Landgericht Bamberg Endurteil, 18. Okt. 2018 - 2 O 248/18

bei uns veröffentlicht am18.10.2018

Gericht

Landgericht Bamberg

Tenor

1. Der Verfügungsbeklagten wird verboten, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten, insgesamt höchstens zwei Jahre) den Kommentar des Antragstellers

"Werdiese Petition noch nicht unterschrieben hat, soll das bitte bis 17.06. tun! Gemeinsame Erklärung 2018 Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren und mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.

Begründung

Der seit Herbst 2015 andauernde Zustand eines unkontrollierten Zustroms von illegalen Migranten über die deutsche Außengrenze muss umgehend beendet werden. Er hat zu einer Überforderung der deutschen Gesellschaft in mittlerweile fast allen Bereichen geführt, die an einen Zerfall der rechtsstaatlichen Strukturen grenzt. Inzwischen hat dieser ungebremste Zustrom eine Asylmaschinerie in Deutschland entstehen lassen, die den ursprünglichen humanistischen Impetus konterkariert und teilweise ins Gegenteil verkehrt.

Deshalb fordern wir die sofortige Rücknahme der mündlichen Anweisung des ehemaligen Innenministers Thomas de Maiziere und die Wiederherstellung des rechtsstaatlichen Grenzregimes.

Die Auswirkungen der ungesteuerten und unkontrollierten Migration zeigen sich schon jetzt im öffentlichen Raum, in unseren Schulen und öffentlichen Verwaltungen. Vor allem in den Ballungszentren ist die Zahl der Rohheitsdelikte, der Gewalt auf Straßen und Plätzen und der Sexualdelikte stark gestiegen.

Der Anteil der Asylbewerber an diesen Delikten übersteigt deutlich deren Anteil an der Bevölkerung. In Bayern beispielsweise steigt die Zahl der Sexualstraftaten vom 1. Halbjahr zum 1. Halbjahr 2017 um 48 Prozent; die Zahl der von Asylbewerbern begangenen Sexualstraftaten um 91 Prozent. Bei Sexualstraftaten in Bayern sind Asylbewerber im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung fünffach überrepräsentiert.

Dazu kommen zunehmende Spannungen zwischen Einheimischen und aggressiv auftretenden jungen Asylbewerbern in vielen Städten, nicht nur in Metropolen - beispielsweise in Cottbus, Jüterbog, Darmstadt, aber auch große Spannungen innerhalb verschiedener Gruppierungen von Migranten. In den Gemeinschaftsunterkünften oder im öffentlichen Raum kommt es immer wieder zu gewalttätigen, teilweise tödlichen Auseinandersetzungen.

Islamistischer Terror in Deutschland und in unseren europäischen Nachbarstaaten ist eine Realität - ein Staat, der in dieser Situation trotzdem junge Männer ohne geklärte Identität, Alter, Herkunftsland und Grund für den Einreisewunsch nach Deutschland ins Land lässt, untergräbt nicht nur das Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol, sondern zersetzt es. Besonders beunruhigend ist, wie der Bremer Skandal um das dortige BAMF gezeigt hat, dass selbst Terrorverdächtigen Schutzstatus gewährt wurde.

Die Folgen der ungesteuerten Migration für das deutsche Sozialsystem, den Arbeitsmarkt, den Wohnungsmarkt, die Verwaltungen zeigen sich gerade erst. Und die Indikatoren deuten hier auf gravierende Problem, ganz weit weg von den euphorischhysterischen Ankündigungen der Politik, der Medien, vieler Manager, der Kirchenleitung, der Kulturelite und anderer Verantwortungsträger.

Eine sofortige Abkehr von dem bisherigen Zustand des unkontrollierten, ungesteuerten Zustroms nach Deutschland und ein Wechsel zu einer wirklich humanitären Hilfspraxis ist ein dringend nötiger Schritt, um den gefährdeten inneren Frieden zu erhalten.“

(wie dieser auf der Petitionsseite des Deutschen Bundestages unter https://epeetitionen.bundestag.de/content/petitionen/ 2018/ 05/ 17/Petition 79822.html wiedergegeben ist)

zu löschen und/oder den Antragsteller wegen dieses Postings auf " zu sperren.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Verfügungskläger begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher Facebook …| der Verfügungsbeklagten, verboten werden soll, einen Kommentar des Verfügungsklägers zur sog. „Erklärung 2018“, die Gegenstand einer Petition vor dem Bundestag ist, zu löschen und/oder den Verfügungskläger wegen dieses Postings auf der Internetseite von facebook.com zu sperren.

Der Verfügungskläger trägt vor, sich mit dem streitgegenständlichen Posting an einer öffentlichen Debatte beteiligt zu haben. Die von ihm auch gegenwärtig noch unterstützte sogenannte „Erklärung 2018“ sei auch auf der Webseite des Deutschen Bundestages wiedergegeben und abrufbar. Es handle sich hierbei um eine Petition, die einem Petitionsausschuss im Bundestag übergeben worden sei und deren Beratung im Herbst 2018 zu erwarten sei.

Der Verfügungskläger ist unter anderem der Ansicht, dass eine auf der Homepage des Deutschen Bundestages ebenfalls abrufbare Erklärung von Facebook nicht - wie geschehen -als sogenannte „Hassrede“ unter Bezugnahme auf die Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten gelöscht werden könne.

Der Verfügungskläger trägt vor, er habe mit Facebook wegen der Löschung und der nachfolgenden Sperrung seines Accounts Kontakt gehabt, eine weitere Überprüfung durch Facebook habe ergeben, dass sowohl das Löschen des Postings wie auch die weitere Sperrung des Accounts von insgesamt 30 Tagen aufgrund eines Verstoßes gegen die „Gemeinschaftsstandards“ wegen des Vorliegens einer „Hassrede“ weiterhin Bestand haben würde.

Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Gemeinschaftsstandards von Facebook seien unwirksam und trägt hierzu unter anderem vor, es handle sich hierbei um einen Willkürakt ohne Rechtsgrundlage.

Weiter wird seitens des Verfügungsklägers die Ansicht vertreten, der Verfügungskläger nehme lediglich am politischen Meinungswettstreit teil, sodass von Hassrede nicht die Rede sein könne. Er trägt vor, dass - würde dies anders gesehen werden - der Vorwurf der Hassrede sich gewissermaßen auch gegen den Deutschen Bundestag richte.

Der Verfügungskläger ist der Auffassung, der von ihm getätigte Post sei von Art. 5 GG gedeckt. Die Gemeinschaftsstandards von Facebook verlagerten eine Löschbefugnis in das Belieben der Verfügungsbeklagten.

Der Verfügungskläger ist des Weiteren der Auffassung, ein Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook sei an Art. 5 GG zu messen.

Der Verfügungskläger ist weiter der Ansicht, dass die Löschung seines von der Meinungsfreiheit gedeckten Beitrags eine objektive Pflichtverletzung der Verfügungsbeklagten als Vertragspartner darstelle. Die Löschung wie auch die Sperrung seien willkürlich, rechtswidrig und schränkten den Verfügungskläger in seinen Grundrechten ein.

Der Verfügungskläger beantragt mit der am 06.07.2018 eingereichten Antragsschrift vom 29.06.2018, die mit Beschluss des Gerichts vom 08.08.2018, spätestens mit Zustellung an den Prozessbevollmächtigten am 29.08.2018, zugestellt wurde, zur erkennen:

Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten Den Kommentar des Antragstellers

„Wer diese Petition noch nicht unterschrieben hat, soll das bitte bis 17.06. tun! Gemeinsame Erklärung 2018 Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren und mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.

Begründung

Der seit Herbst 2015 andauernde Zustand eines unkontrollierten Zustroms von illegalen Migranten über die deutsche Außengrenze muss umgehend beendet werden. Er hat zu einer Überforderung der deutschen Gesellschaft in mittlerweile fast allen Bereichen geführt, die an einen Zerfall der rechtsstaatlichen Strukturen grenzt. Inzwischen hat dieser ungebremste Zustrom eine Asylmaschinerie in Deutschland entstehen lassen, die den ursprünglichen humanistischen Impetus konterkariert und teilweise ins Gegenteil verkehrt.

Deshalb fordern wir die sofortige Rücknahme der mündlichen Anweisung des ehemaligen Innenministers Thomas de Maiziere und die Wiederherstellung des rechtsstaatlichen Grenzregimes.

Die Auswirkungen der ungesteuerten und unkontrollierten Migration zeigen sich schon jetzt im öffentlichen Raum, in unseren Schulen und öffentlichen Verwaltungen. Vor allem in den Ballungszentren ist die Zahl der Rohheitsdelikte, der Gewalt auf Straßen und Plätzen und der Sexualdelikte stark gestiegen.

Der Anteil der Asylbewerber an diesen Delikten übersteigt deutlich deren Anteil an der Bevölkerung. In Bayern beispielsweise steigt die Zahl der Sexualstraftaten vom 1. Halbjahr zum 1. Halbjahr 2017 um 48 Prozent; die Zahl der von Asylbewerbern begangenen Sexualstraftaten um 91 Prozent. Bei Sexualstraftaten in Bayern sind Asylbewerber im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung fünffach überrepräsentiert.

Dazu kommen zunehmende Spannungen zwischen Einheimischen und aggressiv auftretenden jungen Asylbewerbern in vielen Städten, nicht nur in Metropolen - beispielsweise in Cottbus, Jüterbog, Darmstadt, aber auch große Spannungen innerhalb verschiedener Gruppierungen von Migranten. In den Gemeinschaftsunterkünften oder im öffentlichen Raum kommt es immer wieder zu gewalttätigen, teilweise tödlichen Auseinandersetzungen.

Islamistischer Terror in Deutschland und in unseren europäischen Nachbarstaaten ist eine Realität - ein Staat, der in dieser Situation trotzdem junge Männer ohne geklärte Identität, Alter, Herkunftsland und Grund für den Einreisewunsch nach Deutschland ins Land lässt, untergräbt nicht nur das Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol, sondern zersetzt es. Besonders beunruhigend ist, wie der Bremer Skandal um das dortige BAMF gezeigt hat, dass selbst Terrorverdächtigen Schutzstatus gewährt wurde.

Die Folgen der ungesteuerten Migration für das deutsche Sozialsystem, den Arbeitsmarkt, den Wohnungsmarkt, die Verwaltungen zeigen sich gerade erst. Und die Indikatoren deuten hier auf gravierende Problem, ganz weit weg von den euphorischhysterischen Ankündigungen der Politik, der Medien, vieler Manager, der Kirchenleitung, der Kulturelite und anderer Verantwortungsträger.

Eine sofortige Abkehr von dem bisherigen Zustand des unkontrollierten, ungesteuerten Zustroms nach Deutschland und ein Wechsel zu einer wirklich humanitären Hilfspraxis ist ein dringend nötiger Schritt, um den gefährdeten inneren Frieden zu erhalten.“

(wie dieser auf der Petitionsseite des Deutschen Bundestages unter

https://epeetitionen.bundestag.de/content/petitionen/ 2018/ 05/ 17/Petition 79822.html wiedergegeben ist) zu löschen und/oder den Antragsteller wegen dieses Postings auf " zu sperren.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte macht zum einen eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache geltend und trägt zum anderen vor, es fehle an der Dringlichkeit. Hierzu wird dargetan, die Sperrung sei nach 30 Tagen aufgehoben worden und der Verfügungskläger habe jegliche Mitteilung von Informationen zu seinem Account verweigert, sodass die Verfügungsbeklagte den Account nicht ohne weiteres habe ausfindig machen können.

Die Verfügungsbeklagte trägt weiter vor, der Verfügungskläger habe sich mit den Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten und damit einhergehend auch mit deren geltenden Gemeinschaftsstandards bei Vertragsabschluss einverstanden erklärt. Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die Gemeinschaftsstandards seien nicht intransparent.

Des Weiteren ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, der streitgegenständliche Kommentar falle unter den Begriff der Hassrede und stelle damit einhergehend auch einen Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards dar. Insbesondere ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass hinsichtlich des Textes der „Erklärung 2018“, wie sie vom Verfügungskläger gepostet wurde, falsche statistische Daten wiedergegeben wurden, die insbesondere seitens der Politik bereits berichtigt worden seien.

Der Verfügungsbeklagte verwahrt sich insbesondere gegen den vom Verfügungskläger genannten Begriff einer Monopolstellung seitens Facebook und verweist insbesondere auf ein der Verfügungsbeklagten zustehendes virtuelles Hausrecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2018 verwiesen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

I.

Das Landgericht Bamberg ist als Gericht der Hauptsache zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag berufen. Maßgeblich ist hier die internationale und örtliche Zuständigkeit, die sich aus Art. 7 Nr. 1a, 17 I c, 18 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit um die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil-, und „Handelssachen“ (EuGVVO) und Ziffer 4 Nr. 4 der Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten ergibt. Gemäß Art. 18 I EuGVVO kann sich der Verfügungskläger als Verbraucher zur Klageerhebung dem Gericht seines Wohnsitzes bedienen. Der Verfügungskläger ist wohnhaft in weswegen sachlich und örtlich das Landgericht Bamberg zuständig ist.

Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen nicht.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet. Es besteht sowohl ein Verfügungsgrund als auch ein Verfügungsanspruch.

1. Ein Verfügungsgrund im Sinne von § 935, 940 ZPO, der eine vorläufige Sicherung oder Regelung im Eilverfahren zu rechtfertigen vermag, besteht anerkanntermaßen nur im Falle der Dringlichkeit. Eine solche Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit liegt vor, wenn eine objektiv begründete Besorgnis besteht, dass durch bevorstehende Veränderungen des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder wenn bei dauernden Rechtsverhältnissen die Regelung eines einstweiligen Zustands zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig ist (vgl. Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 935 Rn. 10). Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist unter Abwägung der sich im Einzelfall gegenüberstehenden Parteiinteressen zu prüfen. Gegen das Interesse des Antragstellers an der alsbaldigen Untersagung ist das Interesse des Antragsgegners abzuwägen, nicht aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens mit einem Verbot belegt zu werden (OLG Düsseldorf Schlussurteil v. 25.8.2015 - 20 U 196/14, BeckRS 2015, 16904).

Die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) wird im Äußerungsrecht regelmäßig daraus abgeleitet, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerungen zu rechnen ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 12 Rn. 144), was bei Medien ohne Weiteres angenommen werden kann (Prinz/Peters, MedienR, Fn. 243 zu Rn. 361). In der Praxis des Äußerungs- und Presserechts wird ein Verfügungsgrund, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten gegeben ist, regelmäßig ohne Weiteres bejaht (vgl. etwa die Ausführungen bei Prinz/Peters, MedienR, Rn. 325; Korte, Praxis des PresseR, 2014, § 5 Rn. 108 mwN in Fn. 142; als Bsp. OLG Hamburg, NJW-RR 2008, 1435). „Die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch zu langes Zuwarten ist als allgemein anerkannter Grundsatz des einstweiligen Rechtsschutzes im Zivilprozessrecht anzusehen (KG, NJW-RR 2001, 1201 [1202]; MüKoZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 935 Rn. 18 ff.). Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel bei einem Zuwarten von mehr als 8 Wochen bzw. 2 Monaten ab Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung anzunehmen (OLG Stuttgart, OLG-Report 2009, 633 [634] = BeckRS 2009, 10790 und NZBau 2010, 639 [640] = NJOZ 2010, 2408, jeweils zum UrheberR) (siehe OLG Stuttgart, Urteil vom 23.9.2015 - 4 U 101/15; so auch Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 935, Rn 15-23).“

Nach diesen Maßstäben ist vorliegend die Dringlichkeit zu bejahen und ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten zu verneinen:

Hierzu wird seitens des Verfügungsklägers vorgetragen, er habe mit seinem Kommentar nicht nur aufgefordert, die gegenständliche Petition zu zeichnen, sondern ebenfalls seine Meinung insoweit kundgetan, als er, der Verfügungskläger, diese Petition unterstütze. Die Unterstützung der Petition sei sein Recht auch nach Ablauf der offiziellen Zeichnungsfrist. Die Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers sei hier zu beachten.

Am 03.06.2018 fand ein schriftlicher Meinungsaustausch zwischen Verfügungskläger und Verfügungsbeklagter zu der Frage der Löschung des Beitrags und der Sperre des Accounts statt und am 05.06.2018 wurde dem Verfügungskläger mitgeteilt, die Sanktion werde aufrechterhalten. Zum Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht am 06.07.2018 waren damit zwar sowohl die Mitzeichnungsfrist für die vom Verfügungskläger unterstützte Petition zur „Erklärung 2018“ als auch die Accountsperre von 30 Tage bereits abgelaufen. Aufgrund des vorprozessualen Verhaltens der Prozessbeteiligten liegt jedoch nahe, dass entsprechende Reaktionen seitens der Verfügungsbeklagten auch bei künftigen die genannte Erklärung betreffenden Postings des Verfügungsklägers folgen werden. Daher besteht - auch mit Blick darauf, dass über die Petition bezüglich der „Erklärung 2018“ bislang noch nicht in öffentlicher Sitzung verhandelt wurde - das Risiko des Verfügungsklägers, dass weitere identische Postings möglicherweise ebenfalls entfernt und sein Account erneut aus diesem Grund gesperrt werden wird. Deshalb ist über eine vorläufige Sicherung oder Regelung im Eilverfahren zu entscheiden, da dem Verfügungskläger nicht zuzumuten ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ist ebenfalls nicht festzustellen, da jedenfalls kein Zeitraum von zwei Monaten verstrichen ist seit der durch den Verfügungskläger angegriffenen Maßnahme der Verfügungsbeklagten.

Die Wiederholungsgefahr ergibt sich vorliegend bereits aus dem Beharren der Verfügungsbekagten auf der Rechtmäßigkeit ihrer ergriffenen Maßnahmen. Hinzu kommt, dass aufgrund der im Rahmen einer Petition anhängigen „Erklärung 2018“ es kein gangbarer weg ist, den Verfügungskläger auf die Hauptsache zu verweisen. Wenngleich vorliegend eine gewisse Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu vermeiden ist, da inhaltlich - wie seitens der Verfügungsbeklagten zu Recht eingewandt wurde - in vollem Umfang sowohl der Kommentar als auch die der Löschung desselben zugrundeliegenden Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten vollumfänglich zu prüfen sind, rechtfertigt die bestehende Dringlichkeit aus den vorgenannten Gründen eine Entscheidung im einstweiligen Rechtschutzverfahren. Bei Abwarten eines Hauptsacheverfahrens wäre das Recht des Verfügungsbeklagten für den zu erwartenden Zeitraum effektiv vereitelt (so im Ergebnis auch OLG München vom 24.08.2018, 18 W 1294/18).

2. Ein Verfügungsanspruch zugunsten des Verfügungsklägers liegt ebenfalls vor. Ein solcher ergibt sich aus §§ 241 Abs. 2 i.V.m. 1004 BGB. Eine Rechtsgrundlage für das Löschen des konkreten Beitrags des Verfügungsklägers und die darauf gestützte Sperre seines Accounts ist in den vertraglichen Regelungen nicht ersichtlich, insbesondere war die Verfügungsbeklagte hierzu auch unter Anwendung ihrer eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht berechtigt.

Die Löschung des streitgegenständlichen Kommentars und die darauf gestützte Sperre des Accounts stellen eine Pflichtverletzung hinsichtlich der vertraglich eingeräumten Nutzungsmöglichkeit dar, da sie ohne rechtliche Grundlage erfolgt sind. Sie stellen daher einen Verstoß gegen die wirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das heißt Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, der Verfügungsbeklagten dar.

a) Zwischen den Parteien wurde ein Vertragsverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten begründet, in das die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten nebst Anlagen als Vertragsinhalt durch Veröffentlichung auf deren Homepage wirksam einbezogen wurden. 

Unstreitig hat sich der Verfügungskläger im sozialen Netzwerk der Verfügungsbeklagten mit einem persönlichen Profil angemeldet. Es handelt sich vorliegend um einen Vertrag sui generis, der den Verfügungskläger insbesondere dazu berechtigt, die Plattform der Verfügungsbeklagten zu nutzen und zwar dergestalt, dass die Verfügungsbeklagte mit ihrer Plattform eine digitale Infrastruktur zur Verfügung stellt, die es den angemeldeten Nutzern ermöglicht, miteinander zu kommunizieren sowie Inhalte durch Postings oder das Teilen derselben auszutauschen. Durch die Nutzung der Internetplattform der Verfügungsbeklagten stehen den Nutzern diverse Kommunikationsmöglichkeiten zum Zwecke des Kommunikations-/Meinungs-/Informationsaustauschs zur Verfügung. Zwar ist die Nutzung der Plattform für Privatpersonen unentgeltlich, ein Vertragsverhältnis wird aber gleichwohl durch das Zur-Verfügungstellen der Nutzungsmöglichkeiten durch die Verfügungsbeklagte einerseits und das Nutzen dieser Möglichkeiten durch den Nutzer - hier den Verfügungskläger - andererseits begründet.

Gegenstand des so begründeten Vertragsverhältnisses sind unstreitig die von der Verfügungsbeklagten in den Vertrag wirksam einbezogenen „Gemeinschaftsstandards“ sowie die sogenannten „Facebookrichtlinien“.

Bei den Nutzungsbedingungen und den Gemeinschaftsstandards, auf die in Nummer 1.2 der Nutzungsbedingungen ausdrücklich Bezug genommen wird, handelt es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der § 305 ff. BGB.

Aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses war der Antragsteller grundsätzlich berechtigt, Kommentare auf seinem Profil zu erstellen. Dies ergibt sich bereits aus der Nummer 3.2 der vorgelegten Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten (Anlage AG1), in der es heißt: „Wir möchten, dass Menschen Facebook nutzen, um sich auszudrücken und Inhalte zu teilen, die Ihnen wichtig sind“. Auch das streitgegenständliche Einstellen des Kommentars beruht auf dem Vertrag zwischen Verfügungskläger und Verfügungsbeklagte. Letztere ist aufgrund des geschlossenen Vertrags rechtsverbindlich eine Verpflichtung gegenüber dem Verfügungskläger eingegangen, grundsätzlich Kommentare bzw. deren Veröffentlichung und Teilen zu dulden.

Die Verfügungsbeklagte ist hingegen nur unter den vertraglich geregelten Vorgaben ihrer Gemeinschaftsstandards, soweit diese wirksam sind, sowie aufgrund ihrer Nutzungsbedingungen, die in Nummer 3.2 auf die Gemeinschaftsstandards und sonstige Bedingungen und Richtlinien ausdrücklich Bezug nehmen, berechtigt, sich von ihrer vertraglichen Verpflichtung, nämlich des Zulassens der Nutzung durch Kommentare und das Posten derselben, zu lösen. Diese Sanktionierungsmöglichkeit findet sich ebenfalls in Nummer 1.2 der Nutzungsbedingungen (Anlage AG1).

b) Die Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten sowie die daran anknüpfenden Gemeinschaftsstandards halten einer Überprüfung nach dem geltenden Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand.

aa) Die in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards niedergelegte Definition der sogenannten „Hassrede“ sowie auch die sich hieran anknüpfende Sanktion aus Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen der Beklagten verstößt nicht gegen die geltende Vorschrift des § 307 I S. 2 oder II BGB. Die Entfernung von bestimmten Beiträgen sowie sonstige Sanktionen, wie sie in Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen geregelt ist, ist auch für den jeweiligen Verbraucher als Nutzer an objektivierbare Kriterien angeknüpft. Die Klausel an sich ist auch nicht intransparent, dies insbesondere nicht wegen der Verweisung auf weitere Regelwerke wie zum Beispiel die ebenfalls hier gegenständlichen Gemeinschaftsstandards.

Die Gemeinschaftsstandards (Anlage AG2) selbst enthalten eine Definition des Begriffs der sogenannten „Hassrede“, die der hier gegenständlichen Löschung zugrunde liegt. Darin heißt es:

„Grundgedanke dieser Richtlinie Wir lassen Hassrede auf Facebook grundsätzlich nicht zu.

Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.

Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Kaste, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit.

Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.

Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassreden einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die den Inhalt teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt.

Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden. (…)"…

Die Definition selbst ist - wie dargestellt - ausführlich gehalten und in leicht verständlicher Sprache verfasst sowie mit vielerlei Beispielen versehen.

Die im Grundgedanken der Richtlinie genannten Schweregrade finden sich direkt unterhalb des Einleitungstextes, jeweils verdeutlicht mit Beispielen, so dass für jeden Nutzer, der die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards zur Kenntnis nimmt, zugleich erkennbar (und einschätzbar) ist, welche Art von Kommentar(en) von der Verfügungsbeklagten nach deren Auffassung unter „Hassrede“ fällt und welche Sanktionsmöglichkeiten der Plattformbetreiber in der Folge hat.

Beispielhaft lautet der Text zu Schweregrad drei:

„Angriffe mit dem Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.“

In diesem Zusammenhang bleibt die Transparenz der Regelung auch dann erhalten, wenn sie -wie geschehen - auch Meinungsäußerungen im Sinne des Art. 5 I GG umfasst.

bb) Auch eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB liegt in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards nicht vor. Überraschende Klauseln sind solche, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zurechnen braucht (vgl. z.B. BeckOGK, Stand 01.07.2018, § 305c Rnr 8). Bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild der Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards sind diese nicht als ungewöhnlich im Sinne der vorgenannten Definition zu bezeichnen. Ob eine Klausel ungewöhnlich ist, beurteilt sich nach den Gesamtumständen des Vertrags insbesondere danach, ob eine Klausel vom Leitbild des Vertragstyps oder von den üblichen Vertragsbedingungen oder dem dispositiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH in NJW 1992, 1236; BGHZ 121, 113; OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018 - 4 W 577/18 BeckRS 2018, 18249, Rn. 15).

Aufgrund der bereits seit Jahren fortschreitenden Digitalisierung ist jedem Internetnutzer hinlänglich bekannt, dass Internet-Foren, Internet-Communities und sonstige Internetplattformen mittels Nutzungsbedingungen festlegen, wie und in welchem Umfang der jeweilige Dienst zur Verfügung steht. Allein aus dem unstreitigen Vortrag des Verfügungsklägers wird ersichtlich, dass diesem sowohl die Nutzungsbedingungen als auch die Gemeinschaftsstandards bei Vertragsabschluss und somit auch bei Nutzung für den gegenständlichen Kommentar bekannt waren. Auch und insbesondere abgestellt auf einen durchschnittlichen Nutzer ist die Klausel nicht ungewöhnlich und damit einhergehend auch nicht überraschend. Die sogenannte „Netiquette“ ist in der heutigen Zeit jedem Internetnutzer ein Begriff, weswegen auch jedem Internetnutzer klar ist, dass nicht jede Art von Äußerung, gleichgültig ob sie unter den Begriff der Meinungsfreiheit zu subsumieren ist oder nicht, von Netzwerkbetreibern geduldet wird ( vgl. hier auch OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018 - 4 W 577/18, ebd., .a.a.O. Randnummer 15) und aufgrund der geltenden Privatautonomie auch nicht ohne Weiteres geduldet werden muss.

cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht mit Blick auf § 3 NetzDG. Diese Vorschrift verpflichtet den Netzwerkbetreiber zwar dazu, offensichtlich rechtswidrige Inhalte i.S. d. § 1 Abs. 2 NetzDG zu löschen, verbietet aber umgekehrt nicht, im Wege der Privatautonomie strengere Maßstäbe anzusetzen. Mit Einführung des NetzDG sind lediglich Mindestanforderungen bezüglich des Löschens von Kommentaren - oder abstrakt gesprochen: eines Eingreifens des Netzwerkbetreibers - geschaffen worden. Die Befugnis des Betreibers, durch eigene Vertragsbedingungen (weiteres) unzulässiges Handeln festzulegen, bleibt hiervon jedoch unberührt (so im Ergebnis auch OLG Dresden, a.a.O.).

dd) Der abstrakt generelle Ausschluss bestimmter Meinungsäußerungen darf von Netzwerkbetreibern - hier der Verfügungsbeklagten - auch vorgenommen werden, dies bereits in Ausübung der auch für sie geltenden Grundrechte der Artt. 2, 12 und 14 GG und der hiervon geschützten Freiheiten (so im Ergebnis auch OLG Dresden, a.a.O.).

Die Verfügungsbeklagte greift durch die gegenständlichen Regelungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in die Grundrechte ihrer Kunden, namentlich Art. 5 GG, ein. Grundrechte stellen grundsätzlich Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat dar; gleichwohl sind diese auch im privatrechtlichen Bereich zu berücksichtigen und finden dort Eingang über ihre mittelbare Drittwirkung.

Zur Bewertung von Klauseln sind auch im Privatrecht über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte Wertungen des Grundgesetzes heranzuziehen, dies im Sinne einer mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 307 Rn. 53), die - wie vorliegend - dazu führt, dass vertragliche Vereinbarungen zum Zwecke des Grundrechtsschutzes eng auszulegen sind.

Die Grundrechte des Grundgesetzes binden als solche Abwehrrechte nach Art. 1 III GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (vgl. hierzu z.B. Papier in NJW 2017, 3025 ff.). Gleichwohl entfalten Grundrechte im Rahmen der Auslegung einfachgesetzlicher Regelungen und hierauf fußender auslegungsfähiger Vertragsbedingungen mittelbare Wirkung, die umso mehr Geltung für sich beansprucht, je mehr die Regelung einem staatlichen Eingriff gegenüber einem Bürger nahe kommt.

Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 129, 78). Die Reichweite der mittelbaren Grundrechtswirkung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, dass die Freiheitssphären der Bürgerinnen und Bürger in einen Ausgleich gebracht werden müssen, der die in den Grundrechten liegenden Wertentscheidungen hinreichend zur Geltung bringt. Dabei können insbesondere auch die Unausweichlichkeit von Situationen, das Ungleichgewicht zwischen sich gegenüberstehenden Parteien, die gesellschaftliche Bedeutung von bestimmten Leistungen oder die soziale Mächtigkeit einer Seite eine maßgebliche Rolle spielen (vgl. BVerfGE 89, 214; BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 - 1 BvR 3080/09; NJW 2018, 1667, beckonline).

Vorliegend besteht eine vertragliche Verpflichtung, wie bereits dargestellt, darin, dass die Verfügungsbeklagte eine Plattform zur Verfügung stellt, die nach ihren eigenen Nutzungsbedingungen für ihre Nutzer ein Mittel zur öffentlichen Meinungsdarstellung und -diskussion sein soll. Es wird also eine Art „öffentlicher Marktplatz“ zur Nutzung bereitgestellt, weswegen im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten gewährleistet sein muss, dass aufgrund Art. 5 GG, eine zulässige Meinungsäußerung nicht entfernt wird (vgl. zum Gesamtkontext OLG München vom 24.08.2018, 18 W 1294/18, BeckRS 2018, 20659 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen).

Es hat bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der seitens der Verfügungsbeklagten angewandten Bedingungen grundsätzlich eine Abwägung stattzufinden zwischen der Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers einerseits und den für die Verfügungsbeklagte streitenden Grundrechten der Artt. 2, 12 und 14 GG andererseits. Dabei sind die allgemeine Handlungs-, Berufsausübungsfreiheit und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen mit Art. 5 GG. Auch insoweit entfalten die Grundrechte keine unmittelbare, sondern nur eine Ausstrahlungswirkung.

Eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Verfügungsbeklagten ist nicht anzunehmen, weil sie mittels ihrer - auch akzeptierten - Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards gerade von ihren Grundrechten Gebrauch macht und diese zur Bewertung bzw. Auslegung der vertraglichen Regelungen umgekehrt wieder heranzuziehen sind. Nach ihren eigens auferlegten Möglichkeiten der Sanktionierung eines Nutzers bei Vorliegen z.B. eines Verstoßes wie dem vorliegenden, hat die Verfügungsbeklagte Gebrauch gemacht von der ihr zustehenden Freiheit, bestimmte Inhalte im Rahmen ihrer Diensteausübung nicht zu dulden und ihr Eigentum mittels Löschung und Sperrung zu schützen.

Soweit die Grundrechte des Verfügungsklägers betroffen sind, hat diese die Verfügungsbeklagte in Ausübung ihrer Rechte aufgrund ihrer Quasi-Monopolstellung in erhöhtem Maße zu beachten.

Aufgrund der hohen Anzahl der Nutzer der Plattform der Verfügungsbeklagten, kommt dieser eine Stellung im öffentlichen Leben zu, die nahezu keinem anderen sozialen Netzwerk zuteil wird.

So wird facebook.com alleine in Deutschland von ca. 30 Millionen Nutzern genutzt (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37545/umfrage/anzahlderaktivennutzervon-facebook/). Aufgrund der hohen Nutzerzahlen nimmt die Plattform der Verfügungsbeklagten daher einen Stellenwert im Rahmen des Informations- und Meinungsaustauschs ein, der in allen Bereichen des öffentlichen Lebens - auch des politischen - eine so große Rolle spielt, dass damit eine Quasi-Monopolstellung (so auch OLG Dresden vom 08.08.2018, BeckRs 2018, 18249 Rn. 19) einhergeht, im Rahmen derer die Grundrechte nahezu unmittelbar Geltung beanspruchen können.

Je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung kann die mittelbare Grundrechtsbindung von Privaten einer Grundrechtsbindung des Staates nahe oder auch gleich kommen. Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die - wie die Sicherstellung der Post- und Telekommunikationsdienstleistungen - früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren (so BVerfG vom 22.02.2011 - 1 BvR 699/06, BeckRS 2011, 47764 Rn. 59). So liegt der Fall hier, so dass bei Anwendung der vorliegenden Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten als allgemeine Geschäftsbedingungen diese zugunsten der Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers eng auszulegen sind.

Das pauschale Verwahren der Verfügungsbeklagten gegen die Annahme einer QuasiMonopolstellung geht ins Leere, denn es wurde nichts vorgetragen, das die Annahme einer Quasi-Monopolstellung in Abrede hätte stellen können.

In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch den Einwand der Verfügungsbeklagten berücksichtigt, dass dieser im Sinne eines virtuellen Hausrechts gestattet sein muss, Kommentare zu löschen. Es wäre vielmehr mit dem zu treffenden Ausgleich der hier dargestellten widerstreitenden Grundrechtspositionen auf beiden Seiten im Wege der praktischen Konkordanz unvereinbar, wenn die Verfügungsbeklagte, gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“, auf der von ihr bereitgestellten Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Standards sieht, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet (OLG München, a.a.O., Rn. 28 a.E.) und im Übrigen der Wortlaut der Standards selbst eine Löschung des Kommentars - wie bereits erläutert - nicht ermöglicht.

Nach alledem sind die Klauseln (Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards) daher auch unter dem Aspekt der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten wirksam, insbesondere lässt deren konkrete Formulierung Raum für eine grundrechtskonforme Auslegung.

c) Ein gelöschter Kommentar mit anschließender Accountsperre auf Grundlage eines Vertrages, dessen Inhalt sich an Art. 2, 12 und 14 GG zu bemessen hat und der nach obigen Ausführungen für den hier gegenständlichen Teil in vollem Umfang wirksam ist, ist zunächst auch an dem Vertrag selbst zu messen. Da der Kommentar nicht unter die vertraglich eingeräumte Sanktionierungsmöglichkeit fällt, ist er im Ergebnis zuzulassen und zu dulden.

