Oberlandesgericht Hamm Urteil, 28. März 2014 - 20 U 166/08
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das am 29.08.2008 verkündete Teil- und Grundurteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Essen unter Zurückweisung der Berufung der Klägerinnen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
Das erstinstanzliche Urteil und das Urteil des Senats sind vorläufig vollstreckbar.
Den Klägerinnen bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.200.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerinnen schlossen im Februar/März 2006 für sich und ihre jeweiligen Tochterunternehmen einen Transport- und Geldbearbeitungsvertrag mit der Fa. T GmbH mit Sitz in T2 (im Folgenden: Fa. T), die die Geldversorgung und –entsorgung durchführen sollte. Über deren Vermögen wurde sodann ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte zu 2) und die D2 Versicherer Zertifikat #####/####, deren Prozessstandschafter gemäß § 110 b VAG der Beklagte zu 1) ist (im Folgenden einheitlich: Beklagter zu 1)), waren Versicherer der Fa. T.
4Die Klägerinnen begehren Ersatz für Fehlbeträge, zu denen es nach ihrem Vortrag durch das Verhalten der Fa. T sowohl im Rahmen der Bargeldversorgung als auch der Bargeldentsorgung gekommen sein soll.
5Organe der Fa. T verwendeten seit dem Jahr 2001 einen Teil der - auch für eine Vielzahl anderer Auftraggeber - transportierten Gelder zweckwidrig zur Begleichung von Verbindlichkeiten der Fa. T. Sie verschleierten dies, indem sie die dabei jeweils entstehenden Fehlbeträge durch Gelder aus den Abholungen der jeweils nächsten Tage ausglichen. Jedenfalls aus Guthaben auf dem Konto der Fa. T bei der Bundesbank wurden Beträge für eigene Zwecke der Fa. T verwandt; Überweisungen an die Hausbank der Auftraggeber der Fa. T erfolgten erst später aus "neuem Guthaben". Die Geschäftsführer der Fa. T wurden später durch Urteile des Landgerichts Essen vom 07.03.2007 und 25.04.2007 (21 KLs 2/07) wegen Untreue zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
6Am 28./29.08.2006 fand auf Anordnung der Fa. D GmbH, der Korrespondentin des Beklagten zu 1), bei der Fa. T eine Überprüfung durch Sachverständige der Fa. C GmbH mit Sitz in C2 (nachfolgend Fa. C) statt. Mit Beschluss vom 01.09.2006 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. T eröffnet (Anlage K 7). Mit Beschluss vom 01.10.2006 eröffnete das AG Essen das Insolvenzverfahren (Anlage K 8).
7In dem zwischen der Fa. T und den Beklagten zu 1) und 2) - vermittelt durch die Fa. G GmbH mit Sitz in G2 - im Februar 2005 geschlossenen Versicherungsvertrag "Geld- und Werttransportversicherung Transport-Police Nr. #######" heißt es u.a.:
8"2 Gegenstand der Versicherung und versicherte Sachen
92.1 Versichert sind unter anderem, aber nicht ausschließlich, alle Sachen wie z.B. [...], Bezugsrechte, [...], Geld, Geldanweisungen, Geldscheine, […], Hartgeld, […], Münzen […],Rechte, [...], Schecks (insbesondere Euro-, LZB- und Reiseschecks), […],
102.1.1 die dem Versicherungsnehmer übergeben oder von ihm übernommen, befördert, bearbeitet oder verwahrt werden;
112.1.2 die Eigentum des Versicherungsnehmers sind und als Poolgelder in den eigenen Räumlichkeiten verwahrt werden.
12[...]
133 Umfang der VersicherungVersichert sind die in Ziffer 2 beschriebenen Sachen gegen
143.1 alle Gefahren und Schäden, gleichviel aus welcher Ursache, denen sie ausgesetzt sind und soweit der Versicherungsnehmer gegenüber dem Auftraggeber vertraglich oder gesetzlich für die versicherten Sachen haftet.Insbesondere besteht Versicherungsschutz für:
153.1.2 Schäden durch Veruntreuung, Unterschlagung oder Diebstahl, die von Mitarbeitern des Versicherungsnehmers, seinen ehemaligen Mitarbeitern oder dem Versicherungsnehmer selbst oder seinen Repräsentanten [...] verursacht werden;
16[...]
174 Ausschlüsse
184.1. Ausgeschlossen sind die Gefahren:
19[...]
204.1.4 der Beschlagnahme, Entziehung oder sonstiger Eingriffe von hoher Hand;
21[...]
225 Beginn und Ende der Versicherung
235.1 Der Versicherungsschutz beginnt mit der Übergabe oder Übernahme der versicherten Sachen an bzw. durch den Versicherungsnehmer und endet, wenn dieselben in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben worden sind. Bei Einwurf von Nachttresorkassetten oder ähnlichen Geldbomben endet der Versicherungsschutz ebenso mit der Gutschrift der zum Zwecke der Einzahlung beförderten Gelder auf dem Konto des bestimmungsgemäßen Empfängers wie bei der direkten Verbuchung der Gelder nach erfolgter Bearbeitung durch den Versicherungsnehmer.
24[...]
258 Obliegenheiten
26[...]
278.11.2 Den Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber können Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 10.000.000,00 je Schadenfall und für alle Auftraggeber zusammen nicht entgegengehalten werden.
28[...]
299 Bestimmungen für den Schadenfall
309.1 Der Versicherungsnehmer und der Auftraggeber haben Schäden nach Möglichkeit abzuwenden oder zu mindern und den Versicherungsfall unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 120 Stunden nach Feststellung des Schadens, anzuzeigen, wobei Samstage sowie Sonn- und Feiertage nicht mitgerechnet werden. Für Schäden, die vorsätzlich oder grob fahrlässig nach dieser Frist angezeigt werden, besteht keine Ersatzpflicht des Versicherers, sofern der Verstoß Einfluss auf die Klärung des Schadens hat. [...]
319.2 Der Versicherungsnehmer und der Auftraggeber haben Auskunft über abhandengekommene, beschädigte oder vernichtete Sachen zu geben und Schadensnachweise zu erbringen, welche der Versicherer billigerweise verlangen kann und die beschaffbar sind. [...]
32[...]
339.3.3 Schadenzahlungen können mit befreiender Wirkung nur direkt an den Auftraggeber des Versicherungsnehmers erfolgen. [...] Den Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber können Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer u. dem Versicherer bis zu einem Betrag i.H.v. EUR 10.000.000,00 je Schadenfall und für alle Auftraggeber zusammen nicht entgegengehalten werden. Das gilt insbesondere für die Berufung auf Leistungsfreiheit, auf mangelnde Haftung des Versicherungsnehmers und Nichtzahlung der Prämie.
34[...]
3515 Beteiligte Versicherer
36[...]
3715.4 Im Falle eines Prozesses wird der Versicherungsnehmer nur gegen den führenden Versicherer bezüglich dessen Anteils Klage erheben, sofern nicht zum Zwecke des Erreichens von Streitwertgrenzen [...]. Die Mitversicherer erkennen die gegen den führenden Versicherer ergehende Entscheidung als auch für sie verbindlich an.
38[...]"
39Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag Bezug genommen (Anlage K 1). Die Beklagte zu 2) ist Versicherer mit einem Anteil von 30 %, der Beklagte zu 1) führender Versicherer mit einem Anteil von 70 %.
40Die Klägerinnen erhielten eine „Versicherungsbestätigung zur Geld- und Wertpapiertransportversicherung“, wegen deren Inhalt auf die Anlage K 16 Bezug genommen wird.
41Die Beklagten zu 1) und 2) erklärten die Anfechtung ihrer Vertragserklärung. Sie machten geltend, die Fa. T habe arglistig getäuscht, indem sie verschwiegen habe, dass bereits vor Vertragsschluss die o.g. Verschiebungen stattfanden.
42Die Klägerinnen haben Schäden sowohl aus dem Bereich der Geldentsorgung wie auch der Geldversorgung geltend gemacht, wobei hinsichtlich der Versorgung mit Hartgeld unterschiedliche Verfahren praktiziert worden seien. Die weiteren Schäden der Klägerinnen beruhten darauf, dass ihnen in der Anlaufphase der Zusammenarbeit mit der Fa. T Tageseinnahmen nicht gutgeschrieben worden seien; gleiches gelte hinsichtlich der unmittelbar vor dem Zusammenbruch der Fa. T abgeholten Tageseinnahmen.
43Nach teilweiser Klagerücknahme haben die Klägerinnen beantragt
44- 45
1. den Beklagten zu 1) kostenpflichtig zu verurteilen,
a) an die Klägerin zu 1) 1.961.318,63 EUR sowie Zinsen in Höhe von 69.056,42 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
47- aus einem Betrag von 4.104,80 EUR vom 29.08.2006 bis zum 04.09.2006,
48- aus einem Betrag von 531.527,50 EUR vom 31.08.2006 bis zum 04.09.2006,
49- aus einem Betrag von 462.783,77 EUR vom 05.09.2006 bis zum 10.09.2007,
50- aus einem Betrag von 332.281,66 EUR seit dem 11.09.2007,
51- aus einem Betrag von 549.885,00 EUR seit dem 31.08.2006,
52- aus einem Betrag von 476.297,50 EUR seit dem 31.08.2006,
53- aus einem Betrag von 566.861,09 EUR seit dem 01.09.2006,
54- aus einem Betrag von 24.439,17 EUR seit dem 01.09.2006, sowie
55- aus einem Betrag von 11.553,50 EUR seit dem 01.09.2006,
56b) an die Klägerin zu 2) 626.129,00 EUR sowie Zinsen in Höhe von 12.686,60 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
57- aus einem Betrag von 777,00 EUR seit dem 17.07.2006 sowie
58- aus einem Betrag von 625.352,00 EUR seit dem 01.09.2006,
59c) an die Klägerin zu 3) 237.007,79 EUR sowie Zinsen in Höhe von 1.141,80 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
60- aus einem Betrag von 53.334,24 EUR vom 09.03.2006 bis zum 04.09.2006,
61- aus einem Betrag von 50.001,85 EUR vom 05.09.2006 bis zum 10.09.2006
62- aus einem Betrag von 49.664,53 EUR seit dem 11.09.2006,
63- aus einem Betrag von 79.565,52 EUR seit dem 09.03.2006,
64- aus einem Betrag von 30.251,22 EUR seit dem 09.03.2006,
65- aus einem Betrag von 5.669,84 EUR seit dem 21.03.2006,
66- aus einem Betrag von 5.826,94 EUR seit dem 23.03.2006,
67- aus einem Betrag von 2.496,39 EUR seit dem 03.04.2006,
68- aus einem Betrag von 6.630,30 EUR seit dem 05.07.2006, sowie
69- aus einem Betrag von 72.698,50 EUR seit dem 01.10.2006,
70d) an die Klägerin zu 4) 84.758,80 EUR sowie Zinsen in Höhe von 695,07 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
71- aus einem Betrag von 3.510,50 EUR seit dem 24.03.2006 sowie
72- aus einem Betrag von 81.248,30 EUR seit dem 01.10.2006,
73e) an die Klägerin zu 5) 740,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
74- aus einem Betrag von 56,00 EUR vom 18.04.2006 bis zum 03.09.2006,
75- aus einem Betrag von 731,50 EUR vom 15.05.2006 bis zum 03.09.2006,
76- aus einem Betrag von 402,97 EUR seit dem 04.09.2006,
77- aus einem Betrag von 540,40 EUR seit dem 22.05.2006 bis zum 31.07.2006, sowie
78- aus einem Betrag von 337,40 EUR seit dem 01.08.2006,
79f) an die Klägerin zu 6) Zinsen
80- aus einem Betrag von 2.100,00 EUR vom 01.09.2006 bis zum 04.09.2006, sowie
81- aus einem Betrag von 1.453,63 EUR vom 05.09.2006 bis zum 07.09.2006,
82- 83
2. die Beklagte zu 2) kostenpflichtig zu verurteilen,
a) an die Klägerin zu 1) 840.565,13 EUR sowie Zinsen in Höhe von 29.595,61 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
85- aus einem Betrag von 1.759,50 EUR vom 29.08.2006 bis zum 04.09.2006,
86- aus einem Betrag von 227.797,50 EUR vom 31.08.2006 bis zum 04.09.2006,
87- aus einem Betrag von 198.336,20 EUR vom 05.09.2007 bis zum 10.09.2007,
88- aus einem Betrag von 142.406,72 EUR seit dem 11.09.2007,
89- aus einem Betrag von 235.665,00 EUR seit dem 31.08.2006,
90- aus einem Betrag von 204.127,50 EUR seit dem 31.08.2006,
91- aus einem Betrag von 242.940,47 EUR seit dem 01.09.2006,
92- aus einem Betrag von 10.473,93 EUR seit dem 01.09.2006, sowie
93- aus einem Betrag von 4.951,50 EUR seit dem 01.09.2006,
94b) an die Klägerin zu 2) 268.341,00 EUR sowie Zinsen in Höhe von 5.437,11 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
95- aus einem Betrag von 333,00 EUR seit dem 17.07.2006, sowie
96- aus einem Betrag von 268.008,00 EUR seit dem 01.09.2006,
97c) an die Klägerin zu 3) 101.574,77 EUR sowie Zinsen in Höhe von 489,34 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
98- aus einem Betrag von 22.857,53 EUR vom 09.03.2006 bis zum 04.09.2006,
99- aus einem Betrag von 21.429,36 EUR vom 05.09.2006 bis zum 10.09.2006,
100- aus einem Betrag von 21.284,80 EUR seit dem 11.09.2006,
101- aus einem Betrag von 34.099,50 EUR seit dem 09.03.2006,
102- aus einem Betrag von 12.964,80 EUR seit dem 09.03.2006,
103- aus einem Betrag von 2.429,93 EUR seit dem 21.03.2006,
104- aus einem Betrag von 2.497,26 EUR seit dem 23.03.2006,
105- aus einem Betrag von 1.069,88 EUR seit dem 03.04.2006,
106- aus einem Betrag von 2.841,56 EUR seit dem 05.07.2006, sowie
107- aus einem Betrag von 31.156,50 EUR seit dem 30.09.2006,
108d) an die Klägerin zu 4) 36.325,20 EUR sowie Zinsen in Höhe von 297,88 EUR sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
109- aus einem Betrag von 1.504,50 EUR seit dem 24.03.2006, sowie
110- aus einem Betrag von 34.820,70 EUR seit dem 01.10.2006,
111e) an die Klägerin zu 5) 317,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
112- aus einem Betrag von 24,00 EUR vom 18.04.2006 bis zum 03.09.2006,
113- aus einem Betrag von 313,50 EUR vom 15.05.2006 bis zum 03.09.2006,
114- aus einem Betrag von 172,70 EUR seit dem 04.09.2006,
115- aus einem Betrag von 231,60 EUR vom 22.05.2006 bis zum 31.07.2006, sowie
116- aus einem Betrag von 144,60 EUR seit dem 01.08.2006,
117-
118f) an die Klägerin zu 6) Zinsen
119- aus einem Betrag von 900,00 EUR vom 01.09.2006 bis zum 04.09.2006, sowie
120- aus einem Betrag von 622,99 EUR vom 05.09.2006 bis zum 08.09.2006,
121zu zahlen.
1223. hilfsweise für den Fall,
123dass die Verurteilung der Beklagten zu 2) aufgrund des Eingreifens von Haftungshöchstsummen der Erstversicherung (Police Nr. ########) betreffend die Bearbeitungs- und Verwahrorte, J-Straße, ##### J2 und/oder M-Straße, M2 und/oder N-Straße, ##### T2 und/oder H-Weg, ##### H2 hinter dem Antrag zu 2. zurückbleiben sollte,
124festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, an die Klägerinnen über die Verurteilung zur Zahlung gemäß dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu 1. hinaus den Betrag zu zahlen, um den die Verurteilung der Beklagten zu 2) wegen des Eingreifens von sich aus der Erstversicherung (Police Nr. ##########) ergebenden Haftungshöchstsummen, hinter dem in erster Instanz zuletzt gestellten Zahlungsantrag zu 2. zurückbleibt, jedoch nur bis zur Höhe der sich aus den Exzedentenverträgen Nachtrag Nr. 3 zum Exzedentenvertrag ######## und ######### ergebenden Haftungshöchstsummen.
125Die Klägerin zu 1) hat darüber hinaus den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 203.350,64 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 87.150,28 EUR für erledigt erklärt. Die Klägerin zu 3) hat den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 3.669,71 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 1.572,73 EUR für erledigt erklärt. Die Klägerin zu 5) hat den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 384,53 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 164,80 EUR für erledigt erklärt. Die Klägerin zu 6) hat den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 2.100,00 EUR und gegen die Beklagte zu 2) in Höhe von 900,00 EUR für erledigt erklärt.
126Die Beklagten haben sich den Erledigungserklärungen angeschlossen. Im Übrigen haben sie beantragt,
127die Klage abzuweisen.
128Die Beklagten haben insbesondere geltend gemacht, ein versicherter Schaden sei nicht eingetreten und erst recht nicht nachgewiesen; der Versicherungsvertrag sei aufgrund ihrer Anfechtungserklärungen nichtig, was auch den Klägerinnen entgegengehalten werden könne.
129Das Landgericht hat die Klage der Klägerin zu 1) gegen „die Beklagte zu 1)“ in Höhe von 34.913,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 abgewiesen und ausgesprochen, dass die Klage gegen den Beklagten zu 1) im Übrigen dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) hat das Landgericht abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage gegen die Beklagte zu 2) sei unzulässig, weil sich aus Ziffer 15.4 des Versicherungsvertrages ein pactum de non petendo ergebe und deshalb allein der führende Versicherer in Höhe des auf ihn entfallenden Risikoanteils verklagt werden könne.
130Die Klage gegen den Beklagten zu 1) sei dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit es sich nicht um den Ersatz von Beträgen handele, die die Klägerin zu 1) im Rahmen der Hartgeldversorgung an die Fa. T überwiesen habe.
131Der Beklagte zu 1) sei aus dem Versicherungsvertrag zum Ersatz der Schäden der Klägerinnen verpflichtet, weil dieser Vertrag Bestand habe und nicht wirksam angefochten worden sei.
132Die von den Klägerinnen behaupteten Schäden unterfielen auch ganz überwiegend dem Schutzbereich des Versicherungsvertrages.
133Gegen diese Entscheidung wenden sich der Beklagte zu 1) und die Klägerinnen mit ihren form- und fristgerecht eingelegten Berufungen.
134Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, dass die Beklagte zu 2), soweit sie sich auf die Führungsklausel im Versicherungsvertrag berufe, gegen den auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoße.
135Hinsichtlich der seitens des Landgerichts abgewiesenen Klage der Klägerin zu 1) gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 34.913,01 EUR nebst Zinsen steht die Klägerin zu 1) auf dem Standpunkt, dass auch das zur Hartgeldversorgung überwiesene Geld vom Versicherungsschutz umfasst sei
136Die Klägerinnen zu 1) bis 6) beantragen,
137- 138
1. für die Klägerin zu 1) unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage gegen den Beklagten zu 1) auch insoweit dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären, als diese Klage in Höhe von 24.439,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 abgewiesen wurde,
- 139
2. für die Klägerinnen zu 1) bis 6) unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils, der Klage gegen die Beklagte zu 2) gemäß den zuletzt gestellten Anträgen erster Instanz stattzugeben.
