Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 03. Apr. 2014 - 17 Sa 1387/13
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 2937/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche, fristlose Änderungskündigung der Beklagten vom 21.10.2010, zugegangen am 12.11.2010, unwirksam ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt jede Partei zu 50 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.
3Der am 1959 geborene Kläger ist seit dem 17.01.1994 an der griechischen Grundschule der Beklagten in C als Studienrat mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.164 € tätig. Das Grundgehalt aus der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TV-L betrug im Januar und Februar 2010 3.590,17 €. Zum 01.03.2010 wurde es auf 3.635,45 € erhöht.
4Der Kläger absolvierte in Deutschland ein Magisterstudium in Germanistik, das von der Beklagten anerkannt wurde. Er unterrichtet das Fach Deutsch.
5Bei seiner Einstellung war er griechischer Staatsbürger. Inzwischen verfügt er über eine doppelte Staatsbürgerschaft.
6Sein Gehalt wird in Griechenland besteuert. Er unterliegt dem deutschen Sozialversicherungssystem.
7Die Beklagte betreibt in C neben der Grundschule noch ein Lyzeum. Insgesamt beschäftigt sie an diesem Standort drei Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis und mehr als zwölf Beamte.
8In Deutschland bestehen weitere griechische Schulen.
9Dem Arbeitsverhältnis liegen Arbeitsverträge vom 01.03.1994 (Bl. 3, 4 d.A.), vom 20.09.1994 (Bl. 5, 6 d.A.), vom 01.09.2001 (Bl. 7 bis 9 d.A.) und vom 02.01.2008 (Bl. 10 d.A.) zugrunde. In dem Änderungsvertrag vom 02.01.2008 heißt es unter Nr. 2 wie folgt:
10Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992.
11Gemäß den obigen Ausführungen, den Änderungen der Beiträge des deutschen Versicherungsträgers und der Anpassung des BAT am TV-L, gestaltet sich sein Gehalt wie folgt:
12Wegen der Einzelheiten der Gehaltsdarstellung für den Zeitraum ab Januar 2008 wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 10 d.A.) verwiesen.
13Die Arbeitsverträge waren in griechischer und deutscher Sprache abgefasst. Die Gehaltsabrechnungen wurden dem Kläger in griechischer Sprache erteilt.
14Erhöhte sich das Gehalt nach den Vergütungsverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L, erhielt auch der Kläger einer Gehaltserhöhung, zuletzt zum 01.03.2010.
15Unter Nr. 2 C des Änderungsvertrages vom 01.09.2001 wies die Beklagte das Weihnachtsgeld 2001 unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe IV a BAT, des Alters des Klägers von 41 Jahren und einer Kinderzahl von drei Kindern aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 8 d.A.) verwiesen.
16Mit Wirkung zum 01.01.2010 trat Artikel 1 des griechischen Gesetzes 3833/2010 – Schutz der nationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise – in Kraft. Der Auftrag zur Veröffentlichung des Gesetzes und zu dessen Ausführung als Gesetz datiert vom 11.03.2010. Dem Gericht wurde eine von dem Beklagtenvertreter gefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt. Der Beklagtenvertreter ist durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln ermächtigter und beeidigter Dolmetscher für die griechische Sprache. Die Richtigkeit seiner Übersetzung ist zwischen den Parteien unstreitig. Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 lautet wie folgt:
174. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7 %) herabgesetzt.
18Artikel 3 des Gesetzes betrifft die Einkommenspolitik des Jahres 2010. Nach Artikel 3 § 1 sind ab Inkrafttreten des Artikels bis zum 31.12.2010 Abschluss und Gewährung von Erhöhungen auf die Gehälter und Bezüge unter anderem der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen nicht gestattet.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.11.2013 vorgelegte Kopie (Bl. 170 – 181 der Akte) Bezug genommen.
20Mit Wirkung zum 01.06.2010 trat Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 in Kraft, das am 06.05.2010 mit Auftrag zur Veröffentlichung und Ausführung unterzeichnet wurde.
21Artikel 3 § 3 des Gesetzes lautet wie folgt:
223. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3 %) herabgesetzt.
23Artikel 3 § 6 enthält folgende Regelung:
246. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:
25a) Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.
26b) Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
27c) Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
28Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt.
29Wenn mit der Entrichtung der Zulagen des ersten Absatzes dieses Paragraphen die ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen aller Art diesen Betrag übersteigen, denn werden sie bei entsprechender Kürzung bis zur Grenze der dreitausend (3.000) Euro pro Monat entrichtet.
30Aus Artikel 3 § 8 ergibt sich, dass die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen alle Allgemein- oder Sonderbestimmungen und Tarifklauseln, Arbeitsverträge, Schiedssprüche und Einzelverträge überwiegen.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes und seiner Anhänge wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.11.2013 überreichte Übersetzung ihres Prozessbevollmächtigten (Bl. 191 – 198 der Akte) verwiesen. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Übersetzung nicht.
32Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 24.03.2014 Übersetzungen der Gesetzes 3899/2010 vom 17.12.2010 (Bl. 275 d.A.) und 4024/2011 vom 27.10.2011 (Bl. 276 d. A.) vorgelegt.
33Mit Schreiben vom 15.06.2010 erklärte ihm die Beklagte, sie werde in den folgenden Monaten die unter Zugrundelegung der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 in den Monaten Januar bis Mai 2010 geleisteten Entgeltüberzahlungen einbehalten.
34Tatsächlich ergaben sich für die Monate ab Juni 2010 Entgeltdifferenzen, die der Kläger in dem vor dem Landesarbeitsgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 17 Sa 999/13 geführten Rechtsstreit geltend macht. Die Beklagte leistete für 2010 keine Jahressonderzahlung.
35Mit Schreiben vom 21.10.2010, das dem Kläger am 12.11.2010 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es wie folgt:
36… Im Hinblick auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise und die Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone sowie durch den Internationalen Währungsfonds hat der griechische Staat Gehaltskürzungen veranlasst bei allen Beschäftigten/Gehaltsempfängern des griechischen Staates (Gesetze 3833/2010 und 3845/2010). Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d.h. 310,64 € monatlich sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die an Stelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde. Der Einbehalt der Kürzung Ihrer Bezüge um 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und um 3 % am dem 01.06.2010.
37Aufgrund des oben Gesagten kündigen wir hiermit den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund, unmittelbar und ohne Wahrung der Kündigungsfrist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit den folgenden Bedingungen an:
38- 39
1. Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 € monatlich.
- 2.40
Einstellung der Jahressonderzahlung.
Ergänzend teilen wir Ihnen mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.
42Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert.
43Der Kläger nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 12 der Akte) unter Vorbehalt an.
44Mit seiner am 29.11.2010 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage wendet er sich gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung.
45Er hat ausgeführt:
46Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung.
47Die Beklagte habe nicht allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Gehalt gekürzt. Ihm seien Arbeitskollegen und –kolleginnen in anderen Städten bekannt, die noch keine Änderungskündigung erhalten hätten.
48Die Kündigungserklärung sei inhaltlich unklar, unschlüssig und nicht ausreichend bestimmt. Der angegebene Kürzungsbetrag von 310,63 € sei nicht nachvollziehbar.
49Die Kündigung sei auch unverhältnismäßig, da die Beklagte sich auf Geldmangel allein nicht berufen könne.
50Er hat beantragt
51festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21.10.2010, ihm zugegangen am 12.11.2010, sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist.
52Die Beklagte hat beantragt,
53die Klage abzuweisen.
54Sie hat vorgetragen:
55Aufgrund ihrer miserablen wirtschaftlichen Lage habe sie gemäß den Vereinbarungen mit den Darlehn gewährenden Ländern durch Gesetze unter anderem die Herabsetzung aller Löhne um 7 % ab dem 01.01.2010 und um weitere 3 % ab dem 01.06.2010 sowie die Herabsetzung bzw. Abschaffung aller Gratifikationen beschlossen. Die Gesetze beträffen alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten gleichermaßen, unabhängig von ihrem Status als Beamte oder Angestellte. Sie habe ihre Beschäftigten im Ausland von den Regelungen nicht ausnehmen können.
56Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei aufgrund der wirtschaftlichen Probleme unabweisbar und rechtfertige die außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer wie dem Kläger, und zwar ohne Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.
57Mit Urteil vom 04.05.2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21.10.2010 unwirksam ist. Es hat erkannt, dass die Kündigung unter Berücksichtigung der ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers unverhältnismäßig sei und die Voraussetzungen des § 626 BGB nicht erfülle.
58Wegen des erstinstanzlichen Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 38 – 50 der Akte Bezug genommen.
59Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 24.11.2011 – 17 Sa 1065/11 – das Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klage stehe ein Verfahrenshindernis entgegen, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei.
60Auf die zugelassene Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.04.2013 – 2 AZR 77/12 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.11.2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen. Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht und ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe bei Prüfung der materiellen Rechtslage davon auszugehen, dass sich die Wirksamkeit der Änderungskündigung nach deutschem Recht richte, da die Parteien konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hätten. Es habe weiter der Frage nachzugehen, welche Rechtsqualität die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 hätten und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigten, unmittelbar korrigierend auch in Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb des Staatsgebietes vollzogen würden. Insoweit sei unter Umständen ein völker- und staatsrechtliches Gutachten einzuholen. Sollte danach die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ sein, sei davon auszugehen, dass das Änderungsangebot ausreichend bestimmt sei. Das Landesarbeitsgericht habe gegebenenfalls zudem den Fragen nachzugehen, ob – unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative – ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben sei, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt habe. Gegebenenfalls habe es bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eine Umdeutung in eine or-dentliche Kündigung und die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu prüfen.
61Wegen der Einzelheiten des Urteils des Bundesarbeitsgerichts wird auf Blatt 154 – 159 der Akte Bezug genommen.
62Die Beklagte führt nunmehr aus:
63Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 beanspruchten internationale Geltung. Sie seien nicht auf griechische Tarifverträge oder Verträge beschränkt. Sie unterhalte überall in der Welt Schulen, Kulturinstitute und Konsulate, an denen sie nicht nur Beamte sondern auch Ortskräfte beschäftige. Die mit den Ortskräften geschlossenen Verträge richteten sich nach verschiedenen Tarifverträgen bzw. unterschiedlichen Rechtsordnungen.
64Sie sei nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.
65Die Parteien hätten auch nicht die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart. Nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliege ein Arbeitsvertrag dann nicht den Regeln des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweise. Das sei hier gegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers weise eine enge Beziehung zu Griechenland auf. Seine Muttersprache sei Griechisch. Bei Einstellung habe er nur über die griechische Staatsbürgerschaft verfügt. Er habe griechische Eltern und ein griechisches Abitur abgelegt. Als Lehrer an der griechischen Schule in C unterrichte er ausschließlich griechische bzw. griechischstämmige Schüler. Ohne Vorliegen dieser persönlichen Voraussetzungen hätte sie ihn nicht eingestellt. Die griechische Schule werde aus griechischen Haushaltsmitteln finanziert. Sie erfülle mit der Einrichtung der Schulen ihren Bildungsauftrag gegenüber den in Deutschland lebenden griechischen und griechischstämmigen Kindern. Die Stellenausschreibung und die mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverträge seien in griechischer Sprache abgefasst worden. Zu berücksichtigen sei auch die Besteuerung in Griechenland. Die Art der Tätigkeit und der Wohnsitz des Klägers seien demgegenüber nachrangig.
66Die Anwendung der griechischen Gesetze sei auch nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar. Sie stellten Eingriffsnormen im Sinne der deutschen Rechtsordnung dar.
67Die dem Kläger mit Ausspruch der Kündigung angebotenen Vertragsänderungen hätten dauerhaften Charakter. Sie habe eine endgültige Regelung angestrebt, da nicht abzusehen sei, wann sie wieder finanziell in der Lage sein werde, ihre Angestellten wie vor der Krise zu vergüten. Deshalb habe sie insbesondere die Sonderzahlungen, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld, endgültig neu regeln wollen. Sie habe insgesamt den Vertrag unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen ihren wirtschaftlichen Bedingungen anpassen wollen. Sie habe auch die automatische Vergütungsanpassung nach deutschen Tarifverträgen ausschließen wollen. Aus Artikel 3 § 5 des Gesetzes 3833/2010 ergebe sich eine Aufhebung der Verweisungsklausel auf deutsche Tarifverträge. Auch in Griechenland habe es Tarifverträge zwischen den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretungen gegeben. Diese seien im April 2010 ausgelaufen.
68Durch das Gesetz 4024/2011 sei die Vergütung von Lehrern neu festgesetzt worden.
69Zu berücksichtigen sei ferner, dass ihre Haushaltsgesetze Geschäftsgrundlage für den mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrag seien. Ende Februar/Anfang März 2010 sei sie finanziell nicht mehr in der Lage gewesen, die Löhne für ihre Bediensteten aufzubringen. Sie sei dringend auf fremde Hilfe angewiesen gewesen, um eine Insolvenz und den Austritt aus der Währungsunion zu verhindern. Die Gläubigerländer, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehöre, hätten Hilfeleistungen von Bedingungen abhängig gemacht, unter anderem von der Bedingung, die Gehälter der öffentlichen Bediensteten zu kürzen. Diese Vorgaben habe sie mit den vorgelegten Gesetzen umgesetzt. Sie habe kein anderes Mittel gehabt, die Ausgaben erheblich zu senken. Entsprechend sei auch der Arbeitsvertrag der neuen Geschäftsgrundlage anzupassen.
70Aufgrund der Dringlichkeit der Lohnsenkung habe sie keine fristgemäße Kündigung aussprechen können, zumal das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht ordentlich gekündigt werden könne.
71Das erstinstanzliche Gericht habe auch verkannt, dass sich der Kläger wegen seiner Gehaltsentwicklung nicht auf die Regelungen des TV-L berufen könne. Der letzte mit ihm geschlossene Arbeitsvertrag verweise statisch auf den BAT vom 07.05.1992. Nach Ablösung des BAT durch den TV-L seien dem Kläger zwar Entgelterhöhungen nach den Tarifverträgen der Länder gewährt worden. Sie habe diese Erhöhungen jedoch irrtümlich geleistet.
72Die Beklagte beantragt,
73unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 2937/10 – die Klage abzuweisen.
74Der Kläger beantragt,
75die Berufung zurückzuweisen.
76Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt unter Hinweis auf einen von dem Gericht den Parteien vorgelegten Aufsatz des Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Siehr (Prof.em. der Universität Zürich und freier Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg) aus:
77Auf das Arbeitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar.
78Den griechischen Gesetzen sei weder nach europäischem noch deutschem Internationalen Privatrecht unmittelbare Wirkung für sein Arbeitsverhältnis zu verleihen.
79Artikel 9 Rom I – VO sei nicht anwendbar. Es gehe nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes, der in Deutschland liege.
80Zu berücksichtigen sei auch, dass vom Vertragsstatut abweichende Normen nach den Vorschriften des IPR nur dann Geltung beanspruchen könnten, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien.
81Die griechischen Gesetze beanspruchten keine internationale Geltung.
82Die ausgesprochene Änderungskündigung sei unter Anwendung des deutschen Kündigungsrechts zu prüfen.
83Die Beklagte beschäftige auch die nach § 23 Abs. 1 KSchG vorausgesetzte Arbeitnehmerzahl. Allein in Nordrhein-Westfalen betreibe sie sieben griechische Schulen mit dem entsprechenden Personal, das Teil ihrer Verwaltung sei.
84Unabhängig davon, ob die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung auch die Ablösung der Dynamik in der tariflichen Entgeltvereinbarungen zum TV-L habe ablösen wollen, sei ihr Angebot insgesamt unverhältnismäßig, da sie dauerhafte Einschnitte in die Gehaltsstruktur angeboten habe, die durch eine vorübergehende Krise nicht gerechtfertigt werden könnten. Insbesondere werde ihm die nach dem TV-L zu leistende Sonderzahlung dauerhaft entzogen ohne Rücksicht darauf, ob griechisches Recht Sonderzahlungen wieder zulasse. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die vorgelegten Gesetze nur Geltung für die Dauer der Finanzkrise beanspruchten.
85Der Änderungskündigung könne keine Rückwirkung beigelegt werden. Der Beklagten sei es auch nicht unzumutbar gewesen, eine soziale Auslauffrist einzuhalten.
86Sie habe die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt, da sie mit dem Ausspruch der Änderungskündigung mehr als sechs Monate nach Inkrafttreten der Gesetze zugewartet habe.
87Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
88Entscheidungsgründe
89A.
90Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
91I.
92Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2013 (2 AZR 77/12) bestehen keine Bedenken mehr gegen die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt der Staatenimmunität.
93Die gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.10.2010 gerichtete Klage begegnet auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken.
94Der Kläger hat zu Recht einen dem Wort des § 4 Satz 2 KSchG entsprechenden Antrag gestellt, obwohl § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG keine Verweisung auf die das Änderungsschutzverfahren bei ordentlichen Änderungskündigungen regelnde Vorschrift des § 4 Satz 2 KSchG enthält. Der Zweck des § 2 KSchG, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten und trotzdem die Überprüfung der Kündigung zu ermöglichen, erfordert jedoch die entsprechende Anwendung der Vorschrift (BAG 19.06.1986 – 2 AZR 565/85 – Rnr. 21, 22, DB 1986, 2604; 17.05.1984 – 2 AZR 161/83 – Rnr. 50 ff., AP BAT § 55 Nr. 3).
95II.
96Die Klage ist teilweise begründet.
971. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt aufgrund ihrer Rechtswahl dem deutschen Recht, wie das Bundesarbeitsgericht bereits am 25.04.2013 angemerkt hat (Rnr. 24 – 26).
98Die Berufung der Beklagten auf Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB führt zu keinem anderen Ergebnis.
99a) Die Kammer ist an einer Prüfung nicht deshalb gehindert, weil das Revisionsgericht in seinen Erwägungen von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen ist. Gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht im Fall der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die zu der Aufhebung des Urteils geführt hat. Die Bindungswirkung beschränkt sich auf die Punkte, wegen derer die Aufhebung als solche unmittelbar erfolgt ist. Im Übrigen ist das Gericht frei (BGH 06.11.1951 – I ZR 61/51 – Rnr. 10, BGHZ 3, 321; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage, § 563 ZPO Rnr. 3 a; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 563 ZPO Rnr. 11). Die Richtlinien des Revisionsgerichts für das neue Verfahren und die neue Entscheidung nehmen an der Bindungswirkung nicht teil (Zöller/Heßler, a.a.O., § 563 ZPO Rnr. 3 a).
100Die Feststellung des Revisionsgerichts, es sei deutsches Recht anwendbar, gehört zu seinen Erwägungen, aber nicht zu den Gründen, die unmittelbar zur Aufhebung des Berufungsurteils vom 24.11.2011 geführt haben.
101b) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels Rechtswahl anzuwenden wäre.
102Hätten die Parteien nicht die Anwendung deutschen Rechts konkludent vereinbart, wäre es nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gleichwohl anwendbar, da der Kläger seine Arbeitspflicht ausschließlich in Deutschland zu erfüllen hat (BAG 25.04.2013, Rnr. 28).
103Etwas andere gilt allerdings dann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht des anderen Staates anzuwenden, Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB. Die Ausnahmeklausel greift auch ein, wenn die Parteien eine Rechtswahl nach Artikel 30 Abs. 1 EGBGB getroffen haben (Palandt-Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 30 EGBGB Rnr. 4).
104Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engere Bindung zu dem Recht der Beklagten auf. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist die Gesamtheit der Umstände. Primäre Anknüpfungspunkte sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien. Diese Kriterien beschreiben die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimensionen, Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte heranzuziehen, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden. Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt. Die ausdrückliche oder hier konkludente Rechtswahl als solche kann nicht herangezogen werden, da es gerade auf das ohne Rechtswahl maßgebliche Recht ankommt (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 – Rnr. 43, BB 2004, 1393; 24.08.1989 – 2 AZR 3/89 – Rnr. 43, DB 1990, 1666). Indiz für das anwendbare Recht kann auch die Unterwerfung des Vertrages unter das deutsche Sozialversicherungssystem sein (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 46).
105Hier spricht für die Anwendung griechischen Rechts, dass der Kläger neben der deutschen Staatsbürgerschaft auch die griechische Staatsangehörigkeit besitzt. Die gemeinsame Staatsangehörigkeit kann Rückschlüsse auf einen den Parteien gemeinsamen Rechtshorizont zulassen (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 47).
106Die Vertragssprache der Parteien ist dagegen nicht ausschließlich Griechisch. Die Gehaltsabrechnungen sind – soweit aus den von dem Kläger in dem Rechtsstreit der Parteien – 17 Sa 999/13 – für 2010 vorgelegten Abrechnungen (Bl. 22, 23 der Akte 17 Sa 999/13) erkennbar, in griechischer Sprache abgefasst worden. Unstreitig wurden die Arbeitsverträge sowohl in griechischer als auch in deutscher Sprache geschlossen. Die Arbeitsverträge vom 01.03.1994 und 20.09.1994 hat der Kläger in deutscher Sprache unterzeichnet, die letzten beiden Arbeitsverträge offenkundig in der griechischen Fassung, da dem Gericht Übersetzungen der Verträge ohne Unterschriften der Parteien vorgelegt wurden. Zugunsten der Auffassung der Beklagten kann auch berücksichtigt werden, dass der Kläger griechischstämmige Schüler in einer griechischen Schule unterrichtet, aus griechischen Haushaltsmitteln vergütet wird und in Griechenland Steuern entrichtet. Die Entrichtung von Steuern in Griechenland ist jedoch kein wesentlicher Gesichtspunkt. Sie folgt aus Artikel X Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem damaligen Königreich Griechenland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern von Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 18.04.1966. Danach können Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des damaligen Königreichs Griechenland oder einer seiner Gebietskörperschaften für gegenwärtig erbrachte Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Zahlung an einen deutschen Staatsangehörigen geleistet wird, der nicht zugleich Staatsangehöriger des Königreichs Griechenland, jetzt der Beklagten ist.
107Trotz der aufgezeigten Indiztatsachen besteht kein engerer Bezug zu dem griechischen Recht, da wichtige Vertragsfaktoren für die Anwendung des deutschen Rechtes sprechen. Die Arbeitsverträge wurden mit der Beklagten, vertreten durch die griechischen Generalkonsulate in Dortmund bzw. Düsseldorf, geschlossen. Wie ausgeführt, wurden sie auch in deutscher Sprache erstellt. Bis zur Währungsumstellung wurde das Gehalt in DM ausgewiesen. Die Parteien haben deutsches Tarifrecht für anwendbar erklärt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterliegt deutschem Sozialversicherungsrecht.
108Er hat seine vertraglichen Leistungen ausschließlich in Deutschland in der nach deutschem Recht anerkannten Ergänzungsschule in C zu erbringen. Er unterrichtet dort als Studienrat der deutschen Sprache, wie sich aus den Arbeitsverträgen vom 01.09.2001 und 02.01.2008 ergibt. Nach seinen biografischen Daten steht er eher dem deutschen Rechtskreis näher als dem griechischen. Er ist in Deutschland geboren, hat hier sein Magisterstudium der Germanistik absolviert und hat seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland.
1092. Die Änderungsschutzklage ist nicht schon deshalb unbegründet, weil die Änderungen bereits unabhängig von dem Ausspruch der Kündigung eingetreten sind.
110Wie das Bundesarbeitsgericht in seinen Erwägungen (25.04.2013, a.a.O., Rnr. 29) unter Hinweis auf seine Entscheidungen vom 26.01.2012 (2 AZR 102/11 – Rnr. 14, BAGE 140, 328) und vom 29.09.2011 (2 AZR 523/10 – Rnr. 14) ausgeführt hat, setzt die Begründetheit einer nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt erhobenen Änderungsschutzklage im Sinne des § 4 Satz 2 KSchG voraus, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Änderungen wirksam werden, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen werden, es sei denn, der Arbeitnehmer hat die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG mit dem weiteren Vorbehalt verbunden, dass die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ ist.
111Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist die Änderungskündigung nicht „überflüssig“, weil die von der Beklagten erstrebten Änderungen nicht unmittelbar, insbesondere durch Geltung der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 eingetreten sind.
112a) Der Kläger hat die Annahme unter Vorbehalt nicht mit dem weiteren Vorbehalt verbunden, dass die Änderungen nicht bereits eingetreten sind.
113b) aa) Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom 02.01.2008 richtet sich seine monatliche Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 des TV-L.
114(1) Die Beklagte hat zwar zunächst unter Nr. 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages auf die Anwendung der Regelungen des BAT vom 07.05.1992 verwiesen. Einen Zusatz, der auf die Anwendbarkeit des BAT dynamisch hinweist, gibt es nicht.
115Der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT ist nicht fortgeschrieben worden, sondern gemäß der Anlage 1 Teil B zum TVÜ-L ersetzt worden. In Kenntnis dieser Tatsache ist in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags das Gehalt des Klägers ausdrücklich „unter Anpassung des BAT am TV-L“ festgesetzt worden. Die Gehaltsdarstellung für die Zeit ab Januar 2008 verweist entsprechend auf die Entgeltgruppen der Anlage 2 Teil B zum TVÜ-L. Die Vergütung des Klägers erfolgte nicht mehr aus der Vergütungsgruppe IV a BAT, sondern aus der Entgeltgruppe 10.
116(2) Das Gehalt nach dem TV-L ist dynamisch gestaltet.
117Das ergibt sich allerdings nicht aus dem Wortlaut der Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Die Gehaltsdarstellung bezieht sich nur auf die Zeit ab Januar 2008 unter Zugrundelegung der in 2008 geltenden tariflichen Vergütung bei Angabe eines festen Entgeltbetrags. Die Erläuterung „gemäß … der Anpassung des BAT am TV-L“ lässt nicht klar erkennen, ob die Anpassung auch die zukünftige tarifliche Gehaltsentwicklung erfasst, schließt dieses Verständnis aber nicht aus.
118Die Parteierklärung ist jedoch gemäß §§ 133, 157 BGB im Sinne einer dynamischen Gehaltsentwicklung entsprechend den Entgelttabellen zum TV-L auszulegen.
119Die Beklagte hat Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.01.2008 nach der gesamten Vertragsgestaltung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorformuliert und mindestens einmal gegenüber dem Kläger verwendet, ohne dass dieser Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte. Ob es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung handelt, kann dahinstehen.
120Der Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag.
121Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden können, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12 – Rnr. 15, DB 2013, 2030).
122Die Erklärung der Beklagten, das Gehalt gestalte sich in Anpassung des BAT an den TV-L, beinhaltet das Angebot auf Zahlung eines Tarifgehaltes. Damit hat sie dem Kläger als Klauselverwenderin verdeutlicht, sie vergüte nach Tarif, zumal sie auch entsprechend § 5 Abs. 2 TVÜ-L den Ortszuschlag bei der Bemessung des Entgelts berücksichtigt hat. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit der Bezeichnung als Tarifentgelt – hier durch den Hinweis auf die Entgeltgruppe des TV-L – redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Eurobetrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde, wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte, Bezeichnungen unterlassen, die auf ein tarifliches Entgelt hinweisen, und klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird (BAG 13.02.2013, a.a.O., Rnr. 17).
123Auch die Arbeitsverträge vom 01.03.1994, 20.09.1994 und 01.09.2001 verweisen auf eine tarifliche Vergütungsgruppe. Aus dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 ergibt sich im Übrigen, dass das Tarifgehalt ab dem 01.09.2001 dynamisch unter Berücksichtigung von Änderungen im Familienstand und Alter des Klägers festgesetzt wurde.
124Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte tatsächlich das Entgelt entsprechend den jeweils gültigen Vergütungstarifverträgen bzw. Anlagen zum TV-L festgesetzt hat. Zuletzt hat sie sein Gehalt zum 01.03.2010 auf 3.635,45 Euro erhöht, wobei sich allerdings aus der Entgelttabelle für das Tarifgebiet West für die Entgeltgruppe 10 Stufe 5 ein Tarifentgelt von 3.669,11 Euro ergibt. Dass der Festsetzung vom 01.03.2010 eine individuelle, von der Zahlung eines tariflichen Entgelts abrückende Vereinbarung zugrunde lag, behauptet die Beklagte jedoch nicht.
125Ihren Einwand, sie habe Tariferhöhungen irrtümlich an den Kläger weitergegeben, hat sie nicht näher begründet.
126bb) Der Kläger hat nach der Ausgestaltung der Arbeitsverträge auch einen Anspruch aus § 20 TV-L auf Zahlung einer Jahressondervergütung.
127Unstreitig ist, dass ihm die tarifliche Sonderzahlung bis 2009 stets gewährt wurde. In dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 wurden unter Nr. 2 C ausdrücklich ein Weihnachtsgeld, unter Nr. 2 F ein Urlaubsgeld nach der Vergütungsgruppe IV a BAT ausgewiesen.
128Nach Ablösung der Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 bestimmt sich der Anspruch unter Berücksichtigung des in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 02.01.2008 geäußerten Parteiwillens, das Gehalt dem TV-L anzupassen, nach § 20 TV-L. Hätte die Beklagte die tarifliche Sonderzahlung von den Vergütungsregelungen ausnehmen wollen, hätte sie dies für den Kläger als Verbraucher klar erkennbar äußern müssen.
129Der Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung steht entgegen der Auffassung der Beklagten unter keinem Freiwilligkeitsvorbehalt. Dieser ist in keinem der geschlossenen Arbeitsverträge vereinbart worden. Die Beklagte hat sich auch keinen Widerruf vorbehalten.
130c) Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben den Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht unmittelbar geändert. Dazu bedurfte es im vorliegenden Fall nicht der Einholung eines völker- und staatsrechtlichen Rechtsgutachtens, wie vom Bundesarbeitsgericht für erwägenswert gehalten (25.04.2013, a.a.O., Rnr. 28).
131aa) Die Kammer folgt der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (25.09.2013 – 2 Sa 253/12 – Rnr. 113), dass sich in Fällen mit Auslandsberührung die anwendbaren Rechtsnormen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) bestimmen. § 293 ZPO ermöglicht es nicht, sich die Kenntnis über das deutsche IPR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verschaffen, dessen Kosten die unterlegene Partei zu tragen hätte (Zöller/Geimer, a.a.O., § 293 ZPO, Rnr. 1). Anderes gilt nur für die Ermittlung ausländischen Rechts, hier des griechischen Rechts. Die einschlägigen griechischen Gesetze sind dem Gericht jedoch vorgelegt worden. Über die Richtigkeit ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache besteht kein Streit.
132bb) (1) Die griechischen Gesetze sind keine internationalen Verträge, wie der Oberste VerwaltungsgerichtshofGriechenlands in seinem Urteil vom 21.06.2011 festgestellt hat (zitiert nach Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.).
133(2) Die unmittelbare Anwendung der griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 rechtfertigt sich nicht aus Artikel 9 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Rom I – VO. Danach kann Eingriffsnormen des Staates, in dem die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Gemäß Artikel 28 Rom I – VO finden die Vorschriften der gesamten Verordnung jedoch keine Anwendung, da der letzte Arbeitsvertrag des Klägers vor dem 17.12.2009 geschlossen wurde (BAG 25.04.2013, a.a.O, Rnr. 24; lag Nürnberg, 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 116; MünchKomm/Martiny, BGB, 5. Aufl., Art. 28 Rom I-VO, Rnr. 3; a. A., Siehr a.a.O., S. 8, 9). Außerdem geht es nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes.
134(3) Das Arbeitsverhältnis wird auch nicht im Sinne des Artikel 30 Abs. 1 EGBGB dem Schutz entzogen, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Abs. 2 anzuwenden wäre. Gemäß Artikel 30 Abs. 2 EGBGB wäre – wie bereits dargestellt – ebenfalls deutsches Recht anwendbar.
135(4) Eingriffsnormen eines Staates, die weder aus dem Vertragsstatut – hier dem deutschen Recht – noch aus dem Recht am Sitz des angerufenen Gerichts folgen –, sogenannten drittstaatlichen Eingriffsnormen (Siehr a.a.O., S. 6) kann gemäß Artikel 7 Abs. 1 EVÜ bei der Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht hier des griechischen Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Diese Vorschrift hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht in das EGBGB übernommen, sondern hat den Vorbehalt nach Art. 22 Abs. 1 a EVÜ bezüglich Art. 7 EVÜ erklärt (Siehr a.a.O., S. 7; Palandt/Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 1).
136cc) Drittstaatliche Eingriffsnormen sind deshalb nur über das Vertragsstatut zu berücksichtigen (BGH 17.11.1994 – III ZR 70/93 – Rnr. 43, BGHZ 128, 41; OLG Frankfurt 09.05.2011 – 23 U 34/10 – Rnr. 34; lag Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 120; Palandt-Heldrich, a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5). Anstelle ihrer unmittelbaren Anwendung kommt bei einer entsprechend engen Beziehung zu einer ausländischen Rechtsordnung ihre faktische Berücksichtigung im Rahmen der §§ 138, 313, 275, 826 BGB in Betracht (lag Nürnberg, a.a.O., Rnr. 120; BGH 08.05.1985 – IV a ZR 138/83 – Rnr. 20, 22, BGHZ 94,268; 08.02.1984 – VIII ZR 254/82 – Rnr. 18, NJW 1984, 1746; 22.06.1972 – II ZR 113/70 – Rnr. 13, NJW 1972, 1575; Palandt-Heldrich a.a.O., § 34 EGBGB, Rnr. 5; Siehr a.a.O., S. 15).
137(1) Eine enge Beziehung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu der griechischen Rechtsordnung – wie sie in den Gesetzen 3833/2010 und 3845/2010 zum Ausdruck kommt – ist zu bejahen. Die Kürzungen der Gehälter sollen zwingend auch international durchgesetzt werden.
138Die Kammer geht davon aus, dass diese Gesetze alle Bediensteten der Beklagten erfassen, auch wenn sie – wie der Kläger – im Ausland beschäftigt sind (so auch Siehr a.a.O., S. 16).
139Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 betrifft nach seinem Wortlaut alle Bediensteten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Das folgt auch aus der Regelung in Artikel 3 § 1 des Gesetzes. Danach ist im Jahr 2010 die Erhöhung von Gehältern der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen, sogar der Angestellten von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die dem Staat gehören oder regelmäßig aus dem staatlichen Haushalt finanziert werden, uneingeschränkt untersagt. Selbiges ergibt sich aus Artikel 3 § 2 b des Gesetzes. Danach gilt die Untersagung der Gehaltserhöhungen ausnahmslos für alle mit einem Vertrag des privaten Rechts beschäftigten Bediensteten der Organisationen nach Artikel 3 § 1. Anhaltspunkte für den Ausschluss von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern des griechischen Staates finden sich nicht.
140Auch das Gesetz 3845/2010 beansprucht Geltung gegenüber den im Ausland Beschäftigten. Artikel 3 § 3 nimmt Bezug auf Artikel 1 § 2 des Gesetzes 3833/2010 und bestimmt uneingeschränkt eine Gehaltskürzung von 3 % für alle Bediensteten mit Arbeitsverhältnissen des Privatrechts ohne Anspruch auf Zulagen. Eine Einschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes folgt auch nicht aus Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010.
141Sinn und Zweck der Gesetze sprechen ebenfalls dafür, dass die genannten gesetzlichen Regelungen Eingriffsnormen sind. Das Gesetz 3833/2010 trägt den Titel „Schutz der internationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise“, das Gesetz 3845/2010 den Titel „Maßnahmen zur Aktivierung des Stützmechanismus für die griechische Wirtschaft von den EU-Staaten der Eurozone und dem internationalen Währungsfonds“. Beide Gesetze bezwecken, der katastrophalen Finanzkrise des griechischen Staates entgegenzutreten und die Vorgaben der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in den Erklärungen vom 25.03.2010 und 11.04.2010 (Anhang I, II des Gesetzes 3845/2010) nachzukommen. Die restriktive Haushaltsführung des griechischen Staates in den ersten Monaten des Jahres 2010 wurde ausdrücklich begrüßt. Zu Recht ist der Kläger deshalb dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, dass die gesetzlichen Maßnahmen den Staatsbankrott verhindern sollten, unter anderem durch Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst (so auch: Siehr Seite 17).
142Zu berücksichtigen ist ferner, dass die griechische Ergänzungsschule in C allein von der Beklagten finanziert wird. Die Kammer teilt die Auffassung des lag Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 121), dass die streitgegenständlichen Gesetze auch im Interesse Deutschlands als Mitglied der Europäischen Union liegen.
143(2) Die griechischen Eingriffsnormen mit der Folge von Entgeltkürzungen führen nicht gemäß § 134 BGB zu einer Teilnichtigkeit der Vergütungsabrede, da die griechischen Gesetze keine unmittelbar geltenden Verbotsnormen darstellen. § 134 BGB ist unanwendbar (lag Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 123; Palandt-Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5).
144(3) Ihnen kann auch nicht über § 138 BGB Geltung verschafft werden. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der die vertragliche Regelung zum Entgelt sittenwidrig erscheinen lässt, wenn die gesetzlichen Kürzungen nicht durchgesetzt werden (zur Sittenwidrigkeit bei Verstoß gegen ausländische Gesetzesnormen, die Korruption verbieten, BGH 08.05.1985, a.a.O., Rnr. 22).
145(4) Das griechische Recht wirkt auch nicht über § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB auf das Entgelt des Klägers ein. Die Norm ist auf Entgeltforderungen nicht anwendbar, da ein Schuldner eine Einstandspflicht für seine finanzielle Leistungsfähigkeit hat (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. a.a.O., § 275 BGB Rnr. 3). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 125) darauf hingewiesen, dass dem Kläger bei Anwendung des § 275 BGB Gegenrechte wie das Zurückbehaltungsrecht, die Kündigung zustehen könnten, an deren Ausübung die Beklagte kein Interesse hat.
146(5) Dahinstehen kann, ob die gesetzlich verfügten Gehaltskürzungen dazu geführt haben, dass die Geschäftsgrundlage für die bisherige Vergütungshöhe entfallen ist.
147§ 313 BGB ist ausgeschlossen, denn das Kündigungsrecht nach §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG, 626 BGB ist gegenüber § 313 BGB lex specialis (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 396/12 – Rnr. 14, NZA 2013, 1409; 29.09.2011 – 2 AZR 523/10 – Rnr. 26, NZA 2012, 628; 08.10.2009 – 2 AZR 235/08 – Rnr. 32, DB 2010, 509). Der Sachverhalt, der im Rahmen des § 313 BGB zu berücksichtigen wäre, ist im Rahmen des Kündigungsschutzes zu würdigen (BAG 08.10.2009, a.a.O., Rnr. 32).
1483. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
149Zwar ist das Gesetz 3833/2010 bereits am 01.01.2010, das Gesetz 3845/2010 am 01.06.2010 in Kraft getreten. Die Änderungskündigung ist dem Kläger erst am 12.11.2010 zugegangen.
150Die Verpflichtung der Beklagten, entgegen den Vorgaben der streitgegenständlichen Gesetze ein ungekürztes Gehalt zu zahlen, die damit verbundene Belastung ihres Haushalts ist wie der dauerhafte Wegfall des Arbeitsplatzes ein Dauertatbestand, der sich jeden Monat neu realisiert. Die Frist beginnt deshalb stets von neuem (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 379/12 – Rnr. 32, DB 2014, 63; 22.11.2012 – 2 AZR 673/11 – Rnr. 28, DB 2013, 1301; 05.02.1998 – 2 AZR 227/97 – Rnr. 33, BAGE 88, 10).
1514. Die außerordentliche Änderungskündigung ist ausnahmsweise unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende wirksam.
152a) Der Kläger hat sie mit Schreiben vom 16.11.2010 unverzüglich unter Vorbehalt angenommen (zum Gebot der unverzüglichen Annahme BAG 19.06.1986, a.a.O., Rnr. 23).
153b) Die außerordentliche Kündigung ist nicht schon deshalb unwirksam, weil es an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot fehlt.
154Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.04.2013 (a.a.O., Rnr. 31 bis 35) ausgeführt, dass die Beklagte dem Kläger ausreichend bestimmend angeboten hat, das Gehalt monatlich ab Zugang der Kündigungserklärung um 310,63 Euro zu reduzieren und für die Zukunft keine Jahressonderzahlung mehr zu leisten.
