Landessozialgericht NRW Beschluss, 24. März 2015 - L 1 KR 482/14 B
Tenor
Die Beschwerden des Beklagten gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Münster vom 22.01.2008 und vom 04.07.2014 werden als unzulässig verworfen. Die Festsetzung des Streitwerts mit Beschluss des Sozialgerichts vom 04.07.2014 wird nicht von Amts wegen geändert. Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin hat mit ihrer am 02.01.2008 erhobenen (Stufen-)Klage - teilweise im Wege der Prozessstandschaft - begehrt, den Beklagten zur Auskunftserteilung über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen abgerechnet hat, durch Vorlage der Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Karteikarten und Lieferscheine zu verurteilen. Ferner hat sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr die überzahlten Rechnungsbeträge, deren Gesamthöhe nach der im ersten Schritt begehrten Auskunftserteilung beziffert werde, zu erstatten. Bei der Überprüfung der Abrechnungen von zugelassenen Optikern aus den Jahren 2001 bis 2003 habe sie in zahlreichen Fällen, darunter auch bei dem Beklagten, erhebliche Auffälligkeiten entdeckt.
4Das Sozialgericht Münster hat mit Beschluss vom 22.01.2008, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 35 der Gerichtsakte verwiesen wird, den Streitwert vorläufig auf 5.000,00 EUR festgesetzt und in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt: "Gegen den Beschluss (kann) innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, ( ...) Beschwerde an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt werden, wenn der Beschwerdegegenstand 200 EUR übersteigt. ( ...)."
5Vor dem Hintergrund außergerichtlicher Klärungen (auch) im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten sowie zahlreicher Parallelverfahren - einige davon als Musterverfahren - gegen andere Optiker erfolgte im Wesentlichen kein Vortrag der Beteiligten. Das Verfahren (S 16 KR 2/08) wurde schließlich mit Beschluss des Sozialgerichts vom 06.07.2011 ruhend gestellt und nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) in zwei Parallelverfahren (Urteile vom 28.11.2013 - B 3 KR 24/12 R und B 3 KR 27/12 R) unter dem Az. S 16 KR 922/13 fortgeführt.
6Mit am 03.07.2014 beim Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die Klage zurückgenommen und die Auffassung vertreten, die Festsetzung des Auffangstreitwerts sei im vorliegenden Verfahren geboten. Von einer Konkretisierung sei vor dem Hintergrund von Musterverfahren zur Vermeidung erheblichen prozessualen und logistischen Aufwandes abgesehen worden. Vor diesem Hintergrund seien die Ausführungen des BSG zum Streitwert in den Musterverfahren auf das hiesige Verfahren nicht übertragbar.
7Die Klägerin hat entsprechend beantragt,
8den Streitwert auf 5.000,00 EUR festzusetzen.
9Das Sozialgericht hat den Streitwert mit Beschluss vom 04.07.2014, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 139 der Gerichtsakte verwiesen wird, ohne weitergehende Begründung unter Hinweis auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Beklagten am 18.07.2014 zugestellt.
10Mit seiner am 05.08.2014 eingegangenen Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Streitwertfestsetzungen des Sozialgerichts vom 22.01.2008 und vom 04.07.2014. Das Sozialgericht habe bereits mit Beschluss vom 22.01.2008 rechtswidrig den Streitwert endgültig festgesetzt. Die zweite Festsetzung habe daher ebenfalls erhebliche formale Mängel. Im Übrigen lasse sich die für die Streitwertfestsetzung maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung ohne weiteres hinreichend sicher aus den zahlreichen Schriftsätzen der Klägerin bestimmen, so aus dem der Klage beigefügten "Gutachten C vom 25.10.2007" und ihrem Schriftsatz vom 06.10.2008 mit Anlagen (wird weiter ausgeführt). Bei der Bemessung des Werts seien die Vielzahl der klagenden Krankenkassen, das sich daraus ergebende Volumen der in Form einer kompletten Herausgabe verlangten Auskunft und der damit verbundene erhebliche Arbeitsaufwand bei der Erteilung der begehrten Auskunft zu beachten. Eine weitere Besonderheit des vorliegenden Falls sei, dass die Klägerin und die in Prozessstandschaft klagenden Krankenkassen ohne Erteilung der eingeklagten Auskünfte ihre behaupteten Zahlungsansprüche auf der 2. Stufe nicht weiter hätten verfolgen können. Hinsichtlich der Wertbestimmung sei daher das wirtschaftliche Interesse an der in der 1. Stufe begehrten Auskunft besonders hoch zu werten.
11Es gebe (mindestens) zwei Möglichkeiten, das wirtschaftliche Interesse der Klägerin hinreichend genau zu greifen bzw. zu schätzen, indem - wie das BSG - die tatsächliche Anzahl der Versorgungsfälle mit 50,00 EUR pro Fall multipliziert und sodann ein Abschlag vorgenommen werde oder die Anzahl der Versorgungsfälle auf der Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Parteigutachtens geschätzt werde (wird weiter ausgeführt). Er - der Beklagte - habe in der streitbefangenen Zeit insgesamt 1670 Versicherte der Ersatzkassen versorgt. Sollte das Gericht die dazu gehörenden Abrechnungsunterlagen vollständig in Kopie erhalten wollen, bitte er um einen entsprechenden richterlichen Hinweis.
12Der Beklagte beantragt,
13die Beschlüsse des Sozialgerichts Münster vom 22.01.2008 und 04.07.2014 abzuändern und den Streitwert auf mindestens 110.000,00 EUR festzusetzen.
14Die Klägerin beantragt,
15die Beschwerde des Beklagten zurückzuweisen.
16Der vom Sozialgericht festgesetzte Streitwert sei angemessen. Der Beklagte verkenne, dass im Falle einer Auskunftsklage für die Bemessung des Streitwerts der in der 2. Stufe folgende Zahlungsanspruch maßgeblich sei. Zu keiner Zeit habe ein Zahlungsanspruch in einer solchen Größenordnung im Raum gestanden, wie sie nun als Streitwert von dem Beklagten beantragt werde. Die Auskunftsklage sei erhoben worden, um zu klären, ob überhaupt fehlerhafte Abrechnungen vorliegen und ob und ggf. in welcher Höhe sodann ein Rückforderungsanspruch bestehe. Entgegen der Darstellung des Beklagten sei im vorliegenden Verfahren der Zahlungsanspruch nicht konkretisiert worden; insbesondere sei kein Schriftsatz vom 06.10.2008 nebst Anlagen zur Gerichtsakte gereicht worden. Im Übrigen sei der Arbeitsaufwand des Beklagten in Hinblick auf die begehrte Auskunft extrem überschaubar. Da Kundendateien regelmäßig elektronisch geführt würden, dürften sich ihrer Meinung nach die Aufwendungen zur Erteilung der Auskunft auf wenige Minuten Computerarbeit beschränken.
17Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 02.09.2014) und sie dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
18II.
19Der Senat entscheidet über die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts vom 22.01.2008 und 04.07.2014 mit drei Berufsrichtern. Die Ausnahmevorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG, wonach das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen worden ist, ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden, weil der Kammervorsitzende des Sozialgerichts kein "Einzelrichter" ist. Einzelrichter im Sinne dieser Vorschrift ist nur der Richter, dem die Entscheidung über den Rechtsstreit von dem gesamten Spruchkörper übertragen wurde (vgl. § 526 Zivilprozessordnung - ZPO -). Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) kennt zwar in Ansätzen auch das Rechtsinstitut der Einzelrichterentscheidung, dieses ist jedoch auf einzelne Fallgestaltungen beschränkt und nicht generell eingeführt (ebenso u.v.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 21.04.2014 - L 11 KA 85/13 B -, vom 17.12.2009 - L 11 B 7/09 KA - mit weiteren Ausführungen; vom 03.09.2009 - L 8 B 12/09 R - und vom 30.04.2008 - L 16 B 5/07 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2009 - L 24 KR 33/09 B -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.04.2009 - L 5 B 451/08 KA; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2014 - L 11 R 2546/14 B -; LSG Thüringen, Beschluss vom 25.06.2013 - L 12 R 504/13 B -; LSG Sachsen, Beschluss vom 09.06. 2008 - L 1 B 351/07 KR -).
20Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen, da der Beklagte und Beschwerdeführer als Inhaber der Firma B O richtiger Beklagter ist und nicht die im Rubrum vom Sozialgericht aufgenommene nicht-rechtsfähige Einzelfirma des Beklagten. Ein Beteiligtenwechsel findet nicht statt; die Identität des Beklagten bleibt gewahrt (zur Zulässigkeit von Berichtigungen des Rubrums von Amts wegen vgl. Humpert in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 138 Rdnr. 8 m.w.N.).
211.
22Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 22.01.2008 ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
23Mit diesem Beschluss hat das Sozialgericht ausweislich Blatt 35 der Gerichtsakte den Streitwert nach Maßgabe des § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG "vorläufig" festgelegt. Anhaltspunkte dafür, dass das Sozialgericht bereits damals den Streitwert endgültig festgesetzt hat, wie es der Beklagte mit seiner Beschwerde als unzulässig rügt, finden sich in der Gerichtsakte nicht. Es besteht auch kein Anlass für die Annahme, dass die dem Beklagten zugesandte Abschrift einen vom Original abweichenden Wortlaut enthält, da der Beklagte selbst im letzten Abschnitt seines Schriftsatz vom 20.12.2013 den "bisher vorläufig festgesetzten Streitwert" als "in jedem Falle unzutreffend" bemängelt hat.
24Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG können Einwendungen gegen die Höhe des vorläufig festgesetzten Wertes nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Dies scheidet im sozialgerichtlichen Verfahren aus, da die Tätigkeit des Gerichts - mit Ausnahme eines Verfahrens wegen überlanger Gerichtsverfahren (vgl. § 12a GKG) - nicht von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig und ein entsprechender Beschluss folgerichtig nicht ergangen ist. Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der (falschen) Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts, die entgegen der o.a. Bestimmung auf die Möglichkeit einer Beschwerde hinweist. Ein unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (u.v.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 20.05. 2003 - B 1 KR 25/01 R -).
252.
26Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 04.07.2014 ist gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG statthaft, nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 3 GKG form- und fristgerecht eingelegt und der nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG maßgebliche Beschwerdewert in Höhe von 200 EUR - ohne dass es einer konkreten Berechnung bedarf - offensichtlich überstiegen. Die Beschwerde ist gleichwohl mangels Beschwer des Beklagten unzulässig.
27Soweit es den Beklagten anlangt, fehlt es allerdings am Rechtsschutzinteresse, denn er ist nur dann rügeberechtigt, wenn der Streitwert zu seinen Lasten zu hoch festgesetzt wurde (Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage, 2014, § 68 GKG Rdnr. 5 m.w.N.). Das ist nicht der Fall, denn der Streitwertbeschwerde kann allenfalls das Ziel zugrunde liegen, einen höheren Streitwert festsetzen zu lassen, um ggf. die Differenz zwischen einer nach § 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vereinbarten Vergütung und der Erstattung der notwendigen Kosten durch die nach Maßgabe des § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO kostentragungspflichtige Klägerin zu minimieren. Abgesehen davon, dass keine Anhaltspunkte für den Abschluss einer Gebührenvereinbarung bestehen, ist die Frage, welche Vergütungshöhe vereinbart wird, Ausfluss der Vertragsfreiheit und damit ein autonomes Gestaltungsrecht im Verhältnis von Rechtsanwalt und Mandant. Derartige Vereinbarungen - so sie denn hier überhaupt getroffen wurden - betreffen allein deren Rechtssphäre und können ein rechtliches Interesse auf Festsetzung eines höheren Streitwertes nicht begründen. M.a.W.: Mittelbare Auswirkungen der Streitwertfestsetzung sind insoweit unbeachtlich (LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -).
28Zwar kann der bevollmächtigte Rechtsanwalt des Beklagten auch aus eigenem Recht eine Erhöhung des festgesetzten Streitwertes fordern (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG), von dieser Möglichkeit hat dieser indes keinen Gebrauch gemacht, sondern ausdrücklich ausschließlich "unter Bezugnahme auf die Vollmacht im Namen des Beklagten" die Beschwerde(n) erhoben. Sein Hinweis in der Beschwerdeschrift auf die "Bedeutung der Sache für weitere ca. 185 noch bei insgesamt sechs Sozialgerichten in NRW anhängige Verfahren" mit identischer rechtlicher Problematik (und weitgehend identischen Bevollmächtigten der unterschiedlichen Beteiligten) macht das (naheliegende) eigene Interesse an einer höheren Streitwertfestsetzung hinreichend deutlich, reicht aber nicht aus, um gegen den Wortlaut das Begehren auch als eigene Streitwertbeschwerde des bevollmächtigten Rechtsanwaltes des Beklagten auszulegen.
293.
30Der Senat hat keine Veranlassung den mit Beschluss des Sozialgerichts vom 04.07.2014 festgesetzten Streitwert von Amts wegen abzuändern.
31Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG kann die Festsetzung von Amts wegen vom Rechtsmittelgericht geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG). Soweit hierzu die Auffassung vertreten wird, das Rechtsmittelgericht sei nur im Fall einer zulässigen Streitwertbeschwerde befugt, den Streitwert von Amts wegen abzuändern (Hartmann a.a.O. § 63 GKG Rdnr. 51 m.w.N.), folgt der Senat dem nicht. Denn dem Wortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG lässt sich eine Einschränkung dahingehend, dass das Rechtsmittelgericht die Streitwertfestsetzung der unteren Instanz nur aufgrund eines zulässigen Rechtsmittels ändern könnte, nicht entnehmen. Vielmehr fordert die Formulierung "schwebt" lediglich, dass die Sache in der Rechtsmittelinstanz anhängig sein muss (vgl. Oberverwaltungsgericht [OVG] Lüneburg, Beschluss vom 01.07.2010; OVG Sachsen, Beschluss vom 05.10.2007 - 5 E 191/07 -; LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -).
32Der Senat hatte keine Veranlassung, vor Ablauf der Frist von sechs Monaten den Streitwert von Amts wegen zu ändern.
33Das Sozialgericht hat den Streitwert zutreffend auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
34Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 HS 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Danach ist in Verfahren vor einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit, in dem der Kläger - wie hier die Klägerin - nicht zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört, gemäß § 197 a SGG das Gerichtskostengesetz anzuwenden. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG wird der Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss festgesetzt, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich, wie hier durch Klagerücknahme, das Verfahren anderweitig erledigt.
35Für die Höhe der Streitwertfestsetzung ist § 52 Abs. 1 bis 3 GKG maßgebend. Danach ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit darf der Streitwert nicht über 2.500.000 Euro angenommen werden (§ 52 Abs. 4 GKG).
36Der Klagegegenstand bestimmt sich damit nach der Bedeutung der Sache, die sich aus dem Klageantrag ergibt (§§ 92 Abs. 1 Satz 1, 123 SGG). Abzustellen ist auf das wirtschaftliche Interesse an der angestrebten Entscheidung und ihre Auswirkungen (ständige Rechtsprechung u.v.a. BSG, Urteil vom 12.06.2008 - B 3 P 2/07 R -).
37Die Klägerin hat mit ihrer am 02.01.2008 erhobenen (Stufen-)Klage - teilweise im Wege der Prozessstandschaft - begehrt, den Beklagten zur Auskunftserteilung über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen abgerechnet hat, durch Vorlage der Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Karteikarten und Lieferscheine zu verurteilen. Ferner hat sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr die überzahlten Rechnungsbeträge, deren Gesamthöhe nach der im ersten Schritt begehrten Auskunftserteilung beziffert werde, zu erstatten.
38Das BSG hat in den Parallelverfahren in seinen o.a. Urteilen vom 28.11.2013 - B 3 KR 24/12 R - und - B 3 KR 27/12 R -) zur Streitwertfestsetzung ausgeführt:
39Bei Stufenklagen ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Dies gilt aber nur, wenn in einer Instanz über beide Ansprüche entschieden wird. Ist lediglich ein der Informationsgewinnung dienender Auskunftsanspruch oder ein dem gleichen Zweck dienender Herausgabeanspruch Streitgegenstand, ist der Streitwert jeweils nur anhand dieses Anspruchs zu bemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Streitwert für eine Auskunfts- und Herausgabeklage am (ggf. zu schätzenden) Leistungsanspruch zu orientieren ist, und je nachdem, in welchem Umfang der Kläger auf die Auskunft zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist, ein Abschlag vorzunehmen ist (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1, Rdnr. 31). Der Senat schätzt vorliegend den möglichen Erstattungsanspruch der Klägerin auf der zweiten Stufe der Stufenklage auf rund 50 Euro pro Versorgung, zu der vorliegend Angaben bzw. Unterlagen angefordert werden. Hiervon ist ein Abschlag in Höhe von einem Drittel vorzunehmen, da die Bedeutung der begehrten Auskunft bzw. Unterlagen für den Erstattungsanspruch als erheblich zu bewerten ist, nachdem die Klägerin geltend macht, ohne die Unterlagen eine abschließende Rechnungsprüfung beim Beklagten nicht vornehmen zu können.
40Eine Streitwertfestsetzung nach Maßgabe dieser Ausführungen ist indes im vorliegenden Rechtsstreit nicht möglich, denn es liegen anders als in den vom BSG entschiedenen Verfahren keine Anhaltspunkte für die Bestimmung der Anzahl der Versorgungsfälle vor. Insbesondere wurden die vom Beklagten in seiner Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 04.08.2014 (ohne Bezug zum vorliegenden Verfahren) angeführten, von der Klägerin angeblich vorgelegten Unterlagen (ein Schriftsatz der Klägerin vom 06.10.2008, die Anlage K6 (Statistik) sowie das Gutachten "C" vom 25.10.2007) nicht zur Gerichtsakte gereicht und damit in das Verfahren eingeführt. Es blieb bis zum Zeitpunkt der Klagerücknahme unklar, in welchem Umfang Abrechnungsvorgänge Gegenstand des Auskunfts- und Erstattungsbegehrens geworden sind. Von einer Konkretisierung hat die Klägerin im vorliegenden Hauptsacheverfahren zunächst im Hinblick auf das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten und sodann im Hinblick auf die anhängigen o.a. Revisionsverfahren, wegen der im Einvernehmen mit den Beteiligten schließlich das Ruhen des Verfahrens angeordnet wurde, abgesehen.
41Auf die fehlende Konkretisierung hat schließlich der Beklagte hingewiesen und diese moniert. So ist mit Schriftsatz vom 03.03.2009 ausgeführt worden, "einzeln bezifferte konkrete Ansprüche" seien nicht geltend gemacht worden. Die Klägerin sei "nunmehr im vorliegenden Verfahren gehalten, unverzüglich ihre vermeintlichen Erstattungsansprüche konkret zu beziffern und sämtliche Vorgänge vollständig und nachvollziehbar darzulegen" (Schriftsatz vom 01.10.2009). Die Aufforderung an die Klägerin, "ihre vermeintlichen Ansprüche (zu) beziffern", findet sich noch in dem Schriftsatz des Beklagten vom 20.12.2013.
42Von dem Angebot des Beklagten im Beschwerdeverfahren, die von der Klägerin begehrten Abrechnungsunterlagen (zur Festsetzung des Streitwerts) vollständig dem Senat zu übersenden, ist kein Gebrauch zu machen. Aus der gesetzlichen Wertung des § 52 Abs. 2 GKG, wonach der Auffangstreitwert anzunehmen ist, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, folgt, dass allein wegen der Streitwertfestsetzung grundsätzlich keine gerichtlichen Beweisermittlungen und -erhebungen geboten sind (Hartmann a.a.O. § 52 GKG Rdnr. 20 m.w.N.).
43Da somit der der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte enthält, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,- Euro anzunehmen.
44Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 197a Abs. 1 Satz 1 HS 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten sind nicht zu erstatten (§ 197a Abs. 1 Satz 1 HS 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).
45Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 197a Abs. 1 Satz 1 HS 1 SGG i.V.m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Tenor
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Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 (16) KR 265/09 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 geändert und die Auskunfts- und Herausgabeklage abgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten der Auskunfts- und Herausgabeklage in allen Instanzen.
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Der Streitwert der Auskunfts- und Herausgabeklage wird für alle Instanzen auf 50 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten über die Erteilung von Auskünften sowie die Herausgabe von Unterlagen zur Abrechnungsprüfung aus den Jahren 2001 bis 2003.
- 2
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Der beklagte Augenoptiker versorgte in den fraglichen Jahren ua Versicherte der klagenden und zweier weiterer Ersatzkrankenkassen mit Sehhilfen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen und sog Berechtigungsscheine. Aufgrund eines Hinweises der AOK aus dem Jahr 2005 auf möglicherweise fehlerhafte Abrechnungen begann die Klägerin mit der Überprüfung der Abrechnung von Augenoptikern aus den Jahren 2001 bis 2003. Hierzu entwickelte sie zunächst statistische Parameter, anhand derer sie das Versorgungsverhalten einzelner Leistungserbringer mit dem durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker im jeweiligen Land verglich. Nachdem das Versorgungsverhalten des Beklagten - wie das einer Vielzahl anderer Augenoptiker - vom Landesdurchschnitt abwich, forderte die Klägerin von dem damals von ihr beauftragten Rechenzentrum die vom Beklagten in der Zeit vom 1.1.2001 bis 31.12.2003 eingereichten Rechnungsbelege unter Bezugnahme auf § 302 SGB V und § 10 des Vertrages zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker und den Landesvertretungen des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AEV) vom 30.6.1994 (in der Folge: Rahmenvertrag) an.
- 3
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Am 29.12.2007 hat die Klägerin Klage zum SG Aachen mit dem Ziel erhoben, Auskunft zu erhalten über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Zeitraum 2001 bis 2003 Leistungen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen sowie über Berechtigungsscheine abgerechnet hat, und zwar durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der Karteikarten und Lieferscheine. Später sollte der Beklagte verpflichtet werden, überzahlte Rechnungsbeträge zu erstatten, deren Gesamthöhe aber erst nach Erfüllung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs hätte beziffert werden können. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, eine erste Prüfung habe zahlreiche Auffälligkeiten bei den Abrechnungen des Beklagten ergeben; dies hat sie durch Vorlage eines von ihr im Februar 2008 in Auftrag gegebenen Gutachtens konkretisiert. Danach ergäben sich Berechnungen von Versorgungsleistungen, auf die ein Anspruch der Versicherten nicht bestanden habe. Zudem bestünden Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Fehlabrechnungen, bei denen eine gutachterliche Würdigung und Bewertung aber nur nach Einsicht und Vergleich mit den Kundenkarteikarten und Lieferscheinen erfolgen könne. Die Berechtigungsscheine hätten nicht abschließend geprüft werden können, da der Beklagte sie unvollständig oder widersprüchlich ausgefüllt habe; auch insoweit sei die Sichtung weiterer Unterlagen nötig.
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Am 16.5.2008 hat die Klägerin dem SG mitgeteilt, dass die Klage die Erstattungsansprüche sämtlicher dem VdAK und dem AEV angeschlossenen Ersatzkassen betreffe, was sie später auf die Ansprüche der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH, seit 1.4.2009 durch Aufnahme der BKK Allianz "KKH-Allianz", in der Folge nur KKH) und der Barmer Ersatzkasse (BEK, seit 1.1.2010 durch Vereinigung mit der Gmünder Ersatzkasse "Barmer GEK", in der Folge nur BEK) beschränkt hat. Hierzu hat die Klägerin Erklärungen der KKH bzw der BEK vom 27.3.2008 sowie der GEK vom 16.4.2008 vorgelegt, wonach sie am 26.7.2007 beauftragt worden sei, die Abrechnungen von Augenoptikern im Zeitraum 2001 bis 2003 zu überprüfen, soweit die Versorgung von BEK-, GEK- und KKH-Versicherten betroffen sei. Sie sei ermächtigt, alle aus ihrer Sicht notwendigen Schritte nach eigenem Ermessen durchzuführen, wozu auch der Einzug von Forderungen sowie die gerichtliche Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsansprüchen im eigenen Namen gehörten. Alle evtl Erstattungsansprüche gegen Optiker in Nordrhein-Westfalen seien an sie - die Klägerin - abgetreten. Mit Erklärungen vom 18. und 22.9.2009 haben die BEK und die KKH die Klägerin außerdem zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen im Zeitraum 2001 bis 2003 gegen den Beklagten vor dem SG Aachen ermächtigt.
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Das SG hat den Beklagten verurteilt, Auskunft zu erteilen über sämtliche rund 1500 Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen er im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 Leistungen für namentlich genannte Versicherte der Klägerin, der BEK und der KKH abgerechnet habe, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen Angaben enthalten sind zu Befundwerten (Fern- und Nah-Bereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, Grund der Abgabe der Sehhilfe, Art und Umfang der erbrachten Leistungen inklusive Fassungs- und Glashersteller, mit dem Versicherten abgerechnete Leistungen, Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten sowie - aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten - zur genauen Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, technischen Spezifizierungen und zu den Werten des Artikels, wie zB Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser und zur Anzahl der jeweils gelieferten Artikel (Urteil vom 8.12.2009). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Die Klägerin sei befugt, im Wege der Prozessstandschaft auch Ansprüche der BEK und der KKH geltend zu machen. Der Auskunfts- und Unterlagenherausgabeanspruch der Krankenkassen beruhe zum einen auf einer ergänzenden Auslegung des Rahmenvertrages und zum anderen auf § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 675 Abs 1, § 666 BGB, da zwischen der Klägerin und dem Beklagten bei Lieferung der Sehhilfen jeweils ein den Regeln des Auftragsrechts unterfallender Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen sei. Regelungen des SGB V stünden dem nicht entgegen; insbesondere lasse die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Datenübermittlung nach § 302 Abs 1 SGB V die Befugnis der Krankenkassen unberührt, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen zu den Leistungserbringern die Gesetzmäßigkeit erbrachter Versorgungsleistungen durch Einholung weitergehender Auskünfte zu überprüfen. Der Auskunftsanspruch der Klägerin sei schließlich nicht verjährt, da die Verjährungsfrist nicht vier, sondern wegen hinreichender Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug 30 Jahre betrage.
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Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Beklagten. Das LSG habe gegen allgemein geltende Auslegungsgrundsätze verstoßen, als es dem Rahmenvertrag die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der streitigen Unterlagen entnommen habe. Gegen Bundesrecht sei weiter verstoßen worden, indem das LSG ergänzend die Regelungen des BGB über das Auftragsrecht angewendet habe. Zumindest sei der Herausgabeanspruch der Klägerin verjährt bzw verwirkt, nachdem die Klägerin gegen das für das Prüfverfahren geltende Beschleunigungsgebot verstoßen habe.
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Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 (16) KR 265/09 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 zu ändern und die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe von Unterlagen abzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt die angegriffenen Entscheidungen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Die Entscheidungen des SG und des LSG sind dahin zu ändern, dass die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe der begehrten Unterlagen abgewiesen wird, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Herausgabe der streitigen Unterlagen besitzt.