Hilfsweise für den Fall,
141dass die Verurteilung der Beklagten zu 2) aufgrund des Eingreifens von Haftungshöchstsummen der Erstversicherung (Police Nr. ########) betreffend die Bearbeitungs- und Verwahrorte, J-Straße, ##### J2 und/oder M-Straße, M2 und/oder N-Straße, ##### T2 und/oder H-Weg, ##### H2 hinter dem Antrag zu 2. zurückbleiben sollte,
142festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, an die Klägerinnen über die Verurteilung zur Zahlung gemäß dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu 1. hinaus den Betrag zu zahlen, um den die Verurteilung der Beklagten zu 2) wegen des Eingreifens von sich aus der Erstversicherung (Police Nr. ### #####) ergebenden Haftungshöchstsummen, hinter dem in erster Instanz zuletzt gestellten Zahlungsantrag zu 2. zurückbleibt, jedoch nur bis zur Höhe der sich aus den Exzedentenverträgen Nachtrag Nr. 3 zum Exzedentenvertrag ########## und ######### ergebenden Haftungshöchstsummen.
143Die Beklagten beantragen,
144die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen,
145hilfsweise
146die Sache aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen.
147Die Beklagte zu 2) hält daran fest, dass die gegen sie gerichtete Klage unzulässig sei. Es könne der Beklagten zu 2) nicht verwehrt sein, sich einerseits auf die von ihr angenommene Nichtigkeit des Vertrages zu berufen und zugleich weitere Einreden und Einwendungen vorzutragen, die dem behaupteten Anspruch auf die Versicherungsleistung entgegenstünden.
148Der Beklagte zu 1) erstrebt mit seiner Berufung die Abweisung der Klage insgesamt. Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er steht auf dem Standpunkt, dass das Grundrecht der Versicherer auf freie Selbstbestimmung missachtet werde, wenn das Landgericht der ausgesprochenen Anfechtung keine Wirksamkeit gegenüber der Klägerin zuspreche. Auch habe das Landgericht verkannt, dass die vermeintlichen Schäden der Klägerinnen nicht unter das versicherte Risiko fielen. Unter Verkennung der Beweislast habe das Landgericht einen Versicherungsschaden der Klägerinnen angenommen, ohne dass dieser hinreichend dargelegt und bewiesen sei. Er rügt ferner, dass die von den Klägerinnen begangenen Obliegenheitsverletzungen, die bei unterstellter Leistungspflicht zur Leistungsfreiheit führen würden, nicht berücksichtigt worden seien. Aufgrund von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen leitende Angestellte der Klägerinnen sei davon auszugehen, dass die Klägerinnen bereits lange vor dem Jahr 2006 positive Kenntnis von dem bei der Heros betriebenen Schneeballsystem gehabt habe, welches auch bei der Fa. T zum Einsatz gekommen sei. Die seitens der Klägerinnen gegenüber der Fa. T ausgebrachte Androhung der Meldung eines Versicherungsfalls zeige, dass sich die Klägerinnen ihrer versicherungsvertraglichen Obliegenheiten bewusst gewesen seien.
149Ebenfalls zu Unrecht habe das Landgericht den vermeintlichen Schaden nicht als sog. gedehnten Schadensfall mit einem Beginn vor dem Deckungszeitraum gewertet. Auch habe das Landgericht die Höchsthaftungssumme von 10 Mio. EUR unberücksichtigt gelassen.
150Der Senat hat durch Urteil vom 16.07.2010 das verkündete Teil- und Grundurteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Essen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufungen, an das Landgericht zurückverwiesen.
151Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof durch Entscheidung vom 09.11. 2011 (IV ZR 171/10) das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen.
152Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof unter anderem ausgeführt, das Berufungsgericht habe zwar zutreffend erkannt, dass das Landgericht die Klage der Klägerin zu 1) hinsichtlich des von ihr im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schadens nicht durch Teilurteil habe abweisen dürfen. Der angenommene Verstoß gegen § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO liege jedoch nicht vor. Die allein auf § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO gestützte Zurückverweisung an das Landgericht sei daher verfahrensfehlerhaft. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO komme als Ausnahme von der Pflicht des Berufungsgerichts gemäß § 538 Abs. 1 ZPO, die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das angefochtene Teilurteil die Voraussetzungen des § 301 ZPO nicht erfülle. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei das Landgericht nicht nach § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehindert, die Klage gegen die Beklagte zu 2) und wegen eines Teils des Schadens der Klägerin zu 1) gegenüber dem Beklagten zu 1) durch Teilurteil abzuweisen und sie im Übrigen durch Grundurteil gegenüber dem Beklagten zu 1) als gerechtfertigt anzusehen.
153§ 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO setze voraus, dass über einen einheitlichen Anspruch, der nach Grund und Höhe streitig sei, zu entscheiden sei. An einem solchen fehle es hier.
154Der Bundesgerichtshof hat weiter u.a. ausgeführt, die Beklagten seien nicht aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden habe, sei ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden sei, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB sei. Das gelte auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es könne daher offenbleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen sei.
155Mit Verfügung vom 18.01.2013 wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass der Senat im Parallelverfahren 20 U 28/09, in dem zwischenzeitlich die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 22.01.2014 (IV ZR 13/13) zurückgewiesen wurde, die Klage abgewiesen hat, da die Anfechtung des mit der Fa. T geschlossenen Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung Erfolg hatte. Die Parteien erhielten Gelegenheit zu Stellungnahme.
156Mit Zustimmung der Parteien wurde durch Beschluss des Senats vom 15.01.2014 das schriftliche Verfahren angeordnet.
157Die Parteien verfolgen ihre im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter.
158Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
159II.
160Die Berufung der Klägerinnen ist unbegründet, die Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet.
161Die Beklagten zu 1) und 2) haben den Versicherungsvertrag (#########) vom 09.02./17.02.2005 wirksam nach § 123 BGB angefochten, so dass dieser Vertrag nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist und deshalb aus diesem Vertrag von den Klägerinnen keinerlei Leistungsansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht werden können.
1621.
163Das Recht zur Anfechtung war nicht durch Ziffer 9.3.3. der Versicherungsbedingungen von vornherein ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren, ebenfalls den Komplex der Fa. T betreffenden Entscheidungen (Urteile vom 09.11.2011-; IV ZR 15/10; IV ZR 16/10; IV ZR 171/10; IV ZR 172/10 IV ZR 173/10- juris-) ausgeführt, dass ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam ist, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB sei. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung, also auch gegenüber den Klägerinnen.
164Auch aus der von der Fa. D übersandten Versicherungsbestätigung erwachsen den Klägerinnen in Bezug auf die Arglistanfechtung keine weitergehenden Rechte. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 21.09.2011 (IV ZR 38/09, Rz 33 –juris-) entschieden hat, stellen die Versicherungsbestätigungen lediglich deklaratorische Informationsschreiben dar, die dazu dienen die Versicherten über Abschluss und Inhalt des Versicherungsvertrages zu informieren. Eine gesonderte Begründung, Stärkung und Sicherung von Rechten der Versicherten ist damit nicht verbunden (BGH a.a.O.), so dass es keiner gesonderten Anfechtung dieser Versicherungsbestätigung bedurfte (BGH a.a.O.), die hier mit Schreiben vom 18.09.2006 erfolgt ist.
1652.
166Die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtungserklärung sind erfüllt.
167a)
168Bereits die Anfechtungserklärung der Fa. D, mit der Rechtsanwalt H2 mit einem an die Fa. T gerichteten Schreiben vom 30.08.2006 unter Bezugnahme auf die „GWT-Police-Nr. #########“ im Auftrag der D GmbH, diese handelnd „als Bevollmächtigte der Versicherer“, die Anfechtung der zum Abschluss der vorgenannten Police führenden Willenserklärung erklärt hat, ist wirksam.
169Die Wirksamkeit der Vollmacht beurteilt sich dabei, auch wenn sie von einem englischen Lebensversicherer in England erteilt wurde, hier nach deutschem Recht. Das für die Vollmacht maßgebliche Recht ist nicht gesetzlich geregelt, vgl. Art. 37 Nr. 3 EGBGB. Im Interesse des Verkehrsschutzes ist nach h.M. die Vollmacht selbständig anzuknüpfen (Vollmachtstatut). Als Vollmachtstatut ist das Recht des Staates maßgeblich, in dessen Geltungsbereich die Vollmacht Wirkung erlangt, in dem von ihr Gebrauch gemacht wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2009, I -10 U 121/08; BGH NJW 1992, 618; NJW-RR 1990, 248, 250). Das Recht des Wirkungslandes entscheidet über das Bestehen, insbesondere die wirksame Erteilung einer Vollmacht, deren Auslegung und Umfang. Bei Abschluss des Vertrages mit der Fa. T sollte die der Fa. D erteilten Vollmacht unzweifelhaft in Deutschland Wirkung erlangen, so dass sich die Wirksamkeit und der Umfang der Vollmacht nach deutschem Recht beurteilt.
170aa)
171Die Anfechtungserklärung bedurfte keiner weiteren Begründung, da der Anfechtungsgrund in der Anfechtungserklärung nicht angegeben werden muss. (Palandt/Ellenberger, 73. Aufl., § 143 BGB Rz 3). Zwar ist erforderlich, dass für den Anfechtungsgegner erkennbar ist, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird (Ellenberger a.a.O.). Dem genügt die Erklärung vom 30.08.2006 jedoch, weil in ihr ausdrücklich auf den Zugriff auf Kundengelder seit 2002 mit einem Schaden von 16,9 Mio. EUR Bezug genommen wird.
172bb)
173Die Anfechtungserklärung vom 30.08.2006 leidet auch an keinem ihre Wirksamkeit ausschließenden Mangel:
174(1)
175Da das Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Fa. T durch Beschluss des AG Essen vom 01.10.2006 eröffnet wurde, lag zum Zeitpunkt des 30.08.2006 kein eröffnetes Insolvenzverfahren vor. Die Verfügungsbefugnis lag somit noch bei der Fa. T, so dass diese auch die richtige Adressatin für Anfechtungserklärungen war.
176(2)
177Die Anfechtungserklärung vom 30.08.2006 hat Rechtsanwalt H2 ausdrücklich im Namen der Fa. D erklärt und dabei zugleich zum Ausdruck gebracht, dass diese wiederum als Bevollmächtigte der Versicherer handelt.
178(3)
179Die Fa. D konnte wirksam für den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2), die E AG, handeln.
180(a)
181Die Anfechtungserklärung vom 30.08.2006 hat die D GmbH bzw. der von dieser bevollmächtigte Rechtsanwalt H2 erkennbar im Namen der Versicherer abgegeben. Allein daraus, dass aufgrund des Handelns des Maklers Atlas die D GmbH, die keine Versicherung ist, als führender Versicherer angegeben wurde, kann nicht geschlossen werden, dass die Fa. D die Anfechtungserklärung nicht für die von ihr vertretenen Versicherer, sondern im eigenen Namen abgeben wollte.
182Der Umstand, dass die Versicherer in der Anfechtungserklärung nicht namentlich benannt sind, ist unschädlich, weil eine solche ausdrückliche Benennung nicht erforderlich ist. Ausreichend ist eine Individualisierbarkeit des Vertretenen (MünchKomm/Schramm, 6. Aufl. 2012 § 164 BGB Rz 18), die hier angesichts der Umstände ohne weiteres möglich ist. Dass es sich bei der Fa. D nicht um einen Versicherer handeln konnte, lag schon deshalb auf der Hand, weil eine GmbH nicht Versicherer sein kann (vgl. § 7 Abs. 1 VAG). Dass schließlich der Versicherungsmakler Atlas dies verkannt hat, ist ohne Bedeutung, weil es auf dessen unzutreffende Sichtweise nicht ankommt.
183(b)
184Die Vollmacht von Rechtsanwalt H2 zum Handeln für die Fa. D und die Vollmacht der Fa. D zum Handeln für die Versicherer ist gegeben. Während erstere unstreitig ist, kann auch das Vorliegen von letzterer festgestellt werden.
185Die Fa. D hat bei Abschluss des Versicherungsvertrages als Vertreterin der D2 gehandelt. Diese Vollmacht ergibt sich u.a. aus der Erklärung der „D2“ vom 09.02.2005, in der die Fa. D als der „zeichnungsbevollmächtigte Korrespondent“ bezeichnet wird. Die Fa. D hatte somit Vollmacht zum Abschluss des Vertrages mit der Fa. T. Zu § 45 VVG a.F. war es anerkannt, dass ein Abschlussagent auch zum Ausspruch von Anfechtungen befugt war (vgl. Bruck/Möller, 8. Aufl. § 20 VVG Anm. 10, § 22 VVG Anm. 19, § 45 VVG Anm 14). Deshalb ist der der Fa. D erteilten Abschlussvollmacht zugleich eine Anfechtungsvollmacht zu entnehmen.
186Auf die Behauptung der Beklagten, dass die D2 „nach den am 28./29.08.2006 gewonnenen Erkenntnissen“ der Fa. D eine Anfechtungsvollmacht als Innenvollmacht erteilt haben, kommt es danach nicht mehr an.
187Allerdings kann sich die aus der Abschlussvollmacht folgende Anfechtungsvollmacht allein auf die beteiligten D2 beziehen, denn nur diese hat die Fa. D bei Vertragsabschluss vertreten. Die Fa. D hat allein für den „führenden Versicherer“ unterschrieben und nicht für den „beteiligten Versicherer“. Vielmehr folgt aus den übereinstimmend vorgelegten Vertragsdokumenten, dass die E-AG bei Vertragsabschluss nicht von der Fa. D vertreten worden ist, sondern selbst unterschrieben hat.
188Die Vollmacht der D2 als führender Versicherer zum Handeln auch für die beteiligten weiteren Versicherer folgt aus Ziffer 15 des Versicherungsvertrages. Zwar enthält die in Ziffer 15 getroffene Regelung eine solche Vollmacht nicht ausdrücklich: Ziffer 15.1. enthält eine Vollmacht, alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag außergerichtlich und gerichtlich für alle Versicherer geltend zu machen; Ziffer 15.3 Satz 1 erklärt alle vom führenden Versicherer getroffenen Vereinbarungen für alle Versicherer für verbindlich; in Ziffer 15.4. Satz 2 erkennen die weiteren Versicherer die in Prozessen gegen den führenden Versicherer ergangenen Entscheidungen als verbindlich an. Damit ist dem führenden Versicherer eine umfassende Vertretungsbefugnis eingeräumt, soweit es nicht um die in Ziffer 15.4. Satz 3 erfasste Abänderung der Höchsthaftungssummen geht. Zwar bezieht sich diese umfassende Vertretungsbefugnis dem Wortlaut nach nicht auf die Abgabe von Willenserklärungen. Jedoch ist Ziffer 15 angesichts des offenkundig auf eine allumfassende Bevollmächtigung abzielende Regelung dahin auszulegen, dass auch insoweit eine Vollmacht des führenden Versicherers besteht. Denn wenn der führende Versicherer die Vollmacht hat, Vereinbarungen zu schließen und damit bevollmächtigt ist, Willenserklärungen auch mit Wirkung für die weiteren Versicherer abzugeben, ist damit als „minus“ auch die Vollmacht umfasst, Willenserklärungen abzugeben, die nicht auf einen Vertragsschluss zielen, sondern bereits für sich, also als einseitige Willenserklärungen, auf rechtserhebliche Folgen abzielen.
189Der Umstand, dass der Anfechtungserklärung eine Vollmachtsurkunde nicht beilag, ist unerheblich, weil die Fa. T von der Möglichkeit des § 174 Satz 1 BGB keinen Gebrauch gemacht hat.
190(c)
191In jedem Fall wäre ein – unterstelltes – vollmachtloses Handeln der Fa. D für die E nach den §§ 177 Abs. 1, 184, 180 Satz 2 BGB wirksam.
192Der Anfechtungserklärung von Rechtsanwalt H2 hatte eine Vollmacht nicht beigelegen; eine Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB ist jedoch nicht erfolgt. Damit hätte – bei unterstelltem Fehlen einer Vollmacht – die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung nach § 180 Satz 2 BGB von einer Genehmigung der E AG nach den §§ 177 Abs. 1, 184 BGB abgehangen. Diese liegt hier in der seitens des Rechtsanwalts Dr. H für E erklärten Anfechtungserklärung vom 26.09.2006.
193b)
194Auf die für die E erklärte Anfechtungserklärung seitens des Rechtsanwalts Dr. H vom 26.09.2006 kommt es danach nicht mehr an. In jedem Fall liegt hierin eine für die E wirksam erklärte Anfechtungserklärung. Zwar war zu dem Zeitpunkt ihrer Abgabe das am 01.10.2006 eröffnete Insolvenzeröffnungsverfahren noch nicht eröffnet. Es lag jedoch durch Beschluss vom 01.09.2006 ein Insolvenzeröffnungsverfahren vor, für das angeordnet war, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO. Damit war die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen (MünchKomm/Ott/Vuia § 81 Inso Rz 12 b). Damit ist diese Anfechtungserklärung der E gegenüber dem richtigen Empfänger abgegeben worden.
1953.
196Es ist auch ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB gegeben.
197Die Versicherer sind bei Abschluss des Versicherungsvertrages über die unlauteren Geschäftspraktiken der Fa. T von dieser arglistig getäuscht worden, bei deren Kenntnis sie den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen hätten.
198a)
199Nach den Feststellungen des Landgerichts in seinen Strafurteil vom 07.03.1997 betreffend X und X2 sowie in seinem Strafurteil betreffend Sporniak arbeitete die Fa. T bereits im Jahr 2001 mit einer monatlichen Unterdeckung von 100.000 bis 200.000 EUR, die seit 2002/2003 über 200.000 EUR monatlich betrug. Gegenüber Sozialversicherungsträgern, Finanzbehörden, Banken sowie Subunternehmern seien die Schulden auf mehrere Millionen Euro angestiegen. Als die Geschäftsführer spätestens Anfang 2003 endgültig festgestellt hatten, dass die finanziellen Mittel der Gesellschaften zur Begleichung der regelmäßigen Verbindlichkeiten nicht ausreichten, beschlossen sie, das von den Kunden anvertraute Geld zur Begleichung der Verbindlichkeiten des Unternehmens zu verwenden. In der Folgezeit wurden vereinnahmte Kundengelder nicht unverzüglich auf Konten der Kunden zur Einzahlung gebracht, sondern erst verspätet gutgeschrieben, wobei dafür regelmäßig das zu diesem Zeitpunkt neu abgeholte Geld anderer Kunden verwendet wurde. In der Zwischenzeit wurden die entnommenen Gelder auf Konten des Unternehmens überwiesen und für anderweitige, geschäftliche Verbindlichkeiten zweckwidrig verwendet. Im Zeitraum vom 14.02.2003 bis zum 13.01.2006 wurden Kundengelder in Höhe von insgesamt 12.363.419,17 EUR aus dem laufenden Geschäftsbetrieb entnommen und zur Begleichung laufender Verbindlichkeiten der Fa. T verwendet. Den Geschäftsführern war bewusst, dass es aufgrund der Geschäftslage der GmbH höchst ungewiss war, ob und ggf. in welchem Umfang es jemals gelingen würde, Fehlbestände wieder auszugleichen. Unter Berücksichtigung von insgesamt 12,1 Mio. EUR, die bestehenden Geldkreisläufen entnommen und am 28.04.2006 der Fa. Y ausgezahlt wurden, hat das Landgericht einen den Kunden entstandenen Schaden von insgesamt 24.560.770,83 EUR festgestellt.