155Die Kammer hat das Bundesarbeitsgericht dahin verstanden, dass es entgegen der Auffassung der Beklagten in Abs. 3 des Kündigungsschreibens in der zwischen den Parteien unstreitigen Übersetzung „Zusätzlich machen wir ihnen bekannt, dass zukünftig die Erhöhungen ihrer Vergütung nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag TV-L gezahlt werden, sondern nach Beschluss des Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates“ nicht als selbständigen Teil des Änderungsangebots, sondern als Klarstellung der auch im Prozess vertretenen Auffassung der Beklagten ansieht, dass die Bezugnahme auf den TV-L keine Dynamik enthält und deshalb kein Automatismus zur Gehaltserhöhung besteht.
156Die Kammer ist zwar nicht gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO an die die Aufhebung nicht tragenden Erwägungen zur Bestimmtheit des Änderungsangebots gebunden, teilt sie aber uneingeschränkt.
157Die Auslegung des Angebots nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die zusätzliche Bekanntmachung, dass zukünftig Tariferhöhungen des TV-L nicht automatisch an den Kläger weitergegeben werden, nicht Teil des Angebots ist.
158Das folgt schon aus Wortlaut und Aufbau des Kündigungsschreibens.
159Absatz 1 enthält einleitende Ausführungen zur Gesetzeslage und zu dem Anlass für den Kündigungsausspruch (BAG 25.04.2013, a.a.O., Rnr. 33).
160Absatz 2 enthält die Erklärung einer Kündigung aus wichtigem Grund ohne Wahrung der Kündigungsfrist mit dem Zusatz, dass dem Kläger gleichzeitig der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit „folgenden Bedingungen“ angeboten wird. Die Bedingungen sind sowohl in der griechischen als auch in der deutschen Fassung des Kündigungsschreibens durch Fettdruck und Nummerierung gekennzeichnet und optisch abgesetzt. Damit ist nach dem Eindruck eines verständigen Empfängers, der alle ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüft (Palandt-Ellenberger, BGB, 73. Aufl., a.a.O., § 133 BGB Rnr. 9), der Angebotsteil abgeschlossen.
161Entsprechend schließt sich die Erklärung zum Ausschluss des Automatismus bei Tarifentgelterhöhungen nicht unter Kennzeichnung als Nr. 3, sondern in einem eigenen Absatz an, der mit den Worten eingeleitet wird, „Zusätzlich machen wir bekannt“. Das bedeutet, die Beklagte hat über das konkret bezeichnete Angebot hinaus eine Information gegeben, einen Rechtsstandpunkt dargestellt.
162Die zusätzliche Bekanntmachung ist auch nicht deshalb als Teil des Änderungsangebots anzusehen, weil in Absatz 3 die weitere Erklärung folgt, dass „die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrags ….. unverändert“ bleiben. Vor dem Hintergrund der Auffassung der Beklagten, die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung beinhalte keine Dynamik der Lohnentwicklung, bedurfte es keiner Änderung, nur der Loslösung von den nach ihrer Auffassung in der Vergangenheit rechtsirrtümlich erbrachten Entgelterhöhungen für die Zukunft.
163Vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses war die Kammer nicht gehalten, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs.1 ZPO wiederzueröffnen, da das Vorbringen der Beklagten zu nach Kündigungsausspruch erlassenen Gesetzen unerheblich ist.
164c. Der Kläger ist nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
165aa. Angesichts der Vereinbarung der statischen Geltung des BAT und der Bezugnahme auf den TV-L nur bezüglich der Vergütung geht die Kammer davon aus, dass nicht § 34 Abs. 2 TV-L, sondern die Tarifbestimmungen der §§ 53 Abs. 2, 55 BAT Anwendung finden.
166bb. Gemäß § 53 Abs. 3 BAT ist der Angestellte nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren nach Vollendung des 40. Lebensjahres unkündbar. Der Kläger war bei Ausspruch der Änderungskündigung 51 Jahre alt und über 16 Jahre bei der Beklagten tätig.
167Gemäß § 55 Abs. 1 BAT kann dem unkündbaren Angestellten aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden Gründen fristlos gekündigt werden. Die Beklagte beruft sich jedoch nicht auf personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe.
168Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BAT berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, nicht zur Kündigung, jedoch zur Änderungskündigung zwecks Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe, wenn die Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen nachweislich nicht möglich ist. Auch dieser Fall ist nicht gegeben. Die Beklagte hat die Kündigung nicht zur Herabgruppierung des Klägers ausgesprochen. Seine tatsächliche Beschäftigung ist unverändert möglich.
169Es liegt auch kein Fall des § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT vor. Der Kläger ist nicht leistungsgemindert.
170cc. Auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT kann jedoch eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist zum Zwecke der Reduzierung des Entgelts ausnahmsweise zulässig sein.
171Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt die Tarifnorm die außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen nicht für jeden denkbaren Fall aus, auch wenn eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer tariflich nicht möglich ist. Es sind Ausnahmefälle denkbar, in denen im Rahmen des § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen kann (BAG 01.03.2007 – 2 AZR 580/05 – Rnr. 21, BAGE 121, 347). In Extremfällen kann auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum Zwecke der Entgeltreduzierung nach §§ 626 BGB, 54 Abs. 1 BAT zulässig sein (BAG 28.05.2009 – 2 AZR 844/07 – Rnr. 14, BAGE 131, 78; 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 28). Allerdings sind die materiellen Anforderungen an den wichtigen Grund für eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Änderungskündigung hoch anzusetzen. Mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit geht der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine besondere Verpflichtung nicht nur hinsichtlich des Bestandes, sondern auch in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 23). Bereits eine betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung kann nur dann wirksam sein, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob er eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen als für die Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich (BAG 01.03.2007 Rnr. 24).
172Besteht die vom Arbeitgeber angebotene Vertragsänderung allein in einer Absenkung der Vergütung, so ist erforderlich, dass durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Nicht erforderlich ist, dass ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung der Ruin unmittelbar bevorsteht (BAG 01.07.2007 Rnr. 26). Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Geldmangel entlastet den Schuldner nicht. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen. Deshalb setzt eine solche Situation regelmäßig einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 27).
173Angesichts der hohen Voraussetzungen bereits für ordentliche Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung müssen für die in Extremfällen nach § 55 Abs. 2 BAT zulässige außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit Auslauffrist zum Zweck der Entgeltreduzierung noch erheblich schärfere Anforderungen erfüllt sein. Andernfalls bliebe der Ausschluss der ordentlichen Kündigung wirkungslos. Der Arbeitgeber ist mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit eine weitreichende Verpflichtung und damit ein hohes Risiko eingegangen. Dieser Bindung muss er insbesondere bei der Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer zumuten kann, gerecht werden. Ein zum Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung berechtigender wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist. Das ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen das Ziel hat, der konkreten Gefahr einer Betriebsschließung wegen Insolvenz zu begegnen (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 28, 29). Zu fordern ist stets, dass mildere Mittel ausgeschöpft sind (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 29).
174Ausgehend von diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund gegeben. Die dem Kläger angebotenen neuen arbeitsvertraglichen Bedingungen waren für die Beklagte unabweisbar notwendig und ihm zumutbar.
175(1)
176Die Beklagte befand sich im Jahre 2010 in einer wirtschaftlichen Extremsituation. Aus der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vom 11.04.2010 (Anhang II zu dem Gesetz 3845/2010) folgt, dass sie bereits am 23.03.2010 mit ihr die Bedingungen für eine Finanzhilfe vereinbart haben, um ihr im Bedarfsfall zu ermöglichen, zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet in diesem zu verbleiben. In der Erklärung wurde vereinbart, dass eine Kommission am 12.04.2010 zusammen mit dem IWF und den griechischen Behörden die Arbeit an einem gemeinsamen Programm aufnehmen sollte, das u.a. Beiträge der Beklagten und Auflagen an sie beinhalten sollte.
177Dass erhebliche Anstrengungen der Beklagten zur Meisterung der finanzpolitischen und strukturellen Herausforderungen Teil des Stabilitätsprogramms waren, folgt aus der Erklärung, die Eurogruppe begrüße die entschlossenen Anstrengungen der griechischen Behörden und der europäischen Partner zur Krisenbewältigung und stelle fest, dass die Haushaltsführung der ersten Monate des Jahres 2010, die bereits ergriffenen Maßnahmen Früchte trügen.
178Das Memorandum vom 03.05.2010 zur Verständigung auf konkrete wirtschaftspolitische Voraussetzungen (Anhang IV des Gesetzes 3845/2010) zeigt den europäischen Druck auf die Beklagte, quantitative Leistungskriterien einzuhalten. Die griechischen Behörden haben sich verpflichtet, mit dem Memorandum nicht in Einklang stehende Maßnahmen mit der europäischen Kommission, der EZB und dem IWF zu beraten und alle erforderlichen Informationen zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung des Programms und zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation zur Verfügung zu stellen. Anschließend sind in 1) i) die Maßnahmen beschrieben, die durch die erste Überprüfung veranlasst wurden und bis zum Ende des zweiten Quartals 2010 abgeschlossen sein mussten. Dazu gehörte auch die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Sektor.
179Die Beklagte stand einem Wirtschaftsunternehmen vergleichbar vor dem Ruin und hatte zur Erlangung von internationalen Finanzhilfen ein Programm unter Aufsicht vereinbart, das einem Sanierungsplan vergleichbar ist. Teil des „Sanierungsplanes“ war auch die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Dienst, wie sich aus dem Memorandum und der Tabelle 1 „Griechenland – im Programm beinhaltete fiskalische Maßnahmen“ ergibt (Anhang II Tabelle 1 des Gesetzes 3845/2010).
180(2)
181Die Beklagte hat die ihr gestellten fiskalischen Vorgaben durch die Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 umgesetzt.
182(a)
183Dem Gericht steht es nicht zu, die Sinnhaftigkeit der Maßnahme, ihre zwingende Erforderlichkeit zu überprüfen. Insoweit besteht eine Einschätzungsprärogative des griechischen Parlaments.
184Auch nach deutschem Recht können Eingriffe des Gesetzgebers in Grundrechte gerechtfertigt sein, wenn diese verhältnismäßig sind, das heißt einen verfassungslegitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich sind und bei einer Gesamtabwägung der Schwere des Eingriffs und des Gewichts der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzen des Zumutbaren gewahrt sind. Dabei kommt auch dem deutschen Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels zu. Er verfügt über das Recht, von mehreren unsicheren empirischen Sätzen einen auszuwählen und als Prämisse festzusetzen. Er hat einen Entscheidungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum (BVerfG 03.04.2001 – 1 BvL 32/97 – Rnr. 51, BVerfGE 103, 293; Neumann, Legislative Einschätzungsprärogative und gerichtliche Kontrolle bei Eingriffen in die Tarifautonomie, RdA 2007, 71,74).
185Der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands hat das Moratorium (Gesetz 3845/2010) einer Überprüfung unterzogen und mit Urteil vom 21.06.2011 entschieden, dass es weder die griechische Verfassung noch das europäische Menschenrechtsabkommen noch andere internationale Abkommen verletzt. Er hat das Gesetz auch im Hinblick auf Artikel 17 der griechischen Verfassung (Schutz des Eigentums) unter dem Gesichtspunkt der Lohnkürzung und im Hinblick auf Artikel 25 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) geprüft und darauf hingewiesen, dass das Gesetz 3845/2010 Teil des allgemeinen Programms zur volkswirtschaftlichen Konsolidierung und Durchsetzung struktureller Reformen ist und dass es durch ernsthafte Gründe volkswirtschaftlichen Interesses gerechtfertigt ist, die Gründe auch gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechen (Quelle: Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.). Die Parteien sind auf das Urteil hingewiesen worden und haben keine weiteren Ausführungen gemacht.
186(b)
187Die dem Kläger angebotenen Vertragsänderungen entsprechen den Vorgaben der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010.
188(aa)
189Dass diese Gesetze ihn als Bediensteten der Beklagten mit einem privatrechtlichen Vertrag erfassen, ist schon begründet worden.
190(bb)
191Aus den dem Notstand der Beklagten Rechnung tragenden gesetzlichen Regelungen folgt, dass die angebotenen Bedingungen unabweisbar notwendig sind.
192(aaa)
193Nach Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 wird das Gehalt von Bediensteten mit privatrechtlichen Verträgen, die wie der Kläger keine Zulagen, Vergütungen und Honorare im Sinne des Artikel 1 § 2 Abs. 1 erhalten, um 7 % gekürzt. Nach Artikel 3 § 3 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 beträgt der weitere Kürzungsbetrag 3 %.
194Der von der Beklagten angebotene Kürzungsbetrag von 310,63 € ist geringer als der sich aus den gesetzlichen Vorgaben tatsächlich ergebende Kürzungsbetrag. Die Beklagte hat das klägerische Gehalt im Jahre 2010 tatsächlich um 355,91 € gekürzt.
195(bbb)
196Auch das Angebot auf Streichung der Jahressonderzahlung rechtfertigt sich aus der griechischen Gesetzeslage.
197Gemäß Artikel 3 § 6 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 erhalten Beschäftigte, die unter Berücksichtigung aller ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen innerhalb eines Kalenderjahres mehr als 3.000 € monatlich verdienen, keine Weihnachts-, Oster- und Urlaubszuwendung.
198Der Kläger erzielt auch nach Kürzung seines Entgeltes noch mehr als 3.000 € monatlich.
199Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L steht einer Weihnachts- und Urlaubszuwendung im Sinne des Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010 gleich.
200Die Neuordnung des tariflichen Systems im öffentlichen Dienst haben die Tarifvertragsparteien zum Anlass genommen, die Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte, die gemäß § 4 Abs. 1 dieses Tarifvertrags zum 01.12. des Jahres gezahlt wurde, und das Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte, das gemäß § 4 des Tarifvertrags im Juli des Jahres fällig war, abzulösen (Sponer/Steinherr, TVöD, § 20 TVöD Rnr. 2). Die Jahressonderzahlung stellt zwar ein aliud gegenüber dem Weihnachts- und Urlaubsgeld dar, ist aber nach der Zwecksetzung den von dem griechischen Gesetz erfassten Zuwendungen vergleichbar.
201Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L ist einerseits Entgelt, gleichzeitig aber auch Honorierung der Betriebstreue und Motivation für die Zukunft (BAG 12.12.2012 – 10 AZR 922/11 – Rnr. 20, NZA 2013, 384), ist demnach nicht nur Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung. Aus den Begriffen Weihnachts- und Urlaubszulagen in dem Gesetz 3845/2010 folgt, dass diese zusätzlichen Leistungen anlässlich bestimmter Ereignisse nicht unmittelbar Vergütung der geleisteten Arbeit sind. Artikel 3 §§ 3, 4 des Gesetzes betreffen die Gegenleistung des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung, bezeichnet als „Bezüge, als ordentlicher Bezug, Zulagen, Vergütungen oder Honorare im allgemeinen“.
202(ccc)
203Für die Streichungen und Kürzungen der Entgelte und der Sonderzuwendungen der Bediensteten mit privatrechtlichen Verträgen ist ihre Rechtsgrundlage nach der griechischen Gesetzeslage unerheblich. Nach Artikel 1 § 5 des Gesetzes 3833/2010 und Artikel 3 § 8 des Gesetzes 3845/2010 gelten die Kürzungen unabhängig davon, ob die Ansprüche u.a. auf Tarifverträgen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beruhen. Nach der Entscheidung des griechischen Gesetzgebers erfordert die Sanierung der Staatsfinanzen Entgeltreduzierungen im öffentlichen Dienst unabhängig von der Rechtsgrundlage der Ansprüche. Auch die arbeitsvertragliche Verweisung auf tarifliche Ansprüche ist nicht vor Eingriffen geschützt.
204(ddd)
205Auch im Hinblick auf die ordentliche Unkündbarkeit des Klägers war der angebotene Eingriff in die Entgeltstruktur unabweisbar.
206Der Arbeitgeber darf zumindest dann auch gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern außerordentliche Änderungskündigungen nach §§ 55, 54 BAT, 626 BGB aussprechen, wenn dies zur Sanierung des konkret insolvenzbedrohten Betriebs notwendig ist, weil sonstige Maßnahmen einschließlich der Änderungskündigungen gegenüber Mitarbeitern ohne Alterskündigungsschutz nicht ausreichen (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 35).
207Angesichts der dargestellten Krisensituation, der Anforderungen der internationalen Geldgeber liegt es für die Kammer auf der Hand, dass jeder im griechischen öffentlichen Dienst Beschäftigte zum Gelingen der Konsolidierung einen Sanierungsbeitrag durch Entgeltreduzierung leisten muss.
208(2) Gemessen an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind die Entgeltkürzungen und die Streichung der Jahressonderzahlung dem Kläger zumutbar. Die Beklagte hat ihm nur solche Änderungen vorgeschlagen, die er billigerweise hinnehmen muss.
209Stehen dem Arbeitgeber mehrere Möglichkeiten der Änderung der Arbeitsbedingungen zur Verfügung, so fordert es der für das gesamte Kündigungsschutzrecht geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige auch ihm zumutbare Änderung anbietet, die den Gekündigten am wenigsten belastet (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 39; 17.03.2005 – 2 ABR 2/04 – Rnr. 21, NZA 2005, 949).
210(a)
211Hier stand dem griechischen Gesetzgeber – wie dargestellt – eine Einschätzungsprärogative zu. Er hat entschieden, dass die Konsolidierungsanstrengungen auch Lohnkürzungen erfordern.
212Nach dem Änderungsangebot büßt der Kläger bei Wirksamkeit der Änderungskündigung monatlich 310,63 € zuzüglich der Jahressonderzuwendung ein. Ausgehend von einem Bruttomonatsentgelt für 3.635,45 € und einer Jahressonderzahlung von 2.908,36 € (80 % von 3.635,45 €) verfügte er ohne die Kürzungen über ein Jahresbruttoeinkommen von 46.497,53 €. Unter Berücksichtigung der Kürzungen beträgt es nur noch 39.897,84 €, 86 % des ursprünglichen Einkommens. Die Kammer verkennt nicht, dass es sich um eine spürbare Einkommensminderung handelt, die dem Kläger angesichts der massiven Krisensituation jedoch noch zugemutet werden kann.
213(b)
214Entsprechend wendet er sich auch nicht im Wesentlichen gegen die Höhe der angebotenen Gehaltsminderung, sondern gegen ihre uneingeschränkte zukünftige Wirkung.
215Die Kammer teilt nicht seine Auffassung, die Beklagte hätte das verschlechternde Angebot befristen müssen.
216Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer zwar nicht hinnehmen, dass sein Einkommen durch eine Änderungskündigung auf Dauer abgesenkt wird, wenn die Entgeltkürzung nur mit vorübergehenden wirtschaftlichen Verlusten begründet wird (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 40).
217Bei Ausspruch der Kündigung war jedoch ein Ende der Wirtschaftskrise nach Vortrag der Beklagten nicht absehbar. Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat sich die Haushaltslage Griechenlands zwar seit 2010 verbessert. Das Haushaltsdefizit sank von minus 9,4 % 2011 auf minus 6,3 % in 2012. Für 2013 werden noch minus 4,1 % erwartet bei einem nach wie vor bestehenden Schuldenstand von 175,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Vor diesem Hintergrund enthalten die beiden Gesetze aus 2010 keine zeitlichen Beschränkungen für die Kürzungsmaßnahmen. Der Gesetzgeber hat eine Absenkung der Vergütungen im öffentlichen Dienst als auf Dauer unabdingbar erachtet. Zeitliche Beschränkungen ergeben sich weder aus Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 noch aus Artikel 3 § 3 des Gesetzes 3845/2010. In Artikel 3 des Gesetzes 3833/2010 hat der Gesetzgeber die Einkommenspolitik für 2010 beschrieben. Aus der Regelung folgt nicht, dass die in Artikel 1 § 4 verfügten Einschnitte in die Vergütungsstruktur beschränkt sind auf das Haushaltsjahr 2010. Aus Artikel 3 § 1 folgt lediglich, dass vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 Gehaltserhöhungen des öffentlichen Dienstes ausgeschlossen sind. Die untersagten Entgelterhöhungen werden in Artikel 3 § 2 näher konkretisiert. Artikel 3 § 3 enthält eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass durch Gesetz, Verordnung, Tarifabkommen, Schiedsspruch oder Satzung Erhöhungen bereits beschlossen waren.
218Wie krisenhaft die Gesamtlage und wie hoch der Zwang sind, dauerhaft Personalausgaben zu reduzieren, zeigt die Tatsache, dass das griechische Parlament in den Jahren 2011 und 2012 weitere Gesetze zur Entgeltreduzierung erlassen hat, wie der Kammer bereits vor dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten aufgrund von Presseveröffentlichungen bekannt war. Auf den konkreten Inhalt der nachfolgenden Gesetze kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
219(dd)
220Die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist jedoch nicht als fristlose Kündigung wirksam. Dem Kläger ist eine Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende gemäß §§ 55 Abs. 2 Unterabs. 3, 53 Abs. 2 BAT einzuräumen.
221Betriebsverfassungsrechtliche Gründe stehen nicht entgegen, da kein Betriebsrat besteht, der gemäß § 102 BetrVG wie bei Ausspruch einer ordentlichen Änderungskündigung zu beteiligen gewesen wäre.
222Bei Prüfung der Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung hat das Bundesarbeitsgericht durchgehend betont, dass eine Auslauffrist notwendig, gar zwingend ist (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11 – Rnr. 14, BB 2013, 533; 21.06.2012 – 2 AZR 343/11 – Rnr. 18, NZA 2013, 224; 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 22; 06.10.2005 – 2 AZR 362/04 – Rnr. 28, ZTR 206, 437).
223Zu bedenken ist, dass der Arbeitgeber – wie bereits ausgeführt – mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung eine weitreichende Verpflichtung und damit einhergehend ein hohes Risiko eingegangen ist. Die Einhaltung der Ausschlussfrist ist auch geboten, um eine Benachteiligung der durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung gerade geschützten Arbeitnehmer zu vermeiden (BAG 21.06.2012 a.a.O. Rnr. 18).
224Die Kammer sieht keinen Grund, im vorliegenden Fall von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen.
225Artikel 1 des Gesetzes 3833/2010 ist schon zum 01.01.2010, Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 zum 01.06.2010 in Kraft getreten. Das Gesetz 3833/2010 wurde am 11.03.2010, das Gesetz 3845/2010 am 06.05.2010 erlassen. Auch wenn der Beklagten zuzugestehen ist, dass die Entgeltkürzungen bereits den Haushalt 2010 entlasten sollten, dass die Umsetzung in arbeitsrechtliche Maßnahmen einer gewissen Vorbereitungszeit bedurfte, so ist gleichzeitig zu bedenken, dass sie bereits mit Schreiben vom 15.06.2010 gegenüber dem Kläger erklärt hat, die ihrer Auffassung nach in der Zeit von Januar 2010 bis Mai 2010 erfolgten Überzahlungen durch Lohnabzug in den Folgemonaten realisieren zu wollen. Sie hat es unterlassen, den Arbeitsvertrag des Klägers zeitnah mit dem Ergebnis zu prüfen, dass jedenfalls vorsorglich der Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung geboten war.
226Dass sie nicht die erforderliche Eile zur Wahrung ihrer Interessen gezeigt hat, ist auch der Tatsache zu entnehmen, dass der Kläger das von dem griechischen Generalkonsul in Hannover unterzeichnete Kündigungsschreiben vom 21.10.2010 erst am 12.11.2010 erhalten hat. Die von der Beklagten dargestellte und von der Kammer der Prüfung zugrunde gelegte wirtschaftliche Extremsituation hat sie selbst nicht zu einer zügigen Umsetzung der Kürzungen in das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger veranlasst. Der von ihr für zwingend erforderlich gehaltene Entlastungseffekt wird bei Einhaltung der sozialen Auslauffrist im Haushaltsjahr 2011 eintreten.
227B.
228Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs.6, 92 ZPO, die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Hamm Urteil, 03. Apr. 2014 - 17 Sa 1387/13 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 257/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Entgeltansprüche des Klägers.
3Der 1959 geborene Kläger ist seit dem 17.01.1994 an der griechischen Grundschule der Beklagten in C als Studienrat mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.164 € tätig. Das Grundgehalt aus der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TV-L betrug im Januar und Februar 2010 3.590,17 €. Zum 01.03.2010 wurde es auf 3.635,45 € erhöht.
4Der Kläger absolvierte in Deutschland ein Magisterstudium in Germanistik, das von der Beklagten anerkannt wurde. Er unterrichtet das Fach Deutsch.
5Bei seiner Einstellung war er griechischer Staatsbürger. Inzwischen verfügt er über eine doppelte Staatsbürgerschaft.
6Sein Gehalt wird in Griechenland besteuert. Er unterliegt dem deutschen Sozialversicherungssystem.
7Die Beklagte betreibt in C neben der Grundschule noch ein Lyzeum. Insgesamt beschäftigt sie an diesem Standort drei Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis und mehr als zwölf Beamte.
8In Deutschland bestehen weitere griechische Schulen.
9Dem Arbeitsverhältnis liegen Arbeitsverträge vom 01.03.1994 (Bl. 3, 4 d.A. 17 Sa 1387/13), vom 20.09.1994 (Bl. 5, 6 d.A. 17 Sa 1387/13 ), vom 01.09.2001 (Bl. 7 bis 9 d.A. 17 Sa 1387/13) und vom 02.01.2008 (Bl. 10 d.A. 17 Sa 1387/13) zugrunde. In dem Änderungsvertrag vom 02.01.2008 heißt es unter Nr. 2 wie folgt:
10Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992.
11Gemäß den obigen Ausführungen, den Änderungen der Beiträge des deutschen Versicherungsträgers und der Anpassung des BAT am TV-L, gestaltet sich sein Gehalt wie folgt:
12Wegen der Einzelheiten der Gehaltsdarstellung für den Zeitraum ab Januar 2008 wird auf die von dem Kläger in dem Rechtsstreit 17 Sa 1387/13 vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 10 d.A. 17 Sa 1387/13) verwiesen.
13Die Arbeitsverträge waren in griechischer und deutscher Sprache abgefasst. Die Gehaltsabrechnungen wurden dem Kläger in griechischer Sprache erteilt.
14Erhöhte sich das Gehalt nach den Vergütungsverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L, erhielt auch der Kläger einer Gehaltserhöhung, zuletzt zum 01.03.2010.
15Unter Nr. 2 C des Änderungsvertrages vom 01.09.2001 wies die Beklagte das Weihnachtsgeld 2001 unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe IV a BAT, des Alters des Klägers von 41 Jahren und einer Kinderzahl von drei Kindern aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 8 d.A.17 Sa 1387/13) verwiesen.
16Mit Wirkung zum 01.01.2010 trat Artikel 1 des griechischen Gesetzes 3833/2010 – Schutz der nationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise – in Kraft. Der Auftrag zur Veröffentlichung des Gesetzes und zu dessen Ausführung als Gesetz datiert vom 11.03.2010. Dem Gericht wurde eine von dem Beklagtenvertreter gefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt. Der Beklagtenvertreter ist durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln ermächtigter und beeidigter Dolmetscher für die griechische Sprache. Die Richtigkeit seiner Übersetzung ist zwischen den Parteien unstreitig. Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 lautet wie folgt:
174. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7 %) herabgesetzt.
18Artikel 3 des Gesetzes betrifft die Einkommenspolitik des Jahres 2010. Nach Artikel 3 § 1 sind ab Inkrafttreten des Artikels bis zum 31.12.2010 Abschluss und Gewährung von Erhöhungen auf die Gehälter und Bezüge unter anderem der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen nicht gestattet.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.11.2013 vorgelegte Kopie (Bl. 168 bis 187 d.A.) Bezug genommen.
20Mit Wirkung zum 01.06.2010 trat Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 in Kraft, das am 06.05.2010 mit Auftrag zur Veröffentlichung und Ausführung unterzeichnet wurde.
21Artikel 3 § 3 des Gesetzes lautet wie folgt:
223. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3 %) herabgesetzt.
23Artikel 3 § 6 enthält folgende Regelung:
246. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:
25a) Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.
26b) Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
27c) Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
28Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt.
29Wenn mit der Entrichtung der Zulagen des ersten Absatzes dieses Paragraphen die ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen aller Art diesen Betrag übersteigen, denn werden sie bei entsprechender Kürzung bis zur Grenze der dreitausend (3.000) Euro pro Monat entrichtet.
30Aus Artikel 3 § 8 ergibt sich, dass die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen alle Allgemein- oder Sonderbestimmungen und Tarifklauseln, Arbeitsverträge, Schiedssprüche und Einzelverträge überwiegen.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes und seiner Anhänge wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.11.2013 überreichte Übersetzung des Prozessbevollmächtigten (Bl. 189 bis 228 der Akte) verwiesen. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Übersetzung nicht.
32Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 24.03.2014 Übersetzungen des Gesetze 3899/2010 vom 17.12.2010 (Bl. 267 d. A.) und des Gesetzes 4024/2011 (B.265, 266 d. A.) vorgelegt.
33Mit Schreiben vom 15.06.2010 erklärte ihm die Beklagte, sie werde in den folgenden Monaten die unter Zugrundelegung des Gesetzes 3833/2010 in den Monaten Januar bis Mai 2010 geleisteten Entgeltüberzahlungen einbehalten.
34Ab Juni 2010 zahlte sie bis einschließlich Dezember 2010 lediglich ein Bruttomonatsgehalt von 3.279,54 €. Weiterhin zahlte sie nicht das volle, sich aus 3.279,54 € brutto ergebende Nettoentgelt von 2.452,28 € aus, sondern erbrachte in den Monaten Juli, September, Oktober, November und Dezember 2010 nur eine Zahlung in Höhe von 2.366,66 € netto und in den Monaten Juni und August 2010 von 2.294,49 € netto. Sie leistete für 2010 nicht die tarifliche Jahressonderzahlung von 2.872,13 € brutto.
35Wegen der Einzelheiten der Gehaltsabrechnungen wird auf die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 18.03.2011 vorgelegten, in griechischer Sprache abgefassten Abrechnungen für 2010 (Bl. 22, 23 d.A.) Bezug genommen.
36Mit Schreiben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom 12.07.2010 (Bl. 5 bis 7 d.A.), deren Mitglied der Kläger ist, machte er geltend, er sei nach dem TV-L zu vergüten, die Beklagte sei nicht zu einer Gehaltsreduzierung berechtigt.
37Mit Schreiben vom 21.10.2010, das dem Kläger am 12.11.2010 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es wie folgt:
38… Im Hinblick auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise und die Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone sowie durch den Internationalen Währungsfonds hat der griechische Staat Gehaltskürzungen veranlasst bei allen Beschäftigten/Gehaltsempfängern des griechischen Staates (Gesetze 3833/2010 und 3845/2010). Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d.h. 310,64 € monatlich sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die an Stelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde. Der Einbehalt der Kürzung Ihrer Bezüge um 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und um 3 % am dem 01.06.2010.
39Aufgrund des oben Gesagten kündigen wir hiermit den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund, unmittelbar und ohne Wahrung der Kündigungsfrist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit den folgenden Bedingungen an:
40- 41
1. Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 € monatlich.
- 2.42
Einstellung der Jahressonderzahlung.
Ergänzend teilen wir Ihnen mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.
44Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert.
45Der Kläger nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 12 der Akte 17 Sa 1387/13) unter Vorbehalt an.
46Mit Urteil vom 04.05.2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld seiner Kündigungsschutzklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm in dem unter dem Aktenzeichen 17 Sa 1387/13 von der Beklagten geführten Berufungsverfahren das erstinstanzliche Urteil teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und festgestellt, dass die fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten von 21.10.2010 rechtsunwirksam ist. Es hat die Einhaltung der sozialen Auslauffrist bis zum 30.6.2012 für geboten erachtet.
47Mit seiner am 28.01.2011 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Leistungsklage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des rückständigen Gehaltes sowie zu einer Jahressonderzahlung in Höhe von 80 % seines Gehaltes auf der Basis von 3.590,17 €.
48Er hat ausgeführt:
49Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Die Beklagte sei danach nicht zu einer einseitigen Gehaltskürzung berechtigt.
50Der Kläger hat unter Rücknahme seiner Klage bezüglich eines Leistungsantrags in Höhe von 1.266,06 € nebst Zinsen beantragt,
51- 52
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.491,37 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2010 zu zahlen,
- 53
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.872,13 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2011 zu zahlen,
- 54
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 743,68 € netto nebst Zinsen i.H.v 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
56die Klage abzuweisen.
57Mir Urteil vom 04.05.2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.491,37 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf 1.779,55 € seit dem 01.11.2010 sowie auf jeweils weitere 355,91 € seit dem 01.12.2010 und 01.01.2011 und 743,68 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.01.2011 sowie 2.8972,13 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.01.2011 zu zahlen.
58Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 20 %, der Beklagten zu 80 % auferlegt.
59Es hat die Auffassung vertreten, es sei die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben und auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei deutsches Recht anwendbar.
60Es hat ausgeführt:
61Für die Monate Juni bis Dezember 2010 könne der Kläger eine Gehaltsdifferenz von 2.491,37 € verlangen. Unstreitig finde der TV-L auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Aus der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 stehe ihm ab März 2010 ein Bruttomonatsgehalt von 3.635,45 € zu. Ab Juni 2010 habe die Beklagte 355,91 € brutto monatlich zu wenig gezahlt. Die von ihr ausgesprochene Änderungskündigung sei unwirksam.
62Der Kläger habe die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L gewahrt.
63Er habe auch Anspruch auf die Jahressonderzahlung von mindestens 2.872,13 €. Dabei könne dahinstehen, ob sich der Anspruch aus § 20 TV-L oder aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung ergebe.
64Auch bezüglich dieses Anspruchs sei die Ausschlussfrist gewahrt.
65Einen Lohnabzug von 743,68 € netto habe die Beklagte nicht begründet.
66Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 27 bis 37 d.A. verwiesen.
67Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 24.11.2011 – 17 Sa 1067/11 – das Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klage stehe ein Verfahrenshindernis entgegen, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei.
68Auf die zugelassene Revision hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 79/12 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.11.2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen. Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht und ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe bei Prüfung der materiellen Rechtslage davon auszugehen, dass sich die Wirksamkeit der Gehaltsreduzierungen nach deutschem Recht richte, da die Parteien konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hätten. Es habe weiter der Frage nachzugehen, ob nach dem anzuwendenden deutschen materiellen Arbeitsrecht und den noch im Einzelnen festzustellenden geltenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Beklagte das Gehalt des Klägers habe einseitig kürzen, insbesondere die Jahressonderzahlung widerrufen dürfen. Darüber hinaus sei der Frage nachzugehen, welche Rechtsqualität die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 hätten und ob die Beklagte angesichts der drohenden Staatsinsolvenz und der Auflagen der Troyka völkerrechtlich berechtigt sei, unmittelbar korrigierend auch in solche Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb ihres Staatsgebietes vollzogen würden. Insoweit sei gegebenenfalls ein völker- und staatsrechtliches Rechtsgutachten einzuholen.
69Wegen der Einzelheiten des Urteils des Bundesarbeitsgerichts wird auf Blatt 121 bis 125 d.A. Bezug genommen.
70Die Beklagte trägt nunmehr vor:
71Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 beanspruchten internationale Geltung. Sie seien nicht auf griechische Tarifverträge oder Verträge beschränkt. Sie unterhalte überall in der Welt Schulen, Kulturinstitute und Konsulate, an denen sie nicht nur Beamte, sondern auch Ortskräfte beschäftige. Die mit den Ortskräften geschlossenen Verträge richteten sich nach verschiedenen Tarifverträgen bzw. unterschiedlichen Rechtsordnungen.
72Sie sei nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.
73Die Parteien hätten auch nicht die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart. Nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliege ein Arbeitsvertrag dann nicht den Regeln des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweise. Das sei hier gegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers weise eine enge Beziehung zu Griechenland auf. Seine Muttersprache sei Griechisch. Bei Einstellung habe er nur über die griechische Staatsbürgerschaft verfügt. Er habe griechische Eltern und ein griechisches Abitur abgelegt. Als Lehrer an der griechischen Schule in C unterrichte er ausschließlich griechische bzw. griechischstämmige Schüler. Ohne Vorliegen dieser persönlichen Voraussetzungen hätte sie ihn nicht eingestellt. Die griechische Schule werde aus griechischen Haushaltsmitteln finanziert. Sie erfülle mit der Einrichtung der Schulen ihren Bildungsauftrag gegenüber den in Deutschland lebenden griechischen und griechischstämmigen Kindern. Die Stellenausschreibung und die mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverträge seien in griechischer Sprache abgefasst worden. Zu berücksichtigen sei auch die Besteuerung in Griechenland. Die Art der Tätigkeit und der Wohnsitz des Klägers seien demgegenüber nachrangig.
74Die Anwendung der griechischen Gesetze sei auch nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar. Sie stellten Eingriffsnormen im Sinne der deutschen Rechtsordnung dar.
75Die dem Kläger mit Ausspruch der Kündigung angebotenen Vertragsänderungen hätten dauerhaften Charakter. Sie habe eine endgültige Regelung angestrebt, da nicht abzusehen sei, wann sie wieder finanziell in der Lage sein werde, ihre Angestellten wie vor der Krise zu vergüten. Deshalb habe sie insbesondere die Sonderzahlungen, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld, endgültig neu regeln wollen. Sie habe insgesamt den Vertrag unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen ihren wirtschaftlichen Bedingungen anpassen wollen. Sie habe auch die automatische Vergütungsanpassung nach deutschen Tarifverträgen ausschließen wollen. Aus Artikel 3 § 5 des Gesetzes 3833/2010 ergebe sich eine Aufhebung der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel auf deutsche Tarifverträge. Auch in Griechenland habe es Tarifverträge zwischen den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretungen gegeben. Diese seien im April 2010 ausgelaufen. Durch das Gesetz 4024/2011 sei die Vergütung für Lehrer neu festgesetzt worden.
76Das erstinstanzliche Gericht habe verkannt, dass sich der Kläger wegen seiner Gehaltsentwicklung nicht auf die Regelungen des TV-L berufen könne. Der letzte mit ihm geschlossene Arbeitsvertrag verweise statisch auf den BAT vom 07.05.1992. Nach Ablösung des BAT durch den TV-L seien dem Kläger zwar Entgelterhöhungen nach den Tarifverträgen der Länder gewährt worden. Sie habe diese Erhöhungen jedoch irrtümlich geleistet.
77Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung zu. Aus den vertraglichen Grundlagen ergebe sich, dass die Weihnachtsgratifikation als freiwillige Sonderzahlung vereinbart worden sei. Es sei arbeitsvertraglich nicht auf die Regelung des § 20 TV-L verwiesen worden.
78Da sie der öffentlichen Hand zuzurechnen sei, fänden die Grundsätze der betrieblichen Übung keine Anwendung.
79Die Beklagte beantragt,
80unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 257/11 – die Klage abzuweisen.
81Der Kläger beantragt,
82die Berufung zurückzuweisen.
83Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt unter Hinweis auf einen von dem Gericht den Parteien vorgelegten Aufsatz des Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Siehr (Prof.em. der Universität Zürich und freier Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg) aus:
84Auf das Arbeitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar.
85Den griechischen Gesetzen sei weder nach europäischem noch deutschem Internationalen Privatrecht unmittelbare Wirkung für sein Arbeitsverhältnis zu verleihen.
86Artikel 9 Rom I – VO sei nicht anwendbar. Es gehe nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes, der in Deutschland liege.
87Zu berücksichtigen sei auch, dass vom Vertragsstatut abweichende Normen nach den Vorschriften des IPR nur dann Geltung beanspruchen könnten, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien.
88Die griechischen Gesetze beanspruchten keine internationale Geltung.
89Die ausgesprochene Änderungskündigung sei unter Anwendung des deutschen Kündigungsrechts zu prüfen und unwirksam.
90Der Kündigung könne auch keine Rückwirkung beigelegt werden.
91Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
92Entscheidungsgründe
93A.
94Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
95I.
96Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.04.2013 (5 AZR 79/12) bestehen keine Bedenken mehr gegen die Zulässigkeit der Klage.
97II.
98Sie ist auch begründet.
991. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt aufgrund ihrer Rechtswahl dem deutschen Recht, wie das Bundesarbeitsgericht bereits am 10.04.2013 angemerkt hat (Rnr. 13 – 20).