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1. Gegenstand der Revision ist der von der Klägerin umfassend geltend gemachte Anspruch auf die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die beim Beklagten über die Versorgung von Versicherten der Klägerin, der BEK und der KKH mit Sehhilfen im Zeitraum 2001 bis 2003 angefallen sind. Hierfür sind die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt:
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a. Die Herausgabeklage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Beim Streit zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer handelt es sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 RdNr 5; BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 2 f; BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 14 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 10). Die Klägerin war damit insbesondere nicht in der Lage, den Beklagten durch Verwaltungsakt zur Herausgabe der streitigen Unterlagen zu verpflichten. Der Senat hat weiterhin bereits entschieden, dass das Begehren auf Auskunftserteilung und Herausgabe von (medizinischen) Unterlagen sowie auf Begleichung etwaiger sich aus diesen ergebender Erstattungsansprüche im Wege der auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG iVm § 254 ZPO statthaften Stufenklage verfolgt werden kann(BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 12; s auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5). Zwar will die Klägerin hier mit ihrem Auskunftsbegehren zunächst nur in Erfahrung bringen, ob ihr überhaupt Erstattungsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Dies ist allerdings unschädlich, wenn - wie vorliegend - die Erfüllung des Auskunftsbegehrens auch zur Bezifferung des Erstattungsanspruchs erforderlich ist (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 11 mwN).
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b. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin zur Prozessführung befugt ist, und zwar auch soweit die begehrten Unterlagen die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen.
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Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen bestimmten Prozess als richtige Partei zu führen. Sie ist ohne Weiteres gegeben, wenn der Kläger einen nach seinem Vortrag ihm zustehenden sachlichen Anspruch im eigenen Namen geltend macht. Dagegen bedarf die Prozessführungsbefugnis besonderer Feststellung und Begründung, wenn der Kläger einen fremden materiellen Anspruch im eigenen Namen verfolgt, wie es die Klägerin vorliegend hinsichtlich der Unterlagen tut, die die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen. In diesen Fällen liegt die Prozessführungsbefugnis nur vor, wenn entweder das Gesetz dies ausdrücklich anordnet (gesetzliche Prozessstandschaft) oder der Kläger aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Befugnis handelt und er dabei ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung des fremden materiellen Anspruchs hat (gewillkürte Prozessstandschaft) (stRspr: BSG SozR Nr 3 zu § 69 SGG; BSG SozR 2200 § 639 Nr 1; BSGE 86, 94, 96 f = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 20 f; BSG SozR 3-3300 § 72 Nr 2 S 3 f, jeweils mwN). Zudem dürfen schutzwürdige Belange des Prozessgegners nicht entgegenstehen (BSGE aaO).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. BEK und KKH haben im Rahmen ihrer Erklärungen vom 18. bzw 22.9.2009 der Prozessführung durch die Klägerin hinreichend konkret und bezogen auf die streitigen Ansprüche zugestimmt. Diese Zustimmung genügt zur Begründung einer gewillkürten Prozessstandschaft (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl 2013, § 51 RdNr 33). Es kann offenbleiben, ob ein eigenes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Prüfung von Erstattungsansprüchen Dritter hier bereits aus der Pflicht der Krankenkassen zur Zusammenarbeit nach § 197a Abs 3 SGB V folgt. Denn dieses ergibt sich jedenfalls aus der Verpflichtung der Klägerin zur Erfüllung der ihr von BEK und KKH übertragenen Aufgaben nach § 88 SGB X. Auf dieser Grundlage waren die BEK und KKH berechtigt, die Überprüfung von Leistungsabrechnungen durch Hilfsmittelerbringer als Teil ihrer gesetzlichen Aufgaben (vgl dazu BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 37 f; BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20, RdNr 13) einem anderen Leistungsträger - hier der Klägerin - zu übertragen. Diese erfüllte mit der Prozessführung die gegenüber der BEK und der KKH übernommene Verpflichtung (zur Prozessstandschaft der Postbeamtenkrankenkasse für die Gemeinschaft der privaten Versicherungsunternehmen zur Durchführung der Pflegeversicherung s BSGE 86, 94, 97 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 21). Dass verfahrensrechtliche Interessen des Beklagten beeinträchtigt sein könnten, weil die Klägerin statt der BEK und KKH den Rechtsstreit führt, trägt dieser selbst nicht vor und ist auch anderweitig nicht ersichtlich. Die Klägerin hat die Prozessstandschaft schließlich mit Schriftsatz vom 12.6.2008 auch noch rechtzeitig (vgl BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 67) offengelegt. Deshalb kann es dahinstehen, ob die BEK und die KKH die ihnen ggf gegen den Beklagten zustehenden Erstattungsforderungen mit ihren Erklärungen vom 27.3.2008 wirksam an die Klägerin abgetreten haben, da dies nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt ist und damit auf den Prozess keinen Einfluss haben kann (§ 202 SGG iVm § 265 Abs 2 S 1 ZPO).
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2. Die Klage auf Auskunftserteilung und Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die die rund 1 500 Versorgungen von Versicherten der Klägerin, der BEK und KKH durch den Beklagten im Zeitraum 2001 bis 2003 betreffen, zum Zweck der Abrechnungsprüfung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Auskünfte und die Herausgabe der begehrten Unterlagen. Ein solcher ergibt sich weder aus dem öffentlichen Recht (dazu a) noch aus der (entsprechenden) Anwendung von Vorschriften des BGB (dazu b). Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass Auskunftsansprüchen der Klägerin darüber hinaus weitestgehend die Einrede der Verjährung, zumindest aber die Einwendung der Verwirkung entgegenstehen (dazu c).
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a. Die Klägerin kann ihren Anspruch weder auf Vorschriften des SGB noch auf eine die Hilfsmittelversorgung ergänzend regelnde Vereinbarung nach § 127 SGB V stützen.
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aa. Die hier geltend gemachten Ansprüche der Krankenkasse bzw die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Auskunft und ggf Herausgabe von Unterlagen sind als Bestandteil des Leistungserbringerrechts zunächst im SGB V geregelt. Soweit sie Sozialdaten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betreffen, sind ergänzend die Regelungen des SGB I und SGB X zu berücksichtigen. Dementsprechend gilt für die Ansprüche der Krankenkasse bzw die Auskunfts- und Herausgabepflicht des Hilfsmittelerbringers Folgendes:
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(1) Die Klägerin fordert die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe von Unterlagen, die die Befundwerte der Versicherten, den Grund der Abgabe der Sehhilfe, die Art und den Umfang der erbrachten Leistung und die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung enthalten. Hierbei handelt es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter natürlicher Personen und damit um Sozialdaten iS von § 67 Abs 1 S 1 SGB X.
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Die Erhebung von Sozialdaten durch die Krankenkassen ist nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig (§ 35 Abs 2 SGB I idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches - 2. SGBÄndG - vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Danach dürfen Sozialdaten ohne Mitwirkung des Betroffenen bei anderen als den in § 35 SGB I bzw § 69 Abs 2 SGB X genannten Stellen und Personen - mithin auch bei Leistungserbringern - nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt(§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst a SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I) oder wenn die Aufgaben der Krankenkasse nach dem SGB ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst b SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I).
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Allein aus der Befugnis der Krankenkasse, Sozialdaten zu erheben, folgt allerdings noch nicht, dass die Personen oder Stellen, bei denen die Daten angefordert werden, ihrerseits automatisch zur Übermittlung dieser Daten verpflichtet sind. Dementsprechend regelt das SGB X im Zweiten Kapitel (§§ 67 bis 85a) die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Übermittlung von Sozialdaten durch Leistungsträger wie die Krankenkassen zulässig ist, während die Auskunftspflichten Dritter gegenüber den Leistungsträgern Gegenstand des Dritten Kapitels des SGB X (§§ 86 bis 119) sind. Eine entsprechende Differenzierung nimmt das SGB V vor, indem es in den §§ 284 bis 293 die Informationsgrundlagen, insbesondere die Datenerhebungsbefugnisse der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen regelt, und in den §§ 294 bis 303 SGB V spiegelbildlich die entsprechenden Pflichten der Leistungserbringer zur Datenübermittlung bestimmt(BSGE 90, 1, 5 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 24).
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Auf dieser Grundlage bestehen zwischen den Beteiligten im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch die Klägerin folgende Auskunftsansprüche bzw -pflichten:
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(a) Die Krankenkassen dürfen - in dem hier relevanten Bereich der Abrechnungsprüfung - Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Prüfung der Leistungspflicht und die Gewährung von Leistungen an Versicherte, die Beteiligung des Medizinischen Dienstes nach § 275 SGB V oder die Abrechnung mit den Leistungserbringern und die Überwachung des Wirtschaftlichkeitsgebots erforderlich sind(§ 284 Abs 1 S 1 Nr 4 und 7 bis 9 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Demgegenüber sind Leistungserbringer nach § 294 SGB V(ebenfalls idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229) verpflichtet, "die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen (…) notwendigen Angaben, die aus der Erbringung (…) sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen (…) oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen".
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(aa) Für den hier relevanten Bereich der Abrechnung von Hilfsmitteln verpflichten § 302, § 303 SGB V die Leistungserbringer, der Krankenkasse maschinenlesbar in den Abrechnungsbelegen die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291 Abs 2 Nr 1 bis 6 SGB V zur Krankenversicherungskarte anzugeben; bei der Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V zu verwenden(§ 302 Abs 1 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Damit ist aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind (vgl BT-Drucks 12/3608 S 125, zu Nummer 142 <§ 302>, die insoweit auf die für die anderen Leistungsbereiche geltende Regelung zu Nummer 141<§ 301> verweist). Nach der zugrunde liegenden Vorstellung des Gesetzgebers sind damit die wesentlichen Angaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung mit den Hilfsmittelerbringern benötigt (BT-Drucks 12/3608 S 125). Das Nähere über die Form und den Inhalt des Abrechnungsverfahrens bestimmen die Spitzenverbände der Krankenkassen (heute: Spitzenverband Bund der Krankenkassen) in Richtlinien, die in den Leistungs- und Lieferverträgen zu beachten sind (§ 302 Abs 2 S 1 SGB V). Vorliegend sind die Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "sonstigen Leistungserbringern" sowie Hebammen und Entbindungspflegern(§ 301a SGB V) vom 9.5.1996 (BAnz Nr 112 vom 20.6.1996, zuletzt geändert durch Beschluss vom 13.3.2003; in der Folge: Richtlinie) maßgeblich gewesen. Haben die Hilfsmittelerbringer die Daten nach § 302 Abs 1 SGB V in dem jeweils zugelassenen Umfang nicht maschinenlesbar oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern abgegeben oder übermittelt, so haben die Krankenkassen die Daten nachzuerfassen(§ 303 Abs 3 S 1 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGB I 2190). Wie der Senat bereits zur entsprechenden Regelung für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlungen entschieden hat, dürfen die Krankenkassen bei Zweifeln und Unklarheiten in Bezug auf die übermittelten Daten durch nicht-medizinische Nachfragen selbst beim Leistungserbringer klären, ob die jeweiligen Voraussetzungen der Zahlungspflicht im Einzelfall gegeben sind (sog erste Stufe der Sachverhaltserhebung, vgl für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlung nach § 301 SGB V: BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 21; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 19). Dieses Recht steht den Krankenkassen auch in Bezug auf die übrigen Leistungserbringer zu.
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(bb) Die Klägerin kann ihren Auskunfts- und Herausgabeanspruch im vorliegenden Fall nicht auf § 302 SGB V iVm der Richtlinie stützen. Insoweit ist - nachdem die Klägerin bzw die von ihr vertretenen BEK und KKH die streitigen Abrechnungen bereits vergütet haben - zunächst davon auszugehen, dass der Beklagte die entsprechenden Angaben bereits ordnungsgemäß übermittelt hat. Dies gilt auch für die Verpflichtung aus § 302 SGB V iVm §§ 2 bis 5 Richtlinie zur Übermittlung der dort genannten weiteren Abrechnungsdaten sowie der sog Urbelege(Verordnungsblätter, Berechtigungs- und Reparaturscheine, § 2 Abs 1 b Richtlinie). Bei diesen Urbelegen handelt es sich um von der Richtlinie vorgegebene Muster (§ 3 Richtlinie), die vom Leistungserbringer in einem bestimmten Format maschinenlesbar zu übermitteln sind. Die Klägerin selbst behauptet aber nicht, dass der Beklagte diesen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen ist. Darüber hinaus besteht weder aus § 302 SGB V noch nach der Richtlinie eine Verpflichtung des Beklagten, die von der Klägerin begehrten Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen und bei ihm darüber hinaus ggf vorliegenden weiteren Unterlagen herauszugeben. Das Klagebegehren richtet sich auch nicht auf ein zulässiges Nachfragen der Krankenkasse beim Leistungserbringer, um Zweifel und Unklarheiten im Einzelfall in Bezug auf die nach § 302 SGB V übermittelten Daten zu klären.
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(b) Die Klägerin kann ihren weiten Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht auf die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) stützen. Zwar sieht § 276 Abs 2 SGB V weitere Mitteilungspflichten von Leistungserbringern vor, die allerdings auf die anschließende medizinische Begutachtung eines Leistungs- oder Abrechnungsfalles durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gerichtet sind. Dieser darf Sozialdaten erheben, soweit dies für seine gutachterliche Stellungnahme erforderlich ist (§ 276 Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V). Voraussetzung ist aber nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V - die weiteren Alternativen dieser Vorschrift kommen ersichtlich nicht in Betracht - ein Prüfauftrag der Krankenkasse an den MDK entweder wegen der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungserbringung oder wegen Auffälligkeiten der ordnungsgemäßen Abrechnung. Daran fehlt es hier; die Klägerin vermutet zwar das Fehlen von ordnungsgemäßen Abrechnungen des Klägers in zahlreichen Fällen, sie hat dazu jedoch - aus ihrer Sicht folgerichtig - kein medizinisches Überprüfungsverfahren beim MDK eingeleitet. Ein solches Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V hinsichtlich sämtlicher Abrechnungsvorgänge des Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 wäre im Übrigen auch unzulässig, da die Klägerin keine Auffälligkeit im Einzelfall geltend macht. Eine Auffälligkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22 mwN); daran fehlt es hier.
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Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin behauptet, nach dem von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten seien bei einigen Abrechnungen des Beklagten konkrete Fragen zu deren sachlich-rechnerischen Richtigkeit offen. Sie macht aber weder geltend noch ist es anderweitig ersichtlich, dass es zur Überprüfung dieser auffälligen Abrechnungen sämtlicher Abrechnungsunterlagen des Beklagten aus drei Jahren bedarf. Die Klägerin beruft sich vielmehr auf statistische Abweichungen im Versorgungsverhalten des Beklagten vom durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker in Nordrhein-Westfalen, die sie durch Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Abrechnung durch den Beklagten in Einzelfällen bestätigt sieht, und glaubt daraus ableiten zu können, mittels der von ihr begehrten Auskünfte und Unterlagen die komplette Versorgung durch den Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 überprüfen zu dürfen. Für eine derartige umfassende Ausforschung bietet das an Auffälligkeiten im Einzelfall anknüpfende Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V und damit auch die in dessen Rahmen bestehende Auskunftspflicht des Leistungserbringers nach § 276 SGB V keine Grundlage.
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(2) Die vorstehenden Ausführungen gelten erst recht für die begehrte Übermittlung von Daten, die zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Beklagten - Unterlagen von Lieferanten und deren Abrechnungen sowie Kundendaten aller Art - gehören (§ 35 Abs 4 SGB I idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Es ist im SGB keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die eine derartige Auskunftspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin begründen könnte.
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bb. Der Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung und Herausgabe von Unterlagen ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Rahmenvertrages vom 30.6.1994 oder dessen ergänzender Vertragsauslegung.
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(1) Allerdings geht das LSG zu Recht davon aus, dass § 10 Rahmenvertrag die vom Leistungserbringer im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Angaben und Unterlagen konkretisiert. Dort ist insbesondere geregelt, wann diese zu erfolgen hat (einmal monatlich bis zum 10. des auf das Ende der letzten Lieferung folgenden Monats, § 10 Abs 1 S 1, Abs 2 S 4), welche Unterlagen vorzulegen sind (ärztliche Verordnung oder Berechtigungsschein mit Datum und Bestätigung über den Empfang der Sehhilfe oder sonstigen Leistung durch den Versicherten und Stempel des Augenoptikers, § 10 Abs 1 S 2 und 3, Abs 2 S 4), wie die Lieferungen zu bezeichnen sind (§ 10 Abs 2 S 1), welcher Festpreis ggf gilt (§ 10 Abs 2 S 8), von wem die Kosten zu tragen sind (§ 10 Abs 1 S 4) und wann die Rechnung zu bezahlen ist (§ 10 Abs 2 S 6). Darüber hinaus verweist § 10 Abs 2 S 3 auf § 302 iVm § 303 SGB V und damit auf die gesetzliche Regelung der Pflichten der Leistungserbringer im Rahmen der Leistungsabrechnung mit den Krankenkassen. Die vertraglichen Informationspflichten des Leistungserbringers gehen damit weit über die Verpflichtungen hinaus, die das LSG festgestellt hat (S 12 des Urteilsumdrucks). Die Parteien des Rahmenvertrages wollten nach dem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur die sich aus den geltenden gesetzlichen Regelungen ergebenden Verpflichtungen wiederholen, sondern darüber hinaus ergänzende Mitteilungspflichten des Leistungserbringers vertraglich vereinbaren. Gleichwohl folgt daraus keine Verpflichtung des Beklagten zur umfassenden Auskunftserteilung und zur Herausgabe der von der Klägerin begehrten Unterlagen.
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(2) Zu Unrecht hat das LSG allerdings angenommen, hieraus könne auf eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke des Rahmenvertrages geschlossen werden. Denn die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt.
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(a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Regelungslücke in einem re-gelungsbedürftigen Punkt der vertraglichen Regelung (BGHZ 40, 91, 103; BGHZ 77, 301, 304; stRspr). Hierfür genügt nicht jeder offengebliebene Punkt eines Vertrages. Eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllende Lücke ist vielmehr nur dann zu bejahen, wenn die von den Parteien vereinbarte Regelung eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihr zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (BGH Urteil vom 13.2.2004 - V ZR 225/03, NJW 2004, 1873; Staudinger/Roth, BGB, Aufl 2010, § 157 BGB RdNr 15 mwN). Ohne die gebotene Vervollständigung darf eine angemessene interes-sengerechte Lösung nicht zu erzielen sein (BGH Urteil vom 13.5.1993 - IX ZR 166/92, NJW 1993, 2935; BGHZ 90, 69, 74 f; BGH Urteil vom 12.7.1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115, 116).
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(b) Die Parteien des Rahmenvertrages wollten - § 127 Abs 1 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) entsprechend - Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln sowie über die Abrechnung der Festbeträge regeln (§ 1 Rahmenvertrag). Zur Umsetzung dieses Regelungsplans haben sie insbesondere die im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Unterlagen und Angaben festgelegt und dabei auch bestimmt, dass die gesetzlichen Regelungen und der Rahmenvertrag gelten sollen (§ 10 Abs 2 S 3 Rahmenvertrag). Es kann dahinstehen, ob schon allein diese ausdrückliche Regelung der Geltung der Gesetzesvorschriften eine Regelungslücke ausschließt (vgl BGHZ 40, 91, 103 mwN). Denn zumindest ist es nicht zur Verwirklichung der Ziele des Rahmenvertrages notwendig, weitere und derartig umfassende Auskunfts- und Herausgabepflichten zu statuieren. So waren die Beteiligten zunächst über Jahre in der Lage, die Hilfsmittelversorgung durch den Beklagten und deren Abrechnung gegenüber der Klägerin entsprechend dem Rahmenvertrag und den von ihm in Bezug genommenen gesetzlichen Regelungen durchzuführen. Auch die Klägerin sah sich aufgrund der vom Beklagten übermittelten Belege und Angaben offenkundig in der Lage, die von diesem erbrachten Leistungen zu vergüten, was im Hinblick auf § 303 Abs 3 SGB V für eine ordnungsgemäße Rechnungslegung durch den Beklagten gemäß den Regeln von § 10 Rahmenvertrag spricht. Anders als das LSG meint, ergibt sich die Notwendigkeit einer Ergänzung des Rahmenvertrages um die Verpflichtung des Beklagten zur Vorlage weiterer Unterlagen auch nicht aus dem Interesse der Krankenkasse, ihren Prüfpflichten nach dem SGB V nachkommen zu können. Denn dieses Interesse ist bereits anhand der Regelungen des Rahmenvertrages und damit ohne die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Herausgabe weiterer Unterlagen angemessen berücksichtigt.
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Zudem muss sich die Klägerin vorwerfen lassen, dass sie die Optiker jahrelang hat gewähren lassen - sie hatte die Abwicklung der Abrechnungen einem Rechenzentrum übergeben und offensichtlich keine ausreichende Kontrolle durchgeführt. Es wäre ihr - zumindest mit sachverständiger Unterstützung des MDK - bereits anhand der vom Beklagten bei der Rechnungslegung regelmäßig übermittelten Unterlagen und Angaben durchaus möglich gewesen, das Vorliegen rechtswidriger Hilfsmittelversorgungen oder Anhaltspunkte hierfür festzustellen. Unkorrekte Abrechnungen wären nicht zu vergüten gewesen, zweifelhafte Punkte hätten im jeweiligen Einzelfall gegenüber dem Beklagten zeitnah geltend gemacht werden können und ggf durch den MDK überprüft werden müssen. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe ganze Versorgungsfälle fingiert (Stichwort "unzulässige Doppelversorgung") oder es seien fehlerhafte Versorgungen erfolgt (Stichwort "fehlerhafte Augenglasbestimmung"), hätte ebenfalls im jeweiligen Einzelfall eine zeitnahe Überprüfung unter Beteiligung des Versicherten (zur Einholung von Stellungnahmen bei Versicherten im Rahmen der Abrechnungsprüfung s BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1) erfolgen und eine Stellungnahme des MDK eingeholt werden können. Zum Einwand der Klägerin, entsprechende Ermittlungen bei Versicherten seien nicht mehr zielführend, da diese regelmäßig nicht in der Lage seien, Angaben zu einer Versorgung in den Jahren 2001 bis 2003 zu machen, wird übersehen, dass dies im Wesentlichen aus ihrem Verschulden resultiert, weil die Abrechnungsprüfung nicht zeitnah durchgeführt worden ist.
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(c) Die vom LSG angenommene Vertragsergänzung widerspricht darüber hinaus ersichtlich einer abgewogenen Auslegung, weil sie einseitig dem Interesse der Krankenkasse Rechnung trägt, eine Abrechnungsprüfung auch nach Jahren und in gesetzlich nicht vorgesehenem Umfang vornehmen zu dürfen. Der Senat weist in ständiger Rechtsprechung auf das im Leistungserbringerrecht allgemein existierende Beschleunigungsgebot hin (vgl zuletzt Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 21/12 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 20 mwN; zum Bereich der Hilfsmittelversorgung BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13), das ua auf dem schutzwürdigen Interesse beider Seiten an Abrechnungssicherheit beruht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13). Dem widerspräche es, der Krankenkasse - nachdem sie die gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten der Abrechnungsprüfung über Jahre ungenutzt gelassen hat - einen solch umfassenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch einzuräumen. Das Interesse des Leistungserbringers bliebe völlig unberücksichtigt, wenn er allein auf der Grundlage statistischer Abweichungen seines Versorgungsverhaltens gegenüber dem Durchschnitt aller Optiker verpflichtet würde, sämtliche Geschäfts- und Versorgungsunterlagen unabhängig von Anhaltspunkten für eine fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall vorzulegen. Dies gilt hier umso mehr, als die Klägerin vor dem SG selbst erklärt hat, keinen Hinweis für ein betrügerisches Verhalten des Beklagten gefunden zu haben. Damit wäre die vom LSG angenommene ergänzende Vertragsauslegung unvereinbar.
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b. Entgegen der Auffassung des LSG kann sich die Klägerin auch nicht auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts stützen. Insbesondere bestehen keine Auskunfts- und Rechenschaftspflichten auf Grund eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 Abs 1 iVm § 666 BGB) oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); ein etwaiger Anspruch nach dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 Abs 2 BGB)ist völlig fernliegend.
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aa. Entgegen der Auffassung des LSG sind bereits die Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB nicht erfüllt. Denn die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden werden durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend geregelt(§ 69 S 1 SGB V). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind(§ 69 S 3 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB kommt damit nur in Betracht, wenn die Regelungen des SGB V lückenhaft sind (BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 aE). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
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Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Augenoptiker sind durch die §§ 126 und 127 SGB V sowie die darauf fußenden vertraglichen Vereinbarungen abschließend geregelt. Ein Rückgriff auf vertragliche Modelle des BGB kommt daneben nicht in Betracht (so schon für den Bereich der Arzneimittelversorgung BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 ff). Auch die Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln hat ihre Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht. Die Konstruktion eines in jedem einzelnen Versorgungsfall abzuschließenden und den Versicherten drittbegünstigenden öffentlich-rechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse ist damit entbehrlich.
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bb. Ein Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unmittelbar aus § 242 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob der aus § 242 BGB abzuleitende Grundsatz von Treu und Glauben ausschließlich über § 69 S 3 SGB V auf das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten anzuwenden ist(BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 13) oder als auch dem Sozialrecht immanenter allgemeiner Rechtsgrundsatz (BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 13) unmittelbar zur Anwendung kommen kann. Denn auch insoweit bietet das öffentliche Recht die alleinigen Anspruchsgrundlagen (§§ 275 ff SGB V und die ergänzenden vertraglichen Rege-lungen). Die Klägerin hätte mit zeitnahen Rechnungsprüfungen rechtswidrige Hilfsmittel-versorgungen und/oder Abrechnungen erkennen und verhindern können; dies hat sie versäumt. Zudem gebieten Treu und Glauben keine über die einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen hinausgehenden Auskunfts- und Herausgabepflichten, nur weil die bestehenden nicht oder nicht rechtzeitig genutzt wurden.
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cc. Die Klägerin kann einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht aus dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 BGB) herleiten. Denn Voraussetzung für die Annahme einer diesen Anspruch begründenden rechtlichen Sonderbeziehung wäre, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht und nur der Anspruchsinhalt noch offen ist (BGH Urteil vom 18.1.1978 - VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; Sprau in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, Einführung vor § 823 RdNr 17). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen; die Klägerin selbst hat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines unerlaubten - betrügerischen - Verhaltens des Beklagten gesehen (Schriftsatz vom 30.1.2009 an das SG).
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c. Etwaige Auskunfts- und Herausgabeansprüche der Klägerin gegen den Beklagten scheitern darüber hinaus weitestgehend an der Einrede der Verjährung (dazu aa) und im Übrigen an der Einwendung der Verwirkung (dazu bb).
