Finanzgericht Hamburg Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 K 45/14

bei uns veröffentlicht am05.02.2015

Gründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung (oben A II 8, 10, 15) sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 FGO).

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Zu Recht hat das FA der Klägerin die Steuerbefreiung für die bestrittenen innergemeinschaftlichen Lieferungen 2004 (I), den streitigen Vorsteuerabzug 2004 (II) und die Steuerbefreiung für die bestrittenen innergemeinschaftlichen Lieferungen 2005 (III) versagt.

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I. 2004: INNERGEMEINSCHAFTLICHE LIEFERUNGEN

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Das FA hat die für 2004 bestrittenen Pkw-Lieferungen der Klägerin an die Firmen A, B und C zutreffend der Umsatzsteuer unterworfen und nicht als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß § 4 Nr. 1 Bstb. b i. V. m. § 6a UStG behandelt.

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1. VORAUSSETZUNGEN DER UMSATZSTEUER-BEFREIUNG

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a) Befreiungstatbestand

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aa) Eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung setzt eine im Inland steuerbare Lieferung voraus (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 1a UStG; Art. 28c Teil A Bstb. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG -, jetzt Art. 138 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-).

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Gegenstand der Lieferung muss ein körperlicher Gegenstand sein, der vom liefernden Unternehmer, vom Abnehmer oder von einem vom liefernden Unternehmer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 28c Teil A Bstb. a Richtlinie 77/388/EWG, Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL). Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt eine innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH-Urteil vom 27.09.2007 Rs. C-409/04 "Teleos", BStBl II 2009, 70).

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bb) Innergemeinschaftliche Lieferungen können steuerfrei sein unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 1 Bstb. b und § 6a UStG.

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Eine gemäß § 4 Nr. 1 Bstb. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

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1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

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cc) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung im Streitzeitraum auf Art. 28c Teil A Bstb. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. nunmehr entsprechend Art. 138 Abs. 1 i. V. m. Art. 131 MwStSystRL).

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Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

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b) Beleg- und Buchnachweis

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aa) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Pflichten über den Beleg- und Buchnachweis erfüllt (BFH-Urteile vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, unter II 3 b; vom 12.05.2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II B 2 b).

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Diese Nachweisvorschriften sind im Rahmen des vorgenannten Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch (oben a cc) unionsrechtskonform (ständ. Rspr.; z. B. Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2014, 1166, Juris Rz. 51; FG Nürnberg vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244 m. w. N.; BFH vom 12.05.2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511 Rz. 21 m. w. N.; vgl. EuGH vom 09.10.2014 C-492/13, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2014, 943 Rz. 27) wie auch die entsprechenden Nachweisregelungen für andere Ausfuhren (BFH-Urteil vom 28.08.2014 V R 16/14, BFHE 246, 573, BStBl II 2015, 46).

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bb) Den Belegnachweis soll der Unternehmer dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in der in den Jahren 2004 und 2005 geltenden Fassung in den Fällen führen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert,

1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten
sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

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Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an den Belegnachweis in Abholfällen ist zu berücksichtigen, dass § 17a Abs. 2 UStDV eine Sollvorschrift über die an den Nachweis nach § 17a Abs. 1 UStDV zu stellenden Anforderungen ist. Das Fehlen einer der in § 17a Abs. 2 UStDV genannten Voraussetzungen führt deshalb nicht zwangsläufig dazu, dass der Belegnachweis als nicht geführt zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 07.12.2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420).

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cc) Für den Buchnachweis nach § 17c Abs. 2 UStDV in der in den Jahren 2004 und 2005 geltenden Fassung soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;
2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei der Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;
...
9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet.

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dd) Eindeutig und leicht nachprüfbar müssen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV; vgl. Urteile Sächsisches FG vom 12.03.2014 2 K 1127/13, Mehrwertsteuerrecht -MwStR- 2014, 619, Juris Rz. 23, Rev. XI R 15/14; FG Nürnberg vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244).

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Daran fehlt es bei konkreten Zweifeln, während mündliche Ergänzungen nicht genügen (vgl. Sächsisches FG, Beschluss vom 04.03.2014 4 V 297, 13, Juris Rz. 14; Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166, Juris Rz. 55; FG München vom 21.03.2013 14 K 2542/11, Juris).

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ee) Von herausgehobener Bedeutung sind für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen wie für die Sicherstellung der Erwerbsbesteuerung diejenigen vorbezeichneten Nachweise, die sich auf den Lieferweg und den Verbleib, den Bestimmungsort und die Identität des Abnehmers sowie des Ausstellers der Empfangsbestätigung und der Versicherung über die Beförderung beziehen (vgl. Urteile FG Düsseldorf vom 14.03.2014 1 K 4566/10 U, EFG 2014, 1526; BFH vom 07.12.2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420).

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Anstelle eines fehlenden Bestimmungsort-Belegs genügt deshalb die Rechnungs- bzw. Firmensitzanschrift zumindest dann - entgegen der Auffassung der Klägerin (oben A V 1 b) - nicht, wenn der Lieferweg unklar ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; anders noch frühere Rspr. bei unstreitiger Lieferung an Unternehmenssitz, vgl. Urteile BFH vom 07.12.2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420; FG Rheinland-Pfalz vom 10.02.2005 6 K 1738/03, DStR-Entscheidungsdienst -DStRE- 2006, 1290).

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Wenn der Abholbeauftragte mit dem passenden Geldbetrag erscheint, lässt sich daraus - entgegen der Auffassung der Klägerin (oben A V 1 b) - nicht schließen, wer und wo der Auftraggeber und tatsächliche Abnehmer ist.

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ff) Bei Barverkäufen hochwertiger Pkw sind erst recht besonders hohe Anforderungen an diese Nachweispflichten zu stellen (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, unter II 2 b). Diese Nachweis-Anforderungen sind gemäß einhelliger aktueller Rechtsprechung zum Beispiel in folgenden Fällen nicht erfüllt:
- Bezüglich Abnehmer, Lieferweg und Bestimmungsort (oben ee) widersprüchliche Belege (FG München, Urteil vom 30.07.2013 2 K 155/12, Juris).
- Betreffend Identifizierung des Abholers und tatsächlichen Abnehmers widersprüchliche Belege (BFH-Urteil vom 26.11.2014 XI R 37/12, Juris).
- Unvollständige Ausweiskopie (Sächsisches FG, Urteil vom 04.03.2014 4 V 297/13, Juris).
- Unklare Unterschrift und Identität des Beauftragten (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166).
- Nicht nachgewiesene Abholer-Vollmacht (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.01.2014 2 K 1122/11, Juris).
- Fehlende datierte Empfangsbestätigung, nicht zuzuordnende Unterschrift ohne Vertretungszusatz, ohne Ausweiskopie nicht nachgewiesene Identität und Vertretungsberechtigung des Abholers (FG München, Urteil vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris).
- Mit Stempel des angeblichen Abnehmers versehene undatierte und nachträglich gefaxte Verbringungsbestätigung, nicht mit Passkopien der Abholer übereinstimmende unleserliche Unterschriften (FG München, Urteil vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris, Rev. V R 38/14).
- Mit Stempel der Empfängerin ohne oder mit Unterschrift am Ort der Verkäuferin erstellte Belege ohne Gebrauchsspuren (FG Nürnberg, Urteil vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244).
- Stempel und bloßes Kürzel unter Liste des Lieferers (FG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2014 1 K 3117/12 U, Juris, Rev. V R 14/14).
- Fehlende Nachweise des Lieferwegs und Bestimmungsorts (oben ee), der Identitäten der Abholer und des wahren Abnehmers, Ausweiskopien ohne Ortsangabe, mit Ausweis nicht übereinstimmende unleserliche Unterschriften (BFH-Beschluss vom 24.06.2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584).
- Fehlende Angaben zu Ort und Datum der Übernahme sowie zum Bestimmungsort (oben ee; FG Hamburg, Urteil vom 07.06.2013 5 K 61/10, EFG 2014, 160, Juris Rz. 64).
- Fehlender Bestimmungsort-Beleg (oben ee; BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 26/13, BFH/NV 2014, 1102).
- In Verbringungserklärung fehlender Bestimmungsort nicht durch Rechnungsanschrift ersetzbar (oben ee; FG Düsseldorf, Urteil vom 14.03.2014 1 K 4566/10 U, EFG 2014, 1527, Rev. XI R 20/14).

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gg) Kommt der Unternehmer den formellen Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen, soweit nicht der objektive Nachweis geführt wird (vgl. unten d - e; BFH-Urteile vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188; vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957).

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c) Widerlegter oder bezweifelter Beleg- und Buchnachweis

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aa) Außerdem ist die Steuerbefreiung nicht zu gewähren, wenn sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend erweisen (z. B. nachträglich unzutreffend erstellter Beleg, BFH-Urteil vom 18.07.2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616) oder wenn an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben zumindest berechtigte bzw. nicht ausgeräumte Zweifel bestehen, die der Unternehmer nicht durch objektive Nachweise ausräumen kann (unten d - e), und wenn insoweit kein Vertrauensschutz zu gewähren ist (unten f; vgl. BFH-Urteile vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, BStBl II 2011, 957; vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957).

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bb) Widerlegt oder berechtigt in Zweifel gezogen werden die vorgelegten Nachweisangaben ggfs. durch anderslautende zwischenstaatliche - etwa aufgrund Rechts- oder Amtshilfe erlangte - Auskünfte, die durch das Gericht gemäß § 96 FGO verwertet werden können; insbesondere Indizien wegen zweifelhafter Abnehmer-Firmen oder Abnahmen oder fehlender Fahrzeug-Zulassungen am Bestimmungsort (vgl. Sächsisches FG, Beschluss vom 04.03.2014 4 V 297/13, Juris Rz. 26; Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166, Juris Rz. 52; FG Nürnberg vom 14.05.2013 2 K 568/11, EFG 2013, 1273, Juris Rz. 41; FG Baden-Württemberg vom 09.06.2008 9 K 408/04, Juris Rz. 55, 63).

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cc) Weitere Indizien zur Widerlegung oder zur berechtigten Bezweifelung des danach nicht mehr ausreichenden Beleg- und Buchnachweises ergeben sich ggfs. aus auffälligen Distanzen zwischen angeblichem Abnehmersitz und weiter entferntem Geschäft oder Ort, wohin die Autos nach weiteren Unterlagen wahrscheinlicher verbracht wurden (z. B. mehrere 100 km, vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244 zu 5, Juris Rz. 65).

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dd) Widerlegt oder berechtigt in Zweifel gezogen und deshalb ungenügend wird der Beleg- und Buchnachweis im Übrigen durch Erkenntnisse oder Indizien für Scheingeschäfte, für eine Scheinfirma oder einen Scheinsitz. Eine Scheinfirma liegt nicht stets schon dann vor, wenn eine Gesellschaft sich nach Leistungsaustausch ihren steuerlichen Verpflichtungen entzieht (Missing Trader) und an ihrem eingetragenen Sitz nur (noch) über eine Briefkastenanschrift verfügt. Vielmehr kommt es auch darauf an, ob sie tatsächlich die Geschäfte ausführt und dazu aufgrund ausreichender Kapital- und sonstiger Ausstattung überhaupt in der Lage ist oder ob sie nur als Rechtsmantel zur unlauteren Abwicklung von wirtschaftlichen Vorgängen verwendet wird. Abzustellen ist für Scheingestaltungen auf die Gesamtschau der Indizien; zum Beispiel:
- Angeblicher Geschäftssitz des vermeintlichen Abnehmers bei einem branchenfremden Unternehmen oder Büroservice;
- keine eigenen oder gemieteten Geschäftsräume, kein Verkaufs- oder Lagerraum, kein eigenes Mobiliar, keine Kassenführung, kein Bankkonto, kein sonst gehaltenes Vermögen, keine Buchführung oder keine aufbewahrten Geschäftsunterlagen an der angeblichen Adresse;
- an der angeblichen Adresse mangelnde eigene Geschäftstätigkeit oder fehlende Wahrnehmung von Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktion oder Behördenkontakten über die Anmeldung oder Gründung hinaus;
- keine Mitwirkung der Mitarbeiter des an der angeblichen Adresse tätigen fremden Unternehmens bei den angeblichen Geschäften mit der Abnehmerfirma;
- keine Geschäftsanbahnung oder -abwicklung über die angebliche Adresse; Kommunikation nur mobil oder mit Dritten;
- Unstimmigkeiten oder Abweichungen bei angegebenen gesetzlichen und anderen Vertretern, bei Kontaktdaten, bei Geschäftsgegenstands-Bezeichnungen, bei Eintragungen im Handels- oder Gewerberegister (vgl. insges. u. mit weiteren Bsp. FG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2010 im Parallelfall 3 V 85/10, EFG 2011, 1111, DStRE 2011, 1073; BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315 Rz. 50; FG Hamburg, Beschluss vom 23.09.2005 im Parallelfall III 71/05, Juris, oben A VI 8 a; BFH-Beschluss vom 04.02.2003 V B 81/02, BFH/NV 2003, 670 m. w. N.; FG Hamburg, Urteil vom 04.08.1998 II 39/97, EFG 1999, 193, IStR 1999, 47 m. Anm. Hardt, Internationales Steuerrecht -IStR- 1999, 50, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht -UVR-1999, 72, nachgehend BFH-Beschluss vom 10.05.1999 V B 1/99, BFH/NV 1999, 1526; FG Hamburg Beschlüsse vom 23.02.1998 II 83/97, DStRE 1998, 929, EFG 1998, 1294, IStR 1998, 543, Bespr. Hardt, KFR F. 7 UStG § 15, 3/98 H 10/98 S. 353; vom 29.10.1996 II 118/96, IStR 1997, 88, EFG 1997, 508; BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620).

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ee) Zur Frage des Vorhandenseins der Flächen, Gebäude oder sonstigen Ausstattung in der örtlichen und räumlichen Situation an der zu prüfenden Adresse sind Erkenntnisse aus Google-Earth und -Street-View von Amts wegen heranzuziehen und ohne weiteres - als allgemein bekannt bzw. zugänglich - verwertbar (vgl. z. B. FG Hamburg, Urteil vom 18.02.2014 3 K 257/13, Juris Rz. 3; OLG Köln, Beschluss vom 20.03.2012 III-1 RBs 65/12, Juris Rz. 30; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 08.09.2011 5 L 754/11, Juris Rz. 54).

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d) Objektiver Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen

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aa) Ausnahmsweise ist trotz Nichterfüllung der formellen Beleg- und Buchnachweispflichten aus §§ 17a, 17c UStDV oder nach berechtigten Zweifeln die Steuerbefreiung zu gewähren, wenn letztlich objektiv zweifelsfrei bewiesen wird oder feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (Urteile FG Berlin-Brandenburg vom 09.10.2014 5 K 5225/12, Juris Rz. 19 ff., Rev. V R 53/14; BFH vom 24.07.2014 V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955, Rz. 19; vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, unter II 3 c; BFH vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II 1 c und II 3; vom 06.12.2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57).

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bb) Dazu gehört insbesondere der Beweis, wer an welchem Bestimmungsort wahrer Empfänger der jeweiligen Lieferung ist bzw. wo und bei welchem vertraglichen Abnehmer die Lieferung tatsächlich "bewirkt" (effected, effectué) wurde. Auf diesen Beweis kommt es deshalb entscheidend an, weil ansonsten das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Schuldner der Umsatzsteuer auf den Erwerb bzw. der Einfuhrumsatzsteuer ist (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG; oben a bb).

37

So reicht beispielsweise der bloße Beweis von Fahrzeug-Zulassungen im Bestimmungsland - vgl. unten dd - nicht aus (BFH, Urteile vom 26.11.2014 XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358 Rz. 42 ff.; vom 25.04.2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz. 45; Beschluss vom 24.06.2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584 Rz. 23, 27, 32; Urteile FG Nürnberg vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244); vom 14.05.2013 2 K 568/11, EFG 2013, 1273; FG München vom 21.03.2013 14 K 2542/11, Juris Rz. 41, 47).

38

cc) Den objektiven und zweifelsfreien Beweis hat der Verkäufer mittels vorhandener Beweismittel zu führen, ohne dass weitere Ermittlungen notwendig werden; dabei trägt er die Feststellungslast bzw. objektive Beweislast (vgl. Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166; ferner z. T. EuGH vom 06.09.2012 C-273/11 "Mecsek-Gabona", Juris). Er hat gegensätzliche Erkenntnisse oder Indizien zu widerlegen und kann dazu keine behördlichen oder gerichtlichen Ermittlungen von Amts wegen verlangen (Urteile FG Düsseldorf vom 31.01.2014 1 K 3117/12 U, Juris; BFH vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 23; V R 10/11, BFH/NV 2013, 832, Rz. 41, 45); Insbesondere auch keine zwischenstaatlichen Auskunftsersuchen (Urteile FG München vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris Rz. 53; Hessisches FG vom 14.04.2011 6 K 1390/08, Juris Rz. 33; FG Köln vom 17.04.2008 10 K 4864/07, EFG 2008, 1334, juris Rz. 21, 25; EuGH vom 27.09.2007 C-184/05 "Twoh" , BStBl II 2009, 83, UR 2007, 745).

39

dd) Soweit die Klägerin für den objektiven Nachweis - entgegen oben bb - allein eine Zulassung gelieferter Fahrzeuge im Bestimmungsland für ausreichend hält und sich dafür auf die BFH-Urteile vom 24.07.2014 V R 44/13 (BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955) und vom 21.05.2014 V R 34/13 (BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914) bezieht (vgl. oben A V 1 b, e, g, VI 6), ergibt sich dazu nichts aus diesen Entscheidungen.

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In ersterer wird eine zu prüfende leichtfertige Steuerverkürzung i. S. d. § 378 AO abgegrenzt gegenüber der ggfs. zu versagenden Steuerbefreiung (dort Rz. 19-22).

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In letzterer waren die objektiven Nachweise der Verbringung und des Erwerbers unproblematisch. Unstreitig hatte ein gewerblicher Yachtvercharterer seine Yacht für eigene unternehmerische Zwecke nach Palma de Mallorca verbracht (dort Rz. 2-8, 30 ff., insbes. Rz. 45). Gestritten wurde stattdessen u. a. über die steuerlichen Konsequenzen aus seiner dort unterlassenen Erwerbs-Anmeldung und -Versteuerung, insbesondere über die Frage einer die Steuerbefreiung ausschließenden Steuerhinterziehung (dort Rz. 46 ff.).

42

e) Ausschluss der Steuerbefreiung bei kollusiver Täuschung

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Selbst wenn die formalen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind (Beleg- und Buchnachweis; oben b) oder der Beweis des tatsächlichen Empfängers und Lieferorts geführt werden könnte (objektiver Nachweis; oben c), ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen nach Täuschung über den wahren Abnehmer bzw. nach Verschleierung seiner Identität, wodurch die Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland verhindert wird, oder bei bewusster Beteiligung an einer auf der nachfolgenden Handelsstufe einer Lieferkette begangenen Umsatzsteuerhinterziehung (Urteile EuGH vom 18.12.2014 C-131/13 "Italmoda", Der Betrieb -DB- 2015, 38, BB 2015, 544; BFH vom 26.11.2014 XI R 37/12, Juris Rz. 60; BFH-Beschluss vom 24.06.2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584 Rz. 42 m. w. N.).

44

So liegt der Fall insbesondere, wenn der inländische Verkäufer in kollusivem Zusammenwirken mit dem tatsächlichen Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vorgetäuscht hat, um dem tatsächlichen Abnehmer die Steuerhinterziehung zu ermöglichen (Urteile BGH vom 19.03.2013 1 StR 318/12, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht -NZWiSt- 2014, 73; BFH vom 11.08.2011 V R 50/09, BFHE 235, 32; BStBl II 2012, 151, vorgehend FG Baden-Württemberg vom 12.11.2009 12 K 273/04, EFG 2010, 673; FG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1113, DStRE 2011, 1073, EFG 2010, 673, Juris Rz. 264 m. w. N. u. Bsp. im Parallelfall AAA, oben A II 1, IV, VI 8 a; zu Schein-Gestaltungen vgl. oben c bb - dd).

45

Werden diese Lieferungen durch den inländischen Verkäufer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben i. S. von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und verkürzt dadurch die von ihm geschuldete Umsatzsteuer (BFH-Urteil vom 21.05.2014 V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914 Rz. 50; BGH-Beschluss vom 20.11.2008 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45; Deutsches Steuerrecht -DStR- 2009, 577; nachgehend BVerfG-Beschluss vom 16.06.2011 2 BvR 542/09, DStRE 2012, 279).

46

Denn in diesen Fällen, in denen ernsthafte Gründe zu der Annahme bestehen, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte, muss der Ausgangsmitgliedstaat grundsätzlich dem Lieferer der Gegenstände die Befreiung verweigern und ihn verpflichten, die Steuer nachzuentrichten, um zu vermeiden, dass der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgeht (EuGH-Urteil vom 07.12.2010 C-285/09 "R.", BStBl II 2011, 846; vorgehend BGH-Beschluss vom 07.07.2009 1 StR 41/09, DStR 2009, 1688).

47

f) Vertrauen auf unrichtige Abnehmer-Angaben

48

Auch wenn bei einer als steuerfrei behandelten Lieferung die Befreiungs-Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, genießt ein gutgläubiger Verkäufer Vertrauensschutz und ist nach § 6a Abs. 4 UStG die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

49

aa) Diese Regelung entspricht der zu Art. 28c Teil A Bstb. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 138 Abs. 1 i. V. m. Art. 131 MwStSystRL entwickelten Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile FG München vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris Rz. 56; BFH vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 17; V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz. 29; EuGH vom 27.09.2007 C-409/04 "Teleos", BStBl II 3009, 70, UR 2007, 774, Rz. 65 f.).

50

bb) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachkommt. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt. Die Frage des Vertrauensschutzes ergibt sich damit erst, wenn der Unternehmer aufgrund der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes seinen Nachweispflichten vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 21; V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz. 33; vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188 Rz. 32; vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz. 29 f.).

51

cc) Die damit vorausgesetzte formelle Vollständigkeit der nach § 6a Abs. 3 UStG vorgeschriebenen Nachweise bezieht sich auf die Beleg- und Buchnachweispflichten gemäß §§ 17a, 17c UStDV und deren bereits ausgeführten Umfang (oben 1 b, insbes. ee - ff mit beispielhaft zitierter Rspr.); und zwar zum Zeitpunkt der Lieferung und nicht auf nachträgliche Belege (BFH-Urteil vom 18.07.2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616).

52

dd) Erst nach der formellen Nachweis-Vollständigkeit ist die Gutgläubigkeit des Verkäufers zu prüfen, nämlich ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der vom Abnehmer stammenden und übernommenen Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

53

ee) Ausgeschlossen ist der Vertrauensschutz und damit die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn objektive Anhaltspunkte darauf schließen lassen, dass der Verkäufer wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und der Verkäufer nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren oder vernünftiger Weise zu verlangenden Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.

54

Dabei rechtfertigen sich hohe Anforderungen aus dem von der Richtlinie 77/388/EWG angestrebten Ziel der Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung. (vgl. Urteile EuGH vom 18.12.2014 C-131/13 "Italmoda", DB 2015, 38, Rz. 50, 62, 64, 69; vom 09.10.2014 C-492/13 "Traum EOOD", UR 2014, 943, Rz. 42; vom 06.09.2012 C-273/11 "Mecsek-Gabona", DStR 2012, 1917, UR 2012, 796).

55

ff) Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Handel mit Kraftfahrzeugen auf dem grauen Markt sowie beim (dort u. U. üblichen) Barverkauf von hochwertigen Pkw in das Ausland mit Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen. Bestehen Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (BFH-Urteile vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 28 ff.; vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 35 ff. m. w. N.).

56

gg) Unter diesen Umständen genügen für die dem ordentlichen Kaufmann obliegende Sorgfalt nicht die - von der Klägerin (oben V 1 b) angeführte - Einholung einer Bestätigung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie die Abfragen der Handelsregister-Eintragung oder Gewerbeanmeldung der vermeintlichen Abnehmerfirma (Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22.01.2014 2 K 1122/11, Juris Rz. 24; FG München vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris Rz. 44 m. w. N.).

57

hh) Je nach den Gesamtumständen und danach möglichen Zweifeln obliegt es dem Unternehmer, sich nötigenfalls über seinen wahren Geschäftspartner und dessen tatsächlichen Geschäftssitz durch dortige Kontaktaufnahme oder persönlich zu vergewissern, wenn es darauf umsatzsteuerlich ankommt (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2014 3 V 241/13, Juris Rz. 81 ff.; BFH-Urteil vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 28 ff.; FG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2010 im Parallelfall 3 V 85/10, EFG 2011, 1111, DStRE 2011, 1073 zu 2 d, e, Juris Rz. 255, 257; oben A VI 8 a).

58

ii) Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers und für die Notwendigkeit sorgfältiger weiterer Nachforschungen können sich in diesen Fällen beispielsweise aus folgenden Umständen ergeben:
- Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem angeblichen Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22.01.2014 2 K 1122/11, Juris Rz. 22; FG München vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris Rz. 42; BFH vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 39; FG Köln vom 27.01.2005 10 K 1367/04, EFG 2005, 822).
- Das Geschäft mit dem vermeintlichen Abnehmer wird nicht an dessen Geschäftssitz oder nur mobil oder durch einen Dritten angebahnt und der Abnehmer tritt nur in Begleitung oder kaum bzw. nur auf dem Papier in Erscheinung (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2014 3 V 241/13, Juris, Rz. 86; Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22.01.2014 2 K 1122/11, Juris, Rz. 23; FG München vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris, Rz. 42; BFH vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 31; vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 39).
- Fehlende Nachvollziehbarkeit des Markt- und Internetauftritts oder -angebots oder des Email- und Schriftverkehrs, z. B. fehlende Faxkennung des vermeintlichen Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z. B. örtlich nicht passende Faxkennung oder Telefonnummer des Abnehmers (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 39).
- Im Hinblick auf den Umsatzumfang nicht ausreichend nachvollziehbare personelle Kapazitäten, Geschäftsausstattung oder Logistik des angeblichen Geschäftspartners oder Auffälligkeiten in seiner Person (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2014 3 V 241/13, Juris, Rz. 84 f.).
- Sonstige Unregelmäßigkeiten, Ungereimtheiten oder Auffälligkeiten ähnlich wie bei den vorbeschriebenen Mängeln von Beleg- und Buchnachweisen (vgl. oben b ff, c dd; FG München, Urteil vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris, Rz. 60, Rev. V R 38/14).

59

2. 2004: LIEFERUNGEN ANGEBLICH AN A

60

Obgleich die Klägerin ihre Klage hinsichtlich der begehrten Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen an A reduziert hat, bleiben diese vom Streitgegenstand Umsatzsteuer für das Streitjahr umfasst. Im Rahmen der Amtsermittlung nach § 76 FGO sind Saldierungen nicht von vornherein auszuschließen. Die Klägerin hat ihre Klage nicht aufgrund tatsächlicher Verständigung oder geänderten Tatsachenvortrags reduziert, sondern unter Hinweis auf derzeitige Beweisschwierigkeiten (Direktor D habe seine Firmen verwechselt und sei nicht mehr erreichbar; oben A V 1 a, 2).

61

Zu Recht hat das FA für die vier in 2004 bestrittenen innergemeinschaftlichen Pkw-Lieferungen an A die Umsatzsteuerbefreiung versagt.

62

Der Beleg- und Buchnachweis ist jeweils unvollständig (a), im Übrigen widerlegt oder zumindest auf berechtigte Zweifel gestoßen (b). Ein objektiver Nachweis wird nicht geführt (d). Danach kommt es auf die kollusive Täuschung nicht mehr an (e) und scheidet ein Vertrauensschutz schon wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises aus (f).

63

a) 2004 A: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

64

Bei allen bestrittenen Fahrzeuglieferungen in 2004 an A (oben A I 2 a) mangelt es an ausreichenden Beleg- und Buchnachweisen (oben 1 b), weil diese nicht leicht nachprüfbar (oben 1 b dd), sondern unvollständig sind.

65

aa) Verbringungserklärungen ohne Abholer-Unterschrift und -Identifizierung

66

Bei allen vier Verbringungserklärungen (Versicherungen über die Beförderung nebst Aufzeichnungen über den Abholer, § 17a Abs. 2 Nr. 4, § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV; oben 1 b bb, cc, ee - ff) fehlen jeweils Unterschrift und Identifizierung des Abholers (oben A I 2 a hh aaa - ddd).

67

Dieser Nachweismangel wird beim erstgenannten Porsche auch nicht dadurch beseitigt, dass in der formularmäßig darunter befindlichen Empfangsbestätigung sich widersprechende Namensangaben vermerkt sind (oben A I 2 a hh aaa).

68

bb) Verbringungserklärungen ohne Angabe des Bestimmungsortes

69

Außerdem fehlt in allen vier Verbringungserklärungen (oben A I 2 a hh aaa - ddd) jeweils die Angabe des Bestimmungsorts, auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben 1 b ee - ff; vgl. 1 c dd, d bb).