100Die Berufung der Beklagten auf Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB führt zu keinem anderen Ergebnis.
101a) Die Kammer ist an einer Prüfung nicht deshalb gehindert, weil das Revisionsgericht in seinen Erwägungen von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen ist. Gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht im Fall der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die zu der Aufhebung des Urteils geführt hat. Die Bindungswirkung beschränkt sich auf die Punkte, wegen derer die Aufhebung als solche unmittelbar erfolgt ist. Im Übrigen ist das Gericht frei (BGH 06.11.1951 – I ZR 61/51 – Rnr. 10, BGHZ 3, 321; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage, § 563 ZPO Rnr. 3 a; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 563 ZPO Rnr. 11). Die Richtlinien des Revisionsgerichts für das neue Verfahren und die neue Entscheidung nehmen an der Bindungswirkung nicht teil (Zöller/Heßler, a.a.O., § 563 ZPO Rnr. 3 a).
102Die Feststellung des Revisionsgerichts, es sei deutsches Recht anwendbar, gehört zu seinen Erwägungen, aber nicht zu den Gründen, die unmittelbar zur Aufhebung des Berufungsurteils vom 24.11.2011 geführt haben.
103b) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels Rechtswahl anzuwenden wäre.
104Hätten die Parteien nicht die Anwendung deutschen Rechts konkludent vereinbart, wäre es nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gleichwohl anwendbar, da der Kläger seine Arbeitspflicht ausschließlich in Deutschland zu erfüllen hat (BAG 10.04.2013, Rnr. 24).
105Etwas andere gilt allerdings dann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht des anderen Staates anzuwenden, Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB. Die Ausnahmeklausel greift auch ein, wenn die Parteien eine Rechtswahl nach Artikel 30 Abs. 1 EGBGB getroffen haben (Palandt-Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 30 EGBGB Rnr. 4).
106Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engere Bindung zu dem Recht der Beklagten auf. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist die Gesamtheit der Umstände. Primäre Anknüpfungspunkte sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien. Diese Kriterien beschreiben die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimensionen, Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte heranzuziehen, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden. Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt. Die ausdrückliche oder hier konkludente Rechtswahl als solche kann nicht herangezogen werden, da es gerade auf das ohne Rechtswahl maßgebliche Recht ankommt (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 – Rnr. 43, BB 2004, 1393; 24.08.1989 – 2 AZR 3/89 – Rnr. 43, DB 1990, 1666). Indiz für das anwendbare Recht kann auch die Unterwerfung des Vertrages unter das deutsche Sozialversicherungssystem sein (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 46).
107Hier spricht für die Anwendung griechischen Rechts, dass der Kläger neben der deutschen Staatsbürgerschaft auch die griechische Staatsangehörigkeit besitzt. Die gemeinsame Staatsangehörigkeit kann Rückschlüsse auf einen den Parteien gemeinsamen Rechtshorizont zulassen (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 47).
108Die Vertragssprache der Parteien ist dagegen nicht ausschließlich Griechisch. Die Gehaltsabrechnungen sind – soweit aus den von dem Kläger in diesem Rechtsstreit für 2010 vorgelegten Abrechnungen (Bl. 22, 23 d.A.) erkennbar, in griechischer Sprache abgefasst worden. Unstreitig wurden die Arbeitsverträge sowohl in griechischer als auch in deutscher Sprache geschlossen. Die Arbeitsverträge vom 01.03.1994 und 20.09.1994 hat der Kläger in deutscher Sprache unterzeichnet, die letzten beiden Arbeitsverträge offenkundig in der griechischen Fassung, da dem Gericht Übersetzungen der Verträge ohne Unterschriften der Parteien vorgelegt wurden. Zugunsten der Auffassung der Beklagten kann auch berücksichtigt werden, dass der Kläger griechischstämmige Schüler in einer griechischen Schule unterrichtet, aus griechischen Haushaltsmitteln vergütet wird und in Griechenland Steuern entrichtet. Die Entrichtung von Steuern in Griechenland ist jedoch kein wesentlicher Gesichtspunkt. Sie folgt aus Artikel X Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern von Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 18.04.1966. Danach können Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des damaligen Königreichs Griechenland oder einer seiner Gebietskörperschaften für gegenwärtig erbrachte Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Zahlung an einen deutschen Staatsangehörigen geleistet wird, der nicht zugleich Staatsangehöriger des Königreichs Griechenland, jetzt der Beklagten ist.
109Trotz der aufgezeigten Indiztatsachen besteht kein engerer Bezug zu dem griechischen Recht, da wichtige Vertragsfaktoren für die Anwendung des deutschen Rechtes sprechen. Die Arbeitsverträge wurden mit der Beklagten, vertreten durch die griechischen Generalkonsulate in Dortmund bzw. Düsseldorf, geschlossen. Wie ausgeführt, wurden sie auch in deutscher Sprache erstellt. Bis zur Währungsumstellung wurde das Gehalt in DM ausgewiesen. Die Parteien haben deutsches Tarifrecht für anwendbar erklärt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterliegt deutschem Sozialversicherungsrecht.
1102.
111Der Anspruch auf Zahlung von 2.491,37 € rechtfertigt sich aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 01.09.2008 in Verbindung mit der Entgelttabelle zum TV-L.
112Nach dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2008 richtet sich die monatliche Vergütung des Klägers nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TV-L.
113a)
114Die Beklagte hat zwar zunächst unter Nr. 2 Abs. 1 des Vertrags auf die Anwendung der Regelungen des BAT vom 07.05.1992 verweisen. Einen Zusatz, der auf die Anwendbarkeit des BAT dynamisch hinweist, gibt es nicht.
115Der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT ist nicht fortgeschrieben worden, sondern gemäß der Anlage 1 Teil B zum TVÜ-L ersetzt worden. In Kenntnis dieser Tatsache ist in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags das Gehalt des Klägers ausdrücklich „unter Anpassung des BAT am TV-L“ festgesetzt worden. Die Gehaltsdarstellung für die Zeit ab Januar 2008 verweist entsprechend auf die Entgeltgruppen der Anlage 2 Teil B zum TVÜ-L. Die Vergütung des Klägers erfolgte nicht mehr aus der Vergütungsgruppe IV a BAT, sondern aus der Entgeltgruppe 10.
116Das Gehalt nach dem TV-L ist dynamisch gestaltet.
117Das ergibt sich allerdings nicht aus dem Wortlaut der Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Die Gehaltsdarstellung bezieht sich nur auf die Zeit ab Januar 2008 unter Zugrundelegung der in 2008 geltenden tariflichen Vergütung bei Angabe eines festen Entgeltbetrags. Die Erläuterung „gemäß … der Anpassung des BAT am TV-L“ lässt nicht klar erkennen, ob die Anpassung auch die zukünftige tarifliche Gehaltsentwicklung erfasst, schließt dieses Verständnis aber nicht aus.
118Die Parteierklärung ist jedoch gemäß §§ 133, 157 BGB im Sinne einer dynamischen Gehaltsentwicklung nach den Entgelttabellen zum TV-L auszulegen.
119Die Beklagte hat Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.01.2008 nach der gesamten Vertragsgestaltung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorformuliert und mindestens einmal gegenüber dem Kläger verwendet, ohne dass dieser Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte. Ob es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung handelt, kann dahinstehen.
120Der Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag.
121Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden können, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12 – Rnr. 15, DB 2013, 2030).
122Die Erklärung der Beklagten, das Gehalt gestalte sich in Anpassung des BAT an den TV-L, beinhaltet das Angebot auf Zahlung eines Tarifgehaltes. Damit hat sie dem Kläger als Klauselverwenderin verdeutlicht, sie vergüte nach Tarif, zumal sie auch entsprechend § 5 Abs. 2 TVÜ-L den Ortszuschlag bei der Bemessung des Entgelts berücksichtigt hat. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit der Bezeichnung als Tarifentgelt – hier durch den Hinweis auf die Entgeltgruppe des TV-L – redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Eurobetrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde, wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte, Bezeichnungen unterlassen, die auf ein tarifliches Entgelt hinweisen, und klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird (BAG 13.02.2013, a.a.O., Rnr. 17).
123Auch die Arbeitsverträge vom 01.03.1994, 20.09.1994 und 01.09.2001 verweisen auf eine tarifliche Vergütungsgruppe. Aus dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 ergibt sich im Übrigen, dass das Tarifgehalt ab dem 01.09.2001 dynamisch unter Berücksichtigung von Änderungen im Familienstand und Alter des Klägers festgesetzt wurde.
124Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte tatsächlich das Entgelt entsprechend den jeweils gültigen Vergütungstarifverträgen bzw. Anlagen zum TV-L festgesetzt hat. Zuletzt hat sie sein Gehalt zum 01.03.2010 auf 3.635,45 Euro erhöht, wobei sich allerdings aus der Entgelttabelle für das Tarifgebiet West für die Entgeltgruppe 10 Stufe 5 ein Tarifentgelt von 3.669,11 Euro ergibt. Dass der Festsetzung vom 01.03.2010 eine individuelle, von der Zahlung eines tariflichen Entgelts abrückende Vereinbarung zugrunde lag, behauptet die Beklagte jedoch nicht.
125Ihren Einwand, sie habe Tariferhöhungen irrtümlich an den Kläger weitergegeben, hat sie nicht näher begründet.
126b) Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben den Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nicht unmittelbar geändert. Dazu bedurfte es im vorliegenden Fall nicht der Einholung eines völker- und staatsrechtlichen Rechtsgutachtens, wie es das Bundesarbeitsgerichts für erwägenswert gehalten hat (10.04.2013 a.a.O. Rnr. 26).
127Auf die Neuordnung der Lehrervergütung durch das Gesetz 4024/2011 und die ergänzenden Regelungen in dem Gesetz 3899/2010 kommt es nicht an, da es ausschließlich um Ansprüche des Klägers für die Zeit bis Dezember 2010 geht. Die mündliche Verhandlung war daher nicht gemäß § 156 Abs.1 ZPO wiederzueröffnen.
128aa) Die Kammer folgt der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (25.09.2013 – 2 Sa 253/12 – Rnr. 113), dass sich in Fällen mit Auslandsberührung die anwendbaren Rechtsnormen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) bestimmen. § 293 ZPO ermöglicht es nicht, sich die Kenntnis über das deutsche IPR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verschaffen, dessen Kosten die unterlegene Partei zu tragen hätte (Zöller/Geimer, a.a.O., § 293 ZPO, Rnr. 1). Anderes gilt nur für die Ermittlung ausländischen Rechts, hier des griechischen Rechts. Die einschlägigen griechischen Gesetze sind dem Gericht jedoch vorgelegt worden. Über die Richtigkeit ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache besteht kein Streit.
129bb)
130(1) Die griechischen Gesetze sind keine internationalen Verträge, wie der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands in seinem Urteil vom 21.06.2011 festgestellt hat (zitiert nach Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.).
131(2) Die unmittelbare Anwendung der griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 rechtfertigt sich nicht aus Artikel 9 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Rom I – VO. Danach kann Eingriffsnormen des Staates, in dem die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Gemäß Artikel 28 Rom I – VO finden die Vorschriften der gesamten Verordnung jedoch keine Anwendung, da der letzte Arbeitsvertrag des Klägers vor dem 17.12.2009 geschlossen wurde (BAG 25.04.2013, a.a.O., Rnr. 24; LAG Nürnberg, 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 116; MünchKomm/Martiny, BGB, 5. Aufl., Art. 28 Rom I-VO, Rnr. 3; a. A., Siehr a.a.O., S. 8, 9). Außerdem geht es nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes.
132(3) Das Arbeitsverhältnis wird auch nicht im Sinne des Artikel 30 Abs. 1 EGBGB dem Schutz entzogen, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Abs. 2 anzuwenden wäre. Gemäß Artikel 30 Abs. 2 EGBGB wäre – wie bereits dargestellt – ebenfalls deutsches Recht anwendbar.
133(4) Eingriffsnormen eines Staates, die weder aus dem Vertragsstatut – hier dem deutschen Recht – noch aus dem Recht am Sitz des angerufenen Gerichts folgen –, sogenannten drittstaatlichen Eingriffsnormen (Siehr a.a.O., S. 6) kann gemäß Artikel 7 Abs. 1 EVÜ bei der Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht hier des griechischen Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Diese Vorschrift hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht in das EGBGB übernommen, sondern hat den Vorbehalt nach Art. 22 Abs. 1 a EVÜ bezüglich Art. 7 EVÜ erklärt (Siehr a.a.O., S. 7; Palandt/Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 1).
134cc)
135Drittstaatliche Eingriffsnormen sind deshalb nur über das Vertragsstatut zu berücksichtigen (BGH 17.11.1994 – III ZR 70/93 – Rnr. 43, BGHZ 128, 41; OLG Frankfurt 09.05.2011 – 23 U 34/10 – Rnr. 34; LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 120; Palandt-Heldrich, a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5). Anstelle ihrer unmittelbaren Anwendung kommt bei einer entsprechend engen Beziehung zu einer ausländischen Rechtsordnung ihre faktische Berücksichtigung im Rahmen der §§ 138, 313, 275, 826 BGB in Betracht (LAG Nürnberg, a.a.O., Rnr. 120; BGH 08.05.1985 – IV a ZR 138/83 – Rnr. 20, 22, BGHZ 94,268; 08.02.1984 – VIII ZR 254/82 – Rnr. 18, NJW 1984, 1746; 22.06.1972 – II ZR 113/70 – Rnr. 13, NJW 1972, 1575; Palandt-Heldrich a.a.O., § 34 EGBGB, Rnr. 5; Siehr a.a.O., S. 15).
136(1) Eine enge Beziehung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu der griechischen Rechtsordnung – wie sie in den Gesetzen 3833/2010 und 3845/2010 zum Ausdruck kommt – ist zu bejahen. Die Kürzungen der Gehälter sollen zwingend auch international durchgesetzt werden.
137Die Kammer geht davon aus, dass diese Gesetze alle Bediensteten der Beklagten erfassen, auch wenn sie – wie der Kläger – im Ausland beschäftigt sind (so auch Siehr a.a.O., S. 16).
138Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 betrifft nach seinem Wortlaut alle Bediensteten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Das folgt auch aus der Regelung in Artikel 3 § 1 des Gesetzes. Danach ist im Jahr 2010 die Erhöhung von Gehältern der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen, sogar der Angestellten von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die dem Staat gehören oder regelmäßig aus dem staatlichen Haushalt finanziert werden, uneingeschränkt untersagt. Selbiges ergibt sich aus Artikel 3 § 2 b des Gesetzes. Danach gilt die Untersagung der Gehaltserhöhungen ausnahmslos für alle mit einem Vertrag des privaten Rechts beschäftigten Bediensteten der Organisationen nach Artikel 3 § 1. Anhaltspunkte für den Ausschluss von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern des griechischen Staates finden sich nicht.
139Auch das Gesetz 3845/2010 beansprucht Geltung gegenüber den im Ausland Beschäftigten. Artikel 3 § 3 nimmt Bezug auf Artikel 1 § 2 des Gesetzes 3833/2010 und bestimmt uneingeschränkt eine Gehaltskürzung von 3 % für alle Bediensteten mit Arbeitsverhältnissen des Privatrechts ohne Anspruch auf Zulagen. Eine Einschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes folgt auch nicht aus Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010.
140Sinn und Zweck der Gesetze sprechen ebenfalls dafür, dass die genannten gesetzlichen Regelungen Eingriffsnormen sind. Das Gesetz 3833/2010 trägt den Titel „Schutz der internationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise“, das Gesetz 3845/2010 den Titel „Maßnahmen zur Aktivierung des Stützmechanismus für die griechische Wirtschaft von den EU-Staaten der Eurozone und dem internationalen Währungsfonds“. Beide Gesetze bezwecken, der katastrophalen Finanzkrise des griechischen Staates entgegenzutreten und die Vorgaben der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in den Erklärungen vom 25.03.2010 und 11.04.2010 (Anhang I, II des Gesetzes 3845/2010) nachzukommen. Die restriktive Haushaltsführung des griechischen Staates in den ersten Monaten des Jahres 2010 wurde ausdrücklich begrüßt. Zu Recht ist der Kläger deshalb dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, dass die gesetzlichen Maßnahmen den Staatsbankrott verhindern sollten, unter anderem durch Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst (so auch Siehr a.a.O. S. 17).
141Zu berücksichtigen ist ferner, dass die griechische Ergänzungsschule in C allein von der Beklagten finanziert wird. Die Kammer teilt die Auffassung des LAG Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 121), dass die streitgegenständlichen Gesetze auch im Interesse Deutschlands als Mitglied der Europäischen Union liegen.
142(2) Die griechischen Eingriffsnormen mit der Folge von Entgeltkürzungen führen nicht gemäß § 134 BGB zu einer Teilnichtigkeit der Vergütungsabrede, da die griechischen Gesetze keine unmittelbar geltenden Verbotsnormen darstellen. § 134 BGB ist unanwendbar (LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 123; Palandt-Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5).
143(3) Ihnen kann nicht über § 138 BGB Geltung verschafft werden. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der die vertragliche Regelung zum Entgelt sittenwidrig erscheinen lässt, wenn die gesetzlichen Kürzungen nicht durchgesetzt werden (zur Sittenwidrigkeit bei Verstoß gegen ausländische Gesetzesnormen, die Korruption verbieten, BGH 08.05.1985, a.a.O., Rnr. 22).
144(4) Das griechische Recht wirkt auch nicht über § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB auf das Entgelt des Klägers ein. Die Norm ist auf Entgeltforderungen nicht anwendbar, da ein Schuldner eine Einstandspflicht für seine finanzielle Leistungsfähigkeit hat (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. a.a.O., § 275 BGB Rnr. 3). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 125) darauf hingewiesen, dass dem Kläger bei Anwendung des § 275 BGB Gegenrechte wie das Zurückbehaltungsrecht, die Kündigung zustehen könnten, an deren Ausübung die Beklagte kein Interesse hat.
145(5) Dahinstehen kann, ob die gesetzlich verfügten Gehaltskürzungen dazu geführt haben, dass die Geschäftsgrundlage für die bisherige Vergütungshöhe entfallen ist.
146§ 313 BGB ist ausgeschlossen, denn das Kündigungsrecht nach §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG, 626 BGB ist gegenüber § 313 BGB lex specialis (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 396/12 – Rnr. 14, NZA 2013, 1409; 29.09.2011 – 2 AZR 523/10 – Rnr. 26, NZA 2012, 628; 08.10.2009 – 2 AZR 235/08 – Rnr. 32, DB 2010, 509). Der Sachverhalt, der im Rahmen des § 313 BGB zu berücksichtigen wäre, ist im Rahmen des Kündigungsschutzes zu würdigen (BAG 08.10.2009, a.a.O., Rnr. 32).
147d)
148Eine Änderung vor dem 31.12.2010 ist auch nicht durch die dem Kläger am 12.11.2010 zugegangene Änderungskündigung vom 21.10.2010 bewirkt worden. Wie die Kammer in dem Berufungsverfahren 17 Sa 1387/13 festgestellt hat, ist die Änderung der Arbeitsbedingungen erst zum 30.06.2011 wirksam geworden. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen.
149e)
150Die Höhe der Vergütungsdifferenz für die Monate Juni bis Dezember 2010 steht nicht im Streitpunkt. Die Beklagte hat das monatliche Gehalt in diesem Zeitraum um 355,91 € gekürzt.
151f)
152Der Kläger hat die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L bzw. des § 70 BAT gewahrt. Die diesbezüglichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts wurden mit der Berufung nicht angegriffen.
153g)
154Der Zinsausspruch ist ebenfalls nicht mit der Berufung angegriffen worden.
1553)
156Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von weiteren 743,68 € folgt ebenfalls aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 01.09.2008 in Verbindung mit der Entgelttabelle zum TV-L.
157a)
158Die Vergütungsansprüche für die Monate Juni und August 2010 sind nicht in Höhe von jeweils 157,79 € und die Ansprüche für die Monate Juli, September, Oktober, November und Dezember 2010 nicht in Höhe von jeweils 85,62 € gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB erloschen.
159Eine Gegenforderung im Sinne des § 387 BGB bestand nicht, da die griechischen Gesetze nicht unmittelbar in die Rechte des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis eingegriffen haben.
160Unstreitig hat die Beklagte in den streitgegenständlichen Monaten die Nettovergütung des Klägers entsprechend ihrer Erklärung mit Schreiben vom 16.05.2010 nicht vollständig ausgezahlt, weil sie der Auffassung ist, im Hinblick auf die Gehaltskürzungen durch das Gesetz 3833/2010 um 3 % ab dem 01.01.2010 an den Kläger in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Mai 2010 eine zu hohe Vergütung gezahlt und einen bereicherungsrechtlichen Gegenanspruch erworben zu haben. Sie war jedoch – wie bereits dargestellt – verpflichtet, in den Monaten Januar und Februar 2010 3.590,17 € und ab März 2010 3.635,45 € an ihn zu zahlen.
161b)
162Auch hinsichtlich dieser Forderung ist die Ausschlussfrist gewahrt. Die Beklagte hat die Erwägungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht mit der Berufung angegriffen.
163c)
164Auch gegen den Zinsausspruch hat sie keine Einwendungen erhoben.
1654)
166Dem Kläger steht weiter eine Sonderzahlung nach § 20 TV-L zu. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte insoweit eine betriebliche Übung begründet hat.
167a)
168Die Voraussetzungen der Tarifvorschrift sind erfüllt. Der Kläger war am 01.12.2010 bei der Beklagten beschäftigt, § 20 Abs. 1 TV-L. Die geltend gemachte Höhe folgt aus § 20 Abs. 2 TV-L. In der Entgeltgruppe 10 beträgt die Jahressonderzahlung 80 % des Entgeltes nach § 20 Abs. 3 TV-L. Der Kläger hat seine Forderung nur nach dem Entgelt der Monate Januar und Februar 2010 berechnet. Die Beklagte hat gegen die Höhe keine Einwendungen erhoben.
169b)
170§ 20 TV-L ist anwendbar. Unstreitig ist, dass dem Kläger die tarifliche Sonderzahlung bis 2009 stets gewährt wurde. In dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 wurden unter Nr. 2 C ausdrücklich ein Weihnachtsgeld, unter Nr. 2 F eine Urlaubsgeld nach der Vergütungsgruppe IV a BAT ausgewiesen.
171Nach Ablösung der Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 bestimmt sich der Anspruch unter Berücksichtigung des in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 02.01.2008 geäußerten Parteiwillens, das Gehalt dem TV-L anzupassen, nach § 20 TV-L. Hätte die Beklagte die tarifliche Sonderzahlung von den Vergütungsregelungen ausnehmen wollen, hätte sie dies für den Kläger als Verbraucher klar erkennbar äußern müssen.
172Der Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung steht entgegen der Auffassung der Beklagten unter keinem Freiwilligkeitsvorbehalt. Dieser ist in keinem der geschlossenen Arbeitsverträge vereinbart worden. Die Beklagte hat sich auch keinen Widerruf vorbehalten.
173Die Vereinbarung über die Zahlung einer Jahressonderzahlung ist aus den dargelegten Gründen nicht durch die griechischen Gesetze abgelöst worden.
174c) Durch Zustellung der Klageschrift vom 27.01.2011 an die Beklagte am 03.02.2011 wurde die Ausschlussfrist gewahrt. Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 TV-L war die Jahressonderzahlung mit dem Tabellenentgelt für November 2010 am 30.11.2010 fällig, § 24 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 TV-L.
175d) Die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 01.01.2011 wurde nicht angegriffen.
176B.
177Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO, die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. November 2011 - 17 Sa 1065/11 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung.
- 2
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Die beklagte Republik unterhält in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Schulen, darunter eine Grundschule in B. Sie hat den Status einer staatlich anerkannten Ergänzungsschule. Dort beschäftigt sie drei Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis sowie mehrere Beamte.
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-
Der 1959 geborene Kläger ist seit 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Einsatz erfolgte zuletzt an der Ergänzungsschule in B. Sein Bruttomonatsgehalt betrug 4.164,00 Euro.
- 4
-
Dem Arbeitsverhältnis liegt ua. die „Änderung des Arbeitsvertrages“ vom 2. Januar 2008 zugrunde. Dort heißt es:
-
„…
2.
Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992.
Gemäß den obigen Ausführungen, den Änderungen der Beiträge des deutschen Versicherungsträgers und der Anpassung des BAT am TV-L, gestaltet sich sein Gehalt wie folgt:
…“
- 5
-
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es:
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„… im Hinblick auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise und die Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone sowie durch den Internationalen Währungsfonds hat der griechische Staat Gehaltskürzungen veranlasst bei allen Beschäftigten/Gehaltsempfängern des griechischen Staates (Gesetze 3833/2010 und 3845/2010). Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d.h. 310,63 Euro monatlich, sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die an Stelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde. Der Einbehalt der Kürzung Ihrer Bezüge um 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und um 3 % ab dem 01.06.2010.
Aufgrund des oben Gesagten kündigen wir hiermit den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund, unmittelbar und ohne Wahrung der Kündigungsfrist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit den folgenden Bedingungen an:
1.
Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 € monatlich.
2.
Einstellung der Jahressonderzahlung.
Ergänzend teilen wir Ihnen mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, d.h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.
Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert. …“
- 6
-
Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat er sich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt. Er hat bestritten, dass allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Beklagten das Gehalt gekürzt worden sei. Ihm seien Arbeitskollegen in anderen Städten bekannt, die keine Änderungskündigung erhalten hätten. Die Kündigung sei auch unverhältnismäßig, weil die Beklagte ihre wirtschaftliche Lage und ihre Sanierungsplanung nicht nachvollziehbar dargelegt habe.
- 7
-
Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21. Oktober 2010 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nach § 20 Abs. 2 GVG nicht gegeben. Ein angestellter Lehrer unterstehe den Weisungen ihres Konsuls in D und übe sowohl nach deutschem als auch nach ihrem - griechischen - Recht hoheitliche Aufgaben aus. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei im Übrigen gerechtfertigt. Sie sei Ende Februar/Anfang März 2010 finanziell nicht in der Lage gewesen, die Gehälter und Renten ihrer etwa eine Million Beschäftigten aufzubringen. Um weitere zwingend erforderliche Kredite zu erhalten und damit eine Insolvenz zu vermeiden, in deren Folge sie aus der europäischen Währungsunion würde austreten müssen, habe sie Verhandlungen mit den Geberländern aufgenommen. Danach habe sie nur die Möglichkeit gehabt, entweder ca. 250.000 Bedienstete zu entlassen oder die Gehälter und Renten ausnahmslos aller Bediensteten durch Parlamentsgesetz radikal zu kürzen. Sie habe sich für letztere Möglichkeit entschieden und nach den Vorgaben der Geberländer die Gesetze 3833/2010 „Schutz der nationalen Wirtschaft - Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise“ (Kürzung jeder Art regulärer Bezüge um 7 % mit Wirkung ab 1. Januar 2010) und 3845/2010 „Maßnahmen zur Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft von den EU-Mitgliedsländern der Eurozone und vom Internationalen Währungsfonds“ (Kürzung um weitere 3 % sowie Kürzung bzw. Streichung von Weihnachtsgeld, Ostergeld und Urlaubsgeld mit Wirkung ab 1. Juni 2010) erlassen.
- 9
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht als unzulässig abweisen. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Die Beklagte ist nicht nach § 20 Abs. 2 GVG von ihr befreit. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.
- 13
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a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 14 mwN).
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aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 17, jeweils mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).
- 15
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bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen. Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15 f. mwN).
- 16
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b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht wegen ihrer Immunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Kläger nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.
- 17
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aa) Die Tätigkeit des Klägers gehört nicht zum Kernbereich der Staatsgewalt. Die Beurteilung, ob es sich um dennoch hoheitliche Tätigkeit handelt, richtet sich daher nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.
- 18
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bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Tätigkeit des Klägers nicht deshalb hoheitlich, weil die Unterhaltung des Schulwesens - sowohl nach griechischem als auch nach deutschem Recht - eine staatliche Aufgabe ist. Der Staat handelt bei Wahrnehmung seiner vielfältigen Aufgaben nicht stets und notwendig hoheitlich. Die Charakterisierung einer Aufgabe als staatliche ist deshalb für die Abgrenzung von hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln nicht maßgebend (vgl. BAG 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15). Es kommt vielmehr auf die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit an. Diese ist bei Lehrern an einer allgemeinbildenden staatlichen oder staatlich anerkannten Schule nicht iSv. § 20 Abs. 2 GVG hoheitlich geprägt. Die Tätigkeit von Lehrern an einer solchen Schule ist nicht Ausdruck der Souveränität des Staates nach innen oder außen in einem für diese Bestimmung maßgebenden Sinne. Sie steht in keinem funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen oder konsularischen Aufgaben und ist auch nicht die Ausübung einer hoheitsrechtlichen Befugnis, die mit Blick auf Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten zu übertragen wäre(vgl. BVerfG 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 63 ff., BVerfGE 119, 247; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 20).
- 19
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2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Die deutschen Gerichte sind auch international zuständig.
- 20
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a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Der für ihre Anwendung erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu EuGH 17. November 2011 - C-327/10 - [Lindner] Rn. 29; BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 21) ist gegeben. Die Beklagte ist ein ausländischer Staat ohne „Sitz“ im Inland iSv. Art. 19 EuGVVO(vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).
- 21
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b) Nach Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, an dem Ort in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dieser Ort - der gewöhnliche Arbeitsort - liegt im Streitfall in B.
- 22
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II. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob die Klage begründet ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die materielle Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht geprüft und entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
- 23
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1. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung richtet sich nach deutschem materiellen Recht.
- 24
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a) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts ist nach Art. 27 ff. EGBGB (aF) vorzunehmen. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gem. ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.
- 25
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b) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB(aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich auch aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können Gerichtsstandsklauseln, die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts oder die Bezugnahme auf Tarifverträge typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl enthalten (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28; 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 32, BAGE 125, 24).
- 26
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c) Danach haben die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Sie haben arbeitsvertraglich einen deutschen Tarifvertrag in Bezug genommen. Die auf diese Weise getroffene Rechtswahl entspricht im Ergebnis der Regelung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB(aF). Danach unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse bei Fehlen einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dies ist hier Deutschland.
- 27
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2. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob nach dem anwendbaren deutschen Recht die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung wirksam erfolgt ist.
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a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht - ggf. nach weiterem Sachvortrag der Parteien und uU auf der Grundlage eines völker- und staatsrechtlichen Gutachtens - zunächst der Frage nachgehen müssen, welche Rechtsqualität die im bisherigen Prozessverlauf nicht umfassend vorgelegten griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigen, unmittelbar korrigierend auch in solche Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb ihres Staatsgebiets vollzogen werden (vgl. dazu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).
- 29
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b) Sollte danach die Änderung der Vertragsbedingungen bereits unabhängig von der ausgesprochenen Änderungskündigung eingetreten sein, könnte der Änderungsschutzantrag allein deshalb unbegründet sein. Die Begründetheit einer nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt erhobenen Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die angebotene Vertragsänderung wirksam werden soll, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden. Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Vertragsbedingungen, die auch ohne sie für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung zwar „überflüssig“ und wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung unverhältnismäßig. Nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung steht deren Wirksamkeit aber nicht (mehr) im Streit. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen Vertragsbedingungen sozial ungerechtfertigt sind, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch schon aus anderen Gründen nach diesen Bedingungen richtet (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 14). Die Wirksamkeit der Kündigung steht allenfalls dann weiterhin im Streit, wenn der Arbeitnehmer die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG mit dem weiteren Vorbehalt verbunden haben sollte, dass die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ ist.
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c) Für den Fall, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht unmittelbar durch die griechischen Gesetze herbeigeführt worden ist, wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bereits deshalb unwirksam ist, weil es an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot fehlte.
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aa) Ein mit der - ordentlichen oder außerordentlichen - Kündigung unterbreitetes Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Ihm muss - ggf. nach Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB - zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Der Inhalt des Änderungsangebots muss zudem nach § 623 BGB im Kündigungsschreiben zumindest hinreichenden Anklang gefunden haben(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 31; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 78).
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bb) Im Streitfall ist das Änderungsangebot hinreichend bestimmt. Es genügt auch dem Schriftformerfordernis nach § 623 BGB.
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(1) Das Änderungsangebot ist - anders als der Kläger gemeint hat - nicht in sich widersprüchlich und deshalb unbestimmt, weil das Schreiben zunächst von einer Kürzung der Bezüge schon ab dem 1. Januar und dem 1. Juni 2010 ausgeht. Bei diesen einleitenden Ausführungen handelt es sich ersichtlich nicht bereits um das mit der Änderungskündigung verbundene Vertragsangebot selbst, sondern nur um die Erläuterung des Anlasses für deren Ausspruch. Die Kündigung als einseitige Willenserklärung wird erst im Anschluss an diese Erläuterung erklärt. Danach „kündigt“ die Beklagte „hiermit“ den Arbeitsvertrag „aus wichtigem Grund sofort und ohne Einhaltung der Frist“. Daraus folgt hinreichend deutlich, dass die Kündigung nur mit Wirkung für die Zukunft und nicht auch rückwirkend erfolgen sollte.
- 34
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(2) Das Änderungsangebot ist auch der Höhe nach hinreichend bestimmt. Der Umfang der monatlichen Kürzung des Gehalts ist mit 310,63 Euro exakt angegeben. Ob dieser Betrag den gesetzlichen Vorgaben rechnerisch entspricht und ob sich die Beklagte tatsächlich auf eine Gehaltskürzung in dieser Höhe beschränkt hat, ist für die Bestimmtheit des Änderungsangebots unerheblich.
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(3) Es mag unklar sein, ob für das Jahr 2010 noch eine Jahressonderzahlung zu leisten ist. Dies steht der Bestimmtheit des Änderungsangebots nicht entgegen. Nach dem - eindeutigen - Wortlaut des Änderungsangebots soll zukünftig eine Jahressonderzahlung nicht mehr geleistet werden. Ein Anspruch auf eine - zumindest anteilige - Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 kann sich allenfalls aus dem alten, nicht aber aus dem neuen Vertrag ergeben.
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(4) Soweit die Beklagte im Rahmen des Änderungsangebots ergänzend mitteilt, dass zukünftig Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem Tarifvertrag (TV-L), sondern nach Entscheidung des Arbeitgebers erfolgen sollen, ist das Angebot ebenfalls hinreichend bestimmt. Die Beklagte stellt auf diese Weise klar, dass die Bezugnahme auf den TV-L künftig nicht (mehr) dynamisch wirken soll. Daraus wird hinreichend deutlich, dass der neue Arbeitsvertrag nach der Vorstellung der Beklagten keinen Automatismus zu Gehaltserhöhungen (mehr) enthält. Der Hinweis auf mögliche künftige Gehaltserhöhungen aufgrund einzelner Entscheidungen ihrerseits hat lediglich mitteilenden Charakter.
- 37
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d) Das Landesarbeitsgericht wird ggf. zudem den Fragen nachzugehen haben, ob - unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative - ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben war, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen(vgl. dazu zuletzt BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14 mwN) und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Im Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung kommt deren Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn der Kläger nicht aufgrund der bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen (bereits) ordentlich unkündbar war. Falls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch möglich und eine Umdeutung geboten ist, hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob das Kündigungsschutzgesetz gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 seiner Regelungen Anwendung findet und die Kündigung auch dann rechtswirksam ist.
-
Kreft
Rachor
Rinck
Eulen
Bartz
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.
(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.
(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 257/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Entgeltansprüche des Klägers.
3Der 1959 geborene Kläger ist seit dem 17.01.1994 an der griechischen Grundschule der Beklagten in C als Studienrat mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.164 € tätig. Das Grundgehalt aus der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TV-L betrug im Januar und Februar 2010 3.590,17 €. Zum 01.03.2010 wurde es auf 3.635,45 € erhöht.
4Der Kläger absolvierte in Deutschland ein Magisterstudium in Germanistik, das von der Beklagten anerkannt wurde. Er unterrichtet das Fach Deutsch.
5Bei seiner Einstellung war er griechischer Staatsbürger. Inzwischen verfügt er über eine doppelte Staatsbürgerschaft.
6Sein Gehalt wird in Griechenland besteuert. Er unterliegt dem deutschen Sozialversicherungssystem.
7Die Beklagte betreibt in C neben der Grundschule noch ein Lyzeum. Insgesamt beschäftigt sie an diesem Standort drei Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis und mehr als zwölf Beamte.
8In Deutschland bestehen weitere griechische Schulen.
9Dem Arbeitsverhältnis liegen Arbeitsverträge vom 01.03.1994 (Bl. 3, 4 d.A. 17 Sa 1387/13), vom 20.09.1994 (Bl. 5, 6 d.A. 17 Sa 1387/13 ), vom 01.09.2001 (Bl. 7 bis 9 d.A. 17 Sa 1387/13) und vom 02.01.2008 (Bl. 10 d.A. 17 Sa 1387/13) zugrunde. In dem Änderungsvertrag vom 02.01.2008 heißt es unter Nr. 2 wie folgt:
10Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992.
11Gemäß den obigen Ausführungen, den Änderungen der Beiträge des deutschen Versicherungsträgers und der Anpassung des BAT am TV-L, gestaltet sich sein Gehalt wie folgt:
12Wegen der Einzelheiten der Gehaltsdarstellung für den Zeitraum ab Januar 2008 wird auf die von dem Kläger in dem Rechtsstreit 17 Sa 1387/13 vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 10 d.A. 17 Sa 1387/13) verwiesen.
13Die Arbeitsverträge waren in griechischer und deutscher Sprache abgefasst. Die Gehaltsabrechnungen wurden dem Kläger in griechischer Sprache erteilt.
14Erhöhte sich das Gehalt nach den Vergütungsverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L, erhielt auch der Kläger einer Gehaltserhöhung, zuletzt zum 01.03.2010.
15Unter Nr. 2 C des Änderungsvertrages vom 01.09.2001 wies die Beklagte das Weihnachtsgeld 2001 unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe IV a BAT, des Alters des Klägers von 41 Jahren und einer Kinderzahl von drei Kindern aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 8 d.A.17 Sa 1387/13) verwiesen.
16Mit Wirkung zum 01.01.2010 trat Artikel 1 des griechischen Gesetzes 3833/2010 – Schutz der nationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise – in Kraft. Der Auftrag zur Veröffentlichung des Gesetzes und zu dessen Ausführung als Gesetz datiert vom 11.03.2010. Dem Gericht wurde eine von dem Beklagtenvertreter gefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt. Der Beklagtenvertreter ist durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln ermächtigter und beeidigter Dolmetscher für die griechische Sprache. Die Richtigkeit seiner Übersetzung ist zwischen den Parteien unstreitig. Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 lautet wie folgt:
174. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7 %) herabgesetzt.
18Artikel 3 des Gesetzes betrifft die Einkommenspolitik des Jahres 2010. Nach Artikel 3 § 1 sind ab Inkrafttreten des Artikels bis zum 31.12.2010 Abschluss und Gewährung von Erhöhungen auf die Gehälter und Bezüge unter anderem der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen nicht gestattet.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.11.2013 vorgelegte Kopie (Bl. 168 bis 187 d.A.) Bezug genommen.
20Mit Wirkung zum 01.06.2010 trat Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 in Kraft, das am 06.05.2010 mit Auftrag zur Veröffentlichung und Ausführung unterzeichnet wurde.
21Artikel 3 § 3 des Gesetzes lautet wie folgt:
223. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3 %) herabgesetzt.
23Artikel 3 § 6 enthält folgende Regelung:
246. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:
25a) Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.
26b) Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
27c) Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
28Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt.
29Wenn mit der Entrichtung der Zulagen des ersten Absatzes dieses Paragraphen die ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen aller Art diesen Betrag übersteigen, denn werden sie bei entsprechender Kürzung bis zur Grenze der dreitausend (3.000) Euro pro Monat entrichtet.
30Aus Artikel 3 § 8 ergibt sich, dass die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen alle Allgemein- oder Sonderbestimmungen und Tarifklauseln, Arbeitsverträge, Schiedssprüche und Einzelverträge überwiegen.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes und seiner Anhänge wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.11.2013 überreichte Übersetzung des Prozessbevollmächtigten (Bl. 189 bis 228 der Akte) verwiesen. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Übersetzung nicht.
32Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 24.03.2014 Übersetzungen des Gesetze 3899/2010 vom 17.12.2010 (Bl. 267 d. A.) und des Gesetzes 4024/2011 (B.265, 266 d. A.) vorgelegt.
33Mit Schreiben vom 15.06.2010 erklärte ihm die Beklagte, sie werde in den folgenden Monaten die unter Zugrundelegung des Gesetzes 3833/2010 in den Monaten Januar bis Mai 2010 geleisteten Entgeltüberzahlungen einbehalten.
34Ab Juni 2010 zahlte sie bis einschließlich Dezember 2010 lediglich ein Bruttomonatsgehalt von 3.279,54 €. Weiterhin zahlte sie nicht das volle, sich aus 3.279,54 € brutto ergebende Nettoentgelt von 2.452,28 € aus, sondern erbrachte in den Monaten Juli, September, Oktober, November und Dezember 2010 nur eine Zahlung in Höhe von 2.366,66 € netto und in den Monaten Juni und August 2010 von 2.294,49 € netto. Sie leistete für 2010 nicht die tarifliche Jahressonderzahlung von 2.872,13 € brutto.
35Wegen der Einzelheiten der Gehaltsabrechnungen wird auf die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 18.03.2011 vorgelegten, in griechischer Sprache abgefassten Abrechnungen für 2010 (Bl. 22, 23 d.A.) Bezug genommen.
36Mit Schreiben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom 12.07.2010 (Bl. 5 bis 7 d.A.), deren Mitglied der Kläger ist, machte er geltend, er sei nach dem TV-L zu vergüten, die Beklagte sei nicht zu einer Gehaltsreduzierung berechtigt.
37Mit Schreiben vom 21.10.2010, das dem Kläger am 12.11.2010 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es wie folgt:
38… Im Hinblick auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise und die Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone sowie durch den Internationalen Währungsfonds hat der griechische Staat Gehaltskürzungen veranlasst bei allen Beschäftigten/Gehaltsempfängern des griechischen Staates (Gesetze 3833/2010 und 3845/2010). Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d.h. 310,64 € monatlich sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die an Stelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde. Der Einbehalt der Kürzung Ihrer Bezüge um 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und um 3 % am dem 01.06.2010.
39Aufgrund des oben Gesagten kündigen wir hiermit den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund, unmittelbar und ohne Wahrung der Kündigungsfrist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit den folgenden Bedingungen an:
40- 41
1. Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 € monatlich.
- 2.42
Einstellung der Jahressonderzahlung.
Ergänzend teilen wir Ihnen mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.
44Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert.
45Der Kläger nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 12 der Akte 17 Sa 1387/13) unter Vorbehalt an.
46Mit Urteil vom 04.05.2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld seiner Kündigungsschutzklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm in dem unter dem Aktenzeichen 17 Sa 1387/13 von der Beklagten geführten Berufungsverfahren das erstinstanzliche Urteil teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und festgestellt, dass die fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten von 21.10.2010 rechtsunwirksam ist. Es hat die Einhaltung der sozialen Auslauffrist bis zum 30.6.2012 für geboten erachtet.
47Mit seiner am 28.01.2011 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Leistungsklage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des rückständigen Gehaltes sowie zu einer Jahressonderzahlung in Höhe von 80 % seines Gehaltes auf der Basis von 3.590,17 €.
48Er hat ausgeführt:
49Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Die Beklagte sei danach nicht zu einer einseitigen Gehaltskürzung berechtigt.
50Der Kläger hat unter Rücknahme seiner Klage bezüglich eines Leistungsantrags in Höhe von 1.266,06 € nebst Zinsen beantragt,
51- 52
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.491,37 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2010 zu zahlen,
- 53
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.872,13 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2011 zu zahlen,
- 54
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 743,68 € netto nebst Zinsen i.H.v 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
56die Klage abzuweisen.
57Mir Urteil vom 04.05.2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.491,37 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf 1.779,55 € seit dem 01.11.2010 sowie auf jeweils weitere 355,91 € seit dem 01.12.2010 und 01.01.2011 und 743,68 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.01.2011 sowie 2.8972,13 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.01.2011 zu zahlen.
58Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 20 %, der Beklagten zu 80 % auferlegt.
59Es hat die Auffassung vertreten, es sei die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben und auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei deutsches Recht anwendbar.
60Es hat ausgeführt:
61Für die Monate Juni bis Dezember 2010 könne der Kläger eine Gehaltsdifferenz von 2.491,37 € verlangen. Unstreitig finde der TV-L auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Aus der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 stehe ihm ab März 2010 ein Bruttomonatsgehalt von 3.635,45 € zu. Ab Juni 2010 habe die Beklagte 355,91 € brutto monatlich zu wenig gezahlt. Die von ihr ausgesprochene Änderungskündigung sei unwirksam.
62Der Kläger habe die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L gewahrt.
63Er habe auch Anspruch auf die Jahressonderzahlung von mindestens 2.872,13 €. Dabei könne dahinstehen, ob sich der Anspruch aus § 20 TV-L oder aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung ergebe.
64Auch bezüglich dieses Anspruchs sei die Ausschlussfrist gewahrt.
65Einen Lohnabzug von 743,68 € netto habe die Beklagte nicht begründet.
66Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 27 bis 37 d.A. verwiesen.
67Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 24.11.2011 – 17 Sa 1067/11 – das Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klage stehe ein Verfahrenshindernis entgegen, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei.
68Auf die zugelassene Revision hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 79/12 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.11.2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen. Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht und ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe bei Prüfung der materiellen Rechtslage davon auszugehen, dass sich die Wirksamkeit der Gehaltsreduzierungen nach deutschem Recht richte, da die Parteien konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hätten. Es habe weiter der Frage nachzugehen, ob nach dem anzuwendenden deutschen materiellen Arbeitsrecht und den noch im Einzelnen festzustellenden geltenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Beklagte das Gehalt des Klägers habe einseitig kürzen, insbesondere die Jahressonderzahlung widerrufen dürfen. Darüber hinaus sei der Frage nachzugehen, welche Rechtsqualität die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 hätten und ob die Beklagte angesichts der drohenden Staatsinsolvenz und der Auflagen der Troyka völkerrechtlich berechtigt sei, unmittelbar korrigierend auch in solche Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb ihres Staatsgebietes vollzogen würden. Insoweit sei gegebenenfalls ein völker- und staatsrechtliches Rechtsgutachten einzuholen.
69Wegen der Einzelheiten des Urteils des Bundesarbeitsgerichts wird auf Blatt 121 bis 125 d.A. Bezug genommen.
70Die Beklagte trägt nunmehr vor:
71Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 beanspruchten internationale Geltung. Sie seien nicht auf griechische Tarifverträge oder Verträge beschränkt. Sie unterhalte überall in der Welt Schulen, Kulturinstitute und Konsulate, an denen sie nicht nur Beamte, sondern auch Ortskräfte beschäftige. Die mit den Ortskräften geschlossenen Verträge richteten sich nach verschiedenen Tarifverträgen bzw. unterschiedlichen Rechtsordnungen.
72Sie sei nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.
73Die Parteien hätten auch nicht die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart. Nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliege ein Arbeitsvertrag dann nicht den Regeln des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweise. Das sei hier gegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers weise eine enge Beziehung zu Griechenland auf. Seine Muttersprache sei Griechisch. Bei Einstellung habe er nur über die griechische Staatsbürgerschaft verfügt. Er habe griechische Eltern und ein griechisches Abitur abgelegt. Als Lehrer an der griechischen Schule in C unterrichte er ausschließlich griechische bzw. griechischstämmige Schüler. Ohne Vorliegen dieser persönlichen Voraussetzungen hätte sie ihn nicht eingestellt. Die griechische Schule werde aus griechischen Haushaltsmitteln finanziert. Sie erfülle mit der Einrichtung der Schulen ihren Bildungsauftrag gegenüber den in Deutschland lebenden griechischen und griechischstämmigen Kindern. Die Stellenausschreibung und die mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverträge seien in griechischer Sprache abgefasst worden. Zu berücksichtigen sei auch die Besteuerung in Griechenland. Die Art der Tätigkeit und der Wohnsitz des Klägers seien demgegenüber nachrangig.
74Die Anwendung der griechischen Gesetze sei auch nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar. Sie stellten Eingriffsnormen im Sinne der deutschen Rechtsordnung dar.
75Die dem Kläger mit Ausspruch der Kündigung angebotenen Vertragsänderungen hätten dauerhaften Charakter. Sie habe eine endgültige Regelung angestrebt, da nicht abzusehen sei, wann sie wieder finanziell in der Lage sein werde, ihre Angestellten wie vor der Krise zu vergüten. Deshalb habe sie insbesondere die Sonderzahlungen, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld, endgültig neu regeln wollen. Sie habe insgesamt den Vertrag unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen ihren wirtschaftlichen Bedingungen anpassen wollen. Sie habe auch die automatische Vergütungsanpassung nach deutschen Tarifverträgen ausschließen wollen. Aus Artikel 3 § 5 des Gesetzes 3833/2010 ergebe sich eine Aufhebung der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel auf deutsche Tarifverträge. Auch in Griechenland habe es Tarifverträge zwischen den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretungen gegeben. Diese seien im April 2010 ausgelaufen. Durch das Gesetz 4024/2011 sei die Vergütung für Lehrer neu festgesetzt worden.
76Das erstinstanzliche Gericht habe verkannt, dass sich der Kläger wegen seiner Gehaltsentwicklung nicht auf die Regelungen des TV-L berufen könne. Der letzte mit ihm geschlossene Arbeitsvertrag verweise statisch auf den BAT vom 07.05.1992. Nach Ablösung des BAT durch den TV-L seien dem Kläger zwar Entgelterhöhungen nach den Tarifverträgen der Länder gewährt worden. Sie habe diese Erhöhungen jedoch irrtümlich geleistet.
77Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung zu. Aus den vertraglichen Grundlagen ergebe sich, dass die Weihnachtsgratifikation als freiwillige Sonderzahlung vereinbart worden sei. Es sei arbeitsvertraglich nicht auf die Regelung des § 20 TV-L verwiesen worden.
78Da sie der öffentlichen Hand zuzurechnen sei, fänden die Grundsätze der betrieblichen Übung keine Anwendung.
79Die Beklagte beantragt,
80unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 257/11 – die Klage abzuweisen.
81Der Kläger beantragt,
82die Berufung zurückzuweisen.
83Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt unter Hinweis auf einen von dem Gericht den Parteien vorgelegten Aufsatz des Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Siehr (Prof.em. der Universität Zürich und freier Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg) aus:
84Auf das Arbeitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar.
85Den griechischen Gesetzen sei weder nach europäischem noch deutschem Internationalen Privatrecht unmittelbare Wirkung für sein Arbeitsverhältnis zu verleihen.
86Artikel 9 Rom I – VO sei nicht anwendbar. Es gehe nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes, der in Deutschland liege.
87Zu berücksichtigen sei auch, dass vom Vertragsstatut abweichende Normen nach den Vorschriften des IPR nur dann Geltung beanspruchen könnten, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien.
88Die griechischen Gesetze beanspruchten keine internationale Geltung.
89Die ausgesprochene Änderungskündigung sei unter Anwendung des deutschen Kündigungsrechts zu prüfen und unwirksam.
90Der Kündigung könne auch keine Rückwirkung beigelegt werden.
91Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
92Entscheidungsgründe
93A.
94Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
95I.
96Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.04.2013 (5 AZR 79/12) bestehen keine Bedenken mehr gegen die Zulässigkeit der Klage.
97II.
98Sie ist auch begründet.
991. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt aufgrund ihrer Rechtswahl dem deutschen Recht, wie das Bundesarbeitsgericht bereits am 10.04.2013 angemerkt hat (Rnr. 13 – 20).
100Die Berufung der Beklagten auf Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB führt zu keinem anderen Ergebnis.
101a) Die Kammer ist an einer Prüfung nicht deshalb gehindert, weil das Revisionsgericht in seinen Erwägungen von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen ist. Gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht im Fall der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die zu der Aufhebung des Urteils geführt hat. Die Bindungswirkung beschränkt sich auf die Punkte, wegen derer die Aufhebung als solche unmittelbar erfolgt ist. Im Übrigen ist das Gericht frei (BGH 06.11.1951 – I ZR 61/51 – Rnr. 10, BGHZ 3, 321; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage, § 563 ZPO Rnr. 3 a; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 563 ZPO Rnr. 11). Die Richtlinien des Revisionsgerichts für das neue Verfahren und die neue Entscheidung nehmen an der Bindungswirkung nicht teil (Zöller/Heßler, a.a.O., § 563 ZPO Rnr. 3 a).
102Die Feststellung des Revisionsgerichts, es sei deutsches Recht anwendbar, gehört zu seinen Erwägungen, aber nicht zu den Gründen, die unmittelbar zur Aufhebung des Berufungsurteils vom 24.11.2011 geführt haben.
103b) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels Rechtswahl anzuwenden wäre.
104Hätten die Parteien nicht die Anwendung deutschen Rechts konkludent vereinbart, wäre es nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gleichwohl anwendbar, da der Kläger seine Arbeitspflicht ausschließlich in Deutschland zu erfüllen hat (BAG 10.04.2013, Rnr. 24).
105Etwas andere gilt allerdings dann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht des anderen Staates anzuwenden, Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB. Die Ausnahmeklausel greift auch ein, wenn die Parteien eine Rechtswahl nach Artikel 30 Abs. 1 EGBGB getroffen haben (Palandt-Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 30 EGBGB Rnr. 4).
106Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engere Bindung zu dem Recht der Beklagten auf. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist die Gesamtheit der Umstände. Primäre Anknüpfungspunkte sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien. Diese Kriterien beschreiben die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimensionen, Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte heranzuziehen, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden. Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt. Die ausdrückliche oder hier konkludente Rechtswahl als solche kann nicht herangezogen werden, da es gerade auf das ohne Rechtswahl maßgebliche Recht ankommt (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 – Rnr. 43, BB 2004, 1393; 24.08.1989 – 2 AZR 3/89 – Rnr. 43, DB 1990, 1666). Indiz für das anwendbare Recht kann auch die Unterwerfung des Vertrages unter das deutsche Sozialversicherungssystem sein (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 46).
107Hier spricht für die Anwendung griechischen Rechts, dass der Kläger neben der deutschen Staatsbürgerschaft auch die griechische Staatsangehörigkeit besitzt. Die gemeinsame Staatsangehörigkeit kann Rückschlüsse auf einen den Parteien gemeinsamen Rechtshorizont zulassen (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 47).
108Die Vertragssprache der Parteien ist dagegen nicht ausschließlich Griechisch. Die Gehaltsabrechnungen sind – soweit aus den von dem Kläger in diesem Rechtsstreit für 2010 vorgelegten Abrechnungen (Bl. 22, 23 d.A.) erkennbar, in griechischer Sprache abgefasst worden. Unstreitig wurden die Arbeitsverträge sowohl in griechischer als auch in deutscher Sprache geschlossen. Die Arbeitsverträge vom 01.03.1994 und 20.09.1994 hat der Kläger in deutscher Sprache unterzeichnet, die letzten beiden Arbeitsverträge offenkundig in der griechischen Fassung, da dem Gericht Übersetzungen der Verträge ohne Unterschriften der Parteien vorgelegt wurden. Zugunsten der Auffassung der Beklagten kann auch berücksichtigt werden, dass der Kläger griechischstämmige Schüler in einer griechischen Schule unterrichtet, aus griechischen Haushaltsmitteln vergütet wird und in Griechenland Steuern entrichtet. Die Entrichtung von Steuern in Griechenland ist jedoch kein wesentlicher Gesichtspunkt. Sie folgt aus Artikel X Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern von Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 18.04.1966. Danach können Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des damaligen Königreichs Griechenland oder einer seiner Gebietskörperschaften für gegenwärtig erbrachte Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Zahlung an einen deutschen Staatsangehörigen geleistet wird, der nicht zugleich Staatsangehöriger des Königreichs Griechenland, jetzt der Beklagten ist.
109Trotz der aufgezeigten Indiztatsachen besteht kein engerer Bezug zu dem griechischen Recht, da wichtige Vertragsfaktoren für die Anwendung des deutschen Rechtes sprechen. Die Arbeitsverträge wurden mit der Beklagten, vertreten durch die griechischen Generalkonsulate in Dortmund bzw. Düsseldorf, geschlossen. Wie ausgeführt, wurden sie auch in deutscher Sprache erstellt. Bis zur Währungsumstellung wurde das Gehalt in DM ausgewiesen. Die Parteien haben deutsches Tarifrecht für anwendbar erklärt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterliegt deutschem Sozialversicherungsrecht.
1102.
111Der Anspruch auf Zahlung von 2.491,37 € rechtfertigt sich aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 01.09.2008 in Verbindung mit der Entgelttabelle zum TV-L.
112Nach dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2008 richtet sich die monatliche Vergütung des Klägers nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TV-L.
113a)
114Die Beklagte hat zwar zunächst unter Nr. 2 Abs. 1 des Vertrags auf die Anwendung der Regelungen des BAT vom 07.05.1992 verweisen. Einen Zusatz, der auf die Anwendbarkeit des BAT dynamisch hinweist, gibt es nicht.
115Der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT ist nicht fortgeschrieben worden, sondern gemäß der Anlage 1 Teil B zum TVÜ-L ersetzt worden. In Kenntnis dieser Tatsache ist in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags das Gehalt des Klägers ausdrücklich „unter Anpassung des BAT am TV-L“ festgesetzt worden. Die Gehaltsdarstellung für die Zeit ab Januar 2008 verweist entsprechend auf die Entgeltgruppen der Anlage 2 Teil B zum TVÜ-L. Die Vergütung des Klägers erfolgte nicht mehr aus der Vergütungsgruppe IV a BAT, sondern aus der Entgeltgruppe 10.
116Das Gehalt nach dem TV-L ist dynamisch gestaltet.
117Das ergibt sich allerdings nicht aus dem Wortlaut der Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Die Gehaltsdarstellung bezieht sich nur auf die Zeit ab Januar 2008 unter Zugrundelegung der in 2008 geltenden tariflichen Vergütung bei Angabe eines festen Entgeltbetrags. Die Erläuterung „gemäß … der Anpassung des BAT am TV-L“ lässt nicht klar erkennen, ob die Anpassung auch die zukünftige tarifliche Gehaltsentwicklung erfasst, schließt dieses Verständnis aber nicht aus.
118Die Parteierklärung ist jedoch gemäß §§ 133, 157 BGB im Sinne einer dynamischen Gehaltsentwicklung nach den Entgelttabellen zum TV-L auszulegen.
119Die Beklagte hat Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.01.2008 nach der gesamten Vertragsgestaltung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorformuliert und mindestens einmal gegenüber dem Kläger verwendet, ohne dass dieser Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte. Ob es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung handelt, kann dahinstehen.
120Der Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag.
121Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden können, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12 – Rnr. 15, DB 2013, 2030).
122Die Erklärung der Beklagten, das Gehalt gestalte sich in Anpassung des BAT an den TV-L, beinhaltet das Angebot auf Zahlung eines Tarifgehaltes. Damit hat sie dem Kläger als Klauselverwenderin verdeutlicht, sie vergüte nach Tarif, zumal sie auch entsprechend § 5 Abs. 2 TVÜ-L den Ortszuschlag bei der Bemessung des Entgelts berücksichtigt hat. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit der Bezeichnung als Tarifentgelt – hier durch den Hinweis auf die Entgeltgruppe des TV-L – redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Eurobetrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde, wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte, Bezeichnungen unterlassen, die auf ein tarifliches Entgelt hinweisen, und klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird (BAG 13.02.2013, a.a.O., Rnr. 17).
123Auch die Arbeitsverträge vom 01.03.1994, 20.09.1994 und 01.09.2001 verweisen auf eine tarifliche Vergütungsgruppe. Aus dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 ergibt sich im Übrigen, dass das Tarifgehalt ab dem 01.09.2001 dynamisch unter Berücksichtigung von Änderungen im Familienstand und Alter des Klägers festgesetzt wurde.
124Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte tatsächlich das Entgelt entsprechend den jeweils gültigen Vergütungstarifverträgen bzw. Anlagen zum TV-L festgesetzt hat. Zuletzt hat sie sein Gehalt zum 01.03.2010 auf 3.635,45 Euro erhöht, wobei sich allerdings aus der Entgelttabelle für das Tarifgebiet West für die Entgeltgruppe 10 Stufe 5 ein Tarifentgelt von 3.669,11 Euro ergibt. Dass der Festsetzung vom 01.03.2010 eine individuelle, von der Zahlung eines tariflichen Entgelts abrückende Vereinbarung zugrunde lag, behauptet die Beklagte jedoch nicht.
125Ihren Einwand, sie habe Tariferhöhungen irrtümlich an den Kläger weitergegeben, hat sie nicht näher begründet.
126b) Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben den Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nicht unmittelbar geändert. Dazu bedurfte es im vorliegenden Fall nicht der Einholung eines völker- und staatsrechtlichen Rechtsgutachtens, wie es das Bundesarbeitsgerichts für erwägenswert gehalten hat (10.04.2013 a.a.O. Rnr. 26).
127Auf die Neuordnung der Lehrervergütung durch das Gesetz 4024/2011 und die ergänzenden Regelungen in dem Gesetz 3899/2010 kommt es nicht an, da es ausschließlich um Ansprüche des Klägers für die Zeit bis Dezember 2010 geht. Die mündliche Verhandlung war daher nicht gemäß § 156 Abs.1 ZPO wiederzueröffnen.
128aa) Die Kammer folgt der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (25.09.2013 – 2 Sa 253/12 – Rnr. 113), dass sich in Fällen mit Auslandsberührung die anwendbaren Rechtsnormen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) bestimmen. § 293 ZPO ermöglicht es nicht, sich die Kenntnis über das deutsche IPR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verschaffen, dessen Kosten die unterlegene Partei zu tragen hätte (Zöller/Geimer, a.a.O., § 293 ZPO, Rnr. 1). Anderes gilt nur für die Ermittlung ausländischen Rechts, hier des griechischen Rechts. Die einschlägigen griechischen Gesetze sind dem Gericht jedoch vorgelegt worden. Über die Richtigkeit ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache besteht kein Streit.
129bb)
130(1) Die griechischen Gesetze sind keine internationalen Verträge, wie der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands in seinem Urteil vom 21.06.2011 festgestellt hat (zitiert nach Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.).
131(2) Die unmittelbare Anwendung der griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 rechtfertigt sich nicht aus Artikel 9 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Rom I – VO. Danach kann Eingriffsnormen des Staates, in dem die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Gemäß Artikel 28 Rom I – VO finden die Vorschriften der gesamten Verordnung jedoch keine Anwendung, da der letzte Arbeitsvertrag des Klägers vor dem 17.12.2009 geschlossen wurde (BAG 25.04.2013, a.a.O., Rnr. 24; LAG Nürnberg, 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 116; MünchKomm/Martiny, BGB, 5. Aufl., Art. 28 Rom I-VO, Rnr. 3; a. A., Siehr a.a.O., S. 8, 9). Außerdem geht es nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes.
132(3) Das Arbeitsverhältnis wird auch nicht im Sinne des Artikel 30 Abs. 1 EGBGB dem Schutz entzogen, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Abs. 2 anzuwenden wäre. Gemäß Artikel 30 Abs. 2 EGBGB wäre – wie bereits dargestellt – ebenfalls deutsches Recht anwendbar.
133(4) Eingriffsnormen eines Staates, die weder aus dem Vertragsstatut – hier dem deutschen Recht – noch aus dem Recht am Sitz des angerufenen Gerichts folgen –, sogenannten drittstaatlichen Eingriffsnormen (Siehr a.a.O., S. 6) kann gemäß Artikel 7 Abs. 1 EVÜ bei der Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht hier des griechischen Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Diese Vorschrift hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht in das EGBGB übernommen, sondern hat den Vorbehalt nach Art. 22 Abs. 1 a EVÜ bezüglich Art. 7 EVÜ erklärt (Siehr a.a.O., S. 7; Palandt/Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 1).
134cc)
135Drittstaatliche Eingriffsnormen sind deshalb nur über das Vertragsstatut zu berücksichtigen (BGH 17.11.1994 – III ZR 70/93 – Rnr. 43, BGHZ 128, 41; OLG Frankfurt 09.05.2011 – 23 U 34/10 – Rnr. 34; LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 120; Palandt-Heldrich, a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5). Anstelle ihrer unmittelbaren Anwendung kommt bei einer entsprechend engen Beziehung zu einer ausländischen Rechtsordnung ihre faktische Berücksichtigung im Rahmen der §§ 138, 313, 275, 826 BGB in Betracht (LAG Nürnberg, a.a.O., Rnr. 120; BGH 08.05.1985 – IV a ZR 138/83 – Rnr. 20, 22, BGHZ 94,268; 08.02.1984 – VIII ZR 254/82 – Rnr. 18, NJW 1984, 1746; 22.06.1972 – II ZR 113/70 – Rnr. 13, NJW 1972, 1575; Palandt-Heldrich a.a.O., § 34 EGBGB, Rnr. 5; Siehr a.a.O., S. 15).
136(1) Eine enge Beziehung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu der griechischen Rechtsordnung – wie sie in den Gesetzen 3833/2010 und 3845/2010 zum Ausdruck kommt – ist zu bejahen. Die Kürzungen der Gehälter sollen zwingend auch international durchgesetzt werden.
137Die Kammer geht davon aus, dass diese Gesetze alle Bediensteten der Beklagten erfassen, auch wenn sie – wie der Kläger – im Ausland beschäftigt sind (so auch Siehr a.a.O., S. 16).
138Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 betrifft nach seinem Wortlaut alle Bediensteten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Das folgt auch aus der Regelung in Artikel 3 § 1 des Gesetzes. Danach ist im Jahr 2010 die Erhöhung von Gehältern der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen, sogar der Angestellten von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die dem Staat gehören oder regelmäßig aus dem staatlichen Haushalt finanziert werden, uneingeschränkt untersagt. Selbiges ergibt sich aus Artikel 3 § 2 b des Gesetzes. Danach gilt die Untersagung der Gehaltserhöhungen ausnahmslos für alle mit einem Vertrag des privaten Rechts beschäftigten Bediensteten der Organisationen nach Artikel 3 § 1. Anhaltspunkte für den Ausschluss von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern des griechischen Staates finden sich nicht.
139Auch das Gesetz 3845/2010 beansprucht Geltung gegenüber den im Ausland Beschäftigten. Artikel 3 § 3 nimmt Bezug auf Artikel 1 § 2 des Gesetzes 3833/2010 und bestimmt uneingeschränkt eine Gehaltskürzung von 3 % für alle Bediensteten mit Arbeitsverhältnissen des Privatrechts ohne Anspruch auf Zulagen. Eine Einschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes folgt auch nicht aus Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010.
140Sinn und Zweck der Gesetze sprechen ebenfalls dafür, dass die genannten gesetzlichen Regelungen Eingriffsnormen sind. Das Gesetz 3833/2010 trägt den Titel „Schutz der internationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise“, das Gesetz 3845/2010 den Titel „Maßnahmen zur Aktivierung des Stützmechanismus für die griechische Wirtschaft von den EU-Staaten der Eurozone und dem internationalen Währungsfonds“. Beide Gesetze bezwecken, der katastrophalen Finanzkrise des griechischen Staates entgegenzutreten und die Vorgaben der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in den Erklärungen vom 25.03.2010 und 11.04.2010 (Anhang I, II des Gesetzes 3845/2010) nachzukommen. Die restriktive Haushaltsführung des griechischen Staates in den ersten Monaten des Jahres 2010 wurde ausdrücklich begrüßt. Zu Recht ist der Kläger deshalb dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, dass die gesetzlichen Maßnahmen den Staatsbankrott verhindern sollten, unter anderem durch Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst (so auch Siehr a.a.O. S. 17).
141Zu berücksichtigen ist ferner, dass die griechische Ergänzungsschule in C allein von der Beklagten finanziert wird. Die Kammer teilt die Auffassung des LAG Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 121), dass die streitgegenständlichen Gesetze auch im Interesse Deutschlands als Mitglied der Europäischen Union liegen.
142(2) Die griechischen Eingriffsnormen mit der Folge von Entgeltkürzungen führen nicht gemäß § 134 BGB zu einer Teilnichtigkeit der Vergütungsabrede, da die griechischen Gesetze keine unmittelbar geltenden Verbotsnormen darstellen. § 134 BGB ist unanwendbar (LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 123; Palandt-Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5).
143(3) Ihnen kann nicht über § 138 BGB Geltung verschafft werden. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der die vertragliche Regelung zum Entgelt sittenwidrig erscheinen lässt, wenn die gesetzlichen Kürzungen nicht durchgesetzt werden (zur Sittenwidrigkeit bei Verstoß gegen ausländische Gesetzesnormen, die Korruption verbieten, BGH 08.05.1985, a.a.O., Rnr. 22).
144(4) Das griechische Recht wirkt auch nicht über § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB auf das Entgelt des Klägers ein. Die Norm ist auf Entgeltforderungen nicht anwendbar, da ein Schuldner eine Einstandspflicht für seine finanzielle Leistungsfähigkeit hat (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. a.a.O., § 275 BGB Rnr. 3). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 125) darauf hingewiesen, dass dem Kläger bei Anwendung des § 275 BGB Gegenrechte wie das Zurückbehaltungsrecht, die Kündigung zustehen könnten, an deren Ausübung die Beklagte kein Interesse hat.
145(5) Dahinstehen kann, ob die gesetzlich verfügten Gehaltskürzungen dazu geführt haben, dass die Geschäftsgrundlage für die bisherige Vergütungshöhe entfallen ist.
146§ 313 BGB ist ausgeschlossen, denn das Kündigungsrecht nach §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG, 626 BGB ist gegenüber § 313 BGB lex specialis (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 396/12 – Rnr. 14, NZA 2013, 1409; 29.09.2011 – 2 AZR 523/10 – Rnr. 26, NZA 2012, 628; 08.10.2009 – 2 AZR 235/08 – Rnr. 32, DB 2010, 509). Der Sachverhalt, der im Rahmen des § 313 BGB zu berücksichtigen wäre, ist im Rahmen des Kündigungsschutzes zu würdigen (BAG 08.10.2009, a.a.O., Rnr. 32).
147d)
148Eine Änderung vor dem 31.12.2010 ist auch nicht durch die dem Kläger am 12.11.2010 zugegangene Änderungskündigung vom 21.10.2010 bewirkt worden. Wie die Kammer in dem Berufungsverfahren 17 Sa 1387/13 festgestellt hat, ist die Änderung der Arbeitsbedingungen erst zum 30.06.2011 wirksam geworden. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen.
149e)
150Die Höhe der Vergütungsdifferenz für die Monate Juni bis Dezember 2010 steht nicht im Streitpunkt. Die Beklagte hat das monatliche Gehalt in diesem Zeitraum um 355,91 € gekürzt.
151f)
152Der Kläger hat die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L bzw. des § 70 BAT gewahrt. Die diesbezüglichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts wurden mit der Berufung nicht angegriffen.
153g)
154Der Zinsausspruch ist ebenfalls nicht mit der Berufung angegriffen worden.
1553)
156Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von weiteren 743,68 € folgt ebenfalls aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 01.09.2008 in Verbindung mit der Entgelttabelle zum TV-L.
157a)
158Die Vergütungsansprüche für die Monate Juni und August 2010 sind nicht in Höhe von jeweils 157,79 € und die Ansprüche für die Monate Juli, September, Oktober, November und Dezember 2010 nicht in Höhe von jeweils 85,62 € gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB erloschen.
159Eine Gegenforderung im Sinne des § 387 BGB bestand nicht, da die griechischen Gesetze nicht unmittelbar in die Rechte des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis eingegriffen haben.
160Unstreitig hat die Beklagte in den streitgegenständlichen Monaten die Nettovergütung des Klägers entsprechend ihrer Erklärung mit Schreiben vom 16.05.2010 nicht vollständig ausgezahlt, weil sie der Auffassung ist, im Hinblick auf die Gehaltskürzungen durch das Gesetz 3833/2010 um 3 % ab dem 01.01.2010 an den Kläger in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Mai 2010 eine zu hohe Vergütung gezahlt und einen bereicherungsrechtlichen Gegenanspruch erworben zu haben. Sie war jedoch – wie bereits dargestellt – verpflichtet, in den Monaten Januar und Februar 2010 3.590,17 € und ab März 2010 3.635,45 € an ihn zu zahlen.
161b)
162Auch hinsichtlich dieser Forderung ist die Ausschlussfrist gewahrt. Die Beklagte hat die Erwägungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht mit der Berufung angegriffen.
163c)
164Auch gegen den Zinsausspruch hat sie keine Einwendungen erhoben.
1654)
166Dem Kläger steht weiter eine Sonderzahlung nach § 20 TV-L zu. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte insoweit eine betriebliche Übung begründet hat.
167a)
168Die Voraussetzungen der Tarifvorschrift sind erfüllt. Der Kläger war am 01.12.2010 bei der Beklagten beschäftigt, § 20 Abs. 1 TV-L. Die geltend gemachte Höhe folgt aus § 20 Abs. 2 TV-L. In der Entgeltgruppe 10 beträgt die Jahressonderzahlung 80 % des Entgeltes nach § 20 Abs. 3 TV-L. Der Kläger hat seine Forderung nur nach dem Entgelt der Monate Januar und Februar 2010 berechnet. Die Beklagte hat gegen die Höhe keine Einwendungen erhoben.
169b)
170§ 20 TV-L ist anwendbar. Unstreitig ist, dass dem Kläger die tarifliche Sonderzahlung bis 2009 stets gewährt wurde. In dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 wurden unter Nr. 2 C ausdrücklich ein Weihnachtsgeld, unter Nr. 2 F eine Urlaubsgeld nach der Vergütungsgruppe IV a BAT ausgewiesen.
171Nach Ablösung der Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 bestimmt sich der Anspruch unter Berücksichtigung des in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 02.01.2008 geäußerten Parteiwillens, das Gehalt dem TV-L anzupassen, nach § 20 TV-L. Hätte die Beklagte die tarifliche Sonderzahlung von den Vergütungsregelungen ausnehmen wollen, hätte sie dies für den Kläger als Verbraucher klar erkennbar äußern müssen.
172Der Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung steht entgegen der Auffassung der Beklagten unter keinem Freiwilligkeitsvorbehalt. Dieser ist in keinem der geschlossenen Arbeitsverträge vereinbart worden. Die Beklagte hat sich auch keinen Widerruf vorbehalten.
173Die Vereinbarung über die Zahlung einer Jahressonderzahlung ist aus den dargelegten Gründen nicht durch die griechischen Gesetze abgelöst worden.
174c) Durch Zustellung der Klageschrift vom 27.01.2011 an die Beklagte am 03.02.2011 wurde die Ausschlussfrist gewahrt. Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 TV-L war die Jahressonderzahlung mit dem Tabellenentgelt für November 2010 am 30.11.2010 fällig, § 24 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 TV-L.
175d) Die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 01.01.2011 wurde nicht angegriffen.
176B.
177Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO, die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 2. Dezember 2010 - 5 Sa 1183/10 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Änderungskündigung.
- 2
-
Die Beklagte betreibt einen Verlag. Ihre Zentrale befindet sich in S. Für diese ist ein Betriebsrat gewählt. Im Bundesgebiet unterhält die Beklagte mehrere Geschäftsstellen. Die Geschäftsstelle H untergliedert sich in die Standorte Ha und H. Sie wird von einem gemeinsamen Geschäftsstellenleiter geführt. Ein örtlicher Betriebsrat für die Geschäftsstelle H ist nicht gebildet.
- 3
-
Die Klägerin war am Standort H beschäftigt. Sie ist seit dem 1. August 1993 bei der Beklagten tätig, zunächst als Sekretärin, seit dem 1. Januar 2008 als Vertriebskoordinatorin. Ihre monatliche Bruttovergütung beträgt durchschnittlich etwa 3.920,00 Euro.
- 4
-
Im Jahr 2008 beschäftigte die Beklagte in der Geschäftsstelle H neben der Klägerin acht Vertriebsaußendienstmitarbeiter, zwei weitere Vertriebskoordinatorinnen, eine Sekretärin und den Geschäftsstellenleiter.
- 5
-
Nach Anhörung und gegen den Widerspruch des Betriebsrats sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 26. August 2009 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2010 aus, verbunden mit dem Angebot, sie ab dem 1. April 2010 als Vertriebskoordinatorin in der Geschäftsstelle S weiterzubeschäftigen. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt einer Überprüfung seiner sozialen Rechtfertigung an. Sie hat rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Seit dem 12. April 2010 ist sie in S tätig.
- 6
-
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen sei sozial nicht gerechtfertigt. Sie hat bestritten, dass ihr bisheriger Arbeitsplatz weggefallen sei. Im Übrigen liege die Zustimmung des Betriebsrats zu ihrer Versetzung nicht vor.
-
Die Klägerin hat - soweit noch von Interesse - beantragt
-
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 26. August 2009 rechtsunwirksam ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die zum Zwecke der Versetzung ausgesprochene Änderungskündigung sei in jeder Hinsicht rechtswirksam. Sie hat behauptet, sie habe gegen Ende des Jahres 2008 beschlossen, die Abläufe und Aufgabenverteilungen in den Vertriebsgeschäftsstellen überwiegend zentral und nach einheitlichen, nicht mehr regional unterschiedlichen Vorgaben zu steuern. Aus diesem Grunde seien Aufgaben innerhalb der Geschäftsstelle H sowie zwischen dieser und der Zentrale umverteilt worden. Außerdem seien die Aufgaben der Vertriebskoordinatorinnen wegen des Rückgangs der Anzahl der ihrer Geschäftsstelle H zugeordneten Vertriebsaußendienstmitarbeiter zurückgegangen. Damit sei das Beschäftigungsbedürfnis für eine der - mittlerweile nur noch zwei - Vertriebskoordinatorinnen in H entfallen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Arbeitsvertrag der Parteien gebe ihr ohnehin das Recht, die Klägerin deutschlandweit einzusetzen. Selbst wenn die Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt sei, sei sie in eine Maßnahme des Direktionsrechts umzudeuten.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Dies führt, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Klage ist unbegründet, wenn Gegenstand des mit der Kündigung vom 26. August 2009 verbundenen Änderungsangebots in Wirklichkeit nicht eine Vertragsänderung war (I.1.). Ob die beabsichtigte Versetzung der Klägerin eine Vertragsänderung erforderte, steht noch nicht fest (I.2.). Unerheblich ist, ob die Beklagte ein mögliches Weisungsrecht, die Klägerin nach S zu versetzen, bereits wirksam ausgeübt hat (II.).
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I. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. August 2009 sei rechtsunwirksam, kann nicht getroffen werden, wenn das „Änderungsangebot“ der Beklagten nicht auf eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen zielt.
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1. Nach § 4 Satz 2 KSchG ist eine Änderungsschutzklage auf die Feststellung zu richten, dass die „Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt“ oder sie „aus anderen Gründen rechtsunwirksam“ ist. Eine solche Feststellung können die Gerichte nicht treffen, wenn das mit einer Kündigung verbundene „Änderungsangebot“ gar nicht auf eine Änderung der bestehenden Vertragsregelungen gerichtet ist, sondern die in ihm vorgesehenen neuen Bedingungen schon durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden können (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14). Voraussetzung für die Begründetheit einer Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist, dass die Parteien über die Berechtigung einer Änderung ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen streiten. Das Fehlen der sozialen Rechtfertigung einer Änderung der Arbeitsbedingungen bzw. deren Unwirksamkeit aus anderen Gründen kann nicht festgestellt werden, wenn der Vertrag der Parteien in Wirklichkeit nicht geändert werden soll.
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a) Hat der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen(BAG 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - Rn. 19, BAGE 134, 154). Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72). Die Regelung in § 8 KSchG spricht nicht gegen dieses Verständnis. Danach gilt zwar „die Änderungskündigung“ als von Anfang an rechtsunwirksam, wenn das Gericht festgestellt hat, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Da aber schon die Annahme des Angebots unter Vorbehalt die Beendigungswirkung der Kündigung beseitigt, ist § 8 KSchG so zu verstehen, dass nur die unter Vorbehalt akzeptierte Änderung der Arbeitsbedingungen von Beginn an entfällt. Streitgegenstand der Klage nach § 4 Satz 2 KSchG ist deshalb die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht die der Kündigung.
