Landgericht Wuppertal Urteil, 01. Sept. 2016 - 9 S 109/16 / 9 S 49/16
Gericht
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien werden das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 11.02.2016 in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 18.03.2016 und das Ergänzungsurteil vom 19.05.2016 (Az. 92 C 342/12) teilweise abgeändert und – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 1) und 2) im Übrigen – insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger
1.
519,48 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 11,22 € seit dem 05.07.2012, aus 141,09 € seit dem 05.08.2012, aus jeweils 129,87 € seit dem 05.09. und 05.10.2012, sowie aus 107,43 € seit dem 05.11.2012 zu zahlen;
2.
34,64 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2012 zu zahlen;
3.
35,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 17,95 € seit dem 05.12.2012 und 05.01.2013 zu zahlen;
4.
35,12 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2013 zu zahlen;
5.
87,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 21,95 € seit dem 05.02., 05.03., 05.04. und 05.05.2013 zu zahlen;
6.
65,85 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 21,95 € seit dem 05.06., 05.07. und 05.08.2013 zu zahlen;
7.
10,65 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2014 zu zahlen;
8.
45,33 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2014 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) – 3) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die im 2. Obergeschoss des Hauses T-Str. in F gelegene Wohnung, bestehend aus 2 Schlafzimmern, Küche, Diele, Bad, Wohnzimmer und den Kellerräumen Nr. 5 und 6, zu räumen und an die Kläger geräumt herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage und die Hilfswiderklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 13 % und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 87 %, daneben trägt der Beklagte zu 3) die Kosten des Verfahrens beider Instanzen als weiterer Gesamtschuldner zu 52 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des Räumungstitels wird den Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Hinsichtlich der übrigen Titel dürfen die Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beklagten zu 1) und 2) sind seit 1971 Mieter einer Wohnung in F, der Beklagte zu 3) ist ihr Sohn, aber nicht Mietpartei. Die Kläger sind die heutigen Vermieter. Das Verhältnis zwischen den Parteien ist zerrüttet. Ein schriftlicher Mietvertrag existiert nicht.
4Der Rechtsstreit war wegen eines Teilurteils vom 14.07.2014 (Bl. 435 d.A.) bereits bei der Kammer anhängig. Mit dem Teilurteil hatte das Amtsgericht die Beklagten zu 1) und 2) verurteilt, auch dem Kläger zu 1) den Zugang zur Wohnung der Beklagten zu gewähren, um Handwerker bei ihren Arbeiten anzuleiten, zu kontrollieren und die Arbeiten abzunehmen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wurde von der Kammer als unzulässig verworfen (Urteil vom 26.02.2015, 9 S 173/14, Bl. 494), da die erforderliche Beschwer von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht war. Eine hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (die statthaft war, § 26 Nr. 8 S. 2 EGZPO) wurde vom BGH zurückgewiesen (Beschluss vom 27.10.2015, VIII ZR 60/15, Bl. 42 Band VI).
5Die nunmehr anhängigen Berufungen betreffen den restlichen Teil des Rechtsstreits. Die Beklagten zu 1) und 2) haben seit Juli 2012 diverse Minderungen der (Kalt-) Miete von 224,40 € vorgenommen. So haben sie die Miete zeitweise um 11,22 € (5 %) gemindert, da sich das auf einem Treppenabsatz befindliche (einzige) WC der Wohnung nur von innen durch einen Haken, nicht aber durch ein Schloss versperren lässt. Weiter minderten sie die Miete zeitweise um weitere 6,73 € (3 %) wegen des Zustandes des Teppichs im Treppenhaus. Ferner minderten sie die Miete zeitweise um weitere 33,66 € (15 %), da am angrenzenden ehemaligen Rangierbahnhof Bauarbeiten stattgefunden haben. Weiter minderten sie die Miete zeitweise um weitere 11,22 € (5 %) bzw. um 22,44 € (10 %), da ihnen die Nutzung von Wäscheleinen auf dem Dachboden untersagt worden war. Mit Schreiben vom 07.11.2012 sprachen die Kläger wegen eines Mietrückstandes iHv 586,80 € erstmals eine (fristlose) Kündigung aus. Weitere Kündigungen erfolgten während des Rechtsstreits.
6Die Kläger hatten ursprünglich einen Räumungsantrag und diverse Zahlungsanträge wegen Mietrückständen angekündigt. Die Beklagten zu 1) und 2) hatten widerklagend mehrere eigene Zahlungsansprüche wegen Anwaltskosten geltend gemacht.
7Wegen der Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
8Das Amtsgericht ist in dem angefochtenen (Schluss-) Urteil vom 11.02.2016 davon ausgegangen, dass der ursprünglich gestellte Räumungsantrag gegen die Beklagten zu 1) – 3) zurückgenommen worden sei. Im Übrigen hat es mit dem Urteil der auf Zahlung gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichteten Klage überwiegend stattgegeben. Soweit die Miete wegen des WC gemindert worden war, rechtfertige das fehlende Schloss keine Minderung. Auch bezüglich des Teppichbelages im Treppenhaus bestehe kein Minderungsanspruch. Ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder bestehe keine Stolper- und Sturzgefahr. Die Baustelle auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs berechtige zu einer Mietminderung, allerdings nur iHv 5 % für den Zeitraum August bis Oktober 2012. Nach Angaben des Beklagten zu 3), der nach Rücknahme des Räumungsantrages als Zeuge zu vernehmen gewesen sei, stehe fest, dass von der Baustelle eine Lärmbelästigung ausgegangen sei, die das Maß des üblichen Lärms überschritten hätte. Eine 5 % übersteigende Minderungsquote sei aber nicht angezeigt gewesen, da der Umfang der Lärmbeeinträchtigungen sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch bezüglich der Lautstärke mangels eines Lärmprotokolls und Lärmmessungen im Nachhinein nur grob beurteilt werden könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Wohnung aufgrund ihrer Lage üblicherweise Verkehrslärm ausgesetzt und dass bei der Anmietung der Rangierbahnhof noch in Betrieb gewesen sei. Keine Minderung sei allerdings hinsichtlich der Entfernung der Wäscheleinen vom Dachboden gerechtfertigt. Zwar gehöre die Benutzung von Gemeinschaftsräumen zum gewöhnlichen Mietgebrauch. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten den Dachboden jedoch weiterhin zum Trocknen (mittels eines Wäscheständers) nutzen können, da der Dachboden ihnen jedenfalls faktisch – trotz des Schildes „Ab hier kein Zutritt für Familie E“ – uneingeschränkt zugänglich gewesen sei. Auch die geltend gemachten Nebenkostenforderungen für die Jahre 2011 bis 2013 bestünden in der geltend gemachten Höhe. Die den Abrechnungen zu Grunde gelegte Wohnfläche sei nicht zu beanstanden, da nach dem eingeholten Gutachten die Wohnung sogar größer sei als die abgerechneten 74 m².