70

Dieser Nachweis wird nicht ersetzt durch die sich bei den ersten drei Fahrzeugen jeweils widersprechenden Ortsangaben "Y" und - im vermeintlichen A-Firmenstempel - "E" in und neben der unten auf demselben Formular vorgesehenen Empfangsbestätigung (oben A I 2 a hh aaa - ccc) und ebenso wenig bei dem BMW als viertem Fahrzeug durch die zweifache Ortsangabe E in deutscher Schreibweise in und neben der Empfangsbestätigung (oben A I 2 a hh ddd); zumal die Unterschrift unter dem vermeintlich dänischem Firmenstempel nicht identifizierbar und daher erst recht nicht einfach und leicht nachprüfbar ist (vgl. oben 1 b dd).

71

Im Übrigen lässt sich der Bestimmungsort bei unklarem Lieferweg auch nicht anhand der Rechnungsanschrift hinreichend bestimmen (oben 1 b ee).

72

b) 2004 A: Widerlegter od. bezweifelter Beleg- u. Buchnachweis

73

Im Übrigen sind selbst die unvollständigen Nachweise für alle vier angeblichen Lieferungen widerlegt oder zumindest auf berechtigte Zweifel gestoßen, die nicht ausgeräumt sind.

74

aa) Scheinfirma, Scheinsitz oder Scheingeschäfte

75

Die zu den angeblichen Lieferungen an A getroffenen Feststellungen deuten unwiderlegt und somit berechtigt auf Scheingestaltungen hin, sei es eine Scheinfirma, sei es ein Scheinsitz dieser Firma oder seien es Scheingeschäfte (vgl. oben 1 c dd m. w. N.). Die dänischen Behörden und das damalige BfF haben mitgeteilt (oben A I 2 a ee - ff):
- "but the adress is only a virtual office" oder ein Büroservice-Unternehmen;
- keine andere Geschäftsadresse in Dänemark bekannt;
- keine Telefon- oder Faxanschlüsse für die Firma verzeichnet;
- angeblich nur Barverkehr, kein Bankkonto bekannt;
- fester Wohnsitz des Geschäftsführers (Direktors) in Portugal.

76

Hinzu kommt die deutsche Schreibweise von E in dem vermeintlichen Stempel der dänischen Firma, der in den hiesigen Formularen für alle vier Fahrzeuge verwendet wurde (oben a bb, A I 2 a hh aaa - ddd).

77

Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang aus dem in derselben Sitzung verhandelten und den Beteiligten gleichermaßen bekannten Parallelverfahren F 3 K 46/14 die Verwendung weiterer vermeintlicher ausländischer Abnehmer-Firmenstempel geläufig, die in G hergestellt wurden.

78

bb) Fahrzeuge nicht nach Dänemark gelangt

79

Aus den weiteren Feststellungen zu den vier Fahrzeugen ist zu schließen, dass diese nicht nach Dänemark, sondern nach Baden-Württemberg gelangt sind:
- Keine Dokumente über einen tatsächlichen Grenzübertritt der Fahrzeuge nach Dänemark zur Lieferung an A in E (oben A I 2 a ee);
- telefonische Auskunft des Geschäftsführers (Direktors), dass Fahrzeuge manchmal zu Kunden nach Deutschland oder an andere Orten gebracht oder an italienische Fahrer übergeben würden (oben A I 2 a ee);
- keines der Fahrzeuge in Dänemark zugelassen (oben A I 2 a ee);
- für den erstgenannten Porsche in H Ausfuhrkennzeichen nach Italien (oben A I 2 a hh aaa);
- für den zweitgenannten Porsche Kaufverträge und Übergaben nach ... und weiter nach ... (oben A I 2 a hh bbb);
- für den drittgenannten Porsche nach Stilllegung in H Ausfuhrkennzeichen in ... nach Spanien (oben A I 2 a hh ccc);
- für den BMW als viertgenanntes Fahrzeug Erstzulassung und Löschung in H; im Übrigen ist demgemäß der Inhalt der vorherigen Verbringungserklärung auch insoweit falsch, als bereits dabei der Fahrzeugschein übergeben worden sein soll (oben A I 2 a hh ddd).

80

c) 2004 A: Kein objektiver Nachweis für die Steuerbefreiung

81

Ein nach unvollständigem Beleg- und Buchnachweis (a) oder nach bisher widerlegtem oder zumindest berechtigt bezweifeltem Beleg- und Buchnachweis (b) ausnahmsweise zu prüfender objektiver Nachweis der Steuerbefreiungs-Voraussetzungen (oben 1 d) ist für die angeblichen Lieferungen an A insgesamt nicht ersichtlich und wird seitens der Klägerin ausdrücklich nicht geführt (oben A V 1 a; vgl. oben A II 13).

82

d) 2004 A: Kollusive Täuschung unerheblich

83

Mangels Nachweis der Steuerbefreiungs-Voraussetzungen (oben a - c) kommt es nicht mehr auf den Ausschluss der Steuerbefreiung wegen kollusiver Täuschung an (vgl. oben 1 e).

84

e) 2004 A: Kein Vertrauensschutz

85

Ein Schutz des Vertrauens in unrichtige Angaben des Abnehmers (oben 1 f) ist bereits wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises (oben a) ausgeschlossen (oben 1 f bb - dd).

86

3. 2004: LIEFERUNGEN ANGEBLICH AN B ...

87

Zu Recht hat das FA die Umsatzsteuerbefreiung auch für die acht in 2004 an die Firma B streitig innergemeinschaftlich fakturierten Fahrzeuge versagt.

88

Auch hier ist der Beleg- und Buchnachweis jeweils unvollständig oder als solcher widersprüchlich (a); im Übrigen widerlegt oder zumindest auf berechtigte Zweifel gestoßen (b). Wiederum wird ein objektiver Nachweis nicht geführt (d), kommt es danach auf die kollusive Täuschung nicht mehr an, die im Übrigen zu bejahen ist (e), und scheidet ein Vertrauensschutz wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises sowie wegen mangelnder Gutgläubigkeit und Sorgfalt aus (f).

89

a) 2004 B: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

90

Bei allen streitigen Fahrzeuglieferungen in 2004 an B (oben A I 2 b) mangelt es an ausreichenden Beleg- und Buchnachweisen (oben 1 b), weil diese nicht leicht nachprüfbar (oben 1 b dd), sondern in unterschiedlicher Weise unvollständig sind (aa - hh); dabei fehlt für sechs Fahrzeuge bereits die Angabe des Bestimmungsorts (vgl. unten aa aaa).

91

aa) VW Touareg V6 FIN ...0
(Nr. 3; oben A I 2 b hh aaa):

92

aaa) Verbringungserklärung ohne Bestimmungsort

93

In der Verbringungserklärung für dieses erstgenannte Fahrzeug fehlt - wie bei fünf anderen an B fakturierten Fahrzeugen - die Angabe des Bestimmungsorts, auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben 1 b ee - ff; vgl. 1 c dd, d bb).

94

Im Übrigen lässt sich der Bestimmungsort bei unklarem Lieferweg auch nicht anhand der Rechnungsanschrift hinreichend bestimmen (oben 1 b ee).

95

Außerdem steht hier wie bei den fünf anderen Fahrzeugen die Rechnungsanschrift in J (oben A I 2 b ff) im Gegensatz zur eingetragenen Firmenadresse in K (oben A I 2 b bb), die in der jeweiligen Vollmacht und im Stempel verwendet wurde (oben A I 2 b ee).

96

Erst recht kann auf den fehlenden Bestimmungsort nicht aus den in zwei Verbringungserklärungen vorliegenden Bestimmungsort-Angaben geschlossen werden, da diese sich unterscheiden, nämlich J beim hier viertgenannten Fahrzeug Porsche Cayenne FIN ...9 (Nr. 8, oben A I 2 b hh ddd) und K bzw. ... beim hier letztgenannten Fahrzeug Porsche Cayenne FIN ...0 (Nr. 15b, oben A I 2 b hh hhh); wie i. Ü. von der Klägerin verwechselt (oben A V 1 f zu Prüfungsbericht Tz. 2.02 Bstb. h = Nr. 8 = FIN ...9; vgl. oben A I 2 b hh dd).

97

bbb) Empfangsbestätigung mit Widerspruch zwischen Land und Ort

98

In der - wie die vorbezeichnete Verbringungserklärung - durch den beauftragten Abholer L aus M unterschriebenen Empfangsbestätigung widersprechen sich die Angaben Italien und G (oben A I 2 b hh aaa).

99

ccc) Widerspruch der Daten gegenüber späterer Einkaufsrechnung

100

Danach kommt es auf den Widerspruch zwischen dem in der Rechnung von Autohaus-1 gegenüber der Käuferin N bezeichneten Rechnungs- und Leistungsdatum 23. November 2004 einerseits und dem Datum 22. November 2004 bei der Weiterfakturierung an die Klägerin und an B sowie in der Verbringungserklärung und Empfangsbestätigung (oben 1 b dd; A I 2 b hh aaa) nicht mehr an.

101

ddd) Widersprüche Fahrgestellnummern und Stempel F

102

Ferner kommt es danach nicht mehr an auf die Widersprüche bei den Fahrgestellnummern und durch den auf der Rechnung angebrachten Stempel der F Autoleasing mit deren USt-ID (oben 1 b dd; A I 2 b hh aaa).

103

bb) VW Touareg V6 FIN ...1
(Nr. 4, oben A I 2 b hh bbb)

104

In der durch den beauftragten Abholer L aus M unterschriebenen Verbringungserklärung für dieses zweitgenannte an B fakturierte Fahrzeug fehlt ebenfalls der Bestimmungsort (wie oben aa aaa).

105

Ferner entspricht die Fahrgestellnummer nicht derjenigen der Einkaufsrechnung N vom XX-Vertragshändler Autohaus-1 (oben A I 2 b hh bbb).

106

cc) Porsche Cayenne FIN ...1
(Nr. 5, oben A I 2 b hh ccc)

107

In der durch den beauftragten Abholer XO aus ... (bei M) unterschriebenen Verbringungserklärung für dieses drittgenannte Fahrzeug fehlt auch der Bestimmungsort (wie oben aa aaa).

108

dd) Porsche Cayenne FIN ...9
(Nr. 8, oben A I 2 b hh ddd)

109

aaa) Empfangsbestätigung J mit Stempel K

110

Wenngleich in der Verbringungserklärung und in der Empfangsbestätigung der Ort J bezeichnet ist, ist letztere auf demselben Blatt mit dem Schriftzug ...B unter Beifügung des Firmenstempels mit der Ortsangabe K unterschrieben und insoweit nicht einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b dd - ff); wie i. Ü. von der Klägerin verwechselt (oben A V 1 f, vgl. angebliche Empfangsbestätigung K für den Porsche Cayenne Nr. 15b oben A I 2 b hh hhh).

111

bbb) Abweichende Unterschrift unter der Verbringungserklärung

112

Die Unterschrift des in der Vollmacht als XO und in der Empfangsbestätigung mit X bezeichneten Abholers unter der Verbringungserklärung für dieses viertgenannte Fahrzeug weicht ab von der Unterschrift in der Ausweiskopie von XO und ist deshalb nicht einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b dd - ff). Selbst wenn dieser Mangel nicht ausschlaggebend sein müsste, bleiben nachstehend andere nicht ausgeräumte und danach berechtigte Zweifel (unten b).

113

ccc) Für eine Auslieferung durch die Klägerin selbst, wie von ihr vorgetragen, in K (oben A V 1 f) reicht der Beleg- und Buchnachweis aufgrund der vorliegenden Widersprüche ebenfalls nicht aus und ist insbesondere nicht belegt oder ersichtlich, wer das Fahrzeug für die Klägerin anstelle des Abholers wie dorthin gebracht haben soll.

114

ee) VW Touareg FIN ...6
(Nr.9, oben A I 2 b hh eee)

115

aaa) Verbringungserklärung ohne Bestimmungsort (wie oben aa aaa).

116

bbb) Empfangsbestätigung ohne Ortsangabe

117

In der - wie die Verbringungserklärung - durch den beauftragten Abholer L aus M unterschriebenen Empfangsbestätigung für dieses fünftgenannte Fahrzeug fehlt ebenfalls eine Ortsangabe (vgl. oben 1 b dd - ff).

118

ff) Porsche Cayenne FIN ...3
(Nr. 11, oben A I 2 b hh fff)

119

aaa) Verbringungserklärung ohne Bestimmungsort (wie oben aa aaa).

120

bbb) Empfangsbestätigung ohne Orts-, Datums- und Namensangabe

121

In der - wie die Verbringungserklärung - durch den beauftragten Abholer XO aus ... (bei M) unterschriebenen Empfangsbestätigung für dieses sechstgenannte Fahrzeug sind im Übrigen keine Angaben für Ort, Datum und Namen eingetragen (vgl. oben 1 b dd - ff).

122

gg) Porsche Cayenne FIN ...2
(Nr. 15a, oben A I 2 b hh ggg)

123

aaa) Verbringungserklärung ohne Bestimmungsort (wie oben aa aaa).

124

bbb) Datum nicht in Verbringungserklärung, nur in Empfangsbestätigung

125

Im Übrigen fehlt unter der Verbringungserklärung für dieses siebtgenannte Fahrzeug neben der Unterschrift das Datum (oben 1 b dd - ff). Stattdessen enthält die Empfangsbestätigung mit den Angaben Deutschland/ G vor dem Namen des Beauftragten L aus M und seiner Unterschrift das Datum 23. Dezember 2004, auf das noch zurück zu kommen sein wird (unten b bb bbb; II 3 a).

126

hh) Porsche Cayenne FIN ...0
(Nr. 15b, oben A I 2 b hh hhh)

127

Unter der für das letztgenannte an B fakturierte Fahrzeug mit Bestimmungsort K von L aus M mit Datum 3. Januar 2005 unterschriebenen Verbringungserklärung befindet sich auf demselben Blatt die Empfangsbestätigung mit Ortsangabe K, aber ohne Datum und ohne den Namen des Fahrers sowie auf oder unter dem Firmenstempel mit Ortsangabe K eine Unterschrift, die nicht einfach und leicht nachprüfbar ist (vgl. oben 1 b dd - ff). Selbst wenn dieser Mangel nicht allein ausschlaggebend sein muss, bleiben Widersprüche einschließlich vorbezeichneter Verwechselung mit Porsche Cayenne Nr. 8 (oben dd) und nachstehend andere nicht ausgeräumte und danach berechtigte Zweifel (unten b dd aaa - ddd).

128

b) 2004 B: Widerlegter u. bezweifelter Beleg- u. Buchnachweis

129

Unabhängig davon, dass der Beleg- und Buchnachweis für die einzelnen Fahrzeuge in unterschiedlicher Weise unvollständig oder in sich widersprüchlich ist (oben a), ist er auch in verschiedener Hinsicht widerlegt oder zumindest auf nicht ausgeräumte und daher die Steuerbefreiung ausschließende Zweifel gestoßen (oben 1 c aa - bb).

130

aa) Nicht in Italien zugelassene Fahrzeuge
Bei den gemäß amtlicher Auskunft zu keinem Zeitpunkt in Italien zugelassenen Fahrzeugen geht das Gericht mangels ausgeräumter Zweifel davon aus, dass diese Fahrzeuge nicht dorthin geliefert worden sind (oben 1 c bb; A I 2 b dd):
VW Touareg V6 FIN ...0
(Nr. 3; oben a aa, A I 2 b hh aaa);
VW Touareg V6 FIN ...1
(Nr. 4; oben a bb, A I 2 b hh bbb);
Porsche Cayenne FIN ...3
(Nr. 11; oben a ff, A I 2 b hh fff);
Porsche Cayenne FIN ...0
(Nr. 15b, oben a hh, A I 2 B hh hhh)

131

bb) Widerlegte Liefer- und Rechnungsdaten

132

Für zwei weitere Fahrzeuge sind die Lieferdaten und die an letztere anknüpfenden Rechnungsdaten aufgrund hiesiger Zulassungsdaten widerlegt (aaa - bbb).

133

aaa) Widerlegte Daten für
Porsche Cayenne FIN ...1
(Nr. 5; oben a cc, A I 2 b hh ccc)
In der der jeweils auf den 29. November 2004 datierten Verbringungserklärung und Empfangsbestätigung für dieses am selben Tag fakturierte Fahrzeug heißt es, dass es mit - handschriftlich ausgefüllt - 1 Abmeldebescheinigung ausgeliefert worden sei. Diese Verbringungserklärung und Empfangsbestätigung für die angebliche innergemeinschaftliche Lieferung nach Italien kann nicht zutreffen, da die Abmeldebescheinigung nicht vor der Abmeldung vom ... 2004 erteilt worden sein kann.

134

bbb) Widerlegte Daten für
Porsche Cayenne FIN ...2
(Nr. 15a, oben a gg, A I 2 b hh ggg)
Das Datum 23. Dezember 2004 in der Empfangsbestätigung unter der Verbringungserklärung für dieses am selben Tag fakturierte Fahrzeug kann nicht stimmen, da es erst am ... 2005 in G als fabrikneu auf die N zugelassen wurde, bevor am ... 2005 hier die vorübergehende Stilllegung eingetragen wurde.

135

cc) Trotz Zulassung in Italien unzureichende Nachweise

136

aaa) Falscher Beleg- und Buchnachweis für zugelassene Fahrzeuge

137

Soweit die beiden letztgenannten Fahrzeuge (bb aaa und bbb) anderweitig nach Italien gelangt sind und dort zum Verkehr zugelassen wurden, bleibt dennoch jeweils der Beleg- und Buchnachweis falsch (oben 1 c) und beweist die jeweilige Zulassung nicht die Lieferung der Klägerin an den angeblichen Abnehmer -B - (vgl. oben 1 d bb).

138

bbb) Unzureichender Beleg- und Buchnachweis für zugelassene Fahrzeuge
Porsche Cayenne FIN ...9
(Nr. 8; oben a dd, A I 2 b hh ddd),
VW Touareg FIN ...6

139

(Nr.9; oben a ee, A I 2 b hh eee)

140

Bei diesen beiden zugelassenen Fahrzeugen mit unzureichendem Beleg- und Buchnachweis bleibt es ebenso wie bei den anderen Fahrzeugen mit mangelhaftem Beleg- und Buchnachweis dabei, dass die Lieferung an den angeblichen Abnehmer -B - nicht nachgewiesen ist (vgl. oben 1 b dd).

141

dd) Generell widerlegte oder zweifelhafte Lieferungen an B

142

Unabhängig von den individuell zu bemängelnden (oben a), widerlegten oder berechtigt bezweifelten (oben aa - cc) und infolgedessen unzureichenden Beleg- und Buchnachweisen für die Lieferungen an B sind diese auch generell widerlegt oder zumindest auf nicht ausgeräumte berechtigte Zweifel gestoßen.

143

Denn nach anderen mangels Widerlegung überzeugenden Indizien und Erkenntnissen handelt es sich um Scheingestaltungen, nämlich um Scheinlieferungen an B, das heißt an eine Scheinfirma mit Scheinsitz in K.

144

aaa) Nachweis-Widersprüche K -J

145

Nicht ausgeräumte und danach berechtigte Zweifel werden von vornherein hervorgerufenen aufgrund der laufenden Widersprüche zwischen den angeblichen Abnehmer-Adressen in den Belegen (oben 1 c dd), nämlich einerseits J und andererseits K bzw. ... (oben A I 2 b hh aaa - hhh); wie i. Ü. von der Klägerin verwechselt (oben a dd aaa, A V 1 f, vgl. angebliche Empfangsbestätigungen für die beiden Porsche Cayenne oben A I 2 b hh ddd und Nr. 15b oben A I 2 b hh hhh).

146

bbb) Für Autolieferung unzureichende räumliche Verhältnisse

147

Gegen einen realen Autohandel mit tatsächlichem Lieferort am eingetragenen Sitz der B in K oder selbst an ihrer angeblichen Rechnungsanschrift am ursprünglichen Wohnsitz ihres Geschäftsführers sprechen bereits die - durch Google-Earth und -Street-View offenkundigen (vgl. oben 1 c dd) - räumlichen Verhältnisse ohne hinreichende geeignete Fläche (vgl. oben 1 c dd - ee), wie bereits ausgeführt (oben A I 2 b bb).

148

ccc) Amtliche Auskünfte über Scheinfirma B

149

Auf durchgängige Scheingestaltungen mit Scheinfirma, Scheinsitz und Scheinbelegen (oben 1 c dd) bei B ist zu schließen aus der Negativauskunft des damaligen BfF (oben A I 2 b cc) und insbesondere aus den aufgrund Amts- bzw. Rechtshilfe (oben 1 c bb) übersandten Ermittlungsergebnissen der Guardia di Finanza, und zwar des Comando Generale Rom vom 29. August 2005 sowie des Comando Nucleo Polizia Tributaria Macerata vom 1. März 2007 (oben 1 c dd; A I 2 b dd bbb). Das Gericht folgt den dortigen unwiderlegten und aufgrund der zahlreichen Beweiserhebungen auch in den Einzelheiten - entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 c) - überzeugendenden Feststellungen, wie bereits oben wiedergegeben (A I 2 b dd aaa - bbb; vgl. A I 5, 8 b, c).

150

ddd) Abholfahrer aus Raum M von P

151

Davon unabhängig ergibt sich der Schluss auf Scheinlieferungen gleichfalls aus dem Umstand, dass in den zum Beleg- und Buchnachweis vorgelegten Unterlagen für alle acht Fahrzeuge jeweils die Namen der Abholfahrer L und XO aus dem von K weit mehr als 400 km entfernten Raum M erscheinen (oben a; 1 c cc; A I 2 b dd ddd, hh aaa - hhh).

152

Gerade von dort aus betrieb P u. a. mit der von ihm beherrschten R S.r.l. seinen Autohandel und setzte er die tatsächlich von ihm beauftragten Fahrer zur Fahrzeug-Abholung von "XY" in G nach M ein, wie zum einen das Landgericht rechtskräftig - und vom BGH in der Revision unbeanstandet - festgestellt hat (oben A IV 1 - 2, VI 5, 8 c) und wie sich im Übrigen - entgegen dem Klägervortrag (oben V 1 c) - mit zahlreichen Beweis-Einzelheiten aus dem unwiderlegten und überzeugenden vorbezeichneten Bericht der Guardia di Finanza Macerata vom 1. März 2007 betreffend P ergibt (oben A I 2 b dd bbb, ddd; A VI 5, 8 c).

153

c) 2004 B: Kein objektiver Nachweis für Steuerbefreiung

154

aa) Ein nach unvollständigem Beleg- und Buchnachweis (a) oder nach berechtigt bezweifeltem und widerlegtem Beleg- und Buchnachweis (b) ausnahmsweise zu prüfender objektiver Nachweis der Steuerbefreiungs-Voraussetzungen (oben 1 d) ist für die angeblichen Lieferungen an B insgesamt nicht ersichtlich und wird seitens der Klägerin nicht geführt (vgl. oben A IV b - c; II 13).

155

bb) Ihr zutreffender Hinweis (oben A V 1 b), dass Unterlagen beschlagnahmt wurden, hat weder zur Unordnung ("verheftet") geführt noch der weiteren Benutzung aufgrund Akteneinsicht entgegengestanden (oben A VI 5) und ändert weder die Feststellunglast für die geltend gemachte Steuerbefreiung (vgl. oben 1 c cc) noch die bezüglich ausländischer Beweismittel - z. B. Fahrzeugregister-Auskunft (oben V 1 b) oder Zeuge L (oben A V 1 c - erhöhte Auslandsmitwirkungspflicht, auf die das Gericht i. Ü. bereits rechtzeitig vor der Verhandlung hingewiesen hat (oben A VI 6).

156

cc) Dass die Klägerin, wie sie vortragen lässt, keine präsenten Erinnerungen an die seinerzeit für B handelnden Personen beitragen oder Angaben dazu machen könne, wie die Geschäftsräume der Firma in Italien seinerzeit ausgesehen hätten (oben V 1 c), hilft ihr insoweit ebenso wenig.

157

dd) Davon abgesehen ist dieser Vortrag vielmehr umgekehrt nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass kein tatsächlicher Handel für die B in Räumen von ihr oder durch eine dort tätige Person oder ihren Geschäftsführer stattfand, sondern entgegen den Scheinbelegen tatsächlich der mit dem Vorstand S der Klägerin seit AAA in Geschäftsbeziehungen stehende P in M handelte (vgl. oben b ccc - ddd; A I 2 b dd aaa - ddd, IV 1 b - c, 2) und S - entgegen dem Klägervortrag (oben V 1 b) - gerade nicht die Geschäfte mit P und seinem Betrieb in M einschließlich der Kontakte mit dessen Fahrern vermieden hat.

158

ee) Soweit die Klägerin demgegenüber eine Zweifel ausräumende eigene Auslieferung in K behauptet (oben A V 1 f), die durch widersprüchliche Belege und deren vorbezeichnete Verwechselung (oben a dd aaa, hh, b dd aaa) nicht nachgewiesen ist (oben a cc ccc), handelt es sich um eine in jeglicher Hinsicht unsubstanziierte (oben cc) und durch die dortigen Umstände (oben dd; A I 2 b bb - dd) widerlegte Schutzbehauptung.

159

d) 2004 B: Kollusive Täuschung

160

aa) Nach unvollständigen, ernstlich zu bezweifelnden und widerlegten Beleg- und Buchnachweisen und nicht geführten objektiven Nachweisen bleibt es bereits bei der Versagung der Steuerbefreiung, ohne dass die Versagung auf eine kollusive Täuschung gestützt werden müsste (vgl. oben 1 e).

161

bb) Davon abgesehen sind nach den getroffenen und unwiderlegten Feststellungen die angeblichen Lieferungen an B nur als kollusiv täuschende Scheingeschäfte mit der Scheinfirma und mit Scheinsitz-Scheinlieferungen erklärbar, während tatsächlich die Geschäfte durch P mit der durch S vertretenen Klägerin für den Betrieb in M abgeschlossen wurden.

162

aaa) Denn gutgläubige Geschäftsanbahnungen, -abschlüsse und -abwicklungen mit dem Geschäftsführer oder einer anderen für B in K oder J im Autohandel tätigen Person sind nach den vorbeschriebenen unwiderlegten Feststellungen - entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 c) nicht vorstellbar (vgl. oben c dd; b ccc - ddd; A I 2 b dd aaa - ddd, IV 1 b - c, 2).

163

bbb) Entsprechendes gilt für den - hinsichtlich L im Klägervortrag (oben V 1 1 c) angeführten - Kontakt mit Ps Fahrern aus dem Raum M (oben a, d dd ddd; 1 c cc; A I 2 b dd bbb, ddd, hh aaa - hhh; A IV 2, V 4 a; VI 5, 8 c).

164

ccc) Gleichermaßen ist die Bösgläubigkeit bewiesen durch Überführungsfahrten durch von S selbst beauftragte Fahrer nach M anstelle von Scheinadressen (oben A IV 3).

165

ddd) Die kollusive Täuschung zwecks Steuerbetrugs bzw. -hinterziehung entfällt ferner - (entgegen dem Klägervorbringen (oben A V 1 f - i) - nicht durch die der Steuerbefreiung der Lieferung gegenüberstehende Erwerbsbesteuerung beim innergemeinschaftlichen Erwerber und durch einen Vorsteuerabzug. Insbesondere kann die Klägerin sich dazu nicht auf den vom BFH entschiedenen Sonderfall einer unstreitig nachgewiesenen innergemeinschaftlichen Yacht-Verbringung durch den Eigner und Yachtvercharterer für eigene unternehmerische Zwecke (vgl. oben 1 d dd) beziehen (oben 1 e m. w. N.).

166

e) 2004 B: Kein Vertrauensschutz

167

Ebenso wenig kann die Steuerbefreiung wegen etwaigen Vertrauens auf unrichtige Abnehmer-Angaben gewährt werden (vgl. oben 1 f).

168

aa) Dafür fehlt es an vollständigen Beleg- und Buchnachweisen (oben a, 1 f bb - dd) und an der Gutgläubigkeit bei im Gegenteil bewiesener kollusiver Täuschung (oben d bb, c dd).

169

bb) Unabhängig von letzterer fehlt es auch schon an der Erfüllung der - zumal unter den bekannten Umständen (oben A I 2 b) und ersichtlichen Widersprüchen einschließlich Adressen und Geschäftsführung der B und Herkunft der Abholfahrer (oben c -d) - gebotenen Sorgfaltsobliegenheiten (oben 1 f hh - ii).

170

Die italienische USt-ID-Nummer sowie unbelegt behauptete (oben A V 1 b) formale Prüfungen der Existenz eines Firmenmantels reichen dazu nicht aus; insoweit gilt für eine Passkopie des Geschäftsführers nichts anderes als für eine Handelsregistereintragung oder Gewerbeanmeldung (vgl. oben 1 f gg).

171

Soweit die Klägerin demgegenüber eine Zweifel ausräumende eigene Auslieferung in K geltend macht (oben A V 1 f), die durch widersprüchliche Belege und vorbezeichnete Verwechselung ohnehin nicht nachgewiesen ist (oben a cc ccc), handelt es sich - wie bereits gesagt - um eine in jeglicher Hinsicht unsubstanziierte (oben c cc) und durch die Umstände vor Ort (oben A I 2 b bb - dd ) widerlegte Schutzbehauptung (oben bb; c dd - ee; d bb aaa - bbb).

172

4. 2004: LIEFERUNG ANGEBLICH AN C DI T

173

Zu Recht versagt hat das FA die Steuerbefreiung für die angebliche Lieferung eines Porsche Cayenne an C (oben A I 2 c).