Die Prüfung, ob der Kommentar unter Berufung auf diese Klauseln zu Recht gelöscht wurde, ist unter Anwendung des Vertragsinhalts im Lichte des Art. 5 GG vorzunehmen. Eine solche Prüfung ergibt, dass - auch wenn aus vorstehenden Gründen die Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten in Ziffer 12 keinen unmittelbaren Verstoß gegen die Meinungsfreiheit darstellen, weil sie nur jene Verstöße sanktionieren, die - verkürzt dargestellt - Hass schüren können - der streitgegenständliche Kommentar mit der darin enthaltenen „Erklärung 2018“ nicht unter den Begriff der „Hassrede“ im Rahmen einer engen Auslegung zu fassen ist.

Dies hat zur Folge, dass es der Verfügungsbeklagten im konkreten Fall verwehrt war, von den vertraglich vereinbarten Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.

Die „Erklärung 2018“, die Gegenstand einer laufenden Petition im Bundestag ist, stellt keine „Hassrede“ im Sinne der Gemeinschaftsstandards dar.

aa) Hassrede ist in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards definiert als direkter Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften wie beispielsweise nationaler Herkunft, religiöser Zugehörigkeit etc. Auch Einwanderungsstatus ist als geschützte Eigenschaft in gewissem Umfang genannt. Angriff selbst wird definiert als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren (Anlage AG3). Sodann werden Angriffe in drei Schweregrade unterteilt.

Der vorliegende Kommentar inklusive seiner in Volltext abgedruckten „Erklärung 2018“ enthält keine offensichtlich gewalttätige oder unmittelbar herabwürdigende Sprache. Auch wird darin nicht offen dazu aufgerufen, Einwanderer zu isolieren.

In Betracht kommt daher als Grundlage der Sanktionierung des Verfügungsklägers bzw. der Nutzung des Verfügungsklägers allenfalls eine „Hassrede“ nach der Definition des Schwergrades 2 oder 3 in den Gemeinschaftsstandards.

Unter Schweregrad 2 sollen Angriffe fallen, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen mit Aussagen über deren Minderwertigkeit oder Bilder, die implizieren, dass eine Person oder Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist.

(1) Der von dem Verfügungskläger einleitende Satz in seinem Kommentar „Wer diese Petition noch nicht unterschrieben hat, soll das bitte bis 17.06. Tun! (…)“ stellt für sich betrachtet keinen Angriff im Sinne einer Hassrede dar, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, dass er selbst die gegenständliche Petition unterstützt und unterstützt wissen will, weswegen er zur Mitzeichnung aufruft.

(2) Der im Anschluss vollständig abgedruckte Text der „Erklärung 2018“, die als Petition im Bundestag eingereicht wurde, fällt ebenfalls nicht unter den Begriff der Hassrede in deren Schwergrad 2.

Zwar enthält die Erklärung Tatsachen und Wertungen auch hinsichtlich illegaler Einwanderung, allerdings sind diese bezogen auf einen aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionspunkt fußend auf der Einwanderungs(grenz) politik und damit Teil dessen, was die Verfügungsbeklagte aufgrund ihrer Quasi-Monopolstellung als Meinung im Sinne des Art. 5 GG zuzulassen hat.

Die Verfügungsbeklagte verhält sich daher nach Auffassung der Kammer widersprüchlich und daher auch nicht vertragstreu, wenn dem Nutzer im Rahmen der Gemeinschaftsstandards per definitionem erlaubt ist, entsprechende Kritik zu äußern, um diese Kritik im Anschluss zu verbieten. Dabei muss außer Acht bleiben, ob die Meinung von der Verfügungsbeklagten geteilt wird oder nicht, ob sie moralisch oder unmoralisch erscheint, da grundsätzlich jede Meinung erlaubt sein muss, die Rechte Dritter nicht verletzt. Letzteres ist nach dem Wortlaut des Kommentars nicht der Fall.

Im Schweregrad 3 wird klargestellt: „Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.“

Eine solche Kritik liegt vorliegend in der von dem Verfügungskläger geposteten „Erklärung 2018“, die keine offene Beleidigung gegenüber Einwanderern und auch keine offene Hetze enthält und damit von der Verfügungsbeklagten geduldet werden muss. Ausschlaggebend für dieses Ergebnis ist eine im Lichte des Art. 5 GG vorzunehmende Interpretation des Textes.

(3) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinnes aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. OLG München vom 24.08.2018 - 18 W 1294/18, Beck RS 2018, 20659 Rnr. 31 mit Verweis auf BGH Urteil vom 12.04.2016 - VI ZR 505/14, Rnr. 11 m.w.N.). Fernliegende Deutungen sind auszuscheiden. Es ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabes der weiteren Prüfung zugrunde zu legen.

Zeigt sich, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum eine Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen, so OLG München, ebd., a.a.O., unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, Rnr. 31).

Vorliegend kann unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze der streitgegenständliche Kommentar des Verfügungsklägers wie folgt interpretiert werden:

(3.1)

Diejenigen, die die sogenannte „Erklärung 2018“ unterstützen, beobachten eine Beschädigung Deutschlands durch illegale Masseneinwanderung und wollen die „Wiederherstellung des rechtsstaatlichen Grenzregimes“. In der Erklärung ist die Rede von einem „ungebremsten Zustrom“, einer „Asylmaschinerie“. Es werden sodann die Auswirkungen aufgezeigt, die die Unterstützer der Erklärung 2018 aufgrund der von ihnen genannten „illegalen Masseneinwanderung“ als gegeben sehen. Hierzu werden statistische Werte von Delikten genannt und der Anteil hieran, der auf „Asylbewerber“ zutreffen soll. Für einen verständigen unvoreingenommenen Leser ist augenscheinlich, dass diese Zahlen aus einer polizeilichen und/oder jedenfalls medial veröffentlichten Statistik stammen.

Dabei kann der Einwand der Verfügungsbeklagten, der Text der Petition sei hinsichtlich der wiedergegebenen Zahlen und in Beziehung zu diesen Zahlen stehenden Delikten geändert worden, dahinstehen, da es auf die Interpretierung nur des gelöschten Kommentars ankommt. Die Verfügungsbeklagte trägt hierzu vor, dass hinsichtlich der Zahlen aus der Kriminalstatistik bereits seitens der Politik eben diese nach unten korrigiert wurden bzw. ein falscher Wortlaut wiedergegeben sein soll, der korrigiert wurde. Dieser sei durch den Verfügungskläger bewusst im Rahmen seines Kommentars nicht berücksichtigt worden. Auch fände man z.B. nicht den Begriff des „Asylbewerbers“, sondern den des „tatverdächtigen Zuwanderers“. Es sei auch nicht die Rede von „begangenen Sexualstraftaten“. Alleine aus diesem Aspekt sei ersichtlich, dass es sich bei dem von dem Verfügungskläger geposteten Kommentar, der den Wortlaut der „Erklärung 2018“ wiedergibt, um einen Angriff auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, nämlich die Einwanderer, handle. Es sei hier bewusst ein falsches Bild über Einwanderer verbreitet worden; dies nicht nur bayernweit, sondern bundesweit. Dies erfülle zwar nicht den schwersten Schweregrad der Definition von Hassrede, jedoch jedenfalls einen.

Maßgeblich ist die Interpretation der Äußerung, die getätigt wurde, da nur sie Gegenstand der Löschung war. Die Argumentation der Verfügungsbeklagten verfängt daher nicht.

Des Weiteren ist in der „Erklärung 2018“ von „islamistischem Terror in Deutschland und den europäischen Nachbarstaaten“ die Rede. In diesem Zusammenhang wird auch genannt, dass trotz dieser Situation „junge Männer ohne geklärte Identität, Alter, Herkunftsland und Grund für den Einreisewunsch nach Deutschland“ einreisen dürften. Es ist von einem Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol die Rede, das „zersetzt“ werde. Des Weiteren ist, unter Bezugnahme auf den „Bremer Skandal um das dortige BAMF“, von einem „Schutzstatus“ von „Terrorverdächtigen“ die Rede.

Aufgrund des Einleitungssatzes des Verfügungsklägers erkennt ein verständiger und unvoreingenommener Leser des Kommentars einerseits, dass es sich bei dem folgenden Text um eine im Bundestag anhängige Petition handelt und zum anderen, dass man diese Meinung bei Bedarf durch Mitzeichnung teilen könne, jedoch aber nicht muss.

Zwar wird durch die Aneinanderreihung bestimmter Begriffe in der Erklärung 2018 ein gewisser Zusammenhang für den unvoreingenommenen Leser dahingehend hervorgerufen, dass der / die Verfasser der „Erklärung 2018“ augenscheinlich die Meinung vertreten, dass ein unkontrolliertes, illegales Einwandern über deutsche Grenzen zu einem Anstieg bestimmter Straftaten in Deutschland und so auch zu Spannungen im Inland führt. Gleichwohl ist in der Zusammenschau zwischen dem einleitenden Satz des Verfügungsklägers und dem daraufhin folgenden Inhalt der „Erklärung 2018“ für einen unvoreingenommenen und verständigen Leser auch ersichtlich, dass sich der Verfügungskläger an einer aktuell geführten Debatte zu Grenzkontrollen und deren möglicher Unterstützung beteiligt.

Mit dieser Interpretation und dem so ermittelten Aussagegehalt kann die streitgegenständliche Äußerung nicht als direkter Angriff auf bestimmte Personengruppen wegen ihrer Rasse oder Religion gesehen werden. Es handelt sich bei dem Kommentar um die Teilnahme an einer politischen und wohl auch gesellschaftspolitischen Debatte, die im Übrigen nach dem Wortlaut der Gemeinschaftsstandards selbst von der Verfügungsbeklagten zu dulden ist.

Der Einwand der Verfügungsbeklagten dahingehend, dass durch den Kommentar des Verfügungsklägers bewusst ein falsches Bild über Asylbewerber geschaffen wird, geht insoweit fehl, als der Verfügungskläger mit seinem einleitenden Satz selbst klar macht, dass es letztlich jedem Leser frei steht, sich der Erklärung 2018 und ihrem Inhalt anzuschließen oder nicht. Die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme einer Aneinanderreihung von Tatsachenbehauptungen, wie sie in der „Erklärung 2018“ zu finden ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass es sich bei dem Kommentar um ein offenes Aufstacheln oder eine offensichtlich Hetze gegen Einwanderer handelt. Eine kritische, Befürchtungen äußernde Ansicht und das Begründen dieser Ansicht mit der derzeitigen Einwanderungs- und Grenzpolitik, die wohl Grundlage der Petition ist, ist einer Hetze im Sinne einer Hassrede, wie die Verfügungsbeklagte sie mittels ihrer Gemeinschaftsstandards verbieten will, nicht gleichzustellen.

(3.2)

Die „Erklärung 2018“ und damit einhergehend der Kommentar des Verfügungsklägers lässt zwar als eine andere mögliche Interpretation grundsätzlich auch die zu, dass sämtliche illegal nach Deutschland eingewanderten Personen straffällig werden oder sich möglicherweise dem islamistischen Terror zugewandt sehen, zwingend ist diese Interpretation jedoch nicht. Wörtlich ist dies der „Erklärung 2018“ nicht zu entnehmen und eine Mehrdeutigkeit hinsichtlich der Auslegung einer der Meinungsfreiheit unterstehenden Äußerung wirkt sich schon aus Gründen des Grundrechtsschutzes immer zugunsten derjenigen Interpretation aus, die für den Verwender günstiger ist.

bb) Dass der Post einen Straftatbestand wie etwa §§ 111, 130 StGB oder § 166 StGB erfüllt, ist nicht ersichtlich. Auch beleidigender Inhalt ist in dem Kommentar nicht festzustellen, so dass sich auch keine rechtliche Verpflichtung der Verfügungsbeklagten ersehen lässt, die die Löschung des Kommentars und die sich hieran anschließende Account-Sperre aus deren Sicht erforderlich machte.

Darüber hinaus ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von dem Verfügungskläger wiedergegebenen Text um einen solchen einer Petition handelt. Das Petitionsrecht ist ebenfalls im Grundgesetz niedergelegt, dort in Art. 17 GG. Das Petitionsbehandlungsverfahren richtet sich im Übrigen nach Art. 45c GG. Hier ist zu berücksichtigen, dass bei Eingang einer Petition sich eine Vorprüfung anschließt, die dem sogenannten Ausschussdienst obliegt. Im Rahmen dieser Vorprüfung werden sogenannte NichtPetitionen ausgesondert. Darunter fallen nicht nur solche Petitionen, die keine Petitum enthalten, sondern beispielsweise auch solche, die inhaltlich verworren, unleserlich oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen oder beleidigenden, erpresserischen oder nötigenden Inhalt haben (Maunz/Dürig GG, 82.EL Januar 2018, Art. 45 c Rnr. 36). Aufgrund des Umstands, dass die Petition im Bundestag weiterhin behandelt wird und eine anderweitige Erledigung wohl nicht erfolgte, ist jedenfalls dort bislang nicht von einer Verfassungswidrigkeit ausgegangen worden.

Eine Plattform wie die der Verfügungsbeklagten, die eine derartige Stellung im öffentlichen Leben und damit einhergehend auch im Rahmen gesellschaftlicher und politischer Positionen inne hat und letztlich auch inne haben will, muss es daher im Sinne der Meinungsfreiheit und der - auch erwünschten Teilnahme an Diskussionen - dulden, wenn ihre Nutzer sich -nachvollziehbar oder nicht - am politischen Meinungsaustausch beteiligen.

3. Im hier zu entscheidenden Fall hat die Verfügungsbeklagte die Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers in nicht hinreichendem Umfang beachtet, weswegen antragsgemäß zu entscheiden war.

III.

Der Verfügungsbeklagten sind gem. § 890 I, II ZPO die für Zuwiderhandlungen vorgesehenen Ordnungsmittel anzudrohen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die endgültige Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, §§ 40, 53, 63 Abs. 2 S. 1 GKG. Ihr liegt die seitens des Verfügungsklägers vorgenommene Bewertung seiner geltend gemachten Interessen zugrunde.

Verkündet am 18.10.2018

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 40 Zeitpunkt der Wertberechnung


Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

Strafgesetzbuch - StGB | § 130 Volksverhetzung


(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehör

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 17


Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

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(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft. (2) Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstraf

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(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bi

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 45c


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Tenor Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.06.2015 (Az: 11 O 80/15) wird zurückgewiesen. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gründe   I. 1 De

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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.06.2015 (Az: 11 O 80/15) wird

zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Verfügungskläger (i. F: Kläger) begehrt von der Verfügungsbeklagten (i. F.: Beklagte), welche die „St Zeitung“ verlegt und die Website „www.st-zeitung.de“ betreibt, aufgrund eines von der Beklagten sowohl in der Printausgabe als auch in der Onlineausgabe am 16.04.2015 erschienenen Artikels, es zu unterlassen, ihn als „bekannten Neonazi“ zu bezeichnen.
1.
Der parteilose Kläger betreibt unter dem Autorennamen „M M“ einen politischen Blog mit dem Titel „Islamisierung und Linkstrend stoppen - Grundrechte schützen - Demokratie stärken“. In seinen Veröffentlichungen setzt er sich kritisch mit dem Islam sowie einer seiner Ansicht nach „linksextremen-sozialistischen Politik“ auseinander und warnt nach eigenen Angaben insbesondere eindringlich vor totalitären Regimen jeglicher Art, so auch dem Nationalsozialismus als auch einer aufkommenden europäischen Islamisierung sowie den damit verbundenen Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Der am 16.04.2015 unter der Überschrift „Nach dem Auftreten von Pegida - Wird K ein rechtsextremes Zentrum?“ erschienene Artikel (vorgelegt als Anl. A 2, Bl. 12), der sich mit den Pegida-Demonstrationen in K und deren möglichen Folgen auseinandersetzt, erwähnt den Kläger in folgendem Abschnitt: „Es gab wohl auch Versuche, die Teilnahme von NPD-Mitgliedern bei Pegida in K zu verhindern. Die Abgrenzung zur rechtsextremen Szene scheint aber nicht zu funktionieren. Auch das ist mit Facebook-Einträgen dokumentiert, die teilweise nach zwei, drei Stunden wieder geändert werden. Mehrfach traten in K bekannte Neonazis wie „M M“ (alias K-M M), ein rechtsradikaler Blogger und ausgewiesener Islamhasser, oder … auf. Am Dienstag skandierten auch Hooligans der „P Berserker“ rechte Parolen.“
Der Kläger ist der Ansicht, hierdurch sei er in seinem Persönlichkeitsrecht und seiner Ehre verletzt worden. Er hat vorgetragen, die Bezeichnung „bekannter Neonazi“ sei als unwahre Tatsachenbehauptung anzusehen, die geeignet sei, ihn verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Seine Veröffentlichungen rechtfertigten gerade nicht seine Bezeichnung als „Neonazi“. Selbst wenn man von einer Meinungsäußerung ausgehe, stellte diese eine unzulässige Schmähkritik dar. Es fehle jeder Bezug und jeder Hinweis, aus welchen Tatsachen sich eine Nähe zum Nationalsozialismus ergeben sollte.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die Bezeichnung „bekannter Neonazi“ sei eine schlagwortartige Bewertung der geistigen Haltung und der Äußerungen des Klägers und keine Tatsachenbehauptung. Der durchschnittliche Leser wisse, dass solche Äußerungen im Meinungskampf stark meinungsgeprägt sowie ideologisch gefärbt seien, und verstehe den Begriff „Neonazi“ als Zusammenfassung für ein rechtsextremes Denken, das sich aktuell insbesondere in der krassen Ablehnung von Menschen anderen Glaubens oder anderer Herkunft aufgrund einer „völkischen“ Gesinnung äußere.
Eine Schmähkritik liege nicht vor. Der Verfasser des Artikels habe an die im Internet verbreiteten Äußerungen des Klägers angeknüpft. Die Bewertung „Neonazi“ habe im Rahmen der öffentlichen Diskussion über die Pegida-Demonstration in K und deren Unterstützer und Teilnehmer erfolgen dürfen.
Der Kläger äußere sich selbst sehr deutlich und zugespitzt, weshalb ihr ein „Recht zur Polemik“ zustehe. Wer Islam und Nationalsozialismus gleichsetze und unbegründete Angst vor Ausländern schüre, müsse es hinnehmen, dass er wegen solcher Aussagen als „Neonazi“ bezeichnet werde.
2.
Das Landgericht hat den Verfügungsantrag als unbegründet zurückgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung als „bekannter Neonazi“ gem. § 1004 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 186 StGB zustehe.
Die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ stelle keine Tatsachenbehauptung dar. Der Kläger weise zwar zutreffend auf die mit dem Begriff in Verbindung gebrachte Nähe zur Ideologie des Dritten Reiches hin. Die Verwendung des Begriffs „Nazi“ wie die des davon abgeleiteten Begriffs „Neonazi“ könne aber bei den Lesern verschiedene Vorstellungen über Inhalt und Bedeutung aufkommen lassen. Die Begriffe brächten danach nicht allein Tatsachenbehauptungen zum Ausdruck, denn sie enthielten eindeutig Elemente eines Werturteils, das einem Wahrheitsbeweis nicht voll zugänglich sei. Zwar sei hier zu bedenken, dass durch die Voranstellung des Wortes „bekannter“ dem Durchschnittsleser der Eindruck vermittelt werde, der Kläger sei in der Öffentlichkeit aufgrund seiner neonazistischen Gesinnung bekannt. Die Beklagte gehe aber in dem Artikel nicht näher darauf ein, was sie unter einem Neonazi verstehe. Die streitgegenständliche Bezeichnung enthalte daher im konkreten Fall wegen des weiteren Bedeutungsgehalts und wegen des Fehlens einer näheren Eingrenzung aus Sicht des Lesers keine Aussage, die dem Beweis zugänglich wäre, also keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung.
10 
Diese sei nicht als unzulässige Schmähkritik anzusehen. An die Annahme einer solchen seien strenge Maßstäbe anzulegen. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund stehe, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden solle, nehme die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an. Die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ enthalte einen hinreichenden Sachbezug zu dem im Artikel thematisierten Sachverhalt und bezwecke nicht seine bloße Diffamierung.
11 
Die zwischen der Meinungsfreiheit der Beklagten und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmende Abwägung falle im konkreten Fall angesichts der hohen Anforderungen, die an eine Einschränkung der Meinungsfreiheit bei Presseveröffentlichungen zu stellen seien, zugunsten der Beklagten aus. Die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ sei im konkreten Fall zulässig und verletze nicht sein Persönlichkeitsrecht.
12 
Zwar stelle die Bezeichnung einer Person als „Neonazi“ in Deutschland aus historischen Gründen einen intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, das besonders negative Auswirkungen sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht auf den Kritisierten habe.
13 
Die Meinungsfreiheit überwiege allerdings gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Klägers im vorliegenden Fall sowohl aufgrund des Umstands, dass der Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen sei, als auch wegen des großen Informationsinteresses der Öffentlichkeit an den u.a. in K stattfindenden Pegida-Demonstrationen. Es falle außerdem besonders ins Gewicht, dass der Kläger sich selbst in übertriebener, überspitzter und polemischer Form in Ausübung seines Grundrechts der Meinungsfreiheit über andere Personen äußere und dadurch in vergleichbarer Weise zum politischen Meinungskampf beitrage. Der Kläger, der sich in Bezug auf seine scharfen und überspitzten Äußerungen u.a. zum Islam und zur Gesellschaft grundsätzlich ebenfalls auf sein Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne, müsse die streitgegenständliche überspitzte Form der Meinungskundgabe aufgrund seines eigenen scharfen Auftretens hinnehmen.
14 
Aussagen wie die in den von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen des Klägers (Anlage AG 2) belegten zweifelsfrei, dass der Kläger seinerseits Personen wie die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten im übertriebenem Maß ohne Tatsachengrundlage angreife und beschimpfe und mit seinen pauschalen Aussagen zu Personengruppen wie „den Linken“, „den schwarzen Asylanten“ oder „Radikalen, d.h. gläubigen Moslems“ Ängste schüre, die eine sachliche Ebene verließen und stark propagandistische Züge annähmen. Seine Aussagen zu der drohenden „Durchmischung aller menschlichen Rassen“ weckten Assoziationen zu der für den Nationalsozialismus typischen Rassenlehre. Zuletzt habe der Kläger den schrecklichen Absturz einer Germanwings-Maschine für eigene Zwecke instrumentalisiert, indem er diese Tragödie ohne jede tatsächliche Grundlage als einen von einem Moslem durchgeführten terroristischen und religiös motivierten Anschlag darstelle. Diese Veröffentlichungen belegten, dass der Kläger in einer extrem überspitzen, unsachlichen und diffamierenden Art und Weise Beiträge zum politischen Meinungskampf leiste. Er müsse es daher hinnehmen, dass andere wie die Beklagte ebenfalls mit scharfer, überspitzter und übertriebener Weise Kritik an ihm übten. Dies habe der Kläger angesichts seines eigenen polemischen Auftretens in der Öffentlichkeit sowie der großen Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit in einer Demokratie zu dulden.
15 
Zudem fehle es für die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ auch nicht an jeglicher Tatsachengrundlage, was zur Unzulässigkeit der Bezeichnung hätte führen können. Die zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers vorzunehmende Abwägung falle daher auch unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins tatsächlicher Anhaltspunkte nicht zugunsten des Klägers aus.
16 
Dieser führe zwar zutreffend an, dass seine Gesinnung nicht der eines „klassischen Neonazis“ und der Verfassungsschutz ihn auch nicht als „Neonazi“ beobachte. Hinzu komme zulasten der Beklagten, dass sie durch die Voranstellung des Wortes „bekannter“ den Anschein erwecke, die ihres Erachtens bestehende neonazistische Gesinnung des Klägers sei in der Öffentlichkeit unumstritten und allseits bekannt. Vor dem Hintergrund, dass sich der streitgegenständliche Artikel mit der Frage befasste, inwieweit die Unterwanderung der Pegida-Bewegung durch rechtsradikale Personengruppen Karlsruhe zu einem rechtsextremen Zentrum werden lasse, sei die unsaubere und schwammige Verwendung der Bezeichnung „bekannter Neonazi“ nicht unproblematisch. Das Gericht habe aber letztlich nicht die Richtigkeit der Wertung der Beklagten oder die Qualität des streitgegenständlichen Artikels zu bewerten, sondern einzig danach zu fragen, ob es an jeglicher Tatsachengrundlage für die Behauptung, der Kläger sei ein „bekannter Neonazi“, fehle.
17 
Der Begriff des „Neonazis“ sei nicht eindeutig definiert. Die Definition des Bundesamts für Verfassungsschutz und die vom Kläger aufgegriffene Definition der Bundeszentrale für politische Bildung zum Begriff „Neonazismus“ belege exemplarisch einerseits, dass es nicht „den Neonazi“ gebe, sondern es innerhalb der Szene verschiedene Strömungen gebe und sich nur sehr allgemein gehaltene Grundsätze aufstellen ließen, was grob unter einem Neonazi zu verstehen sei. Andererseits zeigten die Definitionen aber auch, dass ein Neonazi nicht per se gegen Juden hetze, sondern auch die Verunglimpfung von Ausländern und politisch Andersdenkenden im Vordergrund stehen könne.
18 
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen entbehre die von der Beklagten geäußerte Meinung mit dem darin enthaltenen Tatsachenkern, der Kläger sei ein bekannter Neonazi, nicht jedweder Tatsachengrundlage. Die von der Beklagten zu den Akten gereichten Veröffentlichungen des Klägers und die vom Kläger auf S. 3 seiner Antragsschrift selbst aufgezählten Titel seiner Veröffentlichungen enthielten zwar tatsächlich keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Aufbau eines „Führerstaats“ oder eines vergleichbaren totalitären Systems verfolge. Sie enthielten aber teilweise Aussagen, die Anknüpfungspunkte zur Ideologie des Dritten Reiches enthielten.
19 
Hervorzuheben sei diesbezüglich insbesondere sein Kommentar zu dem durch ihn in seinem Blog veröffentlichten Leserbrief, der sich mit der Belästigung von Frauen durch „schwarze Asylanten“ befasse, indem er davor warne, dass durch die Pläne der Linken „am Ende eine ethnisch nicht mehr auseinanderdividierbare Durchmischung aller menschlichen Rassen“ entstehen könnte und weiter ausführe, „diese diktatorisch verordnete Verdrängung des deutschen Volkes durch Völker Afrikas, Ostasiens und der arabischen Länder wird die Weichen legen für einen furchtbaren Bürgerkrieg in Deutschland.“ Diese Aussagen erinnerten stark an die im Dritten Reich vertretene Rassenlehre, die einen wesentlichen Bestandteil der nationalsozialistischen Idee darstellte. Es entbehre insofern nicht jeglicher Tatsachengrundlage, wenn sich die Beklagte in Anbetracht der Art und Weise, wie der Kläger seinerseits seine Gesinnung nach außen trage, dazu verleiten lasse, diesen wie geschehen zu bezeichnen.
20 
Auch die äußerst polemischen, pauschalisierend und gläubige Angehörige des Islam unter Pauschalverdacht stellenden weiteren Veröffentlichungen des Klägers ließen Raum für die durch die Beklagte aufgestellte These, es handle sich beim Kläger um einen Neonazi.
3.
21 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers.
22 
Zur Begründung trägt er abgesehen von einer pauschalen Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vor:
23 
Er gehöre unstreitig weder zu der Gruppe „Neonazis“ noch zu den angeschlossenen Gruppierungen oder Sympathisanten. Seine Bezeichnung als „Neonazi“ sei eine Missachtung des publizistischen Mahners gegen die Judenverfolgung und für die Völkerverständigung und er habe sich in mehr als 2700 Artikeln dezidiert für die Menschenrechte eingesetzt, besonders für die Einhaltung der Bestimmungen des deutschen Grundgesetzes und in dutzenden Artikeln das Dritte Reich als mahnendes Beispiel eines totalitären Systems kritisiert. Er gelte international als bedeutender Kämpfer für die Rechte Israels. Er habe erstinstanzlich bereits auf seine Veröffentlichungen, mit denen er sich insbesondere und ebenso unstreitig gegen den radikalen Islam gerichtet habe, hingewiesen (Antragsschrift Seite 3).
24 
Entgegen der Auffassung des Landgerichts stelle die angegriffene Äußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Die Behauptung, eine Person sei ein Neonazi, könne bewiesen werden. Zu Recht weise das Landgericht darauf hin, dass sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch die Bundeszentrale für politische Bildung mit diesem Begriff Personen charakterisierten, die ein Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus abgäben und auf die Errichtung eines totalen Führerstaates nach dem Vorbild des Dritten Reiches ausgerichtet seien. Ausgangspunkt für die Begriffszuweisung „Neonazi“ sei in jedem Fall ein Bekenntnis zu den Gräueltaten des Nationalsozialismus. Ob jemand ein Neonazi sei oder nicht, lasse sich jedenfalls nachprüfen. So habe das Bundesamt für Verfassungsschutz im Verfassungsschutzbericht 2007 4400 Personen als Neonazis eingestuft; aktuell weise der Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für 2014 5600 Personen als Neonazis aus (Seite 34).
25 
Die Sichtweise des Landgerichts, es gebe nicht „den Neonazi“, sondern innerhalb der Szene verschiedene Strömungen und es ließen sich nur allgemein gehaltene Grundsätze aufstellen, was grob unter einem Neonazi zu verstehen sei, stelle keine rechtliche Sichtweise dar, sondern eine politische, womit das Landgericht den inflationären Gebrauch des Begriffs „Neonazi“ als Schimpfwort zur Diffamierung eines politisch anders Denkenden unterstütze, was im Ergebnis zu einer Verharmlosung der Gräueltaten des Dritten Reiches führe und eine grobe Beleidigung der Opfer desselben darstelle. Er verweise in diesem Zusammenhang nochmals auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des BAG in der Entscheidung 2 AZ 584/04, wonach ein Vergleich mit den vom Nationalsozialismus begangenen Verbrechen eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen und zugleich eine Verharmlosung des in der Zeit des Faschismus begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer darstelle, auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 20.6.2011 (27 O 335/11), in der die Äußerung „russischer Nazi“ untersagt worden sei, des EGMR vom 8.11.2012 (4381/09), in der die Untersagung einer von einer Tierschutzorganisation geplanten Kampagne „Holocaust auf dem Teller“ als rechtmäßig erachtet worden sei, weil die Instrumentalisierung des Leidens der Holocaust-Überlebenden nicht mehr vom Schutzbereich der freien Meinungsäußerung gedeckt sei und die Entscheidung 1 BvR 2979/10 des Bundesverfassungsgerichts vom 17.9.2012 (GRUR 2013, 193), in der dieses festgestellt habe, dass durch die Attribute „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“ das allgemeine Persönlichkeitsrecht des damaligen Klägers berührt sei, weil mit ihm eine Prangerwirkung verbunden sei, die geeignet sei, das Ansehen einer Person der Öffentlichkeit herabzusetzen.
26 
Vorliegend sei anders als in diesen Entscheidungen nicht nur ein Vergleich angestrengt worden, sondern er als „bekannter Neonazi“ diffamiert worden und dem Leser sei damit die Schlussfolgerung aufgedrängt worden, er sei ein Anhänger des Nationalsozialismus. Hätte das Landgericht den Grundsatz, wonach die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung maßgeblich sei, auf den vorliegenden Fall richtig angewandt, wäre es zu dem Schluss gekommen, dass die Sinndeutung der Behauptung, jemand sei ein bekannter Neonazi nur so verstanden werden könne, als sei diese Person Bekenner der nationalsozialistischen Ideologie und / oder gehöre den entsprechenden Personenkreisen an.
27 
Zu Unrecht nehme das Landgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.1991 (1 BvR 127/91, NJW 1992, 2013) für seine Ansicht in Anspruch, der Begriff „Nazi“ könne bei den Lesern verschiedene Vorstellungen über Inhalt und Bedeutung aufkommen lassen. Auch die Entscheidung des EGMR vom 17.4.2014 (5709/09; NJW 2014, 3501) werde vom Landgericht falsch zitiert. Die Anforderungen an den Wahrheitsbeweis seien im Sinne des EGMR vorliegend nicht hoch. Er sei nicht ansatzweise als „bekannter Neonazi“ bekannt. Die Äußerung stehe in keinerlei Zusammenhang mit seiner Gesinnung bzw. seinen Handlungen. Das Landgericht lege selbst dar, dass die Beklagte in dem Artikel mit keinem Wort darauf eingehe, aus welchen Gründen er ein „bekannter Neonazi“ sein solle und was die Beklagte unter einem solchen verstehe. Die Begründung des Landgerichts, wegen der Weite des Bedeutungsgehalts und wegen des Fehlens einer näheren Eingrenzung handle es sich um eine Meinungsäußerung, verfange deshalb nicht. Es sei nicht ersichtlich und werde auch durch das Landgericht offen gelassen, woraus sich die Weite des Bedeutungsgehalts ergebe. In der beanstandeten Aussage „bekannter Neonazi“ sei kein wertendes Element enthalten, vielmehr schiebe sie ihm eine nationalsozialistische Gesinnung unter, die nicht ansatzweise gegeben und damit unwahr sei, so dass er einen Unterlassungsanspruch habe.
28 
Letztlich werde es jedoch nicht auf die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ankommen, da auch dann, wenn eine Meinungsäußerung vorläge, diese als Schmähkritik nicht von Art. 5 GG geschützt sei. Ehrverletzende Äußerungen, die evident nicht im Kontext sachlicher Auseinandersetzung stünden, sondern in erster Linie nur der Diffamierung einer Person dienten, seien als schon der Form nach herabwürdigend und schmähend grundsätzlich unzulässig, sodass das Grundrecht des Äußernden auf Meinungsfreiheit grundsätzlich zurücktrete, ohne dass es einer weiteren Abwägung der Rechte des Äußernden und des Betroffenen bedürfe.
29 
Vorliegend sei nicht ersichtlich, inwiefern es bei der inkriminierten Äußerung um eine Auseinandersetzung in der Sache gehen solle. Sie stehe in keinerlei Zusammenhang mit seinen Aktivitäten, allenfalls seiner Teilnahme an einer Pegida-Demonstration. Es sei nicht ansatzweise erkennbar, woraus sich der vom Landgericht gesehene Sachbezug zu dem im Artikel angesprochenen Thema herleiten soll. Er werde als Teilnehmer an einer Demonstration diffamiert. Dies wiege umso schwerer, als die Beklagte einen Bezug zu teilnehmenden NPD-Mitgliedern herstellen wolle, der tatsächlich unstreitig wiederum nicht bestehe. Dies missachte sein Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise und erfülle den Straftatbestand der Beleidigung. Das Landgericht argumentiere aus einer politischen Motivation heraus an der Rechtslage vorbei. Es stelle Diffamierung seiner Person als legitimes Mittel dar, um politisch unliebsame Ansichten zu verhindern.
30 
Aber auch wenn man eine Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter vornähme, überwiege sein Persönlichkeitsrecht.
31 
Letztlich habe das Landgericht eine Abwägung der Rechtsgüter gerade nicht vorgenommen. Sein Persönlichkeitsrecht, insbesondere die Verletzung der Sozialsphäre in der Öffentlichkeitssphäre gerade im Hinblick auf seinen Beruf als Journalist sei vom Landgericht nicht ansatzweise aufgegriffen worden. Dagegen begründe das Landgericht die angegriffene Äußerung mit einem Informationsinteresse an den Pegida-Veranstaltungen. Das Landgericht spiele das Diffamieren und Beleidigen von politisch anders Denkenden als Schärfe und Überspitzung oder pointierte Darstellungen herunter und verkenne jegliche Grundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung und der vom Bundesverfassungsgesicht aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf die Schranken der Pressefreiheit in eklatanter Weise. Es nehme seine Kritik an der „politischen Kaste“, dem „Feind des Volkes“, „Kommunisten“, „ehemaligen IMs“, der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten zum Anlass, ihn zu stigmatisieren und ihm aufgrund seiner vorgenannten Kritik und Meinungsäußerungen jegliche Persönlichkeitsrechte abzusprechen. Er sei berechtigt, seine Kritik an der „politischen Kaste“ etc. auch zu „radikalen Moslems“ zu äußern und Verschwörungstheorien aufzustellen sowie zu verbreiten, Geschichten und Märchen zu erzählen, sofern er sich an die allgemeinen Gesetze halte. Hierzu sei er grundgesetzlich legitimiert, ohne befürchten zu müssen, hierfür an den Pranger gestellt und mit Gräueltaten des Dritten Reichs in Verbindung gebracht zu werden und als Bekenner zum Nationalsozialismus diffamiert zu werden, noch dazu, weil er sich unstreitig in seinen öffentlichen Schriften stets und nachhaltig von sämtlichen totalitären Regimen distanziert und nationalsozialistische Gesinnungen auf das Schärfste verurteilt habe.
32 
Das Landgericht verweise auf die rechtlich zutreffende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.10.1991 (1 BvR 1555/88, NJW 1992, 1439), wonach im Hinblick auf Äußerungen mit Mischcharakter die Offenbarung der tatsächlichen Bezugspunkte und gegebenenfalls der Nachweis der Richtigkeit der umstrittenen Äußerungen gegeben sein müsse. Als Tatsachengrundlage verweise es auf seine zulässigen Meinungsäußerungen im Hinblick auf beispielsweise die „Pläne der Linken, eine Verdrängung des deutschen Volkes als Auslöser für einen Bürgerkrieg“ mit Erinnerungen und Anknüpfungspunkten zur Ideologie des Dritten Reiches, obwohl das Landgericht an anderer Stelle erwähne, dass keine belastbaren Anhaltspunkte vorlägen, dass er tatsächlich den Aufbau eines Führerstaates oder eines vergleichbaren totalitären Systems verfolge.
33 
Soweit das Landgericht sich auf die Anlage AG 2 beziehe, bleibe unerfindlich, woher das Gericht einen Pauschalverdacht gegen Moslems hernehme. Er habe allerdings vehement den radikalen Islam angegriffen. Bei den gerichtsbekannten terroristischen Anschlägen des Islams, auch in jüngster Zeit, eine Kritik hieran zur Rechtfertigung der beanstandeten Äußerung heranzuziehen, widerspreche eklatant der Rechtslage und dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denken Menschen.
34 
Seine vom Landgericht falsch zitierte Äußerung zur Durchmischung aller menschlichen Rassen ziele nicht auf eine Herstellung der Durchmischung aller menschlichen Rassen, sondern auf eine Darstellung. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang Assoziationen mit der Rassenlehre des Dritten Reiches herstelle, sei dies eine infame und schmutzige Unterstellung. Hätte das Landgericht die Passage nicht aus dem Kontext gerissen, hätte es festgestellt, dass sich das Zitat auf eine Zerschlagung aller menschlichen Rassen beziehe.
35 
Die Beklagte habe mit ihrer Bezeichnung einen rufmörderischen Flächenbrand ausgelöst, der zum Ziel habe, ihn öffentlich zu verunglimpfen und zu ächten bis hin zur medialen Existenzvernichtung. So werde er nun auch von weiteren Presseorganen wie den „E Nachrichten“ verunglimpft und mit erwiesenermaßen rechtsextremistischen Personen verglichen. Entsprechende Verhaltensweisen würden vom Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaats S als „Nazi-Outing“ bezeichnet. Die Vorgehensweise der Beklagten sei nationalsozialistische Pressearbeit, wie sie auch vom damaligen Propagandaministerium verfolgt worden sei. Die Beklagte verfolge damit verfassungsfeindliche Ziele.
36 
Soweit die Beklagte auf S. 4 der Berufungserwiderung (Bl. 116) im Zusammenhang mit der Anl. AG 3 die Schlagwörter „Kampf bis zur letzten Sekunde“ und „das deutsche Volk verdiene den Untergang wenn es diesen Kampf nicht besteht“ verwende, handle es sich um rein schmutzige Interpretationen der Beklagten und aus der Luft gegriffene Schlagwörter.
37 
Zu Unrecht suggeriere die Beklagte, die auf S. 7 f. der Berufungserwiderung (Bl. 118 f.) aufgeführten Zitate stammten von ihm. Er empfehle auch nicht die zitierten Passagen aus der Anl. AG 5.
38 
Der Kläger beantragt:
39 
Das am 11.06.2015 verkündete und am 03.07.2015 zugestellte Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az.: 11 O 80/15, wird aufgehoben und die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, --, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 3 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten, unter Bezugnahme auf den Verfügungskläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, behaupten zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, der Verfügungskläger sei ein „bekannter Neonazi“.
40 
Die Beklagte beantragt:
41 
Zurückweisung der Berufung.
42 
Das Landgericht habe die Voraussetzungen des geltend gemachten äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu Recht verneint. Die Berufungsbegründung führe zu keinem anderen Ergebnis, zumal sie eher politisch als rechtlich argumentiere.
43 
Die angegriffene Aussage „bekannter Neonazi“ sei eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung. Sie sei einer objektiven Klärung nicht zugänglich, weil der Begriff hier nicht zur Bezeichnung einer nach objektiven Kriterien bestimmbaren Tatsache verwendet worden sei.
44 
Der Begriff „Neonazi“ sei schillernd, es gebe keine allgemein anerkannten tatsächlichen Kriterien zu seiner Definition. Auch ihr Bericht vom 16.4.2015 enthalte eine solche Definition nicht, vielmehr werde der Begriff dort als zusammenfassende Wertung der politischen Ansichten des Klägers verwendet, über den es zudem heiße, er sei ein „rechtsradikaler Blogger und ausgewiesener Islamhasser“, womit der Wertungscharakter unterstrichen werde, zugleich die Grundlagen dieser Bewertung angeführt würden.
45 
In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Bezeichnung als „Nazi“ oder „Neonazi“ keine Tatsachenbehauptung darstelle. So habe das OLG Jena (BeckRS 2009, 23868) die Bezeichnung „Nazi“ für eine schlagwortartige Verkürzung des Umstands gehalten, dass der Kläger mit der rechten Szene in Zusammenhang stehe.
46 
Der Begriff des „Neonazi“ sei noch viel stärker wertend als „Nazi“. Denn wenn es schon an klaren Definitionen für letzteres fehle, so enthalte der Begriff „Neonazi“ die schlagwortartige Bezeichnung, jemand sei einem „Nazi“ vergleichbar. Solche Vergleiche seien immer wertend und gäben die eigene Ansicht des jeweiligen Sprechers wieder, stellten aber keine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung dar.
47 
Im Übrigen liege eine Meinungsäußerung auch dann vor, wenn sie zwar mit Elementen einer Tatsachenbehauptung verbunden sei, der tatsächliche Aussagegehalt gegenüber der Wertung aber in den Hintergrund trete. Auch erfordere Art. 5 GG, dass bei Zweifeln zwischen der Einstufung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung von einer Meinungsäußerung auszugehen sei, wenn letztere nicht überzeugend ausgeschlossen werden könne. Auch danach liege hier keine Tatsachenbehauptung vor.
48 
Läge eine solche vor, müsste diese unwahr sein. Der Kläger habe aber hierzu nicht vorgetragen und Beweis angetreten; seine Behauptung, er gehöre unstreitig weder zu der Gruppe Neonazis noch zu den angeschlossenen Gruppierungen oder Sympathisanten, genüge für einen solchen substantiierten Sachvortrag nicht und sei im Übrigen auch nicht unstreitig.
49 
Soweit der Kläger auf die Definition des Begriffs „Neonazi“ im Verfassungsschutzbericht des Bundes verweise, den auch die Bundeszentrale für politische Bildung übernehme, werde dort ein Bekenntnis zu den Gräueltaten des Nationalsozialismus keinesfalls als Ausgangspunkt für die Begriffszuweisung „Neonazi“ aufgeführt. Im Gegenteil stelle die Bundeszentrale fest, dass in Teilen der Szene dies als Abkehr von der reinen Lehre des wahren Nationalsozialismus angesehen werde.
50 
Gehe man von dieser vom Kläger selbst verwendeten Definition des „Neonazi“ aus, so wäre seine Bezeichnung als solche keine unwahre Tatsachenbehauptung, denn er sehe das deutsche Volk als höherwertig an und wolle es vor „rassisch minderwertigen“ Ausländern schützen, wie die auf YouTube abrufbare Rede des Klägers vom 24.2.2015 in K, die er selbst in seiner Anlage 4 (dort Seite 4) dokumentiert habe, zeige. Sie enthalte Aussagen über den „Krieg der Umvolkung“, die „rassische Zerstörung“ und die Bezeichnung von Muslimen als „Sekundärinfektion unserer Gesellschaft“. Weiter sei auf die Anlage AG 2 zu einem (angeblich von einer Frau stammenden) Beitrag im Blog des Klägers verwiesen, wo Ausländer als „Abschaum“ und „Dreck“ bezeichnet würden.
51 
In seinem Blog fänden sich zahlreiche weitere Veröffentlichungen, welche die streitige Bewertung des Klägers stützten. So habe er am 28.1.2015 einen Bericht „Migranten werden in Deutschland regieren“ veröffentlicht, wo er die angebliche Aussage des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland aufgreife, dieser habe gesagt, Migranten würden in 20 Jahren 75 % der Bevölkerung ausmachen, wozu der Kläger schreibe:
52 
„Dabei gibt es keinesfalls den Weg des blutigen Dschihads. Der Islam habe ein ganzes Arsenal entwickelt, zu seinem Ziel zu kommen. Massive Erzeugung eines islamischen Geburten-Überschusses und Übernahme durch massive Immigration. Der Islam kenne dafür auch längst Begriffe: Geburten-Dschihad und demografischer Dschihad. Ohne die Helfershelfer auf Seiten der zu übernehmenden Länder würde er jedoch nicht zu seinem Ziel gelangen......
53 
Wir Deutschen werden alles tun, dass das Ruder noch in letzter Sekunde herumgerissen wird. Weder werden wir es zulassen, dass wir zur Minderheit im eigenen Land werden noch dass wir von Invasoren, die sich als Migranten getarnt haben. Und wenn wir beides nicht verhindern können, dann hat das deutsche Volk seine Ausrottung gewollt und wird, wie andere ausgerottete Völker, aus dem Gedächtnis der Geschichte verschwinden.“ (Anlage AG 3, Bl. 123).
54 
Auch vor 70 Jahren habe die Devise gegolten, dass ein „anständiger Deutscher“ keine ausländische Frau heirate und es sei der Kampf „bis zur letzten Sekunde“ propagiert und verkündet worden, „das deutsche Volk“ verdiene den Untergang, wenn es diesen „Kampf nicht bestehe“.
55 
Der Kläger habe auch bereits am 24.7.2012 in seinem Blog einen Beitrag „Fjordman über Eurabia: Warum die Linken und nicht der Islam unser Hauptfeind sind“ veröffentlicht, der weiter abrufbar sei und vom Kläger mit einem begeisterten Vorwort eingeleitet worden sei. Der Bericht stelle das Buch „Eurabia - die geplante Vernichtung unseres Europas durch linke Hochverräter“ eines P J vor, eines norwegischen Bloggers, der unter dem Pseudonym „Fjordman“ seit 2003 islamfeindliche Artikel veröffentliche und in der rechten Szene eine Kultfigur sei.
56 
Zu diesem Buch habe der Kläger geschrieben, Fjordman sei „wohl der brillanteste europäische Islam-Kritiker“. „Geschichtsvergessenen linken Politikern“ gehe es bei der Einwanderung „um den Totalaustausch europäischer Bevölkerungen durch kulturfernste islamische Bevölkerungsgruppen“ und um die Zerstörung Europas, was ein „ethnisch-zivilisatorisches Vernichtungsprogramm“ sei. Der Kläger ermuntere seine Leser ausdrücklich dazu, sich die nötige Zeit für den gesamten Text des Buches zu nehmen, der brillant sei, und vor dem er sich verbeuge.
57 
Der vom Kläger dann im Anschluss veröffentlichte „brillante Text“, vor dem er sich verbeuge, enthalte u.a. folgende Stellen:
58 
- „Islam und alle die ihn praktizieren müssen vollständig und physisch aus der gesamten westlichen Welt entfernt werden“
59 
- „Moslems führen ganz klar die Liste der gewalttätigen feindseligen Personen an, die nicht in westliche Länder gehören“
60 
- „der Islam ist nur eine zweitrangige Infektion. Die Primärinfektion geht von den Linken aus.“
61 
- „Praktisch niemand fragt, ob somalische Moslems von Natur aus kulturell so verschieden von den Europäern sind und ja, abstammungsmäßig / genetisch gesprochen, vielleicht überhaupt nicht in westliche Ländern gehören“
62 
- „jede einzelne Regierung der EU begeht täglichen Verrat am kulturellen Erbe Europas“
63 
- „eine alternative Ansicht und offen gesagt, die einzige im Lichte der Menschheitsgeschichte und biologischer Realität sinnvolle, ist die, dass eine Nation aus einer Gruppe genetisch verwandter Menschen besteht“.
64 
Am Ende heiße es dann
65 
„Sollte es wirklich in Europa zu einem Bürgerkrieg kommen, was zu befürchten ist, wird dies unweigerlich dazu führen, dass man die Sozialisten Europas, die uns diesen ganzen Multi-Kulti-Wahnsinn eingebrockt haben, an der nächsten Laterne aufhängt, sobald man sie zu fassen bekommt. A B wird man dann als Helden feiern, weil er diese Entwicklung bereits vorausgesehen und davor gewarnt hat. Was sind schon 69 Jungsozialisten, die B erschossen hat, gegen Millionen von Toten, die in einem europäischen Bürgerkrieg ihr Leben lassen müssen ?“.
66 
Der Kläger habe danach in seinem Blog noch mehrfach Fjordman-Texte ähnlichen Kalibers veröffentlicht.
67 
Angesichts derartiger menschenverachtender Texte des Klägers im NS-Vokabular wäre seine Einstufung als „Neonazi“ eine zutreffende Tatsachenbehauptung.
68 
Der Begriff „Neonazi“ stelle in der konkreten Verwendung keine Schmähkritik dar wie das Landgericht zutreffend gesehen habe. Die gegenteilige Ansicht des Klägers übersehe die gefestigte Definition des Begriffs „Schmähkritik“. Sie liege nur vor, wenn auch aus Sicht des Kritikers keine Grundlage für die Wertung vorhanden sei, sondern es dem Kritiker nur um die Diffamierung des Betroffenen gehe und dadurch jedes sachliche Anliegen des Kritikers völlig verdrängt werde. Dies sei hier nicht der Fall. Die streitige Bewertung knüpfe an die Beschreibung des Klägers als „rechtsradikaler Blogger und Islamhasser“ an. Diese Wertung werde, worauf das Landgericht zutreffend hinweise, im Rahmen eines Berichts über die Unterwanderung von Pegida-Demonstrationen durch Rechtsradikale vorgenommen; der Kläger werde als eines von mehreren Beispielen dieser Unterwanderungsmethode erwähnt. Damit liege eine ausreichende sachliche Grundlage für die streitige Bewertung vor.
69 
Die angegriffene Äußerung weise auch die erforderliche Sachnähe auf, um unter den Schutz des Art. 5 GG zu fallen, wie das Landgericht ausführlich und zutreffend dargelegt habe. Dabei gelte grundsätzlich, dass auch scharfe und übersteigerte Äußerungen in den Schutzbereich des Art. 5 GG fielen, insbesondere bei einem „geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ seien polemische und unsachliche, zugespitzte Formulierungen zulässig.
70 
Der Bericht vom 16.4.2015 beschäftige sich mit den damals aktuellen Pegida-Demonstrationen, speziell in K, an denen der Kläger teilgenommen habe. Er schildere die bisherigen Demonstrationen in K und deren mögliche Auswirkungen, wozu der K Oberbürgermeister zitiert und dargestellt werde, wer diese Demonstrationen organisiere und wer sich an ihnen beteilige. In diesem Zusammenhang stehe auch die angegriffene Äußerung, die mithin eine ausreichende Sachnähe aufweise. Es gehe nicht um eine anlasslose Herabsetzung des Klägers, sondern um die Bewertung seiner unstreitigen Teilnahme an den Pegida-Demonstrationen in K.
71 
Bei der Bewertung der Sachnähe sei nicht nur das Verhalten des Klägers bei seiner Teilnahme an diesen Demonstrationen und als dortiger Redner zu berücksichtigen. Wer selbst in der Öffentlichkeit mit provokanten Äußerungen auffalle und Kontroversen bewusst suche, müsse entsprechende Bewertungen seines Verhaltens hinnehmen. In der Berufungsbegründung räumt der Kläger selbst ein, dass er „Kritik an der politischen Kaste, den Linken, der Kanzlerin, dem Bundespräsidenten, den Kommunisten und Sozialisten, Radikalen und Moslems usw.“ äußere und „Verschwörungstheorien aufstelle“. So sei es in der Tat.
72 
Aktuell sei der Kläger am 30.6.2015 als Redner einer öffentlichen Veranstaltung der Aktion „Widerstand K“ in K aufgetreten. Als er dort unter den Zuhörern den Grünen-Kommunalpolitiker R entdeckt habe, habe er diesem öffentlich zugerufen:
73 
„Ich habe ausführlich dargelegt, dass Deutschland mit Hilfe unserer Parteien und wir haben hier einen prominenten Vertreter, einen der Grünen, Herrn R.... direkt mitten unter uns. Ich habe belegt, dass diese Feinde Deutschlands, die neuen Faschisten, die Nachfolger von Hitler, die Erfüller des hitlerischen Nero-Befehl, Deutschland dem Untergang weihen..... Ich sage Ihnen, Herr R, der einzige Ort, wo Sie richtig hingehören, ist ein deutsches Gefängnis. Ja !“
74 
Wer seine Gegner so tituliere, müsse hinnehmen, dass er selbst auch als „neuer Faschist“, als „Neonazi“, bezeichnet werde.
75 
Vorsorglich werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger kein Verbot von „sinngemäßen“ Bezeichnungen fordern könne, da ein solches Verbot nicht ausreichend konkret bestimmt wäre.
76 
Soweit der Kläger auf einen Bericht im Online-Auftritt der „Erlanger Nachrichten“ Bezug nehme, wo er ebenfalls als Neonazi bezeichnet werde, habe die Beklagte mit dieser Veröffentlichung nichts zu tun.
4.
77 
Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands nach §§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
78 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
79 
Zutreffend hat das Landgericht in der angegriffenen Bezeichnung des Klägers als „bekannten Neonazi“ in dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel eine zulässige, keine Schmähkritik darstellende und in Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht und der Ehre des Klägers von der Meinungsfreiheit gedeckte Meinungsäußerung gesehen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung. Weder bestehen Zweifel an den maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, noch beruht das Urteil auf Rechtsfehlern im Sinne von § 513 Abs. 1 ZPO.
80 
Im Einzelnen:
A.
81 
Der Verfügungsantrag ist allerdings entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht zulässig.
1.
82 
Er ist nicht wie die Beklagte meint aufgrund der in ihm enthaltenen Wendung „wörtlich oder sinngemäß“ zu unbestimmt.
83 
Zwar ist ein Klagantrag dann unbestimmt, wenn er so undeutlich gefasst ist, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen ist, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was verboten sein soll (BGH GRUR 2002, 86, 88 - Laubhefter, st. Rspr.). Derartiges wird jedoch durch die Formulierung „oder sinngemäß“ i. d. R. nicht bewirkt, weil diese weitverbreitete Formulierung gewöhnlich nur erreichen - besser: klarstellen - will, dass das Verbot auch kerngleiche Äußerungen erfassen soll, also verhindern will, dass die angegriffene Äußerung anders formuliert, aber im Kern identisch, erneut aufgestellt oder verbreitet wird, ohne die Vollstreckungswirkung des Unterlassungsausspruchs auszulösen (BGH GRUR 1977, 114, 115 - VUS; ferner Köhler/Bornkamm, UWG 33. Aufl., § 12 Rn. 2.37; Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12 Rn. 151). Anders wäre dann zu entscheiden, wenn die beanstandete Behauptung wörtlich gar nicht aufgestellt worden wäre, sondern nur behauptet würde, es wäre ein solcher Eindruck hervorgerufen worden (OLG Koblenz, GRUR 1988, 142, 143 - radio 4) oder der Kläger dieser Formulierung einen weitergehenden Inhalt beimessen will, wofür aber nichts ersichtlich oder vorgetragen ist.
2.
84 
Auch ein Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) ist gegeben.
a)
85 
Beim Verfügungsgrund handelt es sich nach ganz h. M. um eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses für das Eilverfahren, mithin eine Prozessvoraussetzung und nicht um ein Element der materiellen Begründetheit; ob er vorliegt, ist mithin von Amts wegen zu prüfen (Ahrens-Singer, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 45 Rn. 1 und Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 54, Rn. 15, jew. mit zahlr. Nachw. aus der obergerichtl. Rspr.; speziell zum Äußerungsrecht: Wenzel-Burkhardt, a.a.O., Kap. 12 Rn. 144).
b)
86 
Die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) wird im Äußerungsrecht regelmäßig daraus abgeleitet, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerungen zu rechnen ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa Wenzel/Burkhardt, ebenda), was bei Medien ohne weiteres angenommen werden kann (Prinz/Peters, Medienrecht, Fn. 243 zu Rn. 361). In der Praxis des Äußerungs- und Presserechts wird ein Verfügungsgrund, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten gegeben ist, regelmäßig ohne weiteres bejaht (vgl. etwa die Ausführungen bei Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 325; Korte, Praxis des Presserechts, § 5 Rn. 108 m.w.N. in Fn. 142; als Bsp. OLG Hamburg NJW-RR 2008, 1435 f.). Die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch zu langes Zuwarten ist als allgemein anerkannter Grundsatz des einstweiligen Rechtsschutzes im Zivilprozessrecht anzusehen (KG NJW-RR 2001, 1201, 1202; MüKoZPO-Drescher, 4. Aufl., § 935 Rnrn. 18 ff.). Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel bei einem Zuwarten von mehr als 8 Wochen bzw. 2 Monaten ab Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung anzunehmen (OLGR 2009, 633, 634 und NZBau 2010, 639, 640, jeweils zum Urheberrecht).
87 
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend die Dringlichkeit zu bejahen und ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten zu verneinen: Die Veröffentlichung ist am 16.04.2015 erfolgt. Der Kläger hat bereits sechs Tage später mit dem als Anl. A 3 (Bl. 11) vorgelegten Schreiben die Beklagte abgemahnt und hat nach Zurückweisung der Abmahnung durch die Beklagte mit Schreiben vom 24.04.2014 (Anl. A 4, Bl. 14) bereits am 27.04.2014 und damit nicht einmal zwei Wochen nach der Veröffentlichung seinen Verfügungsantrag beim Landgericht eingereicht.
B.
88 
Der Verfügungsantrag ist jedoch mangels Verfügungsanspruchs unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB zusteht, denn das Persönlichkeitsrecht des Klägers (Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz) wurde nicht rechtswidrig verletzt. Ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB scheidet schon deshalb aus, weil die angegriffene Äußerung im konkreten Kontext keine Tatsachenbehauptung darstellte. Dem Kläger steht auch kein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 185 StGB zu, weil die angegriffene Äußerung im konkreten Fall von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und daher keine rechtswidrige strafbare Beleidigung des Klägers darstellt.
1.
89 
Wie das Landgericht auf LGU S. 9 f. unter 2.b) der Entscheidungsgründe zu Recht ausgeführt hat, stellt die Bezeichnung als „Neonazi“ regelmäßig einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person dar, da sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch erheblich beeinträchtigt wird. Sie ist geeignet, den Betroffenen in ein negatives Licht zu rücken und sich abträglich auf sein Ansehen sowohl im privaten als auch beruflichen Bereich auszuwirken. Die Bezeichnung als „(Neo-)Nazi“ kann angesichts des historischen Bedeutungsgehalts einer solchen Qualifizierung nur negativ und diskreditierend verstanden werden (OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1050, 1051; vgl. auch OLG Köln AfP 1993, 755 unter A. II. zur Bezeichnung als „Neofaschist“).
2.
90 
Liegt eine Beeinträchtigung des bzw. ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, führt dies aber nicht ohne weiteres zur Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs mit der Folge eines Unterlassungsanspruchs aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (entsprechend) i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, da wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechtes seine Reichweite nicht absolut feststeht, sondern erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist aufgrund dessen nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 28; BGH GRUR 2012, 850 Tz. 35 - www.rainbow.at II; BGH GRUR 2013, 94 Tz. 10 - Gazprom-Manager; BGH GRUR 2013, 312 Tz. 11 - IM-Christoph; jew. m.w.N.). Insoweit ist die Rechtslage anders als bei der Verletzung absoluter Rechte wie bspw. des Urheberrechts, bei denen der Eingriff in das Recht die Rechtswidrigkeit regelmäßig indiziert (BGH GRUR 2012, 850 Tz. 35 a. E.).
91 
Ob dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zusteht, ist mithin aufgrund einer Abwägung der Interessen des Klägers - also hier seines Rechtes auf Schutz seiner Persönlichkeit und seiner Ehre aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1 EMRK - einerseits und dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 10 EMRK) andererseits zu entscheiden.
92 
Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist hingegen nicht berührt. Dies wäre der Fall, wenn es etwa um die institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen eines Presseerzeugnisses oder um die Institution der freien Presse ginge (BVerfG NJW 1992, 1439, 1440), während für die Frage, ob eine bestimmte Äußerung erlaubt ist oder nicht, insbesondere, ob ein Dritter eine für ihn nachteilige Äußerung hinzunehmen hat, ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig ist (BVerfG, ebenda, und NJW 2004, 277, 278).
93 
Zutreffend hat das Landgericht angenommen (LGU S. 8 unten / 9 oben unter 3.a) der Entscheidungsgründe), dass diese Abwägung zugunsten der Beklagten ausfällt.
a)
94 
Für diesen Abwägungsvorgang sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschiedene Kriterien als Leitlinien entwickelt und von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übernommen worden:
aa)
95 
Danach hängt bei Tatsachenbehauptungen die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen maßgeblich vom Wahrheitsgehalt ab; wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind - jedenfalls, wenn sie nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betreffen (BVerfG NJW 2003, 1109, 1110) -, unwahre dagegen nicht (siehe nur BVerfG NJW 2012, 1643 Tz. 33). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG stehen - abgesehen von solchen Tatsachenbehauptungen, die von vornherein Dritten nicht zur Meinungsbildung dienen können (BGH NJW-RR 2008, 913 Tz. 12 m.w.N.) - aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht, denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die als unwahr anzusehen sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit regelmäßig kein schützenswertes Interesse (BGH NJW 2008, 2262 Tz. 34 f. m.w.N.); alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (BGH GRUR 2013, 312 Tz. 12 m.w.N. - IM Christoph).
96 
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (LGU S. 10 unter 1.a) der Entscheidungsgründe), hängt die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung davon ab, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BVerfG NJW 2008, 358, 359, NJW 2012, 1643 Tz. 33 und GRUR 2013, 193 Tz. 25; BGH NJW 1997, 1148, 1149, jew. m.w.N.; st. Rspr.). Enthält eine Äußerung sowohl Aussagen in tatsächlicher Hinsicht als auch eine subjektive Wertung, ist sie als Werturteil zu behandeln, wenn sie in nicht trennbarer Weise sowohl tatsächliche als auch wertende Bestandteile aufweist und sie durch die Elemente der Stellungnahme des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist (BVerfG NJW 1992, 1439, 1440; BGH NJW 2007, 686 Tz. 15), wobei die Richtigkeit oder Unwahrheit der tatsächlichen Bestandteile im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist (BVerfG NJW 2007, 2686, 2687, NJW 2008, 358, 359 m.w.N. und NJW 2012, 1643 Tz. 34; BGH NJW 2009, 1872 Tz. 14 u. 22; für die EMRK etwa EGMR NJW 2014, 3501 Rn. 46). Die Offenbarung der tatsächlichen Bezugspunkte für eine Meinung ist dabei nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit ihrer Äußerung (BVerfG NJW 1976, 1680, 1681; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 20 Tz. 4 und 9b).
97 
Enthält die Meinungsäußerung erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit zurücktreten (BVerfG NJW 1992, 1439, 1441).
98 
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es der Ermittlung des vollständigen, objektiven Aussagegehalts (BGH NJW 2006, 601 Tz. 14), wobei jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist; sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH NJW 2009, 1872 Tz. 11 und NJW 2009, 3580 Tz. 11). Maßgeblich ist dabei der objektive Sinn der Äußerung, wie er sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums ergibt (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 31 und NJW 2012, 1643 Tz. 42), wobei der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die Begleitumstände, soweit diese für den Leser erkennbar sind, maßgebend sind (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 31; BGH NJW 2006, 601 Tz. 14). Insoweit handelt es sich nur um einen besonderen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes, dass eine in einer Presseveröffentlichung enthaltene Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist und nicht aus dem betreffenden Kontext herausgelöst werden darf (aus neuerer Zeit etwa BGH NJW 2014, 3154 Tz. 13 m.w.N.).
bb)
99 
Handelt es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage und nicht um die bloße Verfolgung privater Interessen, so spricht eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfGE 7, 198, 212; BVerfG NJW 1992, 1439, 1440, NJW 1991, 95, 96 und NJW 1999, 2358, 2359), d. h., je weniger es sich um eine Äußerung im privaten Bereich zur Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, tritt der Schutz des betroffenen Rechtsguts - hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Ehre des Klägers - umso mehr zurück (BVerfG NJW 2009, 3106 Tz. 28). Diese Vermutung gilt allerdings für Tatsachenbehauptungen und bei Meinungsäußerungen, die tatsächliche Elemente enthalten, nur eingeschränkt (BVerfG NJW 1992, 1439, 1441).
cc)
100 
Im Übrigen gilt für die Abwägung bei Werturteilen, dass die Meinungsäußerungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten hat, wenn sich die Äußerung als Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellt (BVerfG NJW 2008, 358, 359 und NJW 2009, 3016 Tz. 28; BGH NJW 2003, 1308, 1310, jew. m.w.N.), wobei der Begriff „Schmähkritik“ eng zu definieren ist (BVerfG AfP 2013, 389 Rn. 21 in Juris; BVerfG NJW 2013, 3021 Tz. 15). An ihr Vorliegen sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (BVerfG NJW 1992, 2815, 2816; BGH NJW 2009, 1872 Tz. 18 m.w.N.). Deshalb kann eine Schmähkritik selbst bei einer überzogenen, polemischen oder gar ausfälligen Kritik noch nicht angenommen werden, vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht; die Äußerung muss also jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen, das sachliche Anliegen durch die persönliche Kränkung völlig in den Hintergrund gedrängt werden (BVerfG AfP 2013, 389 Rn. 21 in Juris; BGH, ebenda, und NJW 2007, 686 Tz. 18, jeweils m.w.N.). Eine Meinungsäußerung wird infolgedessen nicht allein wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung (BVerfG NJW 2009, 3016 Tz. 35). Auch bei der Frage, ob eine Schmähkritik vorliegt, sind Anlass und Kontext der Äußerung zu berücksichtigen (BVerfG, ebenda und BVerfG NJW 2009, 749 Tz. 16, auch zu Ausnahmen).
dd)
101 
Liegt keine Schmähkritik oder Formalbeleidigung vor, ist über die Frage der Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch Interessenabwägung zu entscheiden (BVerfG NJW 2013, 3021 Tz. 18 und NJW 2008, 358, 359; BGH NJW 2009, 1872 Tz. 22). Dabei kann das Fehlen jeglicher tatsächlicher Bezugspunkte, auf die sich die Meinung stützen könnte, ein Indiz dafür darstellen, dass die Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt ist (BVerfG NJW 2012, 1643 Tz. 41 f. und NJW 2004, 277, 278; Soehring/Hoene, a.a.O., § 20 Rn. 9b).
102 
Bei dieser Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, ob sich der Betroffene selbst aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen hat (BVerfG NJW 1983, 1415, 1416 f. und NJW 1999, 2358, 2359; BGH NJW 2007, 686 Tz. 18). Derjenige, der sich mit Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (BVerfG GRUR 2013, 193 Tz. 35 m.w.N.).
103 
Ferner ist bei Würdigung der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen, in welcher Sphäre - Intim-, Geheim-, Privat- oder nur Sozialsphäre - der Kläger betroffen ist (BVerfG GRUR 2013, 193 Tz. 35; BGHZ 181, 328 = NJW 2009, 3288 Tz. 30 ff.).
b)
104 
In Anwendung dieser Grundsätze auf die beanstandete Äußerung zeigt sich, dass der Eingriff in Ehre und Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtmäßig war, weil die Abwägung ergibt, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers hinter die Meinungsäußerungsfreiheit zurückzutreten hat.
aa)
105 
Zutreffend hat das Landgericht auf LGU S. 6 unten/7 oben unter I. 1. b) der Entscheidungsgründe angenommen, dass es sich bei der Bezeichnung des Beklagten als „bekannter Neonazi“ in der angegriffenen Veröffentlichung vom 16.04.2015 um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung handelte. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung.
(1)
106 
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 19.12.1991 (1 BvR 327/91; NJW 1992, 2013) zutreffend ausgeführt hat, lässt der Begriff „Nazi“ bei isolierter Betrachtungsweise schon wegen der Weite seines Bedeutungsgehaltes verschiedenste Verwendungsweisen zu, die von einer streng historischen Terminologie bis zum substanzlosen Schimpfwort reichen (a.a.O., 2014). Der Aussagegehalt der Bezeichnung einer Person als „Nazi“ ist infolgedessen abhängig von dem jeweiligen Gebrauch, insbesondere vom Gesamtzusammenhang des Textes, in dessen Rahmen er verwendet wird (BVerfG, ebenda; Soehring/Hoene, a.a.O., § 20 Tz. 12). Nichts anderes gilt für den davon abgeleiteten Begriff „Neonazi“ (EGMR NJW 2014, 3501 Rn. 45) und den Begriff „Neofaschist“ (EGMR, ebenda, unter Hinweis auf ein Urteil vom 14.12.2000, 29372/02 Nr. 40; OLG Köln AfP 1993, 755).
107 
Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang angenommen, dass die (verfassungs- und obergerichtliche) Rechtsprechung die Bezeichnung einer Person als „(Neo-)Nazi“ in der Regel als Meinungsäußerung einordnet (neben den vorgenannten Entscheidungen etwa OLG Jena, BeckRS 2009, 23868 und OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1050, 1051; ferner OLG Hamburg NJW 1992, 2035 zur Bezeichnung „Nazi-Sekte“ und BVerfG GRUR 2013, 193 Tz. 27 zur Bezeichnung einer Person als „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“), weil dieser Begriff eindeutig Elemente eines Werturteils enthält (so zutreffend EGMR, ebenda), denn er stellt gewöhnlich eine schlagwortartige Qualifizierung einer politischen Einstellung oder Geisteshaltung einer Person dar (so auch Soehring/Hoene, a.a.O., § 14 Tz. 16 für die Bezeichnung als „Neofaschist“, „rechtsradikal“ oder „linksradikal“). Die (plakative) Bewertung tatsächlicher Vorgänge oder Umstände stellt aber ein Werturteil und mithin eine Meinungsäußerung dar (BVerfG NJW 2003, 961, 962; OLG Hamburg NJW 1992, 2035). Dies schließt es allerdings nicht aus, dass sich je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls aus dem Kontext ergibt, dass mit der Bezeichnung einer Person als „(Neo-)Nazi“ eine dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsache behauptet wird, etwa dann, wenn eine - gegebenenfalls frühere - Parteizugehörigkeit behauptet wird (Soehring/Hoene, ebenda, und § 14 Tz. 16).
108 
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine solche Qualifizierung (also die Äußerung einer derartigen Meinung) mangels tatsächlicher Bezugspunkte, also des Fehlens jeglicher tatsächlicher Grundlage in der Abwägung von Meinungsfreiheit mit Ehre und allgemeinem Persönlichkeitsrecht, unzulässig ist.
(2)
109 
So, wie in der Veröffentlichung vom 16.04.2015 der Begriff „bekannter Neonazi“ zur Bezeichnung des Klägers verwendet worden ist, stellt er eine plakative Qualifizierung bzw. Charakterisierung der politischen Gesinnung/Haltung des Klägers und mithin eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung dar.
110 
Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass in dem Artikel nicht näher darauf eingegangen wird, was unter einem „Neonazi“ zu verstehen sei und die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ im konkreten Fall wegen der Weite ihres Bedeutungsgehalts und des Fehlens einer näheren Eingrenzung aus Sicht des Durchschnittslesers keine dem Beweis zugängliche Aussage enthält. Diese Einstufung entspricht gängiger Rechtsprechung, die bei substanzarmen Bezeichnungen einen etwaigen Tatsachenkern hinter der im Vordergrund stehenden Bewertung und damit Meinungsäußerung zurücktreten lässt (etwa OLG Hamburg, ebenda, vgl. auch Soehring/Hoene, a.a.O., § 14 Tz. 18 i. V. m. Tz. 6 f.).
111 
In dem Artikel, der den Kontext der beanstandeten Äußerung darstellt, wird gerade nicht die Zugehörigkeit des Klägers zu einer (neo-)nazistischen Organisation / Partei behauptet, was nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Tatsachenbehauptung darstellte. Soweit der Kläger demgegenüber offenbar meint, die Behauptung, jemand sei ein „Neonazi“, sei generell überprüfbar und dem Beweis zugänglich, trifft dies in dieser Allgemeinheit gerade nicht zu. Soweit er in diesem Zusammenhang auf die Definition des Begriffs „Neonazi“ (und „Neonazismus“) in Veröffentlichungen der „Bundeszentrale für politische Bildung“ und auf die im Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz als Neonazis und neonazistisch bezeichneten Personen und Gruppierungen verweist, denen er nicht angehöre oder mit denen er nicht sympathisiere, ist dies unbehelflich. Der Kläger verkennt das oben dargestellte Gebot, dass eine Äußerung im Kontext aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittslesers unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Begleitumstände auszulegen ist. In dem Artikel vom 16.04.2015 wird aber weder auf die Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung und das darin zum Ausdruck kommende Verständnis des Begriffs „Neonazi“ bzw. „Neonazismus“ Bezug genommen noch auf die Zuordnung von Personen zu neonazistischen Gruppierungen in den Verfassungsschutzberichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wäre in dem Artikel etwa über die Ausführungen im Verfassungsschutzbericht zu den dort als Neonazis bzw. der neonazistischen Szene zugeordneten Gruppierungen berichtet worden und der Kläger dann als „bekannter Neonazi“ bezeichnet worden, hätte darin wohl die (Tatsachen-)Behauptung gelegen, der Kläger gehöre zu diesem Personenkreis bzw. gehöre einer solchen Gruppierung an. Derartiges wird in dem Artikel aber weder ausdrücklich noch stillschweigend behauptet; insbesondere wird über den Kläger (anders als in Bezug auf weitere Personen) auch nicht wie dieser meint geäußert, er sei etwa Mitglied oder Anhänger der NPD. Vielmehr knüpft die Bezeichnung als „bekannter Neonazi“ an die Beschreibung des Klägers als „rechtsradikaler Blogger und ausgewiesener Islamhasser“ an, verbindet ihn im Kontext des Absatzes, in dem sie erfolgt, mit der „rechtsextremen Szene“, und bewertet diese Umstände. Insoweit ähnelt der vorliegende Fall dem Sachverhalt, den das OLG Jena in seiner Entscheidung vom 27.08.2009 (1 U 635/08, BeckRS 2009, 23868) zu beurteilen hatte und in dem die Bezeichnung als „Nazi“ nach dem Gesamtzusammenhang (nur) eine schlagwortartige Verkürzung für den Umstand darstellte, dass der damalige Kläger mit der rechten Szene in Zusammenhang stand.
112 
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger nicht nur als „Neonazi“, sondern als „bekannter Neonazi“ qualifiziert wurde. Die Hinzufügung des Adjektivs „bekannt“ verleiht der Bewertung der politischen Haltung/Einstellung des Klägers als „Neonazi“ im Kontext einen weiteren Aussagegehalt nur insoweit, als damit mitgeteilt wird, der Kläger und seine politische Gesinnung/Haltung seien bekannt. Sie ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Einordnung dieser Haltung/Gesinnung als „Neonazi“ eine Wertung und damit eine Meinungsäußerung darstellt.
bb)
113 
Die mithin als Meinungsäußerung einzustufende Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ erweist sich trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Beeinträchtigung seiner Ehre als zulässig, weil von der Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz gedeckt.
(1)
114 
Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass diese Bezeichnung des Klägers in dem angegriffenen Artikel keine „Schmähkritik“ im Sinne der verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung darstellt, die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz nicht mehr gedeckt wäre.
115 
Mit dem Landgericht und entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung kann nicht festgestellt werden, dass bei der angegriffenen Äußerung, wie für die Annahme einer Schmähkritik erforderlich (siehe oben a) cc)), nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Klägers als Person im Vordergrund stand. Die Bezeichnung als „bekannter Neonazi“ stellt im konkreten Fall im gegebenen Kontext keine bloße persönliche Herabsetzung dar, bei der das sachliche Anliegen durch die persönliche Kränkung völlig in den Hintergrund gedrängt würde. Vielmehr stellt sie eine Bewertung der politischen Haltung und Gesinnung des Klägers vor dem Hintergrund seiner politischen Aktivitäten (Betreiben eines politischen Blogs und Auftreten bei öffentlichen Veranstaltungen wie den Pegida-Demonstrationen in K) dar, ohne dass dabei die persönliche Diffamierung des Klägers im Vordergrund stünde. Die Äußerung in dem Artikel erfolgte anlässlich und im Zusammenhang mit einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung, nämlich mit den Pegida-Demonstrationen und der Teilnahme und dem Auftreten des Klägers bei diesen. Sie steht ferner im Bezug zu der im gleichen Satz erwähnten (unstreitigen) Tätigkeit des Klägers als „Blogger“ und weist auch insoweit Sachbezug auf. Sie knüpft also an Verhalten des Klägers und der darin zum Ausdruck kommenden Haltung/Gesinnung des Klägers an und bewertet diese. Es geht mithin nicht um eine anlasslose Herabsetzung des Klägers.
116 
Hält man sich vor Augen, dass die Rechtsprechung die Bezeichnung eines fraglos demokratischen, wenn auch umstrittenen Politikers wie Franz Josef Strauß als „Zwangsdemokrat“ (BVerfG NJW 1991, 95) und die einer fraglos demokratischen Partei wie der CSU als „NPD von Europa“ (BVerfG NJW 1983, 1415) nicht als Schmähkritik angesehen hat, folgt vorliegend die Verneinung einer solchen auch einer in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu erkennenden Tendenz.
(2)
117 
Zu Recht hat aufgrund dessen das Landgericht über die Zulässigkeit der beanstandeten Äußerung aufgrund einer Abwägung zwischen dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. der Beeinträchtigung der Ehre des Klägers einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits entschieden (LGU S. 8 ff. unter I. 3. der Entscheidungsgründe). Zutreffend ist es dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass im konkreten Fall die Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht (und der Ehre) des Klägers überwiegt (LGU S. 10 unter I. 3. c) der Entscheidungsgründe). Die vom Landgericht vorgenommene Abwägung auf LGU S. 10 ff. ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden, vielmehr überzeugend; die hiergegen geführten Angriffe der Berufung sind in der Sache nicht berechtigt:
(a)
118 
Wie die Ausführungen des Landgerichts auf LGU S. 9 f. unter I. 3. b) der Entscheidungsgründe zeigen, hat das Landgericht nicht verkannt, dass die Bezeichnung einer Person als „Neonazi“ auch aus historischen Gründen einen intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt. Zu Recht hat es aber bei der Gewichtung dieses Eingriffs auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht in seiner Privat- oder Geheimsphäre oder gar seiner Intimsphäre betroffen ist, vielmehr die Äußerung seine Sozialsphäre betrifft, denn sie hat das durch sein Auftreten bei Veranstaltungen und durch seinen Blog nach außen hervortretende Verhalten des Klägers und die darin zum Ausdruck kommende politische Haltung/Gesinnung zum Gegenstand.
(b)
119 
Nach den oben unter a) bb) dargestellten Grundsätzen hat das Landgericht bei der Bewertung des Gewichts, das vorliegend der Meinungsfreiheit zukommt, zu Recht berücksichtigt, dass es sich bei dem Artikel der Beklagten um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelte. Die Pegida-Bewegung stellte als solche ebenso wie die Frage, ob diese zunehmend von rechtsradikalen/rechtsextremen Personen unterwandert und instrumentalisiert wird, aufgrund des Informationsinteresses der Öffentlichkeit fraglos eine diese wesentlich berührende Frage in diesem Sinne dar. Dies gilt aber auch für die Frage, welche politische Haltung/Gesinnung auf Pegida-Demonstrationen auftretende Personen wie der Kläger haben.
120 
Im Übrigen rügt die Berufung in diesem Zusammenhang zu Unrecht, das angefochtene Urteil befasse sich nicht, wie auf LGU S. 10 unten unter I. 3. c) aa) (2) der Entscheidungsgründe angekündigt näher mit der Rede des Klägers bei der sog. „Wügida“-Kundgebung in W; vielmehr erfolgt dies auf LGU S. 11 unter I. 3. c) bb)), auf LGU S. 10 unten ist insoweit lediglich der in Bezug genommene Gliederungspunkt irrig angegeben (als I. 3. d), der in der Tat nicht existiert).
(c)
121 
Angesichts der oben unter a) dd) dargestellten Grundsätze hat das Landgericht auf LGU S. 11 ff. unter bb) zu Recht berücksichtigt, dass und in welcher Form der Kläger selbst am politischen Meinungskampf als „Blogger“ und durch seinen Auftritt bei öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt.
(aa)
122 
Der Kläger räumt in der Berufungsbegründung selbst ein, dabei für sich „das Recht einer aggressiven Sprache“ in Anspruch zu nehmen (Berufungsbegründung S. 10, Bl. 92).
(bb)
123 
Darüber hinaus ist aber nicht nur die Form, sondern auch der Inhalt der öffentlichen Äußerungen des Klägers „radikal“ und geeignet, entsprechend scharfe Reaktionen und Bewertungen hervorzurufen, wie die von ihm selbst und von der Beklagten unwidersprochen vorgetragenen Äußerungen des Klägers in der Öffentlichkeit (sei es in seinem Blog oder auf Veranstaltungen) ohne weiteres belegen.
124 
So hat der Kläger unstreitig am 05.01.2015 bei einer „Wügida“-Demonstration geäußert:
125 
„Wir werden von einer politisch-kriminellen Kaste regiert. Die Medien haben sich mit der politischen Kaste gegen ihr eigenes Volk verschworen, sie sind die Feinde des Volkes und haben ihr Volk zu ihren Feinden erklärt. Das ist keine Demokratie mehr, in der wir heute leben ... Wir werden von Kommunisten regiert, einer ehemaligen IM, einer bestens ausgebildeten Stasi-Organisatorin, heute als Bundeskanzlerin und einem Gauck, der sein eigenes Volk verachtet und Lügen über uns erzählt ...“.
126 
Unstreitig hat der Kläger bei einer weiteren Rede in K am 24.02.2015 geäußert, linke Medien und Politiker planten einen Genozid, einen Völkermord, „rassische Zerstörung“; diese betrieben einen Völkermord an einer der stolzesten Nationen der Welt (gemeint: die deutsche), und weiter: „Wir werden den inneren Krieg der Umvolkung nicht überleben, wenn wir nicht in den Widerstand gehen“, „Die wollen uns unser Herz herausreißen, und durch ein islamisches internationales Asylantenkonglomerat ersetzen“, „Die Muslime sind nur die Sekundär-Infektion unserer Gesellschaft, Primär-Infektion sind diejenigen, die sie hereinholen, in Massen“.
127 
Schließlich hat er sich unstreitig in seinem Blog im Anschluss an einen von ihm veröffentlichten Leserbrief wie folgt geäußert:
128 
„Ziel der Linken ist die Schaffung eines 'neuen Europäers‘ ohne erkennbare Rasse.
129 
In Geheimsitzungen in L und anderswo planen Linke die Umsetzung des Plans zu einem 'neuen Menschen‘, einem Europäer, der weder schwarz ist und schon gar nicht weiß sein darf, sondern am Ende eine ethisch (offenbar gemeint: ethnisch) nicht mehr auseinanderdividierbare Durchmischung aller menschlichen Rassen darstellt.
130 
Die Agenda lautet: Zerschlagung aller Rassen, besonders der weißen Rasse: So wollen europäische Sozialisten das Rassismus-Problem lösen und offenbaren dabei einen viel schlimmeren Rassismus als den, den sie angeblichen Rassisten vorwerfen.
(...)
131 
Die Massenaufnahme von Millionen zumeist aus rein wirtschaftlichen Gründen herkommenden 'Asylbewerbern‘ löst weder die Probleme in deren maroden Heimatländern, noch hilft es Deutschland. Im Gegenteil: Diese diktatorisch verordnete Verdrängung des deutschen Volkes durch Völker Afrikas, Ostasien und der arabischen Länder wird die Weichen legen für einen furchtbaren Bürgerkrieg in Deutschland.
132 
Schuld werden nicht die Deutschen sein. Schuld an diesem Krieg haben deren schlimmste Feinde: die deutschen Sozialisten. Mögen sie alle und ohne Ausnahme ihrer gerechten Strafe für ihren Hochverrat zugeführt werden. Mögen sie Bekanntschaft machen mit dem 'Furor Germanicus‘, dem bei allen Völkern, so auch den Römern gefürchteten Kampfesmut und der Wildheit der Germanen.“
133 
Zu Recht kam das Landgericht aufgrund dessen zu dem Schluss, der Kläger greife Personen in übertriebenem Maße ohne Tatsachengrundlage an und beschimpfe diese in übertriebenem Maße ohne erkennbare Tatsachengrundlage, gipfelnd in der von ihm in seinem Blog aufgestellten Behauptung, der Copilot der Germanwings-Maschine, der deren Absturz vorsätzlich herbeigeführt hat, sei während seiner halbjährigen Auszeit während seiner Ausbildung zum Islam konvertiert und habe in der Folge entweder den Auftrag seitens „radikaler“, d.h. gläubiger Moslems zur Durchführung dieses Massenmords erhalten, oder den Auftrag aus dem Buch des Terrors, dem Koran, aus eigenen Stücken entzogen.
(d)
134 
Angesichts dessen überwöge der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die Ehre des Klägers nur, wenn für die Qualifizierung des Klägers als „Neonazi“ keine tatsächlichen Bezugspunkte, auf die sich diese Meinung stützen könnte, vorlägen. Zu Recht hat das Landgericht aber angenommen, dass solche gegeben sind, wobei insoweit entgegen der Auffassung des Landgerichts (LGU S. 10 unter c)) für die (Be-)Wertung der Beklagten nicht nur eine geringe, sondern eine mehr als hinreichende Tatsachengrundlage besteht:
(aa)
135 
Die Bewertung des Klägers als „Neonazi“ in dem angegriffenen Artikel knüpft wie der Kontext, in dem sie steht, daran an, dass der Kläger ein „rechtsradikaler Blogger“ und „Islamhasser“ und der rechtsextremen Szene zuzurechnen sei.
136 
Diese (ebenfalls Bewertungen darstellenden) Qualifizierungen des Klägers haben eine wiederum mehr als ausreichende Tatsachengrundlage in den eigenen öffentlichen Äußerungen des Klägers, wie sie dieser selbst vorträgt und wie sie von der Beklagten unbestritten vorgetragen worden sind:
137 
Was die Qualifizierung als „rechtsradikal“ bzw. „rechtsextrem“ betrifft, so kann insoweit zunächst auf die bereits oben unter (c) angeführten Äußerungen des Klägers verwiesen werden. In diesen kommt erkennbar typisch rechtsradikales Gedankengut zum Vorschein. Die pauschale Diffamierung der führenden Parteien und Politiker als „politische Kaste“, die sich gegen ihr eigenes Volk verschworen habe und Volksfeinde seien; die Bezeichnung der die Bundesregierung bildenden regierenden sozial- und christdemokratischen Parteien als „Kommunisten“; die Bezeichnung der deutschen Sozialisten als „Hochverräter“, das Aufstellen von Verschwörungstheorien, wonach „Linke“ einen „neuen Menschen“ durch eine „Durchmischung aller menschlichen Rassen“ schaffen wollen; die negative Bewertung einer „Durchmischung aller menschlichen Rassen“ wie überhaupt die Bedeutung des (politischen) Denkens in rassischen Kategorien.
138 
Zu Recht hat deshalb das Landgericht ausgeführt (LGU S. 16 vorletzter Absatz), Aussagen des Klägers erinnerten stark an die im Dritten Reich vertretene Rassenlehre. Warum angesichts dieser unstreitigen Äußerungen die Herstellung von Assoziationen mit der Rassenlehre des Dritten Reiches durch das Landgericht eine „infame und schmutzige Unterstellung“ sein soll (S. 4 des Schriftsatzes vom 31.07.2015, Bl. 106), erschließt sich nicht.
139 
Hinzu kommt, dass der Kläger unbestritten (S. 31 der Anl. A 4, Bl. 14; siehe auch sein Vorbringen in der Antragsschrift auf S. 5) dazu aufgerufen hat, vom Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen, weil der dort geregelte Fall „eingetroffen“ sei. Nachdem dies aber offensichtlich nicht der Fall ist, liegt darin, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat (S. 8 der Antragserwiderung, Bl. 28), nichts anderes als ein Aufruf zum Widerstand gegen das bestehende politische System und die legitime Staatsgewalt.
140 
Schließlich hat der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen (siehe S. 5 des Schriftsatzes vom 15.09.2015) in einer Besprechung des Buches „Eurabia“ des Peder Jensen (Pseudonym „Fjordman“) diesen als „brillantesten Islamkritiker“ bezeichnet und u. a. ausgeführt, den „Politikern“ gehe es um „den Totalaustausch europäischer Bevölkerungen durch kulturfernste islamische Bevölkerungsgruppen. Es geht Ihnen um die Zerstörung des Europas“ und hat von einem „zivilisatorisch-ethnischen Vernichtungsprogramm“ (gemeint: der Politiker) gesprochen. Der nachfolgende, vom Kläger zitierte Text des Peder Jensen enthält auch nach Darstellung des Klägers (S. 9) die von der Beklagten in der Berufungserwiderung zitierten Äußerungen „Islam und alle die ihn praktizieren müssen vollständig und physisch aus der gesamten westlichen Welt entfernt werden“, Moslems … führen ganz klar die Liste der gewalttätigen feindseligen Personen an, die nicht in westliche Länder gehören“, „Der Islam ist nur eine zweitrangige Infektion. Die Primärinfektion geht von den Linken aus.“. Ferner enthält der nach den eigenen Worten des Klägers (S. 5 seines Schriftsatzes vom 15.09.2015) „vorliegende brillante Text“, vor dem er sich „verbeuge“, u. a. die Aussagen
141 
- „Wenn wir eine Liste der Gruppen und Institutionen aufstellen, die die Enteignung und Vernichtung der Europäer vorantreiben, so würde sie etwa so aussehen, von der Spitze abwärts: 1. die Regierung der Vereinigten Staaten 2. Die Europäische Union 3. Moslems 4. Anti-weiße Linke, die die westlichen Universitäten und Massenmedien kontrollieren …“;
142 
- „ … so sehr ich den Islam verabscheue, er ist nur ein zweitrangige Infektion. Er wäre nicht in der Lage, uns auf diese Weise zu bedrohen, wie er es jetzt tut, gäbe es nicht dieses aggressive kulturelle AIDS, das im Voraus unser Immunsystem zerstört. Der reale geistige Virus, der den Westen tötet, ist das nach-aufklärerische Konstrukt, das wir … ideelle Nation … oder Verfassungsnation .. nennen.“;
143 
- „Die geplante Zerstörung der weißen Kultur und Identität
144 
Die Hass-Liebe zwischen den Amerikanern und den Franzosen sorgt dafür, zu verschleiern wie viel beide Länder gemeinsam haben. Beide Länder haben sich in ein multikulturelles Disneyland verwandelt, in dem die weiße Majorität mit dem Segen des Staates ihrer Recht, ihrer Identität und am Ende vielleicht ihrer bloßen Existenz beraubt wird. Die Endresultate sind in beiden Fällen auffallend ähnlich: die Enteignung der Weißen und die organisierte Zerstörung der europäischen Kultur.“
145 
Was die Charakterisierung des Klägers als „Islamhasser“ betrifft, so beruht auch diese aufgrund der eigenen Aussagen des Klägers auf einer mehr als hinreichenden Tatsachengrundlage. Wenn dieser demgegenüber in der Berufungsbegründung (S. 12, Bl. 94) ausführt, es sei unverständlich, woher das Landgericht auf LGU S. 16 letzter Absatz einen von ihm geäußerten Pauschalverdacht gegen Moslems hernehme, so ergibt sich dieser zwanglos aus den eigenen Äußerungen des Klägers, denn diese sind mitnichten auf einen „radikalen Islam“ beschränkt, den vehement anzugreifen der Kläger einräumt. Wer Muslime generell als „Sekundärinfektion unserer Gesellschaft“ bezeichnet (siehe dazu bereits oben unter (c)), gläubige Moslems mit radikalen Moslems gleichsetzt (so in der in der Anl. AG 2 wiedergegebenen Äußerung des Klägers zum Absturz der Germanwings-Maschine), den Koran als „Buch des Terrors“ bezeichnet (ebenda) und (so die eigenen Angaben des Klägers auf S. 3 der Antragsschrift) auf seinem Blog Beiträge mit den Überschriften „Fundstelle des Tages, Islam und Nationalsozialismus sehr ähnlich“ und „Hitler ist wie Mohammed“ veröffentlicht, liefert allemal eine ausreichende Tatsachengrundlage, um als „Islamhasser“ bezeichnet zu werden und die Schlussfolgerung des Landgerichts, er stelle pauschalierend (gläubige) Angehörige des Islams unter Pauschalverdacht, zu rechtfertigen.
(bb)
146 
Diese Tatsachengrundlage genügt, um die Charakterisierung des Klägers als „Neonazi“ so wie konkret in dem durch den Artikel vom 16.04.2015 gegebenen Kontext geschehen zu rechtfertigen, auch wenn man mit dem Landgericht (LGU S. 16 zweiter Absatz) annehmen wollte, die durch die Beklagte zu den Akten gereichten Äußerungen sowie die auf S. 3 der Antragsschrift aufgezählten Titel der Veröffentlichungen des Klägers enthielten keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass dieser den Aufbau eines „Führerstaats“ oder eines vergleichbaren totalitären Systems verfolge. Das wäre zur Rechtfertigung der Bezeichnung „Neonazi“ gegebenenfalls dann erforderlich, wenn die Bezeichnung in dem Sinne zu verstehen wäre, dass der Kläger die Ideologie eines „Neonazismus/Neonationalsozialismus“ vertrete, wie sie das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundeszentrale für politische Bildung definiert hat und die Forderung nach Errichtung eines totalitären/autoritären Führerstaats beinhaltet. So ist die angegriffene Äußerung vorliegend im Kontext des Artikels vom 16.04.2015 aber gerade nicht zu verstehen (siehe dazu bereits oben unter aa) (2)).
147 
So, wie der Begriff „Neonazi“ vorliegend in dem Artikel vom 16.04.2015 verwendet worden ist, genügt es als die Meinungsäußerung tragende Tatsachengrundlage, dass der so Bezeichnete Äußerungen von sich gibt und sich Äußerungen zu eigen macht, die typisch für eine rechtsradikale Gesinnung/Haltung sind. Beim Kläger ist dies aufgrund der oben dargelegten Äußerungen der Fall, auch wenn sich in seinen Äußerungen keine Anzeichen für eine antisemitische Haltung finden, wie sie für Rechtsradikale traditionell typisch und für die Ideologie des Nationalsozialismus wesentlich war.
148 
Da die für eine rechtsradikale/rechtsextreme Haltung typischen Äußerungen des Klägers auch öffentlich, nämlich auf Veranstaltungen und in seinem Blog, erfolgten und erfolgen, liegt auch für die Bezeichnung als „bekannter“ Neonazi eine hinreichende Tatsachengrundlage vor.
(cc)
149 
Schließlich hat das Landgericht es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die tatsächlichen Bezugspunkte, welche die angegriffene Bezeichnung rechtfertigen, nicht in dem angegriffenen Artikel enthalten sind, denn dies ist nach den oben unter a) aa) dargelegten Grundsätzen nicht erforderlich; ausreichend ist es, wenn diese - wie geschehen - im Prozess dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen (bzw. im Verfügungsverfahren glaubhaft gemacht) werden.
(e)
150 
Aus der vom Kläger für seinen Standpunkt angeführten Entscheidung des Bundes-arbeitsgerichts vom 24.11.2005 (2 AZR 584/04, NZA 2006, 650) ergibt sich nichts anderes. Abgesehen davon, dass diese zur Frage der Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ergangene Entscheidung aus dem Arbeitsrecht schon deshalb auf die hier vorliegende presserechtliche Konstellation nicht übertragen werden kann, weil die Vertragsparteien eines Arbeitsverhältnisses durch einen Vertrag miteinander verbunden sind mit der Folge einer Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragsparteien nach § 241 Abs. 2 BGB (a.a.O., Rn. 22 in Juris), lag ihr auch ein anders gearteter, nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde, denn es ging nicht um die Bezeichnung als „Neonazi“, sondern (konkreter) um einen Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen (des Arbeitgebers als Vertragspartner) mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen (Orientierungssatz 1 sowie Rnrn. 5 und 30). Ein solcher Vergleich wird durch die Bezeichnung des Klägers als „bekannter Neonazi“ so, wie dieser vorliegend nach dem Kontext aus Sicht des Durchschnittslesers zu verstehen ist, nach dem oben Gesagten gerade nicht angestellt.
151 
Auch die vom Kläger weiter angeführten Entscheidungen des Landgerichts München I vom 10.12.2014 (25 O 14197/14, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 02.06.2015, Bl. 42), des Landgerichts Rottweil vom 22.05.2015 (1 O 51/15, ebenfalls in Bl. 42) und des Landgerichts Hamburg vom 02.03.2010 (325 O 442/09, veröffentlicht in „Juris“) betreffen anders gelagerte, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Sachverhalte: Im Fall des LG München I ging es nicht um die Bezeichnung als „Neonazi“, sondern um die Bezeichnung als „glühender Antisemit“; die Entscheidung des LG Rottweil betraf zwar die Bezeichnung „bekannter Neonazi“, untersagt hat das Landgericht Rottweil jedoch nicht diese als solche, sondern die Behauptung, der Oberbürgermeister einer baden-württembergischen Großen Kreisstadt habe den dortigen Verfügungskläger so bezeichnet (es ging also um ein unzutreffendes Zitat), und in dem vom LG Hamburg entschiedenen Fall ging es zum einen nicht um die Bezeichnung „Neonazi“, sondern um eine Gleichsetzung des dortigen Antragstellers mit den Wegbereitern der Judenverfolgung durch eine andere Formulierung und zum anderen zielte dort - anders als im vorliegenden Fall - die Äußerung nach den Feststellungen des Landgerichts Hamburg nicht auf die Auseinandersetzung in der Sache, sondern trat die Herabsetzung des damaligen Antragstellers in den Vordergrund (Rnrn. 30 f. in Juris). Soweit der Kläger schließlich die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 27.06.2011 (27 O 335/11) anführt, in der „Google“ verpflichtet wurde, u. a. die Bezeichnung des damaligen Antragstellers als „russischer Nazi“ nicht weiter zu verbreiten, ist diese für die sich im vorliegenden Fall stellenden Fragen schon wegen der knappen Gründe (vgl. Rn. 1 in Juris) nicht aussagekräftig; weder erschließt sich, in welchem Kontext die damalige Äußerung erfolgte noch ob es für diese (wie vorliegend) hinreichende tatsächliche Bezugspunkte gab.
III.
152 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 14.08.2018, Az.: 11 O 3129/18, abgeändert und folgende einstweilige Verfügung erlassen:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten untersagt,