200Der Senat ist in Parallelverfahren betreffend die Fa. T davon ausgegangen, dass Organe der der Fa. T seit dem Jahr 2001 einen Teil der transportierten Gelder zweckwidrig zur Begleichung von Verbindlichkeiten der Fa. T verwendet haben, wobei sie dies dadurch verschleierten, dass sie die dabei jeweils entstehenden Fehlbeträge durch Gelder aus den Abholungen der jeweils nächsten Tage ausglichen.
201Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom 09.11.2011 betreffend den Komplex der Fa. T festgestellt, dass die Geschäftsführer der Fa. T seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig verwendet haben, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der Fa. T gegenüber anderen Auftraggebern beglichen.
202Diese Feststellungen, die sich mit dem Inhalt des Berichtes des Insolvenzverwalters vom 27.11.2006 decken, wonach eine wirtschaftliche Schieflage liquiditätsmäßig längere Zeit dadurch ausgeglichen wurde, dass in großem Umfang Kundengelder in Höhe eines Gesamtbetrages von auf 23.556.317,35 EUR veruntreut worden sind, kann der Senat als unstreitig seinem Urteil zugrunde legen. Die Klägerinnen haben weder erst- noch zweitinstanzlich das Vorliegen der Anfechtungsgründe – Überschuldung, Schneeballsystem – bestritten. Sie haben sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, dass die Beklagten wegen bereits bestehender Vorkenntnis gar nicht getäuscht werden konnten.
203b)
204Die Fa. T traf auch die Pflicht, die Versicherer über die Verschiebung von Kundengeldern aufzuklären.
205Hier kann nichts anderes gelten als das, was der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 21.09.2011 (IV ZR 38/09 HEROSII) in einem vergleichbaren Fall zu einem Schneeballsystem entschieden hat. Das Bestehen einer Aufklärungspflicht folgt daraus, dass angesichts der unlauteren Geschäftspraktiken bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jederzeit die Entdeckung und der Zusammenbruch des Schneeballsystems drohte mit der Folge, dass Auftraggeber Gelder bzw. deren Gegenwert verlieren konnten, so dass die Versicherer durch zahlreiche Versicherte in Anspruch genommen werden konnten (BGH a.a.O. Rz 38 - juris- ). Daher stellt allein das Betreiben eines solchen Schneeballsystems bereits eine anzeigepflichtige unmittelbare Gefährdung des Vertragszwecks der Versicherung dar. Damit ergibt sich auch hier, dass durch das Verschweigen der geschilderten Gefahren die Fa. T ihr eigenes wirtschaftliches Wagnis zum Teil auf die Versicherer verlagert hat und diese bewusst mit einem Risiko belastet hat, das über die mit dem Abschluss einer Valoren-Transport-Versicherung normalerweise verbundenen Gefahren erheblich hinausgeht.
206Dabei ist es unerheblich, dass sich die Verantwortlichen der Fa. T bei Offenbarung ihrer Geschäftspraktiken gegenüber den Versicherern unerlaubter Handlungen hätten bezichtigen müssen. Denn aus dem strafprozessualen Privileg, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, erwächst kein Anspruch darauf, ungeachtet des Verschweigens solcher Umstände dennoch private Rechte voll durchzusetzen oder sich gar versicherungsvertragliche Vorteile zu erschleichen (BGH a.a.O. Rz 39 - juris- ). Die verschwiegenen Geschäftspraktiken betrafen unmittelbar das zu versichernde Risiko. Sie stellten auch keinen in der Vergangenheit abgeschlossenen Vorgang dar, sondern dauerten fort und setzten die Versicherungsnehmerin der Gefahr der Insolvenz und die Versicherer einem deutlich erhöhten Risiko der Inanspruchnahme aus (BGH a.a.O. Rz 39 f - juris- ).
207Die Verheimlichung des Schneeballsystems ist auch bewusst geschehen. Den Geschäftsführern der Fa. T war das Betreiben eines Schneeballsystems nur zu gut bekannt; sie haben es vorsätzlich installiert und vorsätzlich aufrechterhalten. Sie kannten damit die ihrer Offenbarungspflicht zugrunde liegenden Tatsachen. Dass die Geschäftsführer irrig, etwa aufgrund einer rechtlichen Falschbewertung ihrer Pflichten, davon ausgegangen wären, dass sie das Betreiben des Schneeballsystems nicht offenbaren müssten, kann nicht angenommen werden. Das Landgericht Essen hat in seinen Strafurteilen festgestellt, dass die Geschäftsführer bestrebt gewesen seien, die zweckwidrige Verwendung von Kundengeldern gegenüber den Kunden geheim zu halten. Dass unter diesen Umständen den Geschäftsführern die Gefahrerheblichkeit des betriebenen Schneeballsystems nicht bewusst gewesen sei, kann nicht angenommen und als gänzlich lebensfremd ausgeschlossen werden.
208c)
209Die durch Unterlassen begangenen arglistigen Täuschungen seitens der Fa. T waren auch kausal für die Entscheidung der über die maßgeblichen Umstände sich im Irrtum befindlichen Versicherer, den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag zu schließen.
210aa)
211Die Beklagten zu 1) und 2) hätten sich dann, wenn sie von den systematischen Verschiebungen von Kundengeldern ab 2001 bei Vertragsschluss Kenntnis gehabt hätten, nicht in einem Irrtum befunden. Es ist Sache des Anfechtenden den von ihm behaupteten Irrtum zu beweisen (BGH Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 233/09 Rz 21- juris-).
212Der Irrtum des Erklärenden besteht, wie der BGH (a.a.O. Rz 22- juris-) betont hat, wenn der Erklärungsgegner seine Täuschung durch Verschweigen verübt hat, in einem Nichtwissen. Will sich der Erklärende auf die Unkenntnis der verschwiegenen Umstände berufen, muss er mithin darlegen und unter Beweis stellen, er habe diese Umstände nicht gekannt. Da hierfür die Regeln über Darlegung und Beweis von Negativtatsachen gelten, genügt der Anfechtende seiner Darlegungslast zunächst mit der Behauptung, die betreffenden Umstände seien ihm vom Erklärungsgegner verschwiegen worden und auch nicht auf andere Weise zur Kenntnis gelangt. Sodann ist es Aufgabe des Gegners, Umstände darzulegen, aus denen sich das Wissen des Anfechtenden um die verschwiegenen Tatsachen ergibt. Diese in erster Linie den Erklärungsgegner, mithin die Versicherungsnehmerin (T), treffende sekundäre Darlegungslast trifft auch denjenigen Versicherten, der - wie die Klägerinnen - an Stelle der Versicherungsnehmerin Rechte aus dem angefochtenen Vertrag herleiten will.
213Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich:
214Eine Kenntnis der Beklagten kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass die Geschäftsführer der Fa. D, Y2 und Y3, zuvor beim Vorversicherer Gerling tätig waren und von dort aus bereits die Fa. T, die ihnen dann bei ihrem Wechsel zur Firma D folgte, als Versicherungsnehmerin betreut haben. Aus der Tätigkeit der Geschäftsführer der Fa. D für den Vorversicherer ergibt sich allein die Kenntnis der allgemeinen Verhältnisse bei Fa. T und nicht die Kenntnis vom Betreiben eines Schneeballsystems durch die Verantwortlichen der Fa. T.
215Darüber hinaus haben die Klägerinnen keine konkreten, hinreichend substantiierten Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zulassen, dass die Beklagten vom Schneeballsystem der Fa. T bereits bei Vertragsschluss Kenntnis gehabt haben sollen.
216bb)
217Ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB besteht nur dann, wenn die Täuschung für die Willenserklärung ursächlich geworden ist (vgl. Palandt/Ellenberger, 73. Aufl., § 123 BGB Rz 24). Dies ist dann der Fall, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung überhaupt nicht oder mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben hätte. Kein Ursachenzusammenhang besteht hingegen, wenn der Getäuschte die Willenserklärung aufgrund eigener selbständiger Überlegungen unabhängig von der Täuschung abgegeben hat (Ellenberger a.a.O.). Für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist es nicht erforderlich, dass für den Getäuschten bei größerer Aufmerksamkeit der Irrtum vermeidbar gewesen wäre und die Erklärung dann nicht abgegeben worden wäre. Denn auf Verschulden des Getäuschten kommt es nicht an (BGH NJW 1989, 287, 288; BGH NJW 1997, 1845, 1847).
218Wenn die Beklagten Kenntnis von der Insolvenzreife und dem Schneeballsystem gehabt hätten, wäre das diesbezügliche Verschweigen seitens der Fa. T nicht mehr kausal für die auf Abschluss des Versicherungsvertrages gerichteten Willenserklärungen. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Kausalität des Irrtums für die Vertragserklärung im Wege des Anscheinsbeweises als erwiesen angesehen werden (vgl. Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 233/09 Rz 26 ff zitiert nach iuris). So hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass es sich von selbst versteht, dass der Versicherer einer Geldtransportfirma nicht bereit ist, Versicherungsschutz zu gewähren, der unter anderem auch die Unterschlagung von Kundengeldern durch die Versicherungsnehmerin umfassen soll, wenn er weiß, dass diese Versicherungsnehmerin bereits seit Jahren durch systematischen rechtswidrigen Zugriff auf Kundengelder Millionenschäden verursacht hat. Hier kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass die Täuschung geeignet gewesen sei, die Vertragserklärung der Versicherer zu beeinflussen. Diese Ausführungen im HEROS-Komplex gelten vorliegend gleichermaßen, so dass der Senat im Wege des Anscheinsbeweises davon ausgeht, dass der Irrtum der Beklagten über das Schneeballsystem kausal für ihren dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Entschluss war.
219Auch wenn die Versicherer, nachdem sie Anfang 2006 von Verschiebungen erfahren haben sollen, nicht zum Mittel der Anfechtung gegriffen und nicht darauf gedrungen hätten, die bekannt gewordenen Umstände umgehend abzustellen, sondern ein Stillhalteabkommen mit der Geschäftsführung der Fa. T getroffen hätten, wonach diese den Unternehmensteilverkauf vorantreiben und im Gegenzug keine „echten“ Prüfungen stattfinden sollten, würde dies den Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Denn ein solches Verhalten hätte nicht auf ein unbegrenztes „Weitermachenkönnen“ bei der Fa. T, sondern auf die Herbeiführung eines „geordneten Endes“ gezielt. Daraus kann nicht geschlussfolgert werden, dass sich die Versicherer auch dann auf den Vertragsschluss mit der Fa. T eingelassen hätten, wenn sie noch vor Vertragsabschluss von dem laufenden Schneeballsystem erfahren hätten. Allein weil die beteiligten Versicherer versucht haben könnten, im eigenen wirtschaftlichen Interesse „schadlos“ aus dem Versicherungsverhältnis herauszukommen, kann nicht darauf geschlossen werden, dass ihnen bei Vertragsschluss alle maßgeblichen Umstände gleichgültig gewesen wären. Dies wäre nur zu erwägen, wenn ausreichende Anhaltspunkte vorliegen würden, wonach die Beklagten eine Ausweitung ihres Marktanteils buchstäblich um jeden Preis angestrebt hätten. Dafür fehlt aber jeder durchgreifende Anhaltspunkt.
2204.
221Es ist auch die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB gewahrt.
222Die Jahresfrist des § 124 BGB beginnt mit der Entdeckung der Täuschung durch den Anfechtungsberechtigten zu laufen; nicht ausreichend ist ein bloßes Kennenmüssen oder ein bloßer Verdacht (BGH Urteil vom 21.09.2011 IV ZR 38/09 Rz 46 bei juris).
223Der Fristlauf beginnt erst, wenn der Getäuschte die arglistige Täuschung als solche erkennt und nicht bereits dann, wenn er über Erkenntnisse verfügt, aus denen sich Anhaltspunkte für die wahre Sachlage ergeben. Denn die Kenntnis muss sich nach § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht nur auf die objektive Unwahrheit der Angaben, sondern auch auf die subjektive Arglist des anderen Teils beziehen (BGH Beschluss 18.01.2012 IV ZR 15/11 Rz 11 bei juris).
224Die Beweislast für alle Voraussetzungen des Erlöschens des Anfechtungsrechts trägt der Anfechtungsgegner; er muss daher auch beweisen, wann der Anfechtungsberechtigte von der arglistigen Täuschung Kenntnis erlangt hat (Palandt/Ellenberger, 73. Aufl., § 124 BGB Rz 5).
225Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im HEROS-Komplex (vgl. Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 152/10 Rz 33 bei iuris) reicht die Kenntnis von Liquiditätslücken, Zahlungsschwierigkeiten, Geldentnahmen und Veruntreuungen nicht aus. Entscheidend ist danach, ob der Versicherer bei Abschluss der Police Kenntnis hatte von dem „Schneeballsystem, seinem Ausmaß und vor allem dem Umstand, dass Heros-Verantwortliche all dies [bei Abschluss der Police] wissentlich verschwiegen hatten“. Maßgeblich ist die Kenntnis des Versicherers, dass er „bei Abschluss der Police … über die Existenz des damals schon für Millionenschäden verantwortlichen Schneeballsystems getäuscht worden war“ (BGH a.a.O.).
226Dies bedeutet, dass es Sache der Klägerinnen ist darzulegen und zu beweisen, dass die beteiligten Versicherer bereits länger als ein Jahr vor ihren Anfechtungserklärungen Kenntnis von der arglistigen Täuschung hatten (vgl. BGH NJW 1992, 2346, 2347 f).
227Nach dem Vortrag des Beklagten zu 1) hatten die Versicherer vor dem 28./29.08.2006 keine Kenntnis von den Geldverschiebungen bei T. Bezogen auf diesen Zeitpunkt sind die Anfechtungserklärungen vom 30.08.2006 und 26.09.2006 innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB abgegeben worden.
228Auch wenn dem Geschäftsführer der Fa. D, Y2, aufgrund langjähriger Kenntnis und Betreuung der Werttransportversicherung bei der Fa. T schon in der Zeit der Vorversicherung beim Versicherer Gerling die dortigen Verhältnisse bereits vor Vertragsschluss umfassend bekannt gewesen seien sollten, bezieht sich diese Kenntnis dem Zusammenhang nach auf die allgemeinen Verhältnisse bei der Fa. T und nicht auf das dortige Betreiben eines Schneeballsystems. Auch soweit der Geschäftsführer Y2 sein Wissen um nicht näher spezifizierte „Unregelmäßigkeiten“ mit zur Fa. D genommen hätte, kann hieraus, wie oben bereits dargelegt, nicht auf eine Kenntnis von dem praktizierten Schneeballsystem und der Insolvenzreife der Fa. T rückgeschlossen werden.
229Auch soweit es bereits früher, ab Oktober/November 2005 bwz. im März 2006 Hinweise auf Verschiebungen in Millionenhöhe bei T gegeben hätte, wäre die Jahresfrist zur Zeitpunkt der Anfechtung nicht verstrichen.
230§ 124 BGB kommt vorliegend auch zur Anwendung. Die Anwendbarkeit dieser Norm kann im Versicherungsvertragsrecht nicht auf den Fall beschränkt werden, dass die Täuschung erst nach Eintritt des Versicherungsfalles auffällt.
2315.
232Eine Bestätigung des Versicherungsvertrages nach § 144 BGB ist nicht erfolgt.
233Die Bestätigung nach § 144 BGB ist der Sache nach ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht (vgl. Palandt/Ellenberger, 73. Auflage, § 144 BGB Rz 1). Gemäß § 144 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird, wobei diese Bestätigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form bedarf und auch durch schlüssige Handlung erfolgen kann. Erforderlich ist ein Verhalten, das den Willen offenbart, trotz der Anfechtbarkeit an dem Rechtsgeschäft festzuhalten, wobei jede andere den Umständen nach mögliche Deutung ausgeschlossen sein muss (BGHZ 110, 220, 222; BGH NJW-RR 1992, 779, 780).
234Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 233/09 Rz 6 –juris-) setzt die Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte gemäß § 144 BGB die Kenntnis vom Anfechtungsgrund voraus. Selbst wenn die Beklagten nach Vertragsschluss Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei der Fa. T erlangt haben sollten, so ist jedenfalls nicht ersichtlich und von den Klägerinnen auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass ihnen bereits im April oder Juli 2006 das gesamte Ausmaß des Schneeballsystems bekannt war sowie die Tatsache, dass dieses bereits bei Vertragsschluss bestand und insoweit ein Anfechtungsrecht gegeben war.
2356.
236Den Beklagten ist es auch nicht nach Treu und Glauben nach § 242 BGB verwehrt, den Versicherungsvertrag anzufechten.
237Zwar kann auch die Geltendmachung des Anfechtungsrechts durch den Anfechtungsberechtigten grundsätzlich verwirkt sein, denn alle Rechte und Rechtspositionen unterliegen grundsätzlich der Verwirkung (Palandt/Grüneberg, 73. Aufl. § 242 BGB Rz 88). So hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 107, 368, 375 f; vgl. Prölss/Martin, 27. Aufl., § 6 VVG Rz 131; grundsätzlich für Rechtsmissbrauch als Schranke der Anfechtbarkeit auch Römer/Langheid, 2. Aufl., § 6 VVG Rz 133) entschieden, dass die Sanktion der Leistungsfreiheit verwirkt ist, wenn sich der Versicherer in einer der arglistigen Täuschung „gleichwertigen oder gar schwerwiegenden Art und Weise“ verhält. Dies gelte, wenn der Versicherer das gegenseitige Vertrauensverhältnis grundlegend und in ausgesprochen vorwerfbarer Weise zerstöre; auch in besonders gelagerten Fällen müsse es für einen Versicherer selbstverständlich sein, sich korrekt zu verhalten.
238Allgemein wird angenommen, dass ein Anfechtungsrecht ausnahmsweise dann durch Verwirkung ausgeschlossen ist, wenn in der Ausübung ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt (Erman/Arnold, 13. Aufl., § 242 BGB Rz 2), bzw. wenn besondere Umstände vorliegen (PWW/Ahrens, 6. Aufl., § 124 BGB Rz 1). Auch in seinen Entscheidungen NJW 1992, 2346 und NJW 1971, 1795, 1800 ist der Bundesgerichtshof grundsätzlich von der Möglichkeit einer Treuwidrigkeit einer Arglistanfechtung ausgegangen, hat dafür aber das Vorliegen ganz besonderer Umstände verlangt.
239Allerdings erweist sich das von den Klägerinnen vorgetragene Verhalten des Beklagten zu 1) und der E nicht als so erheblich missbilligenswert, dass ihnen das Recht zur Anfechtung abzusprechen wäre.