174

Der Beleg- und Buchnachweis ist nicht vollständig erbracht (a) und außerdem widerlegt (b). Zugleich fehlt es an einem objektiven Nachweis (c). Ohne dass es noch auf eine kollusive Täuschung ankommt (d), ist auch kein Steuerbefreiungsanspruch aus Vertrauensschutz begründet (e).

175

a) 2004 C: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

176

Für einen vollständigen Beleg- und Buchnachweis (oben 1 b) fehlt es - u. a. - in der Verbringungserklärung bereits an der Angabe des Bestimmungsorts (oben A I 2 c ee), die bei ungeklärter Lieferung nicht durch die Rechnungsanschrift ersetzt werden kann (oben 1 b ee - ff).

177

b) 2004 C: Widerlegter Belegnachweis

178

Der - wie vorbeschrieben bereits unvollständige - Beleg der Verbringungserklärung ist im Übrigen durch Amtshilfeauskunft widerlegt, das heißt nachweislich falsch. Es handelt sich um einen nachträglich mit unzutreffenden Angaben erstellten und daher nicht zu berücksichtigenden Beleg (vgl. oben 1 c aa m. w. N.).

179

Nach den aus U (Baden-Württemberg) im Einzelnen mitgeteilten - nicht bestrittenen - Ermittlungsergebnissen hat V weder die Verbringungserklärung am angegebenen Datum unterschrieben noch den Wagen nach Italien oder zur dortigen Adresse von C gebracht (oben A I 2 c gg).

180

c) 2004 C: Kein objektiver Nachweis für Steuerbefreiung

181

Selbst wenn der Wagen durch den Inhaber oder den Mitarbeiter V des Autohandelsgeschäfts Autohaus-2 in U (Baden Württemberg) an ... oder T als Inhaber von C übergeben worden sein soll (vgl. oben A I 2 c ee, gg), fehlt es an Darlegungen und Beweisen der Klägerin als feststellungsbelasteter Verkäuferin (oben 1 d cc) für eine ihrerseitige Lieferung nach Italien mit definitivem Bestimmungsort und dortiger Auslieferung (vgl. oben A I 2 c hh; II 13).

182

d) 2004 C: Kollusive Täuschung unerheblich

183

Nach unvollständigem und falschem Belegnachweis (oben a - b) sowie nicht geführtem objektiven Nachweis (oben c) setzt die Versagung der Steuerbefreiung keine kollusive Täuschung voraus (vgl. oben 1 e).

184

e) 2004 C: Kein Vertrauensschutz

185

Ein Schutz von Vertrauen auf unrichtige Abnehmer-Angaben scheidet bei bereits formell unvollständigem Beleg- oder Buchnachweis (oben a) ebenso wie bei erst nachträglich erstelltem Beleg (oben b) aus (oben 1 f cc).

186

II. 2004: VORSTEUER

187

Zu Recht hat das FA der Klägerin aus den beiden streitigen Einkaufsrechnungen von N den Vorsteuerabzug versagt (unten 2 - 3); sie erfüllen nicht die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 UStG (vgl. unten 1).

188

1. Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs

189

a) Vorsteuerabzug

190

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in den Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmen für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer bei der zu berechnenden Umsatzsteuer nach § 16 Abs. 2 UStG abziehen.

191

b) Aufgrund tatsächlicher Leistung geschuldete Steuer

192

Gemäß ständiger Rechtsprechung kommt ein Vorsteuerabzug nur in Betracht, soweit neben anderen Voraussetzungen die ausgewiesene Steuer aufgrund tatsächlich erbrachter Leistungen geschuldet wird (grundlegend EuGH-Urteil vom 13.12.1989 Rs. C-342/87 "Genius Holding", UR 1991, 83; FG Hamburg, Beschluss vom 23.02.1998 II 83/97, EFG 1998, 1294, IStR 1998, 543 m. Bespr. Hardt, Kommentierte Finanzrechtsprechung -KFR- F. 7 UStG § 15, 3/98, S. 353; Urteile BFH vom 02.04.1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695; vom 06.05.2004 V R 73/03, BFHE 205, 531, BStBl II 2004, 856; FG Hamburg vom 04.08.1998 II 39/97, EFG 1999, 193, IStR 1999, 47 m. Anm. Hardt S. 50 und UVR 1999, 72, nachgehend BFH-Beschluss vom 10.05.1999 V B 1/99, BFH/NV 1999, 1526, Rz. 9).

193

c) Feststellungslast, Nachweispflichten

194

Der Unternehmer trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der den Rechtsanspruch auf Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen (FG Hamburg, Urteil vom 16.07.2014 3 K 240/13, Juris Rz. 198 ff.; Beschluss vom 11.02.2014 3 V 241/13, Juris Rz. 67 ff.; FG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2014 1 V 3235/13 A(U), EFG 2014, 1531). Es ist vor allem seine Sache und nicht das Risiko der Allgemeinheit, sich um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu kümmern. An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn umfangreiche Leistungen über einen längeren Zeitraum in bar abgewickelt worden sein sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 03.08.2007 V B 73/07, BFH/NV 2007, 2368 m. w. N.).

195

d) Rechnungsangaben

196

Weitere Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ist für den Unternehmer der Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung. Die Angaben in der Rechnung müssen vollständig und richtig sein (Abschnitt 192 Abs. 2 Nr. 4 UStR). Die Pflichtangaben in einer Rechnung ergeben sich aus den §§ 14 Abs. 4, 14a UStG sowie aus den §§ 33 und 34 UStDV.

197

e) Leistungszeitpunkt

198

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG muss die Rechnung den Zeitpunkt der Lieferung enthalten. In den Fällen der noch nicht ausgeführten Leistung wird die Angabe des Zeitpunkts der Vereinnahmung des Entgelts oder der Anzahlungen gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 UStG verlangt, wenn dieser Zeitpunkt feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist. Bei einer Rechnung über eine bereits ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung ist eine Angabe des Leistungszeitpunkts in jedem Fall erforderlich.

199

f) Rechnungsberichtigung

200

Aufgrund § 31 Abs. 5 UStDV kann eine Rechnung nachträglich berichtigt bzw. ergänzt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 und § 14a UStG enthält bzw. formal unvollständig ist oder wenn Angaben in der Rechnung fehlerhaft sind. Für die Berichtigung der Rechnung ist derjenige zuständig, der sie erstellt hat. Dies kann der leistende Unternehmer ebenso sein wie der von ihm beauftragte Dritte; der Rechnungsempfänger darf die Rechnung nicht berichtigen (Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 14 Rn. 152).

201

g) Rechnungsberichtigung bei Insolvenz

202

Während eines Insolvenzverfahrens einer GmbH kann deren Rechnung - entgegen dem Klägervorbringen (oben A V 1 k) - nur durch ihren Insolvenzverwalter steuerwirksam berichtigt werden.

203

Nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG wird die GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes aufgelöst. Mit der Auflösung geht die Gesellschaft in das Stadium der Liquidation über, jedoch ist sie weiterhin Träger von Rechten und Pflichten. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen (§ 35 Abs. 1 InsO) zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Die Organstellung des Geschäftsführers wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar nicht berührt, für alle Geschäftsführungsmaßnahmen, die masserelevant sind, ist nunmehr jedoch allein der Insolvenzverwalter zuständig. So muss der Insolvenzverwalter nun auch die steuerrechtlichen Pflichten der Gesellschaft (z. B. Steuererklärungs-, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten) erledigen. Dies gilt auch für Steuerpflichten der Gemeinschuldnerin, die auf Steuerabschnitte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rz. 48).

204

Demnach ist auch allein der Insolvenzverwalter zur Berichtigung einer zuvor ausgestellten Rechnung berechtigt. Für die Erfüllung eines etwaigen Anspruchs des Leistungsempfänger auf Berichtigung ebenso wie auf Ausstellung einer Rechnung nach § 14 Abs. 1 UStG ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann nur der Insolvenzverwalter zuständig, wenn die Leistung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt wurde (vgl. Urteile LG Münster Urteil vom 07.05.2012 15 O 59/10, Juris; BGH vom 06.05.1981 VIII ZR 45/80, DB 1981, 1770).

205

h) Rechnungsberichtigung nach Insolvenzaufhebung

206

Ebenso wenig kann eine Rechnung einer GmbH nach Aufhebung ihrer Insolvenz und Löschung der GmbH berichtigt werden, wie die Klägerin meint (oben A V 1 k; auch nicht mittels Bestellung eines Nachtragsliquidators), ohne dass eine Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO angeordnet wird (vgl. Urteile FG Köln vom 06.08.2014 12 K 791/11, Zeitschrift für Insolvenzrecht -ZInsO- 2015, 363; BFH vom 06.07.2011 II R 34/10, BFH/NV 2012, 10; zur Verbraucherinsolvenz FG Düsseldorf vom 28.08.2014 8 K 3677/13 E, ZInsO 2015, 323).

207

2. Erste Eingangsrechnung vom 14. Dezember 2004
Rechnungsnummer -1 (oben A I 3 a)
Porsche 997 S, FIN ...5
(Nr. 12, Bp-Arbeitsakte Bd. III Bl. 20 ff., 28)

208

Zu Recht hat das FA der Klägerin den Vorsteuerabzug aus der ersten streitigen Eingangsrechnung vom 14. Dezember 2004 über den Porsche 997 S versagt.

209

a) Insoweit fehlt es bereits an einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden ordnungsgemäßen Rechnung (vgl. oben 1 d). Auf der an die Klägerin adressierten Rechnung der N vom 14. Dezember 2004, Rechnungsnummer -1, fehlen die Angabe des Zeitpunkts der Lieferung, des Tags der Vereinnahmung des Entgelts oder Teilentgelts sowie Hinweise auf die Anzahlung (vgl. oben 1 e; A I 3 a ff).

210

Der handschriftliche Vermerk auf der Rechnung kann insoweit nicht berücksichtigt werden, da dieser unleserlich ist (oben A I 3 a ff).

211

b) Auf die während des Insolvenzverfahrens der N (oben A I 2 a gg, 3) ohne Mitwirkung ihres Insolvenzverwalters berichtigte Rechnung vom 5. August 2008 (oben A I 3 a hh) kommt es nicht an (oben 1 g).

212

c) Ebenso wenig könnte die Rechnung jetzt noch nach Insolvenzaufhebung und nach Löschung der GmbH (oben A I 2 a gg) berichtigt werden, ohne dass eine Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO angeordnet wird (oben 1 h).

213

Ein solches Verfahren ist weder ersichtlich noch geltend gemacht worden; schon gar nicht nach nochmaligen Hinweisen des FA in der Einspruchsentscheidung (oben A II 13, 15) oder nach § 79b FGO fristgerecht (oben A VI 3); ferner auch nicht nach nochmaligem Hinweis auf Insolvenz, deren Aufhebung und die Löschung der GmbH (oben A VI 7).

214

d) Davon abgesehen sind durchgreifende Zweifel an der tatsächlichen Lieferung und Steuerentstehung verblieben (vgl. oben 1 b) und durch die Klägerin nicht ausgeräumt, die deshalb die Vorsteuer auch aufgrund der sie treffenden Feststellungslast nicht abziehen kann (vgl. oben 1 b - c).

215

Die Zweifel folgen insbesondere aus parallelen Rechnungsketten bzw. sich überschneidenden Rechnungen. Zum einen soll die Klägerin das Fahrzeug an die Firma W S.R.L. in .../Italien verkauft und geliefert haben (oben A I 3 a gg); zum anderen soll dies durch die N (unmittelbar) geschehen sein (oben A I 3 a aa).

216

Dass letzterer Vertrag aufgehoben worden sei, wie die Klägerin behauptet (oben A V 1 k), ist nicht belegt (vgl. oben A II 13, VI 2 - 3, 7 - 8).

217

e) Im Gegenteil spricht die Überweisung der Anzahlung von der Firma W S.R.L. auf das Bankkonto der N (oben A I 3 a bb) dafür, dass der Kaufvertrag zwischen der Firma N und der Firma W S.R.L. tatsächlich durchgeführt wurde, nicht aber der Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma W S.R.L.

218

Im Übrigen ist kein Geldfluss an die Klägerin für dieses Fahrzeug belegt.

219

f) Des Weiteren schloss auch die N als Versicherungsnehmerin den Haftpflichtversicherungsvertrag ab (oben A I 3 a cc).

220

3. Zweite Eingangsrechnung vom 29. Dezember 2004,
Rechnungsnummer -2 (oben A I 3 b)
BMW FIN ...9 (vgl. A oben 2 a hh ddd)
Porsche Cayenne FIN ...2 (vgl. B oben 2 b hh ggg)
Porsche Cayenne FIN ...0 (vgl. B oben 2 b hh hhh)
(Nr. 15, 15a, 15b, Bp-Arbeitsakte Bd. III Bl. 123)

221

Ebenfalls zu Recht hat das FA der Klägerin den Vorsteuerabzug aus der zweiten streitigen Eingangsrechnung N vom 29. Dezember 2004 über den BMW und die beiden Porsche Cayenne versagt.

222

a) Es bestehen durchgreifende, von der feststellungbelasteten Klägerin nicht ausgeräumte Zweifel daran, dass die in der Rechnung ausgewiesene Lieferung überhaupt stattgefunden hat (vgl. oben 1 b - c).

223

Diese Zweifel resultieren aus den nicht ausgeräumten Widersprüchen nebst weiteren Unklarheiten bezüglich der weiteren Unterlagen über diese Fahrzeuge (oben A I 3 b dd - ff);
- seien es insbesondere bei dem an zweiter Stelle genannten Porsche Cayenne (FIN ...2)
 - zum einen die angebliche Weiterlieferung bereits am 23. Dezember 2004 nach Italien oder (oben A I 2 b hh ggg)
- zum anderen die Zulassung als neu erst am ... 2005 durch die N in G andererseits (oben A I 2 b hh ggg, 3 b ee);
- seien es ferner die Widersprüche oder Unklarheiten betreffend die Unterlagen über den weiteren Lieferweg
- bei dem BMW nach Dänemark oder Baden-Württemberg (oben A I 2 a ee, hh ddd, 3 b dd) oder
- bei dem an letzter Stelle genannten Porsche Cayenne (FIN ...0) nach Italien ohne dortige Zulassung (oben A I 2 b dd aaa, bb hhh, 3 b ff).

224

b) Davon abgesehen fehlt es an einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden ordnungsgemäßen Rechnung (vgl. oben 1 d - e), da die Rechnung keine Hinweise zum Lieferzeitpunkt der Fahrzeuge oder zum Tag der Vereinnahmung des Kaufpreises enthält (oben A I 3 b cc).

225

Sofern die Klägerin beispielsweise bereits am 23. Dezember 2004 nach Italien geliefert haben will (oben a; A I 2 b hh ggg, 3 b ee), wäre die Angabe des Zeitpunktes der Lieferung in der Rechnung zwingend erforderlich gewesen (vgl. oben 1 e).

226

b) Auf die während des Insolvenzverfahrens der N (oben A I 2 a gg) ohne Mitwirkung ihres Insolvenzverwalters berichtigte Rechnung vom 5. August 2008 (oben A I 3 b dd) kommt es nicht an (oben 1 g).

227

c) Ebenso wenig könnte die Rechnung jetzt noch nach Insolvenzaufhebung und nach Löschung der GmbH (oben A I 2 a gg) berichtigt werden, ohne dass eine Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO angeordnet wird (oben 1 h).

228

Eine solche ist nicht beantragt worden (oben 2 c; vgl. oben A II 13, VI 3, 7).

229

4. Berichtigungs-Rückwirkung unerheblich

230

Es kommt mangels wirksamer Rechnungsberichtigung nicht mehr darauf an, ob oder unter welchen Umständen eine solche auf den ursprünglichen Besteuerungszeitraum zurückwirken könnte (vgl. Beschlüsse Niedersächsisches FG vom 03.07.2014 5 K 40/14, EuGH-Vorlage C-518/14 "Senatex", EFG 2015, 80, DStR 2014, 2389; FG Hamburg vom 20.10.2014 2 V 214/14, EFG 2015, 254; vom 11.02.2014 3 V 247/13, Juris; Urteile BFH vom 19.06.2013 XI R 41/10, BFHE 242, 258, BStBl II 2014, 738; FG Hamburg vom 06.12.2012 3 K 96/12, EFG 2013, 1537).

231

5. Kein Vertrauensschutz

232

Da die Versagung des Vorsteuerabzugs sich nicht auf falsche Aussteller-Rechnungsangaben gründet, bezüglich derer die Klägerin gutgläubig gewesen sein könnte, sondern weil Rechnungsangaben fehlen und weil Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der berechneten Lieferungen an die Klägerin bestehen, kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob ein schutzwürdiges Vertrauen im Rahmen des Festsetzungsverfahrens oder im Rahmen eines separaten Billigkeitsverfahrens zu berücksichtigen wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12.02.2015 V B 160/14, Juris; vom 26.09.2014 XI S 14/14, BFH/NV 2015, 158; Urteile FG Köln vom 12.03.2014 4 K 2374/10, EFG 2014, 1442, Rev. BFH XI R 22/14; FG Hamburg vom 21.12.2012 6 K 33/11, Juris, nachgehend Beschlüsse BFH vom 05.03.2014 V B 14/13, Juris, BVerfG vom 19.11.2014 1 BvR 1700/14, Juris).

233

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Ausführungen zur materiell vergleichbaren Versagung des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit den angeblichen innergemeinschaftlichen Weiterlieferungen (oben B I 1 e - f m. w. N., 2 e, 3 d - e, 4 e).

234

III. 2005: INNERGEMEINSCHAFTLICHE LIEFERUNGEN

235

Auch die für 2005 bestrittenen Pkw-Lieferungen der Klägerin an A und B hat das FA zutreffend der Umsatzsteuer unterworfen und nicht als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß § 4 Nr. 1 Bstb. b i. V. m. § 6a UStG behandelt.

236

1. VORAUSSETZUNGEN DER UMSATZSTEUER-BEFREIUNG

237

Auf die Darlegung der Befreiungsvoraussetzungen für 2004 wird Bezug genommen (oben I 1).

238

2. 2005: LIEFERUNG ANGEBLICH AN A
Porsche Cayenne V 8 ...2 (oben A I 4 a)

239

Auch nach betragsmäßiger Klagereduzierung bleibt die behauptete innergemeinschaftliche Lieferung an A 2005 vom Streitgegenstand umfasst (wie 2004, vgl. oben I 2).

240

Zu Recht hat das FA für die in 2005 an A innergemeinschaftlich fakturierte Lieferung (oben A I 4 a) gleichfalls die Umsatzsteuerbefreiung versagt.

241

Der Beleg- und Buchnachweis ist jeweils unvollständig (a), im Übrigen widerlegt oder zumindest auf berechtigte Zweifel gestoßen (b). Ein objektiver Nachweis wird nicht geführt (d). Danach kommt es auf die kollusive Täuschung nicht mehr an (e) und scheidet ein Vertrauensschutz schon wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises aus (f).

242

a) 2005 A: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

243

In der Verbringungserklärung/Empfangsbestätigung fehlt die genaue Angabe des Bestimmungsorts (oben A I 4 a), auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben I 1 b ee - ff; vgl. I 1 c dd, d bb).

244

Dieser Nachweis wird nicht ersetzt durch den nur bei den Unterschriften abgedruckten vermeintlichen A-Firmenstempel mit der Ortsangabe "E" in deutscher Schreibweise (oben A I 4 a).

245

Im Übrigen lässt sich der Bestimmungsort bei unklarem Lieferweg nicht anhand der Rechnungsanschrift hinreichend bestimmen (oben I 1 b ee).

246

b) 2005 A: Widerlegter od. bezweifelter Beleg- u. Buchnachweis

247

Darüber hinaus ist selbst der unvollständige Nachweis für die angebliche Lieferung widerlegt oder zumindest auf berechtigte Zweifel gestoßen, die nicht ausgeräumt sind.

248

Insoweit wird sinngemäß Bezug genommen auf die Ausführungen zu 2004 betreffend Scheinfirma, Scheinsitz oder Scheingeschäft, und zwar bis hin zur deutschen Schreibweise E und zur Stempelverwendung (oben I 2 b aa).

249

Entsprechendes gilt für mangelnde Grenzübertritts-Dokumente und mangelnde Zulassung in Dänemark sowie für die vom Zeugen D eingeräumte - zumindest gelegentliche - anderweitige Verbringung (oben I 2 b bb Spiegelstriche 1 - 3).

250

c) 2005 A: Kein objektiver Nachweis für die Steuerbefreiung

251

Ein nach unvollständigem Beleg- und Buchnachweis (a) oder nach bisher widerlegtem oder zumindest berechtigt bezweifelten Beleg- und Buchnachweis (b) ausnahmsweise zu prüfender objektiver Nachweis der Steuerbefreiungs-Voraussetzungen (oben I 1 d) ist für die angeblichen Lieferungen an A insgesamt nicht ersichtlich und wird seitens der Klägerin nicht geführt (oben A II 13, V 1 a, VI 3 - 6).

252

d) 2005 A: Kollusive Täuschung unerheblich

253

Mangels Nachweis der Steuerbefreiungs-Voraussetzungen (oben a - c) kommt es nicht mehr auf den Ausschluss der Steuerbefreiung wegen kollusiver Täuschung an (vgl. oben I 1 e).

254

e) 2005 A: Kein Vertrauensschutz

255

Ein Schutz des Vertrauens in unrichtige Angaben des Abnehmers (oben I 1 f) ist bereits wegen des unzureichenden Beleg- und Buchnachweises (oben a) ausgeschlossen (oben I 1 f bb - dd).

256

3. 2005: LIEFERUNG ANGEBLICH AN B
Porsche 997 S Cabrio ...8 (oben A I 4 b)

257

Zu Recht hat das FA die Umsatzsteuerbefreiung auch für die in 2005 an B streitige innergemeinschaftlich fakturierte Lieferung versagt.

258

Auch hier ist der Beleg- und Buchnachweis unvollständig oder als solcher widersprüchlich (a); im Übrigen widerlegt oder zumindest auf berechtigte Zweifel gestoßen (b). Wiederum wird ein objektiver Nachweis nicht geführt (d), kommt es danach auf die kollusive Täuschung nicht mehr an, die im Übrigen zu bejahen ist (e), und scheidet ein Vertrauensschutz wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises sowie wegen mangelnder Gutgläubigkeit und Sorgfalt aus (f).

259

a) 2005 B: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

260

Bei der streitigen Lieferung des Porsche 997 S Cabrio in 2005 an B (oben A I 4 b) mangelt es an einem ausreichenden Beleg- und Buchnachweis (oben I 1 b), weil dieser nicht leicht nachprüfbar (oben I 1 b dd), sondern unvollständig ist.

261

aa) In der Verbringungserklärung/Empfangsbestätigung fehlt die genaue Angabe des Bestimmungsorts (oben A I 4 b), auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben I 1 b ee - ff; vgl. I 1 c dd, d bb).

262

Dieser Nachweis wird durch den bei den Unterschriften abgedruckten Firmenstempel (oben A I 4 a) ebenso wenig ersetzt wie durch die Rechnungsanschrift (oben 1 b ee); erst recht nicht, wenn sich die Ortsangaben im Stempel (K) und in der Rechnungsanschrift (J) unterscheiden.

263

bb) Im Übrigen bezieht sich die Verbringungserklärung/Empfangsbestätigung nicht auf die Klägerin, sondern stattdessen auf die F Auto Leasing GmbH (vgl. Parallelfall 3 K 46/15; oben A VI 8 a).

264

b) 2005 B: Bezweifelter Beleg- u. Buchnachweis

265

Unabhängig davon, dass der Beleg- und Buchnachweis unvollständig ist (oben a), ist er auch auf nicht ausgeräumte und daher die Steuerbefreiung berechtigt ausschließende Zweifel gestoßen (oben I 1 c aa - bb).

266

Diese ergeben sich aus dem isländischen Zollabfertigungs-Certificate mit der - von unbekannter Seite ohne Vermerk oder Berichtigung geschwärzten - Empfängeradresse in .../Germany (oben A I 4 b).

267

c) 2005 B: Kein objektiver Nachweis für Steuerbefreiung

268

Ein nach unvollständigem Beleg- und Buchnachweis (a) oder nach berechtigt bezweifeltem Beleg- und Buchnachweis (b) ausnahmsweise zu prüfender objektiver Nachweis der Steuerbefreiungs-Voraussetzungen (oben I 1 d) ist für die streitige Lieferung an B in 2005 ebenso wie für 2004 insgesamt nicht ersichtlich und wird seitens der Klägerin nicht geführt (vgl. oben I 3 c; A II 13, V b - c; VI 2 - 6).

269

d) 2005 B: Kollusive Täuschung

270

Nach unvollständigem und berechtigt zu bezweifelnden Beleg- und Buchnachweis und nicht geführtem objektiven Nachweis bleibt es bereits bei der Versagung der Steuerbefreiung, ohne dass die Versagung auf eine kollusive Täuschung gestützt werden müsste (vgl. oben I 1 e).

271

Letztere ist gleichwohl wie für 2004 ausgeführt gegeben (oben I 3 d bb).

272

e) 2005 B: Kein Vertrauensschutz

273

Ebenso wenig kann die Steuerbefreiung wegen etwaigen Vertrauens auf unrichtige Abnehmer-Angaben gewährt werden (vgl. oben I 1 f).

274

aa) Dafür fehlt es am vollständigen Beleg- und Buchnachweis (oben a, I 1 f bb - dd) und an der Gutgläubigkeit bei im Gegenteil bewiesener kollusiver Täuschung (oben d).

275

bb) Unabhängig von letzterer fehlt es, wie ebenfalls bereits ausgeführt (oben I 3 e), auch schon an der Erfüllung der gebotenen Sorgfaltsobliegenheiten (oben I 1 f hh - ii); zumal unter den bekannten Umständen (oben A I 2 b) und ersichtlichen Widersprüchen einschließlich Adressen und Geschäftsführung der B und Herkunft der Abholfahrer (oben I 3 c -d).

276

IV. NEBENENTSCHEIDUNGEN

277

1. Die Kostenlast folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

278

2. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich (vgl. BFH-Urteil vom 26.11.2014 XI R 37/12, Juris Rz. 51 zur tatrichterlichen Überzeugungsbildung).

279

Anmerkung: [Wegen des Umfangs des [zu neutralisierenden] Urteils sind nur die Entscheidungsgründe zur Veröffentlichung bestimmt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 K 45/14

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Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Insolvenzordnung - InsO | § 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts


(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. (2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsve

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(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). (2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsi

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(1) Die Steuer ist, soweit nicht § 20 gilt, nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 auszugehen, soweit für sie die St

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Finanzgericht Hamburg Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 K 45/14 zitiert oder wird zitiert von 33 Urteil(en).

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Bundesfinanzhof Urteil, 06. Juli 2011 - II R 34/10

bei uns veröffentlicht am 06.07.2011

Tatbestand 1 I. Über das Vermögen des X (Schuldner) wurde am 11. Mai 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) zum Treuhänder be

Bundesfinanzhof Urteil, 12. Mai 2011 - V R 46/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ans

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 12. Nov. 2009 - 12 K 273/04

bei uns veröffentlicht am 12.11.2009

Tatbestand   1 Streitig ist, ob Lieferungen von Fahrzeugen als innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne von § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sind. 2 1. Die Klägerin wurde als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Anfan
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht Hamburg Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 K 45/14.

Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Dez. 2015 - V B 40/15

bei uns veröffentlicht am 08.12.2015

Tenor Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015  3 K 45/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.


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Tenor

I. Der Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 dahin geändert, dass die Haftungssumme auf 63.624,-- € gemindert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Strittig ist ein Haftungsbescheid.

2

Der Kläger ist Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der T GmbH. Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1999 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Groß– und Einzelhandel von Unterhaltungselektronik, der Im- und Export von Waren aller Art sowie Internetmarketing und Werbung.

3

Im Herbst des Jahres 2009 fand bei der GmbH eine Steuerfahndungsprüfung auf Grund eines Auskunftsersuchens der französischen Steuerverwaltung statt. Die Prüfung bezog sich auf die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen an die V SARL und an die C SARL in Frankreich. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung hatte die GmbH Lieferungen an die beiden vorgenannten französischen Firmen im Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 218.758 € und im Zeitraum vom Januar bis Mai 2009 mit einem Gesamtbetrag von 153.772 € als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei belassen. Nach Auffassung der Steuerfahndung war allerdings wegen fehlerhaften Buch- und Belegnachweises die Steuerfreiheit für die Lieferungen zu versagen. (Kurzberichte vom 15. Dezember 2009 und 9. November 2009, Blatt 3ff der Haftungsakte Fach Einsprüche Umsatzsteuervoranmeldungen).

4

Der Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und änderte die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen für Dezember 2008 und für März 2009 mit Bescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 entsprechend. Hiergegen legte die GmbH am 26. Januar 2010 Einspruch ein.

