Damit teilt der im Vergaberecht begründete Anspruch das mögliche Schicksal anderer Verwaltungs- oder zivilrechtlicher Ansprüche. Diese Folge beruht aber allein auf der Insolvenz der privatrechtlich organisierten Vergabestelle. Wie Ansprüche und Rechte gegen insolvente private juristische Personen durchgesetzt werden können, regelt das nationale Insolvenzrecht abschließend.

34

e) Ein die Unterbrechung nach § 240 ZPO ausschließendes, überragendes Interesse des unterlegenen Bieters sieht der Senat im Fall der Insolvenz der beteiligten Vergabestelle gerade nicht.

35

Im Regelfall wird das Interesse eines unterlegenen Bieters an dem Zuschlag eher sinken, wenn der Auftraggeber insolvent wird und damit die Erteilung des ausgeschriebenen Auftrages ungewiss ist. Sollte die Zuschlagserteilung noch möglich werden, weil die Insolvenz der Vergabestelle überwunden wird, so entfiele mit dem Ende des Insolvenzverfahrens auch die unterbrechende Wirkung des § 240 ZPO, so dass der Antragsteller seine Ansprüche in dem fortzusetzenden Beschwerdeverfahren weiterverfolgen könnte. Sollte andererseits der Insolvenzverwalter das Verfahren aufnehmen, weil er den Auftrag trotz Insolvenz der Vergabestelle erteilen möchte, müsste das Verfahren ebenfalls fortgesetzt werden. Selbst der Feststellungsantrag dient nur der Vorbereitung eines möglichen Schadensersatzanspruchs des unterlegenen Bieters gegen die insolvente Vergabestelle, den dieser im Obsiegensfall nur zur Tabelle anmelden könnte.

36

f) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin spricht auch der Grundsatz der Beschleunigung des Vergabenachprüfungsverfahrens, auch des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens, nicht gegen eine Unterbrechung bei Insolvenz der Vergabestelle.

37

aa) Das Beschleunigungsgebot kann möglicherweise von Bedeutung sein, wenn in einem Nachprüfungsverfahren einer von zahlreichen Bietern insolvent wird, wie das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern in seiner Entscheidung vom 24.08.2009 (a.a.O.) ausgeführt hat:

38

So bestünde bei einer Unterbrechung die Gefahr, dass regelmäßig Ausschreibungen nicht binnen angemessener Zeit beendet werden könnten, wenn sich insolvenzgefährdete Bieter an der Ausschreibung beteiligten. Dies wäre im Hinblick auf die Belange der Vergabestelle bedenklich, die ein Interesse an der zügigen Vergabe des von ihr ausgeschriebenen Auftrages habe. Die Insolvenz eines Bieters solle aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht den Fortgang des Verfahrens hindern. Dies gelte erst recht, wenn ein Bieter erst während des bereits anhängigen Beschwerdeverfahrens in Insolvenz falle.

39

bb) Diese in sich schlüssige Argumentation auf Grundlage des Beschleunigungsgrundsatzes verkehrt sich aber in ihr Gegenteil, wenn nicht ein Bieter, sondern die Vergabestelle während des Nachprüfungsverfahrens insolvent wird. Zunächst entfällt ihr Interesse an einer raschen Zuschlagserteilung, denn sie darf ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters keine neuen Verträge eingehen oder Aufträge erteilen. In einem Nachprüfungsverfahren, das sich aber regelmäßig auf die Erteilung oder Nichterteilung des Zuschlags bezieht, kann die insolvente Vergabestelle in der Regel kein berechtigtes Interesse haben, das Verfahren weiter zu führen, bevor der Insolvenzverwalter sich ein Bild über die Zukunftsaussichten des Betriebes gemacht und gegebenenfalls für eine Aufnahme des Nachprüfungsverfahrens entschieden hat. § 240 ZPO dient auch dem Schutz der Gläubiger, deren Interesse darauf gerichtet ist, keine Vermögenswerte der Gemeinschuldnerin in Einzelverfahren zu verlieren.

40

Dies gilt erst Recht im Passivprozess der insolventen Vergabestelle. Auch den am Nachprüfungsverfahren beteiligten Bietern kann nicht zugemutet werden, sich „aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung“ noch an eine insolvente Vergabestelle zu binden. Insgesamt sprechen also die Interessen der Beteiligten grundsätzlich eher für eine Unterbrechung nach § 240 ZPO.