240Nach Auffassung des Senates stellt es keinen zureichenden Anknüpfungspunkt für eine zu missbilligende Widersprüchlichkeit dar, dass die beteiligten Versicherer – die Richtigkeit des klägerischen Vortrags unterstellt – an dem Vertrag festgehalten haben, solange es ihnen vorteilhaft erschien, und zum Mittel der Anfechtung erst dann gegriffen haben, als sie sich von der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Fa. T keinen weiteren Nutzen versprachen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz dem arglistig Getäuschten eine Jahresfrist für die Ausübung seines Anfechtungsrechts einräumt. Anders als der nach den §§ 119, 120 BGB Anfechtende, der sein Anfechtungsrecht nach § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB unverzüglich ausüben muss, will er es nicht verlieren, hat der arglistig Getäuschte somit eine Bedenkfrist von einem Jahr. Der Anfechtungsgegner muss den langen Zeitraum des Wahlrechts des Anfechtungsberechtigten hinnehmen, weil er – der Anfechtungsgegner – weniger schutzbedürftig ist (vgl. Staudinger/Singer, Neubearbeitung 2011, § 124 BGB Rz 1; MünchKomm/Armbrüster, 6. Aufl., 2012, § 124 BGB Rz 1). Das Durchgreifenlassen der Treuwidrigkeit führt im Ergebnis zu einer vorzeitigen Beendigung des Wahlrechts und beseitigt letztlich das Wahlrecht, weil von der Anfechtungsberechtigten ein unverzügliches Handeln nach Erkennen der Anfechtungsberechtigung verlangt wird, was grundsätzlich der gesetzlichen Konzeption zuwiderläuft. Überdies ist zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlichen Konzeption ein vorzeitiger Verlust des Anfechtungsrechts nur im Falle der Bestätigung nach § 144 BGB stattfinden soll. Hierzu ist anerkannt (vgl. Staudinger/Roth, Neubearbeitung 2011, § 144 BGB Rz 6; MünchKomm/Busche 6. Aufl., § 144 BGB Rz 6), dass an die Annahme einer Bestätigung durch konkludentes Verhalten strenge Anforderungen zu stellen sind, um das Wahlrecht nicht zu unterlaufen.
241Auch im Weiteren liegen hier keine so ungewöhnlichen Umstände vor, die die Annahme einer Treuwidrigkeit rechtfertigen könnten:
242So ist schon in den Blick zu nehmen, dass die Klägerinnen mangels Bestehens eines Direktanspruchs (vgl. Felsch r+s 2012, 223, 224) aus abgetretenem Recht des Insolvenzverwalters vorgehen, also Ansprüche geltend macht, die ursprünglich der Fa. T gegenüber den Beklagten zustanden. Es liegt auf der Hand, dass die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens der Beklagten gegenüber der Fa. T nicht in Betracht kommt. Denn neben dem Gesichtspunkt des Schutzes des arglistig Getäuschten vor den Machenschaften des arglistig Täuschenden tritt hier hinzu, dass es gerade die Fa. T selbst gewesen ist, die nach dem Vortrag der Klägerinnen der Fa. D ein Stillhalteabkommen angetragen hat. Die Fa. T selbst würde sich widersprüchlich verhalten, wenn sie sich darauf berufen würde, dass die Beklagten mit ihr kein Stillhalteabkommen hätten abschließen dürfen, sondern unmittelbar im März 2006 hätten anfechten müssen.
243Dass die beteiligten Versicherer nach Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten nicht unmittelbar die Anfechtung erklärt haben und möglicherweise im Rahmen der beabsichtigten Abwicklung auf ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil bedacht waren, begründet allein keinen Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass es die Verantwortlichen der Fa. T waren, die durch ihre arglistige Täuschung die Willensfreiheit der Beklagten beeinträchtigt haben und die Verantwortlichen der Fa. T allein die Verantwortung für das kriminelle Schneeballsystem tragen. Deshalb vermag allein ein passives Verhalten der Beklagten in Kenntnis des Schneeballsystems eine Treuwidrigkeit des Handelns der Beklagten nicht zu begründen.
244Dass die Versicherer mittels der Fa. D vorsätzlich durch eigenes aktives Handeln zur Aufrechterhaltung des kriminellen Schneeballsystems beigetragen hätten, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagten bereits Ende Oktober/Anfang November 2005 von Unregelmäßigkeiten bei der Fa. T erfuhren, ist eine positive Kenntnis der Beklagten vom Ausmaß der Veruntreuungen von den Klägerinnen nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden.
245Hinzukommt, dass es die Versicherten wie die Klägerinnen sind, die sich die Fa. T als Vertragspartner ausgewählt und damit auf ihr eigenes Risiko gehandelt haben, so dass es konsequent ist, die Versicherten alle Folgen des Verhaltens der Fa. T tragen zu lassen.
2467.
247Ein Anspruch der Klägerinnen auf Schadensersatz ist ebenfalls nicht gegeben. Ein solcher ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1 BGB. Selbst wenn der Beklagte zu 1) während der Vertragslaufzeit von den Geschäftspraktiken der Verantwortlichen der Fa. T Kenntnis erlangt hat, ergeben sich weder aus dem Versicherungsvertrag noch der Versicherungsbestätigung besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den Versicherten. Die Versicherungsbestätigung enthält insbesondere keine entsprechenden - ungeschriebenen - Mitteilungspflichten oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der Fa. T zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Schaden zu warnen (vgl. BGH, Urteil vom 09.11.2011, IV ZR 16/10- juris- ;
248Ein Anspruch der Klägerinnen gegen den Beklagten zu 1) ergibt sich auch nicht aus einem Schadensersatzanspruch gem. §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB, da insbesondere eine Garantenstellung der Beklagten gegenüber der Klägerinnen nicht ersichtlich ist. Die Klägerinnen haben sich die Fa. T auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt und mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen. Aus dem Versicherungsvertrag lassen sich keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten zugunsten der Klägerinnen entnehmen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 09.11.2011; IV ZR 15/10, - juris- ).
249III.
250Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 543 Abs. 2 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt und solche des Einzelfalls.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 28. März 2014 - 20 U 166/08
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 28. März 2014 - 20 U 166/08
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Urteil, 28. März 2014 - 20 U 166/08 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2 und zu 3 wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus Verletzung vertraglicher Nebenpflichten und unerlaubter Handlung, hilfsweise Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einervon der A. S. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) bei den Beklagten zu 2 und zu 3 im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag CLS 100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung und -versorgung.
- 2
- Als Auftraggeberin von Geldtransporten erhielt die Klägerin im Februar 2006 eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss der Versicherung. Darin sind unter anderem die versicherten Sachen, Gegenstand und Umfang sowie Beginn und Ende der Versicherung, Haftungshöchstsummen , Bestimmungen für den Schadenfall und die Beklagte zu 1 als führender Versicherer aufgeführt.
- 3
- Geschäftsführer der A. GmbH verwendeten seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A. GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäftspraktiken im Sommer 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.
- 4
- Die Klägerin macht einen Schaden aus Bargeldentsorgungen vom 28. und 29. August 2006 in Höhe von 222.675 € sowie aufgrund unterbliebener Auszahlungen von Hartgeld in Höhe von 8.750 € geltend. Hiermit war die A. GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin im Februar 2006 geschlossenen "Vertrages über den Transport, die Bearbeitung und die Verwahrung von Bargeld und sonstigen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag) beauftragt.
- 5
- Im Hauptantrag verfolgt die Klägerin Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner. Diese hätten Schutzpflichten gegenüber der Klägerin übernommen, die sie dadurch verletzt hätten, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei der A. GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerin nicht aufgeklärt oder zumindest vor den streitgegenständlichen Transporten gewarnt hätten.
- 6
- Hilfsweise beruft sich die Klägerin zunächst auf einen - jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten - Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag , den sie auch gegenüber der Beklagten zu 1 geltend macht, die zwar nicht Vertragspartei geworden sei, aber aufgrund ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung einen dahin gehenden Rechtsschein begründet habe. Mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag. Bei diesen vertraglichen Ansprüchen streiten die Parteien insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld - vor allem mit dessen Einzahlung auf ein eigenes Konto - gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
- 7
- Das Landgericht hat den Beklagten zu 3 auf den ersten Hilfsantrag zur Zahlung anteiliger Versicherungsleistung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 3 zurückgewiesen und der Klägerin auf ihre Berufung ebenfalls aufgrund des ersten Hilfsantrags gegenüber der Beklagten zu 2 eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen. Die wei- tergehende, auf Klagansprüche gegenüber allen Beklagten gerichtete Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerin sowie der Beklagten zu 2 und zu 3.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (unten II.); diejenige der Beklagten zu 2 und zu 3 ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (unten III.).
- 9
- I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht begründet. Weder sei den Beklagten eine Garantenstellung zugekommen, noch habe eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsbestätigung gegenüber der Klägerin bestanden, ein Fehlverhalten der A. GmbH zu unterbinden oder auch nur die Klägerin davor zu warnen.
- 11
- Der Klägerin stehe ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu, dagegen ergebe sich ein vertraglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 nicht aus ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung.
- 12
- An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zu 2 und zu 3 zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.
- 13
- Der Anspruch auf Versicherungsleistung, den die Klägerin geltend zu machen berechtigt sei, bestehe, da sowohl hinsichtlich des zur Entsorgung überlassenen als auch bezüglich des in Hartgeld zu wechselnden Geldes ein Versicherungsfall bei jeder an die A. GmbH übergebenen Geldmenge eingetreten sei. Dies ergebe sich aus drei unterschiedlichen Gründen.
- 14
- Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A. GmbH vorgenommene Vermischung des zu entsorgenden Geldes der Klägerin mit dem anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A. GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen , mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A. GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.
- 15
- Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der A. GmbH bei der Deutschen Bun- desbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem Transportvertrag, die Gelder in bar auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung - gegebenenfalls auch nur stillschweigend - mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.
- 16
- Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil die Klägerin zum einen kein Wechselgeld erhalten habe und zum anderen davon auszugehen sei, dass die A. GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die Beklagten zu 2 und zu 3 ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.
- 17
- Der Klageanspruch sei nicht infolge der von den Beklagten zu 2 und zu 3 erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese gegenüber der Klägerin aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.
- 18
- Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. € in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.
- 19
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.
- 20
- 1. Die Abweisung der mit dem Hauptantrag gegenüber den Beklagten verfolgten Schadensersatzansprüche ist rechtsfehlerfrei. Für eine von den Beklagten vorgebrachte Beschränkung der Revisionszulassung fehlt es allerdings nach Tenor und Entscheidungsgründen des Berufungsurteils an einer ausreichenden Grundlage.
- 21
- a) Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB besteht selbst dann nicht, wenn die Beklagten - wie von der Klägerin mit ihrer Revision weiterhin geltend gemacht - seit März 2006 um die Geschäftspraktiken der A. GmbH gewusst haben. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen , dass weder dem Versicherungsvertrag noch der Versicherungsbestätigung besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den Versicherten zu entnehmen sind. Die Versicherungsbestätigung enthält insbesondere keine entsprechenden - ungeschriebenen - Mitteilungspflichten oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der A. GmbH zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Schaden zu warnen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011, HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 33). Gleiches gilt für den Versicherungsvertrag selbst.
- 22
- b) Die Klägerin vermag einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB ebenfalls nicht aufzuzeigen. In ihrer Revision verweist sie allein auf eine erst während der Vertragslaufzeit erlangte Kenntnis der Beklagten. Ein schadenbegründender Vorwurf wird daher nicht schon an die Gewährung von Versicherungsschutz , sondern erst daran geknüpft, dass dieser weiterhin unterhalten worden und eine - vorzeitige - Vertragsbeendigung oder zumindest eine Information der Versicherten unterblieben ist. Eine solche in einem Unterlassen gründende Beihilfe i.S. von § 27 StGB erfordert unter anderem eine Garantenstellung i.S. des § 13 StGB (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 2 StR 397/92, wistra 1993, 59 unter 1; Urteil vom 9. September 1988 - 2 StR 352/88, NJW 1989, 914 unter IV 2 a; Kühl in Lackner/Kühl, StGB 27. Aufl. § 27 Rn. 5; Heine in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 27 Rn. 15). Diese hat das Berufungsgericht mit Blick darauf verneint, dass die Klägerin die A. GmbH auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt und mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen habe und dass sich dem Versicherungsvertrag keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten entnehmen ließen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.
- 23
- 2. Die auf Leistung und Feststellung gerichteten Hilfsanträge haben die Vorinstanzen gegenüber der Beklagten zu 1 zu Recht abgewiesen.
- 24
- Die Beklagte zu 1 war - wovon die Klägerin in ihrer Revision ausgeht - nicht Versicherer der hier genommenen Geld- und Werttransportversicherung. Der Umstand, dass sie in der Versicherungsbestätigung als führender Versicherer genannt ist, vermag auch keinen dahin gehenden Rechtsschein zu begründen. Aufgrund von §§ 5, 7 Abs. 1 VAG ist sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung weder berechtigt noch in der Lage, Versicherungsverträge auf dem deutschen Markt anzubieten und in eigenem Namen abzuschließen. Der erforderliche Deckungsschutz wäre nicht gewährleistet. Geschäftserfahrene Versicherte wie die Klägerin mussten deshalb von vornherein annehmen, dass der Versicherungsvertrag nicht mit der Beklagten zu 1, sondern mit solchen Vertragspartnern geschlossen ist, die als Versicherer tätig werden dürfen und können (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, BB 1976, 154 unter 2).
- 25
- III. Die Verurteilung der Beklagten zu 2 und zu 3 nach dem ersten Hilfsantrag hält rechtlicher Nachprüfung in entscheidungserheblichen Punkten nicht stand.
- 26
- 1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klägerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten zu 2 und zu 3 nicht an die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.
- 27
- Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 (unter II 1) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten - lediglich passiven - Prozessführungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hinaus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.
- 28
- 2. Einen nach Ziffer 3.1 VB versicherten Schaden in Höhe von 222.675 € aufgrund der Bargeldentsorgung durch die A. GmbH hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, einen solchen bezüglich der Versorgung mit Hartgeld(8.750 €) jedoch fehlerhaft bejaht.
- 29
- a) Über die hier genommene Geld- und Werttransport-Versicherung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch- oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.; Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 21 ff.; a.A. Armbrüster, VersR 2011, 1081, 1082 f.).
- 30
- b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten zu 2 und zu 3 als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41).
- 31
- aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Verteilung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A. GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 42 ff.).
- 32
- bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch nicht damit zu begründen, dass - wie von der Klägerin behauptet - die Geldentsorgung durch die A. GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A. GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A. GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Verbuchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand,ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.
- 33
- c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Ziffer 3.1 VB hat die Klägerin bezüglich des der A. GmbH zur Aufbereitung und Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank überlassenen Bargeldes erbracht.
- 34
- aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte stoffliche Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Das ist der Fall, wenn die geschuldete Übergabe nicht nach den Vorgaben des Transportvertrages ausgeführt wird, und ist hier für das bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlende Bargeld anzunehmen.
- 35
- Insofern kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - bereits vor Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank ein stofflicher Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten zu 2 und zu 3, den sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht hier fest, dass die A. GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bar- geld letztlich vollständig auf bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten stofflichen Zugriff.
- 36
- Das folgt aus der Regelung in Ziffer 1 der Anlage 2 zum Transportvertrag ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die Abholung von Werten"). Danach sind "Bargeldbestände, die aus Einzahlungen von Filialen des Auftraggebers stammen, … am darauffolgenden Bankarbeitstag gebündelt an die jeweilige Filiale der Deutschen Bundesbank … zu Gunsten des Kontos der Hausbank des Auftraggebers zu liefern".
- 37
- Dem hat das Berufungsgericht entnommen, dass das Bargeld im Zuge der Übergabe an die Deutsche Bundesbank von derA. GmbH auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen (sog. Nicht-Konto-Verfahren) und die Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH nicht gestattet ist. Damit hat es den Transportvertrag in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgelegt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2 a; Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581 unter II 2 a bb (2)).
- 38
- Die Vereinbarung des Nicht-Konto-Verfahrens erschließt sich bereits daraus, dass das Geld auf ein Konto der Hausbank der Klägerin einzuzahlen ist. Gerade diese Einbeziehung der Hausbank widerspricht der Annahme der Beklagten zu 2 und zu 3, eine Einzahlung auf ein Eigenkonto des Transporteurs und eine Abwicklung im kontogebundenen Überweisungsverfahren - einer nach den damaligen Regularien der Deutschen Bundesbank ebenfalls zulässigen, aber nicht vorrangigen Einzahlungsmodalität - seien erlaubt. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass das Geld gebündelt zu liefern ist (anders der Sachverhalt in: Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 52 ff.; Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - IV ZR 156/09, juris Rn. 18 ff. und - IV ZR 247/09, VersR 2011, 923 Rn. 20 ff.).
- 39
- bb) Der stoffliche Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist hier erforderlich, dass zum einen das Transportgut der Deutschen Bundesbank überlassen wird und diese zum anderen die - vertragsgemäße - Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 c).
- 40
- cc) Das Vorgehen der A. GmbH ist - wie das Berufungsgericht richtig sieht - auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des Transportvertrages ergebenden Weisungen von vornherein zugestimmt oder diese zumindest stillschweigend geduldet hätte. Nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports ist für ein stillschweigendes Abbedingen der vertraglichen Vereinbarung oder die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum, da dies dazu geführt hätte, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versi- cherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 d).
- 41
- dd) Mit der Einzahlung des der A. GmbH am 28. und 29. August 2006 zur Aufbereitung und Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank überlassenen Bargeldes auf deren Konto ist der Klägerin ein versicherter Schaden in Höhe von 222.675 € entstanden. Anhaltspunkte für einen geringeren Schaden oder dessen Reduzierung haben die Beklagten zu 2 und zu 3 nicht dargetan.
- 42
- d) Dagegen hat die Klägerin einen Versicherungsfall bisher nicht bezüglich des Geldes dargelegt, das im Rahmen der von der A. GmbH ebenfalls übernommenen Geldversorgung in Hartgeld zu wechseln gewesen ist.
- 43
- aa) Zu diesem Zweck hat die Klägerin der A. GmbH am 28. August 2006 einen Betrag von insgesamt 8.750 € überlassen; Wechselgeld hat sie dafür nicht erhalten. Dies stellt sich zunächst als - nicht vom Versicherungsschutz umfasste - Nichterfüllung vertraglicher Pflichten dar. Es fehlt nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin jeder Anhalt , dass diese Vertragsverletzung mit einem versicherten stofflichen Zugriff einhergegangen ist. Sie legt nicht dar, ob und wie auf das zu wechselnde, an die A. GmbH zu übereignende oder bereits übereignete Geld oder auf das Wechselgeld während der versicherten Zeit zugegriffen worden ist. Hierzu wird vorzutragen sein.
- 44
- bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lässt sich ein stofflicher Zugriff nicht damit begründen, dass es zu einer Vermischung der Gelder der Klägerin mit denen anderer Kunden gekommen ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 64).
- 45
- Anderes ergibt sich nicht, falls diese Vermischung ohne hinreichende Dokumentation erfolgt ist. Dies berührt lediglich die Frage, in welchem Umfang der A. GmbH über den Transportauftrag hinausreichende Pflichten übernommen hat. Vor deren Verletzung böte indes allenfalls eine Haftpflichtversicherung Schutz, nicht aber die hier genommene Transportversicherung.
- 46
- 3. Die Beklagten zu 2 und zu 3 sind auch nicht - wie die Revision meint - deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerin die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A. GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätte.
- 47
- Selbst bei einer fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. sind gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verstehen , dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.