1. einen von der Antragstellerin auf der F.-Seite von „Spiegel-Online" zu dem Artikel mit der Überschrift „Österreich kündigt Grenzkontrollen an" eingestellten Kommentar mit folgendem Wortlaut:

"... Gar sehr verzwickt ist diese Welt, mich wundert's daß sie wem gefällt. Wilhelm Busch (1832 - 1908)

Wusste bereits Wilhelm Busch 1832 zu sagen:-D Ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit Ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir.“

zu löschen,

2. die Antragstellerin wegen der erneuten Einstellung dieses Kommentars auf der Plattform www.f...com zu sperren.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, den im Tenor unter Ziffer I 1 wiedergegebenen Textbeitrag auf www.f...com zu löschen und sie wegen des Einstellens des vorgenannten Textbeitrages auf www.f....com zu sperren.

Das Landgericht München II hat mit Beschluss vom 14.08.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund bestehe. Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (Bl. 31/33 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den ihr am 17.08.2018 formlos bekannt gegebenen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.08.2018, beim Landgericht München II eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 35/38 d.A. mit den zugehörigen Anlagen) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.08.2018 (Bl. 39/40 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landgericht hat den mit der sofortigen Beschwerde angreifbaren Beschluss entgegen der Vorschrift des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht förmlich zugestellt; die zweiwöchige Notfrist des § 569 ZPO ist aber offensichtlich gewahrt.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Antrag vom 10.08.2018 auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig.

a) Die vom Landgericht stillschweigend unterstellte - auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426) - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist zu bejahen.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt. In beiden Fällen wäre das Landgericht München II örtlich und damit auch international zuständig.

Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „F.k-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz der Antragstellerin zu erfüllen. Falls die Sperrung der Antragstellerin bzw. die Löschung eines von ihr geposteten Beitrages ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte dieses primär an ihrem Wohnsitz ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Antragstellerin auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Antragsgegnerin auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 02.03.2010 - VI ZR 23/09, Rn. 20 ff., BGHZ 184, 313).

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Antrag auch insoweit hinreichend bestimmt, als die Antragstellerin der Antragsgegnerin untersagen möchte, sie wegen des im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer I 1 wiedergegebenen Kommentars (im Folgenden: streitgegenständliche Äußerung) auf der Plattform www.f...com zu sperren. Die gebotene Auslegung ergibt eindeutig, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin sowohl die Löschung des Kommentars als auch eine hierauf gestützte Sperrung ihrer Person verbieten lassen will. Die etwas missverständliche Formulierung „und/oder“ soll zum Ausdruck bringen, dass sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag nicht nur gegen die Kombination von Löschung und Sperrung wendet.

2. Der Antrag ist auch begründet. Das Landgericht hat sowohl das Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu Unrecht verneint.

a) Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung sowie der hierauf gestützten Sperrung der Antragsgegnerin auf der Social-Media-Plattform www.f...com ist jeweils der zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, durch den sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, der Antragstellerin die Nutzung der von ihr angebotenen „F.-Dienste“ zu ermöglichen, in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB.

aa) Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie sich im sozialen Netzwerk „F.“ als Nutzerin angemeldet hatte.

Sie hat an Eides Statt versichert, dass sie auf der F.-Seite von „Spiegel-Online“ den dort am 07.08.2018 veröffentlichten Artikel mit der Überschrift „Österreich kündigt Grenzkontrollen an“ kommentiert hatte und im Rahmen der sich entwickelnden Diskussion mit der streitgegenständlichen Äußerung auf einen kritischen Kommentar der weiteren F.-Nutzerin geantwortet hatte (Anlage JS 7). Die Tatsache, dass die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin als Nutzerin registriert ist, wird zudem durch die in die Antragsschrift vom 10.08.2018 auf Seite 10 eingescannte Mitteilung bestätigt, dass die Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen die „Gemeinschaftsstandards“ der Antragsgegnerin für 30 Tage gesperrt sei.

bb) Mit der Anmeldung ist zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ein Vertragsverhältnis zustande gekommen.

Wie dem Beschwerdegericht aus dem eine vergleichbare Fallkonstellation betreffenden Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 18 W 858/18 bekannt ist, bietet die Antragsgegnerin ihren Nutzern unter der Bezeichnung „F.-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie über ihre Webseite www.f...k.com bereitstellt. Unter anderem eröffnet sie ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb des eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Antragsgegnerin kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag rechtlich nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann; es dürfte sich um einen Vertrag sui generis handeln. Eine abschließende Klärung der Rechtsnatur des Vertrages ist im vorliegenden Verfahren indes nicht geboten. Das ausführliche Regelwerk der Antragsgegnerin - vor allem die in den Sonderbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (vorgelegt als Anlage JS 4) enthaltenen Klauseln zur Rechtswahl (Nr. 5), zum Kündigungsrecht der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund (Nr. 4) und zur Haftungsbegrenzung (Nr. 6) - lässt jedenfalls erkennen, dass die Antragsgegnerin ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

b) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Äußerung gelöscht hat. Dies ergibt sich eindeutig aus der in die eidesstattliche Versicherung (Anlage JS 7) eingescannten Mitteilung der Antragsgegnerin, dass die dort wörtlich wiedergegebene Äußerung nur für die Antragstellerin sichtbar sei, weil sie gegen die Gemeinschaftsstandards (seil.: der Antragsgegnerin) verstoße.