41

5. Die Insolvenzmasse ist im vorliegenden Verfahren betroffen i.S.d. § 240 S. 1 ZPO.

42

Diese Voraussetzung des § 240 ZPO ist im Gegensatz zu der allgemeinen Frage der Zulässigkeit einer Analogie nicht generell, sondern bezogen auf den konkreten Verfahrensgegenstand individuell zu prüfen. Sie liegt vor, wenn das Verfahren einen Vermögenswert betrifft, der zur Insolvenzmasse gehören kann (vgl. BGH Report 2004, 1446). Während dieser Massebezug bei Insolvenz der Vergabestelle in manchem Nachprüfungsverfahren möglicherweise fehlen kann, ist er in dem hier vorliegenden Fall offensichtlich gegeben. Denn Gegen-stand des Verfahrens ist auf Grund des Hauptantrages der Antragstellerin in erster Linie die Frage, ob Geschäftsanteile an einer dritten Gesellschaft noch zum Vermögen der insolventen Antragsgegnerin gehören oder nicht.

43

Mit den von der Antragstellerin gewählten Anträgen, hat sie den Verfahrensgegenstand bestimmt. Würde ihrem Hauptantrag stattgegeben und die Unwirksamkeit des privatrechtlichen Verkaufs der Geschäftsanteile gerichtlich festgestellt werden, hätte dies eine unmittelbare Auswirkung auf den Bestand und Umfang der Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO), weil die Geschäftsanteile dann zur Masse zu rechnen wären.

44

Ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme, weist der Senat darauf hin, dass der Tatbestand des § 240 ZPO wohl auch dann erfüllt wäre, wenn die Antragstellerin nur einen Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung nach § 123 S. 3 GWB gestellt hätte. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch mittelbare Auswirkungen auf die Masse für die Anwendbarkeit des § 240 ZPO ausreichen. Das gilt insbesondere wenn ein vorbereitender Prozess geführt wird, der einen im Hintergrund stehenden Geldanspruch (hier: Schadensersatzanspruch) gegen die Masse betrifft (Feiber in Münch-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2000, § 240 Fn. 4 m.N.).

45

6. Die Unterbrechung des Verfahrens ist erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, § 240 S. 1 ZPO. Die hier vorausgegangene Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters hätte die Unterbrechungswirkung gemäß § 240 S. 2 ZPO nur dann herbeiführen können, wenn sie mit einem allgemeinen Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO verbunden worden wäre. Dies war jedoch hier nicht der Fall, wie sich aus der Anordnung nach § 22 Abs. 2 InsO klar ergibt. Die Anordnung anderer Sicherungsmaßnahmen, wie hier nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 und 22 Abs. 2 InsO rechtfertigen die Anwendung des § 240 S. 2 ZPO nicht (vgl. BGH, NJW 1999, 2822; OLG Celle, OLGR 2000, 107; Kammergericht, KGR 2001, 38).

46

7. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat der Antragsgegner als Insolvenzverwalter das Verfahren nicht aufgenommen. Vielmehr hat er mit Schriftsatz vom 29.10.2009 lediglich mitgeteilt, dass über das Vermögen der E. das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Einen Antrag zur Sache hat er nicht gestellt. Selbst nachdem ihm die damals noch anders lautende Rechtsansicht des Senates mitgeteilt worden war, hat er mit Schriftsatz vom 09.11.2009 noch mitgeteilt, er sei aber „zunächst von der Unterbrechung des Rechtsstreits gemäß § 240 ZPO ausgegangen“. Die Antragstellung vom 20.11.2009, in der die Antragstellerin eine Aufnahme des Rechtsstreits sieht, kann daher nur als Reaktion auf die angekündigte Versagung der Unterbrechung durch das Gericht gewertet werden, unter dem Vorbehalt also, dass der Senat das Verfahren entgegen § 240 ZPO fortsetzen würde, während eine Aufnahme des Verfahrens eine bewusste Entscheidung in Kenntnis der Wahlmöglichkeit hätte sein müssen.

III.