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b) Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG steht nur im Streit, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geändertenvertraglichen Bedingungen anbietet. § 2 Satz 1 KSchG setzt ersichtlich voraus, dass es zur Änderung der Arbeitsbedingungen einer Kündigung des bestehenden Arbeitsvertrags bedarf. Das ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber die von ihm erstrebte Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen gerade nicht zu erreichen vermag. Das bedeutet umgekehrt, dass eine faktische Änderung, die schon auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags, dh. ohne Einverständnis des Arbeitnehmers durchsetzbar ist, keiner Vertragsänderung und deshalb keiner Kündigung bedarf. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die er schon durch Ausübung seines Weisungsrechts gem. § 106 Satz 1 GewO durchsetzen kann, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung von Arbeitsbedingungen“ nach § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Während das Weisungsrecht der wechselnden Konkretisierung des unveränderten Vertragsinhalts dient, zielt die Änderungskündigung auf eine Änderung des Vertrags (vgl. Hromadka NZA 2008, 1338, 1339). Soll am bestehenden Vertragsinhalt nichts geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor. Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungsschutzklage ist in diesem Fall - notwendig - unbegründet (vgl. BAG 10. Dezember 1975 - 4 AZR 41/75 - zu I der Gründe, AP BAT §§ 22, 23 Nr. 90 = EzA BAT §§ 22 - 23 VergGr. VIII, 1 Nr. 1; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 28; vgl. auch ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14). Es kann dann schlechterdings nicht festgestellt werden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus einem anderen Grund rechtsunwirksam ist. Bestehende, arbeitsvertraglich bereits vereinbarte Bedingungen, die in Wirklichkeit unverändert bleiben, können nicht iSv. § 1 Abs. 2, § 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sein. Eine nicht erfolgte Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen kann auch nicht aus einem anderen Grund unwirksam sein. Es bleibt in Wirklichkeit beim bisherigen Vertragsinhalt. Er ist bereits die Rechtsgrundlage für die beabsichtigte faktische Änderung, die sich durch Ausübung des Direktionsrechts erreichen lässt (vgl. ErfK/Oetker aaO).
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2. Es steht noch nicht fest, ob die mit der Kündigung der Beklagten vom 26. August 2009 erstrebte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in S eine Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne einer Vertragsänderung erforderte. Die Beklagte hat sich darauf berufen, der Arbeitsvertrag der Parteien gebe ihr das Recht, die Klägerin deutschlandweit einzusetzen. Das Landesarbeitsgericht hat zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien bislang keine Feststellungen getroffen. Das wird es nachholen müssen. Dabei wird es Folgendes zu beachten haben:
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a) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber ua. den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag festgelegt ist. Sollte es sich bei einer solchen Festlegung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gem. §§ 305 ff. BGB handeln, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob ein bestimmter Tätigkeitsort tatsächlich fixiert ist und welchen Inhalt ggf. ein vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, BAGE 135, 239).
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b) Die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann ergeben, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere dann, wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte schon konkret benannt sind (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239). Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer durch Versetzungsvorbehalt vorgesehenen Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die Beschränkung auf den ausdrücklich genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - aaO; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und die nötige Konkretisierung dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten wird oder ob der Ort der Arbeitsleistung zwar bestimmt, aber zugleich die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Befugnis zur Versetzung an andere Arbeitsorte bestehen soll(BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - aaO; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - aaO).
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c) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung des Orts der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 16, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 21, BAGE 135, 239; 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98). Dabei ist es unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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d) Fehlt es an einer Festlegung des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt ist, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen bestimmten (anderen) Arbeitsort einseitig zuzuweisen (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 17, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; vgl. auch BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines außerdem vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an.
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e) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung des Orts der Tätigkeit einen Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 23, BAGE 135, 239):
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aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 24, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff., AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Vertragsklausel muss dabei zwar die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erfordert aber nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 25, BAGE 135, 239; vgl. auch 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).
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bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB(BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 26, BAGE 135, 239). Führt die Kontrolle zur Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 30, aaO; vgl. auch 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, AP BGB § 308 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11; 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Die Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, wie der Leistungsinhalt durch den Arbeitsvertrag nicht festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Arbeitsort vereinbart wurde, ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.
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II. Ob die Beklagte die Klägerin durch Ausübung ihres Weisungsrechts möglicherweise bereits (wirksam) versetzt hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und für dessen Entscheidung unerheblich. Eine Klage nach § 4 Satz 2 KSchG ist schon dann unbegründet, wenn der Arbeitgeber rechtlich in der Lage ist, die im „Änderungsangebot“ genannten Beschäftigungsbedingungen einseitig durchzusetzen(zutreffend Oetker Anm. zu BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 844/07 - AP BGB § 626 Nr. 222). Es kommt nicht darauf an, ob er sein Direktionsrecht tatsächlich bereits (wirksam) ausgeübt hat. Es genügt, dass er es wahrnehmen könnte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 28. Mai 2009 (- 2 AZR 844/07 - Rn. 18, BAGE 131, 78) eine abweichende Ansicht entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten.
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Kreft
Eylert
Rachor
Söller
Jan Eulen
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Januar 2010 - 17 Sa 1055/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
- 2
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Der Beklagte, der mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist Träger von Behinderteneinrichtungen in Niedersachsen. Er ist Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelisch-lutherischen (Ev.-luth.) Landeskirche Hannovers e. V. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ihrerseits ist Mitglied der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen (Konföderation). Die Konföderation hat am 11. Oktober 1997 das Kirchengesetz zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie (ARRG-D) erlassen. Nach § 1 Abs. 2 ARRG-D gilt dieses Kirchengesetz nur für Einrichtungen der Diakonie, die sich ihm ausdrücklich angeschlossen haben. Der Beklagte hat keine entsprechende Erklärung abgegeben. Er wendet auf die Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeiter weder die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW EKD) noch die Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation (AVR-K), sondern - überwiegend - die Tarifverträge des öffentlichen Diensts an.
- 3
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Die 1969 geborene Klägerin ist seit dem Jahr 2000 beim Beklagten als Wohngruppenbetreuerin in Teilzeit beschäftigt. Nach den Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1. August 2002 gelten für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT-VKA) und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist.
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Am 16. Dezember 2003 schloss der Beklagte wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten mit der Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007. Danach sollten die Mitarbeiter durch Verschiebung der Fälligkeit der tariflichen Urlaubsgelder in den jeweiligen November und eine Verschiebung der Fälligkeit des tariflichen Weihnachtsgelds (Zuwendung) auf einen späteren Zeitpunkt zu einer Sanierung des Beklagten beitragen. Die Nachzahlung des Weihnachtsgelds für die Jahre 2004 bis 2007 sollte zudem vom positivem Ausgang eines Verwaltungsgerichtsverfahrens abhängen, mit dem der Beklagte eine Erhöhung der vom Land Niedersachsen an ihn zu zahlenden Betreuungsgelder anstrebte. Mit Änderungsvertrag vom 13. Februar 2004 stimmte die Klägerin der zeitlich begrenzten Änderung ihrer Arbeitsbedingungen zu.
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Am 25. April 2007 schlossen der Beklagte und die Mitarbeitervertretung für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2012 eine neue Sanierungsvereinbarung. Danach sollte für die Arbeitsverhältnisse derjenigen Mitarbeiter, die eine Vergütung auf tariflicher Basis erhielten, mit Wirkung zum 1. Juli 2007 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gelten. Parallel dazu sollten sie „finanzielle Beiträge“ zur weiteren Konsolidierung des Beklagten leisten. Diese „Mitarbeiterbeiträge“ sollten im Wesentlichen - begrenzt auf die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung - in dem Verzicht auf alle Jahressonderzahlungen gemäß TVöD-B und in der Erhöhung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft von 38,5 auf 39,5 Stunden ohne Lohnausgleich bestehen. Hinsichtlich der Weihnachtsgeldzahlungen sollte es - mit bestimmten Modifizierungen für das Jahr 2007 - bei den Vereinbarungen aus der ersten Sanierungsvereinbarung verbleiben. Im Gegenzug sollten Beschäftigte gemäß näheren Festlegungen eine Erfolgsbeteiligung erhalten. Für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung wurden betriebsbedingte Beendigungskündigungen - mit gewissen Einschränkungen - ausgeschlossen. Zulässig blieben betriebsbedingte Änderungskündigungen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die eine „aufgrund der Sanierungsvereinbarung erforderliche Änderungsvereinbarung nicht annehmen“.
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Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 übersandte der Beklagte den infrage kommenden Beschäftigten Ausfertigungen entsprechender Änderungsverträge. Etwa 98 vH der Mitarbeiter nahmen das Änderungsangebot an. Die Klägerin lehnte es ab.
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Mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach vorheriger Anhörung der Mitarbeitervertretung - „fristgemäß“ zum 31. März 2008. Zugleich bot er an, die Klägerin „nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den Bedingungen der in der Anlage beigefügten Neufassung des Arbeitsvertrags“ weiterzubeschäftigen. Der im Entwurf beigefügte Änderungsvertrag nebst Anlagen stimmt inhaltlich mit dem vorangegangenen Änderungsangebot überein und ist - wie dieses - auf den 30. Mai 2007 datiert. Auszugsweise heißt es dort:
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„…
Am 25. April 2007 haben Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung geschlossen, um die Zukunftsfähigkeit der dwh zu gewährleisten. … Zum Zwecke der Überleitung in den TVöD sowie der Umsetzung der oben genannten Sanierungsvereinbarung wird daher der Arbeitsvertrag vom 01.08.2002 wie folgt neu gefasst:
…
§ 2
Geltung des TVöD
Ab dem 1. Juli 2007 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen (TVöD-B) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
§ 3
Mitarbeiterbeiträge für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung
(1) Jahressonderzahlung
Der Anspruch auf die in § 20 TVöD-B tariflich gewährte Jahressonderzahlung wird für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 ausgeschlossen. Für die Jahre 2004 bis 2007 verbleibt es hinsichtlich der noch nicht gewährten ‚Weihnachtsgeldzahlungen’ bei den ... Regelungen des Sanierungsvertrags vom 16. Dezember 2003 ... mit der Maßgabe, dass eventuelle Zahlungen für das Jahr 2007 nicht an den Mitarbeiter ausbezahlt werden, sondern als außerordentlicher Ertrag in die Ergebnisbeteiligung desjenigen Kalenderjahres einfließen, in dem der Zahlungszufluss auf einem Konto des Arbeitgebers festzustellen ist.
(2) Urlaubsgeld für 2007
Im Juli 2007 erhält der/die Mitarbeiter/in eine Einmalzahlung in Höhe des Urlaubsgeldanspruchs gem. § 4 des Tarifvertrags über ein Urlaubsgeld. Sonstige Einmalzahlungen werden nicht gewährt.
(3) Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit
Ab dem 1. Juli 2007 wird für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten auf wöchentlich durchschnittlich 39,5 Stunden erhöht. Die Erhöhung erfolgt ohne Lohnausgleich ... Für Teilzeitbeschäftigte gilt eine entsprechende Regelung. Hieraus ergibt sich für die/den Mitarbeiter/in eine wöchentliche durchschnittliche Arbeitszeit von 29,63 Stunden.
…
(5) Leistungsentgelt
Der Mitarbeiter erhält ein Leistungsentgelt in Anlehnung an § 18 TVöD-B, das nach Maßgabe der nachfolgenden Vorgaben bestimmt wird: Das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen ist der Höhe nach auf die Erfolgsbeteiligung der Beschäftigten gemäß § 5 dieses Arbeitsvertrages begrenzt. Der Anspruch auf das Leistungsentgelt wird auf den Anspruch des/der Mitarbeiters/in auf die Erfolgsbeteiligung gem. § 5 dieses Arbeitsvertrags angerechnet.
§ 4
Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen
Für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 erklären die dwh gegenüber der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter einen Verzicht auf den Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen. Betriebsbedingte Änderungskündigungen infolge der Umsetzung von Strukturveränderungsmaßnahmen sind - soweit unumgänglich - möglich. …
§ 5
Erfolgsbeteiligung
Die Mitarbeiter/innen erhalten für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 einen Anspruch auf Erfolgsbeteiligung in Höhe von 40 % des freien Cash-flow. Für den auf die/den einzelnen Mitarbeiter/in entfallenden Anteil der Erfolgsbeteiligung ist das Verhältnis der Bruttojahresvergütung der einzelnen Mitarbeiterin/des einzelnen Mitarbeiters zu der Summe der Bruttopersonalkosten aller anspruchsberechtigten Mitarbeiter/innen maßgebend. …
…
§ 13
Schlussbestimmungen
…
(2) Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags einschließlich von Nebenabreden sowie Vereinbarungen weiterer Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Auch die Aufhebung dieser Schriftformklausel kann nur schriftlich erfolgen.
…“
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Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an. Mit ihrer Klage hat sie geltend gemacht, es fehle an einem dringenden betrieblichen Bedürfnis für die angestrebte Änderung ihrer Arbeitsbedingungen. Der Beklagte habe sich nicht in einer finanziellen Notlage befunden. Alternative Möglichkeiten zu den „Sanierungsbeiträgen“ der Mitarbeiter seien nicht erwogen und ausgeschöpft worden.
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Die Klägerin hat beantragt
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festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 unwirksam ist.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei zur Sicherung seiner Existenz unumgänglich gewesen. Er habe für die Jahre 2007 bis 2013 mit einem negativen Betriebsergebnis rechnen müssen, im Jahr 2013 mit einem solchen in Höhe von über 5,5 Millionen Euro. Um dem entgegenzuwirken, habe er mit der Mitarbeitervertretung eine zweite Sanierungsvereinbarung schließen müssen. Eine Sanierung sei nur über eine vorübergehende Senkung der Personalkosten, deren Anteil an seinen Gesamtausgaben 75 vH betrage, zu erreichen gewesen. Langfristig sei die angestrebte Tarifumstellung gegenüber einer statischen Weitergeltung des BAT, wie sie der Rechtslage vor Ausspruch der Änderungskündigung entsprochen habe, für die Klägerin sogar günstiger.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden. Die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 ist unwirksam.
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I. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht hätte die Änderungsschutzklage deshalb abweisen müssen, weil die der Klägerin angetragenen Arbeitsbedingungen ohnehin seit dem 1. Juli 2007 für das Arbeitsverhältnis bestimmend gewesen seien. Die Änderungskündigung war nicht in diesem Sinne „überflüssig“.
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1. Die Begründetheit einer Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt allerdings voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung wirksam wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden(BAG 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72; 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, BAGE 111, 361). Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Arbeitsbedingungen, die - etwa aufgrund einer unmittelbar anzuwendenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung - ohnehin für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung zwar unverhältnismäßig. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist aber nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen Arbeitsbedingungen nicht gelten, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch aus anderen Gründen bereits nach den fraglichen Arbeitsbedingungen richtet (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, aaO; 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, aaO).
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2. Im Streitfall ist ein Rechtsgrund, der unabhängig von der ausgesprochenen Kündigung eine Änderung der Arbeitsbedingungen in dem fraglichen Umfang bewirkt haben könnte, nicht zu erkennen.
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a) Die Auffassung des Beklagten, die „streitbefangenen“ Änderungen der Arbeitsbedingungen seien unmittelbar mit Inkrafttreten der - zweiten - Sanierungsvereinbarung zum 1. Juli 2007 eingetreten, trifft schon deshalb nicht zu, weil dieser sich nicht darauf beschränkt hat, der Klägerin Änderungen anzubieten, die Bestandteil der mit der Mitarbeitervertretung getroffenen Vereinbarung sind. Er hat ihr vielmehr unter § 13 des Änderungsvertrags eine sog. doppelte Schriftformklausel angetragen, die nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder Gegenstand schon der bisherigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien noch in der Sanierungsvereinbarung vorgesehen war.
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b) Abgesehen davon kommt der - zweiten - Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 zumindest hinsichtlich der angestrebten Sanierungsbeiträge der Beschäftigten des Beklagten keine unmittelbare Wirkung zu. Das gilt selbst dann, wenn es sich bei der Vereinbarung um eine Dienstvereinbarung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen(MVG-K) handeln sollte.
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aa) Die verfassten Kirchen können aufgrund ihrer in Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Autonomie Mitarbeitervertretungsgesetze erlassen. Das betrifft auch kirchliche Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für den Beklagten gelten insoweit die Regelungen des MVG-K in der für den Streitfall maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2005 (KABl. S. 76) und ihrer Ergänzung und Berichtigung vom 25. August 2005 (KABl. S. 202). Nach § 1 Abs. 2 MVG-K sind in Einrichtungen der Diakonie, soweit sie sich dem Kirchengesetz angeschlossen haben, Mitarbeitervertretungen zu bilden. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich der Beklagte dem Gesetz angeschlossen hat.
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bb) Gemäß § 37 Abs. 1 MVG-K können Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung Dienstvereinbarungen schließen(§ 37 Abs. 1 Satz 1 MVG-K). Solche Dienstvereinbarungen dürfen Regelungen weder erweitern, einschränken noch ausschließen, die auf Rechtsvorschriften, insbesondere Beschlüssen der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission, auf Entscheidungen der Schlichtungskommission nach dem Gemeinsamen Mitarbeitergesetz, auf allgemeinverbindlichen Richtlinien der beteiligten Kirchen oder auf etwa anzuwendenden Tarifverträgen beruhen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 MVG-K). Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch eine Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein, es sei denn, die Regelung durch die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission lässt eine Dienstvereinbarung ausdrücklich zu (§ 37 Abs. 1 Satz 3 MVG-K). Dienstvereinbarungen sind nach § 37 Abs. 2 MVG-K schriftlich abzuschließen. Gemäß § 37 Abs. 3 MVG-K gelten sie unmittelbar und zwingend und können im Einzelfall nicht abbedungen werden.
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cc) Es ist bereits fraglich, ob sich die unmittelbare Wirkung, die das Kirchengesetz Dienstvereinbarungen zuerkennt, auf dem Regime staatlichen Rechts unterfallende Arbeitsverhältnisse erstrecken kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entfalten die auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen (Arbeitsvertragsrichtlinien oder BAT-KF) keine normative Wirkung gegenüber Arbeitnehmern, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Kirche oder einer ihrer Einrichtungen verbunden sind. Es bedarf vielmehr stets eines die Regelungen in Kraft setzenden säkularen Akts, typischerweise einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme (vgl. BAG 13. November 2002 - 4 AZR 73/01 - zu I 3 b bb der Gründe, BAGE 103, 353; 20. März 2002 - 4 AZR 101/01 - zu III 2 b aa der Gründe, BAGE 101, 9). Für die durch § 37 Abs. 3 MVG-K angeordnete unmittelbare Wirkung kirchenrechtlicher Dienstvereinbarungen gilt möglicherweise nichts anderes(vgl. Schliemann NZA 2005, 976, 977). Die Frage muss nicht abschließend beantwortet werden. In keinem Fall kann durch eine Dienstvereinbarung - ihre kirchenrechtliche Zulässigkeit unterstellt - zum Nachteil der Arbeitnehmer in bestehende arbeitsvertragliche Rechtspositionen eingegriffen werden. Dies vermöchte selbst eine auf staatlichem Recht fußende Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG nicht(vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 21, BAGE 120, 308; 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - Rn. 31 ff., BAGE 119, 122; vgl. auch Bietmann Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst S. 77; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 5. Aufl. S. 348).
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dd) Einer Wirksamkeit von Regelungen, die - wie die in Rede stehenden Bestimmungen der zweiten Sanierungsvereinbarung - auf eine Änderung von Arbeitsbedingungen im Bereich des Entgelts und der Arbeitszeit zielen, dürften zudem die Vorgaben des § 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 MVG-K entgegenstehen. Diese enthalten, wie das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, eine an § 77 Abs. 3 BetrVG angelehnte „Regelungssperre“. Ihr Zweck besteht nach allgemeinem Verständnis darin, den von den Kirchen beschrittenen „Dritten Weg“ abzusichern und zu stärken (vgl. Baumann-Czichon/Germer MVG-K § 37 Rn. 10; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 5. Aufl. S. 371). Es soll - wie im Betriebsverfassungsrecht durch § 77 Abs. 3 BetrVG - verhindert werden, dass Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung Normen erlassen, die inhaltlich zu den in § 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 MVG-K genannten „überbetrieblichen“ Regelungen in Konkurrenz treten. Der Abschluss von Vereinbarungen auf Dienststellenebene ist bei diesem Verständnis bereits dann unzulässig, wenn die Dienstvereinbarung Gegenstände behandelt, derer sich die Arbeitsrechtliche Kommission angenommen hat oder üblicherweise annimmt, ohne dass es auf den Verbreitungsgrad solcher „überbetrieblicher“ Regelungen oder darauf ankäme, ob sie im Arbeitsverhältnis Geltung beanspruchen könnten (ähnlich für die „Regelungssperre“ in § 38 MAVO: BAG 16. März 2004 - 9 AZR 93/03 - zu B II 2 c aa und bb der Gründe, BAGE 110, 60).
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ee) Auch dies kann im Streitfall dahinstehen. Der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 kommt, soweit sie auf eine Änderung materieller Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zielt, jedenfalls deshalb keine unmittelbare Geltung zu, weil sie selbst dies ausschließt. Die Sanierungspartner gehen, was die angestrebten Sanierungsbeiträge der Mitarbeiter anbelangt, ersichtlich von der Notwendigkeit einer einzelvertraglichen Umsetzung ihrer Abreden - ggf. durch Änderungskündigung - aus.
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(1) Dafür spricht zunächst die Präambel der zweiten Sanierungsvereinbarung. Im dortigen Absatz 3 heißt es, Vorstand und Mitarbeitervertretung seien übereingekommen, die bestehenden Arbeitsverträge „frühestmöglich“ in neue Arbeitsverträge auf der Grundlage des „dynamischen“ TVöD-B umzustellen. Das lässt auf einen erst noch in Gang zu setzenden Mechanismus schließen, der „frühestmöglich“ Wirkung solle entfalten können. Noch deutlicher kommt das Fehlen des Willens, unmittelbar auf die materiellen Arbeitsbedingungen einzuwirken, in Nr. 3 der Sanierungsvereinbarung zum Ausdruck. Nach dieser Regelung, die betriebsbedingte Kündigungen für die Laufzeit der Vereinbarung grundsätzlich ausschließt, bleiben Änderungskündigungen gegenüber denjenigen Beschäftigten zulässig, die eine „aufgrund dieser Sanierungsvereinbarung erforderliche Änderungsvereinbarung nicht annehmen“. In dieselbe Richtung weist die unter Nr. 8 der Vereinbarung begründete Verpflichtung der Sanierungspartner, erneut in Verhandlungen einzutreten, falls „die in der Anlage zum Sanierungsvertrag genannten finanziellen Beiträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht erzielt werden“. Außerdem sollten nur diejenigen Beschäftigten Anspruch auf eine Erfolgsbeteiligung haben, die „zu einem Wechsel in den TVöD-B mit den in dieser Sanierungsvereinbarung niedergelegten Modifikationen bereit sind“.
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(2) Diesem Verständnis der Vereinbarung entspricht das spätere Verhalten des Beklagten. Er hat allen Beschäftigten, mit denen er die Geltung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes vereinbart hatte, nach Abschluss der zweiten Sanierungsvereinbarung und unter Bezugnahme auf sie Angebote zur Vertragsänderung zugeleitet und gegenüber Mitarbeitern, die das Angebot ablehnten, eine Änderungskündigung erklärt.
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ff) Ob die Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 unter diesen Umständen überhaupt eine Dienstvereinbarung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 MVG-K darstellt oder - zumindest in Teilen - als Regelungsabrede zu qualifizieren ist(für die Zulässigkeit von Regelungsabreden im Bereich des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts: KGH EKD 26. Mai 2010 - I-0124/R73-09 - zu II 3 der Gründe, ZMV 2011, 37; Baumann-Czichon/Germer MVG.EKD 2. Aufl. § 38 Rn. 15; (ablehnend) Fey/Rehren MVG.EKD Stand Juli 2011 § 36 Rn. 1), ist damit für die Beurteilung ihrer rechtlichen Wirkung auf die Arbeitsbedingungen der Klägerin ohne Belang.
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c) Die nach Maßgabe der Vereinbarung vom 25. April 2007 angestrebten Änderungen sind auch nicht aufgrund einer im Änderungsvertrag der Parteien vom 13. Februar 2004 enthaltenen Klausel Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen geworden. Zwar haben die Klägerin und der Beklagte darin für einen möglichen Wegfall nicht ständiger Bezüge aufgrund Tarifvertragsänderung vereinbart, dass der in das (erste) Sanierungskonzept eingestellte Sanierungsbeitrag der Klägerin ggf. durch Einbehalt anderer Vergütungsbestandteile sichergestellt werden solle. Gegenstand der zweiten Sanierungsvereinbarung ist aber nicht eine solche „Sicherstellung“. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Vertragsanpassung auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Das arbeitsrechtliche Kündigungsrecht ist lex specialis gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB(BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75).
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II. Die der Klägerin im Rahmen der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen sind sozial ungerechtfertigt iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG. Es fehlt an einem ausreichend bestimmten Änderungsangebot. Zudem hat der Beklagte der Klägerin nicht nur solche Änderungen angetragen, die zur Erreichung des behaupteten Sanierungsziels unabweisbar notwendig waren. Ob die Änderungskündigung noch aus anderen Gründen unwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung.
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1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17, PersR 2012, 90; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, BAGE 132, 78). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17, aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, aaO).
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2. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15, BAGE 132, 78; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 16 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141 = EzAÜG KSchG Nr. 30). Ihm muss zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen. Da der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen innerhalb kurzer Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die Änderung der Arbeitsbedingungen ablehnt, ob er sie mit oder ohne Vorbehalt annimmt, ist dies schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern. Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15 mwN, aaO).
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3. Danach sind die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Streitfall schon deshalb ungerechtfertigt, weil dem Änderungsangebot nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, ab welchem Zeitpunkt sie gelten sollen.
- 31
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a) Ein Änderungsangebot kann auch dann den Bestimmtheitserfordernissen genügen, wenn sich sein Inhalt erst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) hinreichend sicher ermitteln lässt. Dabei können und müssen auch außerhalb des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung seines Inhalts geeignete Umstände herangezogen und berücksichtigt werden. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht nur auf die Kündigungserklärung als solche, sondern auch auf das Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des wirklichen rechtsgeschäftlichen Willens weiter zu prüfen, ob dieser in der Urkunde Ausdruck gefunden hat. Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 20 ff., EzA KSchG § 2 Nr. 81; 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58).
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b) Der Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen im Wesentlichen inhaltsgleiche Änderungskündigungen ausgesprochen. Seine Erklärungen sind deshalb nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Empfänger unter Berücksichtigung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die Auslegung typischer Willenserklärungen ist in erster Linie ihr Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligter Verkehrskreise zu verstehen ist. Die Auslegung typischer Willenserklärungen unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 102/08 - Rn. 28, AP BGB § 133 Nr. 58; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 18 mwN, BAGE 132, 78).
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c) Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, lässt sich dem Änderungsangebot nicht eindeutig entnehmen, die der Klägerin angesonnene Vertragsänderung solle rückwirkend ab dem 1. Juli 2007 gelten. Das Angebot ist vielmehr perplex, dh. in sich widersprüchlich.
- 34
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aa) Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens hat der Beklagte der Klägerin angeboten, das Arbeitsverhältnis „nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den Bedingungen der in der Anlage beigefügten Neufassung des Arbeitsvertrags“ fortzusetzen. Dem musste ein objektiver Erklärungsempfänger entnehmen, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen erst mit Ablauf der Kündigungsfrist - im Streitfall mit Wirkung ab dem 1. April 2008 - eintreten sollte.
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bb) In Widerspruch dazu steht der Inhalt des beigefügten Änderungsvertrags. Diesem zufolge wird eine Änderung der Arbeitsbedingungen bereits zum 1. Juli 2007 angestrebt. So ist die Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD ausdrücklich zum 1. Juli 2007 vorgesehen. Die gleichfalls vorgesehene Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit soll möglichst zum 1. Juli 2007, spätestens aber zum 1. Januar 2008 in Kraft treten (§ 2 und § 3 Abs. 3 des Änderungsvertrags). Andere Regelungen, wie etwa die zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und zur Erfolgsbeteiligung (§ 4 und § 5 des Änderungsvertrags), knüpfen an die „Laufzeit der Sanierungsvereinbarung“ und damit zumindest mittelbar ebenfalls an den 1. Juli 2007 an. Dieses wortlautorientierte Verständnis des Änderungsangebots wird auch durch eine Beachtung des Gebots der interessengerechten Auslegung von Willenserklärungen nicht korrigiert. Ein objektiver, mit den Umständen vertrauter Erklärungsempfänger musste vielmehr davon ausgehen, der Beklagte wolle durch eine Rückwirkung der Änderungen eine gleichmäßige Behandlung sämtlicher Mitarbeiter erreichen. Dies war gemäß § 311a Abs. 1 BGB auch schuldrechtlich nicht ausgeschlossen.
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cc) Außerhalb der schriftlichen Änderungskündigung liegende Umstände führen nicht dazu, dass zweifelsfrei von einem Änderungsangebot ausgegangen werden könnte, das frühestens ab dem 1. April 2008 hat wirken sollen.
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(1) Soweit der Beklagte behauptet, Änderungsangebote im Zusammenhang mit der ersten Sanierungsvereinbarung seien, falls sie erst mit zeitlicher Verzögerung angenommen worden seien, ausschließlich für die Zukunft umgesetzt worden, handelt es sich um neues Vorbringen, das in der Revision keine Berücksichtigung finden kann. Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin von einer derartigen Praxis Kenntnis gehabt hätte. Auch war es - zumal angesichts der Komplexität der ihr nunmehr angetragenen Vertragsänderungen - nicht Aufgabe der Klägerin, darüber zu spekulieren, ab welchem Zeitpunkt diese wirksam werden sollten. Es war Sache des Beklagten, dies von vorneherein zweifelsfrei klarzustellen.
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(2) Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, wie der Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich abgerechnet hat. Der Arbeitnehmer muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung die Tragweite der ihm angesonnenen Änderungen überblicken können. Außerdem schloss der Umstand, dass der Beklagte im August 2008 rückwirkend ab 1. April 2008 korrigierte Abrechnungen auf der Grundlage einer Überleitung in den TVöD-B erstellen ließ, nicht aus, dass er sich zukünftig auf ein noch früheres Wirksamwerden berufen würde. Ebenso wenig konnte die Klägerin aus der mehrfachen Unterbreitung eines gleichlautenden Änderungsvertrags schließen, der Beklagte wolle sich nur die zeitliche Anpassung des Vertragstexts ersparen. Sein Vorgehen konnte, wie erwähnt, ebenso gut als Hinweis darauf verstanden werden, dass er die Änderungen aus Gründen der Praktikabilität und der Gleichbehandlung aller Beschäftigten einheitlich und ab demselben Zeitpunkt durchsetzen wollte.
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dd) Das Änderungsangebot wäre selbst dann nicht hinreichend bestimmt, wenn es eindeutig dahin zu verstehen wäre, es solle erst zum 1. April 2008 gelten. Dann bliebe beispielsweise unklar, ob die Klägerin ggf. Anspruch auf Auszahlung der verschobenen Weihnachtsgeldzahlung für das Jahr 2007 haben sollte oder ob die entsprechende Summe gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 des Änderungsangebots als außerordentlicher Ertrag in die Ergebnisbeteiligung des Jahres einfließen würde, in dem ein möglicher Zahlungszufluss auf einem Konto des Arbeitgebers erfolgt. Unklar bliebe auch, ob Änderungen, die an die „Laufzeit“ der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 anknüpfen, automatisch prolongiert würden, sollte sich der Beklagte - wie unter Nr. 8 der Vereinbarung vorgesehen - mit der Mitarbeitervertretung auf deren Verlängerung verständigen.
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4. Wäre das Änderungsangebot dennoch - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - dahin zu verstehen, dass es auf eine rückwirkende Änderung der Arbeitsbedingungen zum 1. Juli 2007 zielte, wäre es mangels eines diese Rückwirkung rechtfertigenden Grundes sozial ungerechtfertigt. Eine ordentliche Kündigung entfaltet Wirkungen erst mit Ablauf der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, in eine schon früher wirkende Vertragsänderung einzuwilligen (BAG 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - Rn. 22, 25 mwN, BAGE 119, 332). Eine solche Rückwirkung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es um die einheitliche Umsetzung eines Sanierungskonzepts geht. Schon das Interesse des Arbeitgebers an einer zukünftigen Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen kann im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG regelmäßig keine Beachtung finden(vgl. BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75).
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5. Die der Klägerin mit der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 angetragenen Änderungen der Arbeitsbedingungen sind zudem deshalb sozial ungerechtfertigt, weil § 13 des Änderungsangebots eine sog. doppelte Schriftformklausel vorsieht, ohne dass der Beklagte hierfür Gründe iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG dargetan hätte. Eine derartige Klausel war weder Gegenstand der Sanierungsvereinbarung noch bisheriger arbeitsvertraglicher Regelungen. Die Klausel erweitert das im ursprünglichen Arbeitsvertrag nur für „Nebenabreden“ vorgesehene Schriftformerfordernis und kann insbesondere die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 34, BAGE 126, 364). Damit handelt es sich, anders als der Beklagte gemeint hat, nicht nur um eine unwesentliche Änderung. Ob ggf. auch eine solche einer sozialen Rechtfertigung bedürfte und ob die Klausel im Hinblick auf § 305b BGB einer Überprüfung ihrer Wirksamkeit überhaupt standhielte, braucht nicht entschieden zu werden.
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III. Der Beklagte hat gemäß § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Kreft
Rachor
Berger
Nielebock
Dr. Roeckl
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
Tenor
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I. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. November 2011 - 5 Sa 49/10 - wird zurückgewiesen.
-
II. Auf die Revision des Klägers wird unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. November 2011 - 5 Sa 49/10 - auf die Berufung des Klägers unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2010 - 21 Ca 35/10 - die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 675,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 116,00 Euro seit dem 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009 und 1. März 2009 sowie aus 95,73 Euro seit dem 1. April 2009 zu zahlen.
-
III. Im Übrigen werden die Berufung und die Revision des Klägers zurückgewiesen.
-
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Auslegung einer einzelvertraglichen Vergütungsabrede.
- 2
-
Der 1979 geborene Kläger ist seit August 2003 bei der Beklagten, die mit Schreibwaren und Kommunikationsartikeln handelt, in H als Verkäufer beschäftigt, zunächst in Teilzeit mit jahresdurchschnittlich 25 Wochenstunden, ab Juli 2004 in Vollzeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Wochenstunden. Seither erhält der Kläger eine Vergütung von 1.458,00 Euro brutto monatlich.
-
Zur Vergütung heißt es im Anstellungsvertrag vom 1. August 2003:
-
„3.2
In Anlehnung an den Tarifvertrag erhält der Mitarbeiter ein Bruttogehalt von
Tarifentgelt:
954,75
Übertarifliche Zulage:
0,00
Monatsentgelt insgesamt:
954,75.
3.3
Das Monatsentgelt wird jeweils nachträglich am Monatsende gezahlt. Die Zahlung erfolgt bargeldlos.“
- 4
-
Der Betrag von 954,75 Euro entsprach zum damaligen Zeitpunkt 25/37,5 des Tarifgehalts nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel.
-
Die Vergütungsregelung in der Fassung der von der Beklagten vorformulierten Vertragsänderung vom 16. Juli 2004 (fortan: Vertragsänderung) lautet:
-
„3.2
Für seine Tätigkeit erhält der Mitarbeiter ein monatliches Bruttogehalt von
Tarifentgelt:
€ 1.458,00
Übertarifliche Zulage:
€ 0,00
Monatsentgelt insgesamt:
€ 1.458,00“
- 6
-
Der Betrag von 1.458,00 Euro entsprach dem seinerzeitigen Entgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel.
- 7
-
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger zuletzt für den Zeitraum Oktober 2008 bis März 2009 die Differenz zwischen der von der Beklagten gezahlten Vergütung und dem nach dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 in Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr vorgesehenen Betrag von 2.066,00 Euro brutto verlangt und die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede enthalte eine dynamische Bezugnahme auf den einschlägigen Gehaltstarifvertrag.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.648,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
- 9
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütungsabrede der Parteien sei nicht dynamisch ausgestaltet.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage nach ergebnisloser Durchführung eines Mediationsverfahrens iHv. 2.952,00 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiter, die Beklagte begehrt die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung mit dem nach der Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 (im Folgenden: GTV) vorgesehenen Betrag. Das ergibt die Auslegung der Vergütungsabrede der Parteien.
- 12
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I. Die für den Streitzeitraum maßgebende Vergütungsabrede in der Fassung der Vertragsänderung ist nicht eindeutig. Die Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit dem Begriff „Tarifentgelt“ lässt mehrere Deutungen zu. Es könnte damit ein fester und statischer Euro-Betrag vereinbart sein. Der Bezeichnung „Tarifentgelt“ käme nur die Funktion eines Hinweises darauf zu, wie der in der Vereinbarung festgehaltene Euro-Betrag gefunden wurde. Die Verknüpfung von festem Euro-Betrag mit der Bezeichnung „Tarifentgelt“ kann aber - ohne dass es auf die von der Beklagten vermisste Bezugnahme auf einen Tarifvertrag in dessen Gänze und jeweiligen Fassung ankäme - auch bedeuten, es solle zwar ein bestimmter Euro-Betrag vereinbart, dieser aber dynamisch gestaltet sein. Dabei sind verschiedene Arten der Dynamisierung denkbar, etwa eine Erhöhung des in der Vergütungsabrede festgehaltenen Euro-Betrags entsprechend den einschlägigen jeweiligen Tariferhöhungen oder die Vereinbarung einer Vergütung nach einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe und damit eine Dynamik innerhalb und außerhalb der Vergütungsgruppe.
- 13
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II. Die Auslegung der Vergütungsabrede ergibt, dass in Ziff. 3.2 Arbeitsvertrag in der Fassung der Vertragsänderung eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe 2a des jeweils geltenden Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vereinbart ist.
- 14
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1. Die Vergütungsabrede ist wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Vertragsänderung vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 14). Auf die vorformulierte Vergütungsregelung konnte der Kläger keinen Einfluss nehmen.
- 15
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Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. BAG 14. Dezember 2011 - 5 AZR 457/10 - Rn. 14 mwN, EzA TzBfG § 4 Nr. 22; 17. Oktober 2012 - 5 AZR 697/11 - Rn. 15).
- 16
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2. Danach beschränkt sich die Vergütungsabrede nicht auf die Vereinbarung eines festen und statischen Euro-Betrags, sondern enthält zumindest eine Dynamik entsprechend den Tariferhöhungen für den Hamburger Einzelhandel.
- 17
-
a) Nach dem Wortlaut der Klausel erhält der Mitarbeiter nicht nur einen festen Euro-Betrag, vielmehr soll dieser ein „Tarifentgelt“ sein. Damit sendet die Beklagte entgegen ihrer Auffassung nicht nur ein Signal, sie zahle ein „seinerzeit marktübliches“ Gehalt. Vielmehr verdeutlicht die Beklagte als Klauselverwenderin - zumal sie in der Klausel zwischen Tarifentgelt und übertariflicher Zulage differenziert -, sie vergüte „nach Tarif“. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung von festem Euro-Betrag und dessen Bezeichnung als Tarifentgelt redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das vereinbarte Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird.
- 18
-
Die in der ursprünglichen Fassung des Arbeitsvertrags enthaltene Formulierung „in Anlehnung an den Tarifvertrag“ enthält keine Einschränkung, sondern verdeutlicht nur zusätzlich, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist (vgl. BAG 17. November 2011 - 5 AZR 409/10 - Rn. 16 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 96).
- 19
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b) Auch wenn die Klausel nicht angibt, welches Tarifentgelt der Arbeitnehmer erhalten soll, darf dieser redlicherweise annehmen, es solle das Tarifentgelt des für den Betrieb des Arbeitgebers räumlich und fachlich sowie für den Arbeitnehmer persönlich einschlägigen Tarifvertrags vereinbart sein, und zwar nach der Entgeltgruppe, der der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht. Das war unstreitig das Tarifentgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in der damals geltenden Fassung vom 17. Juli 2003.