Mit der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung hat die Antragsgegnerin ihre Vertragspflicht verletzt, auf die Rechte der Antragstellerin, insbesondere deren Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), Rücksicht zu nehmen.

aa) Ausweislich der von ihr angegebenen Begründung für die Löschung der Äußerung hat die Antragsgegnerin von einer Befugnis Gebrauch machen wollen, welche in ihrer - von der Antragstellerin nicht vorgelegten, dem Beschwerdegericht aber aus dem Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 18 W 858/18 bekannten - „Erklärung der Rechte und Pflichten“ unter Nr. 5.2 geregelt ist. Bei diesem Regelwerk handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die maßgebliche Klausel Nr. 5 lautet auszugsweise wie folgt:

„5. Schutz der Rechte anderer Personen Wir respektieren die Rechte anderer und erwarten von dir, dass du dies ebenfalls tust.“

1. Du wirst keine Inhalte auf F.k posten oder Handlungen auf F. durchführen, welche die Rechte einer anderen Person verletzen oder auf sonstige Art gegen das Gesetz verstoßen.

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (…).“

Die Klausel Nr. 5.2 ist allerdings unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Nach dem Wortlaut der Klausel - dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht - kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 - 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform www.f...com dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen Marktplatz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 - 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 - 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Den Grundrechten kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Hierbei sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 - 1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667).

Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261). Im vorliegenden Fall bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung dem von der Antragstellerin geltend gemachten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist. Mit dem gebotenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz wäre es unvereinbar, wenn die Antragsgegnerin gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“ (vgl. LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999 - 10 O 457/99, NJW 2000, 961) auf der von ihr bereitgestellten Social-Media-Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Richtlinien erblickt, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet.

bb) Die in den (ebenfalls nicht vorgelegten, dem Beschwerdegericht aber aus dem Beschwerdeverfahren 18 W … bekannten) Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin geregelte Befugnis zur Entfernung sogenannter „Hassbotschaften“ -definiert als Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreifen - wird von der Nichtigkeit der Klausel Nr. 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ nicht unmittelbar berührt. Denn diese Befugnis stellt hinsichtlich der Einordnung eines Inhalts als „Hassbotschaft“ nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der für diese handelnden Personen, sondern auf objektivierbare Kriterien ab.

Auf eine Verletzung ihrer Gemeinschaftsstandards kann die Antragsgegnerin die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung aber nicht stützen, weil diese evident keine „Hassbotschaft“ nach der Definition der Antragsgegnerin darstellt. Es bedarf daher im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob die Gemeinschaftsstandards als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten würden.

(1) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 - VI ZR 505/14, Rn. 11 m.w.N., MDR 2016, 648 f.). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339 - 356).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche Äußerung der Antragsgegnerin wie folgt zu interpretieren:

Aufgrund des zu Beginn genannten Namens „.. “ erkennt der verständige und unvoreingenommene Leser im Kontext der F.-Seite von „Spiegel-Online“ mit den dort veröffentlichten Kommentaren zu dem Artikel „Österreich kündigt Grenzkontrollen an“, dass die Antragstellerin sich mit der streitgegenständlichen Äußerung direkt an… wendet, die sich an der auf der Webseite geführten Diskussion beteiligt hatte. Deren Diskussionsbeitrag wird von der Antragstellerin allerdings weder wörtlich noch sinngemäß wiedergegeben.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts macht dieser Umstand im vorliegenden Fall ausnahmsweise die vollständige Erfassung des Sinngehalts der streitgegenständlichen Äußerung nicht unmöglich. Denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass … sich zuvor kritisch zu dem von der Antragstellerin selbst geposteten, in ihrer eidesstattlichen Versicherung (Anlage JS 7) wiedergegebenen Kommentar geäußert hatte. Die Mitteilung dieses Kontextes ermöglicht dem Beschwerdegericht die Interpretation der streitgegenständlichen Äußerung, ohne dass hierfür die Kenntnis des vorausgegangenen Beitrags von … - mit dem sich die streitgegenständliche Äußerung gar nicht inhaltlich auseinandersetzt - erforderlich wäre.

Die Antwort der Antragstellerin an … wird mit der Wiedergabe eines kurzen - als solches kenntlich gemachten - Zitats von Wilhelm Busch in Versform eingeleitet, in dem dieser seine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringt, dass diese „gar sehr verzwickt(e)“ Welt jemandem gefallen könne. Dem Zitat liegt offensichtlich ein pessimistisches Weltbild zugrunde. Der maßgebliche Leser erkennt, dass Wilhelm Busch mit der geäußerten Verwunderung darüber, dass es Menschen gibt, denen die Welt trotz ihrer „Verzwicktheit“ gefällt, den Vertretern einer positiveren Weltsicht letztlich ein ausreichendes Urteilsvermögen abspricht, weil diese nicht in der Lage seien, die Komplexität und Unvollkommenheit der tatsächlich existierenden Welt zu erkennen.

Aufgrund dieser Interpretation des Zitats erschließt sich dem verständigen und unvoreingenommenen Leser auch, dass die Antragstellerin mit der Verwendung des Zitats ihrer Kritikerin … mangelndes Urteilsvermögen vorwirft. In dieser Interpretation sieht er sich durch den weiteren Inhalt der streitgegenständlichen Äußerung bestätigt: Die Aussage „Wusste bereits Wilhelm Busch 1832 zu sagen“ und die anschließende Zeichenkombination „:-D“, welche, nach den Gepflogenheiten der Internet-Kommunikation ein laut - aber nicht unbedingt freundlich - lachendes Gesicht symbolisiert, erkennt der Leser als Übertragung der allgemeinen Aussage des Zitats auf die Person der Kritikerin.

Letzte Zweifel werden durch den abschließenden Satz der streitgegenständlichen Äußerung „ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir.“ ausgeräumt. Damit bringt die Antragstellerin aus Sicht des maßgeblichen Lesers zum Ausdruck, dass sie auf die Eröffnung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit … verzichtet, weil sie ihre Kritikerin nicht für „intellektuell satisfaktionsfähig“ hält. Diese sei „unbewaffnet“, was der Leser im Kontext dahin versteht, dass die Kritikerin ihre gegenteilige Auffassung nicht auf tragfähige Argumente stützen könne. Die abschließende Bemerkung, dass die Fortsetzung der Diskussion „nicht besonders fair“ wäre, erkennt der Leser als Betonung ihrer eigenen intellektuellen Überlegenheit durch die Antragstellerin.

(3) Mit diesem durch Interpretation ermittelten Aussagegehalt kann die streitgegenständliche Äußerung evident nicht als „direkter Angriff auf Personen wegen ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten“ und damit als „Hassbotschaft“ im Sinne der Definition der Antragsgegnerin gewertet werden. Die Antragstellerin führt vielmehr eine persönliche Auseinandersetzung mit einer individuellen Kritikerin.

cc) Eine andere Rechtsgrundlage, auf welche die Antragsgegnerin die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung stützen könnte, ist nicht ersichtlich.

(1) Insbesondere stellt die Äußerung keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der in dieser Vorschrift genannten Strafnormen sind ganz offensichtlich nicht erfüllt.

(2) Dahinstehen kann, ob die streitgegenständliche Äußerung das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) der F.-Nutzerin verletzt.

Denn zur Geltendmachung einer etwaigen Verletzung dieses allein ihrer Nutzerin zustehenden Rechts wäre die Antragsgegnerin nicht aktivlegitimiert.

c) Da die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung rechtswidrig war, stellt auch die mit der Einstellung dieser Äußerung auf www.f...com begründete Sperrung der Antragstellerin eine Vertragspflichtverletzung seitens der Antragsgegnerin dar. Durch Einscannen der Mitteilung der Antragsgegnerin auf Seite 10 der Antragsschrift vom 10.08.2018 und ihre eidesstattliche Versicherung vom 09.08.2018 (Anlage JS 7) hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin sie wegen der streitgegenständlichen Äußerung für 30 Tage „für das Posten gesperrt“ hat.

d) Die rechtswidrige Löschung der streitgegenständlichen Äußerung und die rechtswidrige Sperrung der Antragsgegnerin auf der Plattform www.f...com begründet jeweils die für einen Unterlassungsanspruch konstitutive Wiederholungsgefahr.

Bei einem auf die direkte oder analoge Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Unterlassungsanspruch bildet die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ein Tatbestandsmerkmal und damit eine materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 19.10.2004 - VI ZR 292/03, NJW 2005, 594, 595). Für einen Unterlassungsanspruch, der aus einem vertraglichen Erfüllungsanspruch abgeleitet wird, kann nach dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO im Ergebnis nichts anderes gelten. Nach dieser Vorschrift setzt eine Klage auf künftige Leistung voraus, dass den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Fehlt die Wiederholungsgefahr, wäre zumindest das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu verneinen.

e) Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hat das Landgericht ebenfalls mit einer nicht vertretbaren Begründung verneint.

aa) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass das Begehren der Antragstellerin auf den Erlass einer sogenannten Leistungsverfügung gerichtet ist. Rechtsfehlerhaft hat es aber ein dringendes Bedürfnis der Antragstellerin für den Erlass der begehrten Eilmaßnahme verneint.

(1) Wie oben unter Ziffer 2 lit. a dargelegt, kommt als Verfügungsanspruch nur der Erfüllungsanspruch der Antragstellerin aus dem mit der Antragsgegnerin geschlossenen Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Mit dem angestrebten Verbot einer Sperrung wegen der streitgegenständlichen Äußerung bezweckt die Antragstellerin in der Sache, dass ihr die ungehinderte Nutzung der Funktionen von www.f...com, insbesondere das Posten von Beiträgen, das Kommentieren fremder Beiträge sowie die Nutzung des Nachrichtensystems, ermöglicht wird. Der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung würde hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Erfüllungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu einer vollständigen Befriedigung der Antragsstellerin und damit zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.

Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setzt neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bei Bestehen einer dringenden Not- bzw. Zwangslage sowie im Falle einer Existenzgefährdung des Gläubigers. Sie ist auch zulässig, wenn die vom Schuldner zu erbringende Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. zum Vorstehenden Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6). In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung den Erlass einer Leistungsverfügung grundsätzlich für möglich erachtet (vgl. LG Kiel, Beschluss vom 14.03.2012 - 1 T 21/12, NJW-RR 2012, 1211: Sperrung eines Mobilfunkanschlusses; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.08.2009 - 3 W 45/09, NJW-RR 2010, 936: Erschwerung des Internetzugangs).

(2) Die Antragstellerin hat durch eidesstattliche Versicherung vom 09.08.2018 (Anlage JS 7) glaubhaft gemacht, dass sie von ihrer Sperrung am 09.08.2018 Kenntnis erlangt hat und dass die Sperrung noch andauert. Bei dieser Sachlage muss sich die Antragstellerin nicht auf die Erhebung der Hauptsacheklage gegen die Sperrung verweisen lassen. Unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Verfahrensgangs kann nahezu ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin bis zum Ablauf der auf 30 Tage befristeten Sperrung ein obsiegendes Urteil in der Hauptsache erstreiten könnte. Ihre Verweisung auf die Erhebung der Hauptsacheklage käme deshalb im Ergebnis einer Rechtsverweigerung gleich.

Verfehlt ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des Landgerichts, dass der Antragstellerin eine „soziale Kommunikation“ - über andere Kommunikationsmittel -grundsätzlich möglich sei. Diese Argumentation blendet den entscheidenden Gesichtspunkt aus, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein vertraglicher Erfüllungsanspruch auf die Bereitstellung der von dieser angebotenen „F.-Dienste“ zusteht.

Nicht gefolgt werden kann auch der Ansicht des Landgerichts, dass in der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung keine so weitgehende Einschränkung der Meinungsfreiheit der Antragstellerin liege, dass diese nicht im Rahmen einer Hauptsacheklage geltend gemacht werden könnte, weil die Äußerung in keinem Zusammenhang mit einem aktuellen Ereignis stehe. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkt sich nicht auf das Recht, zu aktuellen Ereignissen Stellung zu nehmen. Das Argument des Landgerichts ist zudem sachlich falsch. Mit der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin rechtswidrig verwehrt, sich an einer aktuell auf der F.-Seite von „Spiegel-Online“ geführten Debatte zu Grenzkontrollen zu beteiligen.

bb) Unverständlich sind die Ausführungen des Landgerichts, dass „hinsichtlich der Eilbedürftigkeit“ zu berücksichtigen sei, dass bei Eingang der Antragsschrift am 14.08.2018 bereits vier der 30 Tage der Sperrung der Antragstellerin verstrichen gewesen seien.

Es ist zwar allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines bestehenden Sicherungs- oder Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00, Rn. 14, zit. nach juris, NJW-RR 2001, 1201; Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 4 m.w.N.). Mit dem Verstreichenlassen eines Zeitraums von nur vier Tagen (!) kann aber keinesfalls eine Selbstwiderlegung der von der Antragstellerin behaupteten Dringlichkeit durch eigenes Verhalten begründet werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die zugrundeliegende Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Eine ausdrückliche Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich. Einstweilige Verfügungen sind Vollstreckungstitel, die mit Erlass des Beschlusses sofort vollstreckbar sind, ohne dass es einer Entscheidung hierüber bedarf (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 929 Rn. 1 m.w.N.).

(1) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss ein wirksames und transparentes Verfahren nach Absatz 2 und 3 für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorhalten. Der Anbieter muss Nutzern ein bei der Wahrnehmung des Inhalts leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares, leicht bedienbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zur Verfügung stellen.

(2) Das Verfahren muss gewährleisten, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks

1.
unverzüglich von der Beschwerde Kenntnis nimmt und prüft, ob der in der Beschwerde gemeldete Inhalt rechtswidrig und zu entfernen oder der Zugang zu ihm zu sperren ist,
2.
einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt; dies gilt nicht, wenn das soziale Netzwerk mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde einen längeren Zeitraum für die Löschung oder Sperrung des offensichtlich rechtswidrigen Inhalts vereinbart hat,
3.
jeden rechtswidrigen Inhalt unverzüglich, in der Regel innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt; die Frist von sieben Tagen kann überschritten werden, wenn
a)
die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder erkennbar von anderen tatsächlichen Umständen abhängt; das soziale Netzwerk kann in diesen Fällen dem Nutzer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerde geben,
b)
der Anbieter des sozialen Netzwerks die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde einer nach den Absätzen 6 bis 8 anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung überträgt und sich deren Entscheidung unterwirft,
4.
im Falle der Entfernung den Inhalt zu Beweiszwecken sichert und zu diesem Zweck für die Dauer von zehn Wochen innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1) und der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1; L 263 vom 6.10.2010, S. 15), die durch die Richtlinie (EU) 2018/1808 (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69) geändert worden ist, speichert,
5.
den Beschwerdeführer und den Nutzer, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, über jede Entscheidung unverzüglich informiert und dabei
a)
seine Entscheidung begründet,
b)
hinweist auf die Möglichkeit der Gegenvorstellung nach § 3b Absatz 1 Satz 2, das hierfür zur Verfügung gestellte Verfahren nach § 3b Absatz 1 Satz 3, die Frist nach § 3b Absatz 1 Satz 2 sowie darauf, dass der Inhalt der Gegenvorstellung im Rahmen des Verfahrens nach § 3b Absatz 2 Nummer 1 weitergegeben werden kann, und
c)
den Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er gegen den Nutzer, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen kann und auf welchen Internetseiten er hierüber weitere Informationen erhält.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe b darf der Anbieter des sozialen Netzwerks der anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung den beanstandeten Inhalt, Angaben zum Zeitpunkt des Teilens oder der Zugänglichmachung des Inhalts und zum Umfang der Verbreitung sowie mit dem Inhalt in erkennbarem Zusammenhang stehende Inhalte übermitteln, soweit dies zum Zwecke der Entscheidung erforderlich ist. Die Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung ist befugt, die betreffenden personenbezogenen Daten in dem für die Prüfung erforderlichen Umfang zu verarbeiten. Eine etwaige Unrichtigkeit der von der anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe b getroffenen Entscheidung begründet keinen Verstoß des Anbieters des sozialen Netzwerks gegen Absatz 1 Satz 1.

(3) Das Verfahren muss vorsehen, dass jede Beschwerde und die zu ihrer Abhilfe getroffene Maßnahme innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und 2010/13/EU dokumentiert wird.

(4) Der Umgang mit Beschwerden muss von der Leitung des sozialen Netzwerks durch monatliche Kontrollen überwacht werden. Organisatorische Unzulänglichkeiten im Umgang mit eingegangenen Beschwerden müssen unverzüglich beseitigt werden. Den mit der Bearbeitung von Beschwerden beauftragten Personen müssen von der Leitung des sozialen Netzwerks regelmäßig, mindestens aber halbjährlich deutschsprachige Schulungs- und Betreuungsangebote gemacht werden.

(5) Die Verfahren nach Absatz 1 können durch eine von der in § 4 genannten Verwaltungsbehörde beauftragten Stelle überwacht werden.

(6) Eine Einrichtung ist als Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung im Sinne dieses Gesetzes anzuerkennen, wenn

1.
die Unabhängigkeit und Sachkunde ihrer Prüfer gewährleistet ist,
2.
eine sachgerechte Ausstattung und zügige Prüfung innerhalb von sieben Tagen sichergestellt sind,
3.
eine Verfahrensordnung besteht, die den Umfang und Ablauf der Prüfung sowie Vorlagepflichten der angeschlossenen sozialen Netzwerke regelt und die Möglichkeit der Überprüfung von Entscheidungen auf Antrag des Beschwerdeführers und auf Antrag des Nutzers, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, vorsieht, und
4.
die Einrichtung von mehreren Anbietern sozialer Netzwerke oder Institutionen getragen wird, die eine sachgerechte Ausstattung sicherstellen. Außerdem muss sie für den Beitritt weiterer Anbieter insbesondere sozialer Netzwerke offenstehen.

(7) Die Entscheidung über die Anerkennung einer Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung trifft die in § 4 genannte Verwaltungsbehörde. Sie gibt der zentralen Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz vor der Entscheidung über die Anerkennung Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Entscheidung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. Eine Befristung soll den Zeitraum von fünf Jahren nicht unterschreiten.

(8) Die anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung hat die in § 4 genannte Verwaltungsbehörde unverzüglich über Änderungen der für die Anerkennung relevanten Umstände und sonstiger im Antrag auf Anerkennung mitgeteilter Angaben zu unterrichten.

(9) Die anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung hat bis zum 31. Juli eines jeden Jahres einen Tätigkeitsbericht über das vorangegangene Kalenderjahr auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen und der in § 4 genannten Verwaltungsbehörde zu übermitteln.

(10) Die Anerkennung kann ganz oder teilweise widerrufen oder mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn Voraussetzungen für die Anerkennung nachträglich entfallen sind.

(11) Die Verwaltungsbehörde nach § 4 kann auch bestimmen, dass für einen Anbieter von sozialen Netzwerken die Möglichkeit zur Übertragung von Entscheidungen nach Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b für einen zeitlich befristeten Zeitraum entfällt, wenn zu erwarten ist, dass bei diesem Anbieter die Erfüllung der Pflichten des Absatzes 2 Nummer 3 durch einen Anschluss an die Regulierte Selbstregulierung nicht gewährleistet wird.

(1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.

(2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist von den Pflichten nach den §§ 2 bis 3b und 5a befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer hat.

(2a) Die §§ 2 und 3a sind auf terroristische Inhalte im Sinne des Artikels 2 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (ABl. L 172 vom 17.5.2021, S. 79) nicht anzuwenden. Die §§ 3, 3b und 3c sind auf terroristische Inhalte im Sinne des Artikels 2 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2021/784 nur anzuwenden, solange die zuständige Behörde keine Entscheidung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2021/784 getroffen hat.

(3) Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

(4) Eine Beschwerde über rechtswidrige Inhalte ist jede Beanstandung eines Inhaltes mit dem Begehren der Entfernung des Inhaltes oder der Sperrung des Zugangs zum Inhalt, es sei denn, dass mit der Beanstandung erkennbar nicht geltend gemacht wird, dass ein rechtswidriger Inhalt vorliegt.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein von einem Fußballverein gegen den Beschwerdeführer verhängtes bundesweites Stadionverbot.

I.

2

1. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist aus dem Meidericher Spiel-verein 02 e.V. Duisburg hervorgegangen und unterhält eine Fußball-Lizenzmannschaft, die unter der Bezeichnung "MSV Duisburg" am Spielbetrieb der Fußball-Bundesliga teilnimmt. Am 25. März 2006 fand in der damaligen "MSV-Arena" ein Spiel der Ersten Bundesliga zwischen dem MSV Duisburg und dem Fußballclub Bayern München statt, das der damals sechzehnjährige Beschwerdeführer als Mitglied und Fan von Bayern München besuchte.

3

Nach dem Ende des Spiels ging der Beschwerdeführer in einer Gruppe von etwa 80 Fans des FC Bayern München, die ausweislich des landgerichtlichen Urteils zu einer gewaltbereiten "Ultra"-Fangruppe gehörten, in Richtung S-Bahnhof. Zwischen dieser Gruppe und Anhängern des MSV Duisburg kam es nach den Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen, als die Fans des FC Bayern München hinter der "Duisburger Kurve" vorbeigingen. Dabei wurde mindestens eine Person verletzt und ein Auto beschädigt. Der genaue Ablauf der Geschehnisse konnte in der Folgezeit nicht aufgeklärt werden. Jedenfalls aber befand sich der Beschwerdeführer in der Gruppe der Fans des FC Bayern München, aus der heraus es zu den Auseinandersetzungen kam. Im Rahmen des Polizeieinsatzes wurden etwa 50 Personen, unter ihnen auch der Beschwerdeführer, zur Feststellung der Personalien in polizeilichen Gewahrsam genommen. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB eingeleitet.

4

Hierüber informierte das Polizeipräsidium Duisburg mit Schreiben vom 11. April 2006 den MSV Duisburg und regte an, gegen den Beschwerdeführer ein bundesweites Stadionverbot auszusprechen. Mit Schreiben vom 18. April 2006 sprach die Beklagte daraufhin gegenüber dem Beschwerdeführer ein bundesweites Stadionverbot für die Dauer vom 18. April 2006 bis zum 30. Juni 2008 aus. Sie handelte insoweit im Namen des Deutschen Fußball-Bundes, des Ligaverbandes sowie sämtlicher Vereine der Fußball-Bundesliga, die sich für die Festsetzung solcher Verbote wechselseitig bevollmächtigt haben. Das Verbot betraf danach sämtliche Fußballstadien in Deutschland hinsichtlich nationaler und internationaler Fußballveranstaltungen von Vereinen beziehungsweise Tochtergesellschaften der Fußball-Bundesligen und der Fußballregionalligen sowie des Deutschen Fußball-Bundes. Die Beklagte stützte sich dabei auf ihr Hausrecht und die von ihr im Lizenzierungsverfahren anerkannten "Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten" des Deutschen Fußball-Bundes (Stadionverbots-Richtlinien - SVRL) in der damals gültigen Fassung vom 1. Juni 2005.

5

Durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 27. Oktober 2006 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 153 Abs. 1 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt. Im Anschluss hieran forderte die Beklagte mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 die Ermittlungsakte des Beschwerdeführers bei der Staatsanwaltschaft Duisburg an, um eine etwaige Aufhebung des Stadionverbots zu prüfen. Sie entschied ohne Anhörung des Beschwerdeführers, das festgesetzte Stadionverbot aufrechtzuerhalten. Der FC Bayern München schloss den Beschwerdeführer in der Folgezeit aus dem Verein aus und kündigte dessen Jahreskartenabonnement.

6

2. Die Stadionverbots-Richtlinien des Deutschen Fußball-Bundes (SVRL) werden von diesem verbandsrechtlich auf der Grundlage der "Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen" von der Kommission für Prävention und Sicherheit des Deutschen Fußball-Bundes erlassen. Nach den Richtlinien - hier in der Fassung vom 1. Juni 2005 - kann ein Stadionverbot in minder schweren Fällen von den Vereinen für einzelne Stadien festgesetzt werden (örtliches Stadionverbot, § 4 Abs. 2 SVRL) und in schwereren Fällen überörtlich bundesweit ausgesprochen werden (überörtliches/bundesweites Stadionverbot, § 4 Abs. 3 und 4 SVRL). Ein überörtliches Verbot soll in Fällen festgesetzt werden, in denen eine Reihe von einzelnen aufgeführten Straftatbeständen in Rede stehen. Genannt werden hier unter anderem Gewaltdelikte und Landfriedensbruch. Die Richtlinien knüpfen die Festsetzung eines Stadionverbots in diesen Fällen in der Regel an die Einleitung von Ermittlungs- oder sonstigen Verfahren. Die bundesweite Erstreckung des Stadionverbots beruht darauf, dass sich der Deutsche Fußball-Bund, der Ligaverband und sämtliche Vereine der Bundesliga wechselseitig zur Inhaberschaft des Hausrechts und Ausübung eines Hausverbots über ihre jeweiligen Spielstätten durch eine gesonderte Erklärung vor Beginn der jeweiligen Spielzeit bevollmächtigen (vgl. § 1 Abs. 5 SVRL).

7

Nach der im Zeitpunkt der Verhängung des Stadionverbots maßgeblichen Fassung des § 6 Abs. 1 SVRL ist das Stadionverbot von der festsetzenden Stelle wieder aufzuheben, wenn der Betroffene nachweist, dass das zugrundeliegende Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO oder nach einer entsprechenden Regelung des Jugendgerichtsgesetzes eingestellt worden ist, es sei denn, es sei aus anderen Gründen aufrechtzuerhalten; ebenso ist es aufzuheben, wenn er nachweist, dass er in einem Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden ist oder sonst die Voraussetzungen für die Verhängung nicht erfüllt sind. Im Zuge einer Änderung der Richtlinien im Jahr 2014 wurde die Regelung zur Aufhebung des Stadionverbots dahingehend ergänzt und neu gefasst, dass im Falle einer Einstellung des zugrundeliegenden Ermittlungsverfahrens nach § 153 StPO oder nach einer entsprechenden Regelung des Jugendgerichtsgesetzes die festsetzende Stelle das Stadionverbot auf Antrag des Betroffenen noch einmal im Hinblick auf Bestand und Dauer überprüfen soll; davon, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung von den Betroffenen nachzuweisen sind, geht die Regelung nicht mehr aus. Im Falle einer endgültigen Einstellung des zugrundeliegenden Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO oder nach einer entsprechenden Regelung des Jugendgerichtsgesetzes kann das Stadionverbot auf Antrag des Betroffenen noch einmal im Hinblick auf seine Dauer überprüft werden.

8

Nach der im Juni 2005 geltenden Fassung der Stadionverbots-Richtlinien konnte dem Betroffenen von dem Verantwortlichen für das Stadionverbot (Deutscher Fußball-Bund, Ligaverband, Verein) eine nachträgliche Anhörung auf Wunsch ermöglicht werden (§ 3 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 SVRL 2005). Nach heutigem Stand (zuletzt geändert im Juli 2014) sehen die Richtlinien ausdrücklich vor, dass dem Betroffenen bereits vor der Festsetzung des Stadionverbots Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll.

9

3. Der Beschwerdeführer begehrte von der Beklagten zunächst die Aufhebung des bundesweiten Stadionverbots, hilfsweise eine örtliche Begrenzung des Verbots auf die MSV-Arena. Nachdem sich im Laufe des Berufungsverfahrens dieses ursprüngliche Klagebegehren erledigt hatte, stellte der Beschwerdeführer seinen Klageantrag auf einen Feststellungsantrag um. Er begehrte nunmehr mit Hauptantrag die Feststellung, dass das ausgesprochene Stadionverbot rechtswidrig war und mit Hilfsanträgen die Feststellungen, dass das ausgesprochene Stadionverbot insoweit rechtswidrig war, als es nicht auf die örtliche Arena des MSV Duisburg beschränkt war; ferner, dass das Stadionverbot nach Einstellung des zugrundeliegenden Strafverfahrens gemäß § 153 StPO hätte ganz oder sonst zumindest soweit aufgehoben werden müssen, als es nicht auf die Arena des MSV Duisburg örtlich beschränkt worden sei.

10

4. Das Amtsgericht wies die Klage ab, die Berufung des Beschwerdeführers vor dem Landgericht blieb erfolglos. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Umstellung des Klageantrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Stadionverbots sei zulässig. Wegen des Ablaufs des zeitlich befristeten Stadionverbots sei sie sachdienlich und im Hinblick auf den Entzug der Vereinsmitgliedschaft und der Dauerkartenberechtigung für den Stadionbesuch bestehe ein besonderes Feststellungsinteresse. In der Sache könne die Berufung jedoch keinen Erfolg haben. Es komme nicht darauf an, ob dem Beschwerdeführer eine Straftat nachgewiesen werden könne. Bei dem Stadionverbot handele es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine Ausübung der Eigentümerrechte. Es müsse einem Fußballverein zur reibungslosen Durchführung von Sportveranstaltungen und zum Schutz friedlicher Gäste gestattet sein, auch denjenigen auszuschließen, der nur im Verdacht stehe, Störer zu sein.

11

Das Stadionverbot habe sich demnach auf hinreichende Verdachtsmomente gegründet: Ausweislich des Berichts zweier Polizeihauptmeister in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft sei der Beschwerdeführer Mitglied einer aus etwa 80 Personen bestehenden Gruppe der "Schickeria" gewesen, die sich selbst zur "Ultra"-Bewegung zähle. Der Beschwerdeführer habe sich in der Gruppe befunden, aus welcher es zu Provokationen und Körperverletzungsdelikten gekommen sei. Es bestehe jedenfalls der Verdacht gegen den Beschwerdeführer, dass auch er in Straftaten verwickelt gewesen sei und zur gewaltbereiten Münchener "Ultra"-Szene gehören könne. Die Beklagte sei nicht nur berechtigt, ihre Eigentümerrechte gegen potentielle Störer zu schützen. Sie sei vielmehr auch verpflichtet, ihre Sportveranstaltungen so auszurichten, dass es nicht zur Verletzung fremder Rechtsgüter komme. Dieser Pflicht könne nur effektiv nachgekommen werden, wenn auch schon bei einem Gefahrenverdacht Stadionverbote verhängt würden.

12

5. Der Bundesgerichtshof wies die Revision des Beschwerdeführers zurück. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Befugnis der Beklagten zum Ausspruch des bundesweiten Stadionverbots aus ihrem Hausrecht folge. Es beruhe auf dem Eigentum und Besitz an Grundstücken und ermögliche seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestatte und wem er ihn verwehre. Bei Fußballspielen gestatte der Veranstalter in Ausübung der in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Vertragsfreiheit grundsätzlich jedermann gegen Bezahlung den Zutritt zu dem Stadion. Wolle er bestimmte Personen davon ausschließen, müsse er deren mittelbar in das Zivilrecht einwirkende Grundrechte beachten. Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Gleichbehandlung ließen es nicht zu, einen einzelnen Zuschauer willkürlich auszuschließen. Vielmehr müsse dafür ein sachlicher Grund vorliegen. Davon sei auszugehen, wenn aufgrund objektiver Tatsachen und nicht bloß subjektiver Befürchtungen die Gefahr bestehe, dass künftige Störungen durch die betreffenden Personen zu besorgen seien. An die Annahme dieser Gefahr seien keine überhöhten Anforderungen zu stellen, was sich aus den Besonderheiten sportlicher Großveranstaltungen ergebe.

13

Die Annahme, dass von dem Beschwerdeführer die Gefahr künftiger Störungen ausgehe, sei auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts gerechtfertigt. Stadionverbote könnten eine nennenswerte präventive Wirkung nur dann erzielen, wenn sie auch gegen solche Besucher ausgesprochen werden könnten, die zwar nicht wegen einer Straftat verurteilt seien, deren bisheriges Verhalten aber besorgen lasse, dass sie bei künftigen Spielen sicherheitsrelevante Störungen verursachen würden.

14

Eine solche Besorgnis habe sich zunächst aus den der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Landfriedensbruchs zugrundeliegenden Tatsachen ergeben. Dieses setze einen auf Tatsachen beruhenden Anfangsverdacht voraus. Es begegne deshalb keinen Bedenken, wenn der Hausrechtsinhaber die hierin zum Ausdruck kommende Bejahung eines solchen Verdachts durch die Ermittlungsbehörden zum Anlass für den Ausspruch eines Stadionverbots nehme. Dem Hausrechtsinhaber stünden nämlich regelmäßig keine besseren Erkenntnisse über den Tatablauf und die Beteiligung des Betroffenen zur Verfügung als der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Etwas anderes gelte dann, wenn das Verfahren offensichtlich willkürlich oder aufgrund falscher Tatsachenannahmen eingeleitet worden sei.

15

Nach der Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 StPO könne zwar nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer den Straftatbestand des Landfriedensbruchs verwirklicht habe. Auf die Strafbarkeit seines Verhaltens komme es aber nicht an. Anknüpfungspunkt für das Stadionverbot sei nicht die Verwirklichung eines Straftatbestandes, sondern das Verhalten des Beschwerdeführers, das Anlass für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegeben habe. Der Beschwerdeführer sei Teil der Gruppe gewesen, aus der heraus Gewalttaten verübt worden seien. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe, mit der der Beschwerdeführer in Gewahrsam genommen worden sei, rechtfertige die Annahme, dass er sich bei Fußballveranstaltungen in einem zu Gewalttätigkeiten neigenden Umfeld bewege und von ihm deshalb künftige, Dritte gefährdende Störungen zu besorgen seien.

16

Die Rüge des Beschwerdeführers, ihm sei vor Verhängung des Verbots kein rechtliches Gehör gewährt worden, bleibe ohne Erfolg, weil die Beklagte kein gerichtsförmiges oder verwaltungsähnliches Verfahren beachten müsse, sondern einen ihr zustehenden zivilrechtlichen Anspruch geltend gemacht habe.

17

Die Stadionverbots-Richtlinien hätten zwar im Verhältnis der Parteien zueinander keine unmittelbare Geltung. Das hindere die Beklagte indes nicht, sich bei der Prüfung, ob ein Stadionverbot auszusprechen sei, an diesen Richtlinien zu orientieren. Sie enthielten einheitliche Maßstäbe für Stadionverbote, insbesondere für deren Voraussetzungen, Umfang, vorzeitige Aufhebung und das dabei einzuhaltende Verfahren. Sie stellten ein insgesamt um Ausgewogenheit bemühtes Regelwerk dar, welches die Vereine der verschiedenen Fußballligen anerkannt hätten. Im Regelfall wäre daher ein den Richtlinien genügendes Verbot nicht willkürlich. Die Beachtung der Richtlinien schließe es aber nicht generell aus, dass ein ausgesprochenes Verbot gleichwohl rechtswidrig sei. Entscheidend seien nicht die Richtlinien, sondern die konkreten Umstände.