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aa. Ansprüchen aus der Zeit 2001 und 2002, die Versicherte der Klägerin betreffen, sowie aus dem Zeitraum 2001 bis 2003, die für Versicherte der BEK und der KKH geltend gemacht werden, steht die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Für diese Auskunftsansprüche der Krankenkasse gegen den Leistungserbringer gilt die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren, die mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist - § 45 Abs 1 SGB I.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass die sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren für alle gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern und damit auch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen etwaiger Überzahlung von Vergütungsansprüchen als Kehrseite des Leistungsanspruchs gilt (für die Vergütung von Krankenhausbehandlung sowie die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 S 1 SGB V: BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; für die Vergütung von Krankenhaustransporten: BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22). Die Verjährungsvorschriften des BGB kommen auch über § 69 S 3 SGB V nicht zur Anwendung, weil die Verjährungsfrage schon aus dem Vierten Kapitel des SGB V selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien zu beantworten ist(BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17 ff; BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30). Denn das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in § 45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient. Die Regelung ist aus praktischen und haushaltsrechtlichen Gründen geboten, um jahrzehntelange Auseinandersetzungen einer beschleunigten gerichtlichen Klärung zuzuführen (so bereits BSGE 42, 135 = SozR 3100 § 10 Nr 7 S 10; BSGE 69, 158 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1 S 5; Übertragung auf das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer: BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22).
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Die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl § 45 Abs 1 SGB I; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11). Auch insoweit kommt ein Rückgriff auf die Vorschriften des durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 3138) novellierten bürgerlich-rechtlichen Verjährungsrechts - anders als wohl das LSG meint - nicht in Betracht. Zwar mag sich der Gesetzgeber dort (§ 199 Abs 1 BGB) bewusst dagegen entschieden haben, kurze Verjährungsfristen mit einem kenntnisunabhängigen Beginn der Verjährungsfrist zu kombinieren. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Änderung auch für den Bereich des Sozialrechts habe treffen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage im Sozialrecht gerade nicht hat herbeiführen wollen (vgl für den Bereich des öffentlichen Rechts BVerwGE 132, 324, RdNr 12). Die Entscheidung, ob das neue Regelungssystem auf spezialgesetzlich geregelte Materien übertragen werden kann und welche Sonderregelungen ggf getroffen werden müssten, sollte weiteren Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6857, S 42 zu Nummer 1). Hierzu wurde in der Folge das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) erlassen. Auch dort hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine entsprechende Anpassung des öffentlichen Rechts entschieden, da im öffentlichen Recht grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen gelten würden und auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden könne (BT-Drucks 15/3653 S 10).
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Eine Korrektur der allgemeinen sozialrechtlichen vierjährigen Verjährungsfrist ist vorliegend schließlich auch im Hinblick auf die vom LSG gesehenen "hinreichenden Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug" nicht geboten. Denn Anhaltspunkte genügen zur Bestimmung der maßgeblichen Verjährungsfrist nicht. Welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, bestimmt sich vielmehr nach dem - festgestellten - Sachverhalt zur Zeit der Entstehung des Anspruchs (Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 195 RdNr 14). Es widerspräche der mit der Verjährung (auch im öffentlichen Recht) bezweckten Zielsetzung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, stattdessen auf hinreichende Anhaltspunkte abzustellen. Im Übrigen hat die Klägerin selbst angegeben, keine derartigen Anhaltspunkte vorweisen zu können.
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Daraus folgt für den geltend gemachten Klageanspruch: Ein Anspruch auf Auskunft und Herausgabe von Geschäftsunterlagen wäre ebenso wie ein möglicher Erstattungsanspruch mit Zugang der jeweiligen Abrechnungsunterlagen entstanden. Dementsprechend hat die vierjährige Verjährungsfrist der in den Jahren 2001 und 2002 vergüteten Hilfsmittelversorgungen in entsprechender Anwendung des § 45 Abs 1 SGB I am 1.1.2002 bzw 1.1.2003 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2005 bzw 2006 geendet. Ansprüche aus 2001 und 2002 sind damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 29.12.2007 bereits verjährt gewesen. Dies gilt auch für die Ansprüche, die die Klägerin darüber hinaus in gewillkürter Prozessstandschaft für die BEK und KKH wegen der Versorgung von deren Versicherten im Jahr 2003 geltend macht. Zwar wird in entsprechender Anwendung von § 45 Abs 2 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung gehemmt. Die verjährungshemmende Wirkung tritt im Fall der gewillkürten Prozessstandschaft aber erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist (BGH Urteil vom 7.6.2001 - I ZR 49/99, NJW-RR 2002, 20 mwN). Die Klägerin hat erstmals mit Schriftsatz vom 12.6.2008 offengelegt, dass sie mit der Klage nicht nur eigene Ansprüche, sondern darüber hinaus die weiterer Ersatzkrankenkassen, insbesondere der BEK und der KKH, geltend macht. Zum Zeitpunkt der Offenlegung der Prozessstandschaft war damit die vierjährige Verjährungsfrist auch hinsichtlich der von BEK und KKH in 2003 vergüteten Hilfsmittelversorgungen bereits abgelaufen.
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bb. Soweit der Auskunfts- und Herausgabeanspruch nicht an der Einrede der Verjährung scheitert, ist er jedenfalls verwirkt, da die Klägerin die Abrechnungsprüfung entgegen dem sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden Beschleunigungsgrundsatz erst knapp vier Jahre nach Rechnungslegung und vollständigem Rechnungsausgleich eingeleitet hat.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 24 ff; BSGE 89, 104, 109 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 16 f - "Berliner Fälle" sowie zB SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 12) steht die Korrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Danach ist eine Krankenkasse jedenfalls dann mit Einwendungen gegen eine Schlussrechnung ausgeschlossen, wenn sie die Rechnung zeitnah und vorbehaltlos bezahlt hat, ein Prüfverfahren beim MDK ohne nachvollziehbaren Grund dann aber erst Jahre nach Rechnungslegung und kurz vor Ablauf der Verjährung eingeleitet hat. Der Senat hat weiter aus den dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern auf die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme geschlossen und hieraus die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus begrenzt. Wegen des "Prinzips der Waffengleichheit" ist der Senat zudem davon ausgegangen, dass dies - also die Begrenzung der Befugnis zur nachträglichen Korrektur der Abrechnung - auch für nachträglich geltend gemachte Ansprüche der Krankenkasse gilt (vgl Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 26). Dieses vom Senat für den Bereich der Krankenhausabrechnung immer wieder betonte Beschleunigungsgebot bestimmt auch das Abrechnungswesen in der Hilfsmittelversorgung (vgl hierzu bereits SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13).
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Um die Verwirkung eines Rechts anzunehmen, bedarf es dreier Voraussetzungen (stRspr, zuletzt Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27 sowie BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN; vgl auch Grüneberg in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 242 RdNr 93 ff mwN):
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Zeitmoment: Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss ein längerer Zeitraum verstrichen sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin die Abrechnungen des Beklagten bereits in den Jahren 2001, 2002 bzw 2003 überprüfen können und müssen, alle dafür erforderlichen Informationen lagen ihr vor. In Anbetracht der vierjährigen Verjährungsfrist und der Pflicht zur Beschleunigung aller Abrechnungsverfahren ist ein Abwarten von knapp vier Jahren (Abrechnungen aus Dezember 2003 bis zur Klageerhebung am 29.12.2007) bzw mehr als vier Jahren (Abrechnungen vor Dezember 2003) deutlich zu lang. Umstandsmoment: Der Verpflichtete hat sich darauf eingestellt, der Berechtigte werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls erfüllt, weil in der Regel zu erwarten ist, dass Krankenkassen - wie Leistungserbringer - ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Abrechnung folgenden Kalenderjahres wahrgenommen haben (vgl für den Bereich der Krankenhausabrechnung Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27). Hinweise für einen Ausnahmefall sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin ermittelten statistischen Abweichungen des Versorgungsverhaltens des Beklagten, über die dieser schließlich nicht informiert war. Von einem den Vertrauenstatbestand zerstörenden unredlichen Verhalten des Beklagten geht schließlich auch die Klägerin nicht aus. Untätigkeit: Die Klägerin ist knapp bzw mehr als vier Jahre bezüglich der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber dem Beklagten untätig geblieben.
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Damit steht fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung Ende 2007 nicht mehr mit einer Überprüfung seiner Abrechnungen aus den Jahren 2001 bis 2003 rechnen musste, so dass dem entsprechenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch der Klägerin - auch - die Einwendung der Verwirkung entgegensteht.
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3. Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist ausschließlich der Auskunfts- und Herausgabeanspruch, weil SG und LSG zu Recht ausschließlich dazu verhandelt und entschieden haben (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5 und § 157 RdNr 2a aE). Erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Auskunfts- und Herausgabeanspruch sind Verhandlung und Entscheidung über die nächste Stufe zulässig, also über den Leistungsantrag (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 254 RdNr 11). Zwar ist eine gemeinsame Entscheidung über mehrere in der Stufenklage verbundene Anträge nicht ausgeschlossen. Dies setzt aber voraus, dass schon die Prüfung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Greger, aaO, § 254 RdNr 14). Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass dem Senat eine Entscheidung über die nächste Stufe verwehrt ist. Es liegt an den Beteiligten, die Fortsetzung des Rechtsstreits ggf durch Verhandlung und Entscheidung eines Leistungsantrags beim SG zu beantragen (Greger, aaO, § 254 RdNr 14).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG, die Korrektur der Streitwertfestsetzung für die 1. und 2. Instanz aus § 63 Abs 3 GKG. Bei Stufenklagen ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Dies gilt aber nur, wenn in einer Instanz über beide Ansprüche entschieden wird. Ist - wie hier - in allen Instanzen lediglich ein der Informationsgewinnung dienender Auskunftsanspruch oder ein dem gleichen Zweck dienender Herausgabeanspruch Streitgegenstand, ist der Streitwert jeweils nur anhand dieses Anspruchs zu bemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Streitwert für eine Auskunfts- und Herausgabeklage am (ggf zu schätzenden) Leistungsanspruch zu orientieren ist, und je nachdem, in welchem Umfang der Kläger auf die Auskunft zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist, ein Abschlag vorzunehmen ist (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 31). Der Senat schätzt vorliegend den möglichen Erstattungsanspruch der Klägerin auf der zweiten Stufe der Stufenklage auf rund 50 Euro pro Versorgung, zu der vorliegend Angaben bzw Unterlagen angefordert werden. Hiervon ist ein Abschlag in Höhe von einem Drittel vorzunehmen, da die Bedeutung der begehrten Auskunft bzw Unterlagen für den Erstattungsanspruch als erheblich zu bewerten ist, nachdem die Klägerin geltend macht, ohne die Unterlagen eine abschließende Rechnungsprüfung beim Beklagten nicht vornehmen zu können.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 KR 18/10 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 geändert und die Auskunfts- und Herausgabeklage abgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten der Auskunfts- und Herausgabeklage in allen Instanzen.
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Der Streitwert der Auskunfts- und Herausgabeklage wird für alle Instanzen auf 20 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Erteilung von Auskünften sowie die Herausgabe von Unterlagen zur Abrechnungsprüfung aus den Jahren 2001 bis 2003.
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Der beklagte Augenoptiker versorgte in den fraglichen Jahren ua Versicherte der klagenden und zweier weiterer Ersatzkrankenkassen mit Sehhilfen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen und sog Berechtigungsscheine. Aufgrund eines Hinweises der AOK aus dem Jahr 2005 auf möglicherweise fehlerhafte Abrechnungen begann die Klägerin mit der Überprüfung der Abrechnung von Augenoptikern aus den Jahren 2001 bis 2003. Hierzu entwickelte sie zunächst statistische Parameter, anhand derer sie das Versorgungsverhalten einzelner Leistungserbringer mit dem durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker im jeweiligen Land verglich. Nachdem das Versorgungsverhalten des Beklagten - wie das einer Vielzahl anderer Augenoptiker - vom Landesdurchschnitt abwich, forderte die Klägerin von dem damals von ihr beauftragten Rechenzentrum die vom Beklagten in der Zeit vom 1.1.2001 bis 31.12.2003 eingereichten Rechnungsbelege unter Bezugnahme auf § 302 SGB V und § 10 des Vertrages zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker und den Landesvertretungen des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AEV) vom 30.6.1994 (in der Folge: Rahmenvertrag) an.
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Am 29.12.2007 hat die Klägerin Klage zum SG Aachen mit dem Ziel erhoben, Auskunft zu erhalten über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Zeitraum 2001 bis 2003 Leistungen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen sowie über Berechtigungsscheine abgerechnet hat, und zwar durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der Karteikarten und Lieferscheine. Später sollte der Beklagte verpflichtet werden, überzahlte Rechnungsbeträge zu erstatten, deren Gesamthöhe aber erst nach Erfüllung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs hätte beziffert werden können. Zur Begründung führte die Klägerin aus, eine erste Prüfung habe zahlreiche Auffälligkeiten bei den Abrechnungen des Beklagten ergeben; dies konkretisierte sie durch Vorlage eines von ihr im Februar 2008 in Auftrag gegebenen Gutachtens. Danach ergäben sich Berechnungen von Versorgungsleistungen, auf die ein Anspruch der Versicherten nicht bestanden habe. Zudem bestünden Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Fehlabrechnungen, bei denen eine gutachterliche Würdigung und Bewertung aber nur nach Einsicht und Vergleich mit den Kundenkarteikarten und Lieferscheinen erfolgen könne. Die Berechtigungsscheine hätten nicht abschließend geprüft werden können, da der Beklagte sie unvollständig oder widersprüchlich ausgefüllt habe; auch insoweit sei die Sichtung weiterer Unterlagen nötig.
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Am 12.6.2008 teilte die Klägerin dem SG mit, dass die Klage die Erstattungsansprüche sämtlicher dem VdAK und dem AEV angeschlossenen Ersatzkassen betreffe, was sie später auf die Ansprüche der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH, seit 1.4.2009 durch Aufnahme der BKK Allianz "KKH-Allianz", in der Folge nur KKH) und der Barmer Ersatzkasse (BEK, seit 1.1.2010 durch Vereinigung mit der Gmünder Ersatzkasse "Barmer GEK", in der Folge nur BEK) beschränkte. Hierzu legte die Klägerin Erklärungen der KKH bzw der BEK vom 27.3.2008 sowie der GEK vom 16.4.2008 vor, wonach sie am 26.7.2007 beauftragt worden sei, die Abrechnungen von Augenoptikern im Zeitraum 2001 bis 2003 zu überprüfen, soweit die Versorgung von BEK-, GEK- und KKH-Versicherten betroffen sei. Sie sei ermächtigt, alle aus ihrer Sicht notwendigen Schritte nach eigenem Ermessen durchzuführen, wozu auch der Einzug von Forderungen sowie die gerichtliche Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsansprüchen im eigenen Namen gehörten. Alle evtl Erstattungsansprüche gegen Optiker in Nordrhein-Westfalen seien an sie - die Klägerin - abgetreten. Mit Erklärungen vom 18. und 22.9.2009 ermächtigten die BEK und die KKH die Klägerin außerdem zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen im Zeitraum 2001 bis 2003 gegen den Beklagten vor dem SG Aachen.
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Das SG hat den Beklagten verurteilt, Auskunft zu erteilen über sämtliche rund 600 Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen er im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 Leistungen für namentlich genannte Versicherte der Klägerin, der BEK und der KKH abgerechnet habe, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen Angaben enthalten sind zu Befundwerten (Fern- und Nah-Bereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, Grund der Abgabe der Sehhilfe, Art und Umfang der erbrachten Leistungen inklusive Fassungs- und Glashersteller, mit dem Versicherten abgerechnete Leistungen, Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten sowie - aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten - zur genauen Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, technischen Spezifizierungen und zu den Werten des Artikels, wie zB Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser und zur Anzahl der jeweils gelieferten Artikel (Urteil vom 8.12.2009). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Die Klägerin sei befugt, im Wege der Prozessstandschaft auch Ansprüche der BEK und der KKH geltend zu machen. Der Auskunfts- und Unterlagenherausgabeanspruch der Krankenkassen beruhe zum einen auf einer ergänzenden Auslegung des Rahmenvertrages und zum anderen auf § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 675 Abs 1, § 666 BGB, da zwischen der Klägerin und dem Beklagten bei Lieferung der Sehhilfen jeweils ein den Regeln des Auftragsrecht unterfallender Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen sei. Regelungen des SGB V stünden dem nicht entgegen; insbesondere lasse die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Datenübermittlung nach § 302 Abs 1 SGB V die Befugnis der Krankenkassen unberührt, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen zu den Leistungserbringern die Gesetzmäßigkeit erbrachter Versorgungsleistungen durch Einholung weitergehender Auskünfte zu überprüfen. Der Auskunftsanspruch der Klägerin sei schließlich nicht verjährt, da die Verjährungsfrist nicht vier, sondern wegen hinreichender Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug 30 Jahre betrage.
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Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Beklagten. Das LSG habe gegen allgemein geltende Auslegungsgrundsätze verstoßen, als es dem Rahmenvertrag die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der streitigen Unterlagen entnommen habe. Gegen Bundesrecht sei weiter verstoßen worden, indem das LSG ergänzend die Regelungen des BGB über das Auftragsrecht angewendet habe. Zumindest sei der Herausgabeanspruch der Klägerin verjährt bzw verwirkt, nachdem die Klägerin gegen das für das Prüfverfahren geltende Beschleunigungsgebot verstoßen habe.
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Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 KR 18/10 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 zu ändern und die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe von Unterlagen abzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt die angegriffenen Entscheidungen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Die Entscheidungen des SG und des LSG sind dahin zu ändern, dass die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe der begehrten Unterlagen abgewiesen wird, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Herausgabe der streitigen Unterlagen besitzt.
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1. Gegenstand der Revision ist der von der Klägerin umfassend geltend gemachte Anspruch auf die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die beim Beklagten über die Versorgung von Versicherten der Klägerin, der BEK und der KKH mit Sehhilfen im Zeitraum 2001 bis 2003 angefallen sind. Hierfür sind die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt:
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a. Die Herausgabeklage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Beim Streit zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer handelt es sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, RdNr 5; BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 2 f; BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 14 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 10). Die Klägerin war damit insbesondere nicht in der Lage, den Beklagten durch Verwaltungsakt zur Herausgabe der streitigen Unterlagen zu verpflichten. Der Senat hat weiterhin bereits entschieden, dass das Begehren auf Auskunftserteilung und Herausgabe von (medizinischen) Unterlagen sowie auf Begleichung etwaiger sich aus diesen ergebender Erstattungsansprüche im Wege der auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG iVm § 254 ZPO statthaften Stufenklage verfolgt werden kann(BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 12; s auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5). Zwar will die Klägerin hier mit ihrem Auskunftsbegehren zunächst nur in Erfahrung bringen, ob ihr überhaupt Erstattungsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Dies ist allerdings unschädlich, wenn - wie vorliegend - die Erfüllung des Auskunftsbegehrens auch zur Bezifferung des Erstattungsanspruchs erforderlich ist (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 11 mwN).
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b. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin zur Prozessführung befugt ist, und zwar auch soweit die begehrten Unterlagen die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen.
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Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen bestimmten Prozess als richtige Partei zu führen. Sie ist ohne Weiteres gegeben, wenn der Kläger einen nach seinem Vortrag ihm zustehenden sachlichen Anspruch im eigenen Namen geltend macht. Dagegen bedarf die Prozessführungsbefugnis besonderer Feststellung und Begründung, wenn der Kläger einen fremden materiellen Anspruch im eigenen Namen verfolgt, wie es die Klägerin vorliegend hinsichtlich der Unterlagen tut, die die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen. In diesen Fällen liegt die Prozessführungsbefugnis nur vor, wenn entweder das Gesetz dies ausdrücklich anordnet (gesetzliche Prozessstandschaft) oder der Kläger aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Befugnis handelt und er dabei ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung des fremden materiellen Anspruchs hat (gewillkürte Prozessstandschaft) (stRspr: BSG SozR Nr 3 zu § 69 SGG; BSG SozR 2200 § 639 Nr 1; BSGE 86, 94, 96 f = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 20 f; BSG SozR 3-3300 § 72 Nr 2 S 3 f, jeweils mwN). Zudem dürfen schutzwürdige Belange des Prozessgegners nicht entgegenstehen (BSGE aaO).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. BEK und KKH haben im Rahmen ihrer Erklärungen vom 18. bzw 22.9.2009 der Prozessführung durch die Klägerin hinreichend konkret und bezogen auf die streitigen Ansprüche zugestimmt. Diese Zustimmung genügt zur Begründung einer gewillkürten Prozessstandschaft (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl 2013, § 51 RdNr 33). Es kann offenbleiben, ob ein eigenes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Prüfung von Erstattungsansprüchen Dritter hier bereits aus der Pflicht der Krankenkassen zur Zusammenarbeit nach § 197a Abs 3 SGB V folgt. Denn dieses ergibt sich jedenfalls aus der Verpflichtung der Klägerin zur Erfüllung der ihr von BEK und KKH übertragenen Aufgaben nach § 88 SGB X. Auf dieser Grundlage waren die BEK und KKH berechtigt, die Überprüfung von Leistungsabrechnungen durch Hilfsmittelerbringer als Teil ihrer gesetzlichen Aufgaben (vgl dazu BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 37 f; BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20, RdNr 13) einem anderen Leistungsträger - hier der Klägerin - zu übertragen. Diese erfüllte mit der Prozessführung die gegenüber der BEK und der KKH übernommene Verpflichtung (zur Prozessstandschaft der Postbeamtenkrankenkasse für die Gemeinschaft der privaten Versicherungsunternehmen zur Durchführung der Pflegeversicherung s BSGE 86, 94, 97 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 21). Dass verfahrensrechtliche Interessen des Beklagten beeinträchtigt sein könnten, weil die Klägerin statt der BEK und KKH den Rechtsstreit führt, trägt dieser selbst nicht vor und ist auch anderweitig nicht ersichtlich. Die Klägerin hat die Prozessstandschaft schließlich mit Schriftsatz vom 12.6.2008 auch noch rechtzeitig (vgl BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 67) offengelegt. Deshalb kann es dahinstehen, ob die BEK und die KKH die ihnen ggf gegen den Beklagten zustehenden Erstattungsforderungen mit ihren Erklärungen vom 27.3.2008 wirksam an die Klägerin abgetreten haben, da dies nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt ist und damit auf den Prozess keinen Einfluss haben kann (§ 202 SGG iVm § 265 Abs 2 S 1 ZPO).
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c. Die Vorinstanzen sind schließlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage von Anfang an gegen den Beklagten und nicht gegen Herrn S. gerichtet war. Insbesondere handelte es sich bei der Änderung des Passivrubrums von "Herrn S. handelnd als P. OHG" auf "P. oHG" nicht um einen gewillkürten Parteiwechsel und damit um eine Klageänderung iS von § 99 SGG, sondern lediglich um eine Berichtigung des Passivrubrums. Die ursprüngliche Bezeichnung in der Klageschrift war nicht eindeutig. Gegen wen sich die Klage richtete, hatte das SG damit durch Auslegung zu ermitteln (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 92 RdNr 7). Die hierzu getroffenen Feststellungen des SG (S 13 des Urteilsumdrucks) sind nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt hinsichtlich des vom LSG angenommenen späteren Parteiwechsels auf Beklagtenseite von einer oHG zu einem Einzelunternehmer (S 8 f des Urteilsumdrucks).
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2. Die Klage auf Auskunftserteilung und Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die die rund 600 Versorgungen von Versicherten der Klägerin, der BEK und KKH durch den Beklagten im Zeitraum 2001 bis 2003 betreffen, zum Zweck der Abrechnungsprüfung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Auskünfte und die Herausgabe der begehrten Unterlagen. Ein solcher ergibt sich weder aus dem öffentlichen Recht (dazu a) noch aus der (entsprechenden) Anwendung von Vorschriften des BGB (dazu b). Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass Auskunftsansprüchen der Klägerin darüber hinaus weitestgehend die Einrede der Verjährung, zumindest aber die Einwendung der Verwirkung entgegenstehen (dazu c).
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a. Die Klägerin kann ihren Anspruch weder auf Vorschriften des SGB noch auf eine die Hilfsmittelversorgung ergänzend regelnde Vereinbarung nach § 127 SGB V stützen.
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aa. Die hier geltend gemachten Ansprüche der Krankenkasse bzw die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Auskunft und ggf Herausgabe von Unterlagen sind als Bestandteil des Leistungserbringerrechts zunächst im SGB V geregelt. Soweit sie Sozialdaten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betreffen, sind ergänzend die Regelungen des SGB I und SGB X zu berücksichtigen. Dementsprechend gilt für die Ansprüche der Krankenkasse bzw die Auskunfts- und Herausgabepflicht des Hilfsmittelerbringers Folgendes:
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(1) Die Klägerin fordert die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe von Unterlagen, die die Befundwerte der Versicherten, den Grund der Abgabe der Sehhilfe, die Art und den Umfang der erbrachten Leistung und die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung enthalten. Hierbei handelt es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter natürlicher Personen und damit um Sozialdaten iS von § 67 Abs 1 S 1 SGB X.
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Die Erhebung von Sozialdaten durch die Krankenkassen ist nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig (§ 35 Abs 2 SGB I idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches - 2. SGBÄndG - vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Danach dürfen Sozialdaten ohne Mitwirkung des Betroffenen bei anderen als den in § 35 SGB I bzw § 69 Abs 2 SGB X genannten Stellen und Personen - mithin auch bei Leistungserbringern - nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt(§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst a SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I) oder wenn die Aufgaben der Krankenkasse nach dem SGB ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst b SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I).
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Allein aus der Befugnis der Krankenkasse, Sozialdaten zu erheben, folgt allerdings noch nicht, dass die Personen oder Stellen, bei denen die Daten angefordert werden, ihrerseits automatisch zur Übermittlung dieser Daten verpflichtet sind. Dementsprechend regelt das SGB X im Zweiten Kapitel (§§ 67 bis 85a) die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Übermittlung von Sozialdaten durch Leistungsträger wie die Krankenkassen zulässig ist, während die Auskunftspflichten Dritter gegenüber den Leistungsträgern Gegenstand des Dritten Kapitels des SGB X (§§ 86 bis 119) sind. Eine entsprechende Differenzierung nimmt das SGB V vor, indem es in den §§ 284 bis 293 die Informationsgrundlagen, insbesondere die Datenerhebungsbefugnisse der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen regelt, und in den §§ 294 bis 303 SGB V spiegelbildlich die entsprechenden Pflichten der Leistungserbringer zur Datenübermittlung bestimmt(BSGE 90, 1, 5 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 24).
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Auf dieser Grundlage bestehen zwischen den Beteiligten im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch die Klägerin folgende Auskunftsansprüche bzw -pflichten:
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(a) Die Krankenkassen dürfen - in dem hier relevanten Bereich der Abrechnungsprüfung - Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Prüfung der Leistungspflicht und die Gewährung von Leistungen an Versicherte, die Beteiligung des Medizinischen Dienstes nach § 275 SGB V oder die Abrechnung mit den Leistungserbringern und die Überwachung des Wirtschaftlichkeitsgebots erforderlich sind(§ 284 Abs 1 S 1 Nr 4 und 7 bis 9 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Demgegenüber sind Leistungserbringer nach § 294 SGB V(ebenfalls idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229) verpflichtet, "die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen (…) notwendigen Angaben, die aus der Erbringung (…) sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen (…) oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen".