5

Mit Schreiben vom 3. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er wegen rückständiger Umsatzsteuern und zugehörigen Säumniszuschlägen der GmbH in Höhe von derzeit insgesamt 73.269 € hafte. Der Kläger wurde aufgefordert, die zur Ermittlung einer Tilgungsquote für den Haftungszeitraum vom 10. Januar 2009 bis 19. Mai 2010 erforderlichen Angaben zu machen. Am 31. März 2010 wurde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Mit Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wurde der Kläger für die Steuerrückstände der GmbH mit einer geschätzten Tilgungsquote von 80% in Höhe von 63.624 € in Haftung genommen. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2010 mit Hinweis auf die Begründung der Einsprüche der GmbH gegen die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2008 und März 2009 Einspruch ein.

6

Mit Schreiben vom 4. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, es fehle bereits an einem Nachweis, dass die GmbH die Kaufverträge mit den französischen Gesellschaften C SARL und V SARL abgeschlossen habe, weil der angebliche Abholer, Herr C, nicht als Beauftragter/Vertretungsberechtigter der Abnehmerfirmen identifizierbar sei. Weiter sei auch nicht nachgewiesen, dass die angeblichen Abnehmer die Liefergegenstände nach Frankreich befördert oder versendet hätten.

7

Am 30. März 2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beim Amtsgericht (Blatt 1 der Insolvenzverfahrensakte 7a IN .../10). Mit Beschluss vom 31. März 2010 ordnete das Amtsgericht die Sequestration an (Blatt 12 der Insolvenzverfahrensakte). Mit Beschluss vom 12. Mai 2010 ermächtigte das Amtsgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, die arbeitsrechtliche Kündigung des Klägers als Geschäftsführer zur Vermeidung unnötiger Masseverbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung auszusprechen (Blatt 39 der Insolvenzverfahrensakte). Am gleichen Tage kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter dem Kläger (Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010, Blatt 115, 120 Insolvenzverfahrensakte). Der Kläger wurde vom Insolvenzgericht weiterhin als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert (vgl. Blatt 66, 110, 158, 177 der Insolvenzverfahrensakte). Am 19. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet (Blatt 63 der Insolvenzverfahrensakte).

8

Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 beliefen sich offene Forderungen der GmbH auf insgesamt ca. 206.000 €, von denen Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, ohne dass die GmbH die Ware versandt habe. Die vorgefundene Vermögenssituation lasse sich nicht ohne weiteres mit den beträchtlichen Umsätzen in den Jahren 2007 bis 2009 in Einklang bringen. Der Kläger hätte als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei (Blatt 115 ff der Insolvenzverfahrensakte).

9

Die erste Gläubigerversammlung fand am 24. Juni 2010 statt (Blatt 149 der Insolvenzverfahrensakte), der Termin zur Prüfung angemeldeter Forderungen in der Gläubigerversammlung fand am 26. August 2010 statt (Blatt 170 der Insolvenzverfahrensakte).

10

Der Beklagte meldete die Forderungen gegenüber der GmbH, welche auch Grundlage des Haftungsbescheids waren, zur Tabelle an. Die Forderungen wurden vom Insolvenzverwalter nicht bestritten und der Beklagte sah die Einsprüche damit als erledigt an.

11

Mit Schreiben vom 20. September 2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, den Einspruch anderweitig zu begründen, da eine Berufung auf die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Forderungen nicht zulässig sei. Da keine Antwort des Klägers erfolgte, drohte der Beklagte mit Schreiben vom 6. Juni 2011 eine Verböserung des Haftungsbescheides dahingehend an, dass er eine Haftungsquote von 100% der Haftung zu Grunde lege, da die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung mangels Angaben des Klägers ausscheide und nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe (vgl. Bericht des Insolvenzverwalters vom 17. Mai 2010, Blatt 42 ff der Insolvenzverfahrensakte; hier Blatt 48, Tabelle zur Umsatzentwicklung).

12

Mit Schreiben vom 28. November 2011 begründete der Kläger seinen Einspruch dahingehend, der Beklagte verkenne, dass die geforderten Nachweise für die innergemeinschaftlichen Lieferungen nur dann für die Steuerbefreiung Bedeutung hätten, wenn strittig sei, ob die Waren die Grenze überschritten hätten. Dies sei aber unstrittig, da ansonsten die Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Abnehmerfirma sei trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen in Frankreich nicht nachgekommen, nicht plausibel erscheine. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaubte es dem Beklagten nicht, eine Versteuerung im Inland vorzunehmen. Mit Schreiben vom 31. Januar 2012 ergänzte der Kläger seinen Einspruch dahingehend, dass die widerspruchslose Hinnahme der von dem Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner wirke. Denn der Kläger habe im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide erhoben. Nach der Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters habe er keine Erklärungen als Geschäftsführer mehr für die Gesellschaft im Einspruchsverfahren abgeben können und sei daher im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht ausgeschlossen.

13

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 setzte der Beklagte die Haftungssumme auf 79.522 € fest und wies den Einspruch des Klägers zurück. Die Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle wirke wie ein rechtskräftiges Urteil sowohl gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern als auch dem Insolvenzschuldner. Da ein Widerspruch gegen die Anmeldung zur Tabelle nicht erfolgt sei, könne der Kläger gem. § 166 AO keine Einwendungen mehr gegen die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Umsatzsteuerfestsetzungen geltend machen. Auch die GmbH habe der Forderung des Beklagten im Insolvenzverfahren widersprechen können. Ein solcher Widerspruch hätte bewirkt, dass sich die Rechtskraftwirkung der Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle nur auf die Insolvenzschuldnerin als Trägerin der Insolvenzmasse erstrecke. Für das Einspruchsverfahren hätte der Tabelleneintrag dann keine Wirkung entfaltet. Da die GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer, im vorliegenden Fall der Anmeldung der Umsatzsteuerforderungen zur Tabelle nicht widersprochen habe, entfalte der Tabelleneintrag aber die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Da der Kläger keine Angaben zur Ermittlung einer Haftungsquote gemacht habe, sei die Haftung in voller Höhe der rückständigen Steuerschuld festzusetzen. Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters habe die GmbH auch über die Mittel zur Tilgung der Rückstände verfügt.

14

Der Kläger trägt vor, die Auffassung des Beklagten, durch die widerspruchslose Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle seien die Steuern rechtskräftig festgesetzt und er habe dies gegen sich gelten zu lassen, gehe fehl. Die widerspruchslose Hinnahme der vom Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter wirke nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner, da er im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide eingelegt habe. Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis für die Geschäfte der GmbH übernommen und er habe als Geschäftsführer keine Erklärungen mehr für die Gesellschaft abgeben können. Er habe das Einspruchsverfahren für die GmbH durch den Verlust der Verwaltungs– bzw. Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH nach Einsetzung eines Insolvenzverwalters nicht weiterbetreiben können. Da er keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH mehr gehabt habe, habe er auch keinen Widerspruch in die Tabelle eintragen können, um das unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren weiter zu verfolgen. Daher erstrecke sich die Rechtswirkung des § 166 AO nicht auf ihn. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung komme es für die Anwendung des § 166 AO alleine darauf an, ob es ein Geschäftsführer versäumt habe, während der Zeit, zu der er insolvenzrechtlich noch nicht daran gehindert gewesen sei, einen Rechtsbehelf gegen Steuerbescheide einzulegen. Da er dies aber getan habe, sei er mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht präkludiert. Dies zeige sich auch dadurch, dass ein Widerspruch zumindest insolvenzrechtlich nicht die Feststellung der Forderung vereiteln könne. Insofern könne eine nach seinem Verständnis rechtsfolgenlose Erklärung im insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren nicht dazu führen, dass ihm als Dritten die Möglichkeit genommen sei, im steuerrechtlichen Verfahren einen gegenüber der GmbH erlassenen Bescheid als Vertreter kraft eigenen Rechts anzufechten. Die Rechtskraftwirkung des § 178 InsO erstrecke sich nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern. Die Schlussfolgerungen des Beklagten scheiterten auch am Wortlaut des § 166 AO. Denn dieser setze voraus, dass der Dritte einen gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anfechten könne. Bei der Forderungsanmeldung zur Tabelle handle es sich nicht um einen erlassenen Bescheid, sondern um die Mitteilung der Höhe einer fällig gewordenen Steuerschuld. Selbst wenn die widerspruchslose Forderungsanmeldung zur Tabelle so wirke, als seien die Bescheide über die Steuerfestsetzung bestandskräftig, handle es sich aus der Sicht des Dritten nicht um einen gegenüber dem Insolvenzschuldner erlassenen Bescheid. Die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Insolvenztabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter. Es sei erforderlich, dass die Steuerschuld auf Grund eines Steuerbescheides im Sinne von § 166 AO unanfechtbar sei. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle könne nicht als Bescheid angesehen werden, da es an einem regelnden hoheitlichen Ausspruch der Finanzbehörde mangele. Aber auch aus tatsächlichen Gründen sei ihm ein Widerspruch gegen die Eintragung zur Tabelle nicht möglich gewesen. Er habe sich für einen Zeitraum von acht Wochen im Juni und Juli des Jahres 2010 wegen schwerer Depressionen im Krankenhaus befunden. Auch vor diesem Zeitraum sei er seit Januar/Februar 2010 krank geschrieben und nicht in der Lage gewesen, etwaige Abwicklungsvorgänge für die GmbH wahrzunehmen. Auch nach dem Krankenhausaufenthalt sei er noch lange krankgeschrieben gewesen und erhalte eine Erwerbsunfähigkeitsrente bis heute. Dies ergebe sich aus den beigefügten Attesten des Dr. O. (Blatt 131 bis 137 der Prozessakte), der Rechnung der Privatklinik Dr. A GmbH (Blatt 138 der Prozessakte) und der Bescheinigung über Rentenleistungen von der S Versicherung (Blatt 139 der Prozessakte). Der Arzt Dr. O. sei auch als Zeuge zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er krankheitsbedingt außer Stande gewesen sei, zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung im Insolvenzverfahren Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Auch habe er seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Es sei ihm unmöglich gewesen, die vom Beklagten geforderten Angaben zu machen, da sich die Unterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter befunden hätten. Von dort habe er keine Auskunft bekommen, was die Vernehmung der beim Insolvenzverwalter tätigen Frau A. als Zeugin bestätigen werde. Der Beklagte habe sich selbst die Unterlagen beim Insolvenzverwalter beschaffen müssen. Darüber hinaus sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Beklagte habe ihm gegenüber keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen eines unterlassenen Widerspruchs hinsichtlich seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gegeben. Die Umsatzsteuerbescheide seien rechtswidrig. Wegen des Verbringens der Ware über die Grenze nach Frankreich habe der GmbH nicht die Umsatzsteuerfreiheit für die innergemeinschaftlichen Lieferungen versagt werden dürfen. Denn die erforderlichen Beleg- und Buchnachweise erlangten nur dann Bedeutung, wenn strittig sei, ob die Ware überhaupt die Grenze überschritten habe. Nach den Ausführungen in den Kurzberichten der Steuerfahndung sei dies aber unstrittig, da ansonsten die Aussage, dass die französische Abnehmerfirma trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, nicht plausibel sei. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaube es dem Beklagten nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH nicht, die Umsätze in Deutschland zu versteuern.

15

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 19. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte trägt vor, soweit der Kläger unter Erhebungsverfahren die Anwendung von insolvenzrechtlichen Vorschriften verstehe, sei zu entgegen, dass der Grundsatz bestehe, Insolvenzrecht gehe vor Steuerrecht. Die Entstehung und die Höhe der Ansprüche richteten sich nach dem Steuerrecht, die Geltendmachung der Forderungen jedoch nach insolvenzrechtlichen Vorschriften. Dies habe beispielsweise zur Folge, dass keine Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid erfolge, sondern durch Anmeldung zur Tabelle, die wie eine Steuerfestsetzung wirke. Auch auf das bereits geführte Rechtsbehelfsverfahren wirkte sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus. Ein bestehendes Rechtsbehelfsverfahren werde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die weitere Verfolgung des unterbrochenen Rechtsbehelfsverfahrens gegen die erlassenen Steuerbescheide sei der GmbH -vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer- durch Widerspruch zur Tabelle möglich gewesen. Die Regelung des § 166 AO finde daher Anwendung.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist unbegründet.

19

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht zur Haftung für die in der Einspruchsentscheidung festgesetzte Haftungssumme herangezogen.

20

Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen rückständiger Umsatzsteuer durch Haftungsbescheid nach § 191 AO in Haftung genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen nicht erfüllt und insbesondere nicht dafür gesorgt hat, dass die Steuern aus den Mitteln, die er verwaltete, entrichtet wurden.

21

1.
Der Kläger war als Geschäftsführer und gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S.d. § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerlichen Interessen der GmbH wahrzunehmen und die daraus resultierenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Zu ihnen gehörte die fristgerechte Entrichtung der geschuldeten Steuern.

22

a)
Eine Entrichtung der vom Beklagten mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 2008 und für März 2009 ist indes nicht erfolgt. Die in der Nichtentrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007- VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521; BFH-Beschluss vom 5. März 1998 - VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Ziel der Haftung ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO bezeichneten Personen verursacht worden sind. Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens beim Steuergläubiger besteht auch ein adäquater Kausalzusammenhang. Denn durch die pflichtwidrige Nichtabführung der fällig gewordenen Umsatzsteuerbeträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007 - VII R 18/06, a.a.O.). Die Voraussetzungen der Haftung des Klägers für die Steuerschulden der GmbH liegen damit vor.

23

b)
Auch die Ermessenserwägungen des Beklagten in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 sind nicht zu beanstanden. Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der Erstschuld nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen im Streitfall mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 4121/07, EFG 2012, 195).

24

c)
Der Beklagte hat die Haftungssumme allerdings zu Unrecht in der Einspruchsentscheidung auf 100% der rückständigen Steuer erhöht.

25

aa)
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei der Haftung für Umsatz- und Körperschaftssteuer der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten. Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nach §§ 69, 34 AO nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ist der Haftungsschuldner verpflichtet, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen; eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, können zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen. Dabei sind bei der Schätzung der Haftungssumme vom Geschäftsführer gem. § 90 Abs. 1 AO die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu verlangen. Im Rahmen seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nach § 93 Abs. 1 AO ist der Haftungsschuldner gehalten, die geforderten Daten zur Mittelverwendung während des Haftungszeitraumes, zu dem Bestand an Eigen- und Fremdkapital der GmbH sowie zu Art und Umfang der Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge, insbesondere insoweit als die Zahlungen zur Gläubigerbefriedigung gedient haben, beizubringen. Solange der Haftungsschuldner die vorgenannten Daten nicht selbst ermittelt oder vorlegt, kann das Finanzamt von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch machen. Die Verletzung der dem Geschäftsführer im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung kann bei der Ausübung der Schätzungsbefugnis berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 - VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498).

26

Der Kläger selbst hat keinerlei Angaben zu den vom Beklagten aufgeworfenen Fragen zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht.

27

Nach den Ermittlungen des Beklagten an Hand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen hat der Kläger Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger geleistet. Insoweit sind die Fragen des Beklagten zur Ermittlung einer Tilgungsquote auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern der GmbH durchaus berechtigt, zumal der Beklagte auf Grund dieser eigenen Ermittlungen nicht in der Lage war, eine Tilgungsquote zu berechnen. Da der Kläger diese Angaben aber verweigert hat, war der Beklagte befugt, eine Tilgungsquote und damit eine Haftungssumme zu schätzen. Der Beklagte hat die Haftungssumme in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 nachvollziehbar zunächst in Höhe von 80% geschätzt.

28

Zwar kann einem Haftungsschuldner nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nachvollziehbar darlegt, dass er nicht in der Lage ist, zuverlässige Auskünfte über den Umfang der im Haftungszeitraum erbrachten Tilgungsleistungen zu geben, weil sich die Unterlagen beim Insolvenzverwalter befinden und er trotz schriftlicher Anfrage von dort keine Auskunft und keinen Einblick in die Unterlagen erhalten hat. Ein Haftungsschuldner kommt dann seiner Mitwirkungspflicht nach, indem er mitteilt, das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt zu haben und indem er im Übrigen auf die beim Insolvenzverwalter befindlichen Buchführungsunterlagen verweist, weil er weitere Angaben aus dem Gedächtnis nicht machen kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007 - VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).

29

Der Kläger hat hierzu angegeben, die Buchführungsunterlagen der GmbH hätten sich beim Insolvenzverwalter befunden und er habe die Unterlagen von dort nicht erhalten. Allerdings hat der Beklagte den Kläger bereits mit Schreiben vom 3. März zu den entsprechenden Angaben aufgefordert und erst am 31. März 2010 wurde ein –vorläufiger- Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 dargelegt, die Geschäftsunterlagen der GmbH hätten sich beim Geschäftsführer, also dem Kläger, befunden. Einer Beweiserhebung zu der Frage, ob dem Kläger die Einsicht in die Geschäftsunterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter verwehrt wurde, bedarf es aber nicht, weil es darauf für die Entscheidung des Streitfalls nicht ankommt.

30

Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 auch dargelegt, während der Steuerberater der GmbH bis einschließlich Dezember 2009 die Buchführung erledigt habe, habe die GmbH die Monate Januar und Februar 2007 selbst gebucht. Insofern kann also keine Rede davon sein, dass der Kläger mangels Kenntnis der finanziellen Situation der GmbH dem Beklagten die entsprechenden Angaben zur Ermittlung einer Tilgungsquote -wenigstens aus dem Gedächtnis und wenigstens in ungefährer Höhe- nicht hätte machen können. Der Kläger hat auch im Klageverfahren nicht vorgetragen, in welcher Höhe eine Tilgungsquote anzunehmen sei und inwiefern die vom Beklagten dem Haftungsbescheid zugrunde gelegte Tilgungsquote unzutreffend ist.

31

Bei seiner Schätzung einer Tilgungsquote von 80% im Haftungsbescheid ist der Beklagte von den ihm zur Verfügung stehenden Kenntnissen ausgegangen, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe.

32

bb)
Aber selbst bei einer Mitwirkungspflichtverletzung des Haftungsschuldners durch unvollständige Auskunft entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts nicht völlig. Das Finanzamt ist jedenfalls verpflichtet, die ihm bekannten Indizien über die finanzielle Situation des Steuerschuldners in die notwendige Ermessenserwägung einfließen zu lassen. Auch bei einer Mitwirkungspflichtverletzung darf dies das Finanzamt nicht unterlassen und sich mit der Feststellung begnügen, Anhaltspunkte für eine eventuell vorzunehmende Quotierung seien nicht ersichtlich (vgl. Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 9. Oktober 2001 - II 333/01, in juris). Verletzt der Haftungsschuldner die ihm obliegende Mitwirkungspflicht durch Schweigen oder eine unberechtigte Weigerung, die in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, so kann dies zwar zu seinem Nachteil verwertet werden. Doch entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts damit nicht gänzlich, sie reduziert sich lediglich ihrem Umfang nach. Das Finanzamt hat dann die ihm ohne weiteren Aufwand zugänglichen Unterlagen heranzuziehen. Die Annahme einer 100%igen Tilgungsquote ist aber gerade in Fällen eines zeitlich schnell nachfolgenden Konkurses eher die Ausnahme als die Regel (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1999 - 2 V 75/99, EFG 2000, 46). In den Fällen, in denen über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Forderungen anderer Gläubiger nicht voll befriedigt werden (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2006 - 9 K 4573/03 H, EFG 2006, 706 und Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 20. August 2002 - 2 K 367/98, in juris).

33

Nicht gerechtfertigt ist daher die Annahme einer Tilgungsquote von 100% durch den Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012. Denn nach dem Bericht des Insolvenzverwalters seien Forderungen der GmbH in Höhe insgesamt ca. 206.000 € ausstehend gewesen, von denen allerdings Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft gewesen seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, die GmbH allerdings keine Ware mehr ausgeliefert. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters hätte der Kläger als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die finanziellen Mittel der GmbH im Haftungszeitraum noch ausgereicht hätten, alle Verbindlichkeiten und somit auch die Steuerforderungen des Beklagten in voller Höhe zu erfüllen. Bei der Schätzung der Tilgungsquote ist daher zu berücksichtigen, dass bei den vom Insolvenzverwalter ermittelten positiven Ergebnissen die zweifelhaften Forderungen ebenso zu berücksichtigen sind wie etwaige Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der geleisteten Vorauszahlungen der Kunden der GmbH. Eine Tilgungsquote von 100% ist demnach zu hoch angesetzt.

34

cc)
Das Gericht macht daher von seiner ihm zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis -§ 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 AO- (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498) Gebrauch und schätzt die Tilgungsquote ausgehend von den vorgenannten Umständen, die sich aus der Insolvenzverfahrensakte ergeben, auf 80% der rückständigen Steuer. Bei dieser Schätzung berücksichtigt das Gericht die fehlende Mitwirkung des Klägers nur insoweit, als dieser keinerlei Angaben, also auch keine Angaben aus dem Gedächtnis, zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht hat, nicht aber den Umstand, dass der Kläger nicht die vom Beklagten geforderten Angaben aus den Geschäftsunterlagen der GmbH heraus gemacht hat. Das Gericht geht bei seiner Schätzung davon aus, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt hat. Ausgehend von diesen betrieblichen Ergebnissen ist allerdings zu berücksichtigen, dass von den ausstehenden Forderungen in Höhe insgesamt ca. 206.000 € Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft waren und dass auf Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € keine Ware mehr ausgeliefert wurde. Allerdings hat die GmbH nach den Ermittlungen des Beklagten anhand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger im Haftungszeitraum geleistet. Weiterhin berücksichtigt das Gericht die Einschätzung des Insolvenzverwalters, dass die GmbH spätestens ab Mitte Februar 2010 zahlungsunfähig war. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Schätzung einer Tilgungsquote von 80% gerechtfertigt, wie diese auch der Beklagte in dem angefochtenen Haftungsbescheid vorgenommen hat.

35

2.
Dem Kläger ist es gem. § 166 AO verwehrt, im Haftungsverfahren Einwendungen gegen die zu Grunde liegenden Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide geltend zu machen.

36

a)
Nach § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. § 166 AO ist eine Vereinfachungsnorm. Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits -erfolglos- angefochten hat. Sofern § 166 AO eingreift, soll daher das Haftungsverfahren von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden. Insoweit dient § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Das Haftungsverfahren dient nicht dazu, dem Haftungsschuldner eine erneute Überprüfungsmöglichkeit der Steuerfestsetzungen im Haftungsverfahren zu ermöglichen, wenn er bereits kraft eigenen Rechts zur Anfechtung der Steuerfestsetzungen befugt war (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. Februar 2007 - 11 V 205/06, EFG 2007, 1050). Der Haftungsschuldner muss den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen, wenn er die Steuerfestsetzung mit Rechtsbehelfen hätte angreifen können (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass das Steuerfestsetzungsverfahren, das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführt worden ist, nochmals im Rahmen eines Haftungsverfahrens gegen einen Dritten aufgerollt wird und sich damit das Verfahren unnötig verzögert (vgl. Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, Rn 2 zu § 166).

37

Der Kläger hat zwar als gesetzlicher Vertreter der GmbH gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 Einspruch eingelegt und diese damit angefochten. Wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 19. Mai 2010 richtet sich die Anfechtung der Umsatzsteuerforderungen i.S.d. § 166 AO durch den Kläger als Vertreter der GmbH nunmehr nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften. Denn insoweit besteht grundsätzlich Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerverfahrensrecht (vgl. BFH-Urteil vom 02. November 2010 - VII R 62/10, BStBl. II 2011, 439). Das von der GmbH durch Einlegung des Einspruchs eröffnete Einspruchsverfahren wurde mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19. Mai 2010 analog § 240 ZPO unterbrochen (vgl. Finanzgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17. August 2005 - 4 K 1893/02, EFG 2005, 1664).

38

b)
Mit der widerspruchslosen Eintragung der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Umsatzsteuerforderungen in der Tabelle hat das Einspruchsverfahren seine Erledigung gefunden.

39

Wird während eines finanzgerichtlichen Verfahrens über einen Steueranspruch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet und das Klageverfahren dadurch unterbrochen, bewirkt die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle die Erledigung des Finanzrechtsstreits in der Hauptsache (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, BStBl. II 2013, 585). Denn nachdem auch der Kläger als Vertreter des Insolvenzschuldners der Haftungsforderung des Beklagten nicht widersprochen hat, wirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle gemäß § 178 Abs. 3 und § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil nicht nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern, sondern auch gegenüber dem Insolvenzschuldner. Folge der Rechtskraft ist, dass in einem rechtshängigen Verfahren keine abweichende Entscheidung getroffen werden kann und sich der ursprüngliche Rechtsstreit somit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 15. August 2011 - 3 K 132/11, EFG 2011, 2180 m.w.N.). Da die Eintragung der auf den angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden beruhenden Umsatzsteuerforderungen in die Insolvenztabelle mangels Widerspruchs des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgläubiger wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt -§ 178 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 InsO-, tritt jedenfalls dann, wenn -wie vorliegend- auch der Schuldner der Feststellung zur Insolvenztabelle nicht widersprochen hat -vgl. §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201, 257 InsO-, bezüglich der Rechtsstreitigkeiten, die die gegen die Insolvenzmasse gerichteten Steuerforderungen betreffen, die Erledigung der Hauptsache ein (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November 2010 - IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650).

40

c)
Unabhängig davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle nicht die Unterbrechung des Rechtsbehelfsverfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O. und Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 51 zu § 251 AO), ist die Steuerforderung aber unanfechtbar geworden i.S.d. § 166 AO.

41

Als Voraussetzung der Anwendung des § 166 AO muss die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar sein. Nach dem Wortlaut setzt die Regelung des § 166 AO voraus, dass die Steuerfestsetzung nicht -mehr- mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden kann. Denn § 166 AO spricht von einer "unanfechtbaren" Steuerfestsetzung und stellt damit eindeutig auf die Möglichkeit der Anfechtung mittels eines Rechtsbehelfs ab (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 18 zu § 166 AO). Gem. § 178 Abs. 3 InsO bewirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle nach den zu § 322 ZPO entwickelten Grundsätzen in gleichem Umfang Rechtskraft zwischen den Parteien, wie es bei einem rechtskräftigen Urteil der Fall ist. Diese Rechtskraft führt einerseits zur Unzulässigkeit weiterer Verfahren zwischen den Parteien über denselben Streitgegenstand und hindert andererseits in schon rechtshängigen Verfahren eine abweichende Entscheidung (vgl. BGH-Beschluss vom 02. Februar 2005 - XII ZR 233/02, in juris). Die unbestrittene Eintragung in die Tabelle gilt bei Steuerforderungen daher wie ein bestandskräftiger Verwaltungsakt (vgl. Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 29. Mai 2002 - III 65/1999, EFG 2002, 1274). Die Fortsetzung des Rechtsbehelfsverfahrens ist ausgeschlossen und auch überflüssig, wenn der Schuldner gegen einen Steuerbescheid zunächst Einspruch eingelegt, dem Eintrag der Steuerforderung in die Tabelle jedoch nicht widersprochen hat (vgl. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Rn. 325 zu § 253 AO). Gelten die Ansprüche als festgestellt i.S.d. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO, so können sie nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten werden (vgl. Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 62 zu § 251 AO).

42

Daher muss der Kläger nach der Regelung des § 166 AO auch im Streitfall durch die widerspruchslose Feststellung der Umsatzsteuerforderungen des Beklagten zur Insolvenztabelle diese gegen sich gelten lassen.

43

d)
Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf (vgl. Urteil vom 23. März 1982 VIII (II) 91/76 UM, EFG 1982, 550), die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Konkurstabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter einer OHG, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, auch wenn der Haftungsschuldner von der ihm gem. § 144 Abs. 2 KO zustehenden Befugnis, persönlich als Gemeinschuldner Widerspruch zur Konkurstabelle gegen die Eintragung der angemeldeten Forderungen zu erheben, keinen Gebrauch gemacht hat. Dieses Urteil ist zu der Regelung des § 119 AO in der Fassung vor 1977 ergangen, welche Vorläufer der Regelung des § 166 AO 1977 war und bei der die zu jener Norm ergangene Rechtsprechung uneingeschränkt auf § 166 AO übertragen werden kann (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 6 zu § 166 AO). Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich darauf gestützt, dass diese auf Vorschriften der Privatrechtsordnung beruhende Wirkung des § 119 AO a.F. auf das hoheitliche Verhältnis zwischen Steuergläubiger und Haftungsschuldner nicht übertragen werden könne. Weder enthalte die Konkursordnung keinen Hinweis darauf, im Fall des Konkurses einer OHG verschlechtere ein unterlassener Widerspruch des Gemeinschuldners zugleich seine Position als Haftungsschuldner gegenüber dem Steuergläubiger, noch sei dies aus der Anmeldung der Forderung bzw. deren Eintragung in die Konkurstabelle ersichtlich. In dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall hatte der dortige Kläger im Hinblick auf § 6 KO als Vertreter der Gemeinschuldnerin aber -anderes als im vorliegenden Streitfall- keine Befugnis, Einspruch gegen den auf Grund des vom Konkursverwalter erhobenen Widerspruchs erlassenen Feststellungsbescheid einzulegen. Das Finanzgericht Düsseldorf wendet sich insoweit gegen eine über den Wortlaut hinausgehende, aus dem Sinn des § 119 AO a.F. abgeleitete, ausdehnende Anwendung dergestalt, die dem Gemeinschuldner gem. § 144 Abs. 2 KO persönlich zustehende Befugnis, Widerspruch gegen die angemeldeten Forderungen zu erheben, dem "eigenen Anfechtungsrecht" gleichzustellen.