18

Schließlich seien weder das zeitliche Ausmaß noch der inhaltliche Umfang des Verbots zu beanstanden. Die Sanktion sei unter dem zeitlichen Rahmen geblieben, der in den Richtlinien in solchen Fällen vorgesehen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Anlass für den Ausspruch des Verbots nicht angemessen berücksichtigt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt habe. Die Verhängung eines Stadionverbots habe stets zur Folge, dass Dauerkartenberechtigungen ganz oder teilweise ins Leere liefen. Dies könne keine Auswirkungen auf die Frage des Ob und des Wie eines Stadionverbots haben. Insoweit müsste sich der Beschwerdeführer vielmehr mit seinem Vertragspartner, von dem er die Dauerkarte bezogen habe, auseinandersetzen.

19

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte dadurch, dass er ohne tragfähige Erklärung und Begründung allein aufgrund eines bloßen Verdachts vom Stadionbesuch ausgeschlossen worden sei. In Anbetracht der überragenden sozialen Bedeutung und des öffentlichen Stellenwerts, den der Fußball in der Gesellschaft einnehme, läge hierin nicht nur eine Verletzung einfachen Rechts, sondern zugleich seiner Grundrechte. Er beruft sich insoweit auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.

20

Angesichts der mit dem Stadionverbot verbundenen weitreichenden und in die Rechtsposition des Beschwerdeführers erheblich eingreifenden Folgen wäre eine Anhörung geboten gewesen. Da diese nicht stattgefunden habe, sei sein Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Die Beklagte habe den Beschwerdeführer zum bloßen Objekt eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gemacht. Hätte die Beklagte ihn vor Verhängung des Stadionverbots angehört, hätte sich rasch klären lassen, dass er nicht mehr als ein bloßer Mitläufer gewesen sei.

21

In entsprechender Anwendung der für Bürgschaften in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstäbe sei von einer gestörten Vertragsparität auszugehen, die Folge unterschiedlicher Machtverhältnisse der Beteiligten sei. Das Rechtsstaatsprinzip sei unter dem Aspekt verletzt, dass die Beklagte auf jede Begründung dafür verzichtet habe, warum das Stadionverbot auch noch nach Einsicht in die Ermittlungsakten aufrechterhalten worden sei. Es sei ferner nicht zulässig, die Verbotsentscheidung auf die Stadionverbots-Richtlinien zu stützen. Nach diesen genüge schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Das bloße Mitlaufen in einer sich in Richtung des S-Bahnhofs bewegenden Gruppe rechtfertige den Vorwurf des Landfriedensbruchs nicht. Das Ermittlungsverfahren hätte nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden müssen. Dass es letztlich aus Bequemlichkeit nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden sei, könne dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt werden. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebiete, unbeschadet der Stadionverbots-Richtlinien, eine Einzelfallprüfung. Dort habe man die Belange des Beschwerdeführers in die Abwägung einbringen und im Ergebnis auf ein bundesweites Stadionverbot verzichten müssen, zumal es sich um einen damals Sechzehnjährigen gehandelt habe. Außerdem liege ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor. Das ergebe sich aus den mit einem bundesweiten Stadionverbot verbundenen Folgen für seinen sozialen Achtungs- und Geltungsanspruch. Er sei und bleibe als Fußballrowdy abgestempelt.

II.

22

Zu der Verfassungsbeschwerde hat der Deutsche Fußball-Bund Stellung genommen. Er ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig, aber auch unbegründet. Der Beschwerdeführer habe vor Verhängung des Stadionverbots insbesondere nicht angehört werden müssen. Im Zivilrecht existiere keine Anhörungspflicht. Eine solche Anhörung zu verlangen, würde das Handeln Privater dem Handeln von Hoheitsträgern gleichstellen, obwohl sich deren Grundrechtsbindung unterscheide.

23

Bei Ausübung eines privaten Hausrechts bestehe kein ausdrückliches Begründungserfordernis, es handele sich nicht um einen staatlichen Eingriffsakt. Im Übrigen habe die Beklagte das Stadionverbot umfänglich begründet. Die Entscheidung über die Aufrechterhaltung nach Einsicht in die Ermittlungsakte sei nicht noch einmal zu begründen gewesen, nachdem dem Beschwerdeführer die dem Verbot zugrundeliegenden Umstände bekannt gewesen seien und unverändert dessen Aufrechterhaltung gerechtfertigt hätten. Auch die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 153 StPO habe an der insofern unstreitigen Tatsachengrundlage für die Verhängung des Stadionverbots nichts geändert.

24

Das Interesse, Stadien zum Zwecke von Fußballveranstaltungen betreten zu wollen, sei vor allem ein Element der äußeren Freizeitgestaltung und weniger der inneren Persönlichkeitsentfaltung. Selbst wenn man aber eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erkennen wolle, sei diese jedenfalls aufgrund überwiegender Grundrechtspositionen Anderer gerechtfertigt. Das Stadionverbot sei in räumlicher und zeitlicher Hinsicht begrenzt gewesen. Sein Zweck diene der Abwehr von Gefahren für die Veranstaltung und für deren Besucher sowie dem störungsfreien Ablauf des Spiels und damit auch der Integrität des sportlichen Wettbewerbs durch die Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen anlässlich von Fußballspielen. Diese Gefahrenabwehr gehöre zu den satzungsmäßigen Aufgaben des organisierten Fußballsports in Wahrnehmung seiner Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG und diene dem Eigentum der Stadionbetreiber aus Art. 14 Abs. 1 GG und der Erfüllung ihrer Verpflichtungen für fremdes Eigentum, Leib und Leben aller Stadionbesucher. Stadionverbote gegen potentielle Gewalttäter erwiesen sich insofern als unverzichtbares Mittel, um Gewalttäter aus Fußballstadien fernzuhalten und gegebenenfalls schon von der Anreise abzuhalten.

B.

I.

25

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

26

1. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er macht geltend, dass die Fachgerichte mit der Bestätigung des auf das Hausrecht gestützten Stadionverbots die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das Zivilrecht nicht hinreichend beachtet hätten. Eine Verletzung seiner Grundrechte sieht er darin, dass die Fachgerichte der beklagten Stadionbetreiberin für die Verhängung des Stadionverbots keine hinreichenden Anhörungs- und Begründungspflichten abverlangt und der Stadionbetreiberin das Recht zuerkannt hätten, ein Stadionverbot nach Einstellung eines gegen den Beschwerdeführer angestrengten Ermittlungsverfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO auf einen bloßen Verdacht zu stützen. Mit seinem Vortrag ist die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG hinreichend dargelegt.

27

Der Beschwerdeführer stützt sein Begehren nach seinem Antrag im Schwerpunkt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, aus dem sich der von ihm begehrte Schutz vor einem auf einen bloßen Verdacht gegründeten Ausschluss von Fußballspielen seiner Ansicht nach ergibt. Dies hindert das Bundesverfassungsgericht nicht, weitere Grundrechte in die Prüfung einzubeziehen, soweit sich die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung in Blick auf dieselbe Beschwer auch oder vorrangig im Blick auf andere Grundrechte ergeben kann. Innerhalb des durch die geltend gemachte Beschwer bestimmten Streitgegenstandes prüft das Bundesverfassungsgericht alle insoweit in Betracht zu ziehende Grundrechte.

28

2. Die Verfassungsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt und der Rechtsweg erschöpft. Der Verfassungsbeschwerde fehlt es auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat sich das Stadionverbot, gegen das sich der Beschwerdeführer ursprünglich gewendet hat, inzwischen durch Zeitablauf erledigt. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann das Rechtsschutzbedürfnis jedoch in Form eines Feststellungsinteresses fortbestehen, wenn Wiederholungsgefahr besteht, eine fortwirkende Beeinträchtigung zu beseitigen ist, tiefgreifende und folgenschwere Grundrechtseingriffe in Rede stehen und sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangt werden kann oder von einem Rehabilitierungsinteresse auszugehen ist (vgl. BVerfGE 81, 138 <140 f.>; 104, 220 <232 f.>; 110, 77 <92>).

29

Danach ist hier, wie auch das Landgericht und der Bundesgerichtshof für das Zivilverfahren angenommen haben, ein Feststellungsinteresse gegeben. Dem Beschwerdeführer war es mehr als zwei Jahre lang verwehrt, in Deutschland die Spiele der Fußballnationalmannschaft, der Fußballbundes- und -regionalligen als Zuschauer zu besuchen. Zugleich hat er seine Dauerkarte sowie seither seine Mitgliedschaft bei dem Verein FC Bayern München verloren. Er wurde in die Liste über die bundesweit geltenden Stadionverbote eingetragen, die vom Deutschen Fußball-Bund verwaltet und regelmäßig den Fußballvereinen zur Weiterleitung an die örtlich zuständige Polizei, die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze und die Bundespolizeidirektion übermittelt wird. Diese Umstände sind auch nach Ablauf des Stadionverbots geeignet, sein Ansehen zu beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass ein Zivilprozess durch drei Instanzen typischerweise länger dauert als das hier festgesetzte Verbot, so dass eine verfassungsrechtliche Klärung praktisch unmöglich wäre, wollte man in diesen Fällen das allgemeine Rechtsschutzinteresse verneinen.

II.

30

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen tragen der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das Zivilrecht hinreichend Rechnung.

31

1. Die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Entscheidungen richtet sich nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte.

32

a) Die angegriffenen Entscheidungen betreffen einen Rechtsstreit zwischen sich als Private gegenüberstehenden Parteien über die Reichweite der zivilrechtlichen Befugnisse aus Eigentum und Besitz gegenüber Dritten. Nach ständiger Rechtsprechung können die Grundrechte in solchen Streitigkeiten im Wege der mittelbaren Drittwirkung Wirksamkeit entfalten (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 f.>; 42, 143 <148>; 89, 214 <229>; 103, 89 <100>; 137, 273 <313 Rn. 109>; stRspr). Danach verpflichten die Grundrechte die Privaten grundsätzlich nicht unmittelbar untereinander selbst. Sie entfalten jedoch auch auf die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen Ausstrahlungswirkung und sind von den Fachgerichten, insbesondere über zivilrechtliche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, bei der Auslegung des Fachrechts zur Geltung zu bringen. Die Grundrechte entfalten hierbei ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als "Richtlinien" in das Zivilrecht ein (vgl. BVerfGE 73, 261 <269>; 81, 242 <254>; 89, 214 <229>; 112, 332 <352>); die Rechtsprechung hat insoweit auch von den Grundrechten als einer "objektiven Wertordnung" gesprochen (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 f.>; 25, 256 <263>; 33, 1 <12>). Sie zielen hier nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind als Grundsatzentscheidungen im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Die Freiheit der einen ist dabei mit der Freiheit der anderen in Einklang zu bringen. Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 129, 78 <101 f.>; 134, 204 <223 Rn. 68>; 142, 74 <101 Rn. 82>; stRspr).

33

Die Reichweite der mittelbaren Grundrechtswirkung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, dass die Freiheitssphären der Bürgerinnen und Bürger in einen Ausgleich gebracht werden müssen, der die in den Grundrechten liegenden Wertentscheidungen hinreichend zur Geltung bringt. Dabei können insbesondere auch die Unausweichlichkeit von Situationen, das Ungleichgewicht zwischen sich gegenüberstehenden Parteien, die gesellschaftliche Bedeutung von bestimmten Leistungen oder die soziale Mächtigkeit einer Seite eine maßgebliche Rolle spielen (vgl. BVerfGE 89, 214 <232 ff.>; 128, 226 <249 f.>).

34

b) Die Auslegung und Anwendung des bürgerlichen Rechts obliegt grundsätzlich den Fachgerichten. Regelmäßig ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfGE 129, 78 <102>). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (BVerfGE 134, 204 <234 Rn. 103> m.w.N.; stRspr).

35

2. Die angegriffenen Entscheidungen stützen sich auf die §§ 862, 1004 BGB und leiten hieraus - erstinstanzlich ergänzend auch unter Berücksichtigung der §§ 826, 242 BGB - die Reichweite des privatrechtlichen Hausrechts der Stadionbetreiber gegenüber Zugang begehrenden Fußballfans her. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind hierbei die Eigentumsgarantien des Art. 14 Abs. 1 GG sowie ein Schutz vor willkürlicher Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten.

36

a) Die Beklagte beruft sich als Stadionbetreiberin auf ihr privatrechtliches Hausrecht. Dieses ist durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Die von den Zivilgerichten in Bezug genommenen §§ 862, 1004 BGB und das aus dem zivilrechtlichen Grundeigentum oder -besitz hergeleitete Hausrecht formen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie für das Privatrecht aus. Insofern sind die Rechte der Stadionbetreiber in dem zivilrechtlichen Rechtsstreit in einer Weise auszulegen, die dem Gehalt der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG Rechnung trägt.

37

b) Auf Seiten des Beschwerdeführers kann dem Eigentumsrecht der Beklagten vorliegend nicht Art. 2 Abs. 1 GG in Form der allgemeinen Handlungsfreiheit entgegengehalten werden. Zwar ergibt sich aus der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber dem Staat ein Abwehrrecht gegen ungerechtfertigte und insbesondere unverhältnismäßige Verbote jeder Art und damit auch gegen Verbote, die den Zugang als Zuschauer zu einem Fußballspiel betreffen. Dies ist Ausdruck der rechtsstaatlichen Asymmetrie, nach der Bürgerinnen und Bürger prinzipiell frei sind, der Staat ihnen gegenüber bei Eingriffen in ihre Freiheit jedoch gebunden und damit rechenschaftspflichtig ist (vgl. BVerfGE 128, 226 <244 f.>). Der grundrechtlichen Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit lässt sich jedoch nicht mit derselben Allgemeinheit eine Wertentscheidung der Verfassung entnehmen, nach der in jedem Privatrechtsstreit die unbenannte Freiheit zu jedwedem selbstbestimmten Handeln die Auslegung des Privatrechts im Wege der mittelbaren Drittwirkung anleiten müsste. Die Freiheit, nach subjektivem Belieben ein bestimmtes Verhalten zu verwirklichen - wie hier Fußballspiele zu besuchen -, kann privatrechtlichen Veranstaltern insoweit nicht unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit schon grundsätzlich zur Einschränkung ihrer Eigentümerbefugnisse entgegengehalten werden.

38

Allerdings kann Art. 2 Abs. 1 GG in spezifischen Konstellationen auch im Privatrechtsverhältnis Schutz bieten wie etwa in typisierbaren Fallgestaltungen, die sich besonders belastend auswirken und eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen (vgl. BVerfGE 89, 214 <232>) oder kann in Einzelfällen als Auffanggrundrecht dienen (vgl. BVerfGE 85, 214 <217 ff.>). Eine solche spezifische Konstellation für die mittelbare Berücksichtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit als Wertentscheidung der Verfassung liegt hier jedoch nicht vor. Zwar kommt den Stadionbetreibern als Veranstaltern von Fußballspielen auf professionellem Niveau eine beherrschende Stellung zu. Die in Frage stehende Beschwer des Ausschlusses von Fußballspielen erlangt ihr verfassungsrechtliches Gewicht jedoch nicht in der Bedeutung und dem Ausmaß der hierin liegenden Freiheitsbeschränkung, sondern in der Verwehrung der Teilnahme an einer einem breiten Publikum geöffneten Großveranstaltung. Kern der Verfassungsbeschwerde ist die Ungleichbehandlung gegenüber all denjenigen, die das Stadion besuchen können. Insoweit verlangt die Verfassung in vorliegendem Fall nicht, das konkrete Begehren des Beschwerdeführers, Fußballspiele zu besuchen, verfassungsrechtlich zu gewichten und unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Handlungsfreiheit in die zivilrechtliche Auslegung und Abwägung einzustellen.

39

c) Gegenüber dem Eigentumsrecht der Stadionbetreiberin aus Art. 14 Abs. 1 GG ist in vorliegendem Rechtsstreit das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten.

40

Allerdings enthält Art. 3 Abs. 1 GG kein objektives Verfassungsprinzip, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Dahingehende Anforderungen ergeben sich auch nicht aus den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung. Grundsätzlich gehört es zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie wann unter welchen Bedingungen welche Verträge abschließen und wie sie hierbei auch von ihrem Eigentum Gebrauch machen will. Diese Freiheit wird durch die Rechtsordnung und insbesondere durch das Zivilrecht näher ausgestaltet und vielfach begrenzt; dabei kann dieses auch von Verfassungs wegen spezifischen Anforderungen unterliegen. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach private Vertragsbeziehungen jeweils den Rechtfertigungsanforderungen des Gleichbehandlungsgebots unterlägen, folgt demgegenüber aus Art. 3 Abs. 1 GG auch im Wege der mittelbaren Drittwirkung nicht. Über eventuell weitergehende Anforderungen aus speziellen Gleichheitsrechten wie Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ist hier nicht zu entscheiden.

41

Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten können sich aus Art. 3 Abs. 1 GG jedoch für spezifische Konstellationen ergeben. Eine solche Konstellation liegt dem hier in Frage stehenden bundesweit gültigen Stadionverbot zugrunde. Maßgeblich für die mittelbare Drittwirkung des Gleichbehandlungsgebots ist dessen Charakter als einseitiger, auf das Hausrecht gestützter Ausschluss von Veranstaltungen, die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und der für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet. Indem ein Privater eine solche Veranstaltung ins Werk setzt, erwächst ihm von Verfassungs wegen auch eine besondere rechtliche Verantwortung. Er darf seine hier aus dem Hausrecht - so wie in anderen Fällen möglicherweise aus einem Monopol oder aus struktureller Überlegenheit - resultierende Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von einem solchen Ereignis auszuschließen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung des Eigentums als absolutes Recht und die daraus folgende einseitige Bestimmungsmacht des Hausrechtsinhabers ist hier, anknüpfend an die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG), mit der auch von den Gerichten zu beachtenden Ausstrahlungswirkung des Gleichbehandlungsgebots in Ausgleich zu bringen.

42

Der Sache nach findet so zugleich auch das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben gemäß Art. 15 Abs. 1a des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Berücksichtigung (in Kraft getreten am 3. Januar 1976, UNTS Bd. 993, S. 3, BGBl II S. 428; vgl. bezüglich allgemein zugänglicher Sportveranstaltungen auch die Stellungnahme des Commitee on Economic, Social and Cultural Rights, General Comment Nr. 21 [2009], 43rd session, UN Doc E/C.12/GC/21, Ziffern 13 und 16).

43

d) Ob insoweit darüber hinaus auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) oder weitere Grundrechte Beachtung beanspruchen können, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls lässt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht erkennen, dass sich vorliegend hieraus inhaltlich weitere Anforderungen ergeben könnten.

44

3. Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Eigentümerbefugnissen und Gleichbehandlungsgebot bei der Beurteilung eines auf das privatrechtliche Hausrecht gestützten Stadionverbots ist in erster Linie Sache der Zivilgerichte. Diese haben hierbei einen weiten Spielraum. Das Bundesverfassungsgericht greift nur ein, wenn Auslegungsfehler erkennbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 34, 269 <279 f.>; 85, 248 <257 f.>; 110, 226 <270>; stRspr). Maßgeblich ist insoweit nicht, ob die Zivilgerichte sich für ihre Wertungen unmittelbar auf die Grundrechte selbst berufen oder deren Wertungen mittels einfachrechtlicher Erwägungen und unter Rückgriff auf Auslegungsgrundsätze des Zivilrechts zur Geltung bringen und damit die Rechtsordnung für die weitere Entwicklung offener halten. Entscheidend ist allein, dass den grundrechtlichen Wertungen im Ergebnis hinreichend Rechnung getragen wird.

45

a) Danach haben die Zivilgerichte in Blick auf das Gebot der Gleichbehandlung sicherzustellen, dass Stadionverbote nicht willkürlich festgesetzt werden, sondern auf einem sachlichen Grund beruhen müssen. Insbesondere obliegt es ihnen, den gebotenen Ausgleich mit den Eigentümerbefugnissen in Blick auf die tatsächlichen Umstände, unter denen Stadionverbote ergehen, die mit ihnen erstrebte Wirkung sowie die Verantwortung der Betroffenen näher zu konkretisieren. Verfassungsrechtlich ist nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte einen sachlichen Grund zur Verhängung eines Stadionverbots schon in der begründeten Besorgnis sehen, dass von einer Person die Gefahr künftiger Störungen ausgeht. Angesichts des berechtigten Interesses der Stadionbetreiber an einem störungsfreien Verlauf der Fußballspiele und ihrer Verantwortung für die Sicherheit von Sportlern und Publikum bedarf es hierfür nicht der Erweislichkeit vorheriger Straftaten oder rechtswidrigen Handelns. Es reicht, dass sich die Besorgnis künftiger Störungen durch die Betroffenen auf konkrete und nachweisliche Tatsachen von hinreichendem Gewicht stützen lässt. Dem entspricht, dass Sanktionen in Anknüpfung an begründete Verdachtslagen auch anderweitig im Zivilrecht anerkannt sind.

46

b) Mit dem Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Verhängung eines Stadionverbots verbinden sich verfahrensrechtliche Anforderungen. Insbesondere müssen die Stadionbetreiber die ihnen zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen. Dazu gehört jedenfalls grundsätzlich die vorherige Anhörung der Betroffenen. Auch ist die Entscheidung auf Verlangen zu begründen, um den Betroffenen die Durchsetzung ihrer Rechte zu ermöglichen.

47

Die Anerkennung solcher Verfahrensrechte steht nicht im Widerspruch zum Charakter des Rechtsstreits als Zivilrechtsstreit. Zwar haben sie im Zivilrecht dann keine Grundlage, wenn es um den Austausch von Leistungen geht, die im freien Belieben der Parteien liegen. Stehen privatrechtlichen Entscheidungen von vorneherein keine eigenen Rechtspositionen Dritter gegenüber und kann über sie ohne Rücksicht auf die Belange der Gegenseite entschieden werden, bedarf es jedenfalls in der Regel solcher Rechte nicht. Das liegt jedoch anders, soweit in das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien das grundrechtliche Gleichbehandlungsgebot einstrahlt und die Ablehnung einer Leistung eines rechtfertigenden Grundes bedarf. Wenn hier auf dem Hausrecht beruhende, faktisch als Sanktion wirkende Entscheidungen getroffen werden, die den Betroffenen gegenüber eines tragfähigen Grundes bedürfen, müssen jedenfalls grundlegende Anforderungen beachtet werden, die es den Betroffenen ermöglichen, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und ihre Rechte unter Darlegung ihrer Sichtweise rechtzeitig geltend zu machen. Dies schließt nicht aus, dass in begründeten Fällen die Entscheidung zunächst auch ohne Anhörung ergehen und diese nachgeholt werden kann. Solche Verfahrensrechte sind auch sonst dem Zivilrecht nicht fremd (vgl. zu Vereinsausschlüssen BGH, Urteil vom 10. Juli 1989 - II ZR 30/89 -, juris, Rn. 19; vgl. zu Verdachtskündigungen BAG, Urteil vom 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 -, juris, Rn. 30, 38; Urteil vom 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 -, www.bag.de, Rn. 17 f., 23, 26).

48

Auch hier obliegt die nähere Konkretisierung der Anforderungen in erster Linie den Fachgerichten. Welche Anstrengungen den Stadionbetreibern zur Aufklärung des Sachverhalts zumutbar sind, ist von den Fachgerichten ebenso zu konkretisieren wie die Anforderungen an die vorherige Anhörung und gegebenenfalls die Begründung. Hierbei wird dem Massencharakter von Großveranstaltungen des Sports ebenso Rechnung zu tragen sein wie den spezifischen Gefährdungen, die von gewaltbereiten Fangruppen ausgehen und den Belangen der vom Stadionbesuch Ausgeschlossenen.

49

4. Hiervon ausgehend sind die fachgerichtlichen Entscheidungen nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der die Vorinstanzen mit seiner Revisionsentscheidung letztinstanzlich bestätigt hat.

50

a) Der Bundesgerichtshof bestätigt das gegenüber dem Beschwerdeführer festgesetzte Stadionverbot als rechtmäßig, weil es sich auf einen sachlichen Grund stützen könne. Seine Erwägungen dazu halten den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer Drittwirkung des Art. 3 Abs. 1 GG Stand.

51

aa) Die Begründung des Bundesgerichtshofs stellt sich nicht auf den Standpunkt, dass die Entscheidung über ein Stadionverbot im freien Belieben der Veranstalter läge, sondern verlangt dafür einen sachlichen Grund. Ein solcher Grund liege in der Gefahr, dass von den Betroffenen künftig Störungen bei Sportveranstaltungen zu besorgen seien. Die Annahme einer solchen Gefahr dürfe sich dabei nicht auf subjektive Befürchtungen stützen, sondern müsse auf objektiven Tatsachen beruhen.

52

Dieser Ausgangspunkt entspricht den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der Bundesgerichtshof nimmt den in dieser Konstellation aus den Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG auch im Privatrechtsverhältnis zur Geltung zu bringenden Anspruch des Beschwerdeführers auf willkürfreie Entscheidung auf und bringt ihn in Ausgleich mit dem Recht der Stadionbetreiberin, die Fußballspiele in ihrem Stadion nach eigenen Vorstellungen und insbesondere nach den von ihr zu verantwortenden Sicherheitsvorkehrungen zu gestalten. Dass der Bundesgerichtshof dabei für die Besorgnis der Gefahr von Störungen "keine überhöhten Anforderungen" zugrunde legen will, hält sich angesichts der von ihm näher gewürdigten Eigenarten sportlicher Großveranstaltungen im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.

53

bb) In Einklang mit der beklagten Stadionbetreiberin sehen die angegriffenen Entscheidungen den sachlichen Grund für die ursprüngliche Festsetzung des Stadionverbots in der Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, über das zum damaligen Zeitpunkt noch nicht entschieden war. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setze von Gesetzes wegen einen auf Tatsachen beruhenden Anfangsverdacht voraus. Da den Veranstaltern insoweit regelmäßig keine besseren Erkenntnismittel zur Verfügung stünden, dürften sich diese, so lange das Ermittlungsverfahren laufe, auf diese Einschätzung der Sicherheitsbehörden stützen. Der Bundesgerichtshof bestätigt damit zugleich die rechtliche Zulässigkeit der Regelung des Art. 4 Abs. 3 SVRL als intern leitenden sachgerechten Maßstab.

54

Hiergegen sind verfassungsrechtliche Einwände nicht zu erheben. Der Bundesgerichtshof enthebt die Veranstalter, wie er ausdrücklich ausführt, nicht von einer Plausibilitätskontrolle, um Fälle auszuschließen, in denen ein Verfahren offensichtlich willkürlich oder aufgrund falscher Tatsachenannahmen eingeleitet wurde. Dass sich die Stadionbetreiber bei noch offenem Ausgang des Ermittlungsverfahrens aber im Übrigen der Einschätzung der Staatsanwaltschaft oder Polizei anschließen können, ist nicht sachwidrig. Wegen des berechtigten Interesses der Stadionbetreiber, zur Gewährleistung der Sicherheit möglichst rasch Maßnahmen zu ergreifen, muss ihnen auch nicht zugemutet werden, zunächst das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.

55

cc) Des Weiteren stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, dass der sachliche Grund für das Stadionverbot durch die spätere Einstellung des Verfahrens nicht entfallen sei. Zwar könne nach Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer selbst Straftaten begangen habe. Mit der Einstellung des Verfahrens seien jedoch nicht die Umstände entfallen, die zunächst den Anfangsverdacht für die Einleitung des Verfahrens und auch die weitere Besorgnis künftiger Störungen seitens des Beschwerdeführers begründeten. Der Beschwerdeführer habe sich wissentlich in einem zu Gewalttätigkeiten neigenden Umfeld bewegt, aus dem heraus auch tatsächlich erhebliche Gewalttaten begangen worden seien. Unter Bezugnahme auf die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts stützt sich die Entscheidung darauf, dass der Beschwerdeführer einer aus rund 80 Personen bestehenden Gruppe namens "Schickeria" aus der gewaltbereiten "Ultra"-Szene angehört und sich nach dem fraglichen Spiel in einer Gruppe befunden habe, aus welcher heraus es tatsächlich in erheblichem Umfang zu Provokationen und Körperverletzungsdelikten gekommen sei.

56

Hierin durfte der Bundesgerichtshof einen sachlichen Grund sehen, der das Stadionverbot zu tragen vermag. Er geht insoweit nicht unbesehen von einer fortwirkenden Rechtfertigung des Verbots durch die einmal eingeleiteten Ermittlungen auch nach deren Einstellung aus, sondern hält das Stadionverbot nun mit für sich stehenden Feststellungen zu einer auch nach Einstellung des Verfahrens gerechtfertigten Besorgnis aufrecht, dass der Beschwerdeführer künftig Störungen verursachen werde. Anders als es § 6 Abs. 1 SVRL in der damaligen Fassung innerverbandlich vorsah, stützt sich die Entscheidung insbesondere nicht auf eine Beweislastumkehr oder nur darauf, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, den Nachweis seiner Unschuld zu erbringen. Vielmehr beruht sie auf einer eigenständigen Prüfung der die Besorgnis begründenden Umstände - so wie es inzwischen auch dem Stand der Stadionverbots-Richtlinien entsprechen dürfte (vgl. § 7 Abs. 2 SVRL in der aktuellen Fassung, Stand Juli 2014). Indem die Entscheidungen der Stadionbetreiber überdies auf vereinheitlichende Richtlinien gestützt sind, ist im Übrigen für die Festsetzung von Stadionverboten auch eine auf Sachlichkeit ausgerichtete Gleichförmigkeit gewährleistet.

57

b) In Blick auf die verfahrensrechtlichen Anforderungen kann die Verfassungsbeschwerde gleichfalls keinen Erfolg haben.

58

Allerdings bestehen Zweifel, ob die vom Bundesgerichtshof zugrunde gelegten Anforderungen der Stadionbetreiberin an die Gewährung von Gehör den verfassungsrechtlichen Anforderungen in vollem Umfang genügen. Hierüber bedarf es jedoch keiner Entscheidung. Denn jedenfalls für die Zukunft ist in den inzwischen geänderten Stadionrichtlinien ein in der Regel vor der Festsetzung des Stadionverbots zu gewährendes Anhörungsrecht ebenso vorgesehen (vgl. § 6 Abs. 1 SVRL), wie bei verständiger Auslegung zumindest in den Fällen der Überprüfung des Stadionverbots eine Begründung solcher Entscheidungen erfolgen muss (vgl. § 7 Abs. 2 SVRL). Für das konkret in Streit stehende, inzwischen erledigte Stadionverbot hatte der Beschwerdeführer im Übrigen im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens wenigstens nachträglich die Möglichkeit, sich mit den Gründen für das Stadionverbot auseinanderzusetzen und sich hierzu Gehör zu verschaffen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 14.08.2018, Az.: 11 O 3129/18, abgeändert und folgende einstweilige Verfügung erlassen:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten untersagt,

1. einen von der Antragstellerin auf der F.-Seite von „Spiegel-Online" zu dem Artikel mit der Überschrift „Österreich kündigt Grenzkontrollen an" eingestellten Kommentar mit folgendem Wortlaut:

"... Gar sehr verzwickt ist diese Welt, mich wundert's daß sie wem gefällt. Wilhelm Busch (1832 - 1908)

Wusste bereits Wilhelm Busch 1832 zu sagen:-D Ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit Ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir.“

zu löschen,

2. die Antragstellerin wegen der erneuten Einstellung dieses Kommentars auf der Plattform www.f...com zu sperren.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, den im Tenor unter Ziffer I 1 wiedergegebenen Textbeitrag auf www.f...com zu löschen und sie wegen des Einstellens des vorgenannten Textbeitrages auf www.f....com zu sperren.

Das Landgericht München II hat mit Beschluss vom 14.08.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund bestehe. Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (Bl. 31/33 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den ihr am 17.08.2018 formlos bekannt gegebenen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.08.2018, beim Landgericht München II eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 35/38 d.A. mit den zugehörigen Anlagen) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.08.2018 (Bl. 39/40 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landgericht hat den mit der sofortigen Beschwerde angreifbaren Beschluss entgegen der Vorschrift des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht förmlich zugestellt; die zweiwöchige Notfrist des § 569 ZPO ist aber offensichtlich gewahrt.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Antrag vom 10.08.2018 auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig.

a) Die vom Landgericht stillschweigend unterstellte - auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426) - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist zu bejahen.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt. In beiden Fällen wäre das Landgericht München II örtlich und damit auch international zuständig.

Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „F.k-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz der Antragstellerin zu erfüllen. Falls die Sperrung der Antragstellerin bzw. die Löschung eines von ihr geposteten Beitrages ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte dieses primär an ihrem Wohnsitz ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Antragstellerin auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Antragsgegnerin auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 02.03.2010 - VI ZR 23/09, Rn. 20 ff., BGHZ 184, 313).

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Antrag auch insoweit hinreichend bestimmt, als die Antragstellerin der Antragsgegnerin untersagen möchte, sie wegen des im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer I 1 wiedergegebenen Kommentars (im Folgenden: streitgegenständliche Äußerung) auf der Plattform www.f...com zu sperren. Die gebotene Auslegung ergibt eindeutig, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin sowohl die Löschung des Kommentars als auch eine hierauf gestützte Sperrung ihrer Person verbieten lassen will. Die etwas missverständliche Formulierung „und/oder“ soll zum Ausdruck bringen, dass sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag nicht nur gegen die Kombination von Löschung und Sperrung wendet.

2. Der Antrag ist auch begründet. Das Landgericht hat sowohl das Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu Unrecht verneint.

a) Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung sowie der hierauf gestützten Sperrung der Antragsgegnerin auf der Social-Media-Plattform www.f...com ist jeweils der zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, durch den sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, der Antragstellerin die Nutzung der von ihr angebotenen „F.-Dienste“ zu ermöglichen, in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB.

aa) Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie sich im sozialen Netzwerk „F.“ als Nutzerin angemeldet hatte.

Sie hat an Eides Statt versichert, dass sie auf der F.-Seite von „Spiegel-Online“ den dort am 07.08.2018 veröffentlichten Artikel mit der Überschrift „Österreich kündigt Grenzkontrollen an“ kommentiert hatte und im Rahmen der sich entwickelnden Diskussion mit der streitgegenständlichen Äußerung auf einen kritischen Kommentar der weiteren F.-Nutzerin geantwortet hatte (Anlage JS 7). Die Tatsache, dass die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin als Nutzerin registriert ist, wird zudem durch die in die Antragsschrift vom 10.08.2018 auf Seite 10 eingescannte Mitteilung bestätigt, dass die Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen die „Gemeinschaftsstandards“ der Antragsgegnerin für 30 Tage gesperrt sei.

bb) Mit der Anmeldung ist zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ein Vertragsverhältnis zustande gekommen.