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(aa) Für den hier relevanten Bereich der Abrechnung von Hilfsmitteln verpflichten § 302, § 303 SGB V die Leistungserbringer, der Krankenkasse maschinenlesbar in den Abrechnungsbelegen die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291 Abs 2 Nr 1 bis 6 SGB V zur Krankenversicherungskarte anzugeben; bei der Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V zu verwenden(§ 302 Abs 1 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Damit ist aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind (vgl BT-Drucks 12/3608 S 125, zu Nummer 142 <§ 302>, die insoweit auf die für die anderen Leistungsbereiche geltende Regelung zu Nummer 141<§ 301> verweist). Nach der zugrunde liegenden Vorstellung des Gesetzgebers sind damit die wesentlichen Angaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung mit den Hilfsmittelerbringern benötigt (BT-Drucks 12/3608 S 125). Das Nähere über die Form und den Inhalt des Abrechnungsverfahrens bestimmen die Spitzenverbände der Krankenkassen (heute: Spitzenverband Bund der Krankenkassen) in Richtlinien, die in den Leistungs- und Lieferverträgen zu beachten sind (§ 302 Abs 2 S 1 SGB V). Vorliegend sind die Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "sonstigen Leistungserbringern" sowie Hebammen und Entbindungspflegern(§ 301a SGB V) vom 9.5.1996 (BAnz Nr 112 vom 20.6.1996, zuletzt geändert durch Beschluss vom 13.3.2003; in der Folge: Richtlinie) maßgeblich gewesen. Haben die Hilfsmittelerbringer die Daten nach § 302 Abs 1 SGB V in dem jeweils zugelassenen Umfang nicht maschinenlesbar oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern abgegeben oder übermittelt, so haben die Krankenkassen die Daten nachzuerfassen(§ 303 Abs 3 S 1 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGB I 2190). Wie der Senat bereits zur entsprechenden Regelung für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlungen entschieden hat, dürfen die Krankenkassen bei Zweifeln und Unklarheiten in Bezug auf die übermittelten Daten durch nicht-medizinische Nachfragen selbst beim Leistungserbringer klären, ob die jeweiligen Voraussetzungen der Zahlungspflicht im Einzelfall gegeben sind (sog erste Stufe der Sachverhaltserhebung, vgl für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlung nach § 301 SGB V: BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 21; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 19). Dieses Recht steht den Krankenkassen auch in Bezug auf die übrigen Leistungserbringer zu.
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(bb) Die Klägerin kann ihren Auskunfts- und Herausgabeanspruch im vorliegenden Fall nicht auf § 302 SGB V iVm der Richtlinie stützen. Insoweit ist - nachdem die Klägerin bzw die von ihr vertretenen BEK und KKH die streitigen Abrechnungen bereits vergütet haben - zunächst davon auszugehen, dass der Beklagte die entsprechenden Angaben bereits ordnungsgemäß übermittelt hat. Dies gilt auch für die Verpflichtung aus § 302 SGB V iVm §§ 2 bis 5 Richtlinie zur Übermittlung der dort genannten weiteren Abrechnungsdaten sowie der sog Urbelege(Verordnungsblätter, Berechtigungs- und Reparaturscheine, § 2 Abs 1b Richtlinie). Bei diesen Urbelegen handelt es sich um von der Richtlinie vorgegebene Muster (§ 3 Richtlinie), die vom Leistungserbringer in einem bestimmten Format maschinenlesbar zu übermitteln sind. Die Klägerin selbst behauptet aber nicht, dass der Beklagte diesen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen ist. Darüber hinaus besteht weder aus § 302 SGB V noch nach der Richtlinie eine Verpflichtung des Beklagten, die von der Klägerin begehrten Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen und bei ihm darüber hinaus ggf vorliegenden weiteren Unterlagen herauszugeben. Das Klagebegehren richtet sich auch nicht auf ein zulässiges Nachfragen der Krankenkasse beim Leistungserbringer, um Zweifel und Unklarheiten im Einzelfall in Bezug auf die nach § 302 SGB V übermittelten Daten zu klären.
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(b) Die Klägerin kann ihren weiten Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht auf die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) stützen. Zwar sieht § 276 Abs 2 SGB V weitere Mitteilungspflichten von Leistungserbringern vor, die allerdings auf die anschließende medizinische Begutachtung eines Leistungs- oder Abrechnungsfalles durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gerichtet sind. Dieser darf Sozialdaten erheben, soweit dies für seine gutachterliche Stellungnahme erforderlich ist (§ 276 Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V). Voraussetzung ist aber nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V - die weiteren Alternativen dieser Vorschrift kommen ersichtlich nicht in Betracht - ein Prüfauftrag der Krankenkasse an den MDK entweder wegen der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungserbringung oder wegen Auffälligkeiten der ordnungsgemäßen Abrechnung. Daran fehlt es hier; die Klägerin vermutet zwar das Fehlen von ordnungsgemäßen Abrechnungen des Klägers in zahlreichen Fällen, sie hat dazu jedoch - aus ihrer Sicht folgerichtig - kein medizinisches Überprüfungsverfahren beim MDK eingeleitet. Ein solches Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V hinsichtlich sämtlicher Abrechnungsvorgänge des Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 wäre im Übrigen auch unzulässig, da die Klägerin keine Auffälligkeit im Einzelfall geltend macht. Eine Auffälligkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22 mwN); daran fehlt es hier.
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Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin behauptet, nach dem von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten seien bei einigen Abrechnungen des Beklagten konkrete Fragen zu deren sachlich-rechnerischen Richtigkeit offen. Sie macht aber weder geltend noch ist es anderweitig ersichtlich, dass es zur Überprüfung dieser auffälligen Abrechnungen sämtlicher Abrechnungsunterlagen des Beklagten aus drei Jahren bedarf. Die Klägerin beruft sich vielmehr auf statistische Abweichungen im Versorgungsverhalten des Beklagten vom durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker in Nordrhein-Westfalen, die sie durch Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Abrechnung durch den Beklagten in Einzelfällen bestätigt sieht, und glaubt daraus ableiten zu können, mittels der von ihr begehrten Auskünfte und Unterlagen die komplette Versorgung durch den Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 überprüfen zu dürfen. Für eine derartige umfassende Ausforschung bietet das an Auffälligkeiten im Einzelfall anknüpfende Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V und damit auch die in dessen Rahmen bestehende Auskunftspflicht des Leistungserbringers nach § 276 SGB V keine Grundlage.
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(2) Die vorstehenden Ausführungen gelten erst recht für die begehrte Übermittlung von Daten, die zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Beklagten - Unterlagen von Lieferanten und deren Abrechnungen sowie Kundendaten aller Art - gehören (§ 35 Abs 4 SGB I idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Es ist im SGB keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die eine derartige Auskunftspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin begründen könnte.
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bb. Der Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung und Herausgabe von Unterlagen ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Rahmenvertrages vom 30.6.1994 oder dessen ergänzender Vertragsauslegung.
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(1) Allerdings geht das LSG zu Recht davon aus, dass § 10 Rahmenvertrag die vom Leistungserbringer im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Angaben und Unterlagen konkretisiert. Dort ist insbesondere geregelt, wann diese zu erfolgen hat (einmal monatlich bis zum 10. des auf das Ende der letzten Lieferung folgenden Monats, § 10 Abs 1 S 1, Abs 2 S 4), welche Unterlagen vorzulegen sind (ärztliche Verordnung oder Berechtigungsschein mit Datum und Bestätigung über den Empfang der Sehhilfe oder sonstigen Leistung durch den Versicherten und Stempel des Augenoptikers, § 10 Abs 1 S 2 und 3, Abs 2 S 4), wie die Lieferungen zu bezeichnen sind (§ 10 Abs 2 S 1), welcher Festpreis ggf gilt (§ 10 Abs 2 S 8), von wem die Kosten zu tragen sind (§ 10 Abs 1 S 4) und wann die Rechnung zu bezahlen ist (§ 10 Abs 2 S 6). Darüber hinaus verweist § 10 Abs 2 S 3 auf § 302 iVm § 303 SGB V und damit auf die gesetzliche Regelung der Pflichten der Leistungserbringer im Rahmen der Leistungsabrechnung mit den Krankenkassen. Die vertraglichen Informationspflichten des Leistungserbringers gehen damit weit über die Verpflichtungen hinaus, die das LSG festgestellt hat (S 12 des Urteilsumdrucks). Die Parteien des Rahmenvertrages wollten nach dem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur die sich aus den geltenden gesetzlichen Regelungen ergebenden Verpflichtungen wiederholen, sondern darüber hinaus ergänzende Mitteilungspflichten des Leistungserbringers vertraglich vereinbaren. Gleichwohl folgt daraus keine Verpflichtung des Beklagten zur umfassenden Auskunftserteilung und zur Herausgabe der von der Klägerin begehrten Unterlagen.
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(2) Zu Unrecht hat das LSG allerdings angenommen, hieraus könne auf eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke des Rahmenvertrages geschlossen werden. Denn die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt.
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(a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Regelungslücke in einem regelungsbedürftigen Punkt der vertraglichen Regelung (BGHZ 40, 91, 103; BGHZ 77, 301, 304; stRspr). Hierfür genügt nicht jeder offengebliebene Punkt eines Vertrages. Eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllende Lücke ist vielmehr nur dann zu bejahen, wenn die von den Parteien vereinbarte Regelung eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihr zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (BGH Urteil vom 13.2.2004 - V ZR 225/03, NJW 2004, 1873; Staudinger/Roth, BGB, Aufl 2010 § 157 BGB RdNr 15 mwN). Ohne die gebotene Vervollständigung darf eine angemessene interessengerechte Lösung nicht zu erzielen sein (BGH Urteil vom 13.5.1993 - IX ZR 166/92, NJW 1993, 2935; BGHZ 90, 69, 74 f; BGH Urteil vom 12.7.1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115, 116).
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(b) Die Parteien des Rahmenvertrages wollten - § 127 Abs 1 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) entsprechend - Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln sowie über die Abrechnung der Festbeträge regeln (§ 1 Rahmenvertrag). Zur Umsetzung dieses Regelungsplans haben sie insbesondere die im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Unterlagen und Angaben festgelegt und dabei auch bestimmt, dass die gesetzlichen Regelungen und der Rahmenvertrag gelten sollen (§ 10 Abs 2 S 3 Rahmenvertrag). Es kann dahinstehen, ob schon allein diese ausdrückliche Regelung der Geltung der Gesetzesvorschriften eine Regelungslücke ausschließt (vgl BGHZ 40, 91, 103 mwN). Denn zumindest ist es nicht zur Verwirklichung der Ziele des Rahmenvertrages notwendig, weitere und derartig umfassende Auskunfts- und Herausgabepflichten zu statuieren. So waren die Beteiligten zunächst über Jahre in der Lage, die Hilfsmittelversorgung durch den Beklagten und deren Abrechnung gegenüber der Klägerin entsprechend dem Rahmenvertrag und den von ihm in Bezug genommenen gesetzlichen Regelungen durchzuführen. Auch die Klägerin sah sich aufgrund der vom Beklagten übermittelten Belege und Angaben offenkundig in der Lage, die von diesem erbrachten Leistungen zu vergüten, was im Hinblick auf § 303 Abs 3 SGB V für eine ordnungsgemäße Rechnungslegung durch den Beklagten gemäß den Regeln von § 10 Rahmenvertrag spricht. Anders als das LSG meint, ergibt sich die Notwendigkeit einer Ergänzung des Rahmenvertrages um die Verpflichtung des Beklagten zur Vorlage weiterer Unterlagen auch nicht aus dem Interesse der Krankenkasse, ihren Prüfpflichten nach dem SGB V nachkommen zu können. Denn dieses Interesse ist bereits anhand der Regelungen des Rahmenvertrages und damit ohne die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Herausgabe weiterer Unterlagen angemessen berücksichtigt.
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Zudem muss sich die Klägerin vorwerfen lassen, dass sie die Optiker jahrelang hat gewähren lassen - sie hatte die Abwicklung der Abrechnungen einem Rechenzentrum übergeben und offensichtlich keine ausreichende Kontrolle durchgeführt. Es wäre ihr - zumindest mit sachverständiger Unterstützung des MDK - bereits anhand der vom Beklagten bei der Rechnungslegung regelmäßig übermittelten Unterlagen und Angaben durchaus möglich gewesen, das Vorliegen rechtswidriger Hilfsmittelversorgungen oder Anhaltspunkte hierfür festzustellen. Unkorrekte Abrechnungen wären nicht zu vergüten gewesen, zweifelhafte Punkte hätten im jeweiligen Einzelfall gegenüber dem Beklagten zeitnah geltend gemacht werden können und ggf durch den MDK überprüft werden müssen. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe ganze Versorgungsfälle fingiert (Stichwort "unzulässige Doppelversorgung") oder es seien fehlerhafte Versorgungen erfolgt (Stichwort "fehlerhafte Augenglasbestimmung"), hätte ebenfalls im jeweiligen Einzelfall eine zeitnahe Überprüfung unter Beteiligung des Versicherten (zur Einholung von Stellungnahme bei Versicherten im Rahmen der Abrechnungsprüfung s BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1) erfolgen und eine Stellungnahme des MDK eingeholt werden können. Zum Einwand der Klägerin, entsprechende Ermittlungen bei Versicherten seien nicht mehr zielführend, da diese regelmäßig nicht in der Lage seien, Angaben zu einer Versorgung in den Jahren 2001 bis 2003 zu machen, wird übersehen, dass dies im Wesentlichen aus ihrem Verschulden resultiert, weil die Abrechnungsprüfung nicht zeitnah durchgeführt worden ist.
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(c) Die vom LSG angenommene Vertragsergänzung widerspricht darüber hinaus ersichtlich einer abgewogenen Auslegung, weil sie einseitig dem Interesse der Krankenkasse Rechnung trägt, eine Abrechnungsprüfung auch nach Jahren und in gesetzlich nicht vorgesehenem Umfang vornehmen zu dürfen. Der Senat weist in ständiger Rechtsprechung auf das im Leistungserbringerrecht allgemein existierende Beschleunigungsgebot hin (vgl zuletzt Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 21/12 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 20 mwN; zum Bereich der Hilfsmittelversorgung BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13), das ua auf dem schutzwürdigen Interesse beider Seiten an Abrechnungssicherheit beruht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13). Dem widerspräche es, der Krankenkasse - nachdem sie die gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten der Abrechnungsprüfung über Jahre ungenutzt gelassen hat - einen solch umfassenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch einzuräumen. Das Interesse des Leistungserbringers bliebe völlig unberücksichtigt, wenn er allein auf der Grundlage statistischer Abweichungen seines Versorgungsverhaltens gegenüber dem Durchschnitt aller Optiker verpflichtet würde, sämtliche Geschäfts- und Versorgungsunterlagen unabhängig von Anhaltspunkten für eine fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall vorzulegen. Dies gilt hier umso mehr, als die Klägerin vor dem SG selbst erklärt hat, keinen Hinweis für ein betrügerisches Verhalten des Beklagten gefunden zu haben. Damit wäre die vom LSG angenommene ergänzende Vertragsauslegung unvereinbar.
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b. Entgegen der Auffassung des LSG kann sich die Klägerin auch nicht auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts stützen. Insbesondere bestehen keine Auskunfts- und Rechenschaftspflichten auf Grund eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 Abs 1 iVm § 666 BGB) oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); ein etwaiger Anspruch nach dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 Abs 2 BGB)ist völlig fernliegend.
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aa. Entgegen der Auffassung des LSG sind bereits die Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB nicht erfüllt. Denn die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden werden durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend geregelt(§ 69 S 1 SGB V). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind(§ 69 S 3 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB kommt damit nur in Betracht, wenn die Regelungen des SGB V lückenhaft sind (BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 aE). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
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Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Augenoptiker sind durch die §§ 126 und 127 SGB V sowie die darauf fußenden vertraglichen Vereinbarungen abschließend geregelt. Ein Rückgriff auf vertragliche Modelle des BGB kommt daneben nicht in Betracht (so schon für den Bereich der Arzneimittelversorgung BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 ff). Auch die Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln hat ihre Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht. Die Konstruktion eines in jedem einzelnen Versorgungsfall abzuschließenden und den Versicherten drittbegünstigenden öffentlich-rechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse ist damit entbehrlich.
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bb. Ein Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt auch nicht unmittelbar aus § 242 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob der aus § 242 BGB abzuleitende Grundsatz von Treu und Glauben ausschließlich über § 69 S 3 SGB V auf das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten anzuwenden ist(BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 13) oder als auch dem Sozialrecht immanenter allgemeiner Rechtsgrundsatz (BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 13) unmittelbar zur Anwendung kommen kann. Denn auch insoweit bietet das öffentliche Recht die alleinigen Anspruchsgrundlagen (§§ 275 ff SGB V und die ergänzenden vertraglichen Regelungen). Die Klägerin hätte mit zeitnahen Rechnungsprüfungen rechtswidrige Hilfsmittelversorgungen und/oder Abrechnungen erkennen und verhindern können; dies hat sie versäumt. Zudem gebieten Treu und Glauben keinen über die einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen hinausgehende Auskunfts- und Herausgabepflichten, die ausschließlich deshalb nötig werden, weil letztere erst gar nicht oder nicht rechtzeitig genutzt wurden.
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cc. Die Klägerin kann einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht aus dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 BGB) herleiten. Denn Voraussetzung für die Annahme einer diesen Anspruch begründenden rechtlichen Sonderbeziehung wäre, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht und nur der Anspruchsinhalt noch offen ist (BGH Urteil vom 18.1.1978 - VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; Sprau in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, Einführung vor § 823 RdNr 17). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen; die Klägerin selbst hat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines unerlaubten - betrügerischen - Verhaltens des Beklagten gesehen (Schriftsatz vom 30.1.2009 an das SG).
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c. Etwaige Auskunfts- und Herausgabeansprüche der Klägerin gegen den Beklagten scheitern darüber hinaus weitestgehend an der Einrede der Verjährung (dazu aa) und im Übrigen an der Einwendung der Verwirkung (dazu bb).
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aa) Ansprüchen aus der Zeit 2001 und 2002, die Versicherte der Klägerin betreffen, sowie aus dem Zeitraum 2001 bis 2003, die für Versicherte der BEK und der KKH geltend gemacht werden, steht die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Für diese Auskunftsansprüche der Krankenkasse gegen den Leistungserbringer gilt die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren, die mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist - § 45 Abs 1 SGB I.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass die sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren für alle gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern und damit auch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen etwaiger Überzahlung von Vergütungsansprüchen als Kehrseite des Leistungsanspruchs gilt (für die Vergütung von Krankenhausbehandlung sowie die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 S 1 SGB V: BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; für die Vergütung von Krankenhaustransporten: BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22). Die Verjährungsvorschriften des BGB kommen auch über § 69 S 3 SGB V nicht zur Anwendung, weil die Verjährungsfrage schon aus dem Vierten Kapitel des SGB V selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien zu beantworten ist(BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17 ff; BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30). Denn das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in § 45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient. Die Regelung ist aus praktischen und haushaltsrechtlichen Gründen geboten, um jahrzehntelange Auseinandersetzungen einer beschleunigten gerichtlichen Klärung zuzuführen (so bereits BSGE 42, 135 = SozR 3100 § 10 Nr 7 S 10; BSGE 69, 158 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1 S 5; Übertragung auf das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer: BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22).
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Die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl § 45 Abs 1 SGB I; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11). Auch insoweit kommt ein Rückgriff auf die Vorschriften des durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 3138) novellierten bürgerlich-rechtlichen Verjährungsrechts - anders als wohl das LSG meint - nicht in Betracht. Zwar mag sich der Gesetzgeber dort (§ 199 Abs 1 BGB) bewusst dagegen entschieden haben, kurze Verjährungsfristen mit einem kenntnisunabhängigen Beginn der Verjährungsfrist zu kombinieren. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Änderung auch für den Bereich des Sozialrechts habe treffen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage im Sozialrecht gerade nicht hat herbeiführen wollen (vgl für den Bereich des öffentlichen Rechts BVerwGE 132, 324, RdNr 12). Die Entscheidung, ob das neue Regelungssystem auf spezialgesetzlich geregelte Materien übertragen werden kann und welche Sonderregelungen ggf getroffen werden müssten, sollte weiteren Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6857, S 42 zu Nummer 1). Hierzu wurde in der Folge das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) erlassen. Auch dort hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine entsprechende Anpassung des öffentlichen Rechts entschieden, da im öffentlichen Recht grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen gelten würden und auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden könne (BT-Drucks 15/3653 S 10).
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Eine Korrektur der allgemeinen sozialrechtlichen vierjährigen Verjährungsfrist ist vorliegend schließlich auch im Hinblick auf die vom LSG gesehenen "hinreichenden Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug" nicht geboten. Denn Anhaltspunkte genügen zur Bestimmung der maßgeblichen Verjährungsfrist nicht. Welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, bestimmt sich vielmehr nach dem - festgestellten - Sachverhalt zur Zeit der Entstehung des Anspruchs (Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 195 RdNr 14). Es widerspräche der mit der Verjährung (auch im öffentlichen Recht) bezweckten Zielsetzung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, stattdessen auf hinreichende Anhaltspunkte abzustellen. Im Übrigen hat die Klägerin selbst angegeben, keine derartigen Anhaltspunkte vorweisen zu können.
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Daraus folgt für den geltend gemachten Klageanspruch: Ein Anspruch auf Auskunft und Herausgabe von Geschäftsunterlagen wäre ebenso wie ein möglicher Erstattungsanspruch mit Zugang der jeweiligen Abrechnungsunterlagen entstanden. Dementsprechend hat die vierjährige Verjährungsfrist der in den Jahren 2001 und 2002 vergüteten Hilfsmittelversorgungen in entsprechender Anwendung des § 45 Abs 1 SGB I am 1.1.2002 bzw 1.1.2003 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2005 bzw 2006 geendet. Ansprüche aus 2001 und 2002 sind damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 29.12.2007 bereits verjährt gewesen. Dies gilt auch für die Ansprüche, die die Klägerin darüber hinaus in gewillkürter Prozessstandschaft für die BEK und KKH wegen der Versorgung von deren Versicherten im Jahr 2003 geltend macht. Zwar wird in entsprechender Anwendung von § 45 Abs 2 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung gehemmt. Die verjährungshemmende Wirkung tritt im Fall der gewillkürten Prozessstandschaft aber erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist (BGH Urteil vom 7.6.2001 - I ZR 49/99, NJW-RR 2002, 20 mwN). Die Klägerin hat erstmals mit Schriftsatz vom 12.6.2008 (Bl 55 der SG-Gerichtsakte) offengelegt, dass sie mit der Klage nicht nur eigene Ansprüche, sondern darüber hinaus die weiterer Ersatzkrankenkassen, insbesondere der BEK und der KKH, geltend macht. Zum Zeitpunkt der Offenlegung der Prozessstandschaft war damit die vierjährige Verjährungsfrist auch hinsichtlich der von BEK und KKH in 2003 vergüteten Hilfsmittelversorgungen bereits abgelaufen.
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bb) Soweit der Auskunfts- und Herausgabeanspruch nicht an der Einrede der Verjährung scheitert, ist er jedenfalls verwirkt, da die Klägerin die Abrechnungsprüfung entgegen dem sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden Beschleunigungsgrundsatz erst knapp vier Jahre nach Rechnungslegung und vollständigem Rechnungsausgleich eingeleitet hat.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 24 ff; BSGE 89, 104, 109 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 16 f - "Berliner Fälle" sowie zB SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 12) steht die Korrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Danach ist eine Krankenkasse jedenfalls dann mit Einwendungen gegen eine Schlussrechnung ausgeschlossen, wenn sie die Rechnung zeitnah und vorbehaltlos bezahlt hat, ein Prüfverfahren beim MDK ohne nachvollziehbaren Grund dann aber erst Jahre nach Rechnungslegung und kurz vor Ablauf der Verjährung eingeleitet hat. Der Senat hat weiter aus den dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern auf die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme geschlossen und hieraus die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus begrenzt. Wegen des "Prinzips der Waffengleichheit" ist der Senat zudem davon ausgegangen, dass dies - also die Begrenzung der Befugnis zur nachträglichen Korrektur der Abrechnung - auch für nachträglich geltend gemachte Ansprüche der Krankenkasse gilt (vgl Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 26). Dieses vom Senat für den Bereich der Krankenhausabrechnung immer wieder betonte Beschleunigungsgebot bestimmt auch das Abrechnungswesen in der Hilfsmittelversorgung (vgl hierzu bereits SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13).
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Um die Verwirkung eines Rechts anzunehmen, bedarf es dreier Voraussetzungen (stRspr, zuletzt Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27 sowie BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN; vgl auch Grüneberg in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 242 RdNr 93 ff mwN):
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Zeitmoment: Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss ein längerer Zeitraum verstrichen sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin die Abrechnungen des Beklagten bereits in den Jahren 2001, 2002 bzw 2003 überprüfen können und müssen, alle dafür erforderlichen Informationen lagen ihr vor. In Anbetracht der vierjährigen Verjährungsfrist und der Pflicht zur Beschleunigung aller Abrechnungsverfahren ist ein Abwarten von knapp vier Jahren (Abrechnungen aus Dezember 2003 bis zur Klageerhebung am 29.12.2007) bzw mehr als vier Jahren (Abrechnungen vor Dezember 2003) deutlich zu lang. Umstandsmoment: Der Verpflichtete hat sich darauf eingestellt, der Berechtigte werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls erfüllt, weil in der Regel zu erwarten ist, dass Krankenkassen - wie Leistungserbringer - ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Abrechnung folgenden Kalenderjahres wahrgenommen haben (vgl für den Bereich der Krankenhausabrechnung Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27). Hinweise für einen Ausnahmefall sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin ermittelten statistischen Abweichungen des Versorgungsverhaltens des Beklagten, über die dieser schließlich nicht informiert war. Von einem den Vertrauenstatbestand zerstörenden unredlichen Verhalten des Beklagten geht schließlich auch die Klägerin nicht aus. Untätigkeit: Die Klägerin ist knapp bzw mehr als vier Jahre bezüglich der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber dem Beklagten untätig geblieben.
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Damit steht fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung Ende 2007 nicht mehr mit einer Überprüfung seiner Abrechnungen aus den Jahren 2001 bis 2003 rechnen musste, so dass dem entsprechenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch der Klägerin - auch - die Einwendung der Verwirkung entgegensteht.