44

Im Streitfall konnte der Kläger hingegen als Geschäftsführer und damit als gesetzlicher Vertreter der GmbH die Umsatzsteuerfestsetzung anfechten und auch als Vertreter der GmbH -der Insolvenzschuldnerin- Widerspruch gegen die zur Tabelle angemeldeten Forderungen des Beklagten erheben. Die damit zu weit gehende Begründung seiner Auffassung durch das Finanzgericht Düsseldorf lässt den Grundsatz des Vorrangs des Insolvenzrechts außer Acht und dass sich aus § 166 AO ohne Weiteres ergibt, dass der Haftungsschuldner -sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen- den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen muss und sich folglich ebenso wenig wie der Steuerschuldner selbst gegenüber einem bestandskräftigen Steuerbescheid auf die materielle Rechtslage berufen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Auch würde der Zweck des § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe entfallen (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Die Regelung des § 166 AO greift zudem auch gegenüber einem anfechtungsberechtigten Dritten ein, dem die Steuerfestsetzung zunächst nicht bekannt geworden ist, oder der aus anderen tatsächlichen Gründen von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen konnte (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 24 zu    § 166 AO). Daher kann es für die Anwendung des § 166 AO keine Rolle spielen, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in diesem Verfahren nicht nochmals darauf hingewiesen wird, dass bereits außerhalb des Insolvenzverfahrens angefochtene Steuerbescheide, sofern diese Forderungen zur Tabelle angemeldet wurden, im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu bestreiten sind. Da die widerspruchslose Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle einem rechtskräftigen Urteil vergleichbar ist, kann einem vor dem Insolvenzverfahren erhobenen Einspruch gegen einen Steuerbescheid keine Bedeutung mehr zukommen. Dies zeigt sich auch darin, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung nicht zugleich die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O.).

45

e)
Unerheblich ist, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung krankheitsbedingt außer Stande gewesen war, im Insolvenzverfahren der GmbH Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Daher bedurfte es keiner Beweiserhebung zu dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag.

46

Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich für die erste Gläubigerversammlung am 24. Juni 2010 allerdings keine Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der Kläger wurde an diesem Tag aus der Privatklinik Dr. A GmbH entlassen.

47

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gem. § 166 AO greift aber gegenüber einem Geschäftsführer als Haftungsschuldner bereits insoweit ein, als dieser aufgrund der gesetzlichen Regelungen über die Vertretung der Gesellschaft zur Anfechtung der Steuerbescheide befugt gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 1998 – VII B 168/98, VII B 171/98, VII B 168/98, VII B 171/98, BFH/NV 1999, 1054). "In der Lage sein" im Sinne des § 166 AO meint die rechtliche Befugnis zur Anfechtung der Steuerfestsetzung, nicht die tatsächliche Möglichkeit (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 13 K 2582/07, EFG 2012, 778; Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Juni 2007 – 1 V 59/07, EFG 2007, 1654).

48

Zwar hatte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 15. Mai 2010 gekündigt. Allerdings berührt diese Kündigung die Stellung des Klägers als Geschäftsführer der GmbH nicht, da der Kläger von der Gesellschafterversammlung der GmbH nicht abberufen und kein neuer Geschäftsführer bestellt wurde. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses berührt nur den Anspruch des Klägers auf Vergütung seiner Geschäftsführertätigkeit, nicht aber das Organverhältnis (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Rn 63 zu § 35). Der Kläger war also rechtlich in der Lage, den Widerspruch gegen die Steuerforderung des Beklagten zur Tabelle anzumelden. Zudem wurde der Kläger weiterhin vom Insolvenzgericht als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert.

49

Im Übrigen war der Kläger ausweislich der vorgelegten Atteste des als Zeuge benannten Arztes auch nicht während des gesamten Zeitraums von der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens bis zur ersten Gläubigerversammlung arbeitsunfähig. Vielmehr war der Kläger danach in der Zeit vom 11. Mai 2010 bis zum 1. Juni 2010 nicht arbeitsunfähig. Jedenfalls hätte der Kläger wenigstens für seine Vertretung sorgen können. Zudem bedeutet die dem Kläger attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, gegenüber dem Insolvenzverwalter den Widerspruch schriftlich bis zur ersten Gläubigerversammlung zu erklären.

50

3.
Auch wenn es daher nicht darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass die Einwände des Klägers gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen ohnehin unbeachtlich sind.

51

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sind die Voraussetzungen für das Vorliegen und den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch eine Reihe von Urteilen unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH im Wesentlichen geklärt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich danach, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH sind die Nachweispflichten aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, UR 2008, 186; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, UR 2008, 337 und UR 2008, 340). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH folgt daraus, dass sofern der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der -formellen- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, a.a.O.; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, a.a.O.).

52

a)
Im Streitfall ergibt sich aus den Auskunftsersuchen der französischen Steuerverwaltung aber gerade nicht, dass die Waren an die angeblichen Abnehmerfirmen geliefert wurden und dass es in Frankreich lediglich an einer Erwerbsbesteuerung der Lieferungen fehlt. Allein mit der Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Steuerverwaltung habe hinsichtlich angeblicher Warenlieferungen um Amtshilfe gebeten, ergibt sich aber nicht, dass die Lieferungen tatsächlich an die angegebene Abnehmerfirma erfolgt sind und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung im Übrigen vorgelegen hätten. Im Schreiben vom 4. März 2010 hat der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Informationen der französischen Steuerverwaltung über die fehlende Erwerbsbesteuerung lediglich als ein Hinweis unter mehreren angeführt seien, warum an der Richtigkeit des Belegnachweises gezweifelt werde.

53

b)
Entscheidend ist im Streitfall jedenfalls, dass weder durch den Beleg- oder Buchnachweis noch auf sonstige Art und Weise nachgewiesen ist, dass der tatsächliche Abholer der gelieferten Gegenstände für die angeblichen Käufer der Waren in dem anderen Mitgliedstaat tätig geworden ist.

54

Zu der Erfüllung der formellen Nachweispflichten ist in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV geregelt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus den Belegen eindeutig ergeben. In den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer soll der Unternehmer den erwähnten Nachweis gem. § 17a Abs. 2 UStDV durch
- das Doppel der Rechnung (Nr. 1),
- einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein (Nr. 2),
- eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Nr. 3),
sowie
- eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet "zu befördern" (Nr. 4) führen.

55

Der für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung geforderte Belegnachweis kann nicht durch eine mündliche, sondern nur durch eine schriftliche Versicherung geführt werden. Dies ergibt der Hinweis auf "Belege" in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV. Die gesetzlich geforderte eindeutige und leichte Nachprüfung muss gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus Urkunden in Form von Belegen möglich sein (BFH-Urteil vom 18. Juli 2002 - V R 3/02, BStBl. II 2003, 616).

56

Zwar gehört die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht zu den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Belegnachweises, ebenso wenig der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners einer solchen Vollmacht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2009 - XI B 79/08, BFH/NV 2010, 72). Aber die Belege haben im Hinblick auf die Nachweisfunktion stets bestimmten Mindestanforderungen zu entsprechen. So kommt einem Beleg, der weder selbst noch durch Verbindung mit anderen Unterlagen den Namen und die Anschrift des Ausstellers erkennen lässt, kein Beweiswert zu, zumal die Belegangaben dann nicht eindeutig und leicht nachprüfbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BStBl. II 2010, 511). In den sog. Abholfällen i. S. d. § 17a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV daher ergeben, dass dieser Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten und die Identität des Beauftragten muss belegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067).

57

Erweisen sich die Nachweisangaben aber als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555).

58

Im Streitfall ergibt sich weder aus den vorgelegten Belegen, dass die Waren durch den Abholer für den Käufer der Waren im Rahmen der Lieferbeziehung in den anderen Mitgliedstaat befördert wurden, noch ergibt sich dies aus den vom Kläger im Rechtsbehelfsverfahren nachträglich vorgelegten Unterlagen. Für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht lediglich ausreichend, dass die Waren in den anderen Mitgliedstaat gelangt sind. Denn für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung kommt es nicht allein darauf an, dass die Liefergegenstände auf irgend einem Wege ins übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, sondern dass die Lieferung von dem Leistenden im Inland an den Leistungsempfänger im übrigen Gemeinschaftsgebiet aufgrund der Vertragsbeziehungen, die der Leistung zugrunde liegen, nachgewiesen wird. Diesen Nachweis hat der Kläger im Streitfall aber nicht erbracht.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lieferte Gegenstände in das Ausland und behandelte die Lieferungen als nach § 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. In ihrer Buchführung verbuchte sie die Ausfuhrlieferungen auf einem separaten Konto unter Bezugnahme auf die jeweilige Rechnung über die Ausfuhrlieferungen. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Lieferungen steuerpflichtig seien, da die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht habe und änderte durch die Bescheide vom 2. Februar 2012 die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre 2007 und 2008. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

2

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1045 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) wie auch der des Bundesfinanzhofs (BFH) sowohl den Belegnachweis als auch den Buchnachweis erbracht. Sie habe mit der Erstellung von Anlagen zu den Rechnungen vor der letzten mündlichen Verhandlung die erforderlichen Spezifizierungen vorgenommen. Die Angaben seien zur Bezeichnung von Menge und Art der ausgeführten Gegenstände ausreichend, da anhand dieser Bezeichnungen für einen sachkundigen Dritten eindeutig feststellbar sei, welche Waren ausgeführt worden seien. Der Angabe individualisierter Artikelnummern habe es nicht bedurft. Der Buchnachweis ergebe sich daraus, dass die Klägerin die steuerfreien Ausfuhrlieferungen auf einem gesonderten Konto unter Angabe der jeweiligen Rechnungsnummer aufgezeichnet habe. Aufgrund der Erstellung der Anlagen zu den Rechnungen sei auch der Buchnachweis noch rechtzeitig ergänzt worden.

3

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Für den buchmäßigen Nachweis reichten Sammelbezeichnungen wie z.B. Lederware nicht aus. Die erst nachträglich erstellten Anlagen zu den Rechnungen hätten der Betriebsprüfung nicht vorgelegen. Diese Anlagen seien für einen Objektivnachweis nicht geeignet. Die Klägerin habe auch kein Warenausgangsbuch i.S. von § 144 der Abgabenordnung (AO) geführt. Ihre gesamte Buchführung sei nicht als ordnungsgemäß anzusehen. Die Klägerin habe das Umlaufvermögen nicht einzeln, sondern nur mit Gattungsbezeichnungen erfasst. Korrekturen des Buchnachweises seien nur aufgrund von Umständen zulässig, die der Unternehmer nicht zu vertreten habe. Das Urteil verstoße gegen den klaren Inhalt der Akten. Es werde Aufklärungsrüge geltend gemacht.

4

Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

7

1. Ausfuhrlieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG unter den in § 6 UStG bezeichneten Voraussetzungen steuerfrei. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 146 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL).

8

a) Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung hat der Unternehmer gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 UStG nachzuweisen, wobei das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrats bestimmen kann, wie der Unternehmer die Nachweise zu führen hat (§ 6 Abs. 4 Satz 2 UStG). Aufgrund dieser Ermächtigung hat der Unternehmer einen Nachweis gemäß §§ 8 ff. UStDV durch Belege (Belegnachweis) und gemäß § 13 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) durch Aufzeichnungen (Buchnachweis) zu führen. Die Vorschriften zum Beleg- und Buchnachweis gemäß § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 bis 17 UStDV beruhen unionsrechtlich auf der gemäß Art. 131 MwStSystRL bestehenden Befugnis, Bedingungen für die Anwendung der Steuerbefreiungen für Ausfuhrlieferungen festzusetzen und sind daher grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar.

9

b) Erfüllt der Unternehmer die nach § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 bis 17 UStDV bestehenden Nachweispflichten, ist er berechtigt, die Lieferung als steuerfrei zu behandeln. Die durch den Unternehmer beigebrachten Belege und Aufzeichnungen unterliegen aber der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung, ohne dass den Nachweispflichten dabei materiell-rechtliche Bedeutung für die Steuerfreiheit zukommt (BFH-Urteil vom 28. Mai 2009 V R 23/08, BFHE 226, 177, BStBl II 2010, 517, unter II.1. und 2.).

10

c) In zeitlicher Hinsicht kann der Unternehmer den Belegnachweis bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG erbringen. Demgegenüber muss der Buchnachweis grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Unternehmer die Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum der Ausfuhrlieferung abzugeben hat. Der Unternehmer, der eine Ausfuhrlieferung als steuerfrei erklärt, muss sich durch seine buchmäßigen Aufzeichnungen zumindest dem Grunde nach vergewissern, ob er die Voraussetzungen der Steuerfreiheit als gegeben ansehen kann. Nach dem Zeitpunkt für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung kann der Unternehmer die buchmäßigen Aufzeichnungen nicht mehr erstmals erstellen, sondern nur noch berichtigen oder ergänzen. Derartige Korrekturen können bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG erfolgen (BFH-Urteil in BFHE 226, 177, BStBl II 2010, 517, unter II.3.).

11

2. Im Streitfall hat das FG zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Klägerin steuerfrei sind.

12

a) Wie das FG nach den Maßstäben der Rechtsprechung des erkennenden Senats zutreffend entschieden hat, hat die Klägerin den Belegnachweis aufgrund der von ihr erstellten Anlagen zu den Rechnungen vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erbracht. Dabei ist die auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des FG, dass die Ergänzungen der Rechnungen für den Beleg- und Buchnachweis ausreichten, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

b) Um den Buchnachweis i.S. von § 13 UStDV entsprechend dem Senatsurteil in BFH-Urteil in BFHE 226, 177, BStBl II 2010, 517, unter II.3. dem Grunde nach zu führen, reicht es ferner aus, wenn die Klägerin die Ausfuhrlieferungen auf einem separaten Konto unter Bezugnahme auf die jeweilige Rechnung verbucht. Entgegen der Auffassung des FA kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer zusätzlich ein Warenausgangsbuch i.S. von § 144 AO führt oder weitergehend seine Buchführung im Allgemeinen als ordnungsgemäß anzusehen ist. Ohne dass der Senat darüber zu entscheiden hat, ob der nationale Gesetzgeber unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu z.B. EuGH-Urteil vom 19. Dezember 2013 C-563/12, BDV Hungary Trading, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2014, 182, Rdnrn. 29 ff.) berechtigt wäre, für den Buchnachweis auf derartige Kriterien abzustellen, ergeben sich derartige Erfordernisse jedenfalls nicht aus §§ 8 ff. UStDV. Die Klägerin war daher berechtigt, durch die im finanzgerichtlichen Verfahren erstellten Anlagen zu den Rechnungen nicht nur den Belegnachweis, sondern auch den Buchnachweis zu vervollständigen.

14

c) Liegt somit im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG der Beleg- und Buchnachweis vor, ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 6 UStG zu vermuten. Diese Vermutung entfällt erst, wenn sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend erweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben bestehen, die der Unternehmer nicht ausräumt; die Lieferung ist aber dann gleichwohl steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, unter II.1.d bb zur Parallelfrage bei § 6a UStG, und BFH-Urteil vom 23. April 2009 V R 84/07, BFHE 225, 243, BStBl II 2010, 509, unter II.2.c).

15

Berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) zu verneinen. Derartige Zweifel hat das FA auch nicht vorgebracht. Ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit zudem auch objektiv feststehen, ist entgegen der Auffassung des FA nach dem BFH-Urteil in BFHE 226, 177, BStBl II 2010, 517, unter II.4.b für eine bereits beleg- und buchmäßig zu bejahende Steuerfreiheit unerheblich.

16

d) Schließlich kommt es entgegen der Auffassung des FA auch nicht auf ein Vertretenmüssen in Bezug auf Nachweismängel an.

17

Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 226, 177, BStBl II 2010, 517 unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861, Rdnrn. 33 ff. entschieden, dass sich Korrekturen z.B. aufgrund von Umständen, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten hat, als notwendig erweisen können und unter den Bedingungen, die auch für Rechnungsberichtigungen gelten, zulässig sind, wobei es darauf ankommt, ob die verspätete Erbringung des Buchnachweises das Steueraufkommen gefährdet oder die Steuererhebung beeinträchtigt hat.

18

Dies steht einer Ergänzung des Buchnachweises indes nicht entgegen, da Rechnungen nach § 14c UStG unabhängig von einem schuldhaften Handeln des Rechnungsausstellers berichtigungsfähig sind.

19

3. Die Verfahrensrügen sind unzulässig (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO). Die bloße Behauptung einer Aktenwidrigkeit und die Erklärung, Aufklärungsrüge geltend zu machen, enthält ohne weitergehende Begründung, an der es hier fehlt, keine Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich diese Mängel ergeben.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 31.08.2010 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 14.581,30 € gemindert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


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Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. Sie lieferte am 22. Januar 2003 einen Porsche 911 Carrera 4S Coupe umsatzsteuerfrei zum Preis von ... € an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T mit Sitz in V. Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma S durch einen Bevollmächtigten bei der Klägerin abgeholt, der den Kaufpreis bar bezahlte. Als Abholer trat ein Herr mit dem Namen B auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung beinhaltet den handschriftlichen Vermerk "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" und ist mit dem Namen "B" unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ am 12. Juli 2004 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003, in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt ... € erhöhte. Das FA hat für den Umsatz mit T einen Umsatzsteuerbetrag von ... € und für einen weiteren, revisionsrechtlich nicht angegriffenen Geschäftsvorfall einen Betrag von ... € angesetzt. Die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an T beruht auf einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, nach der T ein Scheinunternehmen war, was nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

3

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage hinsichtlich der Lieferung des Porsche 911 Carrera an T unter Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... € statt und wies die Klage im Übrigen in dem revisionsrechtlich nicht angegriffenen Teil ab. Für die Lieferung des Porsche 911 Carrera an T seien zwar die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt, denn der Abnehmer --die T-- sei ein Nichtunternehmer ("Scheinunternehmer") gewesen. Gleichwohl sei die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG vorlägen.

5

Die Klägerin habe keine Zweifel am tatsächlichen Abholer haben müssen. Sie habe sich sämtliche Belege, die nach § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderlich seien, vorlegen lassen. Insbesondere habe sie den Belegnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV erfüllt. Danach sei der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu führen. Dies sei erfüllt, denn die Klägerin habe durch den Vermittler S einen Handelsregisterauszug betreffend der T vorgelegt. Damit verbunden sei eine Versicherung gewesen, dass das Fahrzeug nach Italien befördert werden solle. Diese Versicherung sei auch schriftlich und in deutscher Sprache erfolgt. Sie enthalte unter Bezugnahme auf den Handelsregisterauszug Name und Anschrift der T (Abnehmer) sowie eine mit Datum versehene Unterschrift des Abnehmers bzw. in diesem Fall des Bevollmächtigten B. Damit habe die Klägerin ihre Sorgfaltspflichten aus § 6a Abs. 4 UStG erfüllt. Soweit die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 2010 IV D 3-S 7141/08/10001, 2010/ 0334195 (BStBl I 2010, 508) in Tz. 32 die Auffassung vertrete, "die Unterschrift (müsse) ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen", sei dies unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im Streitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimme, könne deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Weitere Umstände, die einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG rechtfertigen könnten, seien im Streitfall nicht ersichtlich.

6

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des FG verstoße gegen § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Bei Barverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die Sorgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Umstände, dass ein hochwertiges Fahrzeug in bar veräußert werde und auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung bestehen, müssten den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen. In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt habe, seien alle Umstände einzubeziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511). Von diesen Rechtssätzen weiche das FG ab. Zum einen halte es den Umstand, dass die Unterschriften auf dem vom Abholer vorgelegten Personalausweis und der Verbringenserklärung auffällige Unterschiede aufwiesen, für unbeachtlich. Denn es habe den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vergleich der Unterschriften unverhältnismäßig sei. Zum anderen würdige das FG nicht alle Umstände. Es würdige insbesondere nicht, dass die Klägerin ein hochwertiges Fahrzeug veräußert habe, der Kaufpreis von ... € in bar entrichtet worden sei, die Vermittlung des Verkaufs des gebrauchten Fahrzeugs über die S erfolgt sei und S den Handelsregisterauszug des Abnehmers vorgelegt habe. Gerade diese Umstände hätten die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen müssen.

7

Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich daher nicht, weil die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle an Belegen, aus denen sich insbesondere der tatsächliche Abholer der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung und dessen Berechtigung leicht und einfach nachprüfbar habe entnehmen lassen.

8

Das FA beantragt,
das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S. von § 6a Abs. 1 UStG seien unstreitig nicht erfüllt, weil --wie sich später herausstellte-- es sich bei dem Kunden um einen Nichtunternehmer gehandelt habe. Die Klägerin habe die Unrichtigkeit der Angaben der Abnehmer auch bei Beachtung der größten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Der von dem FA zitierte Beschluss vom 6. November 2008 V B 126/07 (BFH/NV 2009, 234) behandle einen abweichenden Fall, in dem das betreffende Fahrzeug sofort zum selben Preis weiterverkauft worden und dies dem liefernden Unternehmer bekannt gewesen sei, so dass tatsächlich bei dem Lieferer der Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung aufkommen könne. Im Streitfall habe es jedoch keinen ähnlichen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.

11

Auch die Barzahlung des Kaufpreises sei nach der Erfahrung bei Exportgeschäften von Luxussportwagen nicht ungewöhnlich, sondern die Regel und die einzig praktikable Lösung bei Fahrzeugverkäufen ins Ausland. Gerade bei so mobilen Gegenständen wie Autos wolle der Verkäufer nicht das Risiko eines Forderungsausfalls tragen, sondern bestehe auf Barzahlung oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung; dies gelte gerade für Exportgeschäfte. Wenn das FA behaupte, dass eine "Barzahlung ungewöhnlich" sei und das Misstrauen der Klägerin habe wecken müssen, so sei diese Auffassung wirklichkeitsfremd.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich der zu beurteilenden Lieferung des Porsche 911 Carrera an T zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob für das Fahrzeug Porsche 911 Carrera die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.

13

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen sind.

14

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

15

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

16

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen
"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
"... 9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; vgl. nunmehr Art. 131, 138 f. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

21

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

22

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 14). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 14).

23

d) Im Streitfall fehlt es bereits am Nachweis, wer der wirkliche Abnehmer des PKW war. Nach den Feststellungen des FG war --was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- T lediglich ein Scheinunternehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG liegen daher nicht vor.

24

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anwendbar.

25

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28).

26

b) Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 234, unter 3.). Solche auffälligen Unterschiede liegen im Streitfall vor. Die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie --auf den ersten Blick erkennbar-- ganz erheblich ab.

27

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hält die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 508, Tz. 32; Abschn. 6a.3. Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und lässt den Umstand, dass die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht übereinstimmt, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, unzutreffend von vornherein außer Acht. Der Senat verkennt nicht, dass sich eine Unterschrift im Einzelfall im Laufe mehrerer Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes Bild als auf sonstigen Unterlagen haben kann. Diese Umstände rechtfertigen es entgegen der Ansicht des FG aber nicht, die auffälligen Unterschiede in den Unterschriften in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst miteinzubeziehen.

28

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben:

29

a) Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) ist gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen; diese sind steuerpflichtig. Die Ausnahme entspricht Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. c i.V.m. Art. 28c Teil A Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.1.). Anhaltspunkt für eine ggf. durchzuführende Differenzbesteuerung könnte insoweit der Eintrag eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von ... € in der Zeile "nicht auszuweisen im Rahmen der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG" im Kaufvertrag sein.

30

Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die Klägerin die streitbefangene Kfz-Lieferung im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hat. Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen eine Differenzbesteuerung, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
..."

31

Eine Differenzbesteuerung käme allerdings gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht zur Anwendung, wenn es sich um die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs i.S. des § 1b Abs. 2 und 3 UStG handelt. Dafür könnte --sofern der Kilometerstand in der "Verbindlichen Bestellung" des Fahrzeugs vom 20. Januar 2003 korrekt ausgewiesen ist-- der niedrige Kilometerstand sprechen. Widersprüchlich ist jedoch, dass nach den dortigen Angaben die gesamte km-Leistung laut Vorbesitzer 0 km und der km-Stand laut Zähler indes 4 500 km beträgt.

32

Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

33

b) Sofern die Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, stellt sich im Rahmen der nachfolgend zu prüfenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32).

34

Die Ausführungen des FG sind insoweit unzureichend, da es keine Feststellungen zu dem Bestimmungsort des Liefergegenstands Porsche 911 Carrera (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV) getroffen hat. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als Bestimmungsland den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73). Die Angaben in der Verbringenserklärung "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" sind insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt ist (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73) und auch nicht mit der im Bezug genommenen Kaufvertrag vom 21. Januar 2003 enthaltenen Unternehmensanschrift ohne Weiteres gleichzusetzen ist. Nach dem Urteil des BFH in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts zwar unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, Rz 29). Hierzu fehlen hinreichende Feststellungen. Die Frage des der Klägerin obliegenden Nachweises des Bestimmungsorts ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG (BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2).

35

c) An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf (hier ... €) mit "Beauftragten" zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b). In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, sind diese Umstände einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.4.b bb). Im Streitfall kommt hinzu, dass ein Vermittler zwischengeschaltet worden ist und die vermeintliche "Abnehmerin" T faktisch --außer auf dem Papier-- gar nicht in Erscheinung trat.

36

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Barzahlung des Kaufpreises sei bei Exportgeschäften von Luxussportwagen die Regel.

37

Der Senat verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Barzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012  3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne Barzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt. Die Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 29. April 2004 C-487/01 und C-7/02 --Gemeente Leusden und Holin Groep--, Slg. 2004, I-5337, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 --Mahagében und Dávid--, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 41; vom 6. September 2012 C-273/11 --Mecsek-Gabona--, UR 2012, 796, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 47; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103). Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 65; in BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 54; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 48 und 53 f.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 103).

38

bb) Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, DStR 2008, 1213, 1217; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Barverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.

39

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers können in diesen Fällen beispielsweise folgende Umstände begründen:

-       

Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteil des FG Köln vom 27. Januar 2005  10 K 1367/04, EFG 2005, 822);

-       

die Geschäftsanbahnung mit dem Unternehmer erfolgt durch einen von dem Abnehmer zwischengeschalteten Dritten und der Abnehmer tritt --außer auf dem Papier-- nicht in Erscheinung;

-       

die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.B. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z.B. der im Ausland ansässige Abnehmer hat eine Faxadresse im Inland.

40

Dagegen stellen im Regelfall keine Gründe für Zweifel an der Richtigkeit geringfügige, rein formale Versehen dar, wie z.B. ein bloßes Verschreiben auf der Verbringenserklärung.

41

4. Soweit das FA dem Revisionsantrag das Begehren hinzugefügt hat, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 12. Juli 2004 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Steuer ... € beträgt, versteht der Senat dies lediglich als ziffernmäßig bestimmte, klarstellende Wiederholung des Revisionsantrags der Klägerin. Denn von dem gestellten Revisionsantrag, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen, wird inhaltlich auch das mit der Revision verfolgte Ziel der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 12. Juli 2004 mitumfasst.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2006 in I einen Handel mit hochwertigen PKW. Im Revisionsverfahren ist noch die Steuerfreiheit von folgenden PKW-Lieferungen an drei Abnehmer streitig:

2

1. Die Klägerin stellte am 1. und 20. Februar 2006 der von X geführten A-Automobile (A) in Ö (Österreich) jeweils die Lieferung eines Ferrari F430 F1 in Rechnung. Der Kaufpreis wurde jeweils mit "Exportpreis netto: € 159.000,--" ausgewiesen; die Rechnungen enthielten ansonsten weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferungen noch auf weitere Dokumente. Ihnen beigefügt war jeweils eine "Anlage zur Rechnung", die auf die jeweilige Rechnungsnummer und das jeweilige Rechnungsdatum verwies und den Hinweis "Bestätigung Innergemeinschaftlicher Lieferung" enthielt. Hierin bestätigte X durch seine Unterschrift die Richtigkeit der von ihm angegebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dass die Lieferung durch die Klägerin stattgefunden habe und dass der PKW in I zur Abholung durch X übergeben worden sei. Zugleich versicherte X darin, die näher bezeichneten PKW ausschließlich für sein Unternehmen zu verwenden sowie die PKW "in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich)" zu befördern. Auf einem weiteren, mit "Verbringungsnachweis" überschriebenen Dokument, das zusammen mit den vorgenannten Dokumenten in der Buchführung der Klägerin aufbewahrt wurde, hatte X mit seiner Unterschrift bestätigt, "ein umsatzsteuerfreies innergemeinschaftliches Warengeschäft" getätigt zu haben sowie die näher bezeichneten PKW "[i]ns Ausland (nach Österreich) zu verbringen und dort der Mehrwertsteuer zuzuführen".

3

Im Rahmen eines später gegen X eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gab dieser jedoch an, die beiden PKW unter Verwendung von roten Fahrzeugkennzeichen eines anderen Händlers ohne Wissen des Geschäftsführers der Klägerin tatsächlich nicht nach Österreich verbracht zu haben.