Wie dem Beschwerdegericht aus dem eine vergleichbare Fallkonstellation betreffenden Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 18 W 858/18 bekannt ist, bietet die Antragsgegnerin ihren Nutzern unter der Bezeichnung „F.-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie über ihre Webseite www.f...k.com bereitstellt. Unter anderem eröffnet sie ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb des eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Antragsgegnerin kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag rechtlich nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann; es dürfte sich um einen Vertrag sui generis handeln. Eine abschließende Klärung der Rechtsnatur des Vertrages ist im vorliegenden Verfahren indes nicht geboten. Das ausführliche Regelwerk der Antragsgegnerin - vor allem die in den Sonderbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (vorgelegt als Anlage JS 4) enthaltenen Klauseln zur Rechtswahl (Nr. 5), zum Kündigungsrecht der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund (Nr. 4) und zur Haftungsbegrenzung (Nr. 6) - lässt jedenfalls erkennen, dass die Antragsgegnerin ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

b) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Äußerung gelöscht hat. Dies ergibt sich eindeutig aus der in die eidesstattliche Versicherung (Anlage JS 7) eingescannten Mitteilung der Antragsgegnerin, dass die dort wörtlich wiedergegebene Äußerung nur für die Antragstellerin sichtbar sei, weil sie gegen die Gemeinschaftsstandards (seil.: der Antragsgegnerin) verstoße.

Mit der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung hat die Antragsgegnerin ihre Vertragspflicht verletzt, auf die Rechte der Antragstellerin, insbesondere deren Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), Rücksicht zu nehmen.

aa) Ausweislich der von ihr angegebenen Begründung für die Löschung der Äußerung hat die Antragsgegnerin von einer Befugnis Gebrauch machen wollen, welche in ihrer - von der Antragstellerin nicht vorgelegten, dem Beschwerdegericht aber aus dem Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 18 W 858/18 bekannten - „Erklärung der Rechte und Pflichten“ unter Nr. 5.2 geregelt ist. Bei diesem Regelwerk handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die maßgebliche Klausel Nr. 5 lautet auszugsweise wie folgt:

„5. Schutz der Rechte anderer Personen Wir respektieren die Rechte anderer und erwarten von dir, dass du dies ebenfalls tust.“

1. Du wirst keine Inhalte auf F.k posten oder Handlungen auf F. durchführen, welche die Rechte einer anderen Person verletzen oder auf sonstige Art gegen das Gesetz verstoßen.

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (…).“

Die Klausel Nr. 5.2 ist allerdings unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Nach dem Wortlaut der Klausel - dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht - kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 - 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform www.f...com dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen Marktplatz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 - 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 - 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Den Grundrechten kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Hierbei sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 - 1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667).

Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261). Im vorliegenden Fall bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung dem von der Antragstellerin geltend gemachten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist. Mit dem gebotenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz wäre es unvereinbar, wenn die Antragsgegnerin gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“ (vgl. LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999 - 10 O 457/99, NJW 2000, 961) auf der von ihr bereitgestellten Social-Media-Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Richtlinien erblickt, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet.

bb) Die in den (ebenfalls nicht vorgelegten, dem Beschwerdegericht aber aus dem Beschwerdeverfahren 18 W … bekannten) Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin geregelte Befugnis zur Entfernung sogenannter „Hassbotschaften“ -definiert als Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreifen - wird von der Nichtigkeit der Klausel Nr. 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ nicht unmittelbar berührt. Denn diese Befugnis stellt hinsichtlich der Einordnung eines Inhalts als „Hassbotschaft“ nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der für diese handelnden Personen, sondern auf objektivierbare Kriterien ab.

Auf eine Verletzung ihrer Gemeinschaftsstandards kann die Antragsgegnerin die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung aber nicht stützen, weil diese evident keine „Hassbotschaft“ nach der Definition der Antragsgegnerin darstellt. Es bedarf daher im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob die Gemeinschaftsstandards als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten würden.

(1) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 - VI ZR 505/14, Rn. 11 m.w.N., MDR 2016, 648 f.). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339 - 356).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche Äußerung der Antragsgegnerin wie folgt zu interpretieren:

Aufgrund des zu Beginn genannten Namens „.. “ erkennt der verständige und unvoreingenommene Leser im Kontext der F.-Seite von „Spiegel-Online“ mit den dort veröffentlichten Kommentaren zu dem Artikel „Österreich kündigt Grenzkontrollen an“, dass die Antragstellerin sich mit der streitgegenständlichen Äußerung direkt an… wendet, die sich an der auf der Webseite geführten Diskussion beteiligt hatte. Deren Diskussionsbeitrag wird von der Antragstellerin allerdings weder wörtlich noch sinngemäß wiedergegeben.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts macht dieser Umstand im vorliegenden Fall ausnahmsweise die vollständige Erfassung des Sinngehalts der streitgegenständlichen Äußerung nicht unmöglich. Denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass … sich zuvor kritisch zu dem von der Antragstellerin selbst geposteten, in ihrer eidesstattlichen Versicherung (Anlage JS 7) wiedergegebenen Kommentar geäußert hatte. Die Mitteilung dieses Kontextes ermöglicht dem Beschwerdegericht die Interpretation der streitgegenständlichen Äußerung, ohne dass hierfür die Kenntnis des vorausgegangenen Beitrags von … - mit dem sich die streitgegenständliche Äußerung gar nicht inhaltlich auseinandersetzt - erforderlich wäre.

Die Antwort der Antragstellerin an … wird mit der Wiedergabe eines kurzen - als solches kenntlich gemachten - Zitats von Wilhelm Busch in Versform eingeleitet, in dem dieser seine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringt, dass diese „gar sehr verzwickt(e)“ Welt jemandem gefallen könne. Dem Zitat liegt offensichtlich ein pessimistisches Weltbild zugrunde. Der maßgebliche Leser erkennt, dass Wilhelm Busch mit der geäußerten Verwunderung darüber, dass es Menschen gibt, denen die Welt trotz ihrer „Verzwicktheit“ gefällt, den Vertretern einer positiveren Weltsicht letztlich ein ausreichendes Urteilsvermögen abspricht, weil diese nicht in der Lage seien, die Komplexität und Unvollkommenheit der tatsächlich existierenden Welt zu erkennen.

Aufgrund dieser Interpretation des Zitats erschließt sich dem verständigen und unvoreingenommenen Leser auch, dass die Antragstellerin mit der Verwendung des Zitats ihrer Kritikerin … mangelndes Urteilsvermögen vorwirft. In dieser Interpretation sieht er sich durch den weiteren Inhalt der streitgegenständlichen Äußerung bestätigt: Die Aussage „Wusste bereits Wilhelm Busch 1832 zu sagen“ und die anschließende Zeichenkombination „:-D“, welche, nach den Gepflogenheiten der Internet-Kommunikation ein laut - aber nicht unbedingt freundlich - lachendes Gesicht symbolisiert, erkennt der Leser als Übertragung der allgemeinen Aussage des Zitats auf die Person der Kritikerin.

Letzte Zweifel werden durch den abschließenden Satz der streitgegenständlichen Äußerung „ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir.“ ausgeräumt. Damit bringt die Antragstellerin aus Sicht des maßgeblichen Lesers zum Ausdruck, dass sie auf die Eröffnung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit … verzichtet, weil sie ihre Kritikerin nicht für „intellektuell satisfaktionsfähig“ hält. Diese sei „unbewaffnet“, was der Leser im Kontext dahin versteht, dass die Kritikerin ihre gegenteilige Auffassung nicht auf tragfähige Argumente stützen könne. Die abschließende Bemerkung, dass die Fortsetzung der Diskussion „nicht besonders fair“ wäre, erkennt der Leser als Betonung ihrer eigenen intellektuellen Überlegenheit durch die Antragstellerin.

(3) Mit diesem durch Interpretation ermittelten Aussagegehalt kann die streitgegenständliche Äußerung evident nicht als „direkter Angriff auf Personen wegen ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten“ und damit als „Hassbotschaft“ im Sinne der Definition der Antragsgegnerin gewertet werden. Die Antragstellerin führt vielmehr eine persönliche Auseinandersetzung mit einer individuellen Kritikerin.

cc) Eine andere Rechtsgrundlage, auf welche die Antragsgegnerin die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung stützen könnte, ist nicht ersichtlich.

(1) Insbesondere stellt die Äußerung keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der in dieser Vorschrift genannten Strafnormen sind ganz offensichtlich nicht erfüllt.

(2) Dahinstehen kann, ob die streitgegenständliche Äußerung das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) der F.-Nutzerin verletzt.

Denn zur Geltendmachung einer etwaigen Verletzung dieses allein ihrer Nutzerin zustehenden Rechts wäre die Antragsgegnerin nicht aktivlegitimiert.

c) Da die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung rechtswidrig war, stellt auch die mit der Einstellung dieser Äußerung auf www.f...com begründete Sperrung der Antragstellerin eine Vertragspflichtverletzung seitens der Antragsgegnerin dar. Durch Einscannen der Mitteilung der Antragsgegnerin auf Seite 10 der Antragsschrift vom 10.08.2018 und ihre eidesstattliche Versicherung vom 09.08.2018 (Anlage JS 7) hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin sie wegen der streitgegenständlichen Äußerung für 30 Tage „für das Posten gesperrt“ hat.

d) Die rechtswidrige Löschung der streitgegenständlichen Äußerung und die rechtswidrige Sperrung der Antragsgegnerin auf der Plattform www.f...com begründet jeweils die für einen Unterlassungsanspruch konstitutive Wiederholungsgefahr.

Bei einem auf die direkte oder analoge Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Unterlassungsanspruch bildet die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ein Tatbestandsmerkmal und damit eine materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 19.10.2004 - VI ZR 292/03, NJW 2005, 594, 595). Für einen Unterlassungsanspruch, der aus einem vertraglichen Erfüllungsanspruch abgeleitet wird, kann nach dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO im Ergebnis nichts anderes gelten. Nach dieser Vorschrift setzt eine Klage auf künftige Leistung voraus, dass den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Fehlt die Wiederholungsgefahr, wäre zumindest das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu verneinen.

e) Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hat das Landgericht ebenfalls mit einer nicht vertretbaren Begründung verneint.

aa) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass das Begehren der Antragstellerin auf den Erlass einer sogenannten Leistungsverfügung gerichtet ist. Rechtsfehlerhaft hat es aber ein dringendes Bedürfnis der Antragstellerin für den Erlass der begehrten Eilmaßnahme verneint.

(1) Wie oben unter Ziffer 2 lit. a dargelegt, kommt als Verfügungsanspruch nur der Erfüllungsanspruch der Antragstellerin aus dem mit der Antragsgegnerin geschlossenen Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Mit dem angestrebten Verbot einer Sperrung wegen der streitgegenständlichen Äußerung bezweckt die Antragstellerin in der Sache, dass ihr die ungehinderte Nutzung der Funktionen von www.f...com, insbesondere das Posten von Beiträgen, das Kommentieren fremder Beiträge sowie die Nutzung des Nachrichtensystems, ermöglicht wird. Der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung würde hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Erfüllungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu einer vollständigen Befriedigung der Antragsstellerin und damit zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.

Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setzt neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bei Bestehen einer dringenden Not- bzw. Zwangslage sowie im Falle einer Existenzgefährdung des Gläubigers. Sie ist auch zulässig, wenn die vom Schuldner zu erbringende Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. zum Vorstehenden Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6). In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung den Erlass einer Leistungsverfügung grundsätzlich für möglich erachtet (vgl. LG Kiel, Beschluss vom 14.03.2012 - 1 T 21/12, NJW-RR 2012, 1211: Sperrung eines Mobilfunkanschlusses; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.08.2009 - 3 W 45/09, NJW-RR 2010, 936: Erschwerung des Internetzugangs).

(2) Die Antragstellerin hat durch eidesstattliche Versicherung vom 09.08.2018 (Anlage JS 7) glaubhaft gemacht, dass sie von ihrer Sperrung am 09.08.2018 Kenntnis erlangt hat und dass die Sperrung noch andauert. Bei dieser Sachlage muss sich die Antragstellerin nicht auf die Erhebung der Hauptsacheklage gegen die Sperrung verweisen lassen. Unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Verfahrensgangs kann nahezu ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin bis zum Ablauf der auf 30 Tage befristeten Sperrung ein obsiegendes Urteil in der Hauptsache erstreiten könnte. Ihre Verweisung auf die Erhebung der Hauptsacheklage käme deshalb im Ergebnis einer Rechtsverweigerung gleich.

Verfehlt ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des Landgerichts, dass der Antragstellerin eine „soziale Kommunikation“ - über andere Kommunikationsmittel -grundsätzlich möglich sei. Diese Argumentation blendet den entscheidenden Gesichtspunkt aus, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein vertraglicher Erfüllungsanspruch auf die Bereitstellung der von dieser angebotenen „F.-Dienste“ zusteht.

Nicht gefolgt werden kann auch der Ansicht des Landgerichts, dass in der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung keine so weitgehende Einschränkung der Meinungsfreiheit der Antragstellerin liege, dass diese nicht im Rahmen einer Hauptsacheklage geltend gemacht werden könnte, weil die Äußerung in keinem Zusammenhang mit einem aktuellen Ereignis stehe. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkt sich nicht auf das Recht, zu aktuellen Ereignissen Stellung zu nehmen. Das Argument des Landgerichts ist zudem sachlich falsch. Mit der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin rechtswidrig verwehrt, sich an einer aktuell auf der F.-Seite von „Spiegel-Online“ geführten Debatte zu Grenzkontrollen zu beteiligen.

bb) Unverständlich sind die Ausführungen des Landgerichts, dass „hinsichtlich der Eilbedürftigkeit“ zu berücksichtigen sei, dass bei Eingang der Antragsschrift am 14.08.2018 bereits vier der 30 Tage der Sperrung der Antragstellerin verstrichen gewesen seien.

Es ist zwar allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines bestehenden Sicherungs- oder Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00, Rn. 14, zit. nach juris, NJW-RR 2001, 1201; Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 4 m.w.N.). Mit dem Verstreichenlassen eines Zeitraums von nur vier Tagen (!) kann aber keinesfalls eine Selbstwiderlegung der von der Antragstellerin behaupteten Dringlichkeit durch eigenes Verhalten begründet werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die zugrundeliegende Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Eine ausdrückliche Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich. Einstweilige Verfügungen sind Vollstreckungstitel, die mit Erlass des Beschlusses sofort vollstreckbar sind, ohne dass es einer Entscheidung hierüber bedarf (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 929 Rn. 1 m.w.N.).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 14.08.2018, Az.: 11 O 3129/18, abgeändert und folgende einstweilige Verfügung erlassen:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten untersagt,

1. einen von der Antragstellerin auf der F.-Seite von „Spiegel-Online" zu dem Artikel mit der Überschrift „Österreich kündigt Grenzkontrollen an" eingestellten Kommentar mit folgendem Wortlaut:

"... Gar sehr verzwickt ist diese Welt, mich wundert's daß sie wem gefällt. Wilhelm Busch (1832 - 1908)

Wusste bereits Wilhelm Busch 1832 zu sagen:-D Ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit Ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir.“

zu löschen,

2. die Antragstellerin wegen der erneuten Einstellung dieses Kommentars auf der Plattform www.f...com zu sperren.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, den im Tenor unter Ziffer I 1 wiedergegebenen Textbeitrag auf www.f...com zu löschen und sie wegen des Einstellens des vorgenannten Textbeitrages auf www.f....com zu sperren.

Das Landgericht München II hat mit Beschluss vom 14.08.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund bestehe. Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (Bl. 31/33 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den ihr am 17.08.2018 formlos bekannt gegebenen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.08.2018, beim Landgericht München II eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 35/38 d.A. mit den zugehörigen Anlagen) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.08.2018 (Bl. 39/40 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landgericht hat den mit der sofortigen Beschwerde angreifbaren Beschluss entgegen der Vorschrift des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht förmlich zugestellt; die zweiwöchige Notfrist des § 569 ZPO ist aber offensichtlich gewahrt.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Antrag vom 10.08.2018 auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig.

a) Die vom Landgericht stillschweigend unterstellte - auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426) - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist zu bejahen.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt. In beiden Fällen wäre das Landgericht München II örtlich und damit auch international zuständig.

Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „F.k-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz der Antragstellerin zu erfüllen. Falls die Sperrung der Antragstellerin bzw. die Löschung eines von ihr geposteten Beitrages ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte dieses primär an ihrem Wohnsitz ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Antragstellerin auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Antragsgegnerin auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 02.03.2010 - VI ZR 23/09, Rn. 20 ff., BGHZ 184, 313).

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Antrag auch insoweit hinreichend bestimmt, als die Antragstellerin der Antragsgegnerin untersagen möchte, sie wegen des im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer I 1 wiedergegebenen Kommentars (im Folgenden: streitgegenständliche Äußerung) auf der Plattform www.f...com zu sperren. Die gebotene Auslegung ergibt eindeutig, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin sowohl die Löschung des Kommentars als auch eine hierauf gestützte Sperrung ihrer Person verbieten lassen will. Die etwas missverständliche Formulierung „und/oder“ soll zum Ausdruck bringen, dass sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag nicht nur gegen die Kombination von Löschung und Sperrung wendet.

2. Der Antrag ist auch begründet. Das Landgericht hat sowohl das Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu Unrecht verneint.

a) Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung sowie der hierauf gestützten Sperrung der Antragsgegnerin auf der Social-Media-Plattform www.f...com ist jeweils der zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, durch den sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, der Antragstellerin die Nutzung der von ihr angebotenen „F.-Dienste“ zu ermöglichen, in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB.

aa) Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie sich im sozialen Netzwerk „F.“ als Nutzerin angemeldet hatte.

Sie hat an Eides Statt versichert, dass sie auf der F.-Seite von „Spiegel-Online“ den dort am 07.08.2018 veröffentlichten Artikel mit der Überschrift „Österreich kündigt Grenzkontrollen an“ kommentiert hatte und im Rahmen der sich entwickelnden Diskussion mit der streitgegenständlichen Äußerung auf einen kritischen Kommentar der weiteren F.-Nutzerin geantwortet hatte (Anlage JS 7). Die Tatsache, dass die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin als Nutzerin registriert ist, wird zudem durch die in die Antragsschrift vom 10.08.2018 auf Seite 10 eingescannte Mitteilung bestätigt, dass die Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen die „Gemeinschaftsstandards“ der Antragsgegnerin für 30 Tage gesperrt sei.

bb) Mit der Anmeldung ist zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ein Vertragsverhältnis zustande gekommen.

Wie dem Beschwerdegericht aus dem eine vergleichbare Fallkonstellation betreffenden Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 18 W 858/18 bekannt ist, bietet die Antragsgegnerin ihren Nutzern unter der Bezeichnung „F.-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie über ihre Webseite www.f...k.com bereitstellt. Unter anderem eröffnet sie ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb des eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Antragsgegnerin kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag rechtlich nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann; es dürfte sich um einen Vertrag sui generis handeln. Eine abschließende Klärung der Rechtsnatur des Vertrages ist im vorliegenden Verfahren indes nicht geboten. Das ausführliche Regelwerk der Antragsgegnerin - vor allem die in den Sonderbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (vorgelegt als Anlage JS 4) enthaltenen Klauseln zur Rechtswahl (Nr. 5), zum Kündigungsrecht der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund (Nr. 4) und zur Haftungsbegrenzung (Nr. 6) - lässt jedenfalls erkennen, dass die Antragsgegnerin ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

b) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Äußerung gelöscht hat. Dies ergibt sich eindeutig aus der in die eidesstattliche Versicherung (Anlage JS 7) eingescannten Mitteilung der Antragsgegnerin, dass die dort wörtlich wiedergegebene Äußerung nur für die Antragstellerin sichtbar sei, weil sie gegen die Gemeinschaftsstandards (seil.: der Antragsgegnerin) verstoße.

Mit der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung hat die Antragsgegnerin ihre Vertragspflicht verletzt, auf die Rechte der Antragstellerin, insbesondere deren Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), Rücksicht zu nehmen.

aa) Ausweislich der von ihr angegebenen Begründung für die Löschung der Äußerung hat die Antragsgegnerin von einer Befugnis Gebrauch machen wollen, welche in ihrer - von der Antragstellerin nicht vorgelegten, dem Beschwerdegericht aber aus dem Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 18 W 858/18 bekannten - „Erklärung der Rechte und Pflichten“ unter Nr. 5.2 geregelt ist. Bei diesem Regelwerk handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die maßgebliche Klausel Nr. 5 lautet auszugsweise wie folgt:

„5. Schutz der Rechte anderer Personen Wir respektieren die Rechte anderer und erwarten von dir, dass du dies ebenfalls tust.“

1. Du wirst keine Inhalte auf F.k posten oder Handlungen auf F. durchführen, welche die Rechte einer anderen Person verletzen oder auf sonstige Art gegen das Gesetz verstoßen.

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (…).“

Die Klausel Nr. 5.2 ist allerdings unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Nach dem Wortlaut der Klausel - dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht - kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 - 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform www.f...com dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen Marktplatz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 - 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 - 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Den Grundrechten kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Hierbei sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 - 1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667).

Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261). Im vorliegenden Fall bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung dem von der Antragstellerin geltend gemachten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist. Mit dem gebotenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz wäre es unvereinbar, wenn die Antragsgegnerin gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“ (vgl. LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999 - 10 O 457/99, NJW 2000, 961) auf der von ihr bereitgestellten Social-Media-Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Richtlinien erblickt, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet.

bb) Die in den (ebenfalls nicht vorgelegten, dem Beschwerdegericht aber aus dem Beschwerdeverfahren 18 W … bekannten) Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin geregelte Befugnis zur Entfernung sogenannter „Hassbotschaften“ -definiert als Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreifen - wird von der Nichtigkeit der Klausel Nr. 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ nicht unmittelbar berührt. Denn diese Befugnis stellt hinsichtlich der Einordnung eines Inhalts als „Hassbotschaft“ nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der für diese handelnden Personen, sondern auf objektivierbare Kriterien ab.

Auf eine Verletzung ihrer Gemeinschaftsstandards kann die Antragsgegnerin die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung aber nicht stützen, weil diese evident keine „Hassbotschaft“ nach der Definition der Antragsgegnerin darstellt. Es bedarf daher im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob die Gemeinschaftsstandards als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten würden.

(1) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 - VI ZR 505/14, Rn. 11 m.w.N., MDR 2016, 648 f.). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339 - 356).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche Äußerung der Antragsgegnerin wie folgt zu interpretieren:

Aufgrund des zu Beginn genannten Namens „.. “ erkennt der verständige und unvoreingenommene Leser im Kontext der F.-Seite von „Spiegel-Online“ mit den dort veröffentlichten Kommentaren zu dem Artikel „Österreich kündigt Grenzkontrollen an“, dass die Antragstellerin sich mit der streitgegenständlichen Äußerung direkt an… wendet, die sich an der auf der Webseite geführten Diskussion beteiligt hatte. Deren Diskussionsbeitrag wird von der Antragstellerin allerdings weder wörtlich noch sinngemäß wiedergegeben.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts macht dieser Umstand im vorliegenden Fall ausnahmsweise die vollständige Erfassung des Sinngehalts der streitgegenständlichen Äußerung nicht unmöglich. Denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass … sich zuvor kritisch zu dem von der Antragstellerin selbst geposteten, in ihrer eidesstattlichen Versicherung (Anlage JS 7) wiedergegebenen Kommentar geäußert hatte. Die Mitteilung dieses Kontextes ermöglicht dem Beschwerdegericht die Interpretation der streitgegenständlichen Äußerung, ohne dass hierfür die Kenntnis des vorausgegangenen Beitrags von … - mit dem sich die streitgegenständliche Äußerung gar nicht inhaltlich auseinandersetzt - erforderlich wäre.

Die Antwort der Antragstellerin an … wird mit der Wiedergabe eines kurzen - als solches kenntlich gemachten - Zitats von Wilhelm Busch in Versform eingeleitet, in dem dieser seine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringt, dass diese „gar sehr verzwickt(e)“ Welt jemandem gefallen könne. Dem Zitat liegt offensichtlich ein pessimistisches Weltbild zugrunde. Der maßgebliche Leser erkennt, dass Wilhelm Busch mit der geäußerten Verwunderung darüber, dass es Menschen gibt, denen die Welt trotz ihrer „Verzwicktheit“ gefällt, den Vertretern einer positiveren Weltsicht letztlich ein ausreichendes Urteilsvermögen abspricht, weil diese nicht in der Lage seien, die Komplexität und Unvollkommenheit der tatsächlich existierenden Welt zu erkennen.

Aufgrund dieser Interpretation des Zitats erschließt sich dem verständigen und unvoreingenommenen Leser auch, dass die Antragstellerin mit der Verwendung des Zitats ihrer Kritikerin … mangelndes Urteilsvermögen vorwirft. In dieser Interpretation sieht er sich durch den weiteren Inhalt der streitgegenständlichen Äußerung bestätigt: Die Aussage „Wusste bereits Wilhelm Busch 1832 zu sagen“ und die anschließende Zeichenkombination „:-D“, welche, nach den Gepflogenheiten der Internet-Kommunikation ein laut - aber nicht unbedingt freundlich - lachendes Gesicht symbolisiert, erkennt der Leser als Übertragung der allgemeinen Aussage des Zitats auf die Person der Kritikerin.

Letzte Zweifel werden durch den abschließenden Satz der streitgegenständlichen Äußerung „ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir.“ ausgeräumt. Damit bringt die Antragstellerin aus Sicht des maßgeblichen Lesers zum Ausdruck, dass sie auf die Eröffnung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit … verzichtet, weil sie ihre Kritikerin nicht für „intellektuell satisfaktionsfähig“ hält. Diese sei „unbewaffnet“, was der Leser im Kontext dahin versteht, dass die Kritikerin ihre gegenteilige Auffassung nicht auf tragfähige Argumente stützen könne. Die abschließende Bemerkung, dass die Fortsetzung der Diskussion „nicht besonders fair“ wäre, erkennt der Leser als Betonung ihrer eigenen intellektuellen Überlegenheit durch die Antragstellerin.

(3) Mit diesem durch Interpretation ermittelten Aussagegehalt kann die streitgegenständliche Äußerung evident nicht als „direkter Angriff auf Personen wegen ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten“ und damit als „Hassbotschaft“ im Sinne der Definition der Antragsgegnerin gewertet werden. Die Antragstellerin führt vielmehr eine persönliche Auseinandersetzung mit einer individuellen Kritikerin.

cc) Eine andere Rechtsgrundlage, auf welche die Antragsgegnerin die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung stützen könnte, ist nicht ersichtlich.

(1) Insbesondere stellt die Äußerung keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der in dieser Vorschrift genannten Strafnormen sind ganz offensichtlich nicht erfüllt.

(2) Dahinstehen kann, ob die streitgegenständliche Äußerung das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) der F.-Nutzerin verletzt.

Denn zur Geltendmachung einer etwaigen Verletzung dieses allein ihrer Nutzerin zustehenden Rechts wäre die Antragsgegnerin nicht aktivlegitimiert.

c) Da die Löschung der streitgegenständlichen Äußerung rechtswidrig war, stellt auch die mit der Einstellung dieser Äußerung auf www.f...com begründete Sperrung der Antragstellerin eine Vertragspflichtverletzung seitens der Antragsgegnerin dar. Durch Einscannen der Mitteilung der Antragsgegnerin auf Seite 10 der Antragsschrift vom 10.08.2018 und ihre eidesstattliche Versicherung vom 09.08.2018 (Anlage JS 7) hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin sie wegen der streitgegenständlichen Äußerung für 30 Tage „für das Posten gesperrt“ hat.

d) Die rechtswidrige Löschung der streitgegenständlichen Äußerung und die rechtswidrige Sperrung der Antragsgegnerin auf der Plattform www.f...com begründet jeweils die für einen Unterlassungsanspruch konstitutive Wiederholungsgefahr.

Bei einem auf die direkte oder analoge Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Unterlassungsanspruch bildet die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ein Tatbestandsmerkmal und damit eine materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 19.10.2004 - VI ZR 292/03, NJW 2005, 594, 595). Für einen Unterlassungsanspruch, der aus einem vertraglichen Erfüllungsanspruch abgeleitet wird, kann nach dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO im Ergebnis nichts anderes gelten. Nach dieser Vorschrift setzt eine Klage auf künftige Leistung voraus, dass den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Fehlt die Wiederholungsgefahr, wäre zumindest das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu verneinen.

e) Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hat das Landgericht ebenfalls mit einer nicht vertretbaren Begründung verneint.

aa) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass das Begehren der Antragstellerin auf den Erlass einer sogenannten Leistungsverfügung gerichtet ist. Rechtsfehlerhaft hat es aber ein dringendes Bedürfnis der Antragstellerin für den Erlass der begehrten Eilmaßnahme verneint.

(1) Wie oben unter Ziffer 2 lit. a dargelegt, kommt als Verfügungsanspruch nur der Erfüllungsanspruch der Antragstellerin aus dem mit der Antragsgegnerin geschlossenen Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Mit dem angestrebten Verbot einer Sperrung wegen der streitgegenständlichen Äußerung bezweckt die Antragstellerin in der Sache, dass ihr die ungehinderte Nutzung der Funktionen von www.f...com, insbesondere das Posten von Beiträgen, das Kommentieren fremder Beiträge sowie die Nutzung des Nachrichtensystems, ermöglicht wird. Der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung würde hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Erfüllungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu einer vollständigen Befriedigung der Antragsstellerin und damit zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.

Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setzt neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bei Bestehen einer dringenden Not- bzw. Zwangslage sowie im Falle einer Existenzgefährdung des Gläubigers. Sie ist auch zulässig, wenn die vom Schuldner zu erbringende Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. zum Vorstehenden Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6). In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung den Erlass einer Leistungsverfügung grundsätzlich für möglich erachtet (vgl. LG Kiel, Beschluss vom 14.03.2012 - 1 T 21/12, NJW-RR 2012, 1211: Sperrung eines Mobilfunkanschlusses; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.08.2009 - 3 W 45/09, NJW-RR 2010, 936: Erschwerung des Internetzugangs).

(2) Die Antragstellerin hat durch eidesstattliche Versicherung vom 09.08.2018 (Anlage JS 7) glaubhaft gemacht, dass sie von ihrer Sperrung am 09.08.2018 Kenntnis erlangt hat und dass die Sperrung noch andauert. Bei dieser Sachlage muss sich die Antragstellerin nicht auf die Erhebung der Hauptsacheklage gegen die Sperrung verweisen lassen. Unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Verfahrensgangs kann nahezu ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin bis zum Ablauf der auf 30 Tage befristeten Sperrung ein obsiegendes Urteil in der Hauptsache erstreiten könnte. Ihre Verweisung auf die Erhebung der Hauptsacheklage käme deshalb im Ergebnis einer Rechtsverweigerung gleich.

Verfehlt ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des Landgerichts, dass der Antragstellerin eine „soziale Kommunikation“ - über andere Kommunikationsmittel -grundsätzlich möglich sei. Diese Argumentation blendet den entscheidenden Gesichtspunkt aus, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein vertraglicher Erfüllungsanspruch auf die Bereitstellung der von dieser angebotenen „F.-Dienste“ zusteht.

Nicht gefolgt werden kann auch der Ansicht des Landgerichts, dass in der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung keine so weitgehende Einschränkung der Meinungsfreiheit der Antragstellerin liege, dass diese nicht im Rahmen einer Hauptsacheklage geltend gemacht werden könnte, weil die Äußerung in keinem Zusammenhang mit einem aktuellen Ereignis stehe. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkt sich nicht auf das Recht, zu aktuellen Ereignissen Stellung zu nehmen. Das Argument des Landgerichts ist zudem sachlich falsch. Mit der Löschung der streitgegenständlichen Äußerung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin rechtswidrig verwehrt, sich an einer aktuell auf der F.-Seite von „Spiegel-Online“ geführten Debatte zu Grenzkontrollen zu beteiligen.

bb) Unverständlich sind die Ausführungen des Landgerichts, dass „hinsichtlich der Eilbedürftigkeit“ zu berücksichtigen sei, dass bei Eingang der Antragsschrift am 14.08.2018 bereits vier der 30 Tage der Sperrung der Antragstellerin verstrichen gewesen seien.