- 48
- 4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten Schadenfall abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. € je Schadenfall den Anspruch der Klägerin nicht berührt. Jede einzelne vertragswidrige Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH begründet einen stofflichen Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
- 49
- 5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu 2 und zu 3 jedoch aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB zu Unrecht mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
- 50
- Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II, IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten zu 2 und zu 3 als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.
- 51
- Das Berufungsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten zu 2 und zu 3 ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten haben.
- 52
- IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 12.11.2008 - 1 O 183/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.12.2009- I-20 U 3/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 und zu 3 wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus Verletzung vertraglicher Nebenpflichten und unerlaubter Handlung, hilfsweise Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einer von derA. S. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) bei den Beklagten zu 1 und zu 3 im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag CLS 100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung.
- 2
- Als Auftraggeberin von Geldtransporten erhielt die Klägerin eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss der Versicherung. Darin sind unter anderem die versicherten Sachen, Gegenstand und Umfang sowie Beginn und Ende der Versicherung, Haftungshöchstsummen, Bestimmungen für den Schadenfall und die Beklagte zu 2 als führender Versicherer aufgeführt.
- 3
- Geschäftsführer der A. GmbH verwendeten seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A. GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäftspraktiken im Sommer 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.
- 4
- Die Klägerin macht einen Schaden aus Bargeldentsorgungen in der Zeit vom 21. bis zum 29. August 2006 in Höhe von 1.778.721,03 € geltend. Hiermit war die A. GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin geschlossenen "Vertrages über den Transport, die Bearbeitung und die Verwahrung von Bargeld und sonstigen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag) beauftragt.
- 5
- Im Hauptantrag verfolgt die Klägerin Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner. Diese hätten Schutzpflichten gegenüber der Klägerin übernommen, die sie dadurch verletzt hätten, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei der A. GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerin nicht aufgeklärt oder zumindest vor den streitgegenständlichen Transporten gewarnt hätten.
- 6
- Hilfsweise beruft sich die Klägerin zunächst auf einen - jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten - Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag , den sie auch gegenüber der Beklagten zu 2 geltend macht, die zwar nicht Vertragspartei geworden sei, aber aufgrund ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung einen dahin gehenden Rechtsschein begründet habe. Mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag. Bei diesen vertraglichen Ansprüchen streiten die Parteien insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld - vor allem mit dessen Einzahlung auf ein eigenes Konto - gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
- 7
- Das Landgericht hat den Beklagten zu 1 auf den ersten Hilfsantrag zur Zahlung anteiliger Versicherungsleistung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 1 zurückgewiesen und der Klägerin auf ihre Berufung ebenfalls aufgrund des ersten Hilfsantrags gegenüber der Beklagten zu 3 eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen. Die wei- tergehende, auf Klagansprüche gegenüber allen Beklagten gerichtete Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerin sowie der Beklagten zu 1 und zu 3.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (unten II.); diejenige der Beklagten zu 1 und zu 3 ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (unten III.).
- 9
- I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht begründet. Weder sei den Beklagten eine Garantenstellung zugekommen, noch habe eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsbestätigung gegenüber der Klägerin bestanden, ein Fehlverhalten der A. GmbH zu unterbinden oder auch nur die Klägerin davor zu warnen.
- 11
- Der Klägerin stehe ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagten zu 1 und zu 3 entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu, dagegen ergebe sich ein vertraglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu 2 nicht aus ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung.
- 12
- An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zu 1 und zu 3 zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.
- 13
- Der Anspruch auf Versicherungsleistung, den die Klägerin geltend zu machen berechtigt sei, bestehe, da hinsichtlich jeder an die A. GmbH zur Entsorgung übergebenen Geldmenge ein Versicherungsfall eingetreten sei. Dies ergebe sich aus drei unterschiedlichen Gründen.
- 14
- Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A. GmbH vorgenommene Vermischung der zu entsorgenden Gelder der Klägerin mit denen anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A. GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen , mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A. GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.
- 15
- Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der A. GmbH bei der Deutschen Bundesbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem Transportvertrag, die Gelder in bar auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung - gegebenenfalls auch nur stillschweigend - mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.
- 16
- Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil davon auszugehen sei, dass die A. GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die Beklagten zu 1 und zu 3 ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.
- 17
- Der Klageanspruch sei nicht infolge der von den Beklagten zu 1 und zu 3 erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese gegenüber der Klägerin aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.
- 18
- Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. € in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.
- 19
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.
- 20
- 1. Die Abweisung der mit dem Hauptantrag gegenüber den Beklagten verfolgten Schadensersatzansprüche ist rechtsfehlerfrei. Für eine von den Beklagten vorgebrachte Beschränkung der Revisionszulassung fehlt es allerdings nach Tenor und Entscheidungsgründen des Berufungsurteils an einer ausreichenden Grundlage.
- 21
- a) Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB besteht selbst dann nicht, wenn die Beklagten - wie von der Klägerin mit ihrer Revision weiterhin geltend gemacht - seit März 2006 um die Geschäftspraktiken der A. GmbH gewusst haben. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen , dass weder dem Versicherungsvertrag noch der Versicherungsbestätigung besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den Versicherten zu entnehmen sind. Die Versicherungsbestätigung enthält insbesondere keine entsprechenden - ungeschriebenen - Mitteilungspflichten oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der A. GmbH zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Schaden zu warnen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011, HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 33). Gleiches gilt für den Versicherungsvertrag selbst.
- 22
- b) Die Klägerin vermag einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB ebenfalls nicht aufzuzeigen. In ihrer Revision verweist sie allein auf eine erst während der Vertragslaufzeit erlangte Kenntnis der Beklagten. Ein schadenbegründender Vorwurf wird daher nicht schon an die Gewährung von Versicherungsschutz , sondern erst daran geknüpft, dass dieser weiterhin unterhalten worden und eine - vorzeitige - Vertragsbeendigung oder zumindest eine Information der Versicherten unterblieben ist. Eine solche in einem Unterlassen gründende Beihilfe i.S. von § 27 StGB erfordert unter anderem eine Garantenstellung i.S. des § 13 StGB (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 2 StR 397/92, wistra 1993, 59 un- ter 1; Urteil vom 9. September 1988 - 2 StR 352/88, NJW 1989, 914 unter IV 2 a; Kühl in Lackner/Kühl, StGB 27. Aufl. § 27 Rn. 5; Heine in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 27 Rn. 15). Diese hat das Berufungsgericht mit Blick darauf verneint, dass die Klägerin die A. GmbH auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt und mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen habe und dass sich dem Versicherungsvertrag keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten entnehmen ließen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.
- 23
- 2. Die auf Leistung und Feststellung gerichteten Hilfsanträge haben die Vorinstanzen gegenüber der Beklagten zu 2 zu Recht abgewiesen.
- 24
- Die Beklagte zu 2 war - wovon die Klägerin in ihrer Revision ausgeht - nicht Versicherer der hier genommenen Geld- und Werttransportversicherung. Der Umstand, dass sie in der Versicherungsbestätigung als führender Versicherer genannt ist, vermag auch keinen dahin gehenden Rechtsschein zu begründen. Aufgrund von §§ 5, 7 Abs. 1 VAG ist sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung weder berechtigt noch in der Lage, Versicherungsverträge auf dem deutschen Markt anzubieten und in eigenem Namen abzuschließen. Der erforderliche Deckungsschutz wäre nicht gewährleistet. Geschäftserfahrene Versicherte wie die Klägerin mussten deshalb von vornherein annehmen, dass der Versicherungsvertrag nicht mit der Beklagten zu 2, sondern mit solchen Vertragspartnern geschlossen ist, die als Versicherer tätig werden dürfen und können (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, BB 1976, 154 unter 2).
- 25
- III. Die Verurteilung der Beklagten zu 1 und zu 3 nach dem ersten Hilfsantrag hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht stand.
- 26
- 1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klägerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten zu 1 und zu 3 nicht an die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.
- 27
- Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 (unter II 1) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten - lediglich passiven - Prozessführungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hinaus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.
- 28
- 2. Einen nach Ziffer 3.1 VB versicherten Schaden in Höhe von 1.778.721,03 € aufgrund der Bargeldentsorgung durch die A. GmbH hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt.
- 29
- a) Über die hier genommene Geld- und Werttransport-Versicherung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch- oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.; Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 21 ff.; a.A. Armbrüster, VersR 2011, 1081, 1082 f.).
- 30
- b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten zu 1 und zu 3 als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41).
- 31
- aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Verteilung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A. GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 42 ff.).
- 32
- bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch nicht damit zu begründen, dass - wie von der Klägerin behauptet - die Geldentsorgung durch die A. GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A. GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A. GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Verbuchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.
- 33
- c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Ziffer 3.1 VB hat die Klägerin erbracht.
- 34
- aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte stoffliche Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Ein solcher Zugriff ist hier schon deshalb anzunehmen , weil die geschuldete Übergabe an die DeutscheBundesbank nicht nach den Vorgaben des Transportvertrages ausgeführt worden ist.
- 35
- Daher kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - bereits vor Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank ein stofflicher Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten zu 1 und zu 3, den sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht fest, dass die A. GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bargeld letztlich vollständig auf bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten stofflichen Zugriff.
- 36
- Das folgt aus der Regelung in Ziffer 1 der Anlage 2 zum Transportvertrag ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die Abholung von Werten"). Danach sind "Bargeldbestände, die aus Ein- zahlungen von Filialen des Auftraggebers stammen, … am darauffolgen- den Bankarbeitstag gebündelt an die jeweilige Landeszentralbank … zu Gunsten des Kontos der Hausbank des Auftraggebers zu liefern".
- 37
- Dem hat das Berufungsgericht entnommen, dass das Bargeld im Zuge der Übergabe an die Deutsche Bundesbank von der A. GmbH auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen (sog. Nicht-Konto-Verfahren) und die Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH nicht gestattet ist. Damit hat es den Transportvertrag in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgelegt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2 a; Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581 unter II 2 a bb (2)).
- 38
- Die Vereinbarung des Nicht-Konto-Verfahrens erschließt sich bereits daraus, dass das Geld auf ein Konto der Hausbank der Klägerin einzuzahlen ist. Gerade diese - mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben der A. GmbH vom 18. März 2005 bestätigte - Einbeziehung der Hausbank widerspricht der Annahme der Beklagten zu 1 und zu 3, eine Einzahlung auf ein Eigenkonto des Transporteurs und eine Abwicklung im kontogebundenen Überweisungsverfahren - einer nach den damaligen Regularien der Deutschen Bundesbank ebenfalls zulässigen, aber nicht vorrangigen Einzahlungsmodalität - seien erlaubt. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass das Geld gebündelt zu liefern ist (anders der Sachverhalt in: Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 52 ff.; Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - IV ZR 156/09, juris Rn. 18 ff. und - IV ZR 247/09, VersR 2011, 923 Rn. 20 ff.).
- 39
- bb) Der stoffliche Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist hier erforderlich, dass zum einen das Transportgut der Deutschen Bundesbank überlassen wird und diese zum anderen die - vertragsgemäße - Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 c).
- 40
- cc) Das Vorgehen der A. GmbH ist - wie das Berufungsgericht richtig sieht - auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des Transportvertrages ergebenden Weisungen von vornherein zugestimmt oder diese zumindest stillschweigend geduldet hätte. Nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports ist für ein stillschweigendes Abbedingen der vertraglichen Vereinbarung oder die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum, da dies dazu geführt hätte, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versicherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 d).
- 41
- dd) Mit der Einzahlung des der A. GmbH am 28. und 29. August 2006 zur Aufbereitung und Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank überlassenen Bargeldes auf deren Konto ist der Klägerin ein versi- cherter Schaden in Höhe von 1.778.721,03 € entstanden. Anhaltspunkte für einen geringeren Schaden oder dessen Reduzierung haben die Beklagten zu 1 und zu 3 nicht dargetan.
- 42
- 3. Die Beklagten zu 1 und zu 3 sind auch nicht - wie die Revision meint - deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerin die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A. GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätte.
- 43
- Selbst bei einer fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. sind gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verstehen , dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.
- 44
- 4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten Schadenfall abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. € je Schadenfall den Anspruch der Klägerin nicht berührt. Jede einzelne vertragswidrige Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH begründet einen stofflichen Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
- 45
- 5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu 1 und zu 3 jedoch aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB zu Unrecht mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
- 46
- Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten zu 1 und zu 3 als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offen bleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.
- 47
- Das Berufungsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten zu 1 und zu 3 ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten haben.
- 48
- IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 04.06.2008- 1 O 66/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.12.2009- I-20 U 137/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerinnen begehren Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einer von der A. S. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) bei den Beklagten im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag CLS 100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung und -versorgung.
- 2
- Geschäftsführer der A. GmbH verwendeten seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A. GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäftspraktiken im Sommer 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.
- 3
- Die Klägerinnen machen - teilweise nach Aufrechnung mit Entgeltforderungen gegenüber der A. GmbH und unter Berücksichtigung erhaltener Gutschriften - Schäden im Zusammenhang mit der von ihnen bei der A. GmbH in Auftrag gegebenen Bargeldentsorgung und -versorgung in Höhe von insgesamt knapp 4,2 Mio. € geltend.
- 4
- Im Hauptantrag berufen sich die Klägerinnen auf einen - jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten - Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag, hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Mit einem zusätzlichen Hilfsantrag begehren sie die Feststellung einer weitergehenden Leistungspflicht des Beklagten zu 1, falls die Verurteilung der Beklagten zu 2 nicht antragsgemäß erfolgt.
- 5
- Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat. Zur Begründung des Schadensersatzanspruches machen die Klägerinnen geltend, die Beklagten hätten ihnen gegenüber bestehende Schutzpflichten dadurch verletzt, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei der A. GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerinnen nicht aufgeklärt hätten.
- 6
- Das Landgericht hat mit Teil- und Grundurteil die Klage gegen die Beklagte zu 2 sowie hinsichtlich des von der Klägerin zu 1 verfolgten Anspruchs aus der von der A. GmbH übernommenen Geldversorgung in Höhe von 34.913,01 € gegenüber dem Beklagten zu 1 abgewiesen und im Übrigen ausgesprochen, dass die Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Das Berufungsgericht hat auf die Berufungen der Parteien das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Bei dem erstinstanzlichen Urteil handle es sich um ein entgegen den Voraussetzungen der §§ 301 Abs. 1 Satz 2, 304 ZPO erlassenes Teil- und Grundurteil. Zum Grund eines Schadensersatzanspruchs gehöre auch die Feststellung, dass ein aus dem geltend gemachten Haftungsgrund resultierender Schaden entstanden sein könne. Das Landgericht habe hingegen weder dargelegt, noch sei es ersichtlich, dass wenigstens die Wahrscheinlichkeit eines versicherten Schadens bestehe.
- 10
- Der Rechtsstreit sei auch aus anderen Gründen noch nicht entscheidungsreif :
- 11
- An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, seien die Klägerinnen, die als Versicherte zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt seien, nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von den Klägerinnen nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.
- 12
- Hinsichtlich des Bargeldes, das der A. GmbH von den Klägerinnen zu 1 bis 4 zur Entsorgung und von den Klägerinnen zu 3, zu 5 und zu 6 im Zuge der Abwicklung der Geldversorgung übergeben worden sei, komme ein Versicherungsfall in Betracht. Dies ergebe sich aus zwei voneinander unabhängigen Gründen.
- 13
- Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A. GmbH vorgenommene Vermischung der zu entsorgenden Gelder der Klägerinnen mit denen anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerinnen und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A. GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es den Klägerinnen hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A. GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.
- 14
- Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerinnen auf ein Konto der A. GmbH bei der Deutschen Bundesbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die im Rahmen der Geldentsorgung übernommenen Verpflichtungen, nach denen die Gelder im Rahmen des sogenannten Nicht-Konto-Verfahrens einzuzahlen gewesen seien. Dass die Klägerinnen davon abweichend - gegebenenfalls auch nur stillschweigend - mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH einverstanden gewesen seien, habe diese nicht annehmen dürfen.
- 15
- Bezüglich des von der Klägerin zu 4 zur Geldversorgung überlassenen Bargeldes sei ebenfalls ein Versicherungsfall gegeben. Wenn dieses mit dem Geld anderer Auftraggeber vermischt oder auf ein Konto der A. GmbH eingezahlt worden sei, ergebe sich die Leistungspflicht der Beklagten aus den Überlegungen zur Geldentsorgung. Im Fall einer Bargeldunterschlagung durch einen Mitarbeiter der A. GmbH folge die Pflicht zur Leistung unmittelbar aus den Ziffern 2.1, 2.1.1, 3.1 und 3.1.2 VB.
- 16
- Die Klageansprüche seien nicht infolge der von den Beklagten erklärten Anfechtung der Versicherungsverträge entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien die Beklagten gegenüber den Klägerinnen aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.
- 17
- Die Klägerinnen treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Insbesondere habe trotz der unterbliebenen Rückführung einzelner Beträge keine Veranlassung bestanden, auf ein vertragswidriges Geschäftsverhalten derA. GmbH zu schließen. Die Klägerinnen hätten auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gehabt, dass sich bei der A. GmbH ähnliche Umstände wie bei der HEROS-Gruppe zugetragen hätten.
- 18
- Die Einstandspflicht der Versicherer sei schließlich nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. € in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.
- 19
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 20
- Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass das Landgericht die Klage der Klägerin zu 1 hinsichtlich des von ihr im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schadens nicht durch Teilurteil abweisen durfte. Der von ihm angenommene Verstoß gegen § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO liegt jedoch nicht vor. Die allein auf § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO gestützte Zurückverweisung an dasLandgericht ist daher verfahrensfehlerhaft.
- 21
- 1. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO kommt als Ausnahme von der Pflicht des Berufungsgerichts gemäß § 538 Abs. 1 ZPO, die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das angefochtene Teilurteil die Voraussetzungen des § 301 ZPO nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war das Landgericht nicht nach § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehindert, die Klage gegen die Beklagte zu 2 und wegen eines Teils des Schadens der Klägerin zu 1 gegenüber dem Beklagten zu 1 durch Teilurteil abzuweisen und sie im Übrigen durch Grundurteil gegenüber dem Beklagten zu 1 als gerechtfertigt anzusehen.
- 22
- a) § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass über einen einheitlichen Anspruch, der nach Grund und Höhe streitig ist, zu entscheiden ist. An einem solchen fehlt es hier.
- 23
- Ein einheitlicher Anspruchsgrund für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag kann nicht allein darin gesehen werden, dass diese aus demselben Vertragsverhältnis resultieren und ihren Grund in dem vertragswidrigen Umgang der A. GmbH mit dem ihr überlassenen Bargeld haben sollen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die geltend gemachten Schäden auf dieselben Anspruchsvoraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus demselben Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. November 2006 - VII ZR 151/05, NJW-RR 2007, 305 Rn. 14; vom 10. Oktober 1991 - III ZR 93/90, NJW 1992, 511 unter III 1, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier nicht.
- 24
- b) Die Klägerinnen machen mehrere prozessual selbständige Ansprüche geltend, die auf jeweils in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gesondert zu beurteilenden Vorgängen der Bargeldver- und -entsorgung durch die A. GmbH beruhen und aus ihrer - voneinander unabhängigen - Stellung als Versicherte der von der A. GmbH genommenen Versicherung resultieren. Die behaupteten Schäden sind darüber hinaus nicht lediglich Schadenposten, die auf eine schadenstiftende Handlung zurückzuführen sind. Vielmehr begründet jeder "stoffliche" Zugriff auf versichertes Bargeld einen eigenständigen Versicherungsfall, an den ein selbständiger vertraglicher Leistungs- oder ein hilfsweise erhobener Schadensersatzanspruch geknüpft werden kann.