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3. Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist ausschließlich der Auskunfts- und Herausgabeanspruch, weil SG und LSG zu Recht ausschließlich dazu verhandelt und entschieden haben (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5 und § 157 RdNr 2a aE). Erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Auskunfts- und Herausgabeanspruch sind Verhandlung und Entscheidung über die nächste Stufe zulässig, also über den Leistungsantrag (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 254 RdNr 11). Zwar ist eine gemeinsame Entscheidung über mehrere in der Stufenklage verbundene Anträge nicht ausgeschlossen. Dies setzt aber voraus, dass schon die Prüfung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Greger, aaO, § 254 RdNr 14). Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass dem Senat eine Entscheidung über die nächste Stufe verwehrt ist. Es liegt an den Beteiligten, die Fortsetzung des Rechtsstreits ggf durch Verhandlung und Entscheidung eines Leistungsantrags beim SG zu beantragen (Greger, aaO, § 254 RdNr 14).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG, die Korrektur der Streitwertfestsetzung für die 1. und 2. Instanz aus § 63 Abs 3 GKG. Bei Stufenklagen ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Dies gilt aber nur, wenn in einer Instanz über beide Ansprüche entschieden wird. Ist - wie hier - in allen Instanzen lediglich ein der Informationsgewinnung dienender Auskunftsanspruch oder ein dem gleichen Zweck dienender Herausgabeanspruch Streitgegenstand, ist der Streitwert jeweils nur anhand dieses Anspruchs zu bemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Streitwert für eine Auskunfts- und Herausgabeklage am (ggf zu schätzenden) Leistungsanspruch zu orientieren ist, und je nachdem, in welchem Umfang der Kläger auf die Auskunft zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist, ein Abschlag vorzunehmen ist (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 31). Der Senat schätzt vorliegend den möglichen Erstattungsanspruch der Klägerin auf der zweiten Stufe der Stufenklage auf rund 50 Euro pro Versorgung, zu der vorliegend Angaben bzw Unterlagen angefordert werden. Hiervon ist ein Abschlag in Höhe von einem Drittel vorzunehmen, da die Bedeutung der begehrten Auskunft bzw Unterlagen für den Erstattungsanspruch als erheblich zu bewerten ist, nachdem die Klägerin geltend macht, ohne die Unterlagen eine abschließende Rechnungsprüfung beim Beklagten nicht vornehmen zu können.
(1) Das Berufungsgericht kann durch Beschluss den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, - 2.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, - 3.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und - 4.
nicht bereits im Haupttermin zur Hauptsache verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(2) Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit dem Berufungsgericht zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn
- 1.
sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder - 2.
die Parteien dies übereinstimmend beantragen.
(3) Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(4) In Sachen der Kammer für Handelssachen kann Einzelrichter nur der Vorsitzende sein.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Detmold im Urteil vom 10.07.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des Streitwerts auf 10.000,00 EUR durch das Sozialgericht (SG) Detmold in seinem Urteil vom 10.07.2013.
4Mit ihrer am 12.05.2010 erhobenen Klage wandte sich die Klägerin gegen zwei Beschlüsse vom 27.01.2010 (BA-Nr. 594/2009 und BA Nr. 798/2009), mit denen der Beklagte feststellte, dass die Widersprüche der Klägerin gegen die Beschlüsse vom 24.06.2009 und 30.09.2009 jeweils als zurückgenommen gälten, weil die Widerspruchsgebühr nicht fristgerecht entrichtet worden sei. Mit diesen Beschlüssen hatte der Zulassungsausschuss die Jobsharing-Obergrenzen für die Quartale III/2009 und IV/2009 geändert.
5Das SG hat in seinem Urteil vom 10.07.2013 den Streitwert endgültig auf 10.000,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausführt, dass die Streitwertentscheidung auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) beruhe und den Umstand berücksichtige, dass die Klägerin jeweils gegen die Beschlüsse vom 27.01.2010 Klage erhoben habe.
6Dagegen richtet sich die am 09.09.2013 eingelegte Beschwerde der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass das SG aus der einheitlichen Klage zwei Klagen gemacht habe. Das widerspreche § 36 Abs. 2 GKG. Deshalb dürfe der Streitwert maximal 5.000,00 EUR betragen. Außerdem dürfe der Streitwert nur nach dem Gegenstand des Rechtsstreits berechnet werden. Hier sei aber nicht in der Sache entschieden worden, vielmehr seien allein verfahrensrechtliche Vorfragen streitig gewesen. Selbst wenn § 52 Abs. 2 GKG anwendbar wäre, sei ein ganz erheblicher Abschlag von dem Ausgangsbetrag von 5.000,00 EUR zu machen. Angemessen sei ein Streitwert von 2.000,00 EUR.
7Demgegenüber vertritt der Beklagte die Auffassung, das SG habe den Streitwert zutreffend festgesetzt. Gegen seine beiden Beschlüsse seien zwei Klagen erhoben worden. Der Wert einer jeden könne nicht in einem konkreten Betrag beziffert werden. Deshalb sei für jede Klage der Auffangstreitwert von je 5.000,00 EUR festzusetzen.
8II.
9Die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 68 GKG zulässig.
10Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Die Ausnahmevorschriften der §§ 68 Abs. 2 Satz 7, 66 Abs. 6 Satz 1 GKG, wonach über die Streitwertbeschwerde der Einzelrichter entscheidet, sind im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.12.2009 - L 11 B 7/09 KA -)
11Zunächst liegt ein beschwerdefähiger Streitwertfestungsbeschluss vor. Unschädlich ist, dass die Streitwertfestsetzung in dem Tenor und den Entscheidungsgründen des Urteils des SG vom 10.07.2013 enthalten war (Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage, 2014, § 63 Rdn. 26). Dies bedeutet jedoch nicht, dass das SG die Streitwertfestsetzung fehlerhaft durch Urteil vorgenommen hat. Zwar ist zutreffend, dass die Festsetzung des Streitwerts nicht durch Urteil erfolgen darf (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2008 - L 9 KR 119/08 -). Allerdings kann im Tenor des Urteils auch eine Streitwertfestsetzung aufgenommen werden. Es liegt nämlich auch dann ein Beschluss vor, wenn das Gericht eine Festsetzung in die Urteilsformel oder in die Entscheidungsgründe des Urteils aufgenommen hat. Nicht erforderlich ist, dass Urteil und Beschluss unterschiedliche Rubren und Entscheidungssätze haben und nacheinander abgesetzt werden müssen (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.03.2009 - L 1 AL 35/09 B -). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. Urteile vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R -; 24.09.2008 - B 12 R 10/07 R -; 18.09.2008 - B 3 KS 1/08 R -; 16.07.2008 - B 6 KA 57/07 R -; 05.02.2008 - B 2 U 3/07 R -). Ausreichend ist, wenn ein eindeutiger Wille des Gerichts zu erkennen ist, gerade den Streitwert endgültig festzusetzen (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Dies war vorliegend der Fall. Das SG hat im Tenor und in den Gründen des Urteils deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es eine endgültige Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts getroffen hat.
12Die Streitwertbeschwerde ist jedoch unbegründet.
13Nach § 52 Abs. 2 GKG bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (std. Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 26.03.2012 - L 11 KA 134/11 B -, 17.10.2011 - L 11 KA 123/10 -, 29.08.2011 - L 11 KA 27/11 B -). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen.
14Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass dem Klageverfahren zwei Streitgegenstände zugrunde lagen. Die Klage richtete sich gegen den Beschluss der Beklagten vom 27.01.2010 mit der Nr. BA-Nr. 594/2009 und gegen den Beschluss vom 27.01.2010 mit der BA Nr. 798/2009. Dass es sich dabei nicht um einen, sondern um zwei Beschlüsse gehandelt hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die Beschlüsse auf zwei verschiedene Quartale beziehen, aus den zwei getrennten Aktenzeichen und wird auch dadurch deutlich, dass die Beschlüsse in zwei verschiedenen Dokumenten ergangen sind. Die Formulierung der Klageschrift "hiermit erheben wir Klage gegen den Beschluss des Berufungsausschusses BA-Nr. 594-2009 " und "ebenso erheben wir Klage gegen den Beschluss des Berufungsausschusses BA-Nr. 798-2009" sowie "Die Klagen begründen wir." macht deutlich, dass auch die Klägerin selbst bei Klageerhebung zwei Klagen erheben wollte. Demzufolge handelt es sich um eine Klagehäufung i. S. d. § 260 Zivilprozessordnung, die es ohnehin rechtfertigt, das Verfahren nach § 113 SGG zu trennen (vgl. hierzu auch LSG Hessen, Beschluss vom 23.02.2002 - L 4 KA 71/09 u.a. -).
15Auch war der Streitwert für jeden der beiden Streitgegenstände gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf den Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR festzusetzen. Bei dem Betrag von 5.000,00 EUR handelt es sich um einen fiktiven Streitwert. Er tritt immer und nur dann ein, soweit und solange eine individuelle Bemessung nicht möglich ist, weil hinreichende Anhaltspunkte fehlen (Hartmann, a.a.O., § 52 Rdn. 21). Vorliegend ist ein konkreter Streitwert nicht bezifferbar. In der Sache wandte sich die Klägerin gegen die Festsetzung der Jobsharing-Obergrenze. Ihr Interesse am Ausgang des Verfahrens war also die höhere Vergütung, die sie ohne die Änderung der Jobsharing-Obergrenze hätte erhalten können. Bislang gibt es keine Anhaltspunkte zur Höhe dieser Summe. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin handelt es sich bei dem Klageverfahren auch nicht um eine bloße Vorfrage. Denn die Beklagte hat in den angegriffenen Beschlüssen festgestellt, dass die Widersprüche gegen die Beschlüsse des Zulassungsausschusses als zurückgenommen gelten. Demzufolge wären die angegriffenen Beschlüsse bestandskräftig und die Klägerin könnte für die Quartale III/2009 und IV/2009 dauerhaft keine höhere Vergütung aufgrund einer Änderung der Jobsharing-Obergrenze erhalten.
16Soweit sich die Klägerin auf § 36 Abs. 2 GKG beruft, greift dies nicht. Hiernach gilt: "Sind von einzelnen Wertteilen in demselben Rechtszug für gleiche Handlungen Gebühren zu erheben, darf nicht mehr erhoben werden, als wenn die Gebühr von dem Gesamtbetrag der Wertteile zu berechnen wäre". Der Regelungsgehalt der Norm bezieht sich auf "Wertteile" und "gleiche Handlungen." Hierdurch wird bestimmt, dass die Gesamtgebühr für gleichartige gebührenerzeugende Handlungen nicht höher sein darf als nach dem betroffenen Streitwert (Hartmann, a.a.O., § 36 Rdn. 5). Immer muss es dabei um einen Streitgegenstand innerhalb einer Klage gehen, was im Übrigen aus der Normüberschrift "Teile des Streitgegenstandes" folgt. Darum geht es nicht. Vorliegend ist der Streitwert für zwei mittels Klagehäufung anhängig gemachte Streitgegenstände zu bestimmen. Maßgebend hierfür ist § 39 Abs. 1 GKG. Danach sind die Werte mehrerer Streitgegenstände in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug zusammenzurechnen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Letzteres ist nicht der Fall. Demzufolge hat das SG den Streitwert zutreffend als zwei Streitgegenstände gebildet und mit 10.000,00 EUR festgesetzt.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
18Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§§ 68 Abs. 2 Satz 6, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 18.9.2008 abgeändert. Der Streitwert für das Verfahren S 8 KA 27/06 wird auf 17.148,- € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Umstritten ist der Streitwert für den beim Sozialgericht (SG) Mainz abgeschlossenen Rechtsstreit S 8 KA 27/06.
- 2
In diesem Klageverfahren stritten die Beteiligten über die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen des Klägers im Quartal II/2005. Der Kläger wandte sich gegen die Rechtmäßigkeit eines neuen Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der ehemaligen KÄV Rheinhessen (Rechtsvorgängerin der Beklagten; zukünftig Beklagte). In diesem HVM hatte die Beklagte bestimmt, dass alle abgerechneten Leistungen, welche einer Mengenbegrenzung unterliegen, zu 60 vH mit einem festen Punktwert und zu 40 vH zu einem floatenden Punktwert vergütet werden. Durch Urteil vom 20.8.2008 wies das SG die Klage ab.
- 3
Mit Beschluss vom 18.9.2008 hat das SG den Streitwert für das Klageverfahren auf 5.000,- € festgesetzt. Gegen diesen ihm am 29.9.2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.11.2008 eingelegte Beschwerde des Klägers, der das SG nicht abgeholfen hat.
II.
- 4
Über die Beschwerde entscheidet nicht der Berichterstatter, sondern der gesamte Senat (ebenso Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen 24.2.2006 - L 10 B 21/05 KA; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 155 Rn 9d; aA LSG Thüringen 16.2.2007 - L 6 B 141/06 SF; Sächsisches LSG 9.6.2008 - L 1 B 351/07 KR; LSG Baden-Württemberg 16.12.2008 - L 10 R 5747/08 W-B). Nach § 66 Abs 6 Satz 1 1. Halbsatz Gerichtskostengesetz (GKG) entscheidet das Gericht über die Beschwerde durch eines seiner Mitglieder, wenn die angefochtene Entscheidung von einem „Einzelrichter“ erlassen wurde. Einzelrichter iS dieser Vorschrift ist nur der Richter, dem die Entscheidung über den Rechtsstreit vom gesamten Spruchkörper übertragen wurde (vgl § 526 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dies trifft auf den Kammervorsitzenden des SG nicht zu. Für diese Auslegung des § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GKG spricht neben dem Gesetzeswortlaut auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Diese ist § 568 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nachgebildet (Gesetzesbegründung zum KostRMoG; BT-Drucks 15/1971 S 157). Dies ist ein deutlicher Hinweis dafür, dass die Entscheidung nur dann von einem einzelnen Richter des Spruchkörpers zu treffen ist, wenn die jeweilige Prozessordnung in der betreffenden Fallkonstellation eine Übertragung auf den Einzelrichter erlaubt. Dies ist in der Sozialgerichtsbarkeit hinsichtlich Beschwerdeverfahren nicht der Fall. Zwar sieht auch das SGG für bestimmte Fälle eine Entscheidung durch den Berichterstatter vor (§ 155 SGG). Diese Vorschrift betrifft indes nicht Beschwerdeverfahren.
- 5
Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdefrist ist gewahrt, da die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten eingelegt wurde, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat oder das Verfahren anderweitig erledigt wurde (§ 68 Abs. 1 Satz 3 iVm § 63 Abs. 3 Satz 2 SGG). Die Beschwerde ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € überschreitet (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG).
- 6
Bevor der Senat über die Beschwerde zu befinden hat, hatte das SG über die Abhilfe zu entscheiden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 iVm § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG). Dies gilt auch für die Sozialgerichtsbarkeit, obwohl § 174 SGG (Abhilferecht) durch Art 1 Nr. 30 des SGGArbGGÄndG v 26.3.2008 (BGBl I S 444) aufgehoben wurde. Das folgt aus der Verweisung auf das GKG in § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Diese bewirkt, dass nicht nur die Gebührenvorschriften des GKG, sondern auch die in diesem geregelten Verfahrensvorschriften - auch § 68 Abs. 1 Satz 5 iVm § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG - gelten (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 197a Rn. 7; Groß in Hk-SGG, 3. Auflage, § 197a Rn 16).
- 7
Die Beschwerde ist auch begründet. Abweichend von der angefochtenen Entscheidung ist der Streitwert mit 17.148,-- € festzusetzen. Der Streitwert ist nach der sich aus dem Antrag des Klägers für diesen gegebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Der Regelstreitwert von 5.000,-- € (§ 52 Abs. 2 GKG) ist vorliegend nicht anzusetzen, weil der Sach- und Streitstand für eine anderweitige Bestimmung des Streitwerts genügende Ansatzpunkte bietet. Die Beteiligten haben im Verfahren S 8 KA 27/06 über die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen des Klägers im Quartal II/2005 gestritten. Umstritten war die Rechtmäßigkeit der im HVM der Beklagten normierten Abstaffelungsregelung. Nach der Berechnung der Beklagten beträgt die Differenz zwischen dem Honorar, das der Kläger im Quartal II/2005 erhalten hat, und dem Honorar ohne die Abstaffelung 17.148,- €. Entgegen der Ansicht des SG kommt für die Streitwertfestsetzung dem Umstand, dass der Kläger im Hauptsacheverfahren nur eine Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung beantragt hat, keine entscheidende Bedeutung zu. Auch bei einem solchen Bescheidungsantrag ist nicht ohne weiteres der Regelstreitwert anzusetzen, sofern genügende Anhaltspunkte für eine Streitwertbemessung vorliegen, welche der Bedeutung des Klagebegehrens ausreichend Rechnung trägt (vgl BSG 28.1.2009 - B 6 KA 38/08 B). Dies ist vorliegend in Anbetracht des Klageziels - Honorar in der Höhe, die sich ohne die Abstaffelungsregelung ergäbe - ein Streitwert von 17.148,- €.
- 8
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
- 9
Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss an das Bundessozialgericht ist nicht zulässig (§ 66 Abs 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.05.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren und strafrechtlicher Ermittlungsverfahren ist § 12 Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend anzuwenden. Wird ein solches Verfahren bei einem Gericht der Verwaltungs-, Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit anhängig, ist in der Aufforderung zur Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen darauf hinzuweisen, dass die Klage erst nach Zahlung dieser Gebühr zugestellt und die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig wird.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend.
(2) Der Rechtsanwalt kann aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen. Rechtsbehelfe, die gegeben sind, wenn die Wertfestsetzung unterblieben ist, kann er aus eigenem Recht einlegen.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.
(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 (16) KR 265/09 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 geändert und die Auskunfts- und Herausgabeklage abgewiesen.
-
Die Klägerin trägt die Kosten der Auskunfts- und Herausgabeklage in allen Instanzen.
-
Der Streitwert der Auskunfts- und Herausgabeklage wird für alle Instanzen auf 50 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten über die Erteilung von Auskünften sowie die Herausgabe von Unterlagen zur Abrechnungsprüfung aus den Jahren 2001 bis 2003.
- 2
-
Der beklagte Augenoptiker versorgte in den fraglichen Jahren ua Versicherte der klagenden und zweier weiterer Ersatzkrankenkassen mit Sehhilfen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen und sog Berechtigungsscheine. Aufgrund eines Hinweises der AOK aus dem Jahr 2005 auf möglicherweise fehlerhafte Abrechnungen begann die Klägerin mit der Überprüfung der Abrechnung von Augenoptikern aus den Jahren 2001 bis 2003. Hierzu entwickelte sie zunächst statistische Parameter, anhand derer sie das Versorgungsverhalten einzelner Leistungserbringer mit dem durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker im jeweiligen Land verglich. Nachdem das Versorgungsverhalten des Beklagten - wie das einer Vielzahl anderer Augenoptiker - vom Landesdurchschnitt abwich, forderte die Klägerin von dem damals von ihr beauftragten Rechenzentrum die vom Beklagten in der Zeit vom 1.1.2001 bis 31.12.2003 eingereichten Rechnungsbelege unter Bezugnahme auf § 302 SGB V und § 10 des Vertrages zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker und den Landesvertretungen des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AEV) vom 30.6.1994 (in der Folge: Rahmenvertrag) an.
- 3
-
Am 29.12.2007 hat die Klägerin Klage zum SG Aachen mit dem Ziel erhoben, Auskunft zu erhalten über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Zeitraum 2001 bis 2003 Leistungen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen sowie über Berechtigungsscheine abgerechnet hat, und zwar durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der Karteikarten und Lieferscheine. Später sollte der Beklagte verpflichtet werden, überzahlte Rechnungsbeträge zu erstatten, deren Gesamthöhe aber erst nach Erfüllung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs hätte beziffert werden können. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, eine erste Prüfung habe zahlreiche Auffälligkeiten bei den Abrechnungen des Beklagten ergeben; dies hat sie durch Vorlage eines von ihr im Februar 2008 in Auftrag gegebenen Gutachtens konkretisiert. Danach ergäben sich Berechnungen von Versorgungsleistungen, auf die ein Anspruch der Versicherten nicht bestanden habe. Zudem bestünden Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Fehlabrechnungen, bei denen eine gutachterliche Würdigung und Bewertung aber nur nach Einsicht und Vergleich mit den Kundenkarteikarten und Lieferscheinen erfolgen könne. Die Berechtigungsscheine hätten nicht abschließend geprüft werden können, da der Beklagte sie unvollständig oder widersprüchlich ausgefüllt habe; auch insoweit sei die Sichtung weiterer Unterlagen nötig.
- 4
-
Am 16.5.2008 hat die Klägerin dem SG mitgeteilt, dass die Klage die Erstattungsansprüche sämtlicher dem VdAK und dem AEV angeschlossenen Ersatzkassen betreffe, was sie später auf die Ansprüche der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH, seit 1.4.2009 durch Aufnahme der BKK Allianz "KKH-Allianz", in der Folge nur KKH) und der Barmer Ersatzkasse (BEK, seit 1.1.2010 durch Vereinigung mit der Gmünder Ersatzkasse "Barmer GEK", in der Folge nur BEK) beschränkt hat. Hierzu hat die Klägerin Erklärungen der KKH bzw der BEK vom 27.3.2008 sowie der GEK vom 16.4.2008 vorgelegt, wonach sie am 26.7.2007 beauftragt worden sei, die Abrechnungen von Augenoptikern im Zeitraum 2001 bis 2003 zu überprüfen, soweit die Versorgung von BEK-, GEK- und KKH-Versicherten betroffen sei. Sie sei ermächtigt, alle aus ihrer Sicht notwendigen Schritte nach eigenem Ermessen durchzuführen, wozu auch der Einzug von Forderungen sowie die gerichtliche Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsansprüchen im eigenen Namen gehörten. Alle evtl Erstattungsansprüche gegen Optiker in Nordrhein-Westfalen seien an sie - die Klägerin - abgetreten. Mit Erklärungen vom 18. und 22.9.2009 haben die BEK und die KKH die Klägerin außerdem zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen im Zeitraum 2001 bis 2003 gegen den Beklagten vor dem SG Aachen ermächtigt.
- 5
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Das SG hat den Beklagten verurteilt, Auskunft zu erteilen über sämtliche rund 1500 Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen er im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 Leistungen für namentlich genannte Versicherte der Klägerin, der BEK und der KKH abgerechnet habe, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen Angaben enthalten sind zu Befundwerten (Fern- und Nah-Bereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, Grund der Abgabe der Sehhilfe, Art und Umfang der erbrachten Leistungen inklusive Fassungs- und Glashersteller, mit dem Versicherten abgerechnete Leistungen, Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten sowie - aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten - zur genauen Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, technischen Spezifizierungen und zu den Werten des Artikels, wie zB Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser und zur Anzahl der jeweils gelieferten Artikel (Urteil vom 8.12.2009). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Die Klägerin sei befugt, im Wege der Prozessstandschaft auch Ansprüche der BEK und der KKH geltend zu machen. Der Auskunfts- und Unterlagenherausgabeanspruch der Krankenkassen beruhe zum einen auf einer ergänzenden Auslegung des Rahmenvertrages und zum anderen auf § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 675 Abs 1, § 666 BGB, da zwischen der Klägerin und dem Beklagten bei Lieferung der Sehhilfen jeweils ein den Regeln des Auftragsrechts unterfallender Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen sei. Regelungen des SGB V stünden dem nicht entgegen; insbesondere lasse die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Datenübermittlung nach § 302 Abs 1 SGB V die Befugnis der Krankenkassen unberührt, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen zu den Leistungserbringern die Gesetzmäßigkeit erbrachter Versorgungsleistungen durch Einholung weitergehender Auskünfte zu überprüfen. Der Auskunftsanspruch der Klägerin sei schließlich nicht verjährt, da die Verjährungsfrist nicht vier, sondern wegen hinreichender Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug 30 Jahre betrage.
- 6
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Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Beklagten. Das LSG habe gegen allgemein geltende Auslegungsgrundsätze verstoßen, als es dem Rahmenvertrag die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der streitigen Unterlagen entnommen habe. Gegen Bundesrecht sei weiter verstoßen worden, indem das LSG ergänzend die Regelungen des BGB über das Auftragsrecht angewendet habe. Zumindest sei der Herausgabeanspruch der Klägerin verjährt bzw verwirkt, nachdem die Klägerin gegen das für das Prüfverfahren geltende Beschleunigungsgebot verstoßen habe.
- 7
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Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 (16) KR 265/09 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 zu ändern und die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe von Unterlagen abzuweisen.
- 8
-
Die Klägerin verteidigt die angegriffenen Entscheidungen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision ist begründet. Die Entscheidungen des SG und des LSG sind dahin zu ändern, dass die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe der begehrten Unterlagen abgewiesen wird, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Herausgabe der streitigen Unterlagen besitzt.
- 10
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1. Gegenstand der Revision ist der von der Klägerin umfassend geltend gemachte Anspruch auf die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die beim Beklagten über die Versorgung von Versicherten der Klägerin, der BEK und der KKH mit Sehhilfen im Zeitraum 2001 bis 2003 angefallen sind. Hierfür sind die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt:
- 11
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a. Die Herausgabeklage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Beim Streit zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer handelt es sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 RdNr 5; BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 2 f; BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 14 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 10). Die Klägerin war damit insbesondere nicht in der Lage, den Beklagten durch Verwaltungsakt zur Herausgabe der streitigen Unterlagen zu verpflichten. Der Senat hat weiterhin bereits entschieden, dass das Begehren auf Auskunftserteilung und Herausgabe von (medizinischen) Unterlagen sowie auf Begleichung etwaiger sich aus diesen ergebender Erstattungsansprüche im Wege der auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG iVm § 254 ZPO statthaften Stufenklage verfolgt werden kann(BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 12; s auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5). Zwar will die Klägerin hier mit ihrem Auskunftsbegehren zunächst nur in Erfahrung bringen, ob ihr überhaupt Erstattungsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Dies ist allerdings unschädlich, wenn - wie vorliegend - die Erfüllung des Auskunftsbegehrens auch zur Bezifferung des Erstattungsanspruchs erforderlich ist (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 11 mwN).
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b. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin zur Prozessführung befugt ist, und zwar auch soweit die begehrten Unterlagen die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen.