9Soweit die Beklagten zu 1) und 2) Gegenansprüche geltend gemacht hatten, hat das Amtsgericht geurteilt, dass die (Hilfs-) Aufrechnungen nicht durchgreifen. Für eine Aufrechnung mit Anwaltskosten i.H.v. 402,82 € wegen einer gegenüber dem Kläger zu 1) ausgesprochenen Abmahnung fehle es bereits an einer Aufrechnungslage gegenüber den Klägern als Gesamtgläubigern. Die Hilfsaufrechnungen in Höhe von insgesamt 976,76 € (102,82 € Anwaltskosten zur Abwehr eines Mieterhöhungsverlangens sowie zweimal 436,97 € zur Abwehr von Kündigungen) würden mangels Anspruchsgrundlage nicht durchgreifen. Den Klägern sei kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen. Aus demselben Grund wurde die Hilfswiderklage, die sich auf dieselben Forderungen wie die Hilfsaufrechnungen bezog, abgewiesen. Die Widerklage, die sich ebenfalls auf die Anwaltskosten zum Ausspruch der Abmahnung bezog, wurde abgewiesen, da das Verhalten des Klägers zu 1) (einmaliges „Rumlauern“ vor der Tür verbunden mit zahlreichen Anrufversuchen) nicht zur Abmahnung berechtige.
10Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 18.03.2016 wurde der Tatbestand des angefochtenen Urteils berichtigt (Bl. 593a). Sodann wurde das Urteil auf Antrag der Kläger mit Ergänzungsurteil vom 19.05.2016 (Bl. 669) um eine weitere Verurteilung iHv 188,29 € (Mietrückstände für Januar bis März 2014) nebst Zinsen ergänzt. Ein weiterer Antrag auf Urteilsergänzung hinsichtlich des Räumungsantrages wurde abgewiesen.
11Gegen das (Schluss-) Urteil vom 11.02.2016 wenden sich die Beklagten zu 1) und 2) und verfolgen ihre erstinstanzlichen Anträge (Klageabweisung und Verurteilung auf Widerklage und Hilfswiderklage) weiter. Das fehlende Schloss an der WC-Tür stelle einen Mangel dar. Die Toilette sei nicht anders zu bewerten als etwa ein Abstell- oder Kellerraum. Der vorhandene Haken sichere den Raum nicht gegen unbefugten Zutritt Dritter. Zudem hätten die Kläger in treuwidriger Weise an der Tür der ebenfalls im Hausflur gelegenen Toilette der Wohnung im 3. OG ein Schloss anbringen lassen. Hinsichtlich des Teppichs habe das Gericht die Beweismittel (Ortsbesichtigung) nicht ausgeschöpft. Auch eine optische Beeinträchtigung begründe einen Mangel. Ein Treppenhaus, das sich in einem renovierungsbedürftigen Zustand befindet, sei ein Mangel. Die Minderungsquote hinsichtlich des Baulärms sei zu niedrig bemessen. Ein Öffnen der Fenster sei nur unter erheblichen Beeinträchtigungen möglich gewesen. Der Lärm hätte sich auch auf Ruhe- und Nachtzeiten erstreckt. Die Grenzwerte für Baulärm seien überschritten worden, was sogar zu einer Minderung von 25 % berechtigen würde. Hinsichtlich des Dachbodens sei das Amtsgericht von unrichtigen Tatsachen ausgegangen. Inzwischen habe das Amtsgericht den Tatbestand korrigiert und dahingehend ergänzt, dass im März 2014 ein Vorhängeschloss angebracht worden sei. Damit sei den Beklagten eine vertraglich eingeräumte Nutzungsmöglichkeit für einen Nebenraum entzogen worden. Schließlich habe das Amtsgericht auch den Summierungseffekt der Mängel übersehen. Die Nebenkosten seien in jahrelanger Übung nach einer Maßgabe von 68 m² abgerechnet worden. Hierin liege eine Vereinbarung auf 68 m² als Wohnfläche. Im Mietvertrag für eine vergleichbare Wohnung im Haus sei ebenfalls eine Fläche von 68 m² angegeben worden. Das eingeholte Gutachten sei daher nicht erforderlich gewesen. Ferner seien die Kläger selbst von 74 m² Wohnfläche ausgegangen, womit die Abweichung unterhalb der 10 %-Grenze liege. Hinsichtlich der Widerklage fehle eine nachvollziehbare Begründung. Hinsichtlich der Hilfsaufrechnung hätten die Kläger – fahrlässig – eine unzutreffende Wohnfläche als Grundlage angenommen. Ebenso fahrlässig hätten sie einen Mietrückstand angenommen.