47

Der Senat sah keine Veranlassung, sich einer eigenen Entscheidung zu enthalten, um die Frage der Anwendbarkeit des § 240 ZPO im Vergabenachprüfungsverfahren bei Insolvenz der Vergabestelle dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Denn die mögliche grundsätzliche Bedeutung dieser Frage reicht hierzu gemäß § 124 Abs. 2 GWB allein nicht aus. Die für eine Vorlage notwendige Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Obergerichts liegt indes nicht vor. Insbesondere hat das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern in seiner Entscheidung vom 24.08.2009 (a.a.O.) ausdrücklich nur die Frage geprüft und entschieden, ob im Fall der Insolvenz eines Bieters ein Vergabenachprüfungsverfahren unterbrochen ist. Die hier vom Senat allein zu beantwortende Frage, ob § 240 ZPO im Falle der Insolvenz der Vergabestelle für das Beschwerdeverfahren gilt, war nicht Gegenstand jener Entscheidung.


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn diese Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben:

1.
Rechtsdienstleistungen, die eine der folgenden Tätigkeiten betreffen:
a)
Vertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt in
aa)
Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor nationalen oder internationalen Gerichten, Behörden oder Einrichtungen,
bb)
nationalen oder internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren,
b)
Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, sofern diese zur Vorbereitung eines Verfahrens im Sinne von Buchstabe a dient oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Rechtsberatung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird,
c)
Beglaubigungen und Beurkundungen, sofern sie von Notaren vorzunehmen sind,
d)
Tätigkeiten von gerichtlich bestellten Betreuern, Vormündern, Pflegern, Verfahrensbeiständen, Sachverständigen oder Verwaltern oder sonstige Rechtsdienstleistungen, deren Erbringer durch ein Gericht dafür bestellt oder durch Gesetz dazu bestimmt werden, um bestimmte Aufgaben unter der Aufsicht dieser Gerichte wahrzunehmen, oder
e)
Tätigkeiten, die zumindest teilweise mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind,
2.
Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, es sei denn, es handelt sich um Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 73000000-2 bis 73120000-9, 73300000-5, 73420000-2 und 73430000-5 fallen und bei denen
a)
die Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit werden und
b)
die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird,
3.
den Erwerb, die Entwicklung, die Produktion oder die Koproduktion von Sendematerial für audiovisuelle Mediendienste oder Hörfunkmediendienste, wenn diese Aufträge von Anbietern von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden, die Ausstrahlungszeit oder die Bereitstellung von Sendungen, wenn diese Aufträge an Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden,
4.
finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus durchgeführte Transaktionen,
5.
Kredite und Darlehen, auch im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten oder
6.
Dienstleistungen, die an einen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nummer 1 bis 3 vergeben werden, der ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht hat, die Leistungen zu erbringen.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Wettbewerbe anzuwenden, die hauptsächlich den Zweck haben, dem öffentlichen Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Bei öffentlichen Aufträgen und Wettbewerben, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte umfassen, ohne verteidigungs- oder sicherheitsspezifische Aufträge zu sein, ist dieser Teil nicht anzuwenden,

1.
soweit der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewährleistet werden kann, zum Beispiel durch Anforderungen, die auf den Schutz der Vertraulichkeit der Informationen abzielen, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens zur Verfügung stellt,
2.
soweit die Voraussetzungen des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfüllt sind,
3.
wenn die Vergabe und die Ausführung des Auftrags für geheim erklärt werden oder nach den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern; Voraussetzung hierfür ist eine Feststellung darüber, dass die betreffenden wesentlichen Interessen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewährleistet werden können, zum Beispiel durch Anforderungen, die auf den Schutz der Vertraulichkeit der Informationen abzielen,
4.
wenn der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, die Vergabe oder Durchführung nach anderen Vergabeverfahren vorzunehmen, die festgelegt sind durch
a)
eine im Einklang mit den EU-Verträgen geschlossene internationale Übereinkunft oder Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem oder mehreren Staaten, die nicht Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, oder ihren Untereinheiten über Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen für ein von den Unterzeichnern gemeinsam zu verwirklichendes oder zu nutzendes Projekt,
b)
eine internationale Übereinkunft oder Vereinbarung im Zusammenhang mit der Stationierung von Truppen, die Unternehmen betrifft, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder einem Staat haben, der nicht Vertragspartei des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums ist, oder
c)
eine internationale Organisation oder
5.
wenn der öffentliche Auftraggeber gemäß den Vergaberegeln einer internationalen Organisation oder internationalen Finanzierungseinrichtung einen öffentlichen Auftrag vergibt oder einen Wettbewerb ausrichtet und dieser öffentliche Auftrag oder Wettbewerb vollständig durch diese Organisation oder Einrichtung finanziert wird. Im Falle einer überwiegenden Kofinanzierung durch eine internationale Organisation oder eine internationale Finanzierungseinrichtung einigen sich die Parteien auf die anwendbaren Vergabeverfahren.

Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand haben, erfüllen die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1, wenn

1.
dadurch der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird und
2.
die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn diese Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben:

1.
Rechtsdienstleistungen, die eine der folgenden Tätigkeiten betreffen:
a)
Vertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt in
aa)
Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor nationalen oder internationalen Gerichten, Behörden oder Einrichtungen,
bb)
nationalen oder internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren,
b)
Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, sofern diese zur Vorbereitung eines Verfahrens im Sinne von Buchstabe a dient oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Rechtsberatung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird,
c)
Beglaubigungen und Beurkundungen, sofern sie von Notaren vorzunehmen sind,
d)
Tätigkeiten von gerichtlich bestellten Betreuern, Vormündern, Pflegern, Verfahrensbeiständen, Sachverständigen oder Verwaltern oder sonstige Rechtsdienstleistungen, deren Erbringer durch ein Gericht dafür bestellt oder durch Gesetz dazu bestimmt werden, um bestimmte Aufgaben unter der Aufsicht dieser Gerichte wahrzunehmen, oder
e)
Tätigkeiten, die zumindest teilweise mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind,
2.
Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, es sei denn, es handelt sich um Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 73000000-2 bis 73120000-9, 73300000-5, 73420000-2 und 73430000-5 fallen und bei denen
a)
die Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit werden und
b)
die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird,
3.
den Erwerb, die Entwicklung, die Produktion oder die Koproduktion von Sendematerial für audiovisuelle Mediendienste oder Hörfunkmediendienste, wenn diese Aufträge von Anbietern von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden, die Ausstrahlungszeit oder die Bereitstellung von Sendungen, wenn diese Aufträge an Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden,
4.
finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus durchgeführte Transaktionen,
5.
Kredite und Darlehen, auch im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten oder
6.
Dienstleistungen, die an einen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nummer 1 bis 3 vergeben werden, der ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht hat, die Leistungen zu erbringen.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Wettbewerbe anzuwenden, die hauptsächlich den Zweck haben, dem öffentlichen Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, daß mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.

§ 92 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend für die Entscheidung über die Berufung gegen Endurteile und die Beschwerde gegen sonstige Entscheidungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 87.

Die Vorschriften der §§ 59 bis 63 der Zivilprozeßordnung über die Streitgenossenschaft sind entsprechend anzuwenden.

Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, daß mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.

(1) Sektorentätigkeiten im Bereich Wasser sind

1.
die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, der Fortleitung und der Abgabe von Trinkwasser,
2.
die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze.
Als Sektorentätigkeiten gelten auch Tätigkeiten nach Satz 1, die im Zusammenhang mit Wasserbau-, Bewässerungs- oder Entwässerungsvorhaben stehen, sofern die zur Trinkwasserversorgung bestimmte Wassermenge mehr als 20 Prozent der Gesamtwassermenge ausmacht, die mit den entsprechenden Vorhaben oder Bewässerungs- oder Entwässerungsanlagen zur Verfügung gestellt wird oder die im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung oder -behandlung steht. Die Einspeisung von Trinkwasser in feste Netze zur Versorgung der Allgemeinheit durch einen Sektorenauftraggeber nach § 100 Absatz 1 Nummer 2 gilt nicht als Sektorentätigkeit, sofern die Erzeugung von Trinkwasser durch den betreffenden Auftraggeber erfolgt, weil dessen Verbrauch für die Ausübung einer Tätigkeit erforderlich ist, die keine Sektorentätigkeit nach den Absätzen 1 bis 4 ist, und die Einspeisung in das öffentliche Netz nur von dem Eigenverbrauch des betreffenden Auftraggebers abhängt und bei Zugrundelegung des Durchschnitts der letzten drei Jahre einschließlich des laufenden Jahres nicht mehr als 30 Prozent der gesamten Trinkwassererzeugung des betreffenden Auftraggebers ausmacht.