4

Zu beiden PKW-Lieferungen liegen Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) im Bestätigungsverfahren gemäß § 18e Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), Übernahmeprotokolle, die Kopie eines Gewerberegisterauszugs sowie Kopien des Deutschen Bundespersonalausweises von X vor. Unter den Ausweiskopien hatte dieser jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, als Bevollmächtigter der A zu handeln und am 1. bzw. 20. Februar 2006 einen Betrag von 159.000 € in bar an die Klägerin bezahlt zu haben.

5

2. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr ferner u.a. einen Mercedes-Benz ML 280 CDI an die B S.L. (B) aus Spanien. Für die B trat eine Person auf, die sich als … (G) ausgab. Die Klägerin stellte für die PKW-Lieferung eine Rechnung an die B, in der der Kaufpreis mit "Exportpreis netto: € 51.000,--" ausgewiesen wurde, die ansonsten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielt und der eine Anlage zur Rechnung ebenfalls mit einem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie ein Verbringungsnachweis beigefügt waren.

6

Nach einem von der Klägerin vorgelegten Dokument hatte die B eine Spedition beauftragt, den PKW nach P (Spanien) zu transportieren. Dagegen sind auf dem CMR-Frachtbrief in dem Feld 1 (Absender) die Klägerin und im Feld 2 (Empfänger) "G" mit der Adresse … (O) in Spanien genannt. Das Feld 3 zum Auslieferungsort enthält mit einer eingekreisten "2" einen Hinweis auf das Feld 2 sowie den Zusatz "Espana". Als Adresse der B ist auf dem Rechnungsdokument, der "Anlage zur Rechnung" und dem Verbringungsnachweis jeweils O angegeben. Dagegen liegt die Adresse der B nach einem auf diesen Dokumenten aufgebrachten Stempelaufdruck in S in Spanien.

7

Der Mercedes-Benz ML 280 CDI wurde nach Spanien versandt und nicht auf die B, sondern innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf drei andere spanische Unternehmen zugelassen. In einer Antwort auf das Auskunftsersuchen des BZSt teilten die spanischen Behörden u.a. mit, das Profil der B gleiche einem sog. Missing Trader. Geschäftsführer der B sei Herr G gewesen, der erklärt habe, dass die Gesellschaft zwar "auf seinen Namen laufe", er allerdings im Zusammenhang mit ihr keinerlei Einkünfte habe und ihr derzeitiger "Manager" eine andere Person sei. Die gegenüber den Finanzbehörden angegebene Adresse der B sei die Wohnanschrift des G, an der eine Geschäftsausstattung für den Handel mit Fahrzeugen nicht vorhanden sei.

8

3. Außerdem stellte die Klägerin am 14. September 2006 der C-GmbH (C), … in Z (Österreich) die Lieferung eines Ferrari F430 F1 Coupé mit einem "Exportpreis netto: € 169.900,--" in Rechnung. Die Rechnung enthielt weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung noch einen Hinweis auf weitere Dokumente. In der "Anlage zur Rechnung" bestätigte der Geschäftsführer der C, Herr N, u.a. die am 15. September 2006 durch die Klägerin erfolgte Übergabe in I zur Abholung durch ihn.

9

Auf einem CMR-Frachtbrief, der auf den 15. September 2006 datiert ist, sind als Absenderin sowie als Frachtführerin die Klägerin, als Empfängerin die C und als Auslieferungsort I genannt. Im Rahmen eines Auskunftsersuchens des BZSt teilten die österreichischen Behörden u.a. mit, dass sie die C als Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit identifiziert hätten. Sie habe ihren Sitz bei ihrem Steuerberater, tätige vor allem innergemeinschaftliche Erwerbe aus Deutschland und innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien. Im Streitjahr seien innergemeinschaftliche Erwerbe für 21,7 Mio. € erfolgt. Bis auf eine kleine angemietete Lagerhalle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von Fahrzeugen sowie einem "Büro" in einer abgelegenen Wohnung verfüge die C nicht über die für einen Händler exklusiver PKW übliche Infrastruktur.

10

Hinsichtlich der Lieferung an die C hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung insbesondere angegeben, dass ihm der persönlich am 14. September 2006 in I anwesende Geschäftsführer der C, Herr N, erklärt habe, sein Abnehmer habe auf keinen Fall einen Transport des PKW nach Österreich "auf eigenen Rädern" gewünscht. Deshalb habe der Geschäftsführer der Klägerin den PKW auf einem Hänger nach Z in Österreich befördert und diesen auf dem Gelände einer Tankstelle in der Nähe der Geschäftsadresse der C an Herrn N übergeben.

11

Die Klägerin behandelte die vorgenannten PKW-Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte dies im Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 12. Februar 2008, zuletzt geändert durch Bescheid vom 18. November 2011, nicht an.

12

Daraufhin hat die Klägerin Sprungklage erhoben und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2012 berichtigte Rechnungen vom 16. Januar 2012 zu den streitbefangenen Lieferungen vorgelegt. Hierin ist ein Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG enthalten.

13

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich einer hier nicht streitigen PKW-Lieferung ab und gab der Klage in Bezug auf die im Revisionsverfahren noch streitbefangenen PKW-Lieferungen an die A, die B und an die C statt.

14

Die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A folge aus § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Unter Zugrundelegung der Angaben des X gegenüber der Klägerin seien sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt. Insbesondere scheitere der ordnungsgemäße Belegnachweis nicht daran, dass die ursprünglichen Rechnungen zumindest auf dem eigentlichen Rechnungsdokument keine Hinweise auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielten. Dieser Mangel sei rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch die korrigierten Rechnungen behoben worden. Die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben des X auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können.

15

Hinsichtlich der Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien stehe zur Überzeugung des Gerichts objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen würden. Dass der PKW tatsächlich nach Spanien gelangt sei, stehe wegen der dortigen Zulassung außer Zweifel. Wer Abnehmer der Lieferung gewesen sei, könne dahinstehen, zumal dessen Identifizierung aufgrund der vorliegenden Belege einerseits und der Mitteilung der spanischen Behörden andererseits nicht möglich sei.

16

Auch im Hinblick auf die Lieferung an die C seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben. Angesichts der detaillierten und widerspruchsfreien Schilderung des Geschäftsführers der Klägerin, der den Transport durchgeführt habe, sowie der Übereinstimmung mit den vorgelegten Belegen stehe zur Überzeugung des FG fest, dass der PKW nach Z (Österreich) und damit in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden sei.

17

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

18

Der Belegnachweis sei jeweils nicht ordnungsgemäß erbracht worden, weil in den ursprünglichen Rechnungen ein Hinweis auf die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung fehle. Die berichtigten Rechnungen seien auch nicht geeignet, den Mangel zu heilen, weil keine Anhaltspunkte für deren Zugang bestünden. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern des X, der B und der C seien seit 2006 bzw. seit 2007 ungültig. Auch lägen über die Erreichbarkeit der gesetzlichen Vertreter der Abnehmer keine Informationen vor. Damit habe die Erwerbsbesteuerung zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung nicht mehr nachgeholt werden können. Insoweit greife auch nicht die Vertrauensschutzregelung. Da die Abnehmer der Klägerin jeweils Scheinunternehmer gewesen seien, scheide eine Steuerfreiheit der streitbefangenen PKW-Lieferungen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 2012 XI R 17/12 (BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 23) aus.

19

Die Lieferungen an die A seien auch deshalb keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, weil die PKW tatsächlich nicht nach Österreich transportiert worden seien und damit für den Nachweis des Bestimmungsortes nicht auf die Rechnungsanschrift der A zurückgegriffen werden könne. Mangels Belegnachweises seien die PKW-Lieferungen auch nicht nach § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei.

20

Überdies sei die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien nicht steuerfrei, weil die von der B angegebene Lieferanschrift der Wohnungsanschrift ihres Geschäftsführers entspreche und erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der (hochwertige) PKW tatsächlich dorthin transportiert worden sei. Eine Steuerfreiheit scheide auch deshalb aus, weil die B keine Erwerbe der Klägerin versteuert habe, dies jedoch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 775, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 1145) bei fehlendem Buch- und Belegnachweis Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sei. Dass der PKW in Spanien zugelassen worden sei, genüge nicht zum Nachweis der Steuerfreiheit. Dieser Nachweis erfordere nach dem BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27) sowie nach dem Urteil des Hessischen FG vom 19. Februar 2013  1 K 513/11 (nicht veröffentlicht) eine Zulassung auf den Abnehmer, die im Streitfall nicht vorliege. Die Gewährung von Vertrauensschutz scheide von vornherein aus, weil es schon wegen fehlerhafter Angaben zum Bestimmungsort und mangels Vorliegens eines ordnungsgemäßen Doppels einer Rechnung am erforderlichen Belegnachweis fehle. Hinzu komme, dass eine Identifizierung des Abnehmers nicht möglich sei, sodass auch die Klägerin nicht auf eine Erwerbsbesteuerung durch die B habe vertrauen können.

21

Die Belegnachweise seien für die PKW-Lieferung an die C auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Auslieferung entgegen der Angabe im CMR-Frachtbrief tatsächlich nicht an die Adresse der C, sondern an eine nahegelegene Tankstelle erfolgt sei. Fehle es an einem Belegnachweis, bedürfe es wegen des Beschlusses des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 einer tatsächlichen Erwerbsbesteuerung, deren Vorliegen hier aber unklar sei. Zudem stehe der Bestimmungsort wegen des Widerspruchs zwischen den Belegnachweisen und den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht objektiv zweifelsfrei fest. Da die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht vollständig nachgekommen sei, seien die Lieferungen auch nicht im Rahmen der Vertrauensschutzregelungen steuerfrei.

22

Das FA beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Umsätze aus Fahrzeuglieferungen an die A, die B und die C betrifft, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

23

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

24

Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen und macht u.a. geltend, die berichtigten Rechnungen wirkten nach dem BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03 (BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634) auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zurück.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Revision ist teilweise begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die PKW-Lieferung an die B zu Unrecht als steuerfrei behandelt; das Urteil war aufzuheben und die Klage neben der hier nicht streitigen PKW-Lieferung auch insoweit abzuweisen. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg, weil das FG hinsichtlich der PKW-Lieferungen an die A und an die C zu Recht von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen ist.

26

1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG), wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG).

27

2. Die PKW-Lieferungen an die A sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

28

a) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

29

Diese Voraussetzungen liegen für die PKW-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit --anders als es das FA meint-- den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 1. bzw. 20. Februar 2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, Rz 44, m.w.N.) fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht.

30

aa) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

31

bb) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Hinweis auf die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A jeweils in den Rechnungen enthalten.

32

Das FG hat auf Seite 4 und 21 seines Urteils sowie durch Bezugnahme festgestellt, dass der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Teil der Abrechnung einen Verweis auf die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, die genaue Bezeichnung des gelieferten PKW einschließlich Marke, Fahrzeugtyp und Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie insbesondere neben dem Hinweis "Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung" auch die Versicherung, "dass der gekaufte Gegenstand in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich) befördert wird", enthielt. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit "Rechnung" überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen "Exportpreis netto: € 159.000,--" auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der PKW-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige PKW-Lieferung an die A. Da in dem mit "Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

33

cc) Der Senat weicht dadurch nicht von dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 ab. Denn in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt ließ sich --anders als nach den Feststellungen des FG in dem hier zu entscheidenden Verfahren-- nach den bindenden Feststellungen des FG nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung und nicht etwa um eine Lieferung aus einem Drittland oder um eine Lieferung in ein Drittland handelte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596, Rz 47).

34

dd) Weil die mit "Rechnung" bzw. "Anlage zur Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben.

35

b) Die Erwägungen des FG, die Klägerin habe i.S. von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 V B 126/07, BFH/NV 2009, 234, unter 2.; vom 28. September 2009 XI B 103/08, BFH/NV 2010, 73, unter 1.).

37

bb) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der von X gemachten Angaben zum Bestimmungsort auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin sich durch eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des X versichert habe und dass die Verwendung roter Fahrzeugkennzeichen anderer Händler ein branchenübliches Verhalten gewesen sei, das kein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Abnehmer begründen könne.

38

Diese Würdigung der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34, m.w.N.).

39

3. Für die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI hat das FG die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu Unrecht bejaht.

40

a) Es steht --entgegen der Auffassung des FG-- nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der PKW-Lieferung ungeklärt ist.

41

aa) Zwar ist die Ansicht des FG, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des PKW nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht (BFH-Urteil in BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht möglich ist.

42

bb) Indes geht das FG rechtsfehlerhaft davon aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob tatsächlicher Abnehmer die B oder aber eine namentlich nicht bekannte Person gewesen sei, die im Namen der B, aber ohne Vertretungsmacht aufgetreten sei.

43

Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17; V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15, jeweils m.w.N.).

44

Mithin vermag der Umstand, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die fehlende, zur zutreffenden Verlagerung der Steuereinnahmen jedoch notwendige Feststellung der Identität des Abnehmers nicht zu ersetzen.

45

b) Die Zulassung des PKW im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz 45; ferner BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 27).

46

c) Die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei anzusehen, weil die Klägerin die von ihr für die PKW-Lieferung an die B beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht --wie erforderlich-- entsprechend § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachgewiesen hat.

47

aa) Versendet der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UStDV). CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 23). Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).

48

bb) Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt, weil die Angaben in den Belegen widersprüchlich sind, was begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, BFH/NV 2012, 1006, Leitsatz 2).

49

Zudem fehlen --wie bereits ausgeführt-- Feststellungen dazu, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Die vollständige Erbringung des Beleg- und Buchnachweises verlangt jedoch auch Angaben zur Identität des Abholers (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 37).

50

4. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die PKW-Lieferung an die C aufgrund der Feststellungen des FG objektiv zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllte.

51

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG objektiv zweifelsfrei gegeben sind, obliegt im finanzgerichtlichen Verfahren der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO weitgehend entzogen ist (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 29 bis 31; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 28; in BFH/NV 2013, 596, Rz 56; Treiber in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a, Rz 87; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 108 Rz 90; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. April 1995 V R 2/94, BFH/NV 1996, 184, unter II.1.b, zur Ausfuhrlieferung).

52

b) Demnach ist aufgrund der bindenden Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Klägerin den PKW an die C in das übrige Gemeinschaftsgebiet lieferte und diese den PKW im Rahmen ihres Unternehmens erwarb.

53

aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des FG, die C sei die Abnehmerin des PKW gewesen und der PKW sei nach Z in Österreich gelangt.

54

Das FG ist insoweit nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Geschäftsführer der Klägerin den PKW nach Österreich auf einem Anhänger der Klägerin transportiert habe, weil der Abnehmer der C keine Überführung "auf eigenen Rädern" gewünscht habe. Zudem hat es die von der Klägerin vorgelegten Belege dahingehend gewürdigt, dass die Unterschriften auf der vorliegenden Passkopie und auf anderen im Zusammenhang mit der Lieferung stehenden Dokumenten, die mit einem Stempel der C und einem Namenszug versehen seien, eine Ähnlichkeit aufwiesen, die mit der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin im Einklang stehen würden, Herr N habe als Geschäftsführer der C das gelieferte Fahrzeug selbst in I besichtigt und übernommen.

55

Diese Würdigungen der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, sind möglich und verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Folglich binden sie den Senat.

56

Die gegen diese Feststellungen vom FA vorgebrachten Einwände sind nach § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich. Denn soweit es vorträgt, die Belegangaben würden der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin widersprechen, setzt es lediglich seine Meinung an die Stelle der --im Streitfall möglichen-- Würdigung des FG.

57

bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die --in Bezug auf die Unternehmereigenschaft der C mögliche und weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßende-- Würdigung des FG, für eine Zwischenhändlerin wie die C sei es nicht ungewöhnlich, dass sie über eine kleine, nicht einsehbare Halle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von PKW sowie über ein Büro in einer Wohnung verfüge.

58

cc) Schließlich geht das FG ohne Rechtsfehler davon aus, die C sei aufgrund der umfangreichen innergemeinschaftlichen Erwerbe und innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegen der Einschätzung der österreichischen Behörden wirtschaftlich tätig gewesen.

59

Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung. Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 20, m.w.N.). Sofern die Annahme der österreichischen Behörden, es handele sich bei C um eine Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit, darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Österreich nicht anmeldete, begründet dies allein --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft. Diese Zweifel ergeben sich auch nicht aus den übrigen von den österreichischen Behörden angeführten Umständen, wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt hat (FG-Urteil, S. 26).

60

Entgegen der Auffassung des FA ist daher nicht davon auszugehen, es handele sich bei der C um ein Scheinunternehmen. Damit steht zugleich fest, dass ein Sonderfall, bei dem das Recht des Objektivnachweises einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht besteht --wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Leitsatz)--, im Streitfall nicht vorliegt.

61

dd) Demnach sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a UStG gegeben. Dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines PKW in Österreich --wie es zudem für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG Voraussetzung ist-- den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

62

ee) Dass die Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat tatsächlich besteuert werden, ist --entgegen der Auffassung des FA-- für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erforderlich (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 69 ff.; BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 21/11, BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 18, m.w.N.). Das Erfordernis einer tatsächlichen Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat stünde im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die bewusst auf eine solche innere Verknüpfung verzichtet hat (vgl. EuGH-Urteil --Teleos u.a.-- in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 70). Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht daher der Steuerbefreiung nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 19).

63

ff) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA genannten Beschluss des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145. Der vom FA begehrten Auslegung, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG verlange bei fehlendem Nachweis der Steuerfreiheit die tatsächliche Erwerbsbesteuerung, steht das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung entgegen.

64

Das BVerfG hat in Rz 60 seines Beschlusses in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 lediglich ausgeführt, dass es innerhalb des Rahmens möglicher Wortlautauslegung zu § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG liege, die tatsächliche Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Abnehmer zu verlangen. Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, jedoch das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 42). Da nach dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung --wie ausgeführt-- die tatsächliche Erwerbsbesteuerung keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kann der möglicherweise anders zu interpretierende Wortlaut einer nationalen Vorschrift allein kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen.

65

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

66

Da die Revision des FA teilweise Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. April 2014 XI R 24/13, BFHE 245, 66, BFH/NV 2014, 1289, Rz 38, m.w.N.).


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Tenor

I. Der Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 dahin geändert, dass die Haftungssumme auf 63.624,-- € gemindert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Strittig ist ein Haftungsbescheid.

2

Der Kläger ist Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der T GmbH. Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1999 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Groß– und Einzelhandel von Unterhaltungselektronik, der Im- und Export von Waren aller Art sowie Internetmarketing und Werbung.

3

Im Herbst des Jahres 2009 fand bei der GmbH eine Steuerfahndungsprüfung auf Grund eines Auskunftsersuchens der französischen Steuerverwaltung statt. Die Prüfung bezog sich auf die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen an die V SARL und an die C SARL in Frankreich. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung hatte die GmbH Lieferungen an die beiden vorgenannten französischen Firmen im Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 218.758 € und im Zeitraum vom Januar bis Mai 2009 mit einem Gesamtbetrag von 153.772 € als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei belassen. Nach Auffassung der Steuerfahndung war allerdings wegen fehlerhaften Buch- und Belegnachweises die Steuerfreiheit für die Lieferungen zu versagen. (Kurzberichte vom 15. Dezember 2009 und 9. November 2009, Blatt 3ff der Haftungsakte Fach Einsprüche Umsatzsteuervoranmeldungen).

4

Der Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und änderte die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen für Dezember 2008 und für März 2009 mit Bescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 entsprechend. Hiergegen legte die GmbH am 26. Januar 2010 Einspruch ein.

5

Mit Schreiben vom 3. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er wegen rückständiger Umsatzsteuern und zugehörigen Säumniszuschlägen der GmbH in Höhe von derzeit insgesamt 73.269 € hafte. Der Kläger wurde aufgefordert, die zur Ermittlung einer Tilgungsquote für den Haftungszeitraum vom 10. Januar 2009 bis 19. Mai 2010 erforderlichen Angaben zu machen. Am 31. März 2010 wurde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Mit Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wurde der Kläger für die Steuerrückstände der GmbH mit einer geschätzten Tilgungsquote von 80% in Höhe von 63.624 € in Haftung genommen. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2010 mit Hinweis auf die Begründung der Einsprüche der GmbH gegen die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2008 und März 2009 Einspruch ein.

6

Mit Schreiben vom 4. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, es fehle bereits an einem Nachweis, dass die GmbH die Kaufverträge mit den französischen Gesellschaften C SARL und V SARL abgeschlossen habe, weil der angebliche Abholer, Herr C, nicht als Beauftragter/Vertretungsberechtigter der Abnehmerfirmen identifizierbar sei. Weiter sei auch nicht nachgewiesen, dass die angeblichen Abnehmer die Liefergegenstände nach Frankreich befördert oder versendet hätten.

7

Am 30. März 2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beim Amtsgericht (Blatt 1 der Insolvenzverfahrensakte 7a IN .../10). Mit Beschluss vom 31. März 2010 ordnete das Amtsgericht die Sequestration an (Blatt 12 der Insolvenzverfahrensakte). Mit Beschluss vom 12. Mai 2010 ermächtigte das Amtsgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, die arbeitsrechtliche Kündigung des Klägers als Geschäftsführer zur Vermeidung unnötiger Masseverbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung auszusprechen (Blatt 39 der Insolvenzverfahrensakte). Am gleichen Tage kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter dem Kläger (Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010, Blatt 115, 120 Insolvenzverfahrensakte). Der Kläger wurde vom Insolvenzgericht weiterhin als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert (vgl. Blatt 66, 110, 158, 177 der Insolvenzverfahrensakte). Am 19. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet (Blatt 63 der Insolvenzverfahrensakte).

8

Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 beliefen sich offene Forderungen der GmbH auf insgesamt ca. 206.000 €, von denen Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, ohne dass die GmbH die Ware versandt habe. Die vorgefundene Vermögenssituation lasse sich nicht ohne weiteres mit den beträchtlichen Umsätzen in den Jahren 2007 bis 2009 in Einklang bringen. Der Kläger hätte als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei (Blatt 115 ff der Insolvenzverfahrensakte).

9

Die erste Gläubigerversammlung fand am 24. Juni 2010 statt (Blatt 149 der Insolvenzverfahrensakte), der Termin zur Prüfung angemeldeter Forderungen in der Gläubigerversammlung fand am 26. August 2010 statt (Blatt 170 der Insolvenzverfahrensakte).

10

Der Beklagte meldete die Forderungen gegenüber der GmbH, welche auch Grundlage des Haftungsbescheids waren, zur Tabelle an. Die Forderungen wurden vom Insolvenzverwalter nicht bestritten und der Beklagte sah die Einsprüche damit als erledigt an.

11

Mit Schreiben vom 20. September 2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, den Einspruch anderweitig zu begründen, da eine Berufung auf die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Forderungen nicht zulässig sei. Da keine Antwort des Klägers erfolgte, drohte der Beklagte mit Schreiben vom 6. Juni 2011 eine Verböserung des Haftungsbescheides dahingehend an, dass er eine Haftungsquote von 100% der Haftung zu Grunde lege, da die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung mangels Angaben des Klägers ausscheide und nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe (vgl. Bericht des Insolvenzverwalters vom 17. Mai 2010, Blatt 42 ff der Insolvenzverfahrensakte; hier Blatt 48, Tabelle zur Umsatzentwicklung).

12

Mit Schreiben vom 28. November 2011 begründete der Kläger seinen Einspruch dahingehend, der Beklagte verkenne, dass die geforderten Nachweise für die innergemeinschaftlichen Lieferungen nur dann für die Steuerbefreiung Bedeutung hätten, wenn strittig sei, ob die Waren die Grenze überschritten hätten. Dies sei aber unstrittig, da ansonsten die Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Abnehmerfirma sei trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen in Frankreich nicht nachgekommen, nicht plausibel erscheine. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaubte es dem Beklagten nicht, eine Versteuerung im Inland vorzunehmen. Mit Schreiben vom 31. Januar 2012 ergänzte der Kläger seinen Einspruch dahingehend, dass die widerspruchslose Hinnahme der von dem Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner wirke. Denn der Kläger habe im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide erhoben. Nach der Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters habe er keine Erklärungen als Geschäftsführer mehr für die Gesellschaft im Einspruchsverfahren abgeben können und sei daher im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht ausgeschlossen.

13

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 setzte der Beklagte die Haftungssumme auf 79.522 € fest und wies den Einspruch des Klägers zurück. Die Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle wirke wie ein rechtskräftiges Urteil sowohl gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern als auch dem Insolvenzschuldner. Da ein Widerspruch gegen die Anmeldung zur Tabelle nicht erfolgt sei, könne der Kläger gem. § 166 AO keine Einwendungen mehr gegen die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Umsatzsteuerfestsetzungen geltend machen. Auch die GmbH habe der Forderung des Beklagten im Insolvenzverfahren widersprechen können. Ein solcher Widerspruch hätte bewirkt, dass sich die Rechtskraftwirkung der Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle nur auf die Insolvenzschuldnerin als Trägerin der Insolvenzmasse erstrecke. Für das Einspruchsverfahren hätte der Tabelleneintrag dann keine Wirkung entfaltet. Da die GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer, im vorliegenden Fall der Anmeldung der Umsatzsteuerforderungen zur Tabelle nicht widersprochen habe, entfalte der Tabelleneintrag aber die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Da der Kläger keine Angaben zur Ermittlung einer Haftungsquote gemacht habe, sei die Haftung in voller Höhe der rückständigen Steuerschuld festzusetzen. Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters habe die GmbH auch über die Mittel zur Tilgung der Rückstände verfügt.

14

Der Kläger trägt vor, die Auffassung des Beklagten, durch die widerspruchslose Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle seien die Steuern rechtskräftig festgesetzt und er habe dies gegen sich gelten zu lassen, gehe fehl. Die widerspruchslose Hinnahme der vom Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter wirke nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner, da er im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide eingelegt habe. Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis für die Geschäfte der GmbH übernommen und er habe als Geschäftsführer keine Erklärungen mehr für die Gesellschaft abgeben können. Er habe das Einspruchsverfahren für die GmbH durch den Verlust der Verwaltungs– bzw. Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH nach Einsetzung eines Insolvenzverwalters nicht weiterbetreiben können. Da er keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH mehr gehabt habe, habe er auch keinen Widerspruch in die Tabelle eintragen können, um das unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren weiter zu verfolgen. Daher erstrecke sich die Rechtswirkung des § 166 AO nicht auf ihn. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung komme es für die Anwendung des § 166 AO alleine darauf an, ob es ein Geschäftsführer versäumt habe, während der Zeit, zu der er insolvenzrechtlich noch nicht daran gehindert gewesen sei, einen Rechtsbehelf gegen Steuerbescheide einzulegen. Da er dies aber getan habe, sei er mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht präkludiert. Dies zeige sich auch dadurch, dass ein Widerspruch zumindest insolvenzrechtlich nicht die Feststellung der Forderung vereiteln könne. Insofern könne eine nach seinem Verständnis rechtsfolgenlose Erklärung im insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren nicht dazu führen, dass ihm als Dritten die Möglichkeit genommen sei, im steuerrechtlichen Verfahren einen gegenüber der GmbH erlassenen Bescheid als Vertreter kraft eigenen Rechts anzufechten. Die Rechtskraftwirkung des § 178 InsO erstrecke sich nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern. Die Schlussfolgerungen des Beklagten scheiterten auch am Wortlaut des § 166 AO. Denn dieser setze voraus, dass der Dritte einen gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anfechten könne. Bei der Forderungsanmeldung zur Tabelle handle es sich nicht um einen erlassenen Bescheid, sondern um die Mitteilung der Höhe einer fällig gewordenen Steuerschuld. Selbst wenn die widerspruchslose Forderungsanmeldung zur Tabelle so wirke, als seien die Bescheide über die Steuerfestsetzung bestandskräftig, handle es sich aus der Sicht des Dritten nicht um einen gegenüber dem Insolvenzschuldner erlassenen Bescheid. Die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Insolvenztabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter. Es sei erforderlich, dass die Steuerschuld auf Grund eines Steuerbescheides im Sinne von § 166 AO unanfechtbar sei. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle könne nicht als Bescheid angesehen werden, da es an einem regelnden hoheitlichen Ausspruch der Finanzbehörde mangele. Aber auch aus tatsächlichen Gründen sei ihm ein Widerspruch gegen die Eintragung zur Tabelle nicht möglich gewesen. Er habe sich für einen Zeitraum von acht Wochen im Juni und Juli des Jahres 2010 wegen schwerer Depressionen im Krankenhaus befunden. Auch vor diesem Zeitraum sei er seit Januar/Februar 2010 krank geschrieben und nicht in der Lage gewesen, etwaige Abwicklungsvorgänge für die GmbH wahrzunehmen. Auch nach dem Krankenhausaufenthalt sei er noch lange krankgeschrieben gewesen und erhalte eine Erwerbsunfähigkeitsrente bis heute. Dies ergebe sich aus den beigefügten Attesten des Dr. O. (Blatt 131 bis 137 der Prozessakte), der Rechnung der Privatklinik Dr. A GmbH (Blatt 138 der Prozessakte) und der Bescheinigung über Rentenleistungen von der S Versicherung (Blatt 139 der Prozessakte). Der Arzt Dr. O. sei auch als Zeuge zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er krankheitsbedingt außer Stande gewesen sei, zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung im Insolvenzverfahren Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Auch habe er seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Es sei ihm unmöglich gewesen, die vom Beklagten geforderten Angaben zu machen, da sich die Unterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter befunden hätten. Von dort habe er keine Auskunft bekommen, was die Vernehmung der beim Insolvenzverwalter tätigen Frau A. als Zeugin bestätigen werde. Der Beklagte habe sich selbst die Unterlagen beim Insolvenzverwalter beschaffen müssen. Darüber hinaus sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Beklagte habe ihm gegenüber keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen eines unterlassenen Widerspruchs hinsichtlich seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gegeben. Die Umsatzsteuerbescheide seien rechtswidrig. Wegen des Verbringens der Ware über die Grenze nach Frankreich habe der GmbH nicht die Umsatzsteuerfreiheit für die innergemeinschaftlichen Lieferungen versagt werden dürfen. Denn die erforderlichen Beleg- und Buchnachweise erlangten nur dann Bedeutung, wenn strittig sei, ob die Ware überhaupt die Grenze überschritten habe. Nach den Ausführungen in den Kurzberichten der Steuerfahndung sei dies aber unstrittig, da ansonsten die Aussage, dass die französische Abnehmerfirma trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, nicht plausibel sei. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaube es dem Beklagten nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH nicht, die Umsätze in Deutschland zu versteuern.