- 25
- c) Das Landgericht war demnach nicht aufgrund § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO am Erlass eines Teilurteils gehindert. Unerheblich ist insofern , dass es fehlerhaft Voraussetzungen bejaht hat, nach denen der Erlass eines Grundurteils nach § 304 ZPO zulässig ist.
- 26
- 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht indes gesehen, dass das Landgericht die Klage der Klägerin zu 1 hinsichtlich des von ihr im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schadens nicht durch Teilurteil abweisen durfte, ohne zugleich über den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zu entscheiden. Allerdings rechtfertigt dies keine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO.
- 27
- Nachdem das Landgericht von seinem - insoweit maßgeblichen (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048 Rn. 12) - materiell-rechtlichen Standpunkt aus die Klage gegen die Beklagte zu 2 mit Teilurteil als unzulässig abweisen durfte, wäre insoweit lediglich eine auf den in erster Instanz abgewiesenen Anspruch der Klägerin zu 1 oder auf das Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten zu 1 bezogene Zurückverweisung inBetracht gekommen. Eine solche ist hier aber ausgeschlossen, weil das Berufungsgericht hinsichtlich dieser Aspekte seinerseits nicht in zulässiger Weise durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO hätte entscheiden können (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800).
- 28
- a) Um die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch durch das Rechtsmittelgericht - auszuschließen, ist eine Zurückverweisung , sofern deren Grund nur einen abtrennbaren Teil des Rechtsstreits betrifft oder nur hinsichtlich eines solchen Teils eine erneute oder weitere Verhandlung in der ersten Instanz erforderlich ist, ebenfalls nur unter der Voraussetzung zulässig, dass über den zurückverwiesenen Teil des Rechtsstreits in zulässiger Weise auch durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO hätte entschieden werden können (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 26 m.w.N.).
- 29
- Eine derartige Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Daher besteht diese Gefahr insbesondere bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 25; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 13 f. und vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, NJW 2011, 1815 Rn. 15 f., jeweils m.w.N.).
- 30
- b) Die Klägerin zu 1 begehrt neben dem im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schaden - hilfsweise gemäß § 280 Abs. 1 BGB - Ersatz von Schäden aus dem Bereich der Geldentsorgung. Dem liegt zum einen derselbe Vorwurf einer schuldhaft unterbliebenen Aufklärung seitens der Beklagten zugrunde, zum anderen sind dieselben von den Beklagten erhobenen anspruchsmindernden Einwendungen zu bescheiden. Neben dieser Verklammerung der Bereiche der Geldentsorgung und -versorgung im Rahmen des Hilfsbegehrens besteht eine zusätzliche Verknüpfung durch die aus dem Eventualverhältnis begründete prozessuale Abhängigkeitvon Haupt- und Hilfsbegehren.
- 31
- Die Teilabweisung der Klage der Klägerin zu 1 hätte daher eine Entscheidung über beide geltend gemachten Klagegründe erfordert, so dass eine Zurückverweisung, die sich nur auf die Entscheidung über den bezüglich der Geldversorgung verfolgten Anspruch der Klägerin zu 1 beschränkt , nicht in Betracht kommt.
- 32
- c) Dies erhellt zugleich, dass die Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO nicht auch im Prozessrechtsverhältnis des Beklagten zu 1 zu den Klägerinnen Bestand haben kann, wenn die Klage gegenüber der Beklagten zu 2 - wie vom Berufungsgericht angenommen - nicht als unzulässig abzuweisen und daher auch dieser gegenüber eine Sachentscheidung zu treffen ist.
- 33
- Die von den Klägerinnen im Rahmen des Haupt- und Hilfsbegehrens erhobenen Ansprüche gegenüber beiden Beklagten werden aus demselben Versicherungsvertrag und denselben Rechtsgründen abgeleitet sowie auf identischen Tatsachenvortrag gestützt. Daher wäre eine gegenüber einem Beklagten zu treffende Sachentscheidung nicht unabhängig von derjenigen über den restlichen Verfahrensgegenstand. Es besteht mithin auch insoweit die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen , die eine nur auf den Beklagten zu 1 bezogene teilweise Zurückverweisung an das Landgericht ausschließt (vgl. dazu BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 26 und vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rn. 8, jeweils m.w.N.).
- 34
- III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist nach § 562 Abs. 1 ZPO wegen des aufgezeigten Verfahrensfehlers aufzuheben.
- 35
- Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da dem Senat eine eigene Sachentscheidung schon angesichts fehlender tatsächlicher Feststellungen zu den von den Klägerinnen behaupteten Versicherungsfällen und zur Berechtigung der von den Beklagten erklärten Anfechtung ihrer Vertragserklärungen verwehrt ist.
- 36
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 37
- 1. Die Klägerinnen sind infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten nicht an die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.
- 38
- Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 (unter II 1) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten - lediglich passiven - Prozessführungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hinaus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.
- 39
- 2. Die im Hauptantrag von den Klägerinnen verfolgten Ansprüche auf Versicherungsleistung setzen einen innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfall i.S. von Ziffer 3.1 VB voraus.
- 40
- a) Über die hier genommene Geld- und Werttransport-Versicherung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch- oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.; Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 21 ff.; a.A. Armbrüster, VersR 2011, 1081, 1082 f.).
- 41
- b) Die Klägerinnen müssen als Versicherte darlegen und beweisen , dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41).
- 42
- aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Verteilung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerinnen behaupten, durch eine vorsätzliche Straftat der A. GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 42 ff.).
- 43
- bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerinnen sind - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch nicht damit zu begründen, dass - wie von den Klägerinnen behauptet - die Geldbearbeitung durch die A. GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A. GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A. GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Verbuchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.
- 44
- c) Der Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Ziffer 3.1 VB im Bereich Geldentsorgung erfordert - angesichts des Bestreitens der Beklagten - zunächst Feststellungen zum Umfang des an die A. GmbH übergebenen Bargeldes sowie dazu, ob es zu dem von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzten "stofflichen" Zugriff gekommen ist. Für Letzteren bedarf es eines nach außen in Erscheinung tretenden Aktes des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Das wird hier anzunehmen sein, soweit die geschuldete Übergabe an die Deutsche Bundesbank aufgrund des von der A. GmbH mit Unternehmen der R. - Gruppe abgeschlossenen "Transport- und Geldbearbeitungsvertrages" (im Folgenden: Transportvertrag) auszuführen gewesen und gegen dessen Vorgaben verstoßen worden ist.
- 45
- aa) Daher kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerinnen behaupten - bereits vor Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank ein "stofflicher" Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten, den sich die Klägerinnen zu Eigen gemacht haben, steht hier fest, dass die A. GmbH ihr zur Entsorgung überlassenes Bargeld jeweils vollständig auf bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet schon einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten "stofflichen" Zugriff, da hier eine Einzahlung im Wege des Nicht-Konto-Verfahrens vereinbart und damit eine Abwicklung über ein Eigenkonto derA. GmbH untersagt ist.
- 46
- Das erschließt sich - wie das Berufungsgericht richtig sieht - aus § 6 Abs. 6 des Transportvertrages. Nach dessen Satz 1 "erfolgt die Übergabe der Gelder einen Werktag nach Abholung in die Verfügung der Bundesbank mit der Maßgabe, die Gelder mit gleichtätiger Wertstellung auf das im Leistungsverzeichnis angegebene Konto weiterzuleiten". In Satz 2 ist ergänzend bestimmt, dass "eine vorherige Einzahlung auf ein anderes Konto … nicht gestattet" ist.
- 47
- bb) Der "stoffliche" Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist erforderlich, dass zum einen das Transportgut der Deutschen Bundesbank überlassen wird und diese zum anderen die - vertragsgemäße - Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 c).
- 48
- cc) Das Vorgehen der A. GmbH ist - wie das Berufungsgericht richtig sieht - auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil eine Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des Transportvertrages ergebenden Weisungen stillschweigend geduldet worden wäre. Selbst bei unterstellter Kenntnis der Klägerinnen davon, dass sie im Zuge der Geldentsorgung lediglich - gegebenenfalls verzögerte - Überweisungen von einem Eigenkonto der A. GmbH erhalten haben, ist nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports für die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum. Denn dies hätte dazu geführt , dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versicherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 d).
- 49
- d) Die Annahme eines Versicherungsfalles im Rahmen der von der A. GmbH ebenfalls übernommenen Geldversorgung setzt - unter Berücksichtigung der konkreten Vereinbarungen zum Ablauf - Feststellungen dazu voraus, ob und wie auf zu wechselndes, an die A. GmbH zu übereignendes oder bereits übereignetes Geld, auf Wechselgeld oder auf dessen zur Entsorgung überlassenen Gegenwert während der versicherten Zeit zugegriffen worden ist.
- 50
- Soweit es im Rahmen der für die Klägerin zu 1 durchzuführenden Geldversorgung an einer Übergabe von Bargeld an die A. GmbH fehlt, wird die Klägerin zu 1 weiter vorzutragen haben, worauf sich ein "stofflicher" Zugriff auf eine zum Transport überlassene versicherte Sache gründen kann.
- 51
- 3. Die Beklagten sind auch nicht - wie die Revision meint - deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerinnen mit Blick auf eine etwaige Kenntnis von Pflichtverletzungen die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A. GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätten.
- 52
- Selbst bei einer - wie von der Revision behauptet - fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerinnen ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. sind gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durchschnittlicher , juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verstehen, dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.
- 53
- 4. Die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. € je Schadenfall berührt den Anspruch der Klägerinnen nicht. Jeder einzelne vertragswidrige Umgang mit zur Ent- oder Versorgung überlassenem Bargeld begründet einen "stofflichen" Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
- 54
- 5. Die Beklagten sind nicht aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
- 55
- Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 29.08.2008- 19 O 35/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 16.07.2010- I-20 U 166/08 -
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
Für dieses Gesetz gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:
- 1.
Aufsichtsbehörde: diejenige Behörde oder diejenigen Behörden, die auf Grund der §§ 320 bis 322 dieses Gesetzes oder anderer Rechts- oder Verwaltungsvorschriften für die Beaufsichtigung der in § 1 Absatz 1 genannten Unternehmen zuständig sind. - 2.
Ausgliederung: eine Vereinbarung jeglicher Form zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Dienstleister, auf Grund derer der Dienstleister direkt oder durch weitere Ausgliederung einen Prozess, eine Dienstleistung oder eine Tätigkeit erbringt, die ansonsten vom Versicherungsunternehmen selbst erbracht werden würde; bei dem Dienstleister kann es sich um ein beaufsichtigtes oder nicht beaufsichtigtes Unternehmen handeln. - 3.
Bedeutende Beteiligung: das direkte oder indirekte Halten von mindestens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens oder eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung dieses Unternehmens; bei der Berechnung des Anteils der Stimmrechte sind § 33 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 5, § 34 Absatz 1 und 2, § 35 Absatz 1 bis 3 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 sowie § 36 des Wertpapierhandelsgesetzes entsprechend anzuwenden; unberücksichtigt bleiben die Stimmrechte oder Kapitalanteile, die Kreditinstitute oder Wertpapierinstitute im Rahmen des Emissionsgeschäfts nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 10 des Kreditwesengesetzes oder nach § 2 Absatz 2 Nummer 2 des Wertpapierinstitutsgesetzes halten, vorausgesetzt, diese Rechte werden nicht ausgeübt oder sie werden nicht anderweitig benutzt, um in die Geschäftsführung des Emittenten einzugreifen, und sie werden innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Erwerbs veräußert. - 4.
Beteiligtes Unternehmen: ein Mutterunternehmen oder ein anderes Unternehmen, das eine Beteiligung hält oder mit einem anderen Unternehmen durch eine in § 271 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs beschriebene Beziehung verbunden ist; als Beteiligung gilt das unmittelbare oder mittelbare Halten von mindestens 20 Prozent der Stimmrechte oder des Kapitals an einem Unternehmen; für die Zwecke der Aufsicht nach den §§ 245 bis 287 gilt als Beteiligung auch das unmittelbare oder mittelbare Halten von Stimmrechten oder Kapital an einem Unternehmen, auf das nach Ansicht der Aufsichtsbehörden ein maßgeblicher Einfluss tatsächlich ausgeübt wird; als beteiligtes Unternehmen gilt für die Zwecke der Aufsicht nach den §§ 245 bis 287 auch ein Unternehmen, das Bestandteil einer horizontalen Unternehmensgruppe im Sinne der Nummer 15 ist. - 5.
Diversifikationseffekte: eine Reduzierung des Gefährdungspotenzials von Versicherungsunternehmen und -gruppen durch die Diversifizierung ihrer Geschäftstätigkeit, die sich aus der Tatsache ergibt, dass das negative Resultat eines Risikos durch das günstigere Resultat eines anderen Risikos ausgeglichen werden kann, wenn diese Risiken nicht voll korreliert sind. - 6.
Drittstaat: jeder Staat, der nicht Mitglied- oder Vertragsstaat im Sinne der Nummer 22 ist; als Drittstaat gilt auch eine staatsähnliche Verwaltungseinheit mit selbständigen aufsichtsrechtlichen Befugnissen, soweit die Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union über die Freizügigkeit, das Niederlassungsrecht und die Dienstleistungsfreiheit nicht anzuwenden sind. - 7.
Enge Verbindungen: eine Situation, in der mindestens zwei natürliche oder juristische Personen durch Kontrolle oder Beteiligung verbunden sind oder eine Situation, in der mindestens zwei natürliche oder juristische Personen mit derselben Person durch ein Kontrollverhältnis dauerhaft verbunden sind. - 8.
Externe Ratingagentur: eine Ratingagentur, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 (ABl. L 146 vom 31.5.2013, S. 1) geändert worden ist, zugelassen oder zertifiziert ist, oder eine Zentralbank, die Ratings abgibt und von der Anwendung der genannten Verordnung ausgenommen ist. - 9.
Funktion: eine interne Kapazität innerhalb der Geschäftsorganisation zur Übernahme praktischer Aufgaben; Schlüsselfunktionen sind dabei: - a)
unabhängige Risikocontrollingfunktion, - b)
Compliance-Funktion, - c)
interne Revisionsfunktion, - d)
versicherungsmathematische Funktion.
- 10.
Gemischte Finanzholding-Gesellschaft: Mutterunternehmen, das kein beaufsichtigtes Unternehmen eines Finanzkonglomerats im Sinne des § 2 Absatz 1 des Finanzkonglomerate-Aufsichtsgesetzes ist und das zusammen mit seinen Tochterunternehmen, von denen mindestens eines ein beaufsichtigtes Unternehmen eines Finanzkonglomerats mit Sitz im Inland oder in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat ist, und mit anderen Unternehmen ein Finanzkonglomerat bildet. - 11.
Gemischte Versicherungs-Holdinggesellschaft: Mutterunternehmen, - a)
das weder Versicherungsunternehmen, noch Versicherungsunternehmen eines Drittstaats, noch Versicherungs-Holdinggesellschaft im Sinne der Nummer 31, noch gemischte Finanzholding-Gesellschaft im Sinne der Nummer 10 ist und - b)
zu dessen Tochterunternehmen mindestens ein Versicherungsunternehmen zählt.
- 12.
Grundlegender Spread: der Spread, der von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung für jede maßgebliche Laufzeit, Kreditqualität und Kategorie der Vermögenswerte zur Berechnung der Matching-Anpassung gemäß Artikel 77e Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/51/EU (ABl. L153 vom 22.5.2014, S. 1) geändert worden ist, mindestens einmal im Quartal beschlossen und veröffentlicht wird. - 13.
Gruppe: ein Zusammenschluss von Unternehmen, der - a)
aus einem beteiligten Unternehmen, dessen Tochterunternehmen und den Unternehmen, an denen das beteiligte Unternehmen oder dessen Tochterunternehmen eine Beteiligung halten, sowie Unternehmen, die Bestandteil einer horizontalen Unternehmensgruppe im Sinne der Nummer 15 sind, besteht oder - b)
auf der Einrichtung von vertraglichen oder sonstigen starken und nachhaltigen finanziellen Beziehungen zwischen allen diesen Unternehmen beruht und zu dem Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit oder diesen ähnliche Vereine gehören können, sofern - aa)
eines dieser Unternehmen durch zentrale Koordination einen beherrschenden Einfluss auf die Entscheidungen aller der Gruppe angehörenden Unternehmen ausübt, darunter auch auf die Finanzentscheidungen, und - bb)
die Einrichtung und Auflösung dieser Beziehungen für die Zwecke dieses Titels der vorherigen Genehmigung durch die Gruppenaufsichtsbehörde bedarf;
- 14.
Gruppeninterne Transaktionen: Transaktionen, bei denen sich ein Versicherungsunternehmen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit direkt oder indirekt auf andere Unternehmen innerhalb derselben Gruppe oder auf natürliche oder juristische Personen stützt, die mit den Unternehmen der Gruppe durch enge Verbindungen verbunden sind, unabhängig davon, ob dies auf vertraglicher oder nicht vertraglicher oder auf entgeltlicher oder unentgeltlicher Grundlage geschieht. - 15.
Horizontale Unternehmensgruppe: eine Gruppe, in der ein Unternehmen mit einem oder mehreren anderen Unternehmen in der Weise verbunden ist, dass - a)
sie gemeinsam auf Grund einer Satzungsbestimmung oder eines Vertrags unter einheitlicher Leitung stehen oder - b)
sich ihre Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane mehrheitlich aus denselben Personen zusammensetzen, die während des Geschäftsjahres und bis zum Ablauf der in § 290 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs jeweils bestimmten Zeiträume im Amt sind, unabhängig davon, ob sie einen konsolidierten Abschluss aufzustellen haben oder nicht.
- 16.
Kontrolle: die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne des § 290 des Handelsgesetzbuchs. - 17.
Konzentrationsrisiko: sämtliche mit Risiken behafteten Engagements mit einem Ausfallpotenzial, das umfangreich genug ist, um die Solvabilität oder die Finanzlage der Versicherungsunternehmen zu gefährden. - 18.
Kreditrisiko: das Risiko eines Verlusts oder nachteiliger Veränderungen der Finanzlage, das sich aus Fluktuationen bei der Bonität von Wertpapieremittenten, Gegenparteien und anderen Schuldnern ergibt, gegenüber denen die Versicherungsunternehmen Forderungen haben, und das in Form von Gegenparteiausfallrisiken, Spread-Risiken oder Marktrisikokonzentrationen auftritt. - 19.
Liquiditätsrisiko: das Risiko, dass Versicherungsunternehmen nicht in der Lage sind, Anlagen und andere Vermögenswerte zu realisieren, um ihren finanziellen Verpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen. - 20.
Marktrisiko: das Risiko eines Verlusts oder nachteiliger Veränderungen der Finanzlage, das sich direkt oder indirekt aus Schwankungen in der Höhe und in der Volatilität der Marktpreise für die Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Finanzinstrumente ergibt. - 21.
Maßgebliche risikofreie Zinskurve: die Zinskurve, die von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung gemäß Artikel 77e Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2009/138/EG mindestens einmal im Quartal beschlossen und veröffentlicht wird. - 22.