12Auch die Kläger wenden sich gegen das (Schluss-) Urteil vom 11.02.2016 dahingehend, dass der Räumungsantrag zu Unrecht nicht beschieden worden sei. Sie verlangen nunmehr von allen drei Beklagten die Herausgabe der Wohnung. Die Beklagten erachten die Berufung insoweit als unzulässig; im Übrigen fehle es mangels Zahlungsrückständen an einer wirksamen Kündigung.
13Schließlich wenden sich die Beklagten zu 1) und 2) gegen das Ergänzungsurteil vom 19.05.2016, soweit sie damit zu einer weiteren Zahlung von 188,29 € verurteilt wurden. Die vorgenommenen Minderungen wegen der WC-Tür, des Teppichbelages und der Dachbodennutzung seien aus den vorgenannten Gründen zu Recht erfolgt; die Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung setze eine inhaltlich korrekte Abrechnung voraus, was wegen einer nicht zutreffenden Wohnfläche aber nicht der Fall gewesen sei.
14Die Kläger beantragen, unter Abänderung des am 11.02.2016 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Wuppertal, Az. 92 C 342/12,
15die Beklagten zu 1) – 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die im 2. Obergeschoss des Hauses T-Str. in F gelegene Wohnung, bestehend aus 2 Schlafzimmern, Küche, Diele, Bad, Wohnzimmer und den Kellerräumen Nr. 5 und 6, zu räumen und an die Kläger geräumt herauszugeben.
16Die Beklagten beantragen,
17die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
18Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen, unter Abänderung des am 11.02.2016 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Wuppertal, Az. 92 C 342/12,
191.
20die Klage insgesamt abzuweisen,
212.
22auf die Widerklage den Kläger zu 1) zu verurteilen, an den Beklagten zu 1) 402,80 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Widerklageschrift vom 30.07.2014 zu zahlen,
233.
24auf die Hilfswiderklage die Kläger zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtgläubiger 976,76 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schriftsatzes vom 07.03.2013 zu zahlen.
25Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen weiter, unter Abänderung des am 19.05.2016 verkündeten Ergänzungsurteils des Amtsgerichts Wuppertal, Az. 92 C 342/12,
26die Klage abzuweisen, soweit die Beklagten zu 1) und 2) zur Zahlung von 188,29 € zuzüglich Zinsen verurteilt worden sind.
27Die Kläger beantragen,
28die Berufungen der Beklagten zu 1) und 2) zurückzuweisen.
29Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
30II.
31A. Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen das Schlussurteil vom 11.02.2016
32Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen ihre Verurteilung zur Zahlung ist zulässig und teilweise erfolgreich.
331. Minderung WC-Tür
34Eine Minderung wegen des fehlenden Schlosses an der WC-Tür scheitert bereits an § 536 b BGB. Unstreitig war die Tür seit Vertragsschluss nicht mit einem Schloss versehen, was den Beklagten zu 1) und 2) auch bekannt war. Jedenfalls haben sie diesen Zustand durch jahrzehntelange Übung als vertragsgemäß akzeptiert. Ein Mangel folgt auch nicht daraus, dass die Kläger das WC einer anderen Wohnung mit einem Schloss ausgestattet haben. Eine Minderung käme allenfalls in Betracht, wenn die Beklagten zu 1) und 2) einen Anspruch auf eine entsprechende Modernisierung hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ist die Ausstattung einer Wohnung auf Grund der technischen Entwicklung veraltet, so ist dies der Risikosphäre des Mieters zuzurechnen. Ein Anspruch auf Modernisierung besteht nicht (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 535, Rn. 382). Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ist es auch nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, wenn ein Vermieter in einer Wohnung (geringfügige) Modernisierungsmaßnahmen durchführt, in einer anderen Wohnung aber nicht. Ob die Beklagten zu 1) und 2) gegebenenfalls ein Anspruch darauf haben, selbst ein Schloss anbringen zu dürfen, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.
352. Minderung Teppichbelag
36Ebenfalls zu Recht hat das Amtsgericht eine Minderung wegen des Teppichbelags im Treppenhaus abgelehnt. Dabei hat es die zur Verfügung stehenden Beweismittel ausgeschöpft. Zwar haben die Beklagten auch Beweis angetreten durch „Ortsbesichtigung“ (Bl. 102), also durch Inaugenscheinnahme i.S.d. § 371 ZPO. Von der Durchführung einer Ortsbesichtigung kann allerdings Abstand genommen werden, wenn vorgelegte Fotografien einen Eindruck eindeutig vermitteln und die beweispflichtige Partei keine von den Fotografien abweichenden Merkmale behauptet (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 1237; Münchener Kommentar zur ZPO-Zimmermann, 4. Aufl., § 371, Rn. 10). Dies ist hier der Fall. Die in der Akte befindlichen Fotografien (insb. Bl. 225, Bl. 265 ff. und Bl. 567 ff.) vermitteln einen aussagekräftigen Eindruck vom Zustand des Teppichbelags. Die Beklagten haben die von den Klägern vorgelegten Fotos lediglich als „wenig aussagekräftig“ gerügt (Bl. 215). Sie haben jedoch keine abweichenden Merkmale behauptet, auch nicht in zweiter Instanz.
37Ausweislich der Fotografien ist der Teppich zwar alt und abgenutzt, eine besondere Stolpergefahr ist aber tatsächlich nicht ersichtlich. Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass das Treppenhaus renovierungsbedürftig sei. Denn die Wände und das Treppengeländer machen – im Gegensatz zum Teppichbelag – einen guten Eindruck (vgl. insb. Bl. 273). Damit kann aber ein mehr als bloß unbedeutender optischer Mangel oder gar eine als Mangel anzusehende Renovierungsbedürftigkeit des Treppenhauses im Sinne der Rechtsprechung nicht festgestellt werden.
383. Minderung Baulärm
39Dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Amtsgerichts, dass wegen der Baustelle auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs eine Minderung vorzunehmen war. Soweit sich die Kläger gegen diese Feststellung wenden, so ist dies ohne Belang, da sie insoweit keine (Anschluss-) Berufung eingelegt und in zweiter Instanz eine Mietminderung von 5 % akzeptiert haben (Bl. 747).