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Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen bestimmten Prozess als richtige Partei zu führen. Sie ist ohne Weiteres gegeben, wenn der Kläger einen nach seinem Vortrag ihm zustehenden sachlichen Anspruch im eigenen Namen geltend macht. Dagegen bedarf die Prozessführungsbefugnis besonderer Feststellung und Begründung, wenn der Kläger einen fremden materiellen Anspruch im eigenen Namen verfolgt, wie es die Klägerin vorliegend hinsichtlich der Unterlagen tut, die die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen. In diesen Fällen liegt die Prozessführungsbefugnis nur vor, wenn entweder das Gesetz dies ausdrücklich anordnet (gesetzliche Prozessstandschaft) oder der Kläger aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Befugnis handelt und er dabei ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung des fremden materiellen Anspruchs hat (gewillkürte Prozessstandschaft) (stRspr: BSG SozR Nr 3 zu § 69 SGG; BSG SozR 2200 § 639 Nr 1; BSGE 86, 94, 96 f = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 20 f; BSG SozR 3-3300 § 72 Nr 2 S 3 f, jeweils mwN). Zudem dürfen schutzwürdige Belange des Prozessgegners nicht entgegenstehen (BSGE aaO).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. BEK und KKH haben im Rahmen ihrer Erklärungen vom 18. bzw 22.9.2009 der Prozessführung durch die Klägerin hinreichend konkret und bezogen auf die streitigen Ansprüche zugestimmt. Diese Zustimmung genügt zur Begründung einer gewillkürten Prozessstandschaft (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl 2013, § 51 RdNr 33). Es kann offenbleiben, ob ein eigenes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Prüfung von Erstattungsansprüchen Dritter hier bereits aus der Pflicht der Krankenkassen zur Zusammenarbeit nach § 197a Abs 3 SGB V folgt. Denn dieses ergibt sich jedenfalls aus der Verpflichtung der Klägerin zur Erfüllung der ihr von BEK und KKH übertragenen Aufgaben nach § 88 SGB X. Auf dieser Grundlage waren die BEK und KKH berechtigt, die Überprüfung von Leistungsabrechnungen durch Hilfsmittelerbringer als Teil ihrer gesetzlichen Aufgaben (vgl dazu BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 37 f; BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20, RdNr 13) einem anderen Leistungsträger - hier der Klägerin - zu übertragen. Diese erfüllte mit der Prozessführung die gegenüber der BEK und der KKH übernommene Verpflichtung (zur Prozessstandschaft der Postbeamtenkrankenkasse für die Gemeinschaft der privaten Versicherungsunternehmen zur Durchführung der Pflegeversicherung s BSGE 86, 94, 97 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 21). Dass verfahrensrechtliche Interessen des Beklagten beeinträchtigt sein könnten, weil die Klägerin statt der BEK und KKH den Rechtsstreit führt, trägt dieser selbst nicht vor und ist auch anderweitig nicht ersichtlich. Die Klägerin hat die Prozessstandschaft schließlich mit Schriftsatz vom 12.6.2008 auch noch rechtzeitig (vgl BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 67) offengelegt. Deshalb kann es dahinstehen, ob die BEK und die KKH die ihnen ggf gegen den Beklagten zustehenden Erstattungsforderungen mit ihren Erklärungen vom 27.3.2008 wirksam an die Klägerin abgetreten haben, da dies nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt ist und damit auf den Prozess keinen Einfluss haben kann (§ 202 SGG iVm § 265 Abs 2 S 1 ZPO).
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2. Die Klage auf Auskunftserteilung und Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die die rund 1 500 Versorgungen von Versicherten der Klägerin, der BEK und KKH durch den Beklagten im Zeitraum 2001 bis 2003 betreffen, zum Zweck der Abrechnungsprüfung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Auskünfte und die Herausgabe der begehrten Unterlagen. Ein solcher ergibt sich weder aus dem öffentlichen Recht (dazu a) noch aus der (entsprechenden) Anwendung von Vorschriften des BGB (dazu b). Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass Auskunftsansprüchen der Klägerin darüber hinaus weitestgehend die Einrede der Verjährung, zumindest aber die Einwendung der Verwirkung entgegenstehen (dazu c).
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a. Die Klägerin kann ihren Anspruch weder auf Vorschriften des SGB noch auf eine die Hilfsmittelversorgung ergänzend regelnde Vereinbarung nach § 127 SGB V stützen.
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aa. Die hier geltend gemachten Ansprüche der Krankenkasse bzw die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Auskunft und ggf Herausgabe von Unterlagen sind als Bestandteil des Leistungserbringerrechts zunächst im SGB V geregelt. Soweit sie Sozialdaten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betreffen, sind ergänzend die Regelungen des SGB I und SGB X zu berücksichtigen. Dementsprechend gilt für die Ansprüche der Krankenkasse bzw die Auskunfts- und Herausgabepflicht des Hilfsmittelerbringers Folgendes:
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(1) Die Klägerin fordert die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe von Unterlagen, die die Befundwerte der Versicherten, den Grund der Abgabe der Sehhilfe, die Art und den Umfang der erbrachten Leistung und die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung enthalten. Hierbei handelt es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter natürlicher Personen und damit um Sozialdaten iS von § 67 Abs 1 S 1 SGB X.
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Die Erhebung von Sozialdaten durch die Krankenkassen ist nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig (§ 35 Abs 2 SGB I idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches - 2. SGBÄndG - vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Danach dürfen Sozialdaten ohne Mitwirkung des Betroffenen bei anderen als den in § 35 SGB I bzw § 69 Abs 2 SGB X genannten Stellen und Personen - mithin auch bei Leistungserbringern - nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt(§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst a SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I) oder wenn die Aufgaben der Krankenkasse nach dem SGB ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst b SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I).
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Allein aus der Befugnis der Krankenkasse, Sozialdaten zu erheben, folgt allerdings noch nicht, dass die Personen oder Stellen, bei denen die Daten angefordert werden, ihrerseits automatisch zur Übermittlung dieser Daten verpflichtet sind. Dementsprechend regelt das SGB X im Zweiten Kapitel (§§ 67 bis 85a) die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Übermittlung von Sozialdaten durch Leistungsträger wie die Krankenkassen zulässig ist, während die Auskunftspflichten Dritter gegenüber den Leistungsträgern Gegenstand des Dritten Kapitels des SGB X (§§ 86 bis 119) sind. Eine entsprechende Differenzierung nimmt das SGB V vor, indem es in den §§ 284 bis 293 die Informationsgrundlagen, insbesondere die Datenerhebungsbefugnisse der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen regelt, und in den §§ 294 bis 303 SGB V spiegelbildlich die entsprechenden Pflichten der Leistungserbringer zur Datenübermittlung bestimmt(BSGE 90, 1, 5 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 24).
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Auf dieser Grundlage bestehen zwischen den Beteiligten im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch die Klägerin folgende Auskunftsansprüche bzw -pflichten:
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(a) Die Krankenkassen dürfen - in dem hier relevanten Bereich der Abrechnungsprüfung - Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Prüfung der Leistungspflicht und die Gewährung von Leistungen an Versicherte, die Beteiligung des Medizinischen Dienstes nach § 275 SGB V oder die Abrechnung mit den Leistungserbringern und die Überwachung des Wirtschaftlichkeitsgebots erforderlich sind(§ 284 Abs 1 S 1 Nr 4 und 7 bis 9 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Demgegenüber sind Leistungserbringer nach § 294 SGB V(ebenfalls idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229) verpflichtet, "die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen (…) notwendigen Angaben, die aus der Erbringung (…) sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen (…) oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen".
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(aa) Für den hier relevanten Bereich der Abrechnung von Hilfsmitteln verpflichten § 302, § 303 SGB V die Leistungserbringer, der Krankenkasse maschinenlesbar in den Abrechnungsbelegen die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291 Abs 2 Nr 1 bis 6 SGB V zur Krankenversicherungskarte anzugeben; bei der Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V zu verwenden(§ 302 Abs 1 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Damit ist aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind (vgl BT-Drucks 12/3608 S 125, zu Nummer 142 <§ 302>, die insoweit auf die für die anderen Leistungsbereiche geltende Regelung zu Nummer 141<§ 301> verweist). Nach der zugrunde liegenden Vorstellung des Gesetzgebers sind damit die wesentlichen Angaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung mit den Hilfsmittelerbringern benötigt (BT-Drucks 12/3608 S 125). Das Nähere über die Form und den Inhalt des Abrechnungsverfahrens bestimmen die Spitzenverbände der Krankenkassen (heute: Spitzenverband Bund der Krankenkassen) in Richtlinien, die in den Leistungs- und Lieferverträgen zu beachten sind (§ 302 Abs 2 S 1 SGB V). Vorliegend sind die Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "sonstigen Leistungserbringern" sowie Hebammen und Entbindungspflegern(§ 301a SGB V) vom 9.5.1996 (BAnz Nr 112 vom 20.6.1996, zuletzt geändert durch Beschluss vom 13.3.2003; in der Folge: Richtlinie) maßgeblich gewesen. Haben die Hilfsmittelerbringer die Daten nach § 302 Abs 1 SGB V in dem jeweils zugelassenen Umfang nicht maschinenlesbar oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern abgegeben oder übermittelt, so haben die Krankenkassen die Daten nachzuerfassen(§ 303 Abs 3 S 1 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGB I 2190). Wie der Senat bereits zur entsprechenden Regelung für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlungen entschieden hat, dürfen die Krankenkassen bei Zweifeln und Unklarheiten in Bezug auf die übermittelten Daten durch nicht-medizinische Nachfragen selbst beim Leistungserbringer klären, ob die jeweiligen Voraussetzungen der Zahlungspflicht im Einzelfall gegeben sind (sog erste Stufe der Sachverhaltserhebung, vgl für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlung nach § 301 SGB V: BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 21; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 19). Dieses Recht steht den Krankenkassen auch in Bezug auf die übrigen Leistungserbringer zu.
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(bb) Die Klägerin kann ihren Auskunfts- und Herausgabeanspruch im vorliegenden Fall nicht auf § 302 SGB V iVm der Richtlinie stützen. Insoweit ist - nachdem die Klägerin bzw die von ihr vertretenen BEK und KKH die streitigen Abrechnungen bereits vergütet haben - zunächst davon auszugehen, dass der Beklagte die entsprechenden Angaben bereits ordnungsgemäß übermittelt hat. Dies gilt auch für die Verpflichtung aus § 302 SGB V iVm §§ 2 bis 5 Richtlinie zur Übermittlung der dort genannten weiteren Abrechnungsdaten sowie der sog Urbelege(Verordnungsblätter, Berechtigungs- und Reparaturscheine, § 2 Abs 1 b Richtlinie). Bei diesen Urbelegen handelt es sich um von der Richtlinie vorgegebene Muster (§ 3 Richtlinie), die vom Leistungserbringer in einem bestimmten Format maschinenlesbar zu übermitteln sind. Die Klägerin selbst behauptet aber nicht, dass der Beklagte diesen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen ist. Darüber hinaus besteht weder aus § 302 SGB V noch nach der Richtlinie eine Verpflichtung des Beklagten, die von der Klägerin begehrten Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen und bei ihm darüber hinaus ggf vorliegenden weiteren Unterlagen herauszugeben. Das Klagebegehren richtet sich auch nicht auf ein zulässiges Nachfragen der Krankenkasse beim Leistungserbringer, um Zweifel und Unklarheiten im Einzelfall in Bezug auf die nach § 302 SGB V übermittelten Daten zu klären.
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(b) Die Klägerin kann ihren weiten Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht auf die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) stützen. Zwar sieht § 276 Abs 2 SGB V weitere Mitteilungspflichten von Leistungserbringern vor, die allerdings auf die anschließende medizinische Begutachtung eines Leistungs- oder Abrechnungsfalles durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gerichtet sind. Dieser darf Sozialdaten erheben, soweit dies für seine gutachterliche Stellungnahme erforderlich ist (§ 276 Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V). Voraussetzung ist aber nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V - die weiteren Alternativen dieser Vorschrift kommen ersichtlich nicht in Betracht - ein Prüfauftrag der Krankenkasse an den MDK entweder wegen der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungserbringung oder wegen Auffälligkeiten der ordnungsgemäßen Abrechnung. Daran fehlt es hier; die Klägerin vermutet zwar das Fehlen von ordnungsgemäßen Abrechnungen des Klägers in zahlreichen Fällen, sie hat dazu jedoch - aus ihrer Sicht folgerichtig - kein medizinisches Überprüfungsverfahren beim MDK eingeleitet. Ein solches Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V hinsichtlich sämtlicher Abrechnungsvorgänge des Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 wäre im Übrigen auch unzulässig, da die Klägerin keine Auffälligkeit im Einzelfall geltend macht. Eine Auffälligkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22 mwN); daran fehlt es hier.
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Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin behauptet, nach dem von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten seien bei einigen Abrechnungen des Beklagten konkrete Fragen zu deren sachlich-rechnerischen Richtigkeit offen. Sie macht aber weder geltend noch ist es anderweitig ersichtlich, dass es zur Überprüfung dieser auffälligen Abrechnungen sämtlicher Abrechnungsunterlagen des Beklagten aus drei Jahren bedarf. Die Klägerin beruft sich vielmehr auf statistische Abweichungen im Versorgungsverhalten des Beklagten vom durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker in Nordrhein-Westfalen, die sie durch Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Abrechnung durch den Beklagten in Einzelfällen bestätigt sieht, und glaubt daraus ableiten zu können, mittels der von ihr begehrten Auskünfte und Unterlagen die komplette Versorgung durch den Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 überprüfen zu dürfen. Für eine derartige umfassende Ausforschung bietet das an Auffälligkeiten im Einzelfall anknüpfende Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V und damit auch die in dessen Rahmen bestehende Auskunftspflicht des Leistungserbringers nach § 276 SGB V keine Grundlage.
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(2) Die vorstehenden Ausführungen gelten erst recht für die begehrte Übermittlung von Daten, die zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Beklagten - Unterlagen von Lieferanten und deren Abrechnungen sowie Kundendaten aller Art - gehören (§ 35 Abs 4 SGB I idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Es ist im SGB keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die eine derartige Auskunftspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin begründen könnte.
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bb. Der Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung und Herausgabe von Unterlagen ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Rahmenvertrages vom 30.6.1994 oder dessen ergänzender Vertragsauslegung.
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(1) Allerdings geht das LSG zu Recht davon aus, dass § 10 Rahmenvertrag die vom Leistungserbringer im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Angaben und Unterlagen konkretisiert. Dort ist insbesondere geregelt, wann diese zu erfolgen hat (einmal monatlich bis zum 10. des auf das Ende der letzten Lieferung folgenden Monats, § 10 Abs 1 S 1, Abs 2 S 4), welche Unterlagen vorzulegen sind (ärztliche Verordnung oder Berechtigungsschein mit Datum und Bestätigung über den Empfang der Sehhilfe oder sonstigen Leistung durch den Versicherten und Stempel des Augenoptikers, § 10 Abs 1 S 2 und 3, Abs 2 S 4), wie die Lieferungen zu bezeichnen sind (§ 10 Abs 2 S 1), welcher Festpreis ggf gilt (§ 10 Abs 2 S 8), von wem die Kosten zu tragen sind (§ 10 Abs 1 S 4) und wann die Rechnung zu bezahlen ist (§ 10 Abs 2 S 6). Darüber hinaus verweist § 10 Abs 2 S 3 auf § 302 iVm § 303 SGB V und damit auf die gesetzliche Regelung der Pflichten der Leistungserbringer im Rahmen der Leistungsabrechnung mit den Krankenkassen. Die vertraglichen Informationspflichten des Leistungserbringers gehen damit weit über die Verpflichtungen hinaus, die das LSG festgestellt hat (S 12 des Urteilsumdrucks). Die Parteien des Rahmenvertrages wollten nach dem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur die sich aus den geltenden gesetzlichen Regelungen ergebenden Verpflichtungen wiederholen, sondern darüber hinaus ergänzende Mitteilungspflichten des Leistungserbringers vertraglich vereinbaren. Gleichwohl folgt daraus keine Verpflichtung des Beklagten zur umfassenden Auskunftserteilung und zur Herausgabe der von der Klägerin begehrten Unterlagen.
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(2) Zu Unrecht hat das LSG allerdings angenommen, hieraus könne auf eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke des Rahmenvertrages geschlossen werden. Denn die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt.
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(a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Regelungslücke in einem re-gelungsbedürftigen Punkt der vertraglichen Regelung (BGHZ 40, 91, 103; BGHZ 77, 301, 304; stRspr). Hierfür genügt nicht jeder offengebliebene Punkt eines Vertrages. Eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllende Lücke ist vielmehr nur dann zu bejahen, wenn die von den Parteien vereinbarte Regelung eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihr zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (BGH Urteil vom 13.2.2004 - V ZR 225/03, NJW 2004, 1873; Staudinger/Roth, BGB, Aufl 2010, § 157 BGB RdNr 15 mwN). Ohne die gebotene Vervollständigung darf eine angemessene interes-sengerechte Lösung nicht zu erzielen sein (BGH Urteil vom 13.5.1993 - IX ZR 166/92, NJW 1993, 2935; BGHZ 90, 69, 74 f; BGH Urteil vom 12.7.1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115, 116).
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(b) Die Parteien des Rahmenvertrages wollten - § 127 Abs 1 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) entsprechend - Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln sowie über die Abrechnung der Festbeträge regeln (§ 1 Rahmenvertrag). Zur Umsetzung dieses Regelungsplans haben sie insbesondere die im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Unterlagen und Angaben festgelegt und dabei auch bestimmt, dass die gesetzlichen Regelungen und der Rahmenvertrag gelten sollen (§ 10 Abs 2 S 3 Rahmenvertrag). Es kann dahinstehen, ob schon allein diese ausdrückliche Regelung der Geltung der Gesetzesvorschriften eine Regelungslücke ausschließt (vgl BGHZ 40, 91, 103 mwN). Denn zumindest ist es nicht zur Verwirklichung der Ziele des Rahmenvertrages notwendig, weitere und derartig umfassende Auskunfts- und Herausgabepflichten zu statuieren. So waren die Beteiligten zunächst über Jahre in der Lage, die Hilfsmittelversorgung durch den Beklagten und deren Abrechnung gegenüber der Klägerin entsprechend dem Rahmenvertrag und den von ihm in Bezug genommenen gesetzlichen Regelungen durchzuführen. Auch die Klägerin sah sich aufgrund der vom Beklagten übermittelten Belege und Angaben offenkundig in der Lage, die von diesem erbrachten Leistungen zu vergüten, was im Hinblick auf § 303 Abs 3 SGB V für eine ordnungsgemäße Rechnungslegung durch den Beklagten gemäß den Regeln von § 10 Rahmenvertrag spricht. Anders als das LSG meint, ergibt sich die Notwendigkeit einer Ergänzung des Rahmenvertrages um die Verpflichtung des Beklagten zur Vorlage weiterer Unterlagen auch nicht aus dem Interesse der Krankenkasse, ihren Prüfpflichten nach dem SGB V nachkommen zu können. Denn dieses Interesse ist bereits anhand der Regelungen des Rahmenvertrages und damit ohne die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Herausgabe weiterer Unterlagen angemessen berücksichtigt.
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Zudem muss sich die Klägerin vorwerfen lassen, dass sie die Optiker jahrelang hat gewähren lassen - sie hatte die Abwicklung der Abrechnungen einem Rechenzentrum übergeben und offensichtlich keine ausreichende Kontrolle durchgeführt. Es wäre ihr - zumindest mit sachverständiger Unterstützung des MDK - bereits anhand der vom Beklagten bei der Rechnungslegung regelmäßig übermittelten Unterlagen und Angaben durchaus möglich gewesen, das Vorliegen rechtswidriger Hilfsmittelversorgungen oder Anhaltspunkte hierfür festzustellen. Unkorrekte Abrechnungen wären nicht zu vergüten gewesen, zweifelhafte Punkte hätten im jeweiligen Einzelfall gegenüber dem Beklagten zeitnah geltend gemacht werden können und ggf durch den MDK überprüft werden müssen. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe ganze Versorgungsfälle fingiert (Stichwort "unzulässige Doppelversorgung") oder es seien fehlerhafte Versorgungen erfolgt (Stichwort "fehlerhafte Augenglasbestimmung"), hätte ebenfalls im jeweiligen Einzelfall eine zeitnahe Überprüfung unter Beteiligung des Versicherten (zur Einholung von Stellungnahmen bei Versicherten im Rahmen der Abrechnungsprüfung s BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1) erfolgen und eine Stellungnahme des MDK eingeholt werden können. Zum Einwand der Klägerin, entsprechende Ermittlungen bei Versicherten seien nicht mehr zielführend, da diese regelmäßig nicht in der Lage seien, Angaben zu einer Versorgung in den Jahren 2001 bis 2003 zu machen, wird übersehen, dass dies im Wesentlichen aus ihrem Verschulden resultiert, weil die Abrechnungsprüfung nicht zeitnah durchgeführt worden ist.
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(c) Die vom LSG angenommene Vertragsergänzung widerspricht darüber hinaus ersichtlich einer abgewogenen Auslegung, weil sie einseitig dem Interesse der Krankenkasse Rechnung trägt, eine Abrechnungsprüfung auch nach Jahren und in gesetzlich nicht vorgesehenem Umfang vornehmen zu dürfen. Der Senat weist in ständiger Rechtsprechung auf das im Leistungserbringerrecht allgemein existierende Beschleunigungsgebot hin (vgl zuletzt Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 21/12 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 20 mwN; zum Bereich der Hilfsmittelversorgung BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13), das ua auf dem schutzwürdigen Interesse beider Seiten an Abrechnungssicherheit beruht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13). Dem widerspräche es, der Krankenkasse - nachdem sie die gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten der Abrechnungsprüfung über Jahre ungenutzt gelassen hat - einen solch umfassenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch einzuräumen. Das Interesse des Leistungserbringers bliebe völlig unberücksichtigt, wenn er allein auf der Grundlage statistischer Abweichungen seines Versorgungsverhaltens gegenüber dem Durchschnitt aller Optiker verpflichtet würde, sämtliche Geschäfts- und Versorgungsunterlagen unabhängig von Anhaltspunkten für eine fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall vorzulegen. Dies gilt hier umso mehr, als die Klägerin vor dem SG selbst erklärt hat, keinen Hinweis für ein betrügerisches Verhalten des Beklagten gefunden zu haben. Damit wäre die vom LSG angenommene ergänzende Vertragsauslegung unvereinbar.
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b. Entgegen der Auffassung des LSG kann sich die Klägerin auch nicht auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts stützen. Insbesondere bestehen keine Auskunfts- und Rechenschaftspflichten auf Grund eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 Abs 1 iVm § 666 BGB) oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); ein etwaiger Anspruch nach dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 Abs 2 BGB)ist völlig fernliegend.
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aa. Entgegen der Auffassung des LSG sind bereits die Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB nicht erfüllt. Denn die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden werden durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend geregelt(§ 69 S 1 SGB V). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind(§ 69 S 3 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB kommt damit nur in Betracht, wenn die Regelungen des SGB V lückenhaft sind (BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 aE). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
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Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Augenoptiker sind durch die §§ 126 und 127 SGB V sowie die darauf fußenden vertraglichen Vereinbarungen abschließend geregelt. Ein Rückgriff auf vertragliche Modelle des BGB kommt daneben nicht in Betracht (so schon für den Bereich der Arzneimittelversorgung BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 ff). Auch die Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln hat ihre Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht. Die Konstruktion eines in jedem einzelnen Versorgungsfall abzuschließenden und den Versicherten drittbegünstigenden öffentlich-rechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse ist damit entbehrlich.
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bb. Ein Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unmittelbar aus § 242 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob der aus § 242 BGB abzuleitende Grundsatz von Treu und Glauben ausschließlich über § 69 S 3 SGB V auf das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten anzuwenden ist(BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 13) oder als auch dem Sozialrecht immanenter allgemeiner Rechtsgrundsatz (BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 13) unmittelbar zur Anwendung kommen kann. Denn auch insoweit bietet das öffentliche Recht die alleinigen Anspruchsgrundlagen (§§ 275 ff SGB V und die ergänzenden vertraglichen Rege-lungen). Die Klägerin hätte mit zeitnahen Rechnungsprüfungen rechtswidrige Hilfsmittel-versorgungen und/oder Abrechnungen erkennen und verhindern können; dies hat sie versäumt. Zudem gebieten Treu und Glauben keine über die einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen hinausgehenden Auskunfts- und Herausgabepflichten, nur weil die bestehenden nicht oder nicht rechtzeitig genutzt wurden.
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cc. Die Klägerin kann einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht aus dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 BGB) herleiten. Denn Voraussetzung für die Annahme einer diesen Anspruch begründenden rechtlichen Sonderbeziehung wäre, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht und nur der Anspruchsinhalt noch offen ist (BGH Urteil vom 18.1.1978 - VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; Sprau in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, Einführung vor § 823 RdNr 17). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen; die Klägerin selbst hat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines unerlaubten - betrügerischen - Verhaltens des Beklagten gesehen (Schriftsatz vom 30.1.2009 an das SG).
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c. Etwaige Auskunfts- und Herausgabeansprüche der Klägerin gegen den Beklagten scheitern darüber hinaus weitestgehend an der Einrede der Verjährung (dazu aa) und im Übrigen an der Einwendung der Verwirkung (dazu bb).
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aa. Ansprüchen aus der Zeit 2001 und 2002, die Versicherte der Klägerin betreffen, sowie aus dem Zeitraum 2001 bis 2003, die für Versicherte der BEK und der KKH geltend gemacht werden, steht die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Für diese Auskunftsansprüche der Krankenkasse gegen den Leistungserbringer gilt die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren, die mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist - § 45 Abs 1 SGB I.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass die sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren für alle gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern und damit auch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen etwaiger Überzahlung von Vergütungsansprüchen als Kehrseite des Leistungsanspruchs gilt (für die Vergütung von Krankenhausbehandlung sowie die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 S 1 SGB V: BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; für die Vergütung von Krankenhaustransporten: BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22). Die Verjährungsvorschriften des BGB kommen auch über § 69 S 3 SGB V nicht zur Anwendung, weil die Verjährungsfrage schon aus dem Vierten Kapitel des SGB V selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien zu beantworten ist(BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17 ff; BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30). Denn das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in § 45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient. Die Regelung ist aus praktischen und haushaltsrechtlichen Gründen geboten, um jahrzehntelange Auseinandersetzungen einer beschleunigten gerichtlichen Klärung zuzuführen (so bereits BSGE 42, 135 = SozR 3100 § 10 Nr 7 S 10; BSGE 69, 158 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1 S 5; Übertragung auf das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer: BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22).
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Die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl § 45 Abs 1 SGB I; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11). Auch insoweit kommt ein Rückgriff auf die Vorschriften des durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 3138) novellierten bürgerlich-rechtlichen Verjährungsrechts - anders als wohl das LSG meint - nicht in Betracht. Zwar mag sich der Gesetzgeber dort (§ 199 Abs 1 BGB) bewusst dagegen entschieden haben, kurze Verjährungsfristen mit einem kenntnisunabhängigen Beginn der Verjährungsfrist zu kombinieren. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Änderung auch für den Bereich des Sozialrechts habe treffen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage im Sozialrecht gerade nicht hat herbeiführen wollen (vgl für den Bereich des öffentlichen Rechts BVerwGE 132, 324, RdNr 12). Die Entscheidung, ob das neue Regelungssystem auf spezialgesetzlich geregelte Materien übertragen werden kann und welche Sonderregelungen ggf getroffen werden müssten, sollte weiteren Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6857, S 42 zu Nummer 1). Hierzu wurde in der Folge das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) erlassen. Auch dort hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine entsprechende Anpassung des öffentlichen Rechts entschieden, da im öffentlichen Recht grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen gelten würden und auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden könne (BT-Drucks 15/3653 S 10).
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Eine Korrektur der allgemeinen sozialrechtlichen vierjährigen Verjährungsfrist ist vorliegend schließlich auch im Hinblick auf die vom LSG gesehenen "hinreichenden Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug" nicht geboten. Denn Anhaltspunkte genügen zur Bestimmung der maßgeblichen Verjährungsfrist nicht. Welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, bestimmt sich vielmehr nach dem - festgestellten - Sachverhalt zur Zeit der Entstehung des Anspruchs (Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 195 RdNr 14). Es widerspräche der mit der Verjährung (auch im öffentlichen Recht) bezweckten Zielsetzung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, stattdessen auf hinreichende Anhaltspunkte abzustellen. Im Übrigen hat die Klägerin selbst angegeben, keine derartigen Anhaltspunkte vorweisen zu können.