Mitglied- oder Vertragsstaat: ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. - 23.
Mutterunternehmen: ein Mutterunternehmen im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 83/349/EWG; für die Zwecke der Aufsicht nach den §§ 245 bis 287 gilt als Mutterunternehmen auch jedes Unternehmen, das nach Ansicht der Aufsichtsbehörden einen beherrschenden Einfluss tatsächlich ausübt. - 24.
Operationelles Risiko: das Verlustrisiko, das sich aus der Unangemessenheit oder dem Versagen von internen Prozessen, Mitarbeitern oder Systemen oder durch externe Ereignisse ergibt. - 25.
Qualifizierte zentrale Gegenpartei: eine zentrale Gegenpartei, die entweder nach Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1) zugelassen oder nach Artikel 25 jener Verordnung anerkannt wurde. - 26.
Risikokonzentrationen: alle mit einem Ausfallrisiko behafteten Engagements der Unternehmen einer Gruppe oder eines Finanzkonglomerats im Sinne des § 1 Absatz 2 des Finanzkonglomerate-Aufsichtsgesetzes, die groß genug sind, um die Solvabilität oder die allgemeine Finanzlage eines oder mehrerer der beaufsichtigten Finanzkonglomeratsunternehmen oder beaufsichtigten Gruppenunternehmen zu gefährden, wobei die Ausfallgefahr auf einem Adressenausfallrisiko, einem Kreditrisiko, einem Anlagerisiko, einem Versicherungsrisiko, einem Marktrisiko, einem sonstigen Risiko, einer Kombination dieser Risiken oder auf Wechselwirkungen zwischen diesen Risiken beruht oder beruhen kann. - 27.
Risikomaß: eine mathematische Funktion, die unter einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose einen monetären Betrag bestimmt und monoton mit dem Risikopotenzial steigt, das der Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose zugrunde liegt. - 28.
Risikominderungstechniken: sämtliche Techniken, die die Versicherungsunternehmen in die Lage versetzen, einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Risiken auf eine andere Partei zu übertragen. - 29.
Tochterunternehmen: ein Tochterunternehmen im Sinne des § 290 des Handelsgesetzbuchs, einschließlich seiner eigenen Tochterunternehmen; für die Zwecke der Aufsicht nach den §§ 245 bis 287 gilt als Tochterunternehmen auch jedes Unternehmen, auf das ein Mutterunternehmen nach Ansicht der betroffenen Aufsichtsbehörden einen beherrschenden Einfluss tatsächlich ausübt. - 30.
Verbundenes Unternehmen: ein Tochterunternehmen oder ein anderes Unternehmen, an dem eine Beteiligung gehalten wird, oder ein Unternehmen, das Bestandteil einer horizontalen Unternehmensgruppe im Sinne der Nummer 15 ist. - 31.
Versicherungs-Holdinggesellschaften: Mutterunternehmen, die keine gemischte Finanzholding-Gesellschaft im Sinne der Nummer 10 sind und deren Haupttätigkeit der Erwerb und das Halten von Beteiligungen an Tochterunternehmen ist; dabei sind diese Tochterunternehmen ausschließlich oder hauptsächlich Versicherungsunternehmen oder Versicherungsunternehmen eines Drittstaats; mindestens eines dieser Tochterunternehmen ist ein Versicherungsunternehmen. - 32.
Versicherungstechnisches Risiko: das Risiko eines Verlusts oder einer nachteiligen Veränderung des Wertes der Versicherungsverbindlichkeiten, das sich aus einer unangemessenen Preisfestlegung und nicht angemessenen Rückstellungsannahmen ergibt. - 33.
Versicherungsunternehmen: Erst- oder Rückversicherungsunternehmen, die den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben und nicht Träger der Sozialversicherung sind, wobei der Gegenstand eines Rückversicherungsunternehmens ausschließlich die Rückversicherung ist. - 34.
Versicherungsunternehmen eines Drittstaats: Erst- oder Rückversicherungsunternehmen, die ihren Sitz in einem Drittstaat haben und eine behördliche Zulassung gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie 2009/138/EG benötigen würden, wenn sie ihren Sitz in einem Staat innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums hätten. - 34a.
Versicherungsvertrieb: Versicherungsvertriebstätigkeiten und Rückversicherungsvertriebstätigkeiten im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (Neufassung) (ABl. L 26 vom 2.2.2016, S. 19). - 34b.
Vertriebsvergütung: alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstigen Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nichtfinanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden, ausgenommen solcher aus Rückversicherungsvertriebstätigkeiten. - 34c.
Restschuldversicherung: eine Versicherung, die der Absicherung eines Verbrauchers aus einem Vertrag über einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe oder aus einem Vertrag über ein Teilzahlungsgeschäft oder der Absicherung eines Darlehens- oder Leasingnehmers oder seiner Hinterbliebenen für den Fall des Todes, der Krankheit, der Arbeitslosigkeit, der Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Umstände, die zu einem Leistungsausfall des Verbrauchers oder des Darlehens- oder Leasingnehmers führen können, dient, und bei der die Versicherungsleistung bestimmungsgemäß ganz oder teilweise auf die Erfüllung der Ansprüche aus dem jeweiligen Vertragsverhältnis gerichtet ist. - 35.
Volatilitätsanpassung: Anpassung der maßgeblichen risikofreien Zinskurve, die von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung gemäß Artikel 77e Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2009/138/EG mindestens einmal im Quartal beschlossen und veröffentlicht wird. - 36.
Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose: eine mathematische Funktion, die einer ausreichenden Reihe von einander ausschließenden zukünftigen Ereignissen eine Eintrittswahrscheinlichkeit zuweist. - 37.
Herkunftsstaat: der Mitglied- oder Vertragsstaat, in dem - a)
ein Versicherungsunternehmen, auf das die Richtlinie 2009/138/EG Anwendung findet, seinen Sitz hat, - b)
eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung zugelassen oder in ein nationales Register eingetragen ist gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) (Neufassung) (ABl. L 354 vom 23.12.2016, S. 37).
(1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen.
(2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten zur Annahme der Leistung des Versicherers und zur Übertragung der Rechte des Versicherten nur befugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.
(3) Der Versicherer ist zur Leistung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat.
Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.
(1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen.
(2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten zur Annahme der Leistung des Versicherers und zur Übertragung der Rechte des Versicherten nur befugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.
(3) Der Versicherer ist zur Leistung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat.
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.
(2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird.
(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.
(2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
(1) Hat der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, so ist diese Verfügung unwirksam. Unberührt bleiben die §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen. Dem anderen Teil ist die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zurückzugewähren, soweit die Masse durch sie bereichert ist.
(2) Für eine Verfügung über künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge gilt Absatz 1 auch insoweit, als die Bezüge für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betroffen sind. Das Recht des Schuldners zur Abtretung dieser Bezüge an einen Treuhänder mit dem Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger bleibt unberührt.
(3) Hat der Schuldner am Tag der Eröffnung des Verfahrens verfügt, so wird vermutet, daß er nach der Eröffnung verfügt hat. Eine Verfügung des Schuldners über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes nach der Eröffnung ist, unbeschadet der §§ 129 bis 147, wirksam, wenn sie am Tag der Eröffnung erfolgt und der andere Teil nachweist, dass er die Eröffnung des Verfahrens weder kannte noch kennen musste.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Streitwert: 1.198.107,60 €
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin fordert von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von der HEROS-Gruppe mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "Valorenversicherung" , deren Bedingungen auszugsweise im Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09 - Geldtransporte HEROS I, VersR 2011, 918 Rn. 1) und im Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (IV ZR 38/09 - Geldtransporte HEROS II, juris Rn. 1) wiedergegeben sind. Die Klägerin ist über eine mit ihr im Mai 2009 verschmolzene Bank Versicherte dieses Vertrages. Die HEROS-Transport GmbH war unter anderem mit der Ver- und Entsorgung von Geldautomaten, der Belieferung der Bankfi- lialen mit Bargeld und der Abholung von Filialgeldern beauftragt. Nach Behauptung der Klägerin sind infolge vertragswidrigen Verhaltens der HEROS-Gruppe sowohl im Rahmen der Bargeldentsorgung als auch der Bargeldversorgung erhebliche Schäden entstanden, deren anteilige Erstattung sie von der Beklagten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
- 2
- II. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Zulassung der Revision war schon im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geboten, so dass es auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision im Übrigen nicht ankommt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter II 2 m.w.N.).
- 3
- 1. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage allein darauf gestützt, dass die Beklagte ihre Annahme des Versicherungsvertrages mit der Policennummer 7509 wirksam nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Ob jeweils ein Versicherungsfall vorgelegen hätte, hat es für die in Rede stehenden Schäden offen gelassen. Die Gründe, die den Senat bewogen haben, zur Klärung der Voraussetzungen des Versicherungsfalles die Revision in der Sache IV ZR 117/09 (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO) zuzulassen, liegen mithin hier nicht vor.
- 4
- 2. Die Zulassung der Revision ist auch insoweit nicht geboten, als das Berufungsgericht die Arglistanfechtung hat durchgreifen lassen.
- 5
- a) Zwar hat der Senat in der Sache IV ZR 38/09, in der die Klage einer anderen Versicherten vom Berufungsgericht ebenfalls mit der Begründung abgewiesen worden war, die Beklagte habe den Versicherungsvertrag mit der HEROS-Gruppe wirksam angefochten, die Revision mit Beschluss vom 21. September 2011 (Geldtransporte HEROS II - aaO) zugelassen. Alleiniger Zulassungsgrund war dort jedoch, dass das Berufungsgericht einen Beweisantritt auf Vernehmung zweier Zeugen zur Frage der Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund übergangen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen hatte (aaO Rn. 12 ff.). Der Senat hat deshalb das dortige Berufungsurteil nach § 544 Abs. 7 ZPO im Beschlusswege aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Eine solche Verfahrensrüge erhebt die Beschwerdeführerin hier nicht.
- 6
- b) Keiner grundsätzlichen Klärung bedarf, inwieweit die Arglistanfechtung in Ziffer 13.4 der Versicherungsbedingungen wirksam ausgeschlossen werden konnte. Der Bundesgerichtshof hat einen vergleichbaren vertraglichen Anfechtungsausschluss bereits mit Urteil vom 17. Januar 2007 (VIII ZR 37/06, VersR 2007, 1084 Rn. 6) für unwirksam erachtet. Ergänzend wird dazu auf den Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (aaO Rn. 27-33) verwiesen.
- 7
- c) Darin hat der Senat allerdings im Rahmen eines Hinweises für die neue Verhandlung (aaO Rn. 53-59) die Begründung beanstandet, mit der das Berufungsgericht es bisher - auch im vorliegendenRechtsstreit - verneint hat, dass die Arglistanfechtung über den Abschluss des Versicherungsvertrages Nr. 7509 hinaus auch die zeitgleiche einvernehmliche Aufhebung der Vorgänger-Police Nr. 7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt. Wenngleich dem Berufungsgericht mithin bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 139 BGB ein Rechtsfehler unterlaufen ist, gebietet dies nicht die Zulassung der Revision.
- 8
- An einer grundsätzlichen Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es schon deshalb, weil die allein auf Umständen des Einzelfalles beruhende Entscheidung nur für die beiden zwischen der HEROS-Gruppe und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungspolicen und die dazu erklärte Arglistanfechtung bedeutsam ist. Zwar ist mittelbar eine Reihe Versicherter dieser beiden Verträge mit behaupteten Schäden von mehreren Millionen Euro betroffen, doch handelt es sich insoweit sämtlich um ehemalige Auftraggeber der Versicherungsnehmerin (HEROS-Gruppe) und damit um einen abgeschlossenen Kreis von Geschädigten , weshalb sich die vom Berufungsgericht entschiedene Rechtsfrage nicht in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181, 191; vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223). Einen verallgemeinerungsfähigen unrichtigen Rechtssatz hat das Berufungsgericht bei Prüfung der Voraussetzungen des § 139 BGB nicht aufgestellt. Seine Entscheidung steht deshalb nicht in Divergenz zum Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 16. Mai 2007 (VersR 2007, 1681), so dass die Zulassung der Revision nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgen muss (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Dass das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin bei der Prüfung des § 139 BGB verletzt hätte, ist nicht ersichtlich.
- 9
- 3. Wegen der weiteren Rügen der Beschwerdeführerin wird ergänzend auf den Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (IV ZR 38/09 aaO) verwiesen. Die Rügen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat auch im Übrigen geprüft, sie greifen nicht durch. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 10.12.2009- 8 O 151/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.12.2010- 8 U 44/10 -
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.
(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 und zu 3 wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus Verletzung vertraglicher Nebenpflichten und unerlaubter Handlung, hilfsweise Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einer von derA. S. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) bei den Beklagten zu 1 und zu 3 im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag CLS 100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung.
- 2
- Als Auftraggeberin von Geldtransporten erhielt die Klägerin eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss der Versicherung. Darin sind unter anderem die versicherten Sachen, Gegenstand und Umfang sowie Beginn und Ende der Versicherung, Haftungshöchstsummen, Bestimmungen für den Schadenfall und die Beklagte zu 2 als führender Versicherer aufgeführt.
- 3
- Geschäftsführer der A. GmbH verwendeten seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A. GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäftspraktiken im Sommer 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.
- 4
- Die Klägerin macht einen Schaden aus Bargeldentsorgungen in der Zeit vom 21. bis zum 29. August 2006 in Höhe von 1.778.721,03 € geltend. Hiermit war die A. GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin geschlossenen "Vertrages über den Transport, die Bearbeitung und die Verwahrung von Bargeld und sonstigen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag) beauftragt.
- 5
- Im Hauptantrag verfolgt die Klägerin Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner. Diese hätten Schutzpflichten gegenüber der Klägerin übernommen, die sie dadurch verletzt hätten, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei der A. GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerin nicht aufgeklärt oder zumindest vor den streitgegenständlichen Transporten gewarnt hätten.
- 6
- Hilfsweise beruft sich die Klägerin zunächst auf einen - jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten - Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag , den sie auch gegenüber der Beklagten zu 2 geltend macht, die zwar nicht Vertragspartei geworden sei, aber aufgrund ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung einen dahin gehenden Rechtsschein begründet habe. Mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag. Bei diesen vertraglichen Ansprüchen streiten die Parteien insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld - vor allem mit dessen Einzahlung auf ein eigenes Konto - gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
- 7
- Das Landgericht hat den Beklagten zu 1 auf den ersten Hilfsantrag zur Zahlung anteiliger Versicherungsleistung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 1 zurückgewiesen und der Klägerin auf ihre Berufung ebenfalls aufgrund des ersten Hilfsantrags gegenüber der Beklagten zu 3 eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen. Die wei- tergehende, auf Klagansprüche gegenüber allen Beklagten gerichtete Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerin sowie der Beklagten zu 1 und zu 3.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (unten II.); diejenige der Beklagten zu 1 und zu 3 ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (unten III.).
- 9
- I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht begründet. Weder sei den Beklagten eine Garantenstellung zugekommen, noch habe eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsbestätigung gegenüber der Klägerin bestanden, ein Fehlverhalten der A. GmbH zu unterbinden oder auch nur die Klägerin davor zu warnen.
- 11
- Der Klägerin stehe ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagten zu 1 und zu 3 entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu, dagegen ergebe sich ein vertraglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu 2 nicht aus ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung.
- 12
- An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zu 1 und zu 3 zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.
- 13
- Der Anspruch auf Versicherungsleistung, den die Klägerin geltend zu machen berechtigt sei, bestehe, da hinsichtlich jeder an die A. GmbH zur Entsorgung übergebenen Geldmenge ein Versicherungsfall eingetreten sei. Dies ergebe sich aus drei unterschiedlichen Gründen.
- 14
- Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A. GmbH vorgenommene Vermischung der zu entsorgenden Gelder der Klägerin mit denen anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A. GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen , mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A. GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.
- 15
- Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der A. GmbH bei der Deutschen Bundesbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem Transportvertrag, die Gelder in bar auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung - gegebenenfalls auch nur stillschweigend - mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.
- 16
- Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil davon auszugehen sei, dass die A. GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die Beklagten zu 1 und zu 3 ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.
- 17
- Der Klageanspruch sei nicht infolge der von den Beklagten zu 1 und zu 3 erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese gegenüber der Klägerin aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.
- 18
- Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. € in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.
- 19
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.
- 20
- 1. Die Abweisung der mit dem Hauptantrag gegenüber den Beklagten verfolgten Schadensersatzansprüche ist rechtsfehlerfrei. Für eine von den Beklagten vorgebrachte Beschränkung der Revisionszulassung fehlt es allerdings nach Tenor und Entscheidungsgründen des Berufungsurteils an einer ausreichenden Grundlage.
- 21
- a) Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB besteht selbst dann nicht, wenn die Beklagten - wie von der Klägerin mit ihrer Revision weiterhin geltend gemacht - seit März 2006 um die Geschäftspraktiken der A. GmbH gewusst haben. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen , dass weder dem Versicherungsvertrag noch der Versicherungsbestätigung besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den Versicherten zu entnehmen sind. Die Versicherungsbestätigung enthält insbesondere keine entsprechenden - ungeschriebenen - Mitteilungspflichten oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der A. GmbH zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Schaden zu warnen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011, HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 33). Gleiches gilt für den Versicherungsvertrag selbst.
- 22
- b) Die Klägerin vermag einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB ebenfalls nicht aufzuzeigen. In ihrer Revision verweist sie allein auf eine erst während der Vertragslaufzeit erlangte Kenntnis der Beklagten. Ein schadenbegründender Vorwurf wird daher nicht schon an die Gewährung von Versicherungsschutz , sondern erst daran geknüpft, dass dieser weiterhin unterhalten worden und eine - vorzeitige - Vertragsbeendigung oder zumindest eine Information der Versicherten unterblieben ist. Eine solche in einem Unterlassen gründende Beihilfe i.S. von § 27 StGB erfordert unter anderem eine Garantenstellung i.S. des § 13 StGB (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 2 StR 397/92, wistra 1993, 59 un- ter 1; Urteil vom 9. September 1988 - 2 StR 352/88, NJW 1989, 914 unter IV 2 a; Kühl in Lackner/Kühl, StGB 27. Aufl. § 27 Rn. 5; Heine in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 27 Rn. 15). Diese hat das Berufungsgericht mit Blick darauf verneint, dass die Klägerin die A. GmbH auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt und mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen habe und dass sich dem Versicherungsvertrag keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten entnehmen ließen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.
- 23
- 2. Die auf Leistung und Feststellung gerichteten Hilfsanträge haben die Vorinstanzen gegenüber der Beklagten zu 2 zu Recht abgewiesen.
- 24
- Die Beklagte zu 2 war - wovon die Klägerin in ihrer Revision ausgeht - nicht Versicherer der hier genommenen Geld- und Werttransportversicherung. Der Umstand, dass sie in der Versicherungsbestätigung als führender Versicherer genannt ist, vermag auch keinen dahin gehenden Rechtsschein zu begründen. Aufgrund von §§ 5, 7 Abs. 1 VAG ist sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung weder berechtigt noch in der Lage, Versicherungsverträge auf dem deutschen Markt anzubieten und in eigenem Namen abzuschließen. Der erforderliche Deckungsschutz wäre nicht gewährleistet. Geschäftserfahrene Versicherte wie die Klägerin mussten deshalb von vornherein annehmen, dass der Versicherungsvertrag nicht mit der Beklagten zu 2, sondern mit solchen Vertragspartnern geschlossen ist, die als Versicherer tätig werden dürfen und können (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, BB 1976, 154 unter 2).