15

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 19. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte trägt vor, soweit der Kläger unter Erhebungsverfahren die Anwendung von insolvenzrechtlichen Vorschriften verstehe, sei zu entgegen, dass der Grundsatz bestehe, Insolvenzrecht gehe vor Steuerrecht. Die Entstehung und die Höhe der Ansprüche richteten sich nach dem Steuerrecht, die Geltendmachung der Forderungen jedoch nach insolvenzrechtlichen Vorschriften. Dies habe beispielsweise zur Folge, dass keine Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid erfolge, sondern durch Anmeldung zur Tabelle, die wie eine Steuerfestsetzung wirke. Auch auf das bereits geführte Rechtsbehelfsverfahren wirkte sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus. Ein bestehendes Rechtsbehelfsverfahren werde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die weitere Verfolgung des unterbrochenen Rechtsbehelfsverfahrens gegen die erlassenen Steuerbescheide sei der GmbH -vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer- durch Widerspruch zur Tabelle möglich gewesen. Die Regelung des § 166 AO finde daher Anwendung.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist unbegründet.

19

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht zur Haftung für die in der Einspruchsentscheidung festgesetzte Haftungssumme herangezogen.

20

Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen rückständiger Umsatzsteuer durch Haftungsbescheid nach § 191 AO in Haftung genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen nicht erfüllt und insbesondere nicht dafür gesorgt hat, dass die Steuern aus den Mitteln, die er verwaltete, entrichtet wurden.

21

1.
Der Kläger war als Geschäftsführer und gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S.d. § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerlichen Interessen der GmbH wahrzunehmen und die daraus resultierenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Zu ihnen gehörte die fristgerechte Entrichtung der geschuldeten Steuern.

22

a)
Eine Entrichtung der vom Beklagten mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 2008 und für März 2009 ist indes nicht erfolgt. Die in der Nichtentrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007- VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521; BFH-Beschluss vom 5. März 1998 - VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Ziel der Haftung ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO bezeichneten Personen verursacht worden sind. Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens beim Steuergläubiger besteht auch ein adäquater Kausalzusammenhang. Denn durch die pflichtwidrige Nichtabführung der fällig gewordenen Umsatzsteuerbeträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007 - VII R 18/06, a.a.O.). Die Voraussetzungen der Haftung des Klägers für die Steuerschulden der GmbH liegen damit vor.

23

b)
Auch die Ermessenserwägungen des Beklagten in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 sind nicht zu beanstanden. Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der Erstschuld nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen im Streitfall mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 4121/07, EFG 2012, 195).

24

c)
Der Beklagte hat die Haftungssumme allerdings zu Unrecht in der Einspruchsentscheidung auf 100% der rückständigen Steuer erhöht.

25

aa)
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei der Haftung für Umsatz- und Körperschaftssteuer der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten. Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nach §§ 69, 34 AO nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ist der Haftungsschuldner verpflichtet, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen; eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, können zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen. Dabei sind bei der Schätzung der Haftungssumme vom Geschäftsführer gem. § 90 Abs. 1 AO die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu verlangen. Im Rahmen seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nach § 93 Abs. 1 AO ist der Haftungsschuldner gehalten, die geforderten Daten zur Mittelverwendung während des Haftungszeitraumes, zu dem Bestand an Eigen- und Fremdkapital der GmbH sowie zu Art und Umfang der Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge, insbesondere insoweit als die Zahlungen zur Gläubigerbefriedigung gedient haben, beizubringen. Solange der Haftungsschuldner die vorgenannten Daten nicht selbst ermittelt oder vorlegt, kann das Finanzamt von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch machen. Die Verletzung der dem Geschäftsführer im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung kann bei der Ausübung der Schätzungsbefugnis berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 - VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498).

26

Der Kläger selbst hat keinerlei Angaben zu den vom Beklagten aufgeworfenen Fragen zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht.

27

Nach den Ermittlungen des Beklagten an Hand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen hat der Kläger Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger geleistet. Insoweit sind die Fragen des Beklagten zur Ermittlung einer Tilgungsquote auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern der GmbH durchaus berechtigt, zumal der Beklagte auf Grund dieser eigenen Ermittlungen nicht in der Lage war, eine Tilgungsquote zu berechnen. Da der Kläger diese Angaben aber verweigert hat, war der Beklagte befugt, eine Tilgungsquote und damit eine Haftungssumme zu schätzen. Der Beklagte hat die Haftungssumme in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 nachvollziehbar zunächst in Höhe von 80% geschätzt.

28

Zwar kann einem Haftungsschuldner nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nachvollziehbar darlegt, dass er nicht in der Lage ist, zuverlässige Auskünfte über den Umfang der im Haftungszeitraum erbrachten Tilgungsleistungen zu geben, weil sich die Unterlagen beim Insolvenzverwalter befinden und er trotz schriftlicher Anfrage von dort keine Auskunft und keinen Einblick in die Unterlagen erhalten hat. Ein Haftungsschuldner kommt dann seiner Mitwirkungspflicht nach, indem er mitteilt, das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt zu haben und indem er im Übrigen auf die beim Insolvenzverwalter befindlichen Buchführungsunterlagen verweist, weil er weitere Angaben aus dem Gedächtnis nicht machen kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007 - VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).

29

Der Kläger hat hierzu angegeben, die Buchführungsunterlagen der GmbH hätten sich beim Insolvenzverwalter befunden und er habe die Unterlagen von dort nicht erhalten. Allerdings hat der Beklagte den Kläger bereits mit Schreiben vom 3. März zu den entsprechenden Angaben aufgefordert und erst am 31. März 2010 wurde ein –vorläufiger- Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 dargelegt, die Geschäftsunterlagen der GmbH hätten sich beim Geschäftsführer, also dem Kläger, befunden. Einer Beweiserhebung zu der Frage, ob dem Kläger die Einsicht in die Geschäftsunterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter verwehrt wurde, bedarf es aber nicht, weil es darauf für die Entscheidung des Streitfalls nicht ankommt.

30

Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 auch dargelegt, während der Steuerberater der GmbH bis einschließlich Dezember 2009 die Buchführung erledigt habe, habe die GmbH die Monate Januar und Februar 2007 selbst gebucht. Insofern kann also keine Rede davon sein, dass der Kläger mangels Kenntnis der finanziellen Situation der GmbH dem Beklagten die entsprechenden Angaben zur Ermittlung einer Tilgungsquote -wenigstens aus dem Gedächtnis und wenigstens in ungefährer Höhe- nicht hätte machen können. Der Kläger hat auch im Klageverfahren nicht vorgetragen, in welcher Höhe eine Tilgungsquote anzunehmen sei und inwiefern die vom Beklagten dem Haftungsbescheid zugrunde gelegte Tilgungsquote unzutreffend ist.

31

Bei seiner Schätzung einer Tilgungsquote von 80% im Haftungsbescheid ist der Beklagte von den ihm zur Verfügung stehenden Kenntnissen ausgegangen, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe.

32

bb)
Aber selbst bei einer Mitwirkungspflichtverletzung des Haftungsschuldners durch unvollständige Auskunft entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts nicht völlig. Das Finanzamt ist jedenfalls verpflichtet, die ihm bekannten Indizien über die finanzielle Situation des Steuerschuldners in die notwendige Ermessenserwägung einfließen zu lassen. Auch bei einer Mitwirkungspflichtverletzung darf dies das Finanzamt nicht unterlassen und sich mit der Feststellung begnügen, Anhaltspunkte für eine eventuell vorzunehmende Quotierung seien nicht ersichtlich (vgl. Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 9. Oktober 2001 - II 333/01, in juris). Verletzt der Haftungsschuldner die ihm obliegende Mitwirkungspflicht durch Schweigen oder eine unberechtigte Weigerung, die in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, so kann dies zwar zu seinem Nachteil verwertet werden. Doch entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts damit nicht gänzlich, sie reduziert sich lediglich ihrem Umfang nach. Das Finanzamt hat dann die ihm ohne weiteren Aufwand zugänglichen Unterlagen heranzuziehen. Die Annahme einer 100%igen Tilgungsquote ist aber gerade in Fällen eines zeitlich schnell nachfolgenden Konkurses eher die Ausnahme als die Regel (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1999 - 2 V 75/99, EFG 2000, 46). In den Fällen, in denen über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Forderungen anderer Gläubiger nicht voll befriedigt werden (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2006 - 9 K 4573/03 H, EFG 2006, 706 und Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 20. August 2002 - 2 K 367/98, in juris).

33

Nicht gerechtfertigt ist daher die Annahme einer Tilgungsquote von 100% durch den Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012. Denn nach dem Bericht des Insolvenzverwalters seien Forderungen der GmbH in Höhe insgesamt ca. 206.000 € ausstehend gewesen, von denen allerdings Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft gewesen seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, die GmbH allerdings keine Ware mehr ausgeliefert. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters hätte der Kläger als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die finanziellen Mittel der GmbH im Haftungszeitraum noch ausgereicht hätten, alle Verbindlichkeiten und somit auch die Steuerforderungen des Beklagten in voller Höhe zu erfüllen. Bei der Schätzung der Tilgungsquote ist daher zu berücksichtigen, dass bei den vom Insolvenzverwalter ermittelten positiven Ergebnissen die zweifelhaften Forderungen ebenso zu berücksichtigen sind wie etwaige Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der geleisteten Vorauszahlungen der Kunden der GmbH. Eine Tilgungsquote von 100% ist demnach zu hoch angesetzt.

34

cc)
Das Gericht macht daher von seiner ihm zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis -§ 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 AO- (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498) Gebrauch und schätzt die Tilgungsquote ausgehend von den vorgenannten Umständen, die sich aus der Insolvenzverfahrensakte ergeben, auf 80% der rückständigen Steuer. Bei dieser Schätzung berücksichtigt das Gericht die fehlende Mitwirkung des Klägers nur insoweit, als dieser keinerlei Angaben, also auch keine Angaben aus dem Gedächtnis, zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht hat, nicht aber den Umstand, dass der Kläger nicht die vom Beklagten geforderten Angaben aus den Geschäftsunterlagen der GmbH heraus gemacht hat. Das Gericht geht bei seiner Schätzung davon aus, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt hat. Ausgehend von diesen betrieblichen Ergebnissen ist allerdings zu berücksichtigen, dass von den ausstehenden Forderungen in Höhe insgesamt ca. 206.000 € Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft waren und dass auf Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € keine Ware mehr ausgeliefert wurde. Allerdings hat die GmbH nach den Ermittlungen des Beklagten anhand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger im Haftungszeitraum geleistet. Weiterhin berücksichtigt das Gericht die Einschätzung des Insolvenzverwalters, dass die GmbH spätestens ab Mitte Februar 2010 zahlungsunfähig war. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Schätzung einer Tilgungsquote von 80% gerechtfertigt, wie diese auch der Beklagte in dem angefochtenen Haftungsbescheid vorgenommen hat.

35

2.
Dem Kläger ist es gem. § 166 AO verwehrt, im Haftungsverfahren Einwendungen gegen die zu Grunde liegenden Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide geltend zu machen.

36

a)
Nach § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. § 166 AO ist eine Vereinfachungsnorm. Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits -erfolglos- angefochten hat. Sofern § 166 AO eingreift, soll daher das Haftungsverfahren von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden. Insoweit dient § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Das Haftungsverfahren dient nicht dazu, dem Haftungsschuldner eine erneute Überprüfungsmöglichkeit der Steuerfestsetzungen im Haftungsverfahren zu ermöglichen, wenn er bereits kraft eigenen Rechts zur Anfechtung der Steuerfestsetzungen befugt war (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. Februar 2007 - 11 V 205/06, EFG 2007, 1050). Der Haftungsschuldner muss den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen, wenn er die Steuerfestsetzung mit Rechtsbehelfen hätte angreifen können (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass das Steuerfestsetzungsverfahren, das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführt worden ist, nochmals im Rahmen eines Haftungsverfahrens gegen einen Dritten aufgerollt wird und sich damit das Verfahren unnötig verzögert (vgl. Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, Rn 2 zu § 166).

37

Der Kläger hat zwar als gesetzlicher Vertreter der GmbH gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 Einspruch eingelegt und diese damit angefochten. Wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 19. Mai 2010 richtet sich die Anfechtung der Umsatzsteuerforderungen i.S.d. § 166 AO durch den Kläger als Vertreter der GmbH nunmehr nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften. Denn insoweit besteht grundsätzlich Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerverfahrensrecht (vgl. BFH-Urteil vom 02. November 2010 - VII R 62/10, BStBl. II 2011, 439). Das von der GmbH durch Einlegung des Einspruchs eröffnete Einspruchsverfahren wurde mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19. Mai 2010 analog § 240 ZPO unterbrochen (vgl. Finanzgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17. August 2005 - 4 K 1893/02, EFG 2005, 1664).

38

b)
Mit der widerspruchslosen Eintragung der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Umsatzsteuerforderungen in der Tabelle hat das Einspruchsverfahren seine Erledigung gefunden.

39

Wird während eines finanzgerichtlichen Verfahrens über einen Steueranspruch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet und das Klageverfahren dadurch unterbrochen, bewirkt die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle die Erledigung des Finanzrechtsstreits in der Hauptsache (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, BStBl. II 2013, 585). Denn nachdem auch der Kläger als Vertreter des Insolvenzschuldners der Haftungsforderung des Beklagten nicht widersprochen hat, wirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle gemäß § 178 Abs. 3 und § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil nicht nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern, sondern auch gegenüber dem Insolvenzschuldner. Folge der Rechtskraft ist, dass in einem rechtshängigen Verfahren keine abweichende Entscheidung getroffen werden kann und sich der ursprüngliche Rechtsstreit somit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 15. August 2011 - 3 K 132/11, EFG 2011, 2180 m.w.N.). Da die Eintragung der auf den angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden beruhenden Umsatzsteuerforderungen in die Insolvenztabelle mangels Widerspruchs des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgläubiger wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt -§ 178 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 InsO-, tritt jedenfalls dann, wenn -wie vorliegend- auch der Schuldner der Feststellung zur Insolvenztabelle nicht widersprochen hat -vgl. §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201, 257 InsO-, bezüglich der Rechtsstreitigkeiten, die die gegen die Insolvenzmasse gerichteten Steuerforderungen betreffen, die Erledigung der Hauptsache ein (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November 2010 - IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650).

40

c)
Unabhängig davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle nicht die Unterbrechung des Rechtsbehelfsverfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O. und Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 51 zu § 251 AO), ist die Steuerforderung aber unanfechtbar geworden i.S.d. § 166 AO.

41

Als Voraussetzung der Anwendung des § 166 AO muss die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar sein. Nach dem Wortlaut setzt die Regelung des § 166 AO voraus, dass die Steuerfestsetzung nicht -mehr- mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden kann. Denn § 166 AO spricht von einer "unanfechtbaren" Steuerfestsetzung und stellt damit eindeutig auf die Möglichkeit der Anfechtung mittels eines Rechtsbehelfs ab (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 18 zu § 166 AO). Gem. § 178 Abs. 3 InsO bewirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle nach den zu § 322 ZPO entwickelten Grundsätzen in gleichem Umfang Rechtskraft zwischen den Parteien, wie es bei einem rechtskräftigen Urteil der Fall ist. Diese Rechtskraft führt einerseits zur Unzulässigkeit weiterer Verfahren zwischen den Parteien über denselben Streitgegenstand und hindert andererseits in schon rechtshängigen Verfahren eine abweichende Entscheidung (vgl. BGH-Beschluss vom 02. Februar 2005 - XII ZR 233/02, in juris). Die unbestrittene Eintragung in die Tabelle gilt bei Steuerforderungen daher wie ein bestandskräftiger Verwaltungsakt (vgl. Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 29. Mai 2002 - III 65/1999, EFG 2002, 1274). Die Fortsetzung des Rechtsbehelfsverfahrens ist ausgeschlossen und auch überflüssig, wenn der Schuldner gegen einen Steuerbescheid zunächst Einspruch eingelegt, dem Eintrag der Steuerforderung in die Tabelle jedoch nicht widersprochen hat (vgl. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Rn. 325 zu § 253 AO). Gelten die Ansprüche als festgestellt i.S.d. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO, so können sie nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten werden (vgl. Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 62 zu § 251 AO).

42

Daher muss der Kläger nach der Regelung des § 166 AO auch im Streitfall durch die widerspruchslose Feststellung der Umsatzsteuerforderungen des Beklagten zur Insolvenztabelle diese gegen sich gelten lassen.

43

d)
Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf (vgl. Urteil vom 23. März 1982 VIII (II) 91/76 UM, EFG 1982, 550), die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Konkurstabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter einer OHG, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, auch wenn der Haftungsschuldner von der ihm gem. § 144 Abs. 2 KO zustehenden Befugnis, persönlich als Gemeinschuldner Widerspruch zur Konkurstabelle gegen die Eintragung der angemeldeten Forderungen zu erheben, keinen Gebrauch gemacht hat. Dieses Urteil ist zu der Regelung des § 119 AO in der Fassung vor 1977 ergangen, welche Vorläufer der Regelung des § 166 AO 1977 war und bei der die zu jener Norm ergangene Rechtsprechung uneingeschränkt auf § 166 AO übertragen werden kann (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 6 zu § 166 AO). Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich darauf gestützt, dass diese auf Vorschriften der Privatrechtsordnung beruhende Wirkung des § 119 AO a.F. auf das hoheitliche Verhältnis zwischen Steuergläubiger und Haftungsschuldner nicht übertragen werden könne. Weder enthalte die Konkursordnung keinen Hinweis darauf, im Fall des Konkurses einer OHG verschlechtere ein unterlassener Widerspruch des Gemeinschuldners zugleich seine Position als Haftungsschuldner gegenüber dem Steuergläubiger, noch sei dies aus der Anmeldung der Forderung bzw. deren Eintragung in die Konkurstabelle ersichtlich. In dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall hatte der dortige Kläger im Hinblick auf § 6 KO als Vertreter der Gemeinschuldnerin aber -anderes als im vorliegenden Streitfall- keine Befugnis, Einspruch gegen den auf Grund des vom Konkursverwalter erhobenen Widerspruchs erlassenen Feststellungsbescheid einzulegen. Das Finanzgericht Düsseldorf wendet sich insoweit gegen eine über den Wortlaut hinausgehende, aus dem Sinn des § 119 AO a.F. abgeleitete, ausdehnende Anwendung dergestalt, die dem Gemeinschuldner gem. § 144 Abs. 2 KO persönlich zustehende Befugnis, Widerspruch gegen die angemeldeten Forderungen zu erheben, dem "eigenen Anfechtungsrecht" gleichzustellen.

44

Im Streitfall konnte der Kläger hingegen als Geschäftsführer und damit als gesetzlicher Vertreter der GmbH die Umsatzsteuerfestsetzung anfechten und auch als Vertreter der GmbH -der Insolvenzschuldnerin- Widerspruch gegen die zur Tabelle angemeldeten Forderungen des Beklagten erheben. Die damit zu weit gehende Begründung seiner Auffassung durch das Finanzgericht Düsseldorf lässt den Grundsatz des Vorrangs des Insolvenzrechts außer Acht und dass sich aus § 166 AO ohne Weiteres ergibt, dass der Haftungsschuldner -sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen- den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen muss und sich folglich ebenso wenig wie der Steuerschuldner selbst gegenüber einem bestandskräftigen Steuerbescheid auf die materielle Rechtslage berufen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Auch würde der Zweck des § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe entfallen (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Die Regelung des § 166 AO greift zudem auch gegenüber einem anfechtungsberechtigten Dritten ein, dem die Steuerfestsetzung zunächst nicht bekannt geworden ist, oder der aus anderen tatsächlichen Gründen von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen konnte (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 24 zu    § 166 AO). Daher kann es für die Anwendung des § 166 AO keine Rolle spielen, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in diesem Verfahren nicht nochmals darauf hingewiesen wird, dass bereits außerhalb des Insolvenzverfahrens angefochtene Steuerbescheide, sofern diese Forderungen zur Tabelle angemeldet wurden, im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu bestreiten sind. Da die widerspruchslose Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle einem rechtskräftigen Urteil vergleichbar ist, kann einem vor dem Insolvenzverfahren erhobenen Einspruch gegen einen Steuerbescheid keine Bedeutung mehr zukommen. Dies zeigt sich auch darin, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung nicht zugleich die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O.).

45

e)
Unerheblich ist, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung krankheitsbedingt außer Stande gewesen war, im Insolvenzverfahren der GmbH Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Daher bedurfte es keiner Beweiserhebung zu dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag.

46

Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich für die erste Gläubigerversammlung am 24. Juni 2010 allerdings keine Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der Kläger wurde an diesem Tag aus der Privatklinik Dr. A GmbH entlassen.

47

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gem. § 166 AO greift aber gegenüber einem Geschäftsführer als Haftungsschuldner bereits insoweit ein, als dieser aufgrund der gesetzlichen Regelungen über die Vertretung der Gesellschaft zur Anfechtung der Steuerbescheide befugt gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 1998 – VII B 168/98, VII B 171/98, VII B 168/98, VII B 171/98, BFH/NV 1999, 1054). "In der Lage sein" im Sinne des § 166 AO meint die rechtliche Befugnis zur Anfechtung der Steuerfestsetzung, nicht die tatsächliche Möglichkeit (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 13 K 2582/07, EFG 2012, 778; Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Juni 2007 – 1 V 59/07, EFG 2007, 1654).

48

Zwar hatte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 15. Mai 2010 gekündigt. Allerdings berührt diese Kündigung die Stellung des Klägers als Geschäftsführer der GmbH nicht, da der Kläger von der Gesellschafterversammlung der GmbH nicht abberufen und kein neuer Geschäftsführer bestellt wurde. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses berührt nur den Anspruch des Klägers auf Vergütung seiner Geschäftsführertätigkeit, nicht aber das Organverhältnis (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Rn 63 zu § 35). Der Kläger war also rechtlich in der Lage, den Widerspruch gegen die Steuerforderung des Beklagten zur Tabelle anzumelden. Zudem wurde der Kläger weiterhin vom Insolvenzgericht als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert.

49

Im Übrigen war der Kläger ausweislich der vorgelegten Atteste des als Zeuge benannten Arztes auch nicht während des gesamten Zeitraums von der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens bis zur ersten Gläubigerversammlung arbeitsunfähig. Vielmehr war der Kläger danach in der Zeit vom 11. Mai 2010 bis zum 1. Juni 2010 nicht arbeitsunfähig. Jedenfalls hätte der Kläger wenigstens für seine Vertretung sorgen können. Zudem bedeutet die dem Kläger attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, gegenüber dem Insolvenzverwalter den Widerspruch schriftlich bis zur ersten Gläubigerversammlung zu erklären.

50

3.
Auch wenn es daher nicht darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass die Einwände des Klägers gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen ohnehin unbeachtlich sind.

51

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sind die Voraussetzungen für das Vorliegen und den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch eine Reihe von Urteilen unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH im Wesentlichen geklärt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich danach, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH sind die Nachweispflichten aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, UR 2008, 186; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, UR 2008, 337 und UR 2008, 340). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH folgt daraus, dass sofern der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der -formellen- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, a.a.O.; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, a.a.O.).

52

a)
Im Streitfall ergibt sich aus den Auskunftsersuchen der französischen Steuerverwaltung aber gerade nicht, dass die Waren an die angeblichen Abnehmerfirmen geliefert wurden und dass es in Frankreich lediglich an einer Erwerbsbesteuerung der Lieferungen fehlt. Allein mit der Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Steuerverwaltung habe hinsichtlich angeblicher Warenlieferungen um Amtshilfe gebeten, ergibt sich aber nicht, dass die Lieferungen tatsächlich an die angegebene Abnehmerfirma erfolgt sind und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung im Übrigen vorgelegen hätten. Im Schreiben vom 4. März 2010 hat der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Informationen der französischen Steuerverwaltung über die fehlende Erwerbsbesteuerung lediglich als ein Hinweis unter mehreren angeführt seien, warum an der Richtigkeit des Belegnachweises gezweifelt werde.

53

b)
Entscheidend ist im Streitfall jedenfalls, dass weder durch den Beleg- oder Buchnachweis noch auf sonstige Art und Weise nachgewiesen ist, dass der tatsächliche Abholer der gelieferten Gegenstände für die angeblichen Käufer der Waren in dem anderen Mitgliedstaat tätig geworden ist.

54

Zu der Erfüllung der formellen Nachweispflichten ist in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV geregelt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus den Belegen eindeutig ergeben. In den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer soll der Unternehmer den erwähnten Nachweis gem. § 17a Abs. 2 UStDV durch
- das Doppel der Rechnung (Nr. 1),
- einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein (Nr. 2),
- eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Nr. 3),
sowie
- eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet "zu befördern" (Nr. 4) führen.

55

Der für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung geforderte Belegnachweis kann nicht durch eine mündliche, sondern nur durch eine schriftliche Versicherung geführt werden. Dies ergibt der Hinweis auf "Belege" in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV. Die gesetzlich geforderte eindeutige und leichte Nachprüfung muss gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus Urkunden in Form von Belegen möglich sein (BFH-Urteil vom 18. Juli 2002 - V R 3/02, BStBl. II 2003, 616).

56

Zwar gehört die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht zu den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Belegnachweises, ebenso wenig der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners einer solchen Vollmacht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2009 - XI B 79/08, BFH/NV 2010, 72). Aber die Belege haben im Hinblick auf die Nachweisfunktion stets bestimmten Mindestanforderungen zu entsprechen. So kommt einem Beleg, der weder selbst noch durch Verbindung mit anderen Unterlagen den Namen und die Anschrift des Ausstellers erkennen lässt, kein Beweiswert zu, zumal die Belegangaben dann nicht eindeutig und leicht nachprüfbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BStBl. II 2010, 511). In den sog. Abholfällen i. S. d. § 17a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV daher ergeben, dass dieser Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten und die Identität des Beauftragten muss belegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067).

57

Erweisen sich die Nachweisangaben aber als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555).

58

Im Streitfall ergibt sich weder aus den vorgelegten Belegen, dass die Waren durch den Abholer für den Käufer der Waren im Rahmen der Lieferbeziehung in den anderen Mitgliedstaat befördert wurden, noch ergibt sich dies aus den vom Kläger im Rechtsbehelfsverfahren nachträglich vorgelegten Unterlagen. Für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht lediglich ausreichend, dass die Waren in den anderen Mitgliedstaat gelangt sind. Denn für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung kommt es nicht allein darauf an, dass die Liefergegenstände auf irgend einem Wege ins übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, sondern dass die Lieferung von dem Leistenden im Inland an den Leistungsempfänger im übrigen Gemeinschaftsgebiet aufgrund der Vertragsbeziehungen, die der Leistung zugrunde liegen, nachgewiesen wird. Diesen Nachweis hat der Kläger im Streitfall aber nicht erbracht.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als steuerfrei behandeln darf.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Beschaffung und Verwaltung von Fahrzeugen und die damit verbundenen oder sich ergebenden Dienstleistungen sowie Leasing und Finanzierung.

3

Die Klägerin erteilte im Streitjahr u.a. an die Fa. C. ... (Österreich), Inh. S. D., über die Lieferung von Fahrzeugen der Marke ... 4 Rechnungen. S. D. ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in ... (Deutschland). Er war im Streitjahr in seinem Beruf als ... tätig. Er hatte im Juni 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft ... ein Handelsgewerbe mit Sitz in ... (Österreich) angemeldet und war damit seit 2008 steuerlich beim Finanzamt .../Österreich gemeldet. Ihm war eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt und im Herbst 2009 entzogen worden.

4

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

5
        

Datum 

Fahrzeug

Betrag

Bp-Akte

a)    

20.02.2009

1       

... €

Bl.     

b)    

02.04.2009

2       

... €

Bl.     

c)    

09.06.2009

3       

... €

Bl.     

d)    

09.06.2009

4       

... €

Bl.     

6

Die vorgenannten Rechnungen enthalten jeweils den folgenden Vermerk: „Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6 a UstG in Verbindung mit $ 4 Nr. 1 b UstG“. Umsatzsteuer wurde nicht ausgewiesen.

7

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April und Juni 2009 behandelte die Klägerin die 4 Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG.