(2) Sektorentätigkeiten im Bereich Elektrizität sind

1.
die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Elektrizität,
2.
die Einspeisung von Elektrizität in diese Netze, es sei denn,
a)
die Elektrizität wird durch den Sektorenauftraggeber nach § 100 Absatz 1 Nummer 2 erzeugt, weil ihr Verbrauch für die Ausübung einer Tätigkeit erforderlich ist, die keine Sektorentätigkeit nach den Absätzen 1 bis 4 ist, und
b)
die Einspeisung hängt nur von dem Eigenverbrauch des Sektorenauftraggebers ab und macht bei Zugrundelegung des Durchschnitts der letzten drei Jahre einschließlich des laufenden Jahres nicht mehr als 30 Prozent der gesamten Energieerzeugung des Sektorenauftraggebers aus.

(3) Sektorentätigkeiten im Bereich von Gas und Wärme sind

1.
die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Gas und Wärme,
2.
die Einspeisung von Gas und Wärme in diese Netze, es sei denn,
a)
die Erzeugung von Gas oder Wärme durch den Sektorenauftraggeber nach § 100 Absatz 1 Nummer 2 ergibt sich zwangsläufig aus der Ausübung einer Tätigkeit, die keine Sektorentätigkeit nach den Absätzen 1 bis 4 ist, und
b)
die Einspeisung zielt nur darauf ab, diese Erzeugung wirtschaftlich zu nutzen und macht bei Zugrundelegung des Durchschnitts der letzten drei Jahre einschließlich des laufenden Jahres nicht mehr als 20 Prozent des Umsatzes des Sektorenauftraggebers aus.

(4) Sektorentätigkeiten im Bereich Verkehrsleistungen sind die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Seilbahn; ein Netz gilt als vorhanden, wenn die Verkehrsleistung gemäß den von einer zuständigen Behörde festgelegten Bedingungen erbracht wird; dazu gehören die Festlegung der Strecken, die Transportkapazitäten und die Fahrpläne.

(5) Sektorentätigkeiten im Bereich Häfen und Flughäfen sind Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung eines geografisch abgegrenzten Gebiets mit dem Zweck, für Luft-, See- oder Binnenschifffahrtsverkehrsunternehmen Flughäfen, See- oder Binnenhäfen oder andere Terminaleinrichtungen bereitzustellen.

(6) Sektorentätigkeiten im Bereich fossiler Brennstoffe sind Tätigkeiten zur Nutzung eines geografisch abgegrenzten Gebiets zum Zweck

1.
der Förderung von Öl oder Gas oder
2.
der Exploration oder Förderung von Kohle oder anderen festen Brennstoffen.

(7) Für die Zwecke der Absätze 1 bis 3 umfasst der Begriff „Einspeisung“ die Erzeugung und Produktion sowie den Groß- und Einzelhandel. Die Erzeugung von Gas fällt unter Absatz 6.

(1) Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, deren Gegenstand Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr sind, stehen öffentlichen Auftraggebern das offene und das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft nach ihrer Wahl zur Verfügung. Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb steht nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist.

(2) Anstelle des § 108 Absatz 1 ist Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) anzuwenden. Artikel 5 Absatz 5 und Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bleiben unberührt.

(3) Öffentliche Auftraggeber, die öffentliche Aufträge im Sinne von Absatz 1 vergeben, sollen gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verlangen, dass bei einem Wechsel des Betreibers der Personenverkehrsleistung der ausgewählte Betreiber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die beim bisherigen Betreiber für die Erbringung dieser Verkehrsleistung beschäftigt waren, übernimmt und ihnen die Rechte gewährt, auf die sie Anspruch hätten, wenn ein Übergang gemäß § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgt wäre. Für den Fall, dass ein öffentlicher Auftraggeber die Übernahme von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne von Satz 1 verlangt, beschränkt sich das Verlangen auf diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für die Erbringung der übergehenden Verkehrsleistung unmittelbar erforderlich sind. Der öffentliche Auftraggeber soll Regelungen vorsehen, durch die eine missbräuchliche Anpassung tarifvertraglicher Regelungen zu Lasten des neuen Betreibers zwischen der Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung und der Übernahme des Betriebes ausgeschlossen wird. Der bisherige Betreiber ist nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, alle hierzu erforderlichen Angaben zu machen.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften über die zu verwendenden elektronischen Mittel (Basisdienste für die elektronische Auftragsvergabe) sowie über die einzuhaltenden technischen Standards erlassen.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)