40Eine weitergehende Minderung ist nur für die Monate August und September 2012 feststellbar:
41Baulärm, der von Nachbargrundstücken ausgeht, stellt bei Mietverhältnissen über Wohnraum einen Fehler der Mietsache i.S.d. § 536 BGB dar, wenn er so erheblich ist, dass die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch als Wohnung gemindert ist (vgl. BayObLG, NJW 1987, 1950; LG Kassel, NJW-RR 1989, 1292; LG Wiesbaden, WuM 2000, 184). Dies hat das Amtsgericht festgestellt. Der Umfang dieser Beeinträchtigungen ist nach den Angaben des Beklagten zu 3) in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2015 zu bemessen, da das Amtsgericht diesen Angaben Glauben geschenkt hat, den Angaben der Zeugen T und K jedoch nicht gefolgt ist. Dies geschah in prozessual zulässiger Weise, auch wenn das Amtsgericht den Beklagten zu 3) fälschlicherweise als Zeugen angesehen hat. Denn Grundlage der Beweiswürdigung ist der gesamte Inhalt der Verhandlung, insbesondere auch die Äußerungen der Parteien bei Anhörungen nach § 141 ZPO, welche das Amtsgericht tatsächlich durchgeführt hat. Dabei kann auch einer Parteierklärung, selbst wenn sie außerhalb einer förmlichen Parteivernehmung erfolgt ist, der Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen gegeben werden (vgl. BGH, NJW 1999, 363). Das Amtsgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, warum es die Angaben des Beklagten zu 3) als glaubwürdiger erachtet, als die Angaben der Zeugen. Nach seinen Angaben dauerten die Bauarbeiten etwa von Mitte Juli bis Mitte Oktober 2012. Stündlich mehrfach wurde Baumaterial mit Kippern abgeladen. Teilweise wurde der Geländeaushub zerkleinert, was nach Angaben des Beklagten zu 3) einen ohrenbetäubenden Lärm gemacht hat. Wenn die Lkw den Rückwärtsgang einlegten, ertönte ein Piepton. Die Arbeiten begangen um ca. 7:00 Uhr und dauerten bis ca. 23:00 Uhr an, auch samstags. Nach Einschätzung des Beklagten zu 3) hat sich die Lärmkulisse bei einer Skala von 1 - 100 aufgrund der Bauarbeiten von 30 auf 70 - 80 erhöht. Weitere Feststellungen zum Lärmumfang sind nicht möglich.
42Bei alledem handelt es sich bei den Lärmbelästigungen um solche, die denen entsprechen, die bei Geländearbeiten auf einem Nachbargrundstück üblich sind. Bei – von der Intensität als vergleichbar erscheinenden – Belästigungen durch Bauarbeiten beim Um- bzw. Neubau von Bahnstrecken hat die Rechtsprechung eine Minderung von 10 % anerkannt (LG Wiesbaden, aaO; LG Kassel, aaO). Dies erscheint auch vorliegend als angemessen. Da in den Monaten Juli und Oktober 2012 die Bauarbeiten jeweils nur den halben Monat stattgefunden haben, erscheint hier die vom Amtsgericht angesetzte Minderung von jeweils 5 % als angemessen. Lediglich für die Monate August und September 2012 ist eine höhere Minderung von 10 % insgesamt, also 22,44 € pro Monat, vorzunehmen.
43Auf ein Zurückbehaltungsrecht können sich die Beklagten nicht (mehr) berufen, da der Mieter zur Nachzahlung des einbehaltenen Betrages verpflichtet ist, wenn der Mangel beseitigt wird (Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 536 BGB, Rn. 187). Mit Beendigung der Bauarbeiten war vorliegend der Mangel beseitigt.
444. Minderung Dachboden
45Der Dachboden war – jedenfalls aufgrund der jahrzehntelangen Übung – Teil des Mietgebrauchs, so dass die teilweise Entziehung dieses Mietgebrauchs einen Mangel darstellt (vgl. das Urteil der Kammer vom 10.10.2013, Az. 9 S 2/13, abrufbar unter: www.nrwe.de). Das Amtsgericht hat übersehen, dass den Beklagten ab März 2014 der Zugang zum Trockenraum vollständig unterbunden wurde, indem dort ein Vorhängeschloss angebracht wurde (vgl. Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 18.03.2016, Bl. 593 a). Allerdings erscheint bereits ab dem Zeitpunkt ein Mangel als gegeben, ab dem den Beklagten der Zugang zum Dachboden untersagt wurde, also ab September 2013. Denn es kann dem Mieter nicht zugemutet werden, sich über ein ausdrückliches Verbot seitens des Vermieters hinwegzusetzen.
46Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen erscheint hier eine Minderung von 5 % (ab September 2013) angemessen. Das Landgericht Köln (WuM 1993, 670) hat eine Minderung von 20 % angenommen, wenn dem Mieter die Mitbenutzung von Garten, Trockenraum und Waschküche entzogen wird; das Amtsgericht Osnabrück (WuM 1990, 147) hat eine Minderung von 10 % bei Entzug von Gemeinschaftswaschmaschinen und -trocknern angenommen. Da hier nur der Zugang zum Trockenraum unterbunden wurde, ist eine Minderung von 5 %, also 11,22 €, vorzunehmen.