Es ist zwar allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines bestehenden Sicherungs- oder Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00, Rn. 14, zit. nach juris, NJW-RR 2001, 1201; Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 4 m.w.N.). Mit dem Verstreichenlassen eines Zeitraums von nur vier Tagen (!) kann aber keinesfalls eine Selbstwiderlegung der von der Antragstellerin behaupteten Dringlichkeit durch eigenes Verhalten begründet werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die zugrundeliegende Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Eine ausdrückliche Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich. Einstweilige Verfügungen sind Vollstreckungstitel, die mit Erlass des Beschlusses sofort vollstreckbar sind, ohne dass es einer Entscheidung hierüber bedarf (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 929 Rn. 1 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 505/14 Verkündet am:
12. April 2016
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu der zutreffenden Sinndeutung einer Äußerung und zu den Voraussetzungen
einer zulässigen Verdachtsberichterstattung (hier: Pressebericht über eine
Organentnahme).
BGH, Urteil vom 12. April 2016 - VI ZR 505/14 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2016:120416UVIZR505.14.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Stöhr und Offenloch und die Richterinnen Dr. Oehler und Dr. Roloff

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 2014 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2013 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts und die bundesweite Koordinierungsstelle für postmortale Organspenden gemäß § 11 Abs. 1 Transplantationsgesetz (im Folgenden "TPG"). Sie nimmt die Beklagten, die Verlegerin der Tageszeitung TAZ und eine Journalistin, wegen der Veröffentlichung eines Artikels vom 8. Mai 2012 auf Unterlassung in Anspruch. In dem Artikel befasst sich die Beklagte zu 2 kritisch mit dem damaligen Medizinischen Vorstand der Klägerin Prof. Dr. K. sowie einer in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 2005 erfolgten Organentnahme. Er lautet in den hier erheblichen Passagen wie folgt: "(…) Die Herausnahme der Organe (…) sollte beginnen. Der junge Kollege, der die hierfür nötigen Formalitäten überprüfen musste, war damals noch nicht lan- ge Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (…). Aber das klei- ne Einmaleins der Hirntoddiagnostik (…) kannte er. Er wurde stutzig. Es fehlte nicht bloß irgendeine Unterschrift. Es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll , jenes Dokument also, das hätte bestätigen müssen, dass bei dem Mann (…) der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen nicht bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden war. Sondern dass der Hirntod nach einem gewissen zeitlichen Abstand erneut und von einem zweiten Mediziner nachgewiesen worden war, um wirklich jeden Zweifel auszuschließen. Der Verdacht lag nahe, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden war. Fristlose Kündigung Der junge Mann informierte seine Vorgesetzte in der nordrhein-westfälischen DSO-Zentrale [W.], und die wiederum noch in der Nacht ihren obersten Chef in der DSO-Hauptverwaltung (…) [K.]. (…) an jenem 9. Dezember wurden dem Spender (…) Organe entnommen (...). Ohne dass eine weitere Diagnostik erfolgt wäre. Und ohne dass das vorgeschriebene zweite Hirntod-Protokoll vorgelegen hätte. Kaum eine medizinische Prozedur ist so verbindlich geregelt wie die Hirntoddiagnostik. Seit 1997 besteht hierzu eine quasi gesetzliche Regelung durch das Transplantationsgesetz. Danach müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander den Hirntod zweimal bestimmen - und dies auch zweimal doku- mentieren, und zwar schriftlich. Die Düsseldorfer Organentnahme hätte unter diesen Umständen nicht stattfinden dürfen. Dass sie trotzdem erfolgte, geschah mit Billigung und unter der Verantwortlichkeit des Mannes, der damals wie heute an der Spitze der DSO steht: [K.], (…), Medizinischer Vorstand der DSO - und damit qua Amt der Monopolist für Leichenorgane in Deutschland. Wie weit [K.s] Macht reicht, macht der weitere Verlauf des Düsseldorfer Hirntod-Dramas deutlich: Eine Mitarbeiterin aus dem nordrhein-westfälischen DSO-Team, die sich für eine Klärung des Falls starkgemacht hatte, bekam die fristlose Kündigung zugestellt - per Bote um Mitternacht. (...) waren viele der Vorwürfe, die im Frühjahr 2012 durch ein Wirtschaftsprüfungsgutachten bestätigt wurden, dem Stiftungsrat seit etwa drei Jahren bekannt - ohne dass das Aufsichtsgremium eingriff. Erst als im Herbst 2011 durch anonyme Mails belastende Details öffentlich wurden, beauftragte der Stiftungsrat externe Prüfer. "Sie haben [K.] viel zu lange gehalten", sagt der frühere Ge- schäftsführende Arzt der DSO-Region Nord-Ost (…). "Wenn sie ihn jetzt fallen lassen, kommt das einem eigenen Schuldeingeständnis gleich". Keine Staatsanwaltschaft Etwa im Fall der Hirntoddiagnostik: Nachdem der Düsseldorfer Fall und [K.s] Haltung hierzu DSO-intern für breite Debatten gesorgt hatten, hätte man annehmen können, dass den DSO-Kontrollgremien an Transparenz und Aufklärung gelegen wäre. (…) (Sie) indes hielten es für opportun, die Sache selbst und damit unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu lösen. Auch die DSO beendete den Fall auf ihre Art - mit Kündigung und einem arbeitsrechtlichen Prozess gegen die kritische Mitarbeiterin, die eine Aufarbeitung der umstrittenen Organentnahme gefordert hatte. In einem der vielen Schriftsätze, die daraufhin ergingen , ließ die DSO immerhin durch ihre Anwälte ein brisantes Fehlverhalten einräumen : "Richtig ist, dass es im Dezember 2005 in Düsseldorf eine Organentnahme gab, bei welcher die Hirntot-Diagnostik [gemeint ist hier: HirntodDiagnostik ] in einem Punkt von der bei der Beklagten üblichen und vorgegebenen Art und Weise abwich. Die Beteiligten waren sich aber sicher, dass das zweite Protokoll existent war, es konnte zum Zeitpunkt der Organentnahme nur nicht aufgefunden werden." (…) Als die geschasste Mitarbeiterin daraufhin den Stiftungsrat, die Überwachungskommission und die StäKO schriftlich um Hilfe bat, wurde sie vertröstet. Im Februar 2010 schließlich, da hatte sie längst zermürbt den Auflösungsvertrag unterschrieben , teilte ihr die Überwachungskommission lapidar mit: „Die von Ihnen berichtete Sache ließ sich nicht widerspruchsfrei klären.“ (…) Und so kommt es, dass [K.], wenn man heute noch einmal mit ihm sprechen möchte über die Geschehnisse damals in Düsseldorf, gelangweilt ins Telefon seufzt und mit einer Gegenfrage kontert: "Haben Sie etwa noch nie ein Papier verlegt?"
2
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen,
a) über eine in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 2005 erfolgte Organentnahme öffentlich zu behaupten, "es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll" und/oder "der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden" und/oder "der Verdacht lag nahe, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden war" (…) und
b) öffentlich zu behaupten: "Wie weit K.’s Macht reicht, macht der weitere Verlauf des Düsseldorfer Hirntod-Dramas deutlich: Eine Mitarbeiterin aus dem Nordrhein-Westfälischen DSO-Team, die sich für eine Klärung des Falls stark gemacht hatte, bekam die fristlose Kündigung zugestellt - per Bote um Mitternacht" (...).
3
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , ohne Erfolg machten die Beklagten geltend, dass der Klägerin als öffentlich Beliehene, die Staatsaufgaben ausübe, kein Grundrechtsschutz zustehe. Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts genössen grundsätzlich zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt werde. Zwar hätten sie weder eine persönliche Ehre noch könnten sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein. Sie genössen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeige, im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben strafrechtlichen Ehrenschutz, der zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen könne. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben. Die inkriminierten Äußerungen seien geeignet, die Behörde schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen , da sie den Ruf der Klägerin in einem hochsensiblen Bereich in der Öffentlichkeit herabsetzten.
5
Auch fehle es nicht an den Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr. Dass die Beklagten hinsichtlich der Internetveröffentlichung einen "Ergänzenden Bericht" gefertigt und ins Netz gestellt hätten, lasse die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Das gelte umso mehr, als es sich vorliegend um das Printmedium handele. An die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für die Wiederholungsgefahr seien hohe Anforderungen zu stellen, die nach der Rechtsprechung nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu erfüllen seien. Eine solche sei nicht abgegeben worden.
6
Zu Recht sei den Beklagten die öffentliche Behauptung untersagt worden , es habe das komplette zweite ärztliche Protokoll gefehlt, der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden, sowie der Verdacht habe nahegelegen, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden sei. Durch die Formulierung, es habe das komplette zweite ärztliche Protokoll gefehlt, werde bei einem unbefangenen Leser der falsche Eindruck erzeugt, dass sich nur ein Arzt mit dem Ausfall der Hirnfunktionen des Betroffenen auseinandergesetzt habe. Es sei für den unbefangenen Leser, der sich mit den Anforderungen des Transplantationsgesetzes nicht auskenne, nicht erkennbar , dass mit der Formulierung "der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden" die Feststellung durch einen zweiten Arzt bezüglich der Unwiederbringlichkeit der Hirnfunktionen gemeint sei. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der Artikel suggeriere, dass überhaupt keine Verlaufsuntersuchung stattgefunden habe. Dagegen spreche, dass es in dem Artikel heiße, dass der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen "bloß ein einziges Mal diagnostiziert" worden sei. Daraus sei zu schließen, dass dieser Ausfall wenigstens einmal festgestellt worden sei. Allerdings unterscheide der unbefangene Leser nicht zwischen Erstuntersuchung und Verlaufsuntersuchung und damit zwischen der Diagnose über den Ausfall der Hirnfunktionen und der zwei- ten Diagnose über den zweifelsfreien, vollständigen und unwiederbringlichen Ausfall.
7
Ohne Erfolg machten die Beklagten mit der Berufung geltend, sie hätten bereits in erster Instanz behauptet, dass es insgesamt nur einen Gutachter gegeben habe, nämlich Dr. S. Selbst wenn man diesen Vortrag zugrunde lege, ändere sich an der Berechtigung der Verbotsverfügung nichts. Denn wenn - wie unstreitig - Dr. S. zwei Untersuchungen vorgenommen habe, fehle jedenfalls nicht das komplette zweite ärztliche Protokoll. Und bezüglich des Satzes "der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden" bleibe es bei der Verbotsverfügung im Hinblick darauf, dass der unbedarfte Durchschnittsleser daraus den Schluss ziehe, dass ohnehin nur eine Untersuchung stattgefunden habe, weil er nicht zwischen Erst- und Verlaufsuntersuchung zu unterscheiden vermöge. Und auch der dritte Passus "der Verdacht lag nahe, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden sei" suggeriere entgegen der unstreitigen Tatsache, dass Dr. S. beide Untersuchungen vorgenommen habe, es sei nur eine Diagnose erfolgt. Davon abgesehen handele es sich bei der Behauptung der Beklagten, es sei überhaupt nur ein Arzt tätig geworden , um eine Behauptung ins Blaue hinein, für die es keinen Anhaltspunkt gebe und die deshalb keine Beweisaufnahme rechtfertige.
8
Auch bezüglich der zweiten streitgegenständlichen Äußerung stehe der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zu. Ohne Erfolg machten die Beklagten geltend, es liege keine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Denn in dem Artikel werde - wenn auch inzidenter - sehr wohl auf die Tatsache abgehoben, dass die Mitarbeiterin die Kündigung erhalten habe, weil sie sich für eine Klärung des Falles stark gemacht habe. Auch wenn im Artikel "nachdem" und nicht "weil" stehe, stelle der Leser den Zusammenhang zwingend her.

II.

9
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch wegen der beanstandeten Äußerungen nicht zu, § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 2 BGB, §§ 185 ff. StGB.
10
1. Zutreffend rügt die Revision, dass das Berufungsgericht seiner Würdigung Äußerungen zugrunde legt, die die Beklagten bei zutreffender Sinndeutung ihrer Aussagen in dieser Form nicht getätigt haben.
11
a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr., Senatsurteile vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14 mwN; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 19 mwN; vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 Rn. 14).
12
b) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht davon aus, durch die in Bezug auf die Organentnahme beanstandeten Äußerungen werde bei einem unbefangenen Durchschnittsleser der Eindruck erzeugt, dass der Ausfall der Hirnfunktionen des Betroffenen nur durch einen Arzt - und nicht durch zwei Ärzte - diagnostiziert worden sei. Der Artikel stellt schon nicht die Behauptung auf, der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden.
13
aa) Nach seinem Wortlaut enthält der Artikel dazu keine Aussage. Er befasst sich vielmehr damit, ob die für die Feststellung des Hirntodes erforderlichen Voraussetzungen ("Formalitäten") vor der in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 2005 erfolgten Organentnahme vorgelegen haben. Dazu führt er aus, dass das "komplette zweite ärztliche Protokoll" gefehlt habe, "jenes Dokument also, das hätte bestätigen müssen, dass (…) der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen nicht bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden war, sondern dass der Hirntod nach einem gewissen zeitlichen Abstand erneut von einem zweiten Mediziner nachgewiesen worden war (…)." DieBehauptung, es habe sich nur ein Arzt mit dem Ausfall der Hirnfunktionen des Betroffenen befasst, wird danach (gar) nicht aufgestellt. Es wird lediglich behauptet, dass vor der Organentnahme das Dokument gefehlt habe, aus dem sich die erforderliche Feststellung des Hirntodes durch einen zweiten Mediziner schriftlich ergab.
14
bb) Auch nach dem Gesamtzusammenhang, in den die Äußerung gestellt ist, wird der unbefangene Leser, der sich mit den Regelungen des Transplantationsgesetzes und den Voraussetzungen der Hirntoddiagnostik nicht befasst hat, den angegriffenen Äußerungen die ihr vom Berufungsgericht beigelegte Bedeutung nicht entnehmen.
15
Die Entnahme von Organen ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Transplantationsgesetzes (TPG) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung nur zulässig, wenn der Tod des Organspenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist. Die Feststellungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 TPG sind jeweils durch zwei dafür qualifizierte Ärzte zu treffen, die den Organspender unabhängig voneinander untersucht haben, § 5 Abs. 1 Satz 1 TPG. Die Feststellung der Untersuchungsergebnisse und ihr Zeitpunkt sind von den Ärzten unter Angabe der zugrundeliegenden Untersuchungsbefunde jeweils in einer Niederschrift aufzuzeichnen und zu unterschreiben, § 5 Abs. 2 Satz 3 TPG.
16
Gemäß den Richtlinien des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer zur Feststellung des Hirntodes in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden dritten Fortschreibung 1997 mit Ergänzungen gemäß Transplantationsgesetz (DÄBl. 95, Heft 30/1998, S. A-1861 ff.) ist Voraussetzung für die Diagnose des Hirntods die Feststellung einer akuten schweren Hirnschädigung, die Feststellung verschiedener klinischer Symptome sowie der Irreversibilitätsnachweis. Letzterer kann entweder durch ergänzende Befunde oder durch eine erneute Feststellung der klinischen Symptome nach einer Beobachtungszeit von 12 oder mehr Stunden geführt werden. Demgemäß sieht das den genannten Richtlinien beigefügte Formular eines Protokolls zur Feststellung des Hirntodes (DÄBl. 95, Heft 30/1998, S. A-1866) vor, dass unter Ziffer 1 des Protokolls Feststellungen zur Hirnschädigung zu treffen, unter Ziffer 2 klinische Symptome des Ausfalls der Hirnfunktion zu dokumentieren und unter Ziffer 3 der Irreversibilitätsnachweis durch Protokollierung der Beobachtungszeit oder ergänzende Untersuchungen festzuhalten sind, sowie sodann eine abschließende Diagnose zur Feststellung des Hirntods zu erfolgen hat.
17
Über diesen Hintergrund und insbesondere darüber, auf welchem Weg der untersuchende Arzt zu der abschließenden Diagnose gelangt, wird der Leser des Artikels indes nicht informiert. Er entnimmt dem Artikel nur, dass der Hirntod in dem zweifelsfreien, vollständigen und unwiederbringlichen Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen besteht, dass er vor der postmortalen Organspende von zwei Ärzten unabhängig voneinander bestimmt und schriftlich dokumentiert werden muss und dass bei der Organentnahme eine der beiden erforderlichen abschließenden Diagnosen nicht in der erforderlichen Dokumentationsform - Schriftform - vorgelegen habe.
18
Vor dem Hintergrund der in dem Artikel enthaltenen Informationen unterscheidet der Leser nicht zwischen der Erstuntersuchung, durch die die Hirnschädigung festgestellt wird und die klinischen Symptome diagnostiziert werden , und dem Irreversibilitätsnachweis durch eine Verlaufsuntersuchung, sondern sieht beide zur Feststellung des zweifelsfreien, vollständigen und unwiederbringlichen Ausfalls der Hirnfunktionen erforderlichen Diagnosen als eine - in jeweils einem Protokoll zu bescheinigende - Einheit an. Daher enthält der Artikel auch nach seinem Gesamtzusammenhang nicht die ihm von dem Berufungsgericht entnommene Aussage, es habe sich nur ein Arzt mit dem Ausfall der Hirnfunktionen des Betroffenen befasst, sondern lediglich die Behauptung, dass eines von zwei erforderlichen Protokollen gefehlt habe.
19
cc) Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die weitere angegriffene Äußerung , der Verdacht habe nahegelegen, dass die zweite Diagnostik schlicht vergessen worden sei.
20
(1) Diese enthält nun (erstmals) die Behauptung, dass die erforderliche Feststellung des Hirntodes durch einen zweiten Mediziner nicht nur bei der Organentnahme nicht schriftlich dokumentiert vorgelegen, sondern (gar) nicht stattgefunden habe, nämlich vergessen worden sei. Das wird nicht als gesichert wahr dargestellt, sondern nach dem Wortlaut des Artikels zunächst lediglich als mögliche Annahme des vor Ort zuständigen Mitarbeiters der Klägerin, des Zeugen N., geschildert. Nach dem Gesamtzusammenhang, in den diese Äußerung gestellt ist, lässt sich dem Artikel ferner weitergehend die Darstellung des Verdachts entnehmen, dass die erforderliche Feststellung des Hirntodes durch einen zweiten Mediziner (gar) nicht erfolgt sei. Das ergibt sich insbesondere aus dem Hinweis, dass der eingesetzten Überwachungskommission eine widerspruchsfreie Klärung der Sache nicht möglich gewesen sei, aber auch daraus, dass der Verdachtsdarstellung durch die in dem Artikel enthaltenen Zitate aus dem in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren der Zeugin H. eingereichten Schriftsatz der Klägerin sowie aus dem von der Beklagten zu 2 mit Prof. Dr. K. geführten Telefonat die andere Darstellung der Klägerin gegenübergestellt wird; nämlich , das (zweite) Protokoll habe nach Kenntnis der Beteiligten zunächst vorgelegen , sei aber vor der Organentnahme nicht mehr auffindbar gewesen.
21
(2) Wenn den vorherigen Äußerungen (das "komplette zweite ärztliche Protokoll" habe gefehlt, "jenes Dokument also, das hätte bestätigen müssen, dass (…) der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtli- cher Hirnfunktionen nicht bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden war“) aber die ihnen vom Berufungsgericht beigelegte Bedeutung zukäme, müsste sich die Bedeutung der Verdachtsaussage darin erschöpfen, welchen Grund das behauptete Versäumnis gehabt habe ("vergessen"). Das wiederum liegt nach dem dargestellten Gesamtzusammenhang fern.
22
c) Ferner zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Äußerungen zudem den Aussagegehalt entnommen, es habe lediglich eine Erstuntersuchung, aber keine Verlaufsuntersuchung durch einen Arzt stattgefunden.
23
Was die Beklagte zu 2 unter dem "kompletten zweiten ärztlichen Protokoll" versteht, wird unmittelbar nach der angegriffenen Aussage erläutert. Diesen Darlegungen ist - wie bereits ausgeführt - zweifelsfrei zu entnehmen, dass die schriftlich niedergelegte Diagnose eines zweiten Mediziners gemeint ist, nicht dagegen ein etwaig nicht erfolgter Irreversibilitätsnachweis im Rahmen der Diagnose des ersten Arztes. Die Annahme des Berufungsgerichts, ihnen könne auch der Aussagegehalt entnommen werden, dass nur ein Arzt (lediglich) eine Erstuntersuchung durchgeführt habe, ist schon wegen des Wortlauts der Formulierung ("der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen") fernliegend. Ihr wird der unbefangene Leser, der - wie oben dargelegt - nicht zwischen Erst- und Verlaufsuntersuchung zu unterscheiden vermag, jedenfalls entnehmen, dass sich ein Mediziner von dem irreversiblen Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen überzeugt habe. Im Hinblick auf die beiden vorhergehenden Aussagen wird er entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schließlich auch die dritte Äußerung zwanglos so verstehen, dass mit der dort genannten "zweiten Diagnostik" die Diagnose eines zweiten Arztes gemeint ist.
24
2. Durch die Äußerungen mit dem Aussagegehalt, bei der Organentnahme habe eine der beiden erforderlichen abschließenden Diagnosen nicht in der erforderlichen Dokumentationsform - Schriftform - vorgelegen ("es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll"), der Verdacht liege nahe, dass die zweite Diagnostik schlicht vergessen worden sei, sowie die Klägerin habe auf ein Verlangen nach Klärung durch eine Mitarbeiterin mit deren fristloser Kündigung reagiert, ist die Klägerin in ihrem sozialen Geltungsanspruch betroffen. Diese Aussagen sind auch geeignet, sie in ihrer Funktion zu beeinträchtigen, § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 2 BGB, §§ 185 ff. StGB (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 28 ff.). Weitere den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin beeinträchtigende Aussagen sind den angegriffenen Äußerungen indes nicht zu entnehmen.
25
a) Die Klägerin ist eine von einem gemeinnützigen Verein gegründete gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts gemäß §§ 80 ff. BGB (BT-Drucks. 13/4355, S. 10; Lang in Höfling, Transplantationsgesetz, 2. Aufl., § 11 Rn. 5, Fn. 15, Rn. 7 Fn. 18). Sie war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels aufgrund eines mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen , der Bundesärztekammer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossenen und am 16. Juli 2000 in Kraft getretenen privatrechtlichen Vertrags als Koordinierungsstelle gemäß § 11 Abs. 1 TPG tätig (BT-Drucks. 13/4355, S. 23; Lang, aaO, § 11 Rn. 5; Rosenberg, Die postmortale Organtransplantation , 2008, S. 49 f.; vgl. auch Ruppel, NZS 2012, 734, 735 f.; zur Rechtslage gemäß § 11 TPG in der ab dem 1. August 2012 geltenden Fassung vgl. Middel/Scholz in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl., TPG § 11 Rn. 2; Otto, Jura 2012, 745, 747 f.; Weyd, Jura 2013, 437, 442).
26
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 TPG ist die Entnahme von Organen verstorbener Spender einschließlich der Vorbereitung der Entnahme, Vermittlung und Übertragung gemeinschaftliche Aufgabe der Transplantationszentren und der Entnahmekrankenhäuser in regionaler Zusammenarbeit. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsaufgabe zugunsten aller Patienten auf der bundeseinheitlichen Warteliste. Die Organisation dieser Gemeinschaftsaufgabe ist der Klägerin als Auftragnehmerin durch den Vertrag vom 16. Juli 2000 übertragen und darin näher ausgestaltet worden, § 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 TPG (Middel/Scholz, aaO, Rn. 3 f.).
27
b) Es kann dahinstehen, ob der Klägerin ein Anspruch auf den - einer juristischen Person des Privatrechts zustehenden - Persönlichkeitsschutz gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG zugebilligt werden könnte; zur Beantwortung dieser Frage wäre zunächst zu klären, ob und inwieweit die Klägerin öffentliche Aufgaben wahrnimmt (vgl. BVerfGE 68, 193, 205 ff. - Zahntechnikerinnung; BVerfG, NJW 1987, 2501, 2502 - Technischer Überwachungsverein; NJW 1996, 584 - gemeinnützige Baugenossenschaft; BVerfGE 106, 28, 42 ff. - Mithörvorrichtung mwN; Remmert in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 42 ff., Stand September 2015). Denn jedenfalls genießt die Klägerin strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen ist (Senatsurteile vom 18. Mai 1971 - VI ZR 220/69, NJW 1971, 1655 - Sabotage; vom 18. Juni 1974 - VI ZR 16/73, VersR 1974, 1084 - Deutschland-Stiftung; vom 8. Juli 1980 - VI ZR 177/78, BGHZ 78, 24, 25 f. - Das Medizin Syndikat I; vgl. auch Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80, VersR 1982, 904 unter II 1; 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 27 ff.).
28
c) So liegt es hier hinsichtlich der Aussagen, die Klägerin habe im Fall des betroffenen Organspenders entgegen ihrer aus § 11 Abs. 4 Satz 4 TPG folgenden Verpflichtung eine gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG unzulässige Organentnahme zugelassen, weil dabei keine durch einen zweiten Mediziner erfolgte schriftliche Feststellung des Hirntodes vorgelegen habe, sowie, es bestehe der Verdacht, dass diese zweite Diagnostik vergessen worden sei, sowie, die Klägerin habe auf das Klärungsverlangen einer Mitarbeiterin mit einer fristlosen Kündigung reagiert. Diese Äußerungen beeinträchtigen das Ansehen und den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin. Sie sind zudem aufgrund des hohen Stellenwerts, der dem Vertrauen der Bevölkerung in die Einhaltung der ethischen Grundsätze und rechtlichen Regelungen sowie der Qualitäts- und Sicherheitsstandards in diesem Bereich der ärztlichen und pflegerischen Versorgung zukommt (vgl. BT-Drucks. 13/4355, S. 10; Stellungnahme des deutschen Ethikrates, Hirntod und Entscheidung zur Organspende vom 24. Februar 2015, S. 152), auch geeignet, das Vertrauen in die Arbeit der Klägerin und deren Funktionsfähigkeit zu gefährden.
29
d) Dagegen haben die Beklagten bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts ihrer Äußerungen die Aussage, der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden, in Bezug auf den Betroffenen und die streitgegenständliche Organentnahme (gar) nicht getätigt, so dass sie auch nicht verboten werden kann (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 1980 - VI ZR 177/78, GRUR 1980, 1090, 1094, insoweit in BGHZ 78, 24 ff. nicht abgedruckt; vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, NJW 2014, 3154 Rn. 14).
30
Auch hinsichtlich der Aussage, wonach die Kündigung durch einen Boten um Mitternacht zugestellt worden sein soll, ist die Klägerin nicht in ihrem sozialen Geltungsanspruch betroffen. Da nicht geschildert wird, unter welchen weiteren Umständen die behauptete Zustellung erfolgt sein soll, lässt die Äußerung keinen hinreichend bestimmten Schluss auf ein irgendwie geartetes rechtswidriges oder ansehenswidriges Verhalten der Klägerin zu, der sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch berühren könnte.
31
3. Die beanstandete Äußerung "es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll" war nicht rechtswidrig, §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, §§ 185 ff., 193 StGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 GG. Bei dieser Aussage handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, an deren Unterlassung ein anerkennenswertes Interesse der Klägerin nicht erkennbar ist.
32
a) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 17 mwN; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 8; vom 19. Januar 2016 - VI ZR 302/15, WM 2016, 405 Rn. 16).
33
b) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Aussage "es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll" um eine Tatsachenbehauptung. Was die Beklagte zu 2 unter dem "kompletten zweiten ärztlichen Protokoll" versteht, wird - wie oben ausgeführt - unmittelbar nach der angegriffenen Aussage erläutert. Der unbefangene Durchschnittsleser muss diese Darlegungen so verstehen , dass damit die schriftlich dokumentierte Feststellung des Hirntodes des Betroffenen durch einen zweiten Mediziner gemeint ist, ohne dass er sich auf der Grundlage des Artikels Vorstellungen dazu machen könnte, welche Voraussetzungen für diese abschließende Diagnose im Einzelnen erfüllt sein müssen.
34
c) Dass indes dieses Dokument bei der Organentnahme nicht vorlag, ist zwischen den Parteien unstreitig und von dem Berufungsgericht festgestellt. Die Tatsachenbehauptung ist wahr, so dass schon der Tatbestand des § 186 StGB nicht erfüllt sein dürfte. Jedenfalls ist ein anerkennenswertes Interesse der Klägerin an der Unterlassung wahrer Äußerungen im Hinblick auf die Kontrollfunktion der Presse und das erhebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der rechtlichen Regelungen sowie der Qualitäts- und Sicherheitsstandards im Bereich der Transplantationsmedizin nicht erkennbar und wird von ihr auch nicht geltend gemacht.
35
4. Die Aussage, es bestehe der Verdacht, dass die zweite Diagnostik vergessen worden sei, stellt eine Verdachtsbehauptung mit Meinungsbezug dar, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfällt. Die damit nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung vorzunehmende Abwägung (§ 193 StGB, Art. 5 Abs. 1 GG), die der Senat nach Lage des Falles selbst vornehmen kann, geht für den maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels zu Lasten der Klägerin aus. Damit besteht keine für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr.
36
a) Wie ausgeführt, enthält der Artikel die Darstellung des Verdachts, dass die erforderliche Feststellung des Hirntodes durch einen zweiten Mediziner nicht nur bei der Organentnahme nicht schriftlich vorgelegen, sondern (gar) nicht stattgefunden habe. Hierin erschöpft sich die Aussage aber nicht. Sie stellt ferner eine Vermutung zu dem Grund für das mögliche Versäumnis an. Insoweit handelt es sich um eine Meinungsäußerung, weil diese Vermutung entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt ist und eine subjektive Wertung enthält, wie es zu dem behaupteten Versäumnis gekommen sein könnte (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02, VersR 2004, 343, 344 f.).
37
Zwar hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine (zweite) schriftliche abschließende Diagnose des Hirntodes des Betroffenen ursprünglich vorgelegen hat und der die fragliche Organspende betreuende Mitarbeiter, der Zeuge N., diese - wie die Klägerin behauptet - zuvor gesehen hat. Es hat sich auch nicht mit der Frage befasst, ob die Beklagte zu 2 ihre Pflicht zur sorgfältigen Recherche erfüllt hat. Soweit es lediglich um die Frage der Rechtmäßigkeit der damaligen Berichterstattung geht, kann der Senat die gebotene Abwägung aber selbst vornehmen, weil hierzu weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind.
38
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt (Senatsurteil vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 15 mwN).
39
Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (Senatsurteil vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 16 mwN).
40
bb) Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels vor. Die seinerzeitige Verdachtsberichterstattung war durch die Wahrnehmung berechtigter Informationsinteressen der Öffentlichkeit gerechtfertigt.
41
(1) Ob die (Tatsachen-)Behauptung, eine abschließende Diagnose des Hirntodes des Betroffenen durch einen zweiten Mediziner habe bei der Organentnahme (gar) nicht vorgelegen, wahr oder falsch ist, war (und ist nach wie vor) ungeklärt. Nachdem dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausweislich des Berichts und der Stellungnahme der zur Klärung eingesetzten Überwachungskommission gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 TPG vom 22. Februar 2010 letztlich nicht aufgeklärt werden konnte, bestand ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprachen.
42
(2) Die Beklagte zu 2 hat die Behauptung, die abschließende Diagnose eines zweiten Mediziners habe (gar) nicht vorgelegen, in ihrem Artikel nicht als wahr hingestellt. Sie hat dazu einen Verdacht geäußert, nachdem sie ausweislich des Artikels dem Medizinischen Vorstand der Klägerin Prof. Dr. K. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte. Sie hat ferner auch die Position der Klägerin - es habe eine schriftliche Diagnose eines zweiten Mediziners gegeben , das Schriftstück habe aber nicht mehr aufgefunden werden können - wiedergegeben.
43
(3) Der Gegenstand des Berichts war von erheblichem öffentlichem Interesse und ist in Wahrnehmung der originären Aufgabe der Beklagten, der Kontrollfunktion der Presse, erfolgt. Dabei kommt es auch hier nicht darauf an, welchen Charakter die von der Klägerin wahrgenommenen Aufgaben zum maßgeblichen Zeitpunkt im Einzelnen hatten. Angesichts der im Bereich der Transplantationsmedizin betroffenen Rechtsgüter und des hohen Stellenwerts, der - wie ausgeführt - dem Vertrauen der Bevölkerung in die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und sonstigen Standards zukommt, bedarf die Presse bei der Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion insoweit des besonderen Schutzes. Dies gilt umso mehr, als sich der Artikel anlässlich der zum damaligen Zeitpunkt geplanten Reform des Transplantationsgesetzes im Wesentlichen mit der Frage beschäftigt, ob die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Möglichkeiten der Kontrolle im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin ausreichend waren.
44
b) Vor diesem Hintergrund rügt die Revision im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr zu Unrecht bejaht hat. Denn mangels Rechtswidrigkeit der Erstveröffentlichung besteht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, NJW 1994, 1281 unter II 1 b).
45
Auch eine Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681 Rn. 34 mwN) - ist nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagten im Internet einen ergänzenden Bericht veröffentlicht haben, der die streitgegenständliche Äußerung nicht mehr enthält. Eine drohende Verletzungshandlung , die sich in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen müsste , dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681 Rn. 34 mwN), ist vor diesem Hintergrund weder dargelegt noch ersichtlich.
46
Da es schon an der Erstbegehungsgefahr fehlt, bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Klärung, ob - was zwischen den Parteien streitig ist - eine (zweite) schriftliche abschließende Diagnose des Hirntodes des Betroffenen ursprünglich vorgelegen hat, der geäußerte Verdacht mithin falsch ist und aus diesem Grund die weitere Voraussetzung für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch - ein bevorstehender widerrechtlicher Eingriff in das durch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 186 StGB geschützte Ansehen der Klägeringegeben wäre.
47
5. Die Aussage, die Klägerin habe auf ein Verlangen nach Klärung durch eine Mitarbeiterin mit deren fristlosen Kündigung reagiert, ist als Meinungsäußerung zu qualifizieren, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfällt. Die damit gebotene Abwägung (§ 193 StGB, Art. 5 Abs. 1 GG), die der Senat nach Lage des Falles selbst vornehmen kann, geht zu Lasten der Klägerin aus.
48
a) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist - wie ausgeführt - eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist. Die Überprüfung einer Aussage auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder nicht wahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinung sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 8 mwN).
49
So liegt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das die Äußerung zu Unrecht als Tatsachenbehauptung angesehen hat, hier. Die Aussage ("Wie weit K.s Macht reicht, macht der weitere Verlauf des Düsseldorfer Hirntod -Dramas deutlich: Eine Mitarbeiterin aus dem nordrhein-westfälischen DSOTeam , die sich für eine Klärung des Falls starkgemacht hatte, bekam die fristlose Kündigung zugestellt") ist entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weist sie auch tatsächliche Elemente auf, nämlich, die Zeugin H. habe eine fristlose Kündigung erhalten, die im Zusammenhang mit ihrem Aufklärungsverlangen erfolgt sei. Darin erschöpft sich die Aussage aber nicht. Sie bringt nach dem Gesamtzusammenhang des Artikels in erster Linie eine Missbilligung des Verhaltens der Klägerin in Bezug auf das Vorgehen gegenüber der Zeugin zum Ausdruck ("die geschasste Mitarbeiterin", "die [Klägerin ] beendete den Fall auf ihre Art - mit Kündigung und einem arbeitsrechtli- chen Prozess …"). Sie enthält damit nach dem Verständnis eines durchschnitt- lichen Lesers nicht - wie das Berufungsgericht meint - eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung zu den im Kündigungsschreiben genannten Gründen, auf die die Kündigung gestützt worden ist, sondern eine subjektive Wertung in Bezug auf die hinter der Kündigung stehende Motivation der für die Klägerin handelnden Personen.
50
b) Die danach gebotene Abwägung, die der Senat selbst vornehmen kann, weil weitere Feststellungen dazu nicht erforderlich sind, geht zu Lasten der Klägerin aus (§ 193 StGB, Art. 5 Abs. 1 GG).
51
aa) Bei Äußerungen, in denen sich - wie hier - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung maßgeblich der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 21; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2013, 217, 218). Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (Senatsurteil, ebenda).
52
bb) So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts trifft es zu, dass der Zeugin H. von der Klägerin fristlos gekündigt worden ist. Die Kündigung ist nach dem eigenen Vortrag der Klägerin damit begründet worden, die Zeugin habe Dritten gegenüber behauptet, es seien mit Zustimmung einer benannten Ärztin "Lebenden" Organe entnommen worden. Damit ist der Tatsachenkern der Meinungsäußerung wahr. Der Zeugin H. ist fristlos gekündigt worden und die Kündigung stand im Zusammenhang mit einer Äußerung der Zeugin zu dem fraglichen Vorgang. An der Äußerung der Schlussfolgerungen und Wertungen, die die Beklagten aus diesem Sachverhalt in Bezug auf die Frage ableiten, mit welcher Motivation die Kündigung erfolgte und ob sie berechtigt war, besteht indes unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit ein schützenswertes Interesse, Art. 5 Abs. 1 GG. Insoweit sind sowohl die Klägerin als auch die Zeugin und die Beklagten jeweils zu ihren eigenen und gegebenenfalls voneinander abweichenden Wertungen berechtigt. Wie bereits ausgeführt , fällt dabei zugunsten der Beklagten maßgeblich ins Gewicht, dass der Gegenstand ihres Berichts von erheblichem öffentlichem Interesse war und in Wahrnehmung ihrer originären Aufgabe, der Kontrollfunktion der Presse, erfolgt ist. Diese würde aber im Kern betroffen, wenn ihr eine eigene Wertung der genannten Vorgänge versagt würde.
53
6. Der Senat kann nach alledem in der Sache selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, § 563 Abs. 3 ZPO. Galke Stöhr Offenloch Oehler Roloff
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 31.10.2013 - 2-03 O 363/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 06.11.2014 - 16 U 218/13 -

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft.

(2) Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Die Strafe darf nicht schwerer sein als die, die für den Fall angedroht ist, daß die Aufforderung Erfolg hat (Absatz 1); § 49 Abs. 1 Nr. 2 ist anzuwenden.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

(1) Der Bundestag bestellt einen Petitionsausschuß, dem die Behandlung der nach Artikel 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt.

(2) Die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung von Beschwerden regelt ein Bundesgesetz.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.