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Daraus folgt für den geltend gemachten Klageanspruch: Ein Anspruch auf Auskunft und Herausgabe von Geschäftsunterlagen wäre ebenso wie ein möglicher Erstattungsanspruch mit Zugang der jeweiligen Abrechnungsunterlagen entstanden. Dementsprechend hat die vierjährige Verjährungsfrist der in den Jahren 2001 und 2002 vergüteten Hilfsmittelversorgungen in entsprechender Anwendung des § 45 Abs 1 SGB I am 1.1.2002 bzw 1.1.2003 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2005 bzw 2006 geendet. Ansprüche aus 2001 und 2002 sind damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 29.12.2007 bereits verjährt gewesen. Dies gilt auch für die Ansprüche, die die Klägerin darüber hinaus in gewillkürter Prozessstandschaft für die BEK und KKH wegen der Versorgung von deren Versicherten im Jahr 2003 geltend macht. Zwar wird in entsprechender Anwendung von § 45 Abs 2 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung gehemmt. Die verjährungshemmende Wirkung tritt im Fall der gewillkürten Prozessstandschaft aber erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist (BGH Urteil vom 7.6.2001 - I ZR 49/99, NJW-RR 2002, 20 mwN). Die Klägerin hat erstmals mit Schriftsatz vom 12.6.2008 offengelegt, dass sie mit der Klage nicht nur eigene Ansprüche, sondern darüber hinaus die weiterer Ersatzkrankenkassen, insbesondere der BEK und der KKH, geltend macht. Zum Zeitpunkt der Offenlegung der Prozessstandschaft war damit die vierjährige Verjährungsfrist auch hinsichtlich der von BEK und KKH in 2003 vergüteten Hilfsmittelversorgungen bereits abgelaufen.
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bb. Soweit der Auskunfts- und Herausgabeanspruch nicht an der Einrede der Verjährung scheitert, ist er jedenfalls verwirkt, da die Klägerin die Abrechnungsprüfung entgegen dem sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden Beschleunigungsgrundsatz erst knapp vier Jahre nach Rechnungslegung und vollständigem Rechnungsausgleich eingeleitet hat.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 24 ff; BSGE 89, 104, 109 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 16 f - "Berliner Fälle" sowie zB SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 12) steht die Korrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Danach ist eine Krankenkasse jedenfalls dann mit Einwendungen gegen eine Schlussrechnung ausgeschlossen, wenn sie die Rechnung zeitnah und vorbehaltlos bezahlt hat, ein Prüfverfahren beim MDK ohne nachvollziehbaren Grund dann aber erst Jahre nach Rechnungslegung und kurz vor Ablauf der Verjährung eingeleitet hat. Der Senat hat weiter aus den dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern auf die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme geschlossen und hieraus die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus begrenzt. Wegen des "Prinzips der Waffengleichheit" ist der Senat zudem davon ausgegangen, dass dies - also die Begrenzung der Befugnis zur nachträglichen Korrektur der Abrechnung - auch für nachträglich geltend gemachte Ansprüche der Krankenkasse gilt (vgl Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 26). Dieses vom Senat für den Bereich der Krankenhausabrechnung immer wieder betonte Beschleunigungsgebot bestimmt auch das Abrechnungswesen in der Hilfsmittelversorgung (vgl hierzu bereits SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13).
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Um die Verwirkung eines Rechts anzunehmen, bedarf es dreier Voraussetzungen (stRspr, zuletzt Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27 sowie BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN; vgl auch Grüneberg in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 242 RdNr 93 ff mwN):
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Zeitmoment: Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss ein längerer Zeitraum verstrichen sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin die Abrechnungen des Beklagten bereits in den Jahren 2001, 2002 bzw 2003 überprüfen können und müssen, alle dafür erforderlichen Informationen lagen ihr vor. In Anbetracht der vierjährigen Verjährungsfrist und der Pflicht zur Beschleunigung aller Abrechnungsverfahren ist ein Abwarten von knapp vier Jahren (Abrechnungen aus Dezember 2003 bis zur Klageerhebung am 29.12.2007) bzw mehr als vier Jahren (Abrechnungen vor Dezember 2003) deutlich zu lang. Umstandsmoment: Der Verpflichtete hat sich darauf eingestellt, der Berechtigte werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls erfüllt, weil in der Regel zu erwarten ist, dass Krankenkassen - wie Leistungserbringer - ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Abrechnung folgenden Kalenderjahres wahrgenommen haben (vgl für den Bereich der Krankenhausabrechnung Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27). Hinweise für einen Ausnahmefall sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin ermittelten statistischen Abweichungen des Versorgungsverhaltens des Beklagten, über die dieser schließlich nicht informiert war. Von einem den Vertrauenstatbestand zerstörenden unredlichen Verhalten des Beklagten geht schließlich auch die Klägerin nicht aus. Untätigkeit: Die Klägerin ist knapp bzw mehr als vier Jahre bezüglich der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber dem Beklagten untätig geblieben.
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Damit steht fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung Ende 2007 nicht mehr mit einer Überprüfung seiner Abrechnungen aus den Jahren 2001 bis 2003 rechnen musste, so dass dem entsprechenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch der Klägerin - auch - die Einwendung der Verwirkung entgegensteht.
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3. Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist ausschließlich der Auskunfts- und Herausgabeanspruch, weil SG und LSG zu Recht ausschließlich dazu verhandelt und entschieden haben (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5 und § 157 RdNr 2a aE). Erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Auskunfts- und Herausgabeanspruch sind Verhandlung und Entscheidung über die nächste Stufe zulässig, also über den Leistungsantrag (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 254 RdNr 11). Zwar ist eine gemeinsame Entscheidung über mehrere in der Stufenklage verbundene Anträge nicht ausgeschlossen. Dies setzt aber voraus, dass schon die Prüfung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Greger, aaO, § 254 RdNr 14). Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass dem Senat eine Entscheidung über die nächste Stufe verwehrt ist. Es liegt an den Beteiligten, die Fortsetzung des Rechtsstreits ggf durch Verhandlung und Entscheidung eines Leistungsantrags beim SG zu beantragen (Greger, aaO, § 254 RdNr 14).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG, die Korrektur der Streitwertfestsetzung für die 1. und 2. Instanz aus § 63 Abs 3 GKG. Bei Stufenklagen ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Dies gilt aber nur, wenn in einer Instanz über beide Ansprüche entschieden wird. Ist - wie hier - in allen Instanzen lediglich ein der Informationsgewinnung dienender Auskunftsanspruch oder ein dem gleichen Zweck dienender Herausgabeanspruch Streitgegenstand, ist der Streitwert jeweils nur anhand dieses Anspruchs zu bemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Streitwert für eine Auskunfts- und Herausgabeklage am (ggf zu schätzenden) Leistungsanspruch zu orientieren ist, und je nachdem, in welchem Umfang der Kläger auf die Auskunft zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist, ein Abschlag vorzunehmen ist (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 31). Der Senat schätzt vorliegend den möglichen Erstattungsanspruch der Klägerin auf der zweiten Stufe der Stufenklage auf rund 50 Euro pro Versorgung, zu der vorliegend Angaben bzw Unterlagen angefordert werden. Hiervon ist ein Abschlag in Höhe von einem Drittel vorzunehmen, da die Bedeutung der begehrten Auskunft bzw Unterlagen für den Erstattungsanspruch als erheblich zu bewerten ist, nachdem die Klägerin geltend macht, ohne die Unterlagen eine abschließende Rechnungsprüfung beim Beklagten nicht vornehmen zu können.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 KR 18/10 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 geändert und die Auskunfts- und Herausgabeklage abgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten der Auskunfts- und Herausgabeklage in allen Instanzen.
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Der Streitwert der Auskunfts- und Herausgabeklage wird für alle Instanzen auf 20 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Erteilung von Auskünften sowie die Herausgabe von Unterlagen zur Abrechnungsprüfung aus den Jahren 2001 bis 2003.
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Der beklagte Augenoptiker versorgte in den fraglichen Jahren ua Versicherte der klagenden und zweier weiterer Ersatzkrankenkassen mit Sehhilfen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen und sog Berechtigungsscheine. Aufgrund eines Hinweises der AOK aus dem Jahr 2005 auf möglicherweise fehlerhafte Abrechnungen begann die Klägerin mit der Überprüfung der Abrechnung von Augenoptikern aus den Jahren 2001 bis 2003. Hierzu entwickelte sie zunächst statistische Parameter, anhand derer sie das Versorgungsverhalten einzelner Leistungserbringer mit dem durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker im jeweiligen Land verglich. Nachdem das Versorgungsverhalten des Beklagten - wie das einer Vielzahl anderer Augenoptiker - vom Landesdurchschnitt abwich, forderte die Klägerin von dem damals von ihr beauftragten Rechenzentrum die vom Beklagten in der Zeit vom 1.1.2001 bis 31.12.2003 eingereichten Rechnungsbelege unter Bezugnahme auf § 302 SGB V und § 10 des Vertrages zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker und den Landesvertretungen des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AEV) vom 30.6.1994 (in der Folge: Rahmenvertrag) an.
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Am 29.12.2007 hat die Klägerin Klage zum SG Aachen mit dem Ziel erhoben, Auskunft zu erhalten über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Zeitraum 2001 bis 2003 Leistungen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen sowie über Berechtigungsscheine abgerechnet hat, und zwar durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der Karteikarten und Lieferscheine. Später sollte der Beklagte verpflichtet werden, überzahlte Rechnungsbeträge zu erstatten, deren Gesamthöhe aber erst nach Erfüllung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs hätte beziffert werden können. Zur Begründung führte die Klägerin aus, eine erste Prüfung habe zahlreiche Auffälligkeiten bei den Abrechnungen des Beklagten ergeben; dies konkretisierte sie durch Vorlage eines von ihr im Februar 2008 in Auftrag gegebenen Gutachtens. Danach ergäben sich Berechnungen von Versorgungsleistungen, auf die ein Anspruch der Versicherten nicht bestanden habe. Zudem bestünden Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Fehlabrechnungen, bei denen eine gutachterliche Würdigung und Bewertung aber nur nach Einsicht und Vergleich mit den Kundenkarteikarten und Lieferscheinen erfolgen könne. Die Berechtigungsscheine hätten nicht abschließend geprüft werden können, da der Beklagte sie unvollständig oder widersprüchlich ausgefüllt habe; auch insoweit sei die Sichtung weiterer Unterlagen nötig.
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Am 12.6.2008 teilte die Klägerin dem SG mit, dass die Klage die Erstattungsansprüche sämtlicher dem VdAK und dem AEV angeschlossenen Ersatzkassen betreffe, was sie später auf die Ansprüche der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH, seit 1.4.2009 durch Aufnahme der BKK Allianz "KKH-Allianz", in der Folge nur KKH) und der Barmer Ersatzkasse (BEK, seit 1.1.2010 durch Vereinigung mit der Gmünder Ersatzkasse "Barmer GEK", in der Folge nur BEK) beschränkte. Hierzu legte die Klägerin Erklärungen der KKH bzw der BEK vom 27.3.2008 sowie der GEK vom 16.4.2008 vor, wonach sie am 26.7.2007 beauftragt worden sei, die Abrechnungen von Augenoptikern im Zeitraum 2001 bis 2003 zu überprüfen, soweit die Versorgung von BEK-, GEK- und KKH-Versicherten betroffen sei. Sie sei ermächtigt, alle aus ihrer Sicht notwendigen Schritte nach eigenem Ermessen durchzuführen, wozu auch der Einzug von Forderungen sowie die gerichtliche Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsansprüchen im eigenen Namen gehörten. Alle evtl Erstattungsansprüche gegen Optiker in Nordrhein-Westfalen seien an sie - die Klägerin - abgetreten. Mit Erklärungen vom 18. und 22.9.2009 ermächtigten die BEK und die KKH die Klägerin außerdem zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen im Zeitraum 2001 bis 2003 gegen den Beklagten vor dem SG Aachen.
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Das SG hat den Beklagten verurteilt, Auskunft zu erteilen über sämtliche rund 600 Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen er im Abrechnungszeitraum 2001 bis 2003 Leistungen für namentlich genannte Versicherte der Klägerin, der BEK und der KKH abgerechnet habe, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen Angaben enthalten sind zu Befundwerten (Fern- und Nah-Bereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, Grund der Abgabe der Sehhilfe, Art und Umfang der erbrachten Leistungen inklusive Fassungs- und Glashersteller, mit dem Versicherten abgerechnete Leistungen, Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten sowie - aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten - zur genauen Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, technischen Spezifizierungen und zu den Werten des Artikels, wie zB Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser und zur Anzahl der jeweils gelieferten Artikel (Urteil vom 8.12.2009). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Die Klägerin sei befugt, im Wege der Prozessstandschaft auch Ansprüche der BEK und der KKH geltend zu machen. Der Auskunfts- und Unterlagenherausgabeanspruch der Krankenkassen beruhe zum einen auf einer ergänzenden Auslegung des Rahmenvertrages und zum anderen auf § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 675 Abs 1, § 666 BGB, da zwischen der Klägerin und dem Beklagten bei Lieferung der Sehhilfen jeweils ein den Regeln des Auftragsrecht unterfallender Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen sei. Regelungen des SGB V stünden dem nicht entgegen; insbesondere lasse die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Datenübermittlung nach § 302 Abs 1 SGB V die Befugnis der Krankenkassen unberührt, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen zu den Leistungserbringern die Gesetzmäßigkeit erbrachter Versorgungsleistungen durch Einholung weitergehender Auskünfte zu überprüfen. Der Auskunftsanspruch der Klägerin sei schließlich nicht verjährt, da die Verjährungsfrist nicht vier, sondern wegen hinreichender Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug 30 Jahre betrage.
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Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Beklagten. Das LSG habe gegen allgemein geltende Auslegungsgrundsätze verstoßen, als es dem Rahmenvertrag die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der streitigen Unterlagen entnommen habe. Gegen Bundesrecht sei weiter verstoßen worden, indem das LSG ergänzend die Regelungen des BGB über das Auftragsrecht angewendet habe. Zumindest sei der Herausgabeanspruch der Klägerin verjährt bzw verwirkt, nachdem die Klägerin gegen das für das Prüfverfahren geltende Beschleunigungsgebot verstoßen habe.
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Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2012 - L 1 KR 18/10 - und des Sozialgerichts Aachen vom 8. Dezember 2009 zu ändern und die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe von Unterlagen abzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt die angegriffenen Entscheidungen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Die Entscheidungen des SG und des LSG sind dahin zu ändern, dass die Klage auf Erteilung von Auskünften und Herausgabe der begehrten Unterlagen abgewiesen wird, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Herausgabe der streitigen Unterlagen besitzt.
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1. Gegenstand der Revision ist der von der Klägerin umfassend geltend gemachte Anspruch auf die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die beim Beklagten über die Versorgung von Versicherten der Klägerin, der BEK und der KKH mit Sehhilfen im Zeitraum 2001 bis 2003 angefallen sind. Hierfür sind die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt:
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a. Die Herausgabeklage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Beim Streit zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer handelt es sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, RdNr 5; BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 2 f; BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 14 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 10). Die Klägerin war damit insbesondere nicht in der Lage, den Beklagten durch Verwaltungsakt zur Herausgabe der streitigen Unterlagen zu verpflichten. Der Senat hat weiterhin bereits entschieden, dass das Begehren auf Auskunftserteilung und Herausgabe von (medizinischen) Unterlagen sowie auf Begleichung etwaiger sich aus diesen ergebender Erstattungsansprüche im Wege der auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG iVm § 254 ZPO statthaften Stufenklage verfolgt werden kann(BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 12; s auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5). Zwar will die Klägerin hier mit ihrem Auskunftsbegehren zunächst nur in Erfahrung bringen, ob ihr überhaupt Erstattungsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Dies ist allerdings unschädlich, wenn - wie vorliegend - die Erfüllung des Auskunftsbegehrens auch zur Bezifferung des Erstattungsanspruchs erforderlich ist (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 11 mwN).
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b. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin zur Prozessführung befugt ist, und zwar auch soweit die begehrten Unterlagen die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen.
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Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen bestimmten Prozess als richtige Partei zu führen. Sie ist ohne Weiteres gegeben, wenn der Kläger einen nach seinem Vortrag ihm zustehenden sachlichen Anspruch im eigenen Namen geltend macht. Dagegen bedarf die Prozessführungsbefugnis besonderer Feststellung und Begründung, wenn der Kläger einen fremden materiellen Anspruch im eigenen Namen verfolgt, wie es die Klägerin vorliegend hinsichtlich der Unterlagen tut, die die Versorgung von Versicherten der BEK und der KKH betreffen. In diesen Fällen liegt die Prozessführungsbefugnis nur vor, wenn entweder das Gesetz dies ausdrücklich anordnet (gesetzliche Prozessstandschaft) oder der Kläger aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Befugnis handelt und er dabei ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung des fremden materiellen Anspruchs hat (gewillkürte Prozessstandschaft) (stRspr: BSG SozR Nr 3 zu § 69 SGG; BSG SozR 2200 § 639 Nr 1; BSGE 86, 94, 96 f = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 20 f; BSG SozR 3-3300 § 72 Nr 2 S 3 f, jeweils mwN). Zudem dürfen schutzwürdige Belange des Prozessgegners nicht entgegenstehen (BSGE aaO).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. BEK und KKH haben im Rahmen ihrer Erklärungen vom 18. bzw 22.9.2009 der Prozessführung durch die Klägerin hinreichend konkret und bezogen auf die streitigen Ansprüche zugestimmt. Diese Zustimmung genügt zur Begründung einer gewillkürten Prozessstandschaft (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl 2013, § 51 RdNr 33). Es kann offenbleiben, ob ein eigenes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Prüfung von Erstattungsansprüchen Dritter hier bereits aus der Pflicht der Krankenkassen zur Zusammenarbeit nach § 197a Abs 3 SGB V folgt. Denn dieses ergibt sich jedenfalls aus der Verpflichtung der Klägerin zur Erfüllung der ihr von BEK und KKH übertragenen Aufgaben nach § 88 SGB X. Auf dieser Grundlage waren die BEK und KKH berechtigt, die Überprüfung von Leistungsabrechnungen durch Hilfsmittelerbringer als Teil ihrer gesetzlichen Aufgaben (vgl dazu BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 37 f; BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20, RdNr 13) einem anderen Leistungsträger - hier der Klägerin - zu übertragen. Diese erfüllte mit der Prozessführung die gegenüber der BEK und der KKH übernommene Verpflichtung (zur Prozessstandschaft der Postbeamtenkrankenkasse für die Gemeinschaft der privaten Versicherungsunternehmen zur Durchführung der Pflegeversicherung s BSGE 86, 94, 97 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3 S 21). Dass verfahrensrechtliche Interessen des Beklagten beeinträchtigt sein könnten, weil die Klägerin statt der BEK und KKH den Rechtsstreit führt, trägt dieser selbst nicht vor und ist auch anderweitig nicht ersichtlich. Die Klägerin hat die Prozessstandschaft schließlich mit Schriftsatz vom 12.6.2008 auch noch rechtzeitig (vgl BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 67) offengelegt. Deshalb kann es dahinstehen, ob die BEK und die KKH die ihnen ggf gegen den Beklagten zustehenden Erstattungsforderungen mit ihren Erklärungen vom 27.3.2008 wirksam an die Klägerin abgetreten haben, da dies nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt ist und damit auf den Prozess keinen Einfluss haben kann (§ 202 SGG iVm § 265 Abs 2 S 1 ZPO).
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c. Die Vorinstanzen sind schließlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage von Anfang an gegen den Beklagten und nicht gegen Herrn S. gerichtet war. Insbesondere handelte es sich bei der Änderung des Passivrubrums von "Herrn S. handelnd als P. OHG" auf "P. oHG" nicht um einen gewillkürten Parteiwechsel und damit um eine Klageänderung iS von § 99 SGG, sondern lediglich um eine Berichtigung des Passivrubrums. Die ursprüngliche Bezeichnung in der Klageschrift war nicht eindeutig. Gegen wen sich die Klage richtete, hatte das SG damit durch Auslegung zu ermitteln (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 92 RdNr 7). Die hierzu getroffenen Feststellungen des SG (S 13 des Urteilsumdrucks) sind nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt hinsichtlich des vom LSG angenommenen späteren Parteiwechsels auf Beklagtenseite von einer oHG zu einem Einzelunternehmer (S 8 f des Urteilsumdrucks).
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2. Die Klage auf Auskunftserteilung und Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die die rund 600 Versorgungen von Versicherten der Klägerin, der BEK und KKH durch den Beklagten im Zeitraum 2001 bis 2003 betreffen, zum Zweck der Abrechnungsprüfung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Auskünfte und die Herausgabe der begehrten Unterlagen. Ein solcher ergibt sich weder aus dem öffentlichen Recht (dazu a) noch aus der (entsprechenden) Anwendung von Vorschriften des BGB (dazu b). Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass Auskunftsansprüchen der Klägerin darüber hinaus weitestgehend die Einrede der Verjährung, zumindest aber die Einwendung der Verwirkung entgegenstehen (dazu c).
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a. Die Klägerin kann ihren Anspruch weder auf Vorschriften des SGB noch auf eine die Hilfsmittelversorgung ergänzend regelnde Vereinbarung nach § 127 SGB V stützen.
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aa. Die hier geltend gemachten Ansprüche der Krankenkasse bzw die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Auskunft und ggf Herausgabe von Unterlagen sind als Bestandteil des Leistungserbringerrechts zunächst im SGB V geregelt. Soweit sie Sozialdaten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betreffen, sind ergänzend die Regelungen des SGB I und SGB X zu berücksichtigen. Dementsprechend gilt für die Ansprüche der Krankenkasse bzw die Auskunfts- und Herausgabepflicht des Hilfsmittelerbringers Folgendes:
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(1) Die Klägerin fordert die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe von Unterlagen, die die Befundwerte der Versicherten, den Grund der Abgabe der Sehhilfe, die Art und den Umfang der erbrachten Leistung und die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung enthalten. Hierbei handelt es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter natürlicher Personen und damit um Sozialdaten iS von § 67 Abs 1 S 1 SGB X.
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Die Erhebung von Sozialdaten durch die Krankenkassen ist nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig (§ 35 Abs 2 SGB I idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches - 2. SGBÄndG - vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Danach dürfen Sozialdaten ohne Mitwirkung des Betroffenen bei anderen als den in § 35 SGB I bzw § 69 Abs 2 SGB X genannten Stellen und Personen - mithin auch bei Leistungserbringern - nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt(§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst a SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I) oder wenn die Aufgaben der Krankenkasse nach dem SGB ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 67a Abs 2 S 2 Nr 2 Buchst b SGB X iVm § 35 Abs 2 SGB I).
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Allein aus der Befugnis der Krankenkasse, Sozialdaten zu erheben, folgt allerdings noch nicht, dass die Personen oder Stellen, bei denen die Daten angefordert werden, ihrerseits automatisch zur Übermittlung dieser Daten verpflichtet sind. Dementsprechend regelt das SGB X im Zweiten Kapitel (§§ 67 bis 85a) die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Übermittlung von Sozialdaten durch Leistungsträger wie die Krankenkassen zulässig ist, während die Auskunftspflichten Dritter gegenüber den Leistungsträgern Gegenstand des Dritten Kapitels des SGB X (§§ 86 bis 119) sind. Eine entsprechende Differenzierung nimmt das SGB V vor, indem es in den §§ 284 bis 293 die Informationsgrundlagen, insbesondere die Datenerhebungsbefugnisse der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen regelt, und in den §§ 294 bis 303 SGB V spiegelbildlich die entsprechenden Pflichten der Leistungserbringer zur Datenübermittlung bestimmt(BSGE 90, 1, 5 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 24).
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Auf dieser Grundlage bestehen zwischen den Beteiligten im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch die Klägerin folgende Auskunftsansprüche bzw -pflichten:
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(a) Die Krankenkassen dürfen - in dem hier relevanten Bereich der Abrechnungsprüfung - Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Prüfung der Leistungspflicht und die Gewährung von Leistungen an Versicherte, die Beteiligung des Medizinischen Dienstes nach § 275 SGB V oder die Abrechnung mit den Leistungserbringern und die Überwachung des Wirtschaftlichkeitsgebots erforderlich sind(§ 284 Abs 1 S 1 Nr 4 und 7 bis 9 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Demgegenüber sind Leistungserbringer nach § 294 SGB V(ebenfalls idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229) verpflichtet, "die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen (…) notwendigen Angaben, die aus der Erbringung (…) sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen (…) oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen".
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(aa) Für den hier relevanten Bereich der Abrechnung von Hilfsmitteln verpflichten § 302, § 303 SGB V die Leistungserbringer, der Krankenkasse maschinenlesbar in den Abrechnungsbelegen die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291 Abs 2 Nr 1 bis 6 SGB V zur Krankenversicherungskarte anzugeben; bei der Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V zu verwenden(§ 302 Abs 1 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Damit ist aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind (vgl BT-Drucks 12/3608 S 125, zu Nummer 142 <§ 302>, die insoweit auf die für die anderen Leistungsbereiche geltende Regelung zu Nummer 141<§ 301> verweist). Nach der zugrunde liegenden Vorstellung des Gesetzgebers sind damit die wesentlichen Angaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung mit den Hilfsmittelerbringern benötigt (BT-Drucks 12/3608 S 125). Das Nähere über die Form und den Inhalt des Abrechnungsverfahrens bestimmen die Spitzenverbände der Krankenkassen (heute: Spitzenverband Bund der Krankenkassen) in Richtlinien, die in den Leistungs- und Lieferverträgen zu beachten sind (§ 302 Abs 2 S 1 SGB V). Vorliegend sind die Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "sonstigen Leistungserbringern" sowie Hebammen und Entbindungspflegern(§ 301a SGB V) vom 9.5.1996 (BAnz Nr 112 vom 20.6.1996, zuletzt geändert durch Beschluss vom 13.3.2003; in der Folge: Richtlinie) maßgeblich gewesen. Haben die Hilfsmittelerbringer die Daten nach § 302 Abs 1 SGB V in dem jeweils zugelassenen Umfang nicht maschinenlesbar oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern abgegeben oder übermittelt, so haben die Krankenkassen die Daten nachzuerfassen(§ 303 Abs 3 S 1 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGB I 2190). Wie der Senat bereits zur entsprechenden Regelung für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlungen entschieden hat, dürfen die Krankenkassen bei Zweifeln und Unklarheiten in Bezug auf die übermittelten Daten durch nicht-medizinische Nachfragen selbst beim Leistungserbringer klären, ob die jeweiligen Voraussetzungen der Zahlungspflicht im Einzelfall gegeben sind (sog erste Stufe der Sachverhaltserhebung, vgl für den Bereich der Abrechnung von Krankenhausbehandlung nach § 301 SGB V: BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 21; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 19). Dieses Recht steht den Krankenkassen auch in Bezug auf die übrigen Leistungserbringer zu.