47Da der Mangel bisher nicht beseitigt wurde, steht den Beklagten – neben der Minderung – zusätzlich ein Zurückbehaltungsrecht zu (vgl. BGH, NJW 2015, 3087). Die Frage, in welchem Umfang dem Mieter, der die mit Mängeln behaftete Wohnung weiter nutzt, ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, entzieht sich jedoch einer allgemein gültigen Betrachtung. Sie ist vielmehr vom Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu beantworten (BGH, aaO). Dabei war einerseits zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Verbot, den Dachboden zum Wäschetrocknen zu nutzen, um eine reine Schikane seitens der Kläger handelt. Andererseits war zu berücksichtigen, dass der Gebrauchswert der Wohnung hierdurch nur sehr geringfügig eingeschränkt wurde. Eine Kumulation von Minderung und Zurückbehaltungsrecht zu einem Betrag von mehr als 20 % der vereinbarten Kaltmiete, erscheint daher nicht mehr gerechtfertigt. Die Beklagten sind daher berechtigt, seit September 2013 insgesamt 20 % der Kaltmiete (= 44,88 €) einzubehalten.
48Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagten nach Wirksamwerden der von den Klägern ausgesprochenen Kündigung nicht mehr berechtigt gewesen wären, die Miete zu mindern (oder sich auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen). Wurde das Mietverhältnis durch eine wirksame Kündigung beendet, so schuldet der Mieter ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Miete, sondern eine Entschädigung nach § 546 a BGB. Diese Entschädigung ist im Falle des Vorliegens eines Mangels jedoch ebenso gemindert, wie die Miete selbst. War die Miete im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung wegen eines Mangels gemindert, so ist auch während der Vorenthaltung eine Entschädigung in Höhe der geminderten Miete zu bezahlen (Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 546a, Rn. 27).
495. Nebenkosten / Wohnfläche
50Hinsichtlich der zugesprochenen Nebenkosten ist das erstinstanzliche Urteil, welches von einer Wohnfläche von (mindestens) 74 m² ausgeht, nicht zu beanstanden. Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass eine Wohnungsgröße von 68 m² vereinbart worden und die tatsächliche Wohnungsgröße daher unbeachtlich wäre. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung auf 68 m² gibt es nicht. Die Mietvertragsparteien können hinsichtlich der Fläche eine Beschaffenheitsvereinbarung treffen. Ein schriftlicher Vertrag ist zwischen den Parteien bzw. mit den Rechtsvorgängern der Kläger nicht getroffen worden. Zwar können mietvertragliche Abreden zur Beschaffenheit der Mietsache auch konkludent getroffen werden, und zwar in der Weise, dass der Mieter dem Vermieter bestimmte Anforderungen an die Mietsache zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt (vgl. BGH, NJW 2010, 1133). Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer derartigen Forderung der Beklagten als Mieter. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt selbst dann noch nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert (BGH, aaO). Eine solche Zustimmung kann allein in der früheren Abrechnung von Nebenkosten auf Basis von einer Wohnungsgröße von 68 m² nicht gesehen werden, schon allein deswegen, weil diesen Abrechnungen mangels einer entsprechenden Forderung der Beklagten zur Bestimmung der Wohnungsgröße kein derartiger Erklärungsinhalt beigemessen werden kann.
51Ob die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger mit anderen Mietern Vereinbarungen zur Wohnungsgröße getroffen haben, ist für das vorliegende Mietvertragsverhältnis ohne Belang.
52Mangels Vereinbarung einer bestimmten Wohnungsgröße kann die tatsächliche Überschreitung dieser Größe auch nicht unbeachtlich (unter 10 %) sein.
53Durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit des eingeholten Gutachtens, welches sogar von einer Wohnungsgröße von 76,37 m² (zzgl. 1,16 m² für das WC) ausgeht, tragen die Beklagten nicht vor.
546. Zusammenfassung Mietrückstände
55Nach alledem ergeben sich, ausgehend von den durch die Kläger geltend gemachten Mietrückständen, folgende Beträge, um welche die Miete tatsächlich unberechtigt gekürzt wurde:
56geltend gemachte |
berechtigender |
unberechtigte |
|||
Monat |
Rückstände |
berechtigt iHv |
Grund |
Minderung |
Summe |
Juli 12 |
11,22 € |
0,00 € |
11,22 € |
11,22 € |
|
August 12 |
152,31 € |
11,22 € |
Lärm 5 % |
141,09 € |
152,31 € |
September 12 |
152,31 € |
22,44 € |
Lärm 10 % |
129,87 € |
282,18 € |
Oktober 12 |
152,31 € |
22,44 € |
Lärm 10 % |
129,87 € |
412,05 € |
November 12 |
118,65 € |
11,22 € |
Lärm 5 % |
107,43 € |
519,48 € |
Dezember 12 |
17,95 € |
0,00 € |
17,95 € |
537,43 € |
|
Januar 13 |
17,95 € |
0,00 € |
17,95 € |
555,38 € |
|
Februar 13 |
21,95 € |
0,00 € |
21,95 € |
577,33 € |
|
März 13 |
21,95 € |
0,00 € |
21,95 € |
599,28 € |
|
April 13 |
21,95 € |
0,00 € |
21,95 € |
621,23 € |
|
Mai 13 |
21,95 € |
0,00 € |
21,95 € |
643,18 € |
|
Juni 13 |
21,95 € |
0,00 € |
21,95 € |
665,13 € |
|
Juli 13 |
21,95 € |
0,00 € |
21,95 € |
687,08 € |
|
August 13 |
21,95 € |
0,00 € |
21,95 € |
709,03 € |
|
September 13 |
33,17 € |
44,88 € |
Dachboden 20 % |
0,00 € |
709,03 € |
Oktober 13 |
33,17 € |
44,88 € |
Dachboden 20 % |
0,00 € |
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November 13 |
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Dezember 13 |
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Januar 14 |
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Februar 14 |
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März 14 |
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April 14 |
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Mai 14 |
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Juni 14 |
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Juli 14 |
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August 14 |
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September 14 |
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Oktober 14 |
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November 14 |
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Dezember 14 |
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44,88 € |
Dachboden 20 % |
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Januar 15 |
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Dachboden 20 % |
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Februar 15 |
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Dachboden 20 % |
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März 15 |
44,39 € |
44,88 € |
Dachboden 20 % |
0,00 € |
709,03 € |
7. Aufrechnung
58Soweit das Amtsgericht die laut Tatbestand des Urteils erklärte Aufrechnung i.H.v. 402,82 € als nicht durchgreifend erachtet hat, wurde dies mit der Berufung nicht angegriffen. Überdies haben die Beklagten die Aufrechnung mit Schriftsatz vom 30.07.2014 (Bl. 450) nicht mehr geltend gemacht und stattdessen Widerklage erhoben.