- 20
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3. Mit der Vergütungsabrede der Parteien wird auch die „Dynamik“ innerhalb der nach verschiedenen Stufen aufgebauten Gehaltsgruppe 2a nachvollzogen.
- 21
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a) Dagegen spricht zwar, dass die Vergütungsabrede der Parteien - anders etwa als die der Entscheidung des Senats vom 9. November 2005 (- 5 AZR 128/05 - Rn. 2, BAGE 116, 185) zugrunde liegende Klausel - weder eine bestimmte Gehaltsgruppe, noch eine bestimmte Stufe innerhalb einer Gehaltsgruppe nennt. Der Kläger hat auch keinen Sachvortrag zu einer seine Auslegung stützenden Vergütungspraxis der Beklagten gehalten. Ersichtlich hat diese jedenfalls bei ihm die Stufung innerhalb der Gehaltsgruppe 2a GTV nicht nachvollzogen. Überdies ist weder vorgetragen noch festgestellt, die „Einstufung“ sei zutreffend gewesen, weil der Kläger sich bei der Einstellung trotz eines Alters von fast 24 Jahren im 1. oder 2. Berufsjahr befunden hätte.
- 22
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b) Für die Vereinbarung einer Dynamik auch innerhalb einer bestimmten Vergütungsgruppe spricht aber, dass die Beklagte mit ihrer Klausel nicht auf irgendein Tarifentgelt, sondern zumindest auf die nach ihren fachlichen Anforderungen (Angestellte mit einfacher Tätigkeit, Beispiel Verkäufer/innen, auch wenn sie kassieren) zutreffende Gehaltsgruppe zurückgegriffen und mit der Klauselformulierung insgesamt den Eindruck erweckt hat, „nach Tarif“ zahlen zu wollen.
- 23
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c) Beide Auslegungsmöglichkeiten sind rechtlich vertretbar, keine verdient den eindeutigen Vorzug. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten(vgl. BAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - Rn. 22 mwN, BAGE 116, 185; 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 29, BAGE 126, 198).
- 24
-
III. Die Höhe der monatlichen Vergütungsdifferenz hat der Kläger zutreffend berechnet, allerdings bei der Klageforderung seine ab dem 16. Februar 2009 über den Streitzeitraum hinaus andauernde Arbeitsunfähigkeit außer Betracht gelassen.
- 25
-
1. Das Monatsgehalt nach Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr GTV betrug im Streitzeitraum 2.066,00 Euro brutto. Zu den von der Beklagten gezahlten 1.458,00 Euro brutto verbleibt eine Differenz von 608,00 Euro brutto monatlich. In dieser Höhe hat die Beklagte den Vergütungsanspruch des Klägers aus § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG nicht erfüllt.
- 26
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2. Jedoch kann der Kläger für den Monat März 2009 nicht die volle Differenz verlangen. Er war unstreitig seit dem 16. Februar 2009 arbeitsunfähig krank und bezog seit dem 30. März 2009 keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle mehr. Der Kläger hat deshalb für den Monat März 2009 nur 29/30 der Vergütungsdifferenz, mithin 587,73 Euro brutto zu beanspruchen (zur Berechnungsmethode siehe BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 22 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 37). In Höhe der Differenz von 20,27 Euro brutto ist die Klage unbegründet.
- 27
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IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 in Verb. mit § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Monatsentgelt wurde nach Ziff. 3.3 Arbeitsvertrag in Übereinstimmung mit § 64 HGB am letzten Tag eines jeden Monats fällig.
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V. Die Beklagte hat gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Buschmann
Jungbluth
Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Februar 2012 - 13 Sa 2089/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
- 2
-
Die Beklagte führt bundesweit in mehreren Niederlassungen „Transportdienstleistungen“ durch. Sie beschäftigt weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger ist bei ihr am Standort Schwedt/Oder als Kraftfahrer für Gefahrgut tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Formulararbeitsvertrag vom 21. Dezember 1998 zugrunde, in dem es ua. heißt:
-
„…
-
1. Vertragsgrundlagen
-
sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge. …
-
…
-
6. Tätigkeit
-
[Der Kläger] wird als Kraftfahrer für alle Verkehre [der Beklagten] eingestellt, das schließt auch eine flexible Arbeitszeit ein. …
-
7. Arbeitsentgeld
-
a) für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden, exklusive gesetzlicher Pause
-
b) der monatliche Brutto-Lohn beträgt DM 3.600,00
-
c) Einsatzstunden (ab 261) werden mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet
-
d) Sonderzeiten (z. B. Sonn- oder Feiertage von 0 bis 22 Uhr) werden gesondert bezahlt mit den gesetzlichen und/oder tariflichen Aufschlägen.
-
…“
- 3
-
Im April 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe dessen Bruttomonatslohn rückwirkend zum 1. April auf „DM 4.000,00 = 2.045,17 Euro“ „festgesetzt“.
- 4
-
Im Jahr 2009 wechselte die Geschäftsführung der Beklagten. Die neue Geschäftsleitung gelangte nach Überprüfung der Arbeitsverträge zu dem Ergebnis, die bestehenden Regelungen verstießen gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Sie beschloss, das bestehende „Arbeitsvertragssystem“ zu ändern. Dazu bot sie dem Kläger zunächst einen neuen Arbeitsvertrag an, der ein geringeres Festentgelt vorsah. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Ab August 2010 leistete die Beklagte gleichwohl nur noch das verminderte Entgelt. Der Kläger erhob - erfolgreich - Klage auf Zahlung der Differenzvergütung.
- 5
-
Mit Schreiben vom 8. April 2011 unterrichtete die Beklagte den zuständigen Betriebsrat über ihre Absicht, gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung zu erklären. Mit Schreiben vom 19. April 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Juli 2011 verbunden mit dem Angebot, es bei Vereinbarung eines Bruttostundenentgelts von 7,87 Euro und einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden (173 Stunden im Monat) fortzusetzen. Darüber hinausgehende „Arbeits- und Bereitschaftszeitstunden“ sollten mit „dem tariflich bestimmten“ Zuschlag von 25 vH vergütet werden. Für den Fall, dass sich das Angebot mit Blick auf den Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit als sozial ungerechtfertigt erweisen sollte, bot sie dem Kläger - sofern er dies wünsche - die Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit monatlich 208 „garantierten Einsatzstunden“ an; darüber hinaus geleistete „Bereitschaftsstunden“ sollten zuschlagspflichtig sein.
- 6
-
Der Kläger nahm „das Angebot“ unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG an und hat - fristgerecht - die vorliegende Änderungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, für das Bestreben der Beklagten, sich von ihrer Pflicht zur Leistung von 2.045,17 Euro für monatlich „bis zu 260 Stunden“ zu lösen, gebe es kein dringendes betriebliches Erfordernis. Auch habe die Beklagte keine ordnungsgemäße soziale Auswahl getroffen. Sie habe nicht gegenüber allen Arbeitnehmern, die mit der Änderung ihrer Arbeitsbedingungen nicht einverstanden gewesen seien, eine Änderungskündigung ausgesprochen. Das Änderungsangebot sei überdies zu unbestimmt. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ihm sei das konkrete Änderungsangebot nicht mitgeteilt worden.
- 7
-
Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass die Änderung seiner Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 19. April 2011 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, es sei ihr wirtschaftlich nicht möglich, die mit dem Kläger vereinbarte Vergütung unabhängig davon zu zahlen, ob die Überstunden, die mit diesem Betrag abgegolten würden, anfielen oder nicht. Sie wolle deshalb von der vereinbarten Pauschalabgeltung auf eine genaue Abrechnung der Überstunden „umstellen“. Monatlich 173 Stunden seien die höchste Arbeitszeit, die sie einseitig festlegen könne. Hilfsweise habe sie dem Kläger das rechtlich höchstzulässige Arbeitszeitvolumen angeboten. Der vorgesehene Stundenlohn ergebe sich aus der bisherigen monatlichen Höchstarbeitszeit und dem für sie gezahlten Monatslohn. Mit der beabsichtigten Änderung sei deshalb nicht eine Entgeltabsenkung, sondern lediglich die Anpassung der Arbeitszeit an die rechtlichen Vorgaben verbunden.
- 9
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Änderungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die dem Kläger mit der Kündigung vom 19. April 2011 angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Darauf, ob die angestrebte Änderung auch aus anderen Gründen unwirksam ist, kommt es nicht an.
- 11
-
I. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nach § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG liegen vor. Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, dass in dem Betrieb, dem der Kläger im Kündigungszeitpunkt angehörte, regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt waren. Die Beklagte stellt dies nicht in Abrede.
- 12
-
II. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot ist nicht „überflüssig“ (vgl. dazu BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 18 ff.; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12, BAGE 140, 328). Nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger das vereinbarte monatliche Bruttogehalt auch dann zu zahlen, wenn sie ihn weniger als 260 Stunden im Monat beschäftigt hatte. Hiervon konnte sie nicht einseitig abweichen.
- 13
-
1. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in dem zwischen den Parteien geführten Vorprozess darauf erkannt, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, einseitig in die vereinbarte Entgeltstruktur einzugreifen. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheide aus. Der Arbeitsvertrag enthalte keine unvorhergesehene Regelungslücke. Die Regelungen unter Ziff. 7 seien nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Diese Vereinbarungen, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB)handele, seien weder intransparent noch aus anderen Gründen rechtswidrig. Sie könnten nicht dahin verstanden werden, dass dem Kläger das monatliche Bruttoentgelt nur zustehe, wenn er tatsächlich eine Arbeitsleistung von 260 Stunden im Monat erbringe (BAG 17. Oktober 2012 - 5 AZR 127/12 - Rn. 9 ff.).
- 14
-
2. Diesen Wertungen schließt sich der Senat an. Besonderheiten, die sich daraus ergeben könnten, dass sich die Entscheidung des Fünften Senats auf den Zeitraum von August 2010 bis November 2010 bezieht, während die Beklagte im Streitfall Änderungen für die Zeit nach dem 31. Juli 2011 anstrebt, sind nicht ersichtlich. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Beklagte die Änderungen nunmehr mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage für eine Abrede zur Pauschalvergütung von Überstunden begründet. Das Kündigungsrecht ist gegenüber § 313 BGB lex specialis(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 26; 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 32).
- 15
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III. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß §§ 2, 1 KSchG liegen nicht vor.
- 16
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1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist sozial nur gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Dabei ist die soziale Rechtfertigung einer Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen zu überprüfen. Das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss(BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 44/11 - Rn. 34; 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder - wie im Streitfall - unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 44/11 - aaO; 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16).
- 17
-
2. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise akzeptieren muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu prüfen. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 15; 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 2 b der Gründe).
- 18
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3. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss konkret gefasst, dh. eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15, BAGE 132, 78). Für den Arbeitnehmer muss ohne Weiteres klar sein, welche Vertragsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Der Arbeitnehmer muss von Gesetzes wegen innerhalb einer recht kurzen Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ob er es ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - aaO, mwN).
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4. Es ist zumindest fraglich, ob die Beklagte ein in diesem Sinne bestimmtes und damit annahmefähiges Änderungsangebot unterbreitet hat.
- 20
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a) Das dem Kläger mit der Kündigung angetragene Änderungsangebot enthält zwei Alternativen, die erkennbar in einem Haupt- und Hilfsverhältnis zueinander stehen. Die Beklagte will das Arbeitsverhältnis primär auf der Basis einer „garantierten“ Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden/173 Monatsstunden bei einem Bruttostundenlohn von 7,87 Euro fortsetzen. „Vorsorglich“ für den Fall, dass sich die Änderung des Umfangs der Arbeitszeit als sozial ungerechtfertigt erweist, und falls der Kläger „dies wünscht“, will sie ihn regelmäßig 208 Stunden monatlich einsetzen. In beiden Varianten sollen für zusätzliche Arbeits-/Bereitschaftsstunden Zuschläge gezahlt werden.
- 21
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b) Der Inhalt der beiden Alternativen ist - je für sich betrachtet - hinreichend klar. Der Kläger konnte das Angebot nur so verstehen, dass die angestrebten Änderungen nicht vor dem 1. August 2011 wirksam werden sollten und dass die Beklagte ihm auch bei einem Einsatz im Umfang von 208 Stunden die im ersten Angebotsteil ausgewiesene Stundenvergütung zahlen wollte - zzgl. etwaiger Vergütung für tatsächlich geleistete Mehrarbeit. Problematisch erscheint dagegen die Bedingtheit des Alternativangebots. Dies vorrangig deshalb, weil unklar bleibt, ob ein möglicher Vorbehalt auch dieses sollte erfassen können oder ob - weil das Angebot an einen entsprechenden „Wunsch“ des Klägers gebunden war - insoweit nur eine vorbehaltslose Annahme möglich sein sollte. Ebenso wenig ist klar, ob der Kläger auf die gestaffelten Alternativen differenziert hätte reagieren können - etwa mit einer vorbehaltslosen Ablehnung des „Hauptangebots“ und einer Annahme des nachrangigen Angebots unter einem Vorbehalt des § 2 KSchG. Diese Unklarheiten zu vermeiden ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers.
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5. Wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass ein annahmefähiges Änderungsangebot vorliegt, so sind die Änderungen der Vertragsbedingungen doch nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Sie sind aus diesem Grund unwirksam. Das gilt für beide angebotenen Alternativen.
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a) Die Änderung der Vertragsbedingungen war nicht deshalb geboten, weil der Kläger aufgrund der Vereinbarungen in Ziff. 7 des Arbeitsvertrags verpflichtet gewesen wäre, regelmäßig eine Arbeitszeit von 260 Stunden monatlich zu leisten und diese Abrede wegen Verstoßes gegen § 3 ArbZG nichtig wäre. Ziff. 7 des Arbeitsvertrags betrifft allein die Vergütung, ohne zugleich mehr als den Höchstumfang der dafür geschuldeten Arbeitszeit zu regeln. Die Beklagte schuldet das monatliche Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 2.045,17 Euro bis zur Grenze von 260 Stunden gerade unabhängig von der abgerufenen und tatsächlich geleisteten Arbeitszeit (so auch BAG 17. Oktober 2012 - 5 AZR 127/12 - Rn. 15 ff.).
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b) Es kann dahinstehen, welche regelmäßige Arbeitszeit des Klägers die Parteien vereinbart haben. Die Beklagte hat weder dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass sie Abreden getroffen haben, die den Kläger zu Arbeitsleistungen über das gesetzlich zulässige Maß hinaus verpflichtet oder die in Widerspruch zu Regelungen eines auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags gestanden hätten.
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c) Die Beklagte kann sich für die angestrebten Änderungen der Vertragsbedingungen nicht auf die Rechtsprechung des Senats zu Änderungskündigungen mit dem Ziel der Anpassung vertraglicher Nebenabreden an veränderte Umstände berufen. Die dafür notwendigen Voraussetzungen liegen nicht vor.
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aa) Ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kommt in Betracht, wenn die Parteien Nebenleistungen vereinbart haben, deren Gewährung an Umstände anknüpft, die nicht notwendig während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses vorliegen. So kann ein Mietzuschuss, der ursprünglich die Preisdifferenz zwischen einer billigen Werkwohnung und einer Wohnung auf dem freien Markt ausgleichen sollte, wegen veränderter Umstände sachlich ungerechtfertigt werden (vgl. BAG 28. April 1982 - 7 AZR 1139/79 - BAGE 38, 348). Das gleiche kann für die Zusage einer kostenlosen Beförderung zum Betriebshof gelten (vgl. BAG 27. März 2003 - 2 AZR 74/02 - BAGE 105, 371). Ein Arbeitgeber, der sich in solchen Fällen auf eine wesentliche Änderung der maßgebenden äußeren Verhältnisse beruft, stützt sich auf Umstände, die außerhalb von §§ 1, 2 KSchG als möglicher Wegfall oder als mögliche Störung der Geschäftsgrundlage geprüft werden. Derartige Umstände können das Beharren auf der vereinbarten Leistung als unbillig und unberechtigt erscheinen lassen und geeignet sein, eine Änderung sozial zu rechtfertigen (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 31 ff.; 27. März 2003 - 2 AZR 74/02 - zu II 2 c der Gründe, aaO).
- 27
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bb) Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Änderungskündigung gerechtfertigt sein kann, wenn sich der Arbeitgeber von einer Abrede über die pauschalierte Abgeltung von Überstunden lösen will (vgl. dazu BAG 23. November 2000 - 2 AZR 547/99 - zu II 1 a der Gründe), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
- 28
-
(1) Die Änderungskündigung vom 19. April 2011 zielt nicht auf die Änderung einer vertraglichen Nebenabrede zur pauschalen Abgeltung von Überstunden. Die Regelung in Ziff. 7 c) des Arbeitsvertrags unterscheidet nicht zwischen einem Grundgehalt und einer Pauschale für etwa zusätzlich anfallende „Überstunden“. Die Beklagte strebt vielmehr eine Änderung des regulären Gehalts des Klägers an, das sie unabhängig von der Erbringung einer (Mindest-)Arbeitszeit vertraglich schuldet. Sie will die getroffenen Vereinbarungen zugunsten einer von der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit abhängigen Vergütung umgestalten. Bei einer derartigen Sachlage kann keine Rede davon sein, dass die angestrebten Änderungen nur einen Randbereich der vertraglichen Vereinbarungen beträfen.
- 29
-
(2) Abgesehen davon hat die Beklagte nicht dargelegt, inwiefern sich Umstände, die für den Abschluss der Vergütungsabrede bestimmend gewesen sein mögen, im Nachhinein wesentlich geändert hätten. Ihr Vorbringen, „Überstunden“ fielen in dem bei Begründung des Arbeitsverhältnisses beiderseits vorausgesetzten Umfang nicht (mehr) an, ist unsubstantiiert. Es lässt nicht erkennen, bei welcher Gelegenheit die Parteien auf der Grundlage welcher regelmäßigen Arbeitszeit welche Anzahl durchschnittlich anfallender Überstunden ins Auge gefasst hätten. Die Regelung in Ziff. 7 a) des Arbeitsvertrags gibt dafür nichts her. Ihr kann lediglich entnommen werden, dass das dem Kläger zugesagte monatliche Bruttogehalt einen Einsatz von „bis zu 260“ Stunden abdecken sollte, nicht aber, von welchen regelmäßig zu erwartenden Einsatzzeiten die Parteien ausgegangen sind.
- 30
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d) Ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG liegt auch nicht mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten vor.
- 31
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aa) Der Eingriff in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist allenfalls gerechtfertigt, wenn bei dessen Beibehaltung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen müssten. Regelmäßig bedarf es zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs eines umfassenden Sanierungsplans, der alle im Vergleich mit der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ebenfalls ausschöpft (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 25, BAGE 132, 78; 1. Juli 1999 - 2 AZR 826/98 - zu II 1 c der Gründe). Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und darlegt, warum andere Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht in Betracht kommen (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 139/07 - Rn. 20).
- 32
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen nicht vorgetragen. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht erkennbar. Die Rüge der Beklagten, das Gericht habe es versäumt, Beweis darüber zu erheben, ob dem Betriebsrat ihre wirtschaftliche Lage bekannt war, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Sie ist nicht entscheidungserheblich. Sie richtet sich gegen die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, ihr - der Beklagten - sei es mangels ausreichender Unterrichtung des Betriebsrats verwehrt, sich auf wirtschaftliche Gründe zur Rechtfertigung der Kündigung zu berufen. Dies ist nur eine von zwei die Entscheidung selbstständig tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts. Außer auf sie und zuvörderst hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass das Vorbringen der Beklagten zum Vorliegen dringender betrieblicher Änderungsbedürfnisse unsubstantiiert sei. Da schon die Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts seine Entscheidung trägt, ist der mit Blick auf die Zweitbegründung behauptete Verfahrensmangel nicht entscheidungserheblich.
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IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Kreft
Rachor
Berger
Krichel
Grimberg
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Januar 2010 - 17 Sa 1055/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
- 2
-
Der Beklagte, der mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist Träger von Behinderteneinrichtungen in Niedersachsen. Er ist Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelisch-lutherischen (Ev.-luth.) Landeskirche Hannovers e. V. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ihrerseits ist Mitglied der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen (Konföderation). Die Konföderation hat am 11. Oktober 1997 das Kirchengesetz zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie (ARRG-D) erlassen. Nach § 1 Abs. 2 ARRG-D gilt dieses Kirchengesetz nur für Einrichtungen der Diakonie, die sich ihm ausdrücklich angeschlossen haben. Der Beklagte hat keine entsprechende Erklärung abgegeben. Er wendet auf die Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeiter weder die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW EKD) noch die Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation (AVR-K), sondern - überwiegend - die Tarifverträge des öffentlichen Diensts an.
- 3
-
Die 1969 geborene Klägerin ist seit dem Jahr 2000 beim Beklagten als Wohngruppenbetreuerin in Teilzeit beschäftigt. Nach den Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1. August 2002 gelten für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT-VKA) und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist.
- 4
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Am 16. Dezember 2003 schloss der Beklagte wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten mit der Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007. Danach sollten die Mitarbeiter durch Verschiebung der Fälligkeit der tariflichen Urlaubsgelder in den jeweiligen November und eine Verschiebung der Fälligkeit des tariflichen Weihnachtsgelds (Zuwendung) auf einen späteren Zeitpunkt zu einer Sanierung des Beklagten beitragen. Die Nachzahlung des Weihnachtsgelds für die Jahre 2004 bis 2007 sollte zudem vom positivem Ausgang eines Verwaltungsgerichtsverfahrens abhängen, mit dem der Beklagte eine Erhöhung der vom Land Niedersachsen an ihn zu zahlenden Betreuungsgelder anstrebte. Mit Änderungsvertrag vom 13. Februar 2004 stimmte die Klägerin der zeitlich begrenzten Änderung ihrer Arbeitsbedingungen zu.
- 5
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Am 25. April 2007 schlossen der Beklagte und die Mitarbeitervertretung für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2012 eine neue Sanierungsvereinbarung. Danach sollte für die Arbeitsverhältnisse derjenigen Mitarbeiter, die eine Vergütung auf tariflicher Basis erhielten, mit Wirkung zum 1. Juli 2007 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gelten. Parallel dazu sollten sie „finanzielle Beiträge“ zur weiteren Konsolidierung des Beklagten leisten. Diese „Mitarbeiterbeiträge“ sollten im Wesentlichen - begrenzt auf die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung - in dem Verzicht auf alle Jahressonderzahlungen gemäß TVöD-B und in der Erhöhung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft von 38,5 auf 39,5 Stunden ohne Lohnausgleich bestehen. Hinsichtlich der Weihnachtsgeldzahlungen sollte es - mit bestimmten Modifizierungen für das Jahr 2007 - bei den Vereinbarungen aus der ersten Sanierungsvereinbarung verbleiben. Im Gegenzug sollten Beschäftigte gemäß näheren Festlegungen eine Erfolgsbeteiligung erhalten. Für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung wurden betriebsbedingte Beendigungskündigungen - mit gewissen Einschränkungen - ausgeschlossen. Zulässig blieben betriebsbedingte Änderungskündigungen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die eine „aufgrund der Sanierungsvereinbarung erforderliche Änderungsvereinbarung nicht annehmen“.
- 6
-
Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 übersandte der Beklagte den infrage kommenden Beschäftigten Ausfertigungen entsprechender Änderungsverträge. Etwa 98 vH der Mitarbeiter nahmen das Änderungsangebot an. Die Klägerin lehnte es ab.
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Mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach vorheriger Anhörung der Mitarbeitervertretung - „fristgemäß“ zum 31. März 2008. Zugleich bot er an, die Klägerin „nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den Bedingungen der in der Anlage beigefügten Neufassung des Arbeitsvertrags“ weiterzubeschäftigen. Der im Entwurf beigefügte Änderungsvertrag nebst Anlagen stimmt inhaltlich mit dem vorangegangenen Änderungsangebot überein und ist - wie dieses - auf den 30. Mai 2007 datiert. Auszugsweise heißt es dort:
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„…
Am 25. April 2007 haben Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung geschlossen, um die Zukunftsfähigkeit der dwh zu gewährleisten. … Zum Zwecke der Überleitung in den TVöD sowie der Umsetzung der oben genannten Sanierungsvereinbarung wird daher der Arbeitsvertrag vom 01.08.2002 wie folgt neu gefasst:
…
§ 2
Geltung des TVöD
Ab dem 1. Juli 2007 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen (TVöD-B) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
§ 3
Mitarbeiterbeiträge für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung
(1) Jahressonderzahlung
Der Anspruch auf die in § 20 TVöD-B tariflich gewährte Jahressonderzahlung wird für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 ausgeschlossen. Für die Jahre 2004 bis 2007 verbleibt es hinsichtlich der noch nicht gewährten ‚Weihnachtsgeldzahlungen’ bei den ... Regelungen des Sanierungsvertrags vom 16. Dezember 2003 ... mit der Maßgabe, dass eventuelle Zahlungen für das Jahr 2007 nicht an den Mitarbeiter ausbezahlt werden, sondern als außerordentlicher Ertrag in die Ergebnisbeteiligung desjenigen Kalenderjahres einfließen, in dem der Zahlungszufluss auf einem Konto des Arbeitgebers festzustellen ist.
(2) Urlaubsgeld für 2007
Im Juli 2007 erhält der/die Mitarbeiter/in eine Einmalzahlung in Höhe des Urlaubsgeldanspruchs gem. § 4 des Tarifvertrags über ein Urlaubsgeld. Sonstige Einmalzahlungen werden nicht gewährt.
(3) Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit
Ab dem 1. Juli 2007 wird für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten auf wöchentlich durchschnittlich 39,5 Stunden erhöht. Die Erhöhung erfolgt ohne Lohnausgleich ... Für Teilzeitbeschäftigte gilt eine entsprechende Regelung. Hieraus ergibt sich für die/den Mitarbeiter/in eine wöchentliche durchschnittliche Arbeitszeit von 29,63 Stunden.
…
(5) Leistungsentgelt
Der Mitarbeiter erhält ein Leistungsentgelt in Anlehnung an § 18 TVöD-B, das nach Maßgabe der nachfolgenden Vorgaben bestimmt wird: Das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen ist der Höhe nach auf die Erfolgsbeteiligung der Beschäftigten gemäß § 5 dieses Arbeitsvertrages begrenzt. Der Anspruch auf das Leistungsentgelt wird auf den Anspruch des/der Mitarbeiters/in auf die Erfolgsbeteiligung gem. § 5 dieses Arbeitsvertrags angerechnet.
§ 4
Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen
Für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 erklären die dwh gegenüber der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter einen Verzicht auf den Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen. Betriebsbedingte Änderungskündigungen infolge der Umsetzung von Strukturveränderungsmaßnahmen sind - soweit unumgänglich - möglich. …
§ 5
Erfolgsbeteiligung
Die Mitarbeiter/innen erhalten für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 einen Anspruch auf Erfolgsbeteiligung in Höhe von 40 % des freien Cash-flow. Für den auf die/den einzelnen Mitarbeiter/in entfallenden Anteil der Erfolgsbeteiligung ist das Verhältnis der Bruttojahresvergütung der einzelnen Mitarbeiterin/des einzelnen Mitarbeiters zu der Summe der Bruttopersonalkosten aller anspruchsberechtigten Mitarbeiter/innen maßgebend. …
…
§ 13
Schlussbestimmungen
…
(2) Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags einschließlich von Nebenabreden sowie Vereinbarungen weiterer Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Auch die Aufhebung dieser Schriftformklausel kann nur schriftlich erfolgen.
…“
- 8
-
Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an. Mit ihrer Klage hat sie geltend gemacht, es fehle an einem dringenden betrieblichen Bedürfnis für die angestrebte Änderung ihrer Arbeitsbedingungen. Der Beklagte habe sich nicht in einer finanziellen Notlage befunden. Alternative Möglichkeiten zu den „Sanierungsbeiträgen“ der Mitarbeiter seien nicht erwogen und ausgeschöpft worden.
-
Die Klägerin hat beantragt
-
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 unwirksam ist.
- 10
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei zur Sicherung seiner Existenz unumgänglich gewesen. Er habe für die Jahre 2007 bis 2013 mit einem negativen Betriebsergebnis rechnen müssen, im Jahr 2013 mit einem solchen in Höhe von über 5,5 Millionen Euro. Um dem entgegenzuwirken, habe er mit der Mitarbeitervertretung eine zweite Sanierungsvereinbarung schließen müssen. Eine Sanierung sei nur über eine vorübergehende Senkung der Personalkosten, deren Anteil an seinen Gesamtausgaben 75 vH betrage, zu erreichen gewesen. Langfristig sei die angestrebte Tarifumstellung gegenüber einer statischen Weitergeltung des BAT, wie sie der Rechtslage vor Ausspruch der Änderungskündigung entsprochen habe, für die Klägerin sogar günstiger.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden. Die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 ist unwirksam.
- 13
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I. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht hätte die Änderungsschutzklage deshalb abweisen müssen, weil die der Klägerin angetragenen Arbeitsbedingungen ohnehin seit dem 1. Juli 2007 für das Arbeitsverhältnis bestimmend gewesen seien. Die Änderungskündigung war nicht in diesem Sinne „überflüssig“.
- 14
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1. Die Begründetheit einer Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt allerdings voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung wirksam wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden(BAG 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72; 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, BAGE 111, 361). Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Arbeitsbedingungen, die - etwa aufgrund einer unmittelbar anzuwendenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung - ohnehin für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung zwar unverhältnismäßig. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist aber nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen Arbeitsbedingungen nicht gelten, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch aus anderen Gründen bereits nach den fraglichen Arbeitsbedingungen richtet (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, aaO; 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, aaO).
- 15
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2. Im Streitfall ist ein Rechtsgrund, der unabhängig von der ausgesprochenen Kündigung eine Änderung der Arbeitsbedingungen in dem fraglichen Umfang bewirkt haben könnte, nicht zu erkennen.
- 16
-
a) Die Auffassung des Beklagten, die „streitbefangenen“ Änderungen der Arbeitsbedingungen seien unmittelbar mit Inkrafttreten der - zweiten - Sanierungsvereinbarung zum 1. Juli 2007 eingetreten, trifft schon deshalb nicht zu, weil dieser sich nicht darauf beschränkt hat, der Klägerin Änderungen anzubieten, die Bestandteil der mit der Mitarbeitervertretung getroffenen Vereinbarung sind. Er hat ihr vielmehr unter § 13 des Änderungsvertrags eine sog. doppelte Schriftformklausel angetragen, die nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder Gegenstand schon der bisherigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien noch in der Sanierungsvereinbarung vorgesehen war.
- 17
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b) Abgesehen davon kommt der - zweiten - Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 zumindest hinsichtlich der angestrebten Sanierungsbeiträge der Beschäftigten des Beklagten keine unmittelbare Wirkung zu. Das gilt selbst dann, wenn es sich bei der Vereinbarung um eine Dienstvereinbarung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen(MVG-K) handeln sollte.
- 18
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aa) Die verfassten Kirchen können aufgrund ihrer in Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Autonomie Mitarbeitervertretungsgesetze erlassen. Das betrifft auch kirchliche Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für den Beklagten gelten insoweit die Regelungen des MVG-K in der für den Streitfall maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2005 (KABl. S. 76) und ihrer Ergänzung und Berichtigung vom 25. August 2005 (KABl. S. 202). Nach § 1 Abs. 2 MVG-K sind in Einrichtungen der Diakonie, soweit sie sich dem Kirchengesetz angeschlossen haben, Mitarbeitervertretungen zu bilden. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich der Beklagte dem Gesetz angeschlossen hat.
- 19
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bb) Gemäß § 37 Abs. 1 MVG-K können Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung Dienstvereinbarungen schließen(§ 37 Abs. 1 Satz 1 MVG-K). Solche Dienstvereinbarungen dürfen Regelungen weder erweitern, einschränken noch ausschließen, die auf Rechtsvorschriften, insbesondere Beschlüssen der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission, auf Entscheidungen der Schlichtungskommission nach dem Gemeinsamen Mitarbeitergesetz, auf allgemeinverbindlichen Richtlinien der beteiligten Kirchen oder auf etwa anzuwendenden Tarifverträgen beruhen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 MVG-K). Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch eine Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein, es sei denn, die Regelung durch die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission lässt eine Dienstvereinbarung ausdrücklich zu (§ 37 Abs. 1 Satz 3 MVG-K). Dienstvereinbarungen sind nach § 37 Abs. 2 MVG-K schriftlich abzuschließen. Gemäß § 37 Abs. 3 MVG-K gelten sie unmittelbar und zwingend und können im Einzelfall nicht abbedungen werden.
- 20
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cc) Es ist bereits fraglich, ob sich die unmittelbare Wirkung, die das Kirchengesetz Dienstvereinbarungen zuerkennt, auf dem Regime staatlichen Rechts unterfallende Arbeitsverhältnisse erstrecken kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entfalten die auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen (Arbeitsvertragsrichtlinien oder BAT-KF) keine normative Wirkung gegenüber Arbeitnehmern, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Kirche oder einer ihrer Einrichtungen verbunden sind. Es bedarf vielmehr stets eines die Regelungen in Kraft setzenden säkularen Akts, typischerweise einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme (vgl. BAG 13. November 2002 - 4 AZR 73/01 - zu I 3 b bb der Gründe, BAGE 103, 353; 20. März 2002 - 4 AZR 101/01 - zu III 2 b aa der Gründe, BAGE 101, 9). Für die durch § 37 Abs. 3 MVG-K angeordnete unmittelbare Wirkung kirchenrechtlicher Dienstvereinbarungen gilt möglicherweise nichts anderes(vgl. Schliemann NZA 2005, 976, 977). Die Frage muss nicht abschließend beantwortet werden. In keinem Fall kann durch eine Dienstvereinbarung - ihre kirchenrechtliche Zulässigkeit unterstellt - zum Nachteil der Arbeitnehmer in bestehende arbeitsvertragliche Rechtspositionen eingegriffen werden. Dies vermöchte selbst eine auf staatlichem Recht fußende Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG nicht(vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 21, BAGE 120, 308; 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - Rn. 31 ff., BAGE 119, 122; vgl. auch Bietmann Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst S. 77; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 5. Aufl. S. 348).
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dd) Einer Wirksamkeit von Regelungen, die - wie die in Rede stehenden Bestimmungen der zweiten Sanierungsvereinbarung - auf eine Änderung von Arbeitsbedingungen im Bereich des Entgelts und der Arbeitszeit zielen, dürften zudem die Vorgaben des § 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 MVG-K entgegenstehen. Diese enthalten, wie das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, eine an § 77 Abs. 3 BetrVG angelehnte „Regelungssperre“. Ihr Zweck besteht nach allgemeinem Verständnis darin, den von den Kirchen beschrittenen „Dritten Weg“ abzusichern und zu stärken (vgl. Baumann-Czichon/Germer MVG-K § 37 Rn. 10; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 5. Aufl. S. 371). Es soll - wie im Betriebsverfassungsrecht durch § 77 Abs. 3 BetrVG - verhindert werden, dass Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung Normen erlassen, die inhaltlich zu den in § 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 MVG-K genannten „überbetrieblichen“ Regelungen in Konkurrenz treten. Der Abschluss von Vereinbarungen auf Dienststellenebene ist bei diesem Verständnis bereits dann unzulässig, wenn die Dienstvereinbarung Gegenstände behandelt, derer sich die Arbeitsrechtliche Kommission angenommen hat oder üblicherweise annimmt, ohne dass es auf den Verbreitungsgrad solcher „überbetrieblicher“ Regelungen oder darauf ankäme, ob sie im Arbeitsverhältnis Geltung beanspruchen könnten (ähnlich für die „Regelungssperre“ in § 38 MAVO: BAG 16. März 2004 - 9 AZR 93/03 - zu B II 2 c aa und bb der Gründe, BAGE 110, 60).
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ee) Auch dies kann im Streitfall dahinstehen. Der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 kommt, soweit sie auf eine Änderung materieller Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zielt, jedenfalls deshalb keine unmittelbare Geltung zu, weil sie selbst dies ausschließt. Die Sanierungspartner gehen, was die angestrebten Sanierungsbeiträge der Mitarbeiter anbelangt, ersichtlich von der Notwendigkeit einer einzelvertraglichen Umsetzung ihrer Abreden - ggf. durch Änderungskündigung - aus.
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(1) Dafür spricht zunächst die Präambel der zweiten Sanierungsvereinbarung. Im dortigen Absatz 3 heißt es, Vorstand und Mitarbeitervertretung seien übereingekommen, die bestehenden Arbeitsverträge „frühestmöglich“ in neue Arbeitsverträge auf der Grundlage des „dynamischen“ TVöD-B umzustellen. Das lässt auf einen erst noch in Gang zu setzenden Mechanismus schließen, der „frühestmöglich“ Wirkung solle entfalten können. Noch deutlicher kommt das Fehlen des Willens, unmittelbar auf die materiellen Arbeitsbedingungen einzuwirken, in Nr. 3 der Sanierungsvereinbarung zum Ausdruck. Nach dieser Regelung, die betriebsbedingte Kündigungen für die Laufzeit der Vereinbarung grundsätzlich ausschließt, bleiben Änderungskündigungen gegenüber denjenigen Beschäftigten zulässig, die eine „aufgrund dieser Sanierungsvereinbarung erforderliche Änderungsvereinbarung nicht annehmen“. In dieselbe Richtung weist die unter Nr. 8 der Vereinbarung begründete Verpflichtung der Sanierungspartner, erneut in Verhandlungen einzutreten, falls „die in der Anlage zum Sanierungsvertrag genannten finanziellen Beiträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht erzielt werden“. Außerdem sollten nur diejenigen Beschäftigten Anspruch auf eine Erfolgsbeteiligung haben, die „zu einem Wechsel in den TVöD-B mit den in dieser Sanierungsvereinbarung niedergelegten Modifikationen bereit sind“.
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(2) Diesem Verständnis der Vereinbarung entspricht das spätere Verhalten des Beklagten. Er hat allen Beschäftigten, mit denen er die Geltung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes vereinbart hatte, nach Abschluss der zweiten Sanierungsvereinbarung und unter Bezugnahme auf sie Angebote zur Vertragsänderung zugeleitet und gegenüber Mitarbeitern, die das Angebot ablehnten, eine Änderungskündigung erklärt.
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ff) Ob die Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 unter diesen Umständen überhaupt eine Dienstvereinbarung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 MVG-K darstellt oder - zumindest in Teilen - als Regelungsabrede zu qualifizieren ist(für die Zulässigkeit von Regelungsabreden im Bereich des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts: KGH EKD 26. Mai 2010 - I-0124/R73-09 - zu II 3 der Gründe, ZMV 2011, 37; Baumann-Czichon/Germer MVG.EKD 2. Aufl. § 38 Rn. 15; (ablehnend) Fey/Rehren MVG.EKD Stand Juli 2011 § 36 Rn. 1), ist damit für die Beurteilung ihrer rechtlichen Wirkung auf die Arbeitsbedingungen der Klägerin ohne Belang.
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c) Die nach Maßgabe der Vereinbarung vom 25. April 2007 angestrebten Änderungen sind auch nicht aufgrund einer im Änderungsvertrag der Parteien vom 13. Februar 2004 enthaltenen Klausel Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen geworden. Zwar haben die Klägerin und der Beklagte darin für einen möglichen Wegfall nicht ständiger Bezüge aufgrund Tarifvertragsänderung vereinbart, dass der in das (erste) Sanierungskonzept eingestellte Sanierungsbeitrag der Klägerin ggf. durch Einbehalt anderer Vergütungsbestandteile sichergestellt werden solle. Gegenstand der zweiten Sanierungsvereinbarung ist aber nicht eine solche „Sicherstellung“. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Vertragsanpassung auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Das arbeitsrechtliche Kündigungsrecht ist lex specialis gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB(BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75).
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II. Die der Klägerin im Rahmen der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen sind sozial ungerechtfertigt iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG. Es fehlt an einem ausreichend bestimmten Änderungsangebot. Zudem hat der Beklagte der Klägerin nicht nur solche Änderungen angetragen, die zur Erreichung des behaupteten Sanierungsziels unabweisbar notwendig waren. Ob die Änderungskündigung noch aus anderen Gründen unwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung.