- 25
- III. Die Verurteilung der Beklagten zu 1 und zu 3 nach dem ersten Hilfsantrag hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht stand.
- 26
- 1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klägerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten zu 1 und zu 3 nicht an die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.
- 27
- Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 (unter II 1) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten - lediglich passiven - Prozessführungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hinaus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.
- 28
- 2. Einen nach Ziffer 3.1 VB versicherten Schaden in Höhe von 1.778.721,03 € aufgrund der Bargeldentsorgung durch die A. GmbH hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt.
- 29
- a) Über die hier genommene Geld- und Werttransport-Versicherung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch- oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.; Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 21 ff.; a.A. Armbrüster, VersR 2011, 1081, 1082 f.).
- 30
- b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten zu 1 und zu 3 als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41).
- 31
- aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Verteilung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A. GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 42 ff.).
- 32
- bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch nicht damit zu begründen, dass - wie von der Klägerin behauptet - die Geldentsorgung durch die A. GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A. GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A. GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Verbuchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.
- 33
- c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Ziffer 3.1 VB hat die Klägerin erbracht.
- 34
- aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte stoffliche Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Ein solcher Zugriff ist hier schon deshalb anzunehmen , weil die geschuldete Übergabe an die DeutscheBundesbank nicht nach den Vorgaben des Transportvertrages ausgeführt worden ist.
- 35
- Daher kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - bereits vor Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank ein stofflicher Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten zu 1 und zu 3, den sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht fest, dass die A. GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bargeld letztlich vollständig auf bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten stofflichen Zugriff.
- 36
- Das folgt aus der Regelung in Ziffer 1 der Anlage 2 zum Transportvertrag ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die Abholung von Werten"). Danach sind "Bargeldbestände, die aus Ein- zahlungen von Filialen des Auftraggebers stammen, … am darauffolgen- den Bankarbeitstag gebündelt an die jeweilige Landeszentralbank … zu Gunsten des Kontos der Hausbank des Auftraggebers zu liefern".
- 37
- Dem hat das Berufungsgericht entnommen, dass das Bargeld im Zuge der Übergabe an die Deutsche Bundesbank von der A. GmbH auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen (sog. Nicht-Konto-Verfahren) und die Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH nicht gestattet ist. Damit hat es den Transportvertrag in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgelegt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2 a; Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581 unter II 2 a bb (2)).
- 38
- Die Vereinbarung des Nicht-Konto-Verfahrens erschließt sich bereits daraus, dass das Geld auf ein Konto der Hausbank der Klägerin einzuzahlen ist. Gerade diese - mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben der A. GmbH vom 18. März 2005 bestätigte - Einbeziehung der Hausbank widerspricht der Annahme der Beklagten zu 1 und zu 3, eine Einzahlung auf ein Eigenkonto des Transporteurs und eine Abwicklung im kontogebundenen Überweisungsverfahren - einer nach den damaligen Regularien der Deutschen Bundesbank ebenfalls zulässigen, aber nicht vorrangigen Einzahlungsmodalität - seien erlaubt. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass das Geld gebündelt zu liefern ist (anders der Sachverhalt in: Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 52 ff.; Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - IV ZR 156/09, juris Rn. 18 ff. und - IV ZR 247/09, VersR 2011, 923 Rn. 20 ff.).
- 39
- bb) Der stoffliche Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist hier erforderlich, dass zum einen das Transportgut der Deutschen Bundesbank überlassen wird und diese zum anderen die - vertragsgemäße - Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 c).
- 40
- cc) Das Vorgehen der A. GmbH ist - wie das Berufungsgericht richtig sieht - auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des Transportvertrages ergebenden Weisungen von vornherein zugestimmt oder diese zumindest stillschweigend geduldet hätte. Nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports ist für ein stillschweigendes Abbedingen der vertraglichen Vereinbarung oder die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum, da dies dazu geführt hätte, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versicherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 d).
- 41
- dd) Mit der Einzahlung des der A. GmbH am 28. und 29. August 2006 zur Aufbereitung und Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank überlassenen Bargeldes auf deren Konto ist der Klägerin ein versi- cherter Schaden in Höhe von 1.778.721,03 € entstanden. Anhaltspunkte für einen geringeren Schaden oder dessen Reduzierung haben die Beklagten zu 1 und zu 3 nicht dargetan.
- 42
- 3. Die Beklagten zu 1 und zu 3 sind auch nicht - wie die Revision meint - deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerin die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A. GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätte.
- 43
- Selbst bei einer fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. sind gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verstehen , dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.
- 44
- 4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten Schadenfall abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. € je Schadenfall den Anspruch der Klägerin nicht berührt. Jede einzelne vertragswidrige Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH begründet einen stofflichen Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
- 45
- 5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu 1 und zu 3 jedoch aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB zu Unrecht mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
- 46
- Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten zu 1 und zu 3 als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offen bleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.
- 47
- Das Berufungsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten zu 1 und zu 3 ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten haben.
- 48
- IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 04.06.2008- 1 O 66/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.12.2009- I-20 U 137/08 -
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2 und zu 3 wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus Verletzung vertraglicher Nebenpflichten und unerlaubter Handlung, hilfsweise Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einervon der A. S. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) bei den Beklagten zu 2 und zu 3 im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag CLS 100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung und -versorgung.
- 2
- Als Auftraggeberin von Geldtransporten erhielt die Klägerin im Februar 2006 eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss der Versicherung. Darin sind unter anderem die versicherten Sachen, Gegenstand und Umfang sowie Beginn und Ende der Versicherung, Haftungshöchstsummen , Bestimmungen für den Schadenfall und die Beklagte zu 1 als führender Versicherer aufgeführt.
- 3
- Geschäftsführer der A. GmbH verwendeten seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A. GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäftspraktiken im Sommer 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.
- 4
- Die Klägerin macht einen Schaden aus Bargeldentsorgungen vom 28. und 29. August 2006 in Höhe von 222.675 € sowie aufgrund unterbliebener Auszahlungen von Hartgeld in Höhe von 8.750 € geltend. Hiermit war die A. GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin im Februar 2006 geschlossenen "Vertrages über den Transport, die Bearbeitung und die Verwahrung von Bargeld und sonstigen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag) beauftragt.
- 5
- Im Hauptantrag verfolgt die Klägerin Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner. Diese hätten Schutzpflichten gegenüber der Klägerin übernommen, die sie dadurch verletzt hätten, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei der A. GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerin nicht aufgeklärt oder zumindest vor den streitgegenständlichen Transporten gewarnt hätten.
- 6
- Hilfsweise beruft sich die Klägerin zunächst auf einen - jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten - Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag , den sie auch gegenüber der Beklagten zu 1 geltend macht, die zwar nicht Vertragspartei geworden sei, aber aufgrund ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung einen dahin gehenden Rechtsschein begründet habe. Mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag. Bei diesen vertraglichen Ansprüchen streiten die Parteien insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld - vor allem mit dessen Einzahlung auf ein eigenes Konto - gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
- 7
- Das Landgericht hat den Beklagten zu 3 auf den ersten Hilfsantrag zur Zahlung anteiliger Versicherungsleistung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 3 zurückgewiesen und der Klägerin auf ihre Berufung ebenfalls aufgrund des ersten Hilfsantrags gegenüber der Beklagten zu 2 eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen. Die wei- tergehende, auf Klagansprüche gegenüber allen Beklagten gerichtete Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerin sowie der Beklagten zu 2 und zu 3.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (unten II.); diejenige der Beklagten zu 2 und zu 3 ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (unten III.).
- 9
- I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht begründet. Weder sei den Beklagten eine Garantenstellung zugekommen, noch habe eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsbestätigung gegenüber der Klägerin bestanden, ein Fehlverhalten der A. GmbH zu unterbinden oder auch nur die Klägerin davor zu warnen.
- 11
- Der Klägerin stehe ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu, dagegen ergebe sich ein vertraglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 nicht aus ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung.
- 12
- An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zu 2 und zu 3 zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.
- 13
- Der Anspruch auf Versicherungsleistung, den die Klägerin geltend zu machen berechtigt sei, bestehe, da sowohl hinsichtlich des zur Entsorgung überlassenen als auch bezüglich des in Hartgeld zu wechselnden Geldes ein Versicherungsfall bei jeder an die A. GmbH übergebenen Geldmenge eingetreten sei. Dies ergebe sich aus drei unterschiedlichen Gründen.
- 14
- Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A. GmbH vorgenommene Vermischung des zu entsorgenden Geldes der Klägerin mit dem anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A. GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen , mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A. GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.
- 15
- Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der A. GmbH bei der Deutschen Bun- desbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem Transportvertrag, die Gelder in bar auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung - gegebenenfalls auch nur stillschweigend - mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.
- 16
- Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil die Klägerin zum einen kein Wechselgeld erhalten habe und zum anderen davon auszugehen sei, dass die A. GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die Beklagten zu 2 und zu 3 ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.
- 17
- Der Klageanspruch sei nicht infolge der von den Beklagten zu 2 und zu 3 erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese gegenüber der Klägerin aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.
- 18
- Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. € in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.
- 19
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.
- 20
- 1. Die Abweisung der mit dem Hauptantrag gegenüber den Beklagten verfolgten Schadensersatzansprüche ist rechtsfehlerfrei. Für eine von den Beklagten vorgebrachte Beschränkung der Revisionszulassung fehlt es allerdings nach Tenor und Entscheidungsgründen des Berufungsurteils an einer ausreichenden Grundlage.
- 21
- a) Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB besteht selbst dann nicht, wenn die Beklagten - wie von der Klägerin mit ihrer Revision weiterhin geltend gemacht - seit März 2006 um die Geschäftspraktiken der A. GmbH gewusst haben. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen , dass weder dem Versicherungsvertrag noch der Versicherungsbestätigung besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den Versicherten zu entnehmen sind. Die Versicherungsbestätigung enthält insbesondere keine entsprechenden - ungeschriebenen - Mitteilungspflichten oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der A. GmbH zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Schaden zu warnen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011, HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 33). Gleiches gilt für den Versicherungsvertrag selbst.
- 22
- b) Die Klägerin vermag einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB ebenfalls nicht aufzuzeigen. In ihrer Revision verweist sie allein auf eine erst während der Vertragslaufzeit erlangte Kenntnis der Beklagten. Ein schadenbegründender Vorwurf wird daher nicht schon an die Gewährung von Versicherungsschutz , sondern erst daran geknüpft, dass dieser weiterhin unterhalten worden und eine - vorzeitige - Vertragsbeendigung oder zumindest eine Information der Versicherten unterblieben ist. Eine solche in einem Unterlassen gründende Beihilfe i.S. von § 27 StGB erfordert unter anderem eine Garantenstellung i.S. des § 13 StGB (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 2 StR 397/92, wistra 1993, 59 unter 1; Urteil vom 9. September 1988 - 2 StR 352/88, NJW 1989, 914 unter IV 2 a; Kühl in Lackner/Kühl, StGB 27. Aufl. § 27 Rn. 5; Heine in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 27 Rn. 15). Diese hat das Berufungsgericht mit Blick darauf verneint, dass die Klägerin die A. GmbH auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt und mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen habe und dass sich dem Versicherungsvertrag keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten entnehmen ließen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.
- 23
- 2. Die auf Leistung und Feststellung gerichteten Hilfsanträge haben die Vorinstanzen gegenüber der Beklagten zu 1 zu Recht abgewiesen.
- 24
- Die Beklagte zu 1 war - wovon die Klägerin in ihrer Revision ausgeht - nicht Versicherer der hier genommenen Geld- und Werttransportversicherung. Der Umstand, dass sie in der Versicherungsbestätigung als führender Versicherer genannt ist, vermag auch keinen dahin gehenden Rechtsschein zu begründen. Aufgrund von §§ 5, 7 Abs. 1 VAG ist sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung weder berechtigt noch in der Lage, Versicherungsverträge auf dem deutschen Markt anzubieten und in eigenem Namen abzuschließen. Der erforderliche Deckungsschutz wäre nicht gewährleistet. Geschäftserfahrene Versicherte wie die Klägerin mussten deshalb von vornherein annehmen, dass der Versicherungsvertrag nicht mit der Beklagten zu 1, sondern mit solchen Vertragspartnern geschlossen ist, die als Versicherer tätig werden dürfen und können (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, BB 1976, 154 unter 2).
- 25
- III. Die Verurteilung der Beklagten zu 2 und zu 3 nach dem ersten Hilfsantrag hält rechtlicher Nachprüfung in entscheidungserheblichen Punkten nicht stand.
- 26
- 1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klägerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten zu 2 und zu 3 nicht an die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.
- 27
- Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 (unter II 1) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten - lediglich passiven - Prozessführungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hinaus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.
- 28
- 2. Einen nach Ziffer 3.1 VB versicherten Schaden in Höhe von 222.675 € aufgrund der Bargeldentsorgung durch die A. GmbH hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, einen solchen bezüglich der Versorgung mit Hartgeld(8.750 €) jedoch fehlerhaft bejaht.
- 29
- a) Über die hier genommene Geld- und Werttransport-Versicherung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch- oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.; Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 21 ff.; a.A. Armbrüster, VersR 2011, 1081, 1082 f.).
- 30
- b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten zu 2 und zu 3 als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41).
- 31
- aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Verteilung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A. GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 42 ff.).
- 32
- bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch nicht damit zu begründen, dass - wie von der Klägerin behauptet - die Geldentsorgung durch die A. GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A. GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A. GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Verbuchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand,ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.
- 33
- c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Ziffer 3.1 VB hat die Klägerin bezüglich des der A. GmbH zur Aufbereitung und Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank überlassenen Bargeldes erbracht.
- 34
- aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte stoffliche Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Das ist der Fall, wenn die geschuldete Übergabe nicht nach den Vorgaben des Transportvertrages ausgeführt wird, und ist hier für das bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlende Bargeld anzunehmen.
- 35
- Insofern kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - bereits vor Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank ein stofflicher Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten zu 2 und zu 3, den sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht hier fest, dass die A. GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bar- geld letztlich vollständig auf bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten stofflichen Zugriff.
- 36
- Das folgt aus der Regelung in Ziffer 1 der Anlage 2 zum Transportvertrag ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die Abholung von Werten"). Danach sind "Bargeldbestände, die aus Einzahlungen von Filialen des Auftraggebers stammen, … am darauffolgenden Bankarbeitstag gebündelt an die jeweilige Filiale der Deutschen Bundesbank … zu Gunsten des Kontos der Hausbank des Auftraggebers zu liefern".
- 37
- Dem hat das Berufungsgericht entnommen, dass das Bargeld im Zuge der Übergabe an die Deutsche Bundesbank von derA. GmbH auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen (sog. Nicht-Konto-Verfahren) und die Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH nicht gestattet ist. Damit hat es den Transportvertrag in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgelegt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2 a; Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581 unter II 2 a bb (2)).
- 38
- Die Vereinbarung des Nicht-Konto-Verfahrens erschließt sich bereits daraus, dass das Geld auf ein Konto der Hausbank der Klägerin einzuzahlen ist. Gerade diese Einbeziehung der Hausbank widerspricht der Annahme der Beklagten zu 2 und zu 3, eine Einzahlung auf ein Eigenkonto des Transporteurs und eine Abwicklung im kontogebundenen Überweisungsverfahren - einer nach den damaligen Regularien der Deutschen Bundesbank ebenfalls zulässigen, aber nicht vorrangigen Einzahlungsmodalität - seien erlaubt. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass das Geld gebündelt zu liefern ist (anders der Sachverhalt in: Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 52 ff.; Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - IV ZR 156/09, juris Rn. 18 ff. und - IV ZR 247/09, VersR 2011, 923 Rn. 20 ff.).
- 39
- bb) Der stoffliche Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist hier erforderlich, dass zum einen das Transportgut der Deutschen Bundesbank überlassen wird und diese zum anderen die - vertragsgemäße - Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 c).
- 40
- cc) Das Vorgehen der A. GmbH ist - wie das Berufungsgericht richtig sieht - auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des Transportvertrages ergebenden Weisungen von vornherein zugestimmt oder diese zumindest stillschweigend geduldet hätte. Nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports ist für ein stillschweigendes Abbedingen der vertraglichen Vereinbarung oder die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum, da dies dazu geführt hätte, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versi- cherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 d).
- 41
- dd) Mit der Einzahlung des der A. GmbH am 28. und 29. August 2006 zur Aufbereitung und Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank überlassenen Bargeldes auf deren Konto ist der Klägerin ein versicherter Schaden in Höhe von 222.675 € entstanden. Anhaltspunkte für einen geringeren Schaden oder dessen Reduzierung haben die Beklagten zu 2 und zu 3 nicht dargetan.
- 42
- d) Dagegen hat die Klägerin einen Versicherungsfall bisher nicht bezüglich des Geldes dargelegt, das im Rahmen der von der A. GmbH ebenfalls übernommenen Geldversorgung in Hartgeld zu wechseln gewesen ist.
- 43
- aa) Zu diesem Zweck hat die Klägerin der A. GmbH am 28. August 2006 einen Betrag von insgesamt 8.750 € überlassen; Wechselgeld hat sie dafür nicht erhalten. Dies stellt sich zunächst als - nicht vom Versicherungsschutz umfasste - Nichterfüllung vertraglicher Pflichten dar. Es fehlt nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin jeder Anhalt , dass diese Vertragsverletzung mit einem versicherten stofflichen Zugriff einhergegangen ist. Sie legt nicht dar, ob und wie auf das zu wechselnde, an die A. GmbH zu übereignende oder bereits übereignete Geld oder auf das Wechselgeld während der versicherten Zeit zugegriffen worden ist. Hierzu wird vorzutragen sein.
- 44
- bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lässt sich ein stofflicher Zugriff nicht damit begründen, dass es zu einer Vermischung der Gelder der Klägerin mit denen anderer Kunden gekommen ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 64).
- 45
- Anderes ergibt sich nicht, falls diese Vermischung ohne hinreichende Dokumentation erfolgt ist. Dies berührt lediglich die Frage, in welchem Umfang der A. GmbH über den Transportauftrag hinausreichende Pflichten übernommen hat. Vor deren Verletzung böte indes allenfalls eine Haftpflichtversicherung Schutz, nicht aber die hier genommene Transportversicherung.
- 46
- 3. Die Beklagten zu 2 und zu 3 sind auch nicht - wie die Revision meint - deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerin die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A. GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätte.
- 47
- Selbst bei einer fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. sind gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verstehen , dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.
- 48
- 4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten Schadenfall abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. € je Schadenfall den Anspruch der Klägerin nicht berührt. Jede einzelne vertragswidrige Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH begründet einen stofflichen Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
- 49
- 5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu 2 und zu 3 jedoch aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB zu Unrecht mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
- 50
- Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II, IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten zu 2 und zu 3 als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.
- 51
- Das Berufungsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten zu 2 und zu 3 ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten haben.
- 52
- IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 12.11.2008 - 1 O 183/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.12.2009- I-20 U 3/09 -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.