598. Hilfsaufrechnung
60Zu Recht hat das Amtsgericht auch die mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Anwaltskosten der Beklagten zu 1) und 2) wegen der Abwehr des Mieterhöhungsverlangens und der Kündigungen nicht durchgreifen lassen.
61Die Geltendmachung (vermeintlich) unbegründeter Ansprüche begründet nicht ohne weiteres einen Anspruch auf Ersatz der zur außergerichtlichen Abwehr des Anspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten. Zwar verletzt eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB. Eine Haftung dieser Vertragspartei scheidet jedoch aus, wenn sie nicht fahrlässig handelt. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht diese Vertragspartei jedoch, wenn sie prüft, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist. Mit dieser Plausibilitätskontrolle des eigenen Begehrens hat es sein Bewenden (BGH, NJW 2009, 1262).
62Ein Verstoß gegen diese Pflicht zur Plausibilitätskontrolle ist vorliegend nicht erkennbar. Sowohl das Mieterhöhungsverlangen als auch die Kündigungen beruhten auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt der Kläger.
639. Ergebnis Klage
64Mithin war die vom Amtsgericht zugesprochene Klageforderung (nur) teilweise zu reduzieren, wie aus dem Tenor ersichtlich ist.
6510. Widerklage
66Zu Recht hat das Amtsgericht auch die Widerklage abgewiesen. Ein zu einer Abmahnung berechtigendes Verhalten des Klägers zu 1) liegt nicht vor. Zu Recht hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass die Beklagten zwei Tage vor dem streitgegenständlichen Verhalten des Klägers zu 1) eine Mängelrüge an die Kläger adressiert hatten. Daher ist der Versuch einer Kontaktaufnahme durch den Kläger zu 1) nicht verwerflich; ebenso nicht verwerflich ist es, wenn er vor seinem eigenen Haus „rumlauert“. Auch im Übrigen enthält der Tatbestand des angegriffenen Urteils kein zu einer Abmahnung berechtigendes Verhalten des Klägers zu 1). Eine Unvollständigkeit des Tatbestandes wurde nicht geltend gemacht.
6710. Hilfswiderklage
68Ebenso zu Recht hat das Amtsgericht schließlich die Hilfswiderklage abgewiesen, da den Beklagten zu 1) und 2) kein Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten wegen der Abwehr des Mieterhöhungsverlangens und der Kündigungen zusteht (s.o. Ziff. 8. Hilfsaufrechnung).
69B. Berufung der Kläger gegen das Schlussurteil von 11.02.2016
70Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Amtsgericht nicht über den Räumungsantrag entschieden. Dieser ist zudem begründet.
711.
72Die Berufung ist für das Begehren der Kläger (Verurteilung zur Räumung bei angenommener Klagerücknahme) das statthafte Rechtsmittel. § 321 ZPO findet hier keine Anwendung. Die vom Beklagtenvertreter (wiederholt) zitierte Rechtsprechung dazu passt nicht. Denn soweit das amtsgerichtliche Urteil ausdrücklich über einen Teil der Klage nicht entschieden hat, weil es der Auffassung gewesen ist, dass er nicht (mehr) anhängig gewesen ist, so kann diese bewusste Entscheidung des Gerichts, über einen nach seiner Auffassung nicht oder nicht mehr anhängigen Anspruch nicht zu entscheiden, nur mit einem Rechtsmittel angefochten werden und ist ein Antrag auf Ergänzung des Urteils nicht zulässig (BGHZ 182, 185, juris Rn. 70; Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 321, Rn. 2, 4; nach BGH NJW 2010, 1148 ist der Rechtsmittelzug (Berufung) ggf. sogar neben dem Verfahren nach § 321 ZPO eröffnet, wenn das Urteil nicht bloß unvollständig, sondern (dadurch) sachlich unrichtig ist). Demgemäß hat das Amtsgericht richtigerweise den Ergänzungsantrag der Kläger insoweit zurückgewiesen.
73Auch § 533 ZPO findet keine Anwendung. Denn wenn der bewusst nicht entschiedene Antrag tatsächlich nicht zurückgenommen worden ist, so stellt der Berufungsantrag keine (in zweiter Instanz isoliert unzulässige) Klageerweiterung dar, sondern die Fortsetzung des (falsch beschiedenen) erstinstanzlichen Begehrens.
742.
75Eine Beschwer der Kläger liegt vor. Eine solche besteht, wenn die Entscheidung des Erstgerichts dem Berufungskläger etwas versagt, was er beantragt hat und immer noch begehrt. Maßgeblich dafür ist der letzte Antrag aus der Vorinstanz (Baumbach pp, ZPO, 74. Aufl., Grundz. § 511, Rn. 15). Dass der Räumungsantrag im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils gar nicht erwähnt wird, ist insoweit nicht maßgeblich. Zwar muss grundsätzlich wegen der Beweiskraft des Tatbestands (§ 314 ZPO) von der Richtigkeit des dort wiedergegebenen Tatsachenvortrags ausgegangen werden, so dass sich das hiervon abweichende Vorbringen in der Berufungsbegründung als neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO darstellt. Die Unrichtigkeit des Tatbestands kann (und muss) nämlich mit Hilfe eines beim Gericht des ersten Rechtszuges anzubringenden Antrags nach § 320 ZPO auf Berichtigung des Tatbestands geltend gemacht werden (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 6). Dies ist vorliegend indes geschehen. Zudem kann – abweichend von einer Unrichtigkeit – eine Unvollständigkeit des Tatbestands neben der Möglichkeit der Berichtigung nach § 320 ZPO auch in der Rechtsmittelinstanz als Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 286 ZPO) gerügt werden (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 7). Hier geht es um eine solche Unvollständigkeit, nämlich die Auslassung des zumindest ursprünglich gestellten Räumungsantrages.