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1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17, PersR 2012, 90; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, BAGE 132, 78). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17, aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, aaO).
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2. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15, BAGE 132, 78; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 16 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141 = EzAÜG KSchG Nr. 30). Ihm muss zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen. Da der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen innerhalb kurzer Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die Änderung der Arbeitsbedingungen ablehnt, ob er sie mit oder ohne Vorbehalt annimmt, ist dies schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern. Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15 mwN, aaO).
- 30
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3. Danach sind die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Streitfall schon deshalb ungerechtfertigt, weil dem Änderungsangebot nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, ab welchem Zeitpunkt sie gelten sollen.
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a) Ein Änderungsangebot kann auch dann den Bestimmtheitserfordernissen genügen, wenn sich sein Inhalt erst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) hinreichend sicher ermitteln lässt. Dabei können und müssen auch außerhalb des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung seines Inhalts geeignete Umstände herangezogen und berücksichtigt werden. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht nur auf die Kündigungserklärung als solche, sondern auch auf das Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des wirklichen rechtsgeschäftlichen Willens weiter zu prüfen, ob dieser in der Urkunde Ausdruck gefunden hat. Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 20 ff., EzA KSchG § 2 Nr. 81; 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58).
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b) Der Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen im Wesentlichen inhaltsgleiche Änderungskündigungen ausgesprochen. Seine Erklärungen sind deshalb nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Empfänger unter Berücksichtigung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die Auslegung typischer Willenserklärungen ist in erster Linie ihr Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligter Verkehrskreise zu verstehen ist. Die Auslegung typischer Willenserklärungen unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 102/08 - Rn. 28, AP BGB § 133 Nr. 58; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 18 mwN, BAGE 132, 78).
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c) Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, lässt sich dem Änderungsangebot nicht eindeutig entnehmen, die der Klägerin angesonnene Vertragsänderung solle rückwirkend ab dem 1. Juli 2007 gelten. Das Angebot ist vielmehr perplex, dh. in sich widersprüchlich.
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aa) Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens hat der Beklagte der Klägerin angeboten, das Arbeitsverhältnis „nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den Bedingungen der in der Anlage beigefügten Neufassung des Arbeitsvertrags“ fortzusetzen. Dem musste ein objektiver Erklärungsempfänger entnehmen, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen erst mit Ablauf der Kündigungsfrist - im Streitfall mit Wirkung ab dem 1. April 2008 - eintreten sollte.
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bb) In Widerspruch dazu steht der Inhalt des beigefügten Änderungsvertrags. Diesem zufolge wird eine Änderung der Arbeitsbedingungen bereits zum 1. Juli 2007 angestrebt. So ist die Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD ausdrücklich zum 1. Juli 2007 vorgesehen. Die gleichfalls vorgesehene Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit soll möglichst zum 1. Juli 2007, spätestens aber zum 1. Januar 2008 in Kraft treten (§ 2 und § 3 Abs. 3 des Änderungsvertrags). Andere Regelungen, wie etwa die zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und zur Erfolgsbeteiligung (§ 4 und § 5 des Änderungsvertrags), knüpfen an die „Laufzeit der Sanierungsvereinbarung“ und damit zumindest mittelbar ebenfalls an den 1. Juli 2007 an. Dieses wortlautorientierte Verständnis des Änderungsangebots wird auch durch eine Beachtung des Gebots der interessengerechten Auslegung von Willenserklärungen nicht korrigiert. Ein objektiver, mit den Umständen vertrauter Erklärungsempfänger musste vielmehr davon ausgehen, der Beklagte wolle durch eine Rückwirkung der Änderungen eine gleichmäßige Behandlung sämtlicher Mitarbeiter erreichen. Dies war gemäß § 311a Abs. 1 BGB auch schuldrechtlich nicht ausgeschlossen.
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cc) Außerhalb der schriftlichen Änderungskündigung liegende Umstände führen nicht dazu, dass zweifelsfrei von einem Änderungsangebot ausgegangen werden könnte, das frühestens ab dem 1. April 2008 hat wirken sollen.
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(1) Soweit der Beklagte behauptet, Änderungsangebote im Zusammenhang mit der ersten Sanierungsvereinbarung seien, falls sie erst mit zeitlicher Verzögerung angenommen worden seien, ausschließlich für die Zukunft umgesetzt worden, handelt es sich um neues Vorbringen, das in der Revision keine Berücksichtigung finden kann. Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin von einer derartigen Praxis Kenntnis gehabt hätte. Auch war es - zumal angesichts der Komplexität der ihr nunmehr angetragenen Vertragsänderungen - nicht Aufgabe der Klägerin, darüber zu spekulieren, ab welchem Zeitpunkt diese wirksam werden sollten. Es war Sache des Beklagten, dies von vorneherein zweifelsfrei klarzustellen.
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(2) Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, wie der Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich abgerechnet hat. Der Arbeitnehmer muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung die Tragweite der ihm angesonnenen Änderungen überblicken können. Außerdem schloss der Umstand, dass der Beklagte im August 2008 rückwirkend ab 1. April 2008 korrigierte Abrechnungen auf der Grundlage einer Überleitung in den TVöD-B erstellen ließ, nicht aus, dass er sich zukünftig auf ein noch früheres Wirksamwerden berufen würde. Ebenso wenig konnte die Klägerin aus der mehrfachen Unterbreitung eines gleichlautenden Änderungsvertrags schließen, der Beklagte wolle sich nur die zeitliche Anpassung des Vertragstexts ersparen. Sein Vorgehen konnte, wie erwähnt, ebenso gut als Hinweis darauf verstanden werden, dass er die Änderungen aus Gründen der Praktikabilität und der Gleichbehandlung aller Beschäftigten einheitlich und ab demselben Zeitpunkt durchsetzen wollte.
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dd) Das Änderungsangebot wäre selbst dann nicht hinreichend bestimmt, wenn es eindeutig dahin zu verstehen wäre, es solle erst zum 1. April 2008 gelten. Dann bliebe beispielsweise unklar, ob die Klägerin ggf. Anspruch auf Auszahlung der verschobenen Weihnachtsgeldzahlung für das Jahr 2007 haben sollte oder ob die entsprechende Summe gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 des Änderungsangebots als außerordentlicher Ertrag in die Ergebnisbeteiligung des Jahres einfließen würde, in dem ein möglicher Zahlungszufluss auf einem Konto des Arbeitgebers erfolgt. Unklar bliebe auch, ob Änderungen, die an die „Laufzeit“ der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 anknüpfen, automatisch prolongiert würden, sollte sich der Beklagte - wie unter Nr. 8 der Vereinbarung vorgesehen - mit der Mitarbeitervertretung auf deren Verlängerung verständigen.
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4. Wäre das Änderungsangebot dennoch - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - dahin zu verstehen, dass es auf eine rückwirkende Änderung der Arbeitsbedingungen zum 1. Juli 2007 zielte, wäre es mangels eines diese Rückwirkung rechtfertigenden Grundes sozial ungerechtfertigt. Eine ordentliche Kündigung entfaltet Wirkungen erst mit Ablauf der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, in eine schon früher wirkende Vertragsänderung einzuwilligen (BAG 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - Rn. 22, 25 mwN, BAGE 119, 332). Eine solche Rückwirkung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es um die einheitliche Umsetzung eines Sanierungskonzepts geht. Schon das Interesse des Arbeitgebers an einer zukünftigen Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen kann im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG regelmäßig keine Beachtung finden(vgl. BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75).
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5. Die der Klägerin mit der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 angetragenen Änderungen der Arbeitsbedingungen sind zudem deshalb sozial ungerechtfertigt, weil § 13 des Änderungsangebots eine sog. doppelte Schriftformklausel vorsieht, ohne dass der Beklagte hierfür Gründe iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG dargetan hätte. Eine derartige Klausel war weder Gegenstand der Sanierungsvereinbarung noch bisheriger arbeitsvertraglicher Regelungen. Die Klausel erweitert das im ursprünglichen Arbeitsvertrag nur für „Nebenabreden“ vorgesehene Schriftformerfordernis und kann insbesondere die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 34, BAGE 126, 364). Damit handelt es sich, anders als der Beklagte gemeint hat, nicht nur um eine unwesentliche Änderung. Ob ggf. auch eine solche einer sozialen Rechtfertigung bedürfte und ob die Klausel im Hinblick auf § 305b BGB einer Überprüfung ihrer Wirksamkeit überhaupt standhielte, braucht nicht entschieden zu werden.
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III. Der Beklagte hat gemäß § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Kreft
Rachor
Berger
Nielebock
Dr. Roeckl
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Februar 2012 - 7 Sa 2164/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. August 2011 - 19 Ca 4676/11 - abgeändert und festgestellt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. März 2011 beendet worden ist.
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2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
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3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
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Die Beklagte wurde als landeseigene Gesellschaft gegründet. Sie bietet Büro- und Gewerbeflächen zur Miete an und verwaltet diese. Im Jahre 2007 wurde sie an die O S.A. verkauft.
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Die im Oktober 1964 geborene Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 30. August 1984 seit 24. Juli 1984 als Reinigungskraft beschäftigt. Sie war mit einem Grad von 30 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Nach den anwendbaren tariflichen Vorschriften war sie aufgrund ihres Alters und ihrer Beschäftigungszeit ordentlich nicht mehr kündbar.
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Aufgrund einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung entschloss sich die Beklagte zu Umstrukturierungsmaßnahmen. Sie vereinbarte mit dem Betriebsrat am 29. Juni 2010 einen Interessenausgleich. Dieser sah verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der Mitarbeiterkapazitäten vor. Unter anderem war beabsichtigt, einen Betriebsteil „Reinigungsdienste“ zu bilden, der im Wege des Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber übertragen werden sollte. Ende Juni 2010 entschied sich die Beklagte, die im Interessenausgleich vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Sie schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erbringung von Reinigungsdienstleistungen für die von der Klägerin und einer weiteren Reinigungskraft betreuten Objekte. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 unterrichtete sie die Klägerin über den geplanten Betriebsteilübergang. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 28. Dezember 2010.
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Mit Schreiben vom 1. März 2011 stellte die Beklagte die Klägerin bis auf Weiteres widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Nachdem Verhandlungen der Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem beauftragten Unternehmen erfolglos geblieben waren, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach.
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Das Integrationsamt erteilte der beabsichtigten Kündigung am 14. März 2011 seine Zustimmung. Mit Schreiben vom 16. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer Frist bis zum 30. September 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Sie stellte die Klägerin am 24. März 2011 bis zum 31. März 2011 unwiderruflich, mit Wirkung ab 1. April 2011 widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 28. März 2011 bot sie der Klägerin als Vermittlerin einen befristeten Arbeitsvertrag bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen an. Falls die Klägerin das Angebot annehme, werde sie ab dem 1. April 2011 unter Anrechnung des bei dem beauftragten Unternehmen erzielten Zwischenverdienstes unwiderruflich freigestellt. Die Klägerin nahm das Angebot an und arbeitete seit dem 1. April 2011 für das beauftragte Unternehmen.
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Mit der vorliegenden Klage hat sich die Klägerin rechtzeitig gegen die Kündigung gewandt und Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung für den Zeitraum von April bis Juni 2011 verlangt. Sie hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Die Entscheidung der Beklagten, die Reinigungstätigkeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei rechtsmissbräuchlich. Es hätten andere Möglichkeiten bestanden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, etwa in Form der Personalgestellung bei dem beauftragten Reinigungs- oder einem Konzernunternehmen. Außerdem habe sie bei der Beklagten selbst im Bereich des Immobilienmanagements, der Buchhaltung oder des Sekretariats weiterbeschäftigt werden können. Dafür hätte es ausgereicht, wenn die Beklagte ihr Kenntnisse vermittelt hätte, die es ihr erlaubt hätten, ausgebildeten Kräften mit einfachen Tätigkeiten zuzuarbeiten. Ebenso gut sei sie als Hausmeisterin oder Hausmeisterassistentin einsetzbar und hätte nach einer Umorganisation mit Aufgaben im Bereich der Hausmeisterdienste betraut werden können. Auch könne sie als Reinigungskraft im Rahmen der Endreinigung nach der Beendigung von Mietverhältnissen, bei der Zwischenreinigung leerstehender Räume, bei der Anfangsreinigung von vermieteten Räumen und in den ausgelagerten Service-Centern tätig werden. Dort würden einfache Tätigkeiten überwiegend von Leiharbeitnehmern erbracht. Die Klägerin hat ferner die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten. Zudem hat sie gemeint, die vertraglich vereinbarte Vergütung stehe ihr auch für die Zeit ab April 2011 in voller Höhe zu. Der bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen erzielte Zwischenverdienst sei nicht anzurechnen.
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Die Klägerin hat beantragt
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1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 16. März 2011 weder zum 30. September 2011 noch zum nächstmöglichen Termin beendet worden ist;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.549,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2011 zu zahlen.
- 9
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ihre Entscheidung zur Fremdvergabe der Reinigungstätigkeiten ua. damit begründet, auf diese Weise Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter überbrücken zu können. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis infolge des vorgesehenen Betriebsteilübergangs zu unveränderten Bedingungen bei einem solventen Unternehmen fortsetzen können. Beschäftigungsmöglichkeiten bei ihr bestünden nicht. Mangels der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten könne die Klägerin nicht als Sachbearbeiterin oder Sekretärin eingesetzt werden. Auch eine Tätigkeit als Hausmeisterin komme nicht in Betracht. In diesem Bereich könnten einzelne Arbeiten nicht sinnvoll aus dem gesamten Aufgabenspektrum herausgelöst werden, um sie der Klägerin zu übertragen. Ähnliches gelte für die übrigen Abteilungen. Die Hausmeister seien zudem in zahlreichen verschiedenen Höfen eingesetzt. Sie übten eine höherwertige Tätigkeit aus und seien dementsprechend höher als die Klägerin eingruppiert. Auch bei anderen Gesellschaften der Firmengruppe gebe es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Diese beschäftigten keine Reinigungskräfte und andere geeignete Arbeitsplätze stünden bei ihnen nicht zur Verfügung. Eine Personalgestellung habe das beauftragte Reinigungsunternehmen abgelehnt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags und eines Teils des Zahlungsbegehrens stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat teilweise Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Ob die Kündigung der Beklagten wirksam ist, steht noch nicht fest. Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat, ist die Revision unbegründet.
- 12
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I. Die außerordentliche Kündigung vom 16. März 2011 erweist sich auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.
- 13
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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
- 14
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a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 13; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16 ).
- 15
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b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17 ). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO).
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aa) Eine infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zu erwartende, ggf. jahrelange Bindung des Arbeitgebers an ein Arbeitsverhältnis, in welchem er mangels sinnvoller Einsatzmöglichkeit keine werthaltige Gegenleistung mehr erhält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Darin liegt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. zuletzt Stein DB 2013, 1299, 1300) keine Kündigung aus „minderwichtigem Grund“ und keine Umgehung des vereinbarten Schutzes vor einer ordentlichen Kündigung. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann vielmehr auch durch eine (tarif-)vertragliche Vereinbarung zur ordentlichen Unkündbarkeit nicht beschränkt werden (vgl. BAG 11. Juli 1958 - 1 AZR 366/55 - zu 3 der Gründe, BAGE 6, 109; BGH 21. April 1975 - II ZR 2/73 - zu 2 a der Gründe). Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung begründet keinen absoluten Schutz vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichem Anlass, wenn denn die Voraussetzungen vorliegen, die an einen wichtigen Grund zu stellen sind.
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bb) Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN). Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung entsteht dadurch nicht. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die analoge Anwendung von §§ 9, 10 KSchG(vgl. dazu Stein DB 2013, 1299, 1301) scheidet aus. Die Bestimmungen sehen lediglich für den Fall der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung vor. Mit der gerichtlichen Auflösung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund erfolgreicher betriebsbedingter außerordentlicher Kündigung nicht zu vergleichen.
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c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen ergeben(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 15).
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aa) Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21 ).
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bb) Dies gilt einmal in Fällen ordentlicher Kündigungen iSv. § 1 KSchG. Auf eine in Teilen des Schrifttums für erforderlich gehaltene Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile, die der Arbeitgeber durch seine Maßnahme erlangt, gegen die Nachteile, die der Arbeitnehmer durch den Arbeitsplatzverlust erleidet (Däubler Die Unternehmerfreiheit im Arbeitsrecht S. 32, 44; Stein AuR 2013, 243, 248), kommt es de lege lata nicht an. Soweit hierfür auf die Ausfüllungsbedürftigkeit des Merkmals der „Dringlichkeit“ iSv. § 1 Abs. 2 KSchG abgestellt wird, wird möglicherweise übersehen, dass nicht die unternehmerisch-wirtschaftlichen Erfordernisse dringend sein müssen, sondern die betrieblichen(ebenso Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 758 mwN). Führt die Umsetzung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung auf betrieblicher Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für einen Arbeitnehmer und kann dieser auch nicht anderweit weiterbeschäftigt werden, bestehen „dringende betriebliche Erfordernisse“, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen und die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bedingen können. Für die Bewertung der betrieblichen Erfordernisse als „dringend“ kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß für das Unternehmen wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme zu erwarten sind. Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen - wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist (BAG 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 24; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 31; 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 32, 150). Darauf, ob die Maßnahme für den Bestand des Unternehmens notwendig, gar zwingend notwendig ist, kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob eine „hohe Zahl von Insolvenzen“ im Nachhinein für Fehleinschätzungen sprechen kann (so aber Stein AuR 2013, 243, 247) oder sich der Arbeitgeber auf einen „Dialog über Alternativen“ eingelassen hat (Stein aaO). Es ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er es überhaupt weiterführt und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt. Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen allein zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen. Es kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ohnehin nicht darum gehen, ihm die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt(so auch Däubler aaO S. 44). Deren Wirksamkeit wiederum kann nach der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes nicht etwa davon abhängen, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung anbietet (so aber Däubler aaO).
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cc) Dies gilt gleichermaßen in Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist, dessen Arbeitsverhältnis nur außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden kann(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe). Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; HaKo/Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 Rn. 749; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127). Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweit sinnvoll einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre. Der in Tarifverträgen an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bestimmtes Lebensalter geknüpfte Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist regelmäßig nicht dahin zu verstehen, dass damit die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung generell - auch als außerordentliche - zumindest für die Fälle ausgeschlossen sein soll, in denen der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses auf wirtschaftlich nicht zwingend notwendigen unternehmerischen Organisationsentscheidungen beruht. Dass eine solche mittelbare Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit - unbeschadet ihrer Rechtswirksamkeit - gewollt wäre, lässt sich tariflichen Regelungen, nach denen der besondere Kündigungsschutz allein vom Lebensalter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt, ohne besondere Anhaltspunkte nicht entnehmen. Etwas anderes kann gelten, wenn der tarifliche oder einzelvertragliche Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen die Gegenleistung des Arbeitgebers für einen Verzicht auf bestimmte Rechtsansprüche durch die Arbeitnehmer darstellt. Auch dann ist der Arbeitgeber zwar rechtlich nicht gehindert, bestimmte, wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für geschützte Arbeitnehmer führen, und ist ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Möglichkeit der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung als solcher wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 1 BGB rechtlich ausgeschlossen. Eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bis zum zeitlich vorgesehenen Ende des - in aller Regel befristeten - Kündigungsausschlusses wird aber in dieser Situation nur im Extremfall anzunehmen sein.
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dd) Insofern besteht auch kein Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2002 (- II ZR 353/00 -), in welcher dieser auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags wegen des auf geschäftspolitischen Gründen beruhenden Beschlusses der Muttergesellschaft, den Betrieb ihrer Tochtergesellschaft einzustellen, erkannt hat (eine Divergenz bejahend aber Stein DB 2013, 1299, 1301). Dort war eine ordentliche Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags nicht dauerhaft, sondern im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung nur noch für gut ein Jahr ausgeschlossen.
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ee) Die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Berufswahlfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 -; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94 , 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171 ; BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 18; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22 ).
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2. In Anwendung dieser Grundsätze mangelte es im Streitfall nicht bereits deshalb an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB, weil die von der Beklagten getroffene Organisationsentscheidung rechtlich zu beanstanden wäre.
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a) Nach den bisherigen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte rechtsmissbräuchlich entschieden hätte, mit den Reinigungsarbeiten ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Die Beklagte hat ua. geltend gemacht, die Fremdvergabe ermögliche es ihr, Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter zu überbrücken. Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, der Beklagten eine „bessere“ oder „richtige“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in ihre wirtschaftliche Kalkulation einzugreifen (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31 ).
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b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es auch angesichts der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin keiner besonderen Umstände - wie etwa der Notwendigkeit einer Änderung der Produktpalette oder einer angespannten betriebswirtschaftlichen Situation -, die die durchgeführte Umstrukturierung als unumgänglich ausgewiesen hätten. Zwar hat der Senat in den Entscheidungen vom 26. März 2009 (- 2 AZR 879/07 -) und 2. März 2006 (- 2 AZR 64/05 -) - bezogen auf eine Änderungskündigung - angenommen, der Arbeitgeber müsse bereits bei Erstellung seines unternehmerischen Konzepts geltende Kündigungsbeschränkungen berücksichtigen (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 56; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 28), und hat daraus gefolgert, dies wirke sich im Prozess bei der Darlegungslast aus; aus dem Vorbringen des Arbeitgebers müsse erkennbar sein, dass er auch angesichts der bestehenden Kündigungsbeschränkungen alles Zumutbare unternommen habe, um die durch sein Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 57; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29). Die unternehmerische Entscheidung selbst unterliegt aber nicht deshalb einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle, weil vom Arbeitsplatzabbau (auch) ordentlich unkündbare Arbeitnehmer betroffen sind. Vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen ist hingegen, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine (Änderungs-)Kündigung tatsächlich erzwingt.
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c) Der Ausschluss der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung erforderte es auch nicht, dass die Beklagte Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin neu schüfe. Es kommt allein darauf an, ob andere Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich bestanden. Die Beklagte hat detailliert dazu vorzutragen, weshalb dies nicht der Fall gewesen sein soll. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen bisher nicht gewürdigt.
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aa) Anders als in dem Fall, der der vom Landesarbeitsgericht angeführten Entscheidung des Senats vom 26. September 2002 (- 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31) zugrunde lag, bestand hier ein Beschäftigungsbedürfnis nicht etwa deshalb fort, weil in den betrieblichen Abläufen faktisch keine Änderung eingetreten wäre. Die Reinigungsarbeiten sollten an das beauftragte Unternehmen zur selbständigen Erledigung vergeben und nicht durch eine in das Unternehmen der Arbeitgeberin voll eingegliederte Organgesellschaft verrichtet werden. Ein Beschäftigungsbedarf bei der Beklagten bestand gerade nicht fort. Nach deren Vorbringen lag stattdessen ein Betriebsteilübergang vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wäre danach gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf das beauftragte Unternehmen übergegangen, hätte diese dem nicht widersprochen.
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bb) Ebenso wenig steht bislang fest, dass zum Zeitpunkt der Kündigung Arbeitsplätze frei gewesen wären, die die Beklagte der Klägerin wegen des Vorrangs der Änderungskündigung hätte anbieten müssen (vgl. dazu BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 25 und 27).
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II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
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1. Eine außerordentliche Kündigung schied nach dem festgestellten Sachverhalt nicht schon deshalb aus, weil die Beklagte nur noch für eine nicht erhebliche Zeit an ein ggf. sinnentleertes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gebunden gewesen wäre. Die Klägerin war bei Ablauf der Auslauffrist am 30. September 2011 46 Jahre alt und damit weit entfernt von einer tariflichen Altersgrenze.
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2. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Der - unterstellte - Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt deshalb stets von Neuem(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 28; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10 ).
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3. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Klägerin hat eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zwar bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat aber festgestellt, dass der Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der beabsichtigten Kündigung angehört worden ist, und hat dazu auf den Inhalt des Anhörungsschreibens Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat hinreichend über die Gründe für die Kündigung unterrichtet. Inwiefern dessen Anhörung gleichwohl fehlerhaft gewesen sei, hat die Klägerin nicht dargelegt.
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III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben, soweit es der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat. In diesem Umfang ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - wie ausgeführt und aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
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1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 34). Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer berechtigt ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er in erster Linie von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 35; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe). Aufgrund welcher tarifvertraglichen Vorschriften die Klägerin im Streitfall ordentlich unkündbar war, ist vom Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt.
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2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 41; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21 ). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichenbetriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe ).
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IV. Die Revision ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Vergütung für die Monate April bis Juni 2011 in Höhe von 421,90 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.
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1. Der Anspruch der Klägerin folgt aus einem Annahmeverzug der Beklagten gem. § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1, §§ 293 ff. BGB.
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a) Im fraglichen Zeitraum bestand das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort.
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aa) Auch wenn der Betriebsteil „Reinigungsdienste“ auf das beauftragte Reinigungsunternehmen übergegangen sein mag, ist dieses nicht gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin eingetreten. Die Klägerin hatte dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen.
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bb) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand in den Monaten April bis Juni 2011 unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung vom 16. März 2011. Die Kündigung war zwar außerordentlich, aber erst zum 30. September 2011 ausgesprochen worden.
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b) Die Beklagte befand sich mit der Annahme der Leistung der Klägerin in Verzug (§ 615 Satz 1 iVm. §§ 293 ff. BGB). Sie hatte durch die Freistellung der Klägerin eine Annahme von deren Arbeitsleistung generell abgelehnt. Damit geriet sie, ohne dass es noch eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots der Klägerin bedurft hätte, gem. § 296 Satz 1 BGB in Gläubigerverzug(vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 571).
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c) § 297 BGB steht dem nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Klägerin sei im fraglichen Zeitraum nicht leistungswillig und damit iSv. § 297 BGB zur Leistung außerstande gewesen, hat sie hierfür keine hinreichenden Umstände dargelegt. Die Klägerin hatte zwar mit Wirkung ab April 2011 auf Vermittlung der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag mit dem beauftragten Unternehmen geschlossen. Die Beklagte hatte sie aber für den Fall der Annahme des Angebots unwiderruflich von der Arbeitsleistung ihr gegenüber freigestellt und mit ihr lediglich die Anrechenbarkeit des Zwischenverdienstes vereinbart. Dies rechtfertigt es nicht, die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten als nicht leistungswillig anzusehen.
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2. Die Klägerin kann jedenfalls den vom Landesarbeitsgericht titulierten Betrag verlangen.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, bei diesem Betrag handele es sich um die Differenz zwischen der der Klägerin gegenüber der Beklagten zustehenden Vergütung für die Zeit von April bis Juni 2011 und den anzurechnenden Zahlungen des beauftragten Unternehmens für den gleichen Zeitraum. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände.
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b) Der der Klägerin vom Landesarbeitsgericht zugesprochene Differenzanspruch steht dieser in voller Höhe auch dann zu, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien am 30. September 2011 geendet haben sollte. Das Landesarbeitsgericht hat seiner - von ihm nicht nachvollziehbar dargestellten - Berechnung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien über dieses Datum hinaus zugrunde gelegt. Es hat ferner angenommen, dieser Umstand führe dazu, dass sich die Klägerin auf ihre Ansprüche gegen die Beklagte auch das vom Drittunternehmen erst nach dem 30. September 2011 gezahlte Urlaubsgeld 2011 mit seinem vollen Betrag anrechnen lassen müsse. Der Senat hat davon auszugehen, dass das Landesarbeitsgericht diese Erwägungen rechnerisch umgesetzt und bei seiner Tenorierung berücksichtigt hat. Damit hat die Klägerin in jedem Fall mindestens Anspruch auf den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag. Sollte sich die Kündigung der Beklagten als wirksam erweisen und das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 geendet haben, könnte sich das allenfalls zugunsten der Klägerin auswirken. Ansprüche auf Vergütung für die Zeit nach dem 30. September 2011 hat sie nicht erhoben. Das vom Drittunternehmen geleistete Urlaubsgeld wäre deshalb womöglich auf die für die Zeit davor verlangte Vergütung entweder gar nicht oder doch nicht in vollem Umfang anzurechnen.
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3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
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Kreft
Berger
Rachor
Krichel
Grimberg
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2011 - 5 Sa 373/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. März 2010 - 2 Ca 1680/08 - zurückgewiesen hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der mit der ursprünglichen Beklagten zu 2. wegen eines Rückkehranspruchs geführte Rechtsstreit ist rechtskräftig zulasten des Klägers abgeschlossen.
- 2
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Der Kläger war bei der Beklagten zu 1. (im Folgenden: Beklagte) und deren Rechtsvorgängerinnen seit 1999 unter Anrechnung der Zeit eines seit 1974 bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Er war zuletzt als Disponent tätig. Sein Einsatz erfolgte am Standort T.
- 3
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Die Beklagte gehört einem Konzern an. Bei den ihm zugehörigen Unternehmen waren im Jahr 2008 über 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 720 - unter ihnen der Kläger - im Bereich „Technical Operations/Netzinfrastruktur“. 45 % der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer waren - wie der Kläger - tariflich nicht mehr ordentlich kündbar. Der Konzern ist in sechs Regionen aufgeteilt. Auf der Grundlage eines zwischen der Gewerkschaft ver.di auf der einen und drei Konzernunternehmen - darunter die Rechtsvorgängerin der Beklagten - auf der anderen Seite geschlossenen Zuordnungstarifvertrags ist in jeder Region ein einheitlicher, unternehmensübergreifender Betriebsrat gebildet.
- 4
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Im Jahr 2008 beschloss die Beklagte, die Aufgaben der Servicetechniker zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 1. Juli 2009 nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Dies führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze, so auch sämtlicher Disponentenstellen am Standort T. Dazu vereinbarten die drei Gesellschaften am 12. November 2008 mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan.
- 5
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Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Beklagte nach Anhörung des zuständigen Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Juli 2009.
- 6
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Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem wichtigen Grund. Die Beklagte habe die Arbeiten nicht an Dritte vergeben dürfen, weil hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl ordentlich unkündbarer Mitarbeiter weggefallen seien. Er sei überdies ohne längere Einarbeitungszeit im Bereich „Planung“ und als Serviceteam-Manager einsetzbar. Im Übrigen habe die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
-
Der Kläger hat, soweit noch von Belang, beantragt
-
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 nicht beendet worden ist;
2.
für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Disponent weiterzubeschäftigen.
- 8
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Mit den betreffenden Dienstleistungen externe Anbieter zu betrauen, sei um 50 % günstiger als sie mit eigenen Arbeitnehmern auszuführen. Ihre Maßnahme sei auch mit Blick auf den hohen Anteil davon betroffener ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer nicht willkürlich. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten habe es nicht gegeben. Der Kläger könne nicht als Planer eingesetzt werden. Die damit verbundenen Aufgaben könne er auch nach mehr als einem Jahr Einarbeitungszeit nicht erfüllen. Bei den Stellen der Serviceteam-Manager handele es sich um Beförderungsstellen.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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I. Die außerordentliche Kündigung vom 9. Dezember 2008 erweist sich aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.
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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
- 13
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a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
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b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in diesem Fall zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN).
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c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben.
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aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).
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bb) Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe, AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14; Kiel NZA Beil. 1/2005, 18, 22). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (HaKo-Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 749; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; ders., NZA Beil. 1/2005, 18, 22; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127).
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cc) Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen gewährleistete Schutz der betroffenen Arbeitnehmer steht dem nicht entgegen. Die Berufswahlfreiheit iSv. Art. 12 Abs. 1 GG bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 - NZA 1998, 587; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171; BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165).
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2. In Anwendung dieser Grundsätze durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es liege bereits deshalb kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, weil die Beklagte wegen des hohen Anteils ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer die Fremdvergabe der Tätigkeiten hätte unterlassen müssen. Die von ihr getroffene Organisationsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an Dritte zu vergeben, sei erforderlich gewesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der „Einkauf“ der betreffenden Dienstleistungen bei externen Anbietern sei um 50 % günstiger als die Durchführung der Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern.
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b) Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist vom Grundrecht des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, diesem eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).
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c) Die Entscheidung der Beklagten verstößt nicht gegen die Regelung des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer in § 24 MTV Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG vom 8. August 2002.
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aa) Nach dem Vorbringen beider Parteien findet diese Bestimmung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Zwar hat das Landesarbeitsgericht insoweit keine bindenden Feststellungen getroffen. Ihre Anwendbarkeit - oder die einer gleichlautenden tariflichen Regelung - kann aber zugunsten des Klägers unterstellt werden.
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bb) Die Vorschrift beschränkt die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gegenüber den geschützten Arbeitnehmern zwar auf Fälle, in denen ein „wichtiger Grund“ gegeben ist. Darin liegt aber kein Verbot der Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz schränkt nicht die Freiheit des Unternehmers ein, Umstrukturierungen vorzunehmen, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist, sondern erhöht die Anforderungen an seine Bemühungen, gleichwohl die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn von der unternehmerischen Maßnahme ein hoher Prozentsatz ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist. Auch in diesem Fall ist nicht schon die unternehmerische Maßnahme als solche (tariflich) ausgeschlossen.
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cc) Die entgegenstehende Ansicht des Landesarbeitsgerichts entbehrt der verfassungsrechtlichen und tariflichen Grundlage. Art. 12 Abs. 1 GG verlangt den Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Wird er tariflich vereinbart, lassen sich seine Rechtsfolgen deshalb nicht anhand von Art. 12 Abs. 1 GG bestimmen. Die Regelung in § 24 MTV selbst unterscheidet nicht danach, ob einem einzelnen, einigen wenigen oder einer Vielzahl von sondergeschützten Arbeitnehmern gekündigt werden soll. In allen Fällen ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, in keinem Fall ist schon die sie auslösende unternehmerisch-organisatorische Maßnahme als solche tariflich ausgeschlossen.
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d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu den Anforderungen an eine Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltreduzierung. Der vom Landesarbeitsgericht angesprochene vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht auf die Fälle außerordentlicher betriebsbedingter Beendigungskündigungen aus Anlass von Restrukturierungsmaßnahmen beschränkt. Er wäre auch dann nicht aufgehoben, wenn nur ordentliche Beendigungskündigungen „leichter“ möglich wären als funktional äquivalente Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung (für die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen, die daraus gezogen werden, vgl. einerseits Kühling AuR 2003, 92; Stein AuR 2003, 99, andererseits Reuter RdA 2004, 161). Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist auch eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung möglich (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 34, BAGE 132, 78). Diese Erfordernisse sind vom Arbeitgeber freilich schlüssig und substantiiert darzulegen. Sie sind etwa mit der bloßen Behauptung, eine wirtschaftliche Analyse habe ergeben, eine Entgeltabsenkung sei unabweisbar, nicht hinreichend dargetan. Einem solchen - unzureichenden - Vortrag entspräche bei der Beendigungskündigung das Vorbringen, der Arbeitgeber habe sich, da unabweisbar nötig, entschlossen, bestehende Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Ein solcher Vortrag wäre gleichermaßen unzureichend. Sowohl Änderungs- als auch Beendigungskündigungen bedürfen der Rechtfertigung durch „betriebliche“ Erfordernisse, dh. durch Erfordernisse außerhalb ihrer selbst. Dass die substantiierte Darlegung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund des Entschlusses zur Betriebs(teil)schließung eine weniger komplexe Erläuterung erfordern mag als die Darlegung eines betrieblichen Erfordernisses zur Lohnabsenkung bei Fortbestand des Beschäftigungsbedürfnisses und gleicher Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, ist den objektiven Umständen und Unterschieden und nicht prinzipiell anderen Anforderungen an das Arbeitgebervorbringen geschuldet.
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II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
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1. Die Kündigung ist nicht wegen Nichteinhaltens der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die - von der Beklagten behauptete - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist beginnt deshalb stets von Neuem (vgl. BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).
- 29
-
2. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 1, 2 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den zuständigen Betriebsrat angehört und ihm die Gründe für die Kündigung mitgeteilt.
- 30
-
a) An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung der Kündigungsgründe im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20).
- 31
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b) Im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG gilt eine abgestufte Darlegungslast(BAG 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 28; 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12). Zunächst hat der Arbeitgeber auf einen entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers hin im Einzelnen und nachvollziehbar darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Sodann obliegt es dem Arbeitnehmer vorzutragen, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält.
- 32
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c) Danach ist die Betriebsratsanhörung im Streitfall wirksam erfolgt. Die Beklagte hat unter Vorlage des Anhörungsschreibens schlüssig vorgetragen, den zuständigen Betriebsrat Anfang Dezember 2008 zur beabsichtigten Kündigung angehört zu haben. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, inwieweit die Betriebsratsanhörung gleichwohl unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sein soll. Einen solchen Vortrag hat er nicht gehalten.
- 33
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III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nach Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung noch möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
- 34
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1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist.
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a) Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er zunächst von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
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aa) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der besondere Kündigungsschutz des Klägers aus § 24 des zwischen der Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG und ver.di am 8. August 2002 abgeschlossenen Manteltarifvertrags ergibt. Allerdings ist nicht erkennbar, ob dessen Anwendbarkeit auf beiderseitiger Tarifgebundenheit oder einzelvertraglicher Inbezugnahme beruht. Eine beiderseitige Tarifgebundenheit ist nicht festgestellt. Eine vertragliche Bezugnahme ist zwar in § 2 des „Vertrags zur Änderung des Arbeitsvertrages“ vom 31. Mai/19. Juni 2000 enthalten. Danach unterliegt das Arbeitsverhältnis „den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung“. Es steht bislang aber nicht fest, dass dazu der genannte Tarifvertrag zählt. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
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bb) Sollte auf das Arbeitsverhältnis die von den Parteien für anwendbar gehaltene tarifliche Bestimmung oder doch eine ihr entsprechende Regelung anzuwenden sein, wäre darin beim Wegfall der Möglichkeit einer Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung vorgesehen. Dies hätte zur Folge, dass eine außerordentliche Beendigungskündigung gegenüber dem Kläger nur in Betracht kommt, wenn selbst eine ordentliche, nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebundene Änderungskündigung ausscheidet, um das Arbeitsverhältnis als solches zu beiderseits zumutbaren anderen Bedingungen aufrechterhalten zu können.
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b) Das Landesarbeitsgericht wird bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen haben, die zwar nicht bei der Beklagten selbst, wohl aber bei einem derjenigen Konzernunternehmen bestehen, die - oder deren Rechtsvorgänger - ebenfalls Parteien des am 12. November 2008 vereinbarten Interessenausgleichs waren.
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aa) Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise kann eine solche Pflicht jedoch bestehen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27 mwN, ZIP 2013, 330; grundlegend: 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - BAGE 41, 72). Dies gilt etwa dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27, aaO). Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat. Die Entscheidung über sie darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder nur faktisch besteht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - aaO; 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).
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bb) Im Streitfall erstreckt sich die Pflicht der Beklagten, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb ihres Unternehmens zu suchen, jedenfalls auf diejenigen Konzernunternehmen, welche - ggf. in Person eines Rechtsvorgängers - Parteien des Interessenausgleichs vom 12. November 2008 sind. Dort haben sich die beteiligten Unternehmen verpflichtet, in jedem Einzelfall vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu überprüfen, „ob unter Berücksichtigung der Anforderungsprofile vorhandener, freier Arbeitsplätze sowie zumutbarer Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bestehen …“. Als „das Unternehmen“ sind nach der Bezeichnung der Parteien im Interessenausgleich die beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit anzusehen.
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2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, dass er zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO). Dass dies - wie die Beklagte meint - für einen „großen“ Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, vermag daran nichts zu ändern. Die höhere Darlegungslast ist die Folge des höheren tariflichen Bestandsschutzes.
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IV. Die Zurückverweisung umfasst auch den Weiterbeschäftigungsantrag.
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V. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
-
Kreft
Berger
Rinck
Krichel
Nielebock
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
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1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. Oktober 2011 - 17 Sa 1012/11 - aufgehoben.
-
2. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2011 - 12 Ca 1656/11 - wird zurückgewiesen.
-
3. Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe der tariflichen Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2009.
-
Die Klägerin war bei dem beklagten Land als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft zunächst befristet vom 31. Oktober 2008 bis zum 16. August 2009 und sodann aufgrund eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags vom 31. August 2009 bis zum 27. August 2010 beschäftigt. Jedenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. § 20 TV-L lautet auszugsweise:
-
„§ 20
Jahressonderzahlung
(1)
Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.