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(bb) Die Klägerin kann ihren Auskunfts- und Herausgabeanspruch im vorliegenden Fall nicht auf § 302 SGB V iVm der Richtlinie stützen. Insoweit ist - nachdem die Klägerin bzw die von ihr vertretenen BEK und KKH die streitigen Abrechnungen bereits vergütet haben - zunächst davon auszugehen, dass der Beklagte die entsprechenden Angaben bereits ordnungsgemäß übermittelt hat. Dies gilt auch für die Verpflichtung aus § 302 SGB V iVm §§ 2 bis 5 Richtlinie zur Übermittlung der dort genannten weiteren Abrechnungsdaten sowie der sog Urbelege(Verordnungsblätter, Berechtigungs- und Reparaturscheine, § 2 Abs 1b Richtlinie). Bei diesen Urbelegen handelt es sich um von der Richtlinie vorgegebene Muster (§ 3 Richtlinie), die vom Leistungserbringer in einem bestimmten Format maschinenlesbar zu übermitteln sind. Die Klägerin selbst behauptet aber nicht, dass der Beklagte diesen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen ist. Darüber hinaus besteht weder aus § 302 SGB V noch nach der Richtlinie eine Verpflichtung des Beklagten, die von der Klägerin begehrten Kundenunterlagen und -daten, insbesondere Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen und bei ihm darüber hinaus ggf vorliegenden weiteren Unterlagen herauszugeben. Das Klagebegehren richtet sich auch nicht auf ein zulässiges Nachfragen der Krankenkasse beim Leistungserbringer, um Zweifel und Unklarheiten im Einzelfall in Bezug auf die nach § 302 SGB V übermittelten Daten zu klären.
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(b) Die Klägerin kann ihren weiten Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht auf die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 SGB V idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) stützen. Zwar sieht § 276 Abs 2 SGB V weitere Mitteilungspflichten von Leistungserbringern vor, die allerdings auf die anschließende medizinische Begutachtung eines Leistungs- oder Abrechnungsfalles durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gerichtet sind. Dieser darf Sozialdaten erheben, soweit dies für seine gutachterliche Stellungnahme erforderlich ist (§ 276 Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V). Voraussetzung ist aber nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V - die weiteren Alternativen dieser Vorschrift kommen ersichtlich nicht in Betracht - ein Prüfauftrag der Krankenkasse an den MDK entweder wegen der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungserbringung oder wegen Auffälligkeiten der ordnungsgemäßen Abrechnung. Daran fehlt es hier; die Klägerin vermutet zwar das Fehlen von ordnungsgemäßen Abrechnungen des Klägers in zahlreichen Fällen, sie hat dazu jedoch - aus ihrer Sicht folgerichtig - kein medizinisches Überprüfungsverfahren beim MDK eingeleitet. Ein solches Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V hinsichtlich sämtlicher Abrechnungsvorgänge des Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 wäre im Übrigen auch unzulässig, da die Klägerin keine Auffälligkeit im Einzelfall geltend macht. Eine Auffälligkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22 mwN); daran fehlt es hier.
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Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin behauptet, nach dem von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten seien bei einigen Abrechnungen des Beklagten konkrete Fragen zu deren sachlich-rechnerischen Richtigkeit offen. Sie macht aber weder geltend noch ist es anderweitig ersichtlich, dass es zur Überprüfung dieser auffälligen Abrechnungen sämtlicher Abrechnungsunterlagen des Beklagten aus drei Jahren bedarf. Die Klägerin beruft sich vielmehr auf statistische Abweichungen im Versorgungsverhalten des Beklagten vom durchschnittlichen Versorgungsverhalten der Augenoptiker in Nordrhein-Westfalen, die sie durch Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Abrechnung durch den Beklagten in Einzelfällen bestätigt sieht, und glaubt daraus ableiten zu können, mittels der von ihr begehrten Auskünfte und Unterlagen die komplette Versorgung durch den Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003 überprüfen zu dürfen. Für eine derartige umfassende Ausforschung bietet das an Auffälligkeiten im Einzelfall anknüpfende Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V und damit auch die in dessen Rahmen bestehende Auskunftspflicht des Leistungserbringers nach § 276 SGB V keine Grundlage.
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(2) Die vorstehenden Ausführungen gelten erst recht für die begehrte Übermittlung von Daten, die zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Beklagten - Unterlagen von Lieferanten und deren Abrechnungen sowie Kundendaten aller Art - gehören (§ 35 Abs 4 SGB I idF des 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Es ist im SGB keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die eine derartige Auskunftspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin begründen könnte.
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bb. Der Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung und Herausgabe von Unterlagen ergibt sich auch nicht aus Vorschriften des Rahmenvertrages vom 30.6.1994 oder dessen ergänzender Vertragsauslegung.
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(1) Allerdings geht das LSG zu Recht davon aus, dass § 10 Rahmenvertrag die vom Leistungserbringer im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Angaben und Unterlagen konkretisiert. Dort ist insbesondere geregelt, wann diese zu erfolgen hat (einmal monatlich bis zum 10. des auf das Ende der letzten Lieferung folgenden Monats, § 10 Abs 1 S 1, Abs 2 S 4), welche Unterlagen vorzulegen sind (ärztliche Verordnung oder Berechtigungsschein mit Datum und Bestätigung über den Empfang der Sehhilfe oder sonstigen Leistung durch den Versicherten und Stempel des Augenoptikers, § 10 Abs 1 S 2 und 3, Abs 2 S 4), wie die Lieferungen zu bezeichnen sind (§ 10 Abs 2 S 1), welcher Festpreis ggf gilt (§ 10 Abs 2 S 8), von wem die Kosten zu tragen sind (§ 10 Abs 1 S 4) und wann die Rechnung zu bezahlen ist (§ 10 Abs 2 S 6). Darüber hinaus verweist § 10 Abs 2 S 3 auf § 302 iVm § 303 SGB V und damit auf die gesetzliche Regelung der Pflichten der Leistungserbringer im Rahmen der Leistungsabrechnung mit den Krankenkassen. Die vertraglichen Informationspflichten des Leistungserbringers gehen damit weit über die Verpflichtungen hinaus, die das LSG festgestellt hat (S 12 des Urteilsumdrucks). Die Parteien des Rahmenvertrages wollten nach dem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur die sich aus den geltenden gesetzlichen Regelungen ergebenden Verpflichtungen wiederholen, sondern darüber hinaus ergänzende Mitteilungspflichten des Leistungserbringers vertraglich vereinbaren. Gleichwohl folgt daraus keine Verpflichtung des Beklagten zur umfassenden Auskunftserteilung und zur Herausgabe der von der Klägerin begehrten Unterlagen.
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(2) Zu Unrecht hat das LSG allerdings angenommen, hieraus könne auf eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke des Rahmenvertrages geschlossen werden. Denn die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt.
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(a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Regelungslücke in einem regelungsbedürftigen Punkt der vertraglichen Regelung (BGHZ 40, 91, 103; BGHZ 77, 301, 304; stRspr). Hierfür genügt nicht jeder offengebliebene Punkt eines Vertrages. Eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllende Lücke ist vielmehr nur dann zu bejahen, wenn die von den Parteien vereinbarte Regelung eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihr zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (BGH Urteil vom 13.2.2004 - V ZR 225/03, NJW 2004, 1873; Staudinger/Roth, BGB, Aufl 2010 § 157 BGB RdNr 15 mwN). Ohne die gebotene Vervollständigung darf eine angemessene interessengerechte Lösung nicht zu erzielen sein (BGH Urteil vom 13.5.1993 - IX ZR 166/92, NJW 1993, 2935; BGHZ 90, 69, 74 f; BGH Urteil vom 12.7.1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115, 116).
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(b) Die Parteien des Rahmenvertrages wollten - § 127 Abs 1 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) entsprechend - Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln sowie über die Abrechnung der Festbeträge regeln (§ 1 Rahmenvertrag). Zur Umsetzung dieses Regelungsplans haben sie insbesondere die im Rahmen der Rechnungslegung zu übermittelnden Unterlagen und Angaben festgelegt und dabei auch bestimmt, dass die gesetzlichen Regelungen und der Rahmenvertrag gelten sollen (§ 10 Abs 2 S 3 Rahmenvertrag). Es kann dahinstehen, ob schon allein diese ausdrückliche Regelung der Geltung der Gesetzesvorschriften eine Regelungslücke ausschließt (vgl BGHZ 40, 91, 103 mwN). Denn zumindest ist es nicht zur Verwirklichung der Ziele des Rahmenvertrages notwendig, weitere und derartig umfassende Auskunfts- und Herausgabepflichten zu statuieren. So waren die Beteiligten zunächst über Jahre in der Lage, die Hilfsmittelversorgung durch den Beklagten und deren Abrechnung gegenüber der Klägerin entsprechend dem Rahmenvertrag und den von ihm in Bezug genommenen gesetzlichen Regelungen durchzuführen. Auch die Klägerin sah sich aufgrund der vom Beklagten übermittelten Belege und Angaben offenkundig in der Lage, die von diesem erbrachten Leistungen zu vergüten, was im Hinblick auf § 303 Abs 3 SGB V für eine ordnungsgemäße Rechnungslegung durch den Beklagten gemäß den Regeln von § 10 Rahmenvertrag spricht. Anders als das LSG meint, ergibt sich die Notwendigkeit einer Ergänzung des Rahmenvertrages um die Verpflichtung des Beklagten zur Vorlage weiterer Unterlagen auch nicht aus dem Interesse der Krankenkasse, ihren Prüfpflichten nach dem SGB V nachkommen zu können. Denn dieses Interesse ist bereits anhand der Regelungen des Rahmenvertrages und damit ohne die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Herausgabe weiterer Unterlagen angemessen berücksichtigt.
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Zudem muss sich die Klägerin vorwerfen lassen, dass sie die Optiker jahrelang hat gewähren lassen - sie hatte die Abwicklung der Abrechnungen einem Rechenzentrum übergeben und offensichtlich keine ausreichende Kontrolle durchgeführt. Es wäre ihr - zumindest mit sachverständiger Unterstützung des MDK - bereits anhand der vom Beklagten bei der Rechnungslegung regelmäßig übermittelten Unterlagen und Angaben durchaus möglich gewesen, das Vorliegen rechtswidriger Hilfsmittelversorgungen oder Anhaltspunkte hierfür festzustellen. Unkorrekte Abrechnungen wären nicht zu vergüten gewesen, zweifelhafte Punkte hätten im jeweiligen Einzelfall gegenüber dem Beklagten zeitnah geltend gemacht werden können und ggf durch den MDK überprüft werden müssen. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe ganze Versorgungsfälle fingiert (Stichwort "unzulässige Doppelversorgung") oder es seien fehlerhafte Versorgungen erfolgt (Stichwort "fehlerhafte Augenglasbestimmung"), hätte ebenfalls im jeweiligen Einzelfall eine zeitnahe Überprüfung unter Beteiligung des Versicherten (zur Einholung von Stellungnahme bei Versicherten im Rahmen der Abrechnungsprüfung s BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1) erfolgen und eine Stellungnahme des MDK eingeholt werden können. Zum Einwand der Klägerin, entsprechende Ermittlungen bei Versicherten seien nicht mehr zielführend, da diese regelmäßig nicht in der Lage seien, Angaben zu einer Versorgung in den Jahren 2001 bis 2003 zu machen, wird übersehen, dass dies im Wesentlichen aus ihrem Verschulden resultiert, weil die Abrechnungsprüfung nicht zeitnah durchgeführt worden ist.
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(c) Die vom LSG angenommene Vertragsergänzung widerspricht darüber hinaus ersichtlich einer abgewogenen Auslegung, weil sie einseitig dem Interesse der Krankenkasse Rechnung trägt, eine Abrechnungsprüfung auch nach Jahren und in gesetzlich nicht vorgesehenem Umfang vornehmen zu dürfen. Der Senat weist in ständiger Rechtsprechung auf das im Leistungserbringerrecht allgemein existierende Beschleunigungsgebot hin (vgl zuletzt Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 21/12 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 20 mwN; zum Bereich der Hilfsmittelversorgung BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13), das ua auf dem schutzwürdigen Interesse beider Seiten an Abrechnungssicherheit beruht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13). Dem widerspräche es, der Krankenkasse - nachdem sie die gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten der Abrechnungsprüfung über Jahre ungenutzt gelassen hat - einen solch umfassenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch einzuräumen. Das Interesse des Leistungserbringers bliebe völlig unberücksichtigt, wenn er allein auf der Grundlage statistischer Abweichungen seines Versorgungsverhaltens gegenüber dem Durchschnitt aller Optiker verpflichtet würde, sämtliche Geschäfts- und Versorgungsunterlagen unabhängig von Anhaltspunkten für eine fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall vorzulegen. Dies gilt hier umso mehr, als die Klägerin vor dem SG selbst erklärt hat, keinen Hinweis für ein betrügerisches Verhalten des Beklagten gefunden zu haben. Damit wäre die vom LSG angenommene ergänzende Vertragsauslegung unvereinbar.
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b. Entgegen der Auffassung des LSG kann sich die Klägerin auch nicht auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts stützen. Insbesondere bestehen keine Auskunfts- und Rechenschaftspflichten auf Grund eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 Abs 1 iVm § 666 BGB) oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); ein etwaiger Anspruch nach dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 Abs 2 BGB)ist völlig fernliegend.
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aa. Entgegen der Auffassung des LSG sind bereits die Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB nicht erfüllt. Denn die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden werden durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend geregelt(§ 69 S 1 SGB V). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind(§ 69 S 3 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB kommt damit nur in Betracht, wenn die Regelungen des SGB V lückenhaft sind (BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 aE). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
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Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Augenoptiker sind durch die §§ 126 und 127 SGB V sowie die darauf fußenden vertraglichen Vereinbarungen abschließend geregelt. Ein Rückgriff auf vertragliche Modelle des BGB kommt daneben nicht in Betracht (so schon für den Bereich der Arzneimittelversorgung BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15 ff). Auch die Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln hat ihre Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht. Die Konstruktion eines in jedem einzelnen Versorgungsfall abzuschließenden und den Versicherten drittbegünstigenden öffentlich-rechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse ist damit entbehrlich.
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bb. Ein Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt auch nicht unmittelbar aus § 242 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob der aus § 242 BGB abzuleitende Grundsatz von Treu und Glauben ausschließlich über § 69 S 3 SGB V auf das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten anzuwenden ist(BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 13) oder als auch dem Sozialrecht immanenter allgemeiner Rechtsgrundsatz (BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 13) unmittelbar zur Anwendung kommen kann. Denn auch insoweit bietet das öffentliche Recht die alleinigen Anspruchsgrundlagen (§§ 275 ff SGB V und die ergänzenden vertraglichen Regelungen). Die Klägerin hätte mit zeitnahen Rechnungsprüfungen rechtswidrige Hilfsmittelversorgungen und/oder Abrechnungen erkennen und verhindern können; dies hat sie versäumt. Zudem gebieten Treu und Glauben keinen über die einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen hinausgehende Auskunfts- und Herausgabepflichten, die ausschließlich deshalb nötig werden, weil letztere erst gar nicht oder nicht rechtzeitig genutzt wurden.
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cc. Die Klägerin kann einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch auch nicht aus dem Recht der unerlaubten Handlungen (§ 823 BGB) herleiten. Denn Voraussetzung für die Annahme einer diesen Anspruch begründenden rechtlichen Sonderbeziehung wäre, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht und nur der Anspruchsinhalt noch offen ist (BGH Urteil vom 18.1.1978 - VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; Sprau in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, Einführung vor § 823 RdNr 17). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen; die Klägerin selbst hat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines unerlaubten - betrügerischen - Verhaltens des Beklagten gesehen (Schriftsatz vom 30.1.2009 an das SG).
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c. Etwaige Auskunfts- und Herausgabeansprüche der Klägerin gegen den Beklagten scheitern darüber hinaus weitestgehend an der Einrede der Verjährung (dazu aa) und im Übrigen an der Einwendung der Verwirkung (dazu bb).
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aa) Ansprüchen aus der Zeit 2001 und 2002, die Versicherte der Klägerin betreffen, sowie aus dem Zeitraum 2001 bis 2003, die für Versicherte der BEK und der KKH geltend gemacht werden, steht die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Für diese Auskunftsansprüche der Krankenkasse gegen den Leistungserbringer gilt die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren, die mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist - § 45 Abs 1 SGB I.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass die sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren für alle gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern und damit auch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen etwaiger Überzahlung von Vergütungsansprüchen als Kehrseite des Leistungsanspruchs gilt (für die Vergütung von Krankenhausbehandlung sowie die Mitteilungspflichten des Leistungserbringers nach § 276 Abs 2 S 1 SGB V: BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; für die Vergütung von Krankenhaustransporten: BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22). Die Verjährungsvorschriften des BGB kommen auch über § 69 S 3 SGB V nicht zur Anwendung, weil die Verjährungsfrage schon aus dem Vierten Kapitel des SGB V selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien zu beantworten ist(BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17 ff; BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30). Denn das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in § 45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient. Die Regelung ist aus praktischen und haushaltsrechtlichen Gründen geboten, um jahrzehntelange Auseinandersetzungen einer beschleunigten gerichtlichen Klärung zuzuführen (so bereits BSGE 42, 135 = SozR 3100 § 10 Nr 7 S 10; BSGE 69, 158 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1 S 5; Übertragung auf das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer: BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4 RdNr 22).
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Die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl § 45 Abs 1 SGB I; BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 11). Auch insoweit kommt ein Rückgriff auf die Vorschriften des durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 3138) novellierten bürgerlich-rechtlichen Verjährungsrechts - anders als wohl das LSG meint - nicht in Betracht. Zwar mag sich der Gesetzgeber dort (§ 199 Abs 1 BGB) bewusst dagegen entschieden haben, kurze Verjährungsfristen mit einem kenntnisunabhängigen Beginn der Verjährungsfrist zu kombinieren. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Änderung auch für den Bereich des Sozialrechts habe treffen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage im Sozialrecht gerade nicht hat herbeiführen wollen (vgl für den Bereich des öffentlichen Rechts BVerwGE 132, 324, RdNr 12). Die Entscheidung, ob das neue Regelungssystem auf spezialgesetzlich geregelte Materien übertragen werden kann und welche Sonderregelungen ggf getroffen werden müssten, sollte weiteren Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6857, S 42 zu Nummer 1). Hierzu wurde in der Folge das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) erlassen. Auch dort hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine entsprechende Anpassung des öffentlichen Rechts entschieden, da im öffentlichen Recht grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen gelten würden und auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden könne (BT-Drucks 15/3653 S 10).
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Eine Korrektur der allgemeinen sozialrechtlichen vierjährigen Verjährungsfrist ist vorliegend schließlich auch im Hinblick auf die vom LSG gesehenen "hinreichenden Anhaltspunkte für einen Abrechnungsbetrug" nicht geboten. Denn Anhaltspunkte genügen zur Bestimmung der maßgeblichen Verjährungsfrist nicht. Welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, bestimmt sich vielmehr nach dem - festgestellten - Sachverhalt zur Zeit der Entstehung des Anspruchs (Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 195 RdNr 14). Es widerspräche der mit der Verjährung (auch im öffentlichen Recht) bezweckten Zielsetzung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, stattdessen auf hinreichende Anhaltspunkte abzustellen. Im Übrigen hat die Klägerin selbst angegeben, keine derartigen Anhaltspunkte vorweisen zu können.
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Daraus folgt für den geltend gemachten Klageanspruch: Ein Anspruch auf Auskunft und Herausgabe von Geschäftsunterlagen wäre ebenso wie ein möglicher Erstattungsanspruch mit Zugang der jeweiligen Abrechnungsunterlagen entstanden. Dementsprechend hat die vierjährige Verjährungsfrist der in den Jahren 2001 und 2002 vergüteten Hilfsmittelversorgungen in entsprechender Anwendung des § 45 Abs 1 SGB I am 1.1.2002 bzw 1.1.2003 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2005 bzw 2006 geendet. Ansprüche aus 2001 und 2002 sind damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 29.12.2007 bereits verjährt gewesen. Dies gilt auch für die Ansprüche, die die Klägerin darüber hinaus in gewillkürter Prozessstandschaft für die BEK und KKH wegen der Versorgung von deren Versicherten im Jahr 2003 geltend macht. Zwar wird in entsprechender Anwendung von § 45 Abs 2 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung gehemmt. Die verjährungshemmende Wirkung tritt im Fall der gewillkürten Prozessstandschaft aber erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist (BGH Urteil vom 7.6.2001 - I ZR 49/99, NJW-RR 2002, 20 mwN). Die Klägerin hat erstmals mit Schriftsatz vom 12.6.2008 (Bl 55 der SG-Gerichtsakte) offengelegt, dass sie mit der Klage nicht nur eigene Ansprüche, sondern darüber hinaus die weiterer Ersatzkrankenkassen, insbesondere der BEK und der KKH, geltend macht. Zum Zeitpunkt der Offenlegung der Prozessstandschaft war damit die vierjährige Verjährungsfrist auch hinsichtlich der von BEK und KKH in 2003 vergüteten Hilfsmittelversorgungen bereits abgelaufen.
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bb) Soweit der Auskunfts- und Herausgabeanspruch nicht an der Einrede der Verjährung scheitert, ist er jedenfalls verwirkt, da die Klägerin die Abrechnungsprüfung entgegen dem sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden Beschleunigungsgrundsatz erst knapp vier Jahre nach Rechnungslegung und vollständigem Rechnungsausgleich eingeleitet hat.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 24 ff; BSGE 89, 104, 109 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 16 f - "Berliner Fälle" sowie zB SozR 4-2500 § 109 Nr 28 RdNr 12) steht die Korrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Danach ist eine Krankenkasse jedenfalls dann mit Einwendungen gegen eine Schlussrechnung ausgeschlossen, wenn sie die Rechnung zeitnah und vorbehaltlos bezahlt hat, ein Prüfverfahren beim MDK ohne nachvollziehbaren Grund dann aber erst Jahre nach Rechnungslegung und kurz vor Ablauf der Verjährung eingeleitet hat. Der Senat hat weiter aus den dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern auf die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme geschlossen und hieraus die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus begrenzt. Wegen des "Prinzips der Waffengleichheit" ist der Senat zudem davon ausgegangen, dass dies - also die Begrenzung der Befugnis zur nachträglichen Korrektur der Abrechnung - auch für nachträglich geltend gemachte Ansprüche der Krankenkasse gilt (vgl Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 26). Dieses vom Senat für den Bereich der Krankenhausabrechnung immer wieder betonte Beschleunigungsgebot bestimmt auch das Abrechnungswesen in der Hilfsmittelversorgung (vgl hierzu bereits SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13).
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Um die Verwirkung eines Rechts anzunehmen, bedarf es dreier Voraussetzungen (stRspr, zuletzt Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27 sowie BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN; vgl auch Grüneberg in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 242 RdNr 93 ff mwN):
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Zeitmoment: Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss ein längerer Zeitraum verstrichen sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin die Abrechnungen des Beklagten bereits in den Jahren 2001, 2002 bzw 2003 überprüfen können und müssen, alle dafür erforderlichen Informationen lagen ihr vor. In Anbetracht der vierjährigen Verjährungsfrist und der Pflicht zur Beschleunigung aller Abrechnungsverfahren ist ein Abwarten von knapp vier Jahren (Abrechnungen aus Dezember 2003 bis zur Klageerhebung am 29.12.2007) bzw mehr als vier Jahren (Abrechnungen vor Dezember 2003) deutlich zu lang. Umstandsmoment: Der Verpflichtete hat sich darauf eingestellt, der Berechtigte werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls erfüllt, weil in der Regel zu erwarten ist, dass Krankenkassen - wie Leistungserbringer - ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Abrechnung folgenden Kalenderjahres wahrgenommen haben (vgl für den Bereich der Krankenhausabrechnung Urteil des Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R, SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27). Hinweise für einen Ausnahmefall sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin ermittelten statistischen Abweichungen des Versorgungsverhaltens des Beklagten, über die dieser schließlich nicht informiert war. Von einem den Vertrauenstatbestand zerstörenden unredlichen Verhalten des Beklagten geht schließlich auch die Klägerin nicht aus. Untätigkeit: Die Klägerin ist knapp bzw mehr als vier Jahre bezüglich der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber dem Beklagten untätig geblieben.
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Damit steht fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung Ende 2007 nicht mehr mit einer Überprüfung seiner Abrechnungen aus den Jahren 2001 bis 2003 rechnen musste, so dass dem entsprechenden Auskunfts- und Herausgabeanspruch der Klägerin - auch - die Einwendung der Verwirkung entgegensteht.
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3. Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist ausschließlich der Auskunfts- und Herausgabeanspruch, weil SG und LSG zu Recht ausschließlich dazu verhandelt und entschieden haben (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 56 RdNr 5 und § 157 RdNr 2a aE). Erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Auskunfts- und Herausgabeanspruch sind Verhandlung und Entscheidung über die nächste Stufe zulässig, also über den Leistungsantrag (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 254 RdNr 11). Zwar ist eine gemeinsame Entscheidung über mehrere in der Stufenklage verbundene Anträge nicht ausgeschlossen. Dies setzt aber voraus, dass schon die Prüfung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BGH Urteil vom 28.11.2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042; Greger, aaO, § 254 RdNr 14). Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass dem Senat eine Entscheidung über die nächste Stufe verwehrt ist. Es liegt an den Beteiligten, die Fortsetzung des Rechtsstreits ggf durch Verhandlung und Entscheidung eines Leistungsantrags beim SG zu beantragen (Greger, aaO, § 254 RdNr 14).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG, die Korrektur der Streitwertfestsetzung für die 1. und 2. Instanz aus § 63 Abs 3 GKG. Bei Stufenklagen ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Dies gilt aber nur, wenn in einer Instanz über beide Ansprüche entschieden wird. Ist - wie hier - in allen Instanzen lediglich ein der Informationsgewinnung dienender Auskunftsanspruch oder ein dem gleichen Zweck dienender Herausgabeanspruch Streitgegenstand, ist der Streitwert jeweils nur anhand dieses Anspruchs zu bemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Streitwert für eine Auskunfts- und Herausgabeklage am (ggf zu schätzenden) Leistungsanspruch zu orientieren ist, und je nachdem, in welchem Umfang der Kläger auf die Auskunft zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist, ein Abschlag vorzunehmen ist (BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 31). Der Senat schätzt vorliegend den möglichen Erstattungsanspruch der Klägerin auf der zweiten Stufe der Stufenklage auf rund 50 Euro pro Versorgung, zu der vorliegend Angaben bzw Unterlagen angefordert werden. Hiervon ist ein Abschlag in Höhe von einem Drittel vorzunehmen, da die Bedeutung der begehrten Auskunft bzw Unterlagen für den Erstattungsanspruch als erheblich zu bewerten ist, nachdem die Klägerin geltend macht, ohne die Unterlagen eine abschließende Rechnungsprüfung beim Beklagten nicht vornehmen zu können.
Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, ist für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere, maßgebend.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.