76Die Beschwerdesumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist erreicht. Beim Streit über die Räumung einer auf unbestimmte Zeit vermieteten Wohnung ist mangels anderer hinreichend konkreter Anhaltspunkte die „streitige Zeit” i.S. des § 8 ZPO in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO zu bestimmen, also auf die 3,5-fache Jahresmiete abzustellen (BGH, NJW-RR 2005, 867).
77Schließlich wäre die Berufung der Kläger als Anschlussberufung an die Berufungen der Beklagten zu 1) und 2) anzusehen, so dass sie auch ohne eigene Beschwer zulässig wäre.
783.
79Die Berufung ist in Fällen wie dem vorliegenden begründet, wenn die bewusste Entscheidung des Gerichts, über den Anspruch nicht zu entscheiden, verfahrensfehlerhaft war, und dem Antrag letztlich auch stattzugeben gewesen wäre. Beides ist vorliegend der Fall:
80a)
81Zu Unrecht ist das Amtsgericht von einer Rücknahme des Räumungsantrages ausgegangen. Eine Klagerücknahme kann zwar auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Erforderlich dafür ist aber, dass das Verhalten der Partei den Willen zur Rücknahme eindeutig und unzweifelhaft ergibt (BGH, NJW-RR 1996, 885). Ein solcher unzweifelhafter Wille zu Klagerücknahme ist vorliegend nicht erkennbar. In der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2015 (Bl. 630 Zweitakte) wurde auf die Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2015 Bezug genommen. Dort (Bl. 554) stellte der Klägervertreter (u.a.) die Anträge „aus dem Schriftsatz vom 16.11.2012 (Bl. 36 d. A.), jedoch ohne den dortigen Räumungsantrag, aus dem Schriftsatz vom 21.11.2012 (Bl. 35 d. A.), …“. Bereits das unterlassene Stellen eines Antrages kann nicht ohne Weiteres als Klagerücknahme aufgefasst werden (RGZ 168, 56; Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 269, Rn. 12; Münchener Kommentar zur ZPO-Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 269, Rn. 19). Zudem hat der Klägervertreter zwar den Räumungsantrag aus dem Schriftsatz vom 16.11.2012 nicht gestellt, im Schriftsatz vom 21.11.2012 wurde dieser (nicht gestellte) Räumungsantrag aber um den Beklagten zu 3) ergänzt. Mit der Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 21.11.2012 wurde also (ohne Einschränkung) ein Räumungsantrag gestellt, einen anderen Antrag enthält der Schriftsatz vom 21.11.2012 auch nicht.
82Ferner ergibt sich aus dem weiteren Prozessverlauf kein Hinweis auf eine Rücknahme des Räumungsantrages. Insbesondere hat der Beklagtenvertreter der (vermeintlichen) Rücknahme nicht zugestimmt, was aber gem. § 269 Abs. 1 ZPO erforderlich gewesen wäre, da bereits am 15.01.2013 (Bl. 98) über den Räumungsantrag (vom 16.11.2012) verhandelt wurde. Auch wurde der Beklagte zu 3) als solcher angehört, obwohl er bei einer Rücknahme des Räumungsantrages keine Partei mehr gewesen wäre. Von den Parteien wurde er einerseits als „Zeuge“ bezeichnet (vgl. Bl. 597, 610 Zweitakte), andererseits haben die Kläger im Schriftsatz vom 11.05.2015 ausdrücklich ausgeführt, dass „Herr K (…) nicht Zeuge, sondern Partei“ sei (Bl. 571).
83Die Amtsrichterin, welche die Verhandlung am 11.05.2015 leitete, ist also nicht von einer Klagerücknahme ausgegangen. Die Amtsrichterin, die schließlich entschieden hat, hat den protokollierten Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2015 offensichtlich missverstanden.
84b)
85Der Räumungsantrag gegen die Beklagten ist begründet. Das Mietverhältnis wurde spätestens zum 28.02.2015 beendet.
86Zwar waren die Beklagten zu 1) und 2) zum Zeitpunkt der erstmaligen Kündigung am 07.11.2012 (Bl. 39) nur mit 519,48 € im Rückstand (s.o. Ziff. A 6). Damit betrug der Zahlungsrückstand zu diesem Zeitpunkt jedoch weniger als zwei Warm-Mieten (monatlich 280,40 €, also zusammen 560,80), vgl. § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB. Jedenfalls die weitere (fristlose, hilfsweise fristgemäße) Kündigung vom 07.05.2014 (Bl. 416) war jedoch wirksam. Zum diesem Zeitpunkt betrug der Rückstand 709,03 € (s.o.), womit der Betrag von zwei Monatsmieten überschritten war. Gegenforderungen standen den Beklagten nicht zu, auch nicht in Form eines Zurückbehaltungsrechts wegen zu diesem Zeitpunkt noch zu behebender Mängel. Jedenfalls die fristgemäße Kündigung beendete das Mietverhältnis daher zum 28.02.2015 (bei 9 Monaten Kündigungsfrist, § 573c BGB).
87Gemäß § 546 Abs. 2 BGB ist auch der (in der Wohnung wohnende) Beklagte zu 3) zur Herausgabe/Räumung verpflichtet.