(2)
Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten in den Entgeltgruppen
Tarifgebiet West
Tarifgebiet Ost
…
E 9 bis E 11
80 v. H.
…
…
der Bemessungsgrundlage nach Absatz 3. …
(3)
Bemessungsgrundlage im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 ist das monatliche Entgelt, dass den Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlt wird; unberücksichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Mehrarbeits- oder Überstunden), Leistungszulagen, Leistungs- und Erfolgsprämien. Der Bemessungssatz bestimmt sich nach der Entgeltgruppe am 1. September. Bei Beschäftigten deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat, tritt an die Stelle des Bemessungszeitraums der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses; anstelle des Bemessungssatzes der Entgeltgruppe am 1. September tritt die Entgeltgruppe des Einstellungstages. …
(4)
Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben. Die Verminderung unterbleibt für Kalendermonate, …“
- 3
-
Die Klägerin war in Entgeltgruppe 11 eingruppiert. Das beklagte Land zahlte für das Kalenderjahr 2009 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 640,16 Euro brutto auf der Basis einer Beschäftigungszeit vom 31. August 2009 bis zum 31. Dezember 2009.
- 4
-
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe eine ungekürzte tarifliche Jahressonderzahlung zu. Bei der Berechnung seien auch die im Jahr 2009 zurückgelegten Beschäftigungszeiten des ersten befristeten Arbeitsvertrags zu berücksichtigen. Für die Annahme, „Anspruch auf Entgelt“ iSd. § 20 Abs. 4 Satz 1 TV-L betreffe ausschließlich das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis, gebe es keine Anhaltspunkte. Legte man § 20 Abs. 4 TV-L in diesem Sinne aus, verstieße die Vorschrift zudem gegen das Verbot der Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer.
-
Die Klägerin hat beantragt,
-
das beklagte Land zu verurteilen, an sie 664,94 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.
- 6
-
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Jahressonderzahlung sei nur das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen. Nach allgemeinen Grundsätzen wirkten sich die in einem früheren Arbeitsverhältnis erworbenen Rechte nicht automatisch in einem späteren Arbeitsverhältnis aus. Wenn dies ausnahmsweise doch einmal der Fall sein solle, bedürfe es einer ausdrücklichen entsprechenden Regelung, die in § 20 TV-L fehle. Ein früheres Arbeitsverhältnis könnte nur berücksichtigt werden, wenn sich das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis unmittelbar angeschlossen hätte. Dies folge auch aus den Tarifverträgen für Auszubildende der Länder. Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L Pflege, § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L BBiG werde im Falle des Übertritts eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber für die Zeit im Ausbildungsverhältnis nur dann eine Jahressonderzahlung geleistet, wenn der Übertritt in das Arbeitsverhältnis in unmittelbarem Anschluss erfolge. Diese Wertentscheidung der Tarifvertragsparteien sei auch im Rahmen des § 20 Abs. 4 TV-L zu berücksichtigen.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die zulässige Revision ist begründet. Die Klägerin hat gegenüber dem beklagten Land gemäß § 20 TV-L Anspruch auf eine weitere Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 iHv. 664,94 Euro brutto.
- 9
-
I. Die Klägerin hat gemäß § 20 Abs. 1 TV-L dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2009, weil sie am 1. Dezember 2009 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land stand. Hiervon gehen die Parteien übereinstimmend aus. Die Berechnung des Anspruchs erfolgt nach § 20 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L. Eine Verminderung nach § 20 Abs. 4 TV-L darf nur für solche Monate erfolgen, in denen kein Entgeltanspruch oder Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TV-L bestand und keine Ausnahme iSd. § 20 Abs. 4 Satz 2 TV-L vorlag. „Entgelt“ iSd. § 20 Abs. 4 Satz 1 TV-L ist dabei auch das Entgelt aus einem früheren Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber(ebenso Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Oktober 2012 Teil II § 20 Rn. 126 ff.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand November 2012 E § 20 TVöD/TV-L Rn. 54; Schwill in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TV-L Stand April 2012 Bd. I § 20 Rn. 28d; aA Sponer/Steinherr TV-L Stand November 2012 (Geyer) Ordner 2 § 20 Rn. 78 ff.). Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm.
- 10
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1. Bereits der Wortlaut der Tarifbestimmungen, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 26. September 2012 - 10 AZR 330/11 - Rn. 12, ZTR 2012, 713; 16. November 2011 - 10 AZR 549/10 - Rn. 9, AP TVöD § 20 Nr. 2), spricht deutlich für ein solches Verständnis. Der Wortlaut der Tarifnorm setzt für eine Kürzung voraus, dass kein „Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts“ besteht. Dabei lässt sich dem Wortlaut entnehmen, dass sich der Anspruch auf Entgelt gegen denselben Schuldner richten muss, der auch Schuldner der Jahressonderzahlung ist. Der „Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3“, auf den in § 20 Abs. 4 TV-L Bezug genommen wird, richtet sich gegen den Arbeitgeber, mit dem am 1. Dezember ein Arbeitsverhältnis besteht. Die ebenfalls in § 20 Abs. 4 TV-L genannten Ansprüche „auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts“ werden durch die Norm keiner anderen Rechtsbeziehung zugeordnet. Es wäre überraschend, wenn in § 20 Abs. 4 TV-L andere Anspruchsgegner gemeint wären als der Arbeitgeber, der Schuldner der Jahressonderzahlung ist(BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 488/11 - Rn. 16, ZTR 2012, 582).
- 11
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Dem Wortlaut der Tarifnorm lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass nur Ansprüche aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber anspruchserhaltend wirken. Vielmehr lässt sich jeder gegen den Arbeitgeber des zum Stichtag bestehenden Arbeitsverhältnisses gerichtete Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts im Kalenderjahr hierunter fassen. Die Norm unterscheidet nicht danach, ob dieser Anspruch aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis resultiert oder seine Grundlage in einem früheren Arbeitsverhältnis der Parteien im Kalenderjahr findet. Hätten die Tarifvertragsparteien nur Ansprüche aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis berücksichtigen und Ansprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen zu demselben Arbeitgeber ausschließen wollen, hätte es nahegelegen, dies in der Tarifnorm klarzustellen, zB durch den Zusatz „aus dem Arbeitsverhältnis nach Abs. 1“ (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 20 TVöD/TV-L Rn. 54 ). Der Wortlaut des § 20 Abs. 4 TV-L unterscheidet auch nicht danach, ob zwischen dem früheren und dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis eine Unterbrechung lag. Entgeltansprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen, an die sich das gegenwärtige Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar angeschlossen hat, werden ebenfalls vom Wortlaut des § 20 Abs. 4 TV-L erfasst.
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2. Gesamtzusammenhang und Systematik der tariflichen Regelung stehen diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen.
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a) Soweit Beschäftigungszeiten aus einem früheren Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber im gegenwärtigen Arbeitsverhältnis von Bedeutung sein sollen, wird dies im TV-L jeweils angeordnet (§ 34 Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3, § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L). Eine solche Anordnung enthält auch § 20 Abs. 4 Satz 1 TV-L, denn nach dem Wortlaut der Tarifnorm sind nicht nur Ansprüche aus dem gegenwärtigen, sondern auch Ansprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen zu demselben Arbeitgeber zu berücksichtigen.
- 14
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Eine darüber hinausgehende ausdrückliche Anordnung der Berücksichtigung früherer Arbeitsverhältnisse, wie sie in § 34 Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3, § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L erfolgt ist, war im Rahmen des § 20 Abs. 4 TV-L nicht geboten. In jenen Vorschriften ist die ausdrückliche Einbeziehung früherer Arbeitsverhältnisse erforderlich, weil sich die maßgeblichen Tarifnormen ansonsten nur auf das gegenwärtige Arbeitsverhältnis beziehen würden. So würde ohne die spezifischen Regelungen in § 34 Abs. 3 TV-L bei der Berechnung der Kündigungsfrist nur das gegenwärtige Arbeitsverhältnis berücksichtigt, weil § 34 Abs. 1 Satz 1 TV-L auf den „Beginn des Arbeitsverhältnisses“ abstellt. Ebenso würden ohne die ausdrückliche Anordnung in § 30 Abs. 5 Satz 3 TV-L bei der Berechnung der Kündigungsfrist im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse frühere, zeitlich nicht unmittelbar mit dem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis verbundene Arbeitsverhältnisse nicht berücksichtigt, weil § 30 Abs. 5 Satz 2 TV-L auf die Beschäftigungszeit „in einem oder mehreren aneinander gereihten Arbeitsverhältnissen bei demselben Arbeitgeber“ abstellt. Ohne die ausdrückliche Anordnung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L würde(vorbehaltlich der allgemeinen Ermessensvorschrift in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L) die in einem früheren Arbeitsverhältnis erworbene Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung nicht berücksichtigt, weil § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-L als Grundsatz die Zuordnung zur ersten Stufe anordnet.
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Eine vergleichbare Situation besteht im Rahmen des § 20 TV-L nicht. Hier werden Entgeltansprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen bereits nach dem Wortlaut des Absatzes 4 Satz 1 der Vorschrift erfasst; die Kürzungsregelung greift nur für solche Monate, in denen keinerlei Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber besteht.
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b) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Bestimmungen über die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 20 Abs. 3 TV-L.
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§ 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L bestimmt, dass bei Beschäftigten, „deren Arbeitsverhältnis“ nach dem 31. August begonnen hat, an die Stelle des Bemessungszeitraums nach Satz 1 der erste volle Kalendermonat „des Arbeitsverhältnisses“ tritt. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass „Entgelt“ iSd. § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L nur das Entgelt aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis ist; ansonsten hätte es möglicherweise nähergelegen, in § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L nicht auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses, sondern darauf abzustellen, ob der Beschäftigte - auf welcher Grundlage auch immer - im Juli und August Entgelt erhalten hat. Gegen diese Annahme spricht allerdings, dass sich dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L eine Beschränkung auf Entgelt aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis nicht entnehmen lässt. Auch die Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 TV-L enthält keinen Hinweis auf einen solchen Willen der Tarifvertragsparteien. Dort werden für die Berechnung nach Satz 1 vielmehr Umstände wie eine Änderung des Beschäftigungsumfangs und eine nicht durchgehende Gewährung von Entgelt berücksichtigt, die gerade auch bei einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Bemessungszeitraum eintreten können. § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L ordnet damit die Heranziehung einer besonderen Bemessungsgrundlage in den Fällen an, in denen das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis erst nach dem 31. August begonnen hat. Dies führt im Übrigen zu einer stärkeren Orientierung der Höhe der Leistung am letzten Arbeitsverhältnis, steht jedoch einer Berücksichtigung von Entgeltansprüchen aus früheren Arbeitsverhältnissen im Rahmen des § 20 Abs. 4 TV-L nicht entgegen.
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c) § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L Pflege und § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L BBiG lässt sich entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Landes nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, dass ein früheres Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber bei der Berechnung der Jahressonderzahlung nur zu berücksichtigen sei, wenn zwischen ihm und dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis keine Unterbrechung lag. Diese nur auf Ausbildungsverhältnisse anwendbaren Tarifnormen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 TVA-L Pflege, § 1 Abs. 1 Satz 1 TVA-L BBiG)stellen Sonderregelungen für den Übertritt von einem Ausbildungs- in ein Arbeitsverhältnis dar. Für die Auslegung des § 20 Abs. 4 TV-L sind sie nur von geringer Aussagekraft. Selbst wenn man sie aber vergleichend heranzieht, spricht der Umstand, dass § 20 Abs. 4 TV-L gerade keine vergleichbare Einschränkung auf unmittelbar aneinandergereihte Arbeitsverhältnisse enthält, eher gegen die Annahme, dass eine solche Einschränkung beabsichtigt war.
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3. Das Auslegungsergebnis entspricht dem Sinn und Zweck der Jahressonderzahlung und führt zu einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung.
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a) Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L stellt eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dar und hat Vergütungscharakter(BAG 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 28, ZTR 2011, 150;Sponer/Steinherr § 20 Rn. 138; zu § 44 TVöD BT-S: BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 - Rn. 17, EzA ZPO 2002 § 850a Nr. 2). Dies zeigt die Kürzungsvorschrift des § 20 Abs. 4 TV-L. Hat ein Arbeitnehmer ganzjährig keinen Anspruch auf Entgelt, erhält er, sofern nicht die Ausnahmen des § 20 Abs. 4 Satz 2 TV-L greifen, keine Jahressonderzahlung. Gleichzeitig wird mit der Jahressonderzahlung Betriebstreue honoriert (vgl. zu § 44 TVöD BT-S: BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 - Rn. 18, aaO). Dies belegt die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TV-L, die einen Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember verlangt. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter durch die Jahressonderzahlung auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motiviert werden (Sponer/Steinherr § 20 Rn. 80; vgl. zu diesem Motivationsgedanken auch: BAG 23. Mai 2007 - 10 AZR 363/06 - Rn. 27, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 24; 8. März 1995 - 10 AZR 208/94 - zu I 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131; 26. Oktober 1994 - 10 AZR 109/93 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 167 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 115).
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b) Dem Vergütungscharakter der Jahressonderzahlung entspricht es, einem Arbeitnehmer eine anteilige Jahressonderzahlung auch für die Kalendermonate zu gewähren, in denen er auf der Grundlage eines früheren Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber gearbeitet hat. Denn auch hier hat er zugunsten des Arbeitgebers im Kalenderjahr Arbeitsleistungen erbracht, die durch die Jahressonderzahlung entlohnt werden können (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 28, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 37, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3; 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 21, BAGE 137, 300).
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Die Berücksichtigung vorangegangener Arbeitsverhältnisse führt nicht dazu, dass die Beschäftigten stets eine ungekürzte Jahressonderzahlung verlangen könnten. Vielmehr wird der Anspruch für jeden Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestand und der Arbeitnehmer deshalb keinen Anspruch auf Entgelt hatte, gemäß § 20 Abs. 4 TV-L um ein Zwölftel gekürzt. Auch bei Berücksichtigung früherer Arbeitsverhältnisse erhält der Arbeitnehmer also nur für die Kalendermonate eine anteilige Jahressonderzahlung, in denen ein Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber bestand.
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Die Berücksichtigung früherer Arbeitsverhältnisse steht auch mit den weiteren mit der Jahressonderzahlung verfolgten Zwecken im Einklang. Besteht am 1. Dezember wieder ein Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitnehmer die von § 20 Abs. 1 TV-L geforderte Betriebstreue gezeigt. Im Gegensatz zur Vorgängerregelung (§ 1 Abs. 1 des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973, zuletzt geändert durch den Tarifvertrag zur Änderung der Zuwendungstarifverträge vom 31. Januar 2003, im Folgenden: TV Zuwendung), nach der der Arbeitnehmer entweder seit dem 1. Oktober ununterbrochen im öffentlichen Dienst oder im laufenden Kalenderjahr mindestens sechs Monate im Arbeitsverhältnis gestanden haben musste, ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses während eines bestimmten Zeitraums nach § 20 TV-L keine Voraussetzung für die Gewährung der Jahressonderzahlung. Schließlich kann die Jahressonderzahlung auch Arbeitnehmer, deren Beschäftigung während des Kalenderjahres unterbrochen war, für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motivieren, da sie sich zum Stichtag in einem Arbeitsverhältnis befinden.
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4. Die Tarifgeschichte steht nicht entgegen. Im Unterschied zu § 20 Abs. 4 TV-L knüpfte § 2 Abs. 2 Satz 1 TV Zuwendung die Zwölftelung zwar noch daran, dass der Arbeitnehmer nicht während des ganzen Kalenderjahres „Bezüge von demselben Arbeitgeber“ erhalten hatte. Daher waren auch Zeiten zu berücksichtigen, die der Beschäftigte während des Kalenderjahres bei demselben Arbeitgeber in einem früheren Arbeitsverhältnis zurückgelegt hatte (BAG 26. Mai 1982 - 5 AZR 58/80 - BAGE 39, 98). Der Umstand, dass § 20 Abs. 4 TV-L keinen vergleichbaren Zusatz enthält, spricht jedoch nicht gegen die Annahme, auch im Rahmen der Neuregelung seien frühere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber zu berücksichtigen. In der Vorgängerregelung war der Zusatz im Kontext der Einbeziehung sämtlicher in § 1 Abs. 1 Nr. 2 TV Zuwendung aufgezählten Rechtsverhältnisse „im öffentlichen Dienst“ erforderlich, um Rechtsverhältnisse zu anderen Arbeitgebern auszuschließen. Da § 20 Abs. 4 TV-L von vornherein nur Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber erfasst(vgl. BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 488/11 - ZTR 2012, 582), bedurfte es eines solchen Zusatzes in der Neuregelung nicht mehr ( Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 20 TVöD/TV-L Rn. 54 ).
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II. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das beklagte Land den Anspruch der Klägerin auf die tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 nicht vollständig erfüllt. Der Klägerin steht noch ein Differenzanspruch in unstreitiger Höhe von 664,94 Euro brutto zu.
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1. Eine Kürzung nach § 20 Abs. 4 TV-L durfte nicht erfolgen, da die Klägerin im Jahr 2009 in jedem Kalendermonat einen Anspruch auf Entgelt gegen das beklagte Land hatte. Die Entgeltansprüche der Klägerin aus dem früheren, bis zum 16. August 2009 befristeten Arbeitsvertrag sind zu berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht für den gesamten Monat August 2009 einen Entgeltanspruch hatte. § 20 Abs. 4 TV-L stellt nicht auf volle Kalendermonate ab. Die Jahressonderzahlung wird für jeden Monat gezahlt, in dem mindestens für einen Tag ein Entgeltanspruch besteht (allgM: Schwill in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr § 20 Rn. 28a; Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Oktober 2012 Ordner 2 § 20 Rn. 36; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 20 Rn. 115; Sponer/Steinherr § 20 Rn. 75). Das war auch im August 2009 der Fall.
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2. Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L ist gewahrt.
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3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 20 Abs. 5 Satz 1, § 24 Abs. 1 Satz 2 TV-L.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Schürmann
Fieback
(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn
- 1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, - 2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt, - 3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann, - 4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder - 5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.
(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.
(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn
- 1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder - 2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder - 3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.
(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.
(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2011 - 5 Sa 373/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. März 2010 - 2 Ca 1680/08 - zurückgewiesen hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der mit der ursprünglichen Beklagten zu 2. wegen eines Rückkehranspruchs geführte Rechtsstreit ist rechtskräftig zulasten des Klägers abgeschlossen.
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Der Kläger war bei der Beklagten zu 1. (im Folgenden: Beklagte) und deren Rechtsvorgängerinnen seit 1999 unter Anrechnung der Zeit eines seit 1974 bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Er war zuletzt als Disponent tätig. Sein Einsatz erfolgte am Standort T.
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Die Beklagte gehört einem Konzern an. Bei den ihm zugehörigen Unternehmen waren im Jahr 2008 über 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 720 - unter ihnen der Kläger - im Bereich „Technical Operations/Netzinfrastruktur“. 45 % der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer waren - wie der Kläger - tariflich nicht mehr ordentlich kündbar. Der Konzern ist in sechs Regionen aufgeteilt. Auf der Grundlage eines zwischen der Gewerkschaft ver.di auf der einen und drei Konzernunternehmen - darunter die Rechtsvorgängerin der Beklagten - auf der anderen Seite geschlossenen Zuordnungstarifvertrags ist in jeder Region ein einheitlicher, unternehmensübergreifender Betriebsrat gebildet.
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Im Jahr 2008 beschloss die Beklagte, die Aufgaben der Servicetechniker zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 1. Juli 2009 nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Dies führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze, so auch sämtlicher Disponentenstellen am Standort T. Dazu vereinbarten die drei Gesellschaften am 12. November 2008 mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan.
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Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Beklagte nach Anhörung des zuständigen Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Juli 2009.
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Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem wichtigen Grund. Die Beklagte habe die Arbeiten nicht an Dritte vergeben dürfen, weil hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl ordentlich unkündbarer Mitarbeiter weggefallen seien. Er sei überdies ohne längere Einarbeitungszeit im Bereich „Planung“ und als Serviceteam-Manager einsetzbar. Im Übrigen habe die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
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Der Kläger hat, soweit noch von Belang, beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 nicht beendet worden ist;
2.
für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Disponent weiterzubeschäftigen.
- 8
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Mit den betreffenden Dienstleistungen externe Anbieter zu betrauen, sei um 50 % günstiger als sie mit eigenen Arbeitnehmern auszuführen. Ihre Maßnahme sei auch mit Blick auf den hohen Anteil davon betroffener ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer nicht willkürlich. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten habe es nicht gegeben. Der Kläger könne nicht als Planer eingesetzt werden. Die damit verbundenen Aufgaben könne er auch nach mehr als einem Jahr Einarbeitungszeit nicht erfüllen. Bei den Stellen der Serviceteam-Manager handele es sich um Beförderungsstellen.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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I. Die außerordentliche Kündigung vom 9. Dezember 2008 erweist sich aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.
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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
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a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
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b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in diesem Fall zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN).
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c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben.
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aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).
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bb) Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe, AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14; Kiel NZA Beil. 1/2005, 18, 22). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (HaKo-Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 749; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; ders., NZA Beil. 1/2005, 18, 22; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127).
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cc) Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen gewährleistete Schutz der betroffenen Arbeitnehmer steht dem nicht entgegen. Die Berufswahlfreiheit iSv. Art. 12 Abs. 1 GG bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 - NZA 1998, 587; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171; BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165).
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2. In Anwendung dieser Grundsätze durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es liege bereits deshalb kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, weil die Beklagte wegen des hohen Anteils ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer die Fremdvergabe der Tätigkeiten hätte unterlassen müssen. Die von ihr getroffene Organisationsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an Dritte zu vergeben, sei erforderlich gewesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der „Einkauf“ der betreffenden Dienstleistungen bei externen Anbietern sei um 50 % günstiger als die Durchführung der Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern.
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b) Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist vom Grundrecht des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, diesem eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).
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c) Die Entscheidung der Beklagten verstößt nicht gegen die Regelung des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer in § 24 MTV Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG vom 8. August 2002.
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aa) Nach dem Vorbringen beider Parteien findet diese Bestimmung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Zwar hat das Landesarbeitsgericht insoweit keine bindenden Feststellungen getroffen. Ihre Anwendbarkeit - oder die einer gleichlautenden tariflichen Regelung - kann aber zugunsten des Klägers unterstellt werden.
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bb) Die Vorschrift beschränkt die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gegenüber den geschützten Arbeitnehmern zwar auf Fälle, in denen ein „wichtiger Grund“ gegeben ist. Darin liegt aber kein Verbot der Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz schränkt nicht die Freiheit des Unternehmers ein, Umstrukturierungen vorzunehmen, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist, sondern erhöht die Anforderungen an seine Bemühungen, gleichwohl die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn von der unternehmerischen Maßnahme ein hoher Prozentsatz ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist. Auch in diesem Fall ist nicht schon die unternehmerische Maßnahme als solche (tariflich) ausgeschlossen.
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cc) Die entgegenstehende Ansicht des Landesarbeitsgerichts entbehrt der verfassungsrechtlichen und tariflichen Grundlage. Art. 12 Abs. 1 GG verlangt den Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Wird er tariflich vereinbart, lassen sich seine Rechtsfolgen deshalb nicht anhand von Art. 12 Abs. 1 GG bestimmen. Die Regelung in § 24 MTV selbst unterscheidet nicht danach, ob einem einzelnen, einigen wenigen oder einer Vielzahl von sondergeschützten Arbeitnehmern gekündigt werden soll. In allen Fällen ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, in keinem Fall ist schon die sie auslösende unternehmerisch-organisatorische Maßnahme als solche tariflich ausgeschlossen.
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d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu den Anforderungen an eine Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltreduzierung. Der vom Landesarbeitsgericht angesprochene vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht auf die Fälle außerordentlicher betriebsbedingter Beendigungskündigungen aus Anlass von Restrukturierungsmaßnahmen beschränkt. Er wäre auch dann nicht aufgehoben, wenn nur ordentliche Beendigungskündigungen „leichter“ möglich wären als funktional äquivalente Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung (für die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen, die daraus gezogen werden, vgl. einerseits Kühling AuR 2003, 92; Stein AuR 2003, 99, andererseits Reuter RdA 2004, 161). Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist auch eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung möglich (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 34, BAGE 132, 78). Diese Erfordernisse sind vom Arbeitgeber freilich schlüssig und substantiiert darzulegen. Sie sind etwa mit der bloßen Behauptung, eine wirtschaftliche Analyse habe ergeben, eine Entgeltabsenkung sei unabweisbar, nicht hinreichend dargetan. Einem solchen - unzureichenden - Vortrag entspräche bei der Beendigungskündigung das Vorbringen, der Arbeitgeber habe sich, da unabweisbar nötig, entschlossen, bestehende Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Ein solcher Vortrag wäre gleichermaßen unzureichend. Sowohl Änderungs- als auch Beendigungskündigungen bedürfen der Rechtfertigung durch „betriebliche“ Erfordernisse, dh. durch Erfordernisse außerhalb ihrer selbst. Dass die substantiierte Darlegung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund des Entschlusses zur Betriebs(teil)schließung eine weniger komplexe Erläuterung erfordern mag als die Darlegung eines betrieblichen Erfordernisses zur Lohnabsenkung bei Fortbestand des Beschäftigungsbedürfnisses und gleicher Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, ist den objektiven Umständen und Unterschieden und nicht prinzipiell anderen Anforderungen an das Arbeitgebervorbringen geschuldet.
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II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
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1. Die Kündigung ist nicht wegen Nichteinhaltens der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die - von der Beklagten behauptete - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist beginnt deshalb stets von Neuem (vgl. BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).
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2. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 1, 2 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den zuständigen Betriebsrat angehört und ihm die Gründe für die Kündigung mitgeteilt.
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a) An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung der Kündigungsgründe im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20).
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b) Im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG gilt eine abgestufte Darlegungslast(BAG 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 28; 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12). Zunächst hat der Arbeitgeber auf einen entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers hin im Einzelnen und nachvollziehbar darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Sodann obliegt es dem Arbeitnehmer vorzutragen, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält.
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c) Danach ist die Betriebsratsanhörung im Streitfall wirksam erfolgt. Die Beklagte hat unter Vorlage des Anhörungsschreibens schlüssig vorgetragen, den zuständigen Betriebsrat Anfang Dezember 2008 zur beabsichtigten Kündigung angehört zu haben. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, inwieweit die Betriebsratsanhörung gleichwohl unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sein soll. Einen solchen Vortrag hat er nicht gehalten.
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III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nach Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung noch möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
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1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist.
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a) Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er zunächst von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
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aa) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der besondere Kündigungsschutz des Klägers aus § 24 des zwischen der Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG und ver.di am 8. August 2002 abgeschlossenen Manteltarifvertrags ergibt. Allerdings ist nicht erkennbar, ob dessen Anwendbarkeit auf beiderseitiger Tarifgebundenheit oder einzelvertraglicher Inbezugnahme beruht. Eine beiderseitige Tarifgebundenheit ist nicht festgestellt. Eine vertragliche Bezugnahme ist zwar in § 2 des „Vertrags zur Änderung des Arbeitsvertrages“ vom 31. Mai/19. Juni 2000 enthalten. Danach unterliegt das Arbeitsverhältnis „den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung“. Es steht bislang aber nicht fest, dass dazu der genannte Tarifvertrag zählt. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
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bb) Sollte auf das Arbeitsverhältnis die von den Parteien für anwendbar gehaltene tarifliche Bestimmung oder doch eine ihr entsprechende Regelung anzuwenden sein, wäre darin beim Wegfall der Möglichkeit einer Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung vorgesehen. Dies hätte zur Folge, dass eine außerordentliche Beendigungskündigung gegenüber dem Kläger nur in Betracht kommt, wenn selbst eine ordentliche, nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebundene Änderungskündigung ausscheidet, um das Arbeitsverhältnis als solches zu beiderseits zumutbaren anderen Bedingungen aufrechterhalten zu können.
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b) Das Landesarbeitsgericht wird bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen haben, die zwar nicht bei der Beklagten selbst, wohl aber bei einem derjenigen Konzernunternehmen bestehen, die - oder deren Rechtsvorgänger - ebenfalls Parteien des am 12. November 2008 vereinbarten Interessenausgleichs waren.
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aa) Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise kann eine solche Pflicht jedoch bestehen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27 mwN, ZIP 2013, 330; grundlegend: 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - BAGE 41, 72). Dies gilt etwa dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27, aaO). Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat. Die Entscheidung über sie darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder nur faktisch besteht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - aaO; 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).
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bb) Im Streitfall erstreckt sich die Pflicht der Beklagten, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb ihres Unternehmens zu suchen, jedenfalls auf diejenigen Konzernunternehmen, welche - ggf. in Person eines Rechtsvorgängers - Parteien des Interessenausgleichs vom 12. November 2008 sind. Dort haben sich die beteiligten Unternehmen verpflichtet, in jedem Einzelfall vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu überprüfen, „ob unter Berücksichtigung der Anforderungsprofile vorhandener, freier Arbeitsplätze sowie zumutbarer Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bestehen …“. Als „das Unternehmen“ sind nach der Bezeichnung der Parteien im Interessenausgleich die beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit anzusehen.
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2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, dass er zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO). Dass dies - wie die Beklagte meint - für einen „großen“ Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, vermag daran nichts zu ändern. Die höhere Darlegungslast ist die Folge des höheren tariflichen Bestandsschutzes.
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IV. Die Zurückverweisung umfasst auch den Weiterbeschäftigungsantrag.
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V. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
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Kreft
Berger
Rinck
Krichel
Nielebock
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 2. November 2010 - 5 Sa 105/10 - teilweise aufgehoben.
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2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 8. Februar 2010 - 5 Ca 966/09 - wird insgesamt zurückgewiesen.
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3. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch eine - nach Umdeutung durch das Landesarbeitsgericht - ordentliche Kündigung der Beklagten.
- 2
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Der Kläger war bei der Beklagten seit August 1995 als Lagerarbeiter und Staplerfahrer beschäftigt. Er war Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats. Nach dessen Zustimmung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 28. April 2009 fristlos, da er seine Arbeit unter Alkoholeinfluss aufgenommen habe. Mit Schreiben vom 30. April 2009 kündigte sie - ebenfalls mit Zustimmung des Betriebsrats - erneut fristlos wegen eines entsprechenden Verdachts.
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Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 28. und 30. April 2009 nicht aufgelöst worden ist;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als „Lagerarbeiter“ weiterzubeschäftigen.
- 4
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung vom 28. April 2009 für wirksam gehalten. Der Kläger sei wiederholt unter Alkoholeinfluss zur Arbeit erschienen. Jedenfalls die Kündigung vom 30. April 2009 sei wegen eines entsprechenden Verdachts gerechtfertigt.
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Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentlichen Kündigungen vom 28. und 30. April 2009 nicht beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 6
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Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es Gegenstand der Revision ist, und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die - unwirksame - außerordentliche Kündigung vom 30. April 2009 könne in eine ordentliche Kündigung zum 30. September 2009 umgedeutet werden.
- 7
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I. Gegenstand der Revision ist das Berufungsurteil insoweit, wie es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen hat. Dies betrifft den Kündigungsschutzantrag, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. April 2009 mit Ablauf des 30. September 2009 beendet worden und es die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 28. April 2009 hat dahinstehen lassen, sowie den Weiterbeschäftigungsantrag. Im Übrigen, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentlichen fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 28. und 30. April 2009 beendet worden, ist die Entscheidung rechtskräftig.
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II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht mit dem 30. September 2009 geendet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist eine Umdeutung der außerordentlichen fristlosen (Verdachts-)Kündigung vom 30. April 2009 gem. § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung nicht möglich. Gegenüber dem Kläger als Betriebsratsmitglied ist gem. § 15 KSchG sowohl eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist aus Gründen in seinem Verhalten ausgeschlossen.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für die außerordentlichen Kündigungen vom 28. und 30. April 2009 habe ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB nicht vorgelegen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei jedoch durch ordentliche Kündigung vom 30. April 2009 mit Ablauf der Kündigungsfrist zu Ende September 2009 beendet worden. Die außerordentliche (Verdachts-) Kündigung vom 30. April 2009 sei gem. § 140 BGB in eine aus verhaltensbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung umzudeuten. Dem stehe § 15 Abs. 1 KSchG nicht entgegen.
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2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Voraussetzung ist damit das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 18, BAGE 125, 267).
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b) Eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gem. § 15 KSchG gegenüber dem geschützten Personenkreis unzulässig(BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 27 ff., BAGE 125, 267). Kommt eine Vertragspflichtverletzung in Betracht, ist für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen, auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen. Ist eine Beschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung unwirksam. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist ist gegenüber dem durch § 15 KSchG geschützten Personenkreis ausgeschlossen(BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 25 ff., BAGE 125, 267). Ebenso ist eine vom Landesarbeitsgericht nach Umdeutung für möglich gehaltene ordentliche Kündigung gegenüber dem nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis unzulässig.
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aa) Die Zulassung einer auf Gründe im Verhalten gestützten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist und erst recht die Zulassung einer ordentlichen Kündigung gegenüber dem nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis kommt nicht in Betracht. Sie würde die kündigungsrechtlichen Grenzen zwischen den kündbaren und den geschützten Arbeitnehmern verwischen. Sie führte in Fällen, in denen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwar bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist, nicht aber bis zum Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes zumutbar ist, zur Zulässigkeit einer Kündigung, die im Ergebnis der - ausgeschlossenen - ordentlichen Kündigung gleichkäme. Sie stellte damit für diese Fallgruppe das unkündbare Mitglied des Betriebsrats mit dem kündbaren Arbeitnehmer gleich. Sinn des Gesetzes ist es dagegen, das Betriebsratsmitglied mit Rücksicht auf seine besondere Stellung - abgesehen von den Fällen des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG - von der Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung auszunehmen. Bei Zulassung einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist oder ordentlichen Kündigung würde sich deshalb gerade die Gefahr realisieren, der der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 15 KSchG begegnen wollte(BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 28, BAGE 125, 267; vgl. auch Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist S. 45; im Ergebnis ebenso KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 133; APS/Linck 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 129a; Eylert/Sänger RdA 2010, 24, 28; aA: KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 22, 23; HWK/Quecke 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 43). Die durch § 15 KSchG bezweckte Sicherung der Unabhängigkeit der Mandatsträger und der Kontinuität der Betriebsratsarbeit erfordert bei verhaltensbedingten Kündigungen den vollen Schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG(vgl. APS/Linck aaO). § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt das Vorliegen von Gründen, die zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Dies schließt es aus, bei der Zumutbarkeitsprüfung einen anderen Maßstab anzulegen und statt auf die Dauer der Kündigungsfrist auf die voraussichtlich verbleibende Amtszeit des Betriebsratsmitglieds (nebst Nachwirkungszeitraum) abzustellen (so aber KR/Etzel aaO; HWK/Quecke aaO).
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bb) Soweit der Senat die Zulässigkeit einer Änderungskündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern bejaht hat (vgl. BAG 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - BAGE 80, 185), ist diese Konstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Das Gesetz zeigt in § 15 Abs. 4 und Abs. 5 KSchG, dass der Sonderkündigungsschutz im Falle betriebsbedingter Umstände von vornherein eingeschränkt ist. Das beruht darauf, dass das Betriebsratsmitglied von solchen Umständen nicht allein und nur als solches betroffen ist. Dagegen realisiert sich bei verhaltensbedingten Kündigungen nicht das - letztlich alle Betriebsangehörigen gleich treffende - Betriebsrisiko, sondern es verwirklichen sich auf die einzelne Person bezogene Gefährdungen des Vertragsverhältnisses (BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 29, BAGE 125, 267).
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cc) Der vom Landesarbeitsgericht angestellte Vergleich mit Arbeitnehmern, die aus anderen Gründen ordentlich unkündbar sind, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
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(1) Zwar hat es der Senat für möglich gehalten, das Arbeitsverhältnis eines aufgrund tariflicher Regelung ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers auch aus Gründen in seinem Verhalten außerordentlich - mit einer der fiktiven Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist - zu kündigen, obwohl ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht bejaht werden könnte, wäre die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen(vgl. BAG 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - zu II 5 der Gründe, BAGE 99, 331; 13. April 2000 - 2 AZR 259/99 - zu II 3 d cc der Gründe, BAGE 94, 228; 11. März 1999 - 2 AZR 427/98 - zu B II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA BGB § 626 nF Nr. 177). Unabhängig davon, ob hieran festzuhalten ist, können die dem zugrunde liegenden Erwägungen auf den nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis nicht übertragen werden.
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(2) Gegen die erwähnte Rechtsprechung bestehen Bedenken.
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(a) Eine außerordentliche Kündigung gegenüber tariflich nicht ordentlich kündbaren Personen ist zunächst beim Vorliegen betrieblicher Gründe für zulässig erachtet worden, obwohl es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen wäre, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 48, 220; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 10; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - zu B II 2 der Gründe, AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 7 = EzA SchwbG 1986 § 21 Nr. 10). Führt gerade der Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers, weil dieser den Arbeitnehmer zwar nicht mehr beschäftigen kann, aber für lange Zeit zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet bleibt, kann ausnahmsweise auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B III 2 b der Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b und d der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO). In diesem Fall ist zur Vermeidung einer Benachteiligung der durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung gerade besonders geschützten Arbeitnehmer zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B IV 1 der Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 c der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO).
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(b) Ähnlich ist die Interessenlage bei einer krankheitsbedingten Kündigung. Ist eine ordentliche Kündigung möglich, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zumutbar; eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung einzel- oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).
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(c) Anders liegen die Dinge bei einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung. Für die Reaktion auf Pflichtverstöße des Arbeitnehmers besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist insoweit nicht etwa grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr bildet die Schwere der Pflichtverletzung - unter Berücksichtigung aller sonstigen relevanten Einzelfallumstände - den Maßstab für die Prüfung, ob eine ordentliche, eine außerordentliche oder gar keine Kündigung gerechtfertigt ist (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, 37, BAGE 134, 349 ). Ist die Schwelle zum wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB überschritten, ist eine außerordentliche - fristlose - Kündigung zulässig, ohne dass es darauf ankäme, ob die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist oder nicht. Ist die Schwelle zum wichtigen Grund nicht erreicht, kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Gegenüber einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer ist diese aber ausgeschlossen. Pflichtverletzungen, die nicht zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, sollen eine (ordentliche) Kündigung gerade nicht rechtfertigen können. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob es mit dem Zweck der ordentlichen Unkündbarkeit zu vereinbaren ist, bei weniger schweren Pflichtverletzungen eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zu ermöglichen, die der ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung letztlich gleichkommt.
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(3) Im Streitfall kann dies dahinstehen. Der vom Landesarbeitsgericht angestellte Vergleich der nach § 15 KSchG geschützten Mandatsträger mit einzel- oder tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmern lässt den Zweck des Kündigungsschutzes gem. § 15 KSchG außer Acht. Durch den Sonderkündigungsschutz nach dieser Bestimmung soll vermieden werden, dass die geschützten Personen ihr (Betriebsrats-)Mandat nicht sachangemessen wahrnehmen. Zugleich soll die Zusammensetzung des betreffenden Gremiums und damit die Kontinuität der Betriebsratsarbeit gewahrt bleiben. Dies erfordert mit Blick auf Gründe im Verhalten des Mandatsträgers den vollen Schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG(vgl. APS/Linck 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 129a). Die geschützten Personen sollen mit Rücksicht auf ihre besondere Stellung von der Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung - abgesehen von den Fällen des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG - ausgenommen werden. Das schließt es aus, eine außerordentliche fristlose Kündigung aus Gründen im Verhalten des Mandatsträgers, die als solche unwirksam ist, in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist oder gar - wie das Landesarbeitsgericht im Streitfall - in eine ordentliche Kündigung umzudeuten.
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3. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit einer Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen fristlosen (Tat-)Kündigung vom 28. April 2009 - aus seiner Sicht konsequent - nicht auseinandergesetzt. Sie scheidet aus den dargelegten Gründen ebenfalls aus.
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III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.
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IV. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat gem. § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.
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Kreft
Berger
Rachor
Krichel
Pitsch
Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder teilweise für sich in Anspruch nimmt, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits berechtigt, seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem Gericht geltend zu machen, vor dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszug anhängig wurde.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.