88C. Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen das Ergänzungsurteil v. 19.05.2016
89Die Berufung ist zulässig. Das Ergänzungsurteil des § 321 ZPO ist hinsichtlich des Rechtsmittels als selbständiges Urteil anzusehen. Die Berufungssumme ist für das angefochtene Ergänzungsurteil selbständig zu berechnen (BGH ZIP 84, 1107, juris Rn. 78). Hierauf kommt es aber nicht an, da das Amtsgericht die Berufung zugelassen hat.
90Die Berufung ist auch begründet. Aus den vorgenannten Gründen (Minderung und Zurückbehaltungsrecht wegen der fehlenden Möglichkeit zum Trocknen auf dem Dachboden) waren die Beklagten zu 1) und 2) berechtigt, die Miete auch im Zeitraum Januar bis Mai 2014 um mindestens 33,17 € bzw. 44,39 € zu mindern. Damit entfällt der mit dem Ergänzungsurteil zugesprochene Anspruch.
91D. Räumungsfrist
92Die Einräumung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO wurde nicht beantragt. Sie war auch nicht von Amts wegen zu gewähren, da aufgrund des angekündigten Revisionsverfahrens mit einer unmittelbaren Vollstreckung nicht zu rechnen ist.
93III.
94Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Zahlungsklage über insgesamt 1.666,96 € wurde i.H.v. 834,77 € stattgegeben, die Kläger unterliegen also i.H.v. 832,19 €. Hinzu kommt die Rücknahme der ursprünglichen Klage auf Zahlung von 50 € durch Schriftsatz vom 25.01.2013 (Bl. 117, eingeheftet vor Bl. 180). Bei einem Gesamtstreitwert von 6.411,32 € (s.u.) macht das Teilunterliegen der Kläger daher ca. 13 % aus. Aufgrund der unterschiedlichen Beteiligungen haftet der nur zur Räumung verurteilte Beklagte zu 3) neben den weiteren Beklagten gesamtschuldnerisch zu 52 %.
95Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor, soweit die Kläger Berufung gegen die unterlassene Entscheidung über den Räumungsantrag eingelegt haben. Die Frage, ob eine bewusste, aber zu Unrecht angenommene Teilklagerücknahme im Wege der Berufung angegriffen werden kann, ist ausdrücklich höchstrichterlich – soweit ersichtlich – nicht geklärt.
96Streitwert für die Berufungsinstanz:
97- Zahlungsansprüche 1.666,96 €
98- Herausgabeanspruch 3.364,80 € (§ 41 Abs. 2 GKG)
99- Widerklage 402,80 €
100- Hilfswiderklage / Hilfsaufrechnung 976,76 €
101==========
1026.411,32 €
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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der Beweis durch Augenschein wird durch Bezeichnung des Gegenstandes des Augenscheins und durch die Angabe der zu beweisenden Tatsachen angetreten. Ist ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises, wird der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei angetreten.
(2) Befindet sich der Gegenstand nach der Behauptung des Beweisführers nicht in seinem Besitz, so wird der Beweis außerdem durch den Antrag angetreten, zur Herbeischaffung des Gegenstandes eine Frist zu setzen oder eine Anordnung nach § 144 zu erlassen. Die §§ 422 bis 432 gelten entsprechend.
(3) Vereitelt eine Partei die ihr zumutbare Einnahme des Augenscheins, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit des Gegenstandes als bewiesen angesehen werden.
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.
(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.
(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.
(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.
(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(3) Auf einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Hauptanspruch zum Gegenstand hat, ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Dem Gegner des Antragstellers ist mit der Ladung zu diesem Termin der den Antrag enthaltende Schriftsatz zuzustellen. Über einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Nebenanspruch oder den Kostenpunkt zum Gegenstand hat, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Eine mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.
(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.
(1) Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate.
(2) Bei Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet worden ist, kann eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart werden.
(3) Bei Wohnraum nach § 549 Abs. 2 Nr. 2 ist die Kündigung spätestens am 15. eines Monats zum Ablauf dieses Monats zulässig.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1 oder 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.
(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(3) Auf einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Hauptanspruch zum Gegenstand hat, ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Dem Gegner des Antragstellers ist mit der Ladung zu diesem Termin der den Antrag enthaltende Schriftsatz zuzustellen. Über einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Nebenanspruch oder den Kostenpunkt zum Gegenstand hat, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Eine mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand.
(1) Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen, so gilt § 321; bis zur Entscheidung kann das Gericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung wegen des Räumungsanspruchs einstweilen einstellen.
(2) Ist auf künftige Räumung erkannt und über eine Räumungsfrist noch nicht entschieden, so kann dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, einen Antrag stellt. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.
(3) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Der Antrag auf Verlängerung ist spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist zu stellen. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.
(4) Über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3 entscheidet das Gericht erster Instanz, solange die Sache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.
(5) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an.
(6) Die sofortige Beschwerde findet statt
- 1.
gegen Urteile, durch die auf Räumung von Wohnraum erkannt ist, wenn sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet; - 2.
gegen Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3.
(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend. Das Entgelt nach Satz 1 umfasst neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.
(2) Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach Absatz 1 ein geringerer Streitwert ergibt. Wird die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend.
(3) Werden der Anspruch auf Räumung von Wohnraum und der Anspruch nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses über diesen Wohnraum in demselben Prozess verhandelt, werden die Werte nicht zusammengerechnet.
(4) Bei Ansprüchen nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch für die Rechtsmittelinstanz der für den ersten Rechtszug maßgebende Wert zugrunde zu legen, sofern nicht die Beschwer geringer ist.
(5) Bei Ansprüchen auf Erhöhung der Miete für Wohnraum ist der Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete, bei Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag der Mietminderung, bei Ansprüchen des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung und bei Ansprüchen des Vermieters auf Duldung einer Durchführung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung, in Ermangelung dessen einer sonst möglichen Mietminderung durch den Mieter maßgebend. Endet das Mietverhältnis vor Ablauf eines Jahres, ist ein entsprechend niedrigerer Betrag maßgebend.