8

Im Sommer 2009 führte der Beklagte (das Finanzamt –FA-) bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bekannt, dass die Fahrzeuge nicht von S. D., sondern von einem M. L. bestellt wurden. Gegenüber der Prüferin hatte der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass er zu S. D. keinen Kontakt gehabt habe. M. L., der in R. als Geschäftsführer der M-GmbH im Fahrzeughandel tätig war, war dem Geschäftsführer der Klägerin, der zuvor im Raum R. beruflich tätig war, persönlich bekannt. M. L. hatte die Klägerin wegen der hier in Streit stehenden Fahrzeuglieferungen jeweils gebeten, die Rechnungen per Fax zu ihm nach R. und per Post an die Fa. C. nach Österreich zu übersenden. Zugleich hatte er zugesichert, sich selbst um die umgehende Bezahlung der Rechnungen zu kümmern. Der Kaufpreis für das erste Fahrzeug wurde am 27. Februar 2009 per Überweisung von einer österreichischen Bank als EU-Standardüberweisung überwiesen. Am 5. Mai 2009 folgte die Bezahlung für das zweite Fahrzeug in gleicher Weise. Als Auftraggeber ist in den Kontoauszügen der Klägerin „D. S. C.“ angegeben. Die weiteren Fahrzeuge wurden bei der Übernahme bar bezahlt. Abgeholt wurden die Fahrzeuge jeweils von M. L. Dieser erklärte bei der Übernahme schriftlich, das jeweilige Fahrzeug im Auftrage des in der Rechnungsstellung angeführten Erwerbers S. D. zu übernehmen und es an die in der Rechnungsstellung genannte Anschrift in Österreich auszuführen sowie eine entsprechende amtliche Bescheinigung über die Ausfuhr nachzureichen.

9

Ebenfalls im Jahre 2009 ermittelte die Steuerfahndung R. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen verschiedene Unternehmen im Bereich R., die im Fahrzeughandel tätig waren. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde S. D. als Beschuldigter vernommen. Er gab gegenüber der Steuerfahndung R., dass er M. D. keine Vollmacht erteilt habe. Er sei nur für einen Herrn E. tätig gewesen. Für diesen habe er das Unternehmen in Österreich gegründet. Herr E. habe alleinige Kontovollmacht gehabt. Rechnungsvordrucke der Fa. C. habe nur Herr E. besessen. Fahrzeuge seien nie an den Firmensitz der Fa. C. in Österreich überführt worden. Die Fahrzeuge seien vielmehr immer direkt nach R. gegangen. Daraufhin forderte die Prüferin die Klägerin ohne Erfolg auf, einen Nachweis über die Bevollmächtigung des M. L. durch S. D. vorzulegen.

10

Die Ermittlungen der Steuerfahndung R. hatten des Weiteren ergeben, dass nach dem Verkauf der hier in Rede stehenden Fahrzeuge mindestens 2 Fahrzeuge in Deutschland und ein weiteres in Ungarn zugelassen wurden.

11

Die Prüferin sah die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne des § 6a UStG in keinem Fall als erfüllt an. Sie ging ferner davon aus, dass § 6a Abs. 4 UStG nicht zur Anwendung kommen könne, da die Klägerin nicht mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt habe. Das FA schloss sich den Feststellungen an und behandelte die Lieferungen als umsatzsteuerpflichtig.

12

Zur Begründung der gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 -jeweils vom 12. Oktober 2009- eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, mit der Beförderung der Fahrzeuge nach Österreich sei die Firma X. GmbH beauftragt worden. Dies habe die Fa. X. GmbH „mit ihrer Unterschrift“ bestätigt. Damit habe der Klägerin eine vom Beauftragten des ausführenden Unternehmers erteilte Übernahmebestätigung vorgelegen, aus der hervorgehe, dass der Beauftragte den PKW erhalten habe und die Ausfuhr nach Österreich übernehme. Damit seien die Nachweise gem. § 17 a Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungs-verordnung (UStDV) erbracht.

13

Bei der Erstellung der Rechnungen habe sie, die Klägerin, eine qualifizierte Abfrage der USt-Identifikationsnummer vorgenommen. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass diese in Ordnung sei. Des Weiteren haben ihr ein Gewerberegisterauszug der Stadt B. und ein Schreiben des Finanzamts B. über die Erteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer vorgelegen.

14

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin habe sich nicht durch einen Anruf bei S. D. rückversichert, dass dieser die Fahrzeuge habe erwerben wollen. Dies sei aber geboten gewesen, nachdem M. D. die Fahrzeuge bei der Klägerin bestellt hatte. Es habe auch keinen Email-Verkehr zwischen der Klägerin und S. D. gegeben. Die Klägerin habe sich auf die Aussagen des M. D. verlassen.

15

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die umsatzsteuerfreie Behandlung der 4 Fahrzeuglieferungen. Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie habe den Belegnachweis gem. § 17a UStDV geführt. Eine Vollmacht für den Beauftragten werde in § 17a UStDV nicht explizit gefordert. Nachdem die beiden ersten Fahrzeuge per Überweisung reibungslos bezahlt worden seien und eine Empfangsvollmacht des Beauftragten vorlag, habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen können, dass die Fahrzeuge in das EU-Ausland gelangen. Das Landgericht M. habe den Autohändler M. L. zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Damit sei jetzt erkennbar, dass M. L. falsche Angaben gemacht habe. Dies sei im Zeitpunkt der Verkäufe der Fahrzeuge für sie, die Klägerin, nicht erkennbar gewesen.

16

Während des Klageverfahrens hat das FA am 5. Oktober 2011 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009 erlassen.

17

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 vom 12. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2011 –geändert durch den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 5. Oktober 2011 – die Umsatzsteuer 2009 um 51.153,37 € herabzusetzen.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung. Die Klägerin habe ausschließlich mit M. L. verhandelt und gewusst, das dieser selbst mit Fahrzeugen handelt. Ein ordentlicher Kaufmann hätte bei dieser Sachlage mit dem angeblichen Abnehmer unmittelbar Kontakt aufgenommen und sich über die Wirksamkeit der Vertretungsmacht und das Verbringen der Fahrzeuge nach Österreich Gewissheit verschafft. Die Klägerin habe dies unterlassen und könne sich deshalb nicht auf die Billigkeitsregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist unbegründet.

21

Die im Streit stehenden Fahrzeuglieferungen sind nicht steuerfrei, da die Klägerin die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen hat. Die Steuerfreiheit setzt nämlich u.a. voraus, dass die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen. Diesen Nachweis konnte die Klägerin nicht führen. Vielmehr hat S. D. in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass sämtliche Fahrzeuge nach R. verbracht wurden. Einen Nachweis über die Beförderung oder Versendung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet fehlt hingegen.

22

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Sie setzt mithin voraus, dass der Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Bestehende Zweifel hat der Unternehmer auszuräumen. Einzelne Anhaltspunkte für Zweifel hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407, aufgeführt. So bestehen zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bereits dann, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer keine längeren Geschäftsbeziehungen bestehen und der Unternehmer keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person hat. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hatte bis zur ersten Fahrzeuglieferung zum vermeintlichen Abnehmer keine Geschäftsbeziehungen unterhalten. Die Klägerin hat es unterlassen, zum vermeintlichen Abnehmer Kontakt aufzunehmen und sich stattdessen auf die Angaben des dem Geschäftsführer der Klägerin persönlich bekannten angeblichen Bevollmächtigten des Abnehmers verlassen. Dessen Bevollmächtigung hat sie sich nicht nachweisen lassen.

23

Zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bestehen nach dem vorgenannten Urteil des BFH aber auch dann, wenn die Geschäftsanbahnung - wie im vorliegenden Fall - mit dem Unternehmer durch einen zwischengeschalteten Dritten erfolgt und der Abnehmer -  außer auf dem Papier - nicht in Erscheinung tritt.

24

Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es nach Auffassung des Senats noch nicht aus, dass der (vermeintliche) Abnehmer über eine gültige USt-ID-Nr. verfügt und sie sich diese und die Gewerbeanmeldung hat bestätigen lassen. Ebenso wenig reicht es schon, dass den beiden ersten Lieferungen kein Bargeschäft über hochwertige Fahrzeuge zu Grunde lag. Gerade hier hätte der Klägerin auffallen müssen, dass M. L. ihr die umgehende Zahlung der Rechnung nach einer Übersendung an ihn in R. zugesagt hatte.

25

Zudem liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG in formeller Hinsicht nicht vor. Danach muss die Inanspruchnahme auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruhen. Der Abnehmer (S. D.) ist gegenüber der Klägerin nicht in Erscheinung getreten. Die Erklärung über die Verbringung der Fahrzeuge nach Österreich stammt von M. L. Dessen Erklärung kann dem S.D. nur zugerechnet werden, wenn dieser M. D. bevollmächtigt hat. Hieran fehlt es.

26

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zugelassen wegen der Frage, ob die Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG auch dann angewendet werden kann, wenn die unrichtigen Angaben von einer Person stammen, deren Bevollmächtigung durch den Abnehmer nicht nachgewiesen wurde.


Tenor

1. Die Umsatzsteuer für 2006 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65/100, der Beklagte zu 35/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob von der Klägerin getätigte Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerbefreit sind.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u.a. der Handel mit Kraftfahrzeugen (KFZ).

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2006 errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem negativen Betrag von 229.604,86 €; hierbei behandelte sie u.a. die Lieferungen von 12 KFZ als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA-) setzte die Umsatzsteuer für 2006 mit gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 28. Januar 2008 auf den negativen Betrag von 226.724,86 € fest.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 20. Februar 2008 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 auf den negativen Betrag von 229.604,86 € fest.

Im Anschluss an eine Außenprüfung (Bericht vom 19. Februar 2010) setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 182.290,34 € fest, behandelte u.a. die og. 12 Fahrzeuglieferungen als steuerpflichtig und erhöhte dementsprechend die steuerpflichtigen Umsätze um den Betrag von 340.231 €.

Zur Begründung verwies das FA auf eine Stellungnahme des an der Außenprüfung beteiligten Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009, wonach der Beleg- und Buchnachweis für og. Lieferungen nicht geführt worden sei. So sei bei den von den Abnehmern angeblich abgeholten Fahrzeugen der Bestimmungsort der Lieferungen nicht aufgezeichnet worden, sondern lediglich von den Abholern bestätigt worden, dass die jeweiligen Fahrzeuge "aus Deutschland ausgeführt" bzw. "nach Spanien verbracht" würden, ohne einen Bezug zu den Rechnungsadressen der Abnehmer herzustellen. Bei den an die Abnehmer angeblich versandten Fahrzeugen hätten die Abnehmer den Empfang der Fahrzeuge nicht in Feld 24 der CMR-Frachtbriefe bestätigt.

Am 23. April 2010 erhob die Klägerin gegen den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid Sprungklage, der das FA nicht zugestimmt hat, die am 8. Juni 2010 zur Behandlung als Einspruch an das FA abgegeben wurde und über den das FA nicht entschieden hat.

Am 28. Februar 2011 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass den einzelnen Rechnungen und weiteren Belegen der jeweilige Bestimmungsort zu entnehmen sei und die jeweiligen Abnehmer bzw. Abholer den Export in die jeweiligen Bestimmungsländer bestätigt hätten. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lägen für die streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen demzufolge vor. Ein Vergleich des Schriftbildes der auf den Verbringensbestätigungen mit den Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer sei zudem nicht zulässig, da nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten der Länder das Anfertigen der Kopie eines Personalausweises gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für 2006 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 229.218,34 € festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

nach Maßgabe des Zugeständnisses in der mündlichen Verhandlung die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des FA vom 18. März 2011, 1. Juni 2011, 18. April 2013, 26. Juni 2013, 24. Januar 2012 sowie 24. Januar 2014 verwiesen.

Mit Anordnung vom 10. Juni 2013 (zugestellt am 17. Juni 2013) wurde die Klägerin gem. § 79 b Abs. 2 FGO unter Fristsetzung zum 19. Juli 2013 aufgefordert, bezüglich der für das Streitjahr erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Aufzeichnungen im Sinne des § 17c UStDV (Buchnachweis) im Original vorzulegen sowie darzulegen, wann diese Aufzeichnungen erstellt wurden, die Belege im Sinne des § 17a UStDV (Belegnachweis) im Original vorzulegen, die diesen Lieferungen zugrunde liegenden Kaufverträge sowie Geschäftskorrespondenz im Original vorzulegen sowie Zahlungsnachweise für die Vereinnahmung der vereinbarten Entgelte im Original vorzulegen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

1. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) nachzuweisen.

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957 m.w.N.).

2. Hinsichtlich der folgenden streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen hat das FA das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit in der mündlichen Verhandlung anerkannt. Die Bezeichnung der einzelnen Fahrzeuglieferungen orientiert sich nachfolgend an der von der Klägerin in den vorgelegten Originalunterlagen vorgenommenen Auflistung (A1 – L1) sowie der Auflistung in der Stellungnahme des Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009 (Nr. 1-18).

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1001859 vom 15. März 2006, MB SLK350, 38.000 €, Fall A1 bzw. Nr. 3)

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1002817 vom 26. Juli 2006, MB A180CDI, 18.300 €, Fall B1 bzw. Nr. 4)

  • ·Lieferung an V. S.L., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1001818 vom 9. März 2006, MB C220CDI, 20.000 €, Fall E1 bzw. Nr. 11)

  • ·Lieferung an D. SL U., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1002598 vom 30. Juni 2006, MB A180CDI, 15.500 €, Fall G1 bzw. Nr. 13)

  • ·Lieferung an A. SA, , L- Luxemburg (Rechnung Nr. 1004064 vom 30. Juni 2006, MB SLK200 Kompressor, 25.775 €, Fall L1 bzw. Nr. 18)

3. Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat den Belegnachweis nicht erbracht.

a) Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1003173 vom 4. Oktober 2006, MB A170CDI, 11.600 €, Fall C1 bzw. Nr. 5)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 UStDV in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, den Nachweis hierüber führen durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1. UStDV. Gem. § 10 Abs. 1 Nummer 1 UStDV soll der Unternehmer den Nachweis regelmäßig führen durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief.

In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Vollmacht sowie Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. TTI in, F- H. bevollmächtigt hat. Letzteres hat auch die mündliche Verhandlung ergeben. Der Versendungsbeleg ist daher unrichtig.

b) Lieferung an Fa. L., H- Budapest (Rechnung Nr. 1001690 vom 24. Februar 2006, MB ML320CDI, 48.000 €, Fall D1 bzw. Nr. 10)

Bei dieser Lieferung kann es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Beförderungs- oder eine Versendungslieferung handeln. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 Nummer 4 UStDV in den Fällen, in denen der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis hierüber führen durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Dieser Nachweis kann auch bei einer Versendungslieferung zulässig sein (§ 17 a Abs. 4 Satz 2 UStDV). Der Belegnachweis setzt dabei aber voraus, dass derjenige, der den Gegenstand (Fahrzeug) tatsächlich abholt (der Abnehmer oder sein Beauftragter) versichern muss, diesen in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 2011 V B 102/10 BFH/NV 2011, 1930).

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das KFZ "ordnungsgemäß aus Deutschland auszuführen" und bevollmächtigte Herrn F., im europäischen Raum Fahrzeuge aller Art und Baustoffe sowie Waren aller Art einzukaufen.

Die vorgelegte Verbringensbestätigung ist jedoch nicht datiert. Zudem ist unklar, ob sie vom angeblichen tatsächlichen Abholer F., wohnhaft in A- Wels-Land, ausgefüllt wurde, wogegen spricht, dass sie mit einem Firmenstempel des angeblichen Abnehmers versehen ist. Zudem ist die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung aufgrund einer Überstempelung nicht leserlich, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Es fehlt daher an einem ordnungsmäßigen Belegnachweis.

Ein Berücksichtigung der Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin bereits deshalb nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz, da sie offensichtlich mit Einwilligung der Passinhaber angefertigt wurden (§ 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz). Zudem verkennt die Klägerin, dass sie zur Erlangung der Steuerbefreiung den Nachweis der Richtigkeit der gesetzlich geforderten Verbringensbestätigungen zu erbringen hat. Eine Nichtberücksichtigung der Passkopien hätte jedoch zur Folge, dass die vorgelegten Verbringensbestätigungen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden könnten, so dass die Steuerbefreiung gleichfalls zu versagen wäre.

c) Lieferung an R, P- (Rechnung Nr. 1001966 vom 31. März 2006, MB SLK200K, 29.656 €, Fall F1 bzw. Nr. 12)

Es fehlt wiederum am Belegnachweis. Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn Z. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers Z., wohnhaft in  Tn., und eine Empfangsbestätigung (§ 17 A Abs. 2 Nr. 3 u. 4 UStDV) wurden jedoch nicht vorgelegt.

Ferner wurde die Bestätigung nicht bei der tatsächlichen Abholung des Fahrzeugs erteilt, sondern – wie aus dem Vermerk unten auf der Bestätigung ersichtlich – zugefaxt.

d) Lieferung an R., P- (Rechnung Nr. 1003046 vom 1. September 2006, MB A160CDI, 14.200 €, Fall H1 bzw. Nr. 14)

Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn S. Abholvollmacht.

Die Unterschrift des angeblichen Abholers S., wohnhaft in der G-Str. in K. auf der Verbringensbestätigung weicht jedoch erkennbar von der Unterschrift in seiner vorgelegten Passkopie ab, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung tatsächlich vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Das Gericht kann daher keinen ordnungsgemäßen Belegnachweis erkennen.

e) Lieferung an C.SL, E- F. (Rechnung Nr. 1003218 vom 13. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 48.300 €, Fall I1 bzw. Nr. 15)

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen und bevollmächtigte mit weiterem Schreiben Herrn H., (26)/Frankreich zur Abholung für den "Export nach Spanien".

Die vorgelegte Verbringensbestätigung wurde ausweislich des aufgebrachten Firmenstempels sowie der Unterschrift vom Abnehmer ausgefüllt. Eine Verbringensbestätigung des tatsächlichen Abholers wurde jedoch nicht vorgelegt, dieser bestätigte lediglich ohne Datumsangabe auf der vorgelegten Rechnung, das Fahrzeug erhalten zu haben. Der Belegnachweis ist daher nicht vollständig erbracht.

f) Lieferung an P LDA, P- (Rechnung Nr. 1003306 vom 26. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 49.500 €, Fall J1 bzw. Nr. 16)

Der angebliche Abnehmer, vertreten durch einen Herrn AP bestätigte zwar ohne Datumsangabe, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen. Ein Herr F., Halle 23, erteilte Herrn K., K. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers K. wurde jedoch nicht vorgelegt.

g) Lieferung an C. , E-3 (Rechnung Nr. 1003368 vom 31. Oktober 2006, MB E220CDI, 21.400 €, Fall K1 bzw. Nr. 17)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. E. Autotransporte GmbH, Sg bevollmächtigt hat.

4. Die Klägerin hat auch nicht auf sonstige Weise nachgewiesen, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen und die streitgegenständlichen Fahrzeuge aufgrund ihrer Lieferungen in das Gemeinschaftsgebiet gelangt sind. Ein derartiger Nachweis, etwa durch eine Bestätigung, dass die Fahrzeuge in einem anderen Mitgliedsstaat zeitnah auf ihre Abnehmer straßenverkehrsrechtlich zugelassen wurden, wurde nicht vorgelegt.

Es ist jedoch Sache des Lieferanten der Gegenstände, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind. Dabei sind die Finanzbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Versand oder die Beförderung von Gegenständen im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung beginnt, nicht verpflichtet, die Behörden des vom Lieferanten angegebenen Bestimmungsmitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen, ob die Gegenstände tatsächlich in den Bestimmungsmitgliedstaat verbracht worden sind (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-184/05 Twoh, Slg. 2007, I-07897).

5. Die Lieferung ist auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt dabei voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863).

c) Im Streitfall hat die Klägerin jedoch hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen F1, I1 und J1 den Belegnachweis nicht geführt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen C1 und K1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass das Feld 2 der CMR-Frachtbriefe falsche Angaben zum Auftraggeber enthielt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen D1 und H1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung von der Unterschrift in der Passkopie abweicht (s.o.). Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863)

6. Die Umsätze zum Regelsteuersatz sind gegenüber dem angegriffenen Umsatzsteuerbescheid um den Nettobetrag der vom FA im vorliegenden Verfahren als steuerfrei anerkannten Fahrzeuglieferungen (101.357,76 €) herabzusetzen. Die Umsatzsteuer für 2006 ist somit auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festzusetzen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

8. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Revisionsgründe vorliegt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


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Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Jahren 2001 und 2002 (Streitjahre) u.a. den Handel mit hochpreisigen PKW. Die Klägerin führte u.a. folgende Lieferungen aus:

2

1. Die Klägerin rechnete im Jahr 2001 Lieferungen in Höhe von 1.678.601 DM und im Jahr 2002 in Höhe von 193.433 € gegenüber der Firma A ab. A wurde in der Italienischen Republik (Italien) als Steuerpflichtige geführt. Der Klägerin lag ein Handelsregisterauszug der A und eine Ausweiskopie des Geschäftsführers der A, FS und eines IM vor, der zugleich Prokurist eines anderen italienischen Unternehmens (D) war. Der Sitz der A befand sich am Wohnsitz des FS. Die Klägerin zeichnete die im Jahr 2001 gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A buchmäßig auf und erteilte der A Rechnungen ohne gesonderten Steuerausweis. Die Rechnungen enthielten keinen Hinweis auf die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen.

3

A hat in Italien keine innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt. Im April 2002 gab FS gegenüber den italienischen Steuerbehörden an, dass die über A getätigten Fahrzeugerwerbe "in der italienischen Region …" erfolgt seien. Er, FS, habe lediglich eine Provision in Höhe von 500.000 Italienischen Lire erhalten.

4

Schriftliche Unterlagen zu den Fahrzeugbestellungen liegen nicht vor. Die Fahrzeuge wurden jeweils bei der Klägerin abgeholt und in bar oder per Scheck bezahlt. Als Abholer traten IM sowie die Herren AL, FP und EO auf, die jeweils Übernahmebestätigungen und eine Versicherung, dass die Fahrzeuge nach Italien "exportiert" werden, unterschrieben haben sollen. Für IM ist eine Vollmacht der A vorhanden. Die Unterschrift des IM auf der Ausweiskopie weist keine Ähnlichkeit mit den Unterschriften auf den Übernahmebestätigungen auf. Für AL legte die Klägerin im Laufe des Verfahrens eine Ausweiskopie vom 3. Juli 2004 vor. Für EO reichte die Klägerin eine Ausweiskopie ein, auf der die Anschrift nicht erkennbar ist. Für FP sind keine weiteren Angaben vorhanden.

5

2. Die Klägerin rechnete am 12. November 2001 gegenüber der R mit Sitz in Italien eine Lieferung eines PKW in Höhe von 54.467,10 € ab. Eine Durchschrift der Rechnung liegt nicht vor. Die Klägerin verfügt über einen Handelsregisterauszug der R, nach dem Frau PC vertretungsberechtigt war, sowie eine Ausweiskopie der PC. Aufgetreten für R ist eine Frau MS, die per Fax mitteilte, an welche Anschrift die Rechnung erteilt werden soll. Bestellunterlagen liegen nicht vor. Auf einer Übernahmebestätigung wird der "Export" nach Italien bescheinigt. Wer diese unterzeichnet hat, ist nicht bekannt.

6

Nach Ermittlungen der italienischen Strafverfolgungsbehörde ist R eine "Scheinfirma", die zum Zwecke des Umsatzsteuerbetrugs eingeschaltet worden sei.

7

3. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002 an die C die Lieferung von drei PKW Mercedes zum Gesamtpreis von 145.400 €. Die Klägerin wies gegenüber C keine Umsatzsteuer aus; einen Hinweis auf die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen enthalten die Rechnungen nicht. Die Klägerin verfügt außerdem über einen Handelsregisterauszug der C sowie eine Ausweiskopie des Geschäftsführers der C, SG. Die Klägerin übermittelte die Bestellungen bzw. Auftragsbestätigungen per Telefax an eine nicht bekannte Nummer und erhielt diese mit einem Firmenstempel der C und einer Unterschrift zurück; die Telefaxnummer wurde dabei unterdrückt. Die PKW wurden per Spedition nach Italien versendet. Auf den CMR-Versendungsbelegen ist dagegen als Empfängerin die Z mit Sitz in Italien angegeben.

8

Die C, die über eine italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügte und in Italien als Steuerpflichtige geführt wurde, erklärte in Italien keine innergemeinschaftlichen Erwerbe.

9

4. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002 Fahrzeuglieferungen an die W zu einem Gesamtpreis von 195.000 €. Rechnungsdurchschriften befinden sich nicht bei den Akten. Die von der Klägerin aufgezeichnete italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer wurde nicht der W, sondern der italienischen Firma Y zugeteilt. Die auf den Rechnungen an W verwendete Anschrift war in der Zeit von November 2001 bis Mai 2002 die Anschrift der Y. Die Klägerin verfügt über keine Unterlagen zu W. Bestellunterlagen sind auch nicht mehr vorhanden. Die Fahrzeuge wurden abgeholt. Die Identität der Abholer ist unbekannt, die Unterschriften auf den Abnehmerversicherungen, in denen der beabsichtigte Transport "nach Italien" bescheinigt wurde, unleserlich.

10

5. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002  15 PKW-Lieferungen zu einem Gesamtpreis von 1.192.450 € an die Firma B. B wurde in Italien als Steuerpflichtige geführt und verfügte über eine italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die italienischen Steuerbehörden haben mitgeteilt, dass B ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden sei, um als erste italienische Erwerberin zu "fungieren" und die Umsatzsteuer auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe in Italien zu hinterziehen.

11

Die Klägerin wies in den Rechnungen an B keine Umsatzsteuer aus; einen Hinweis auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) enthielten die Rechnungen nicht. Die Klägerin verfügt über einen Handelsregisterauszug der B und eine Ausweiskopie des Geschäftsführers RR. Bestellunterlagen sind nicht mehr vorhanden. Sämtliche Fahrzeuge wurden bei der Klägerin abgeholt, und zwar von IM, EO sowie den Herren AM, GS und AG. Die Klägerin verfügt über eine Ausweiskopie des IM, deren Unterschrift keine Ähnlichkeit mit den Unterschriften auf den Abholbestätigungen aufweist. Auf den Ausweiskopien des AM und des EO ist deren Wohnsitz nicht ersichtlich. Die Anschrift des AG ist auf dessen Ausweiskopie unleserlich. Die für AM, GS, AG und EO ausgestellten Vollmachten der B beziehen sich auf andere Fahrzeuge als die jeweilige Übernahmebestätigung; das in der Vollmacht des AM genannte Fahrzeug wurde von der Klägerin an die X mit Sitz in Italien geliefert.

12

Sämtliche unter 1. bis 5. genannten PKW wurden innerhalb weniger Wochen bzw. Monate in Italien zugelassen.

13

Die Klägerin behandelte in ihren Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2001 vom 26. Februar 2003 und für das Jahr 2002 vom 26. Februar 2004 die genannten Lieferungen als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) folgte dem nach Durchführung mehrerer Außenprüfungen nicht, sondern sah sämtliche Umsätze in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre, zuletzt vom 9. November 2006, als steuerpflichtig an. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

14

Ein gegen die Geschäftsführer der Klägerin eingeleitetes Strafverfahren wurde am 14. September 2010 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.

15

Im Rahmen des Klageverfahrens übergab die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dem Finanzgericht (FG) u.a. ein Merkblatt "Autoselbstimport aus der EU" des Europäischen Verbraucherzentrums Italien.

16

Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es vertrat die Auffassung, sämtliche Umsätze der Klägerin seien im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Die Klägerin habe die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG jeweils nicht nachgewiesen. Der Buch- und Belegnachweis sei nicht geführt. Es stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG erfüllt seien. Allein der Umstand, dass sämtliche PKW in Italien zugelassen worden seien, genüge --entgegen der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 28. Juni 2012  6 K 2615/09 (juris)-- nicht. Hinsichtlich der Lieferungen an B führte das FG auf Seite 20 des Urteils weiter aus, es sei außerdem davon überzeugt, dass die Klägerin an der von der Hinterziehung der Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat mitgewirkt oder zumindest davon Kenntnis gehabt habe. Auf Seite 21 bezog das FG in diese Würdigung das von der Klägerin vorgelegte Merkblatt mit ein.

17

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, zur Fortbildung des Rechts und wegen Verfahrensfehlern zuzulassen.

18

Einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung, mit dem die Klägerin u.a. begehrte, den Tatbestand dahingehend zu berichtigen, dass die von der Klägerin vorgelegte Broschüre erstmals im Jahr 2006 herausgegeben worden sei, gab das FG mit Beschluss vom 21. Mai 2013 insoweit statt, als es den Tatbestand dahingehend ergänzte, dass die Broschüre des Europäischen Verbraucherzentrums Italien den Stand Oktober 2006 hat. Dafür, dass die Broschüre erstmals im Jahr 2006 herausgegeben worden sei, gebe es jedoch keine Anhaltspunkte.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

20

1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

21

a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes Gericht (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 69; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 172 ff.). Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. November 2013 XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366; vom 8. Januar 2014 XI B 120/13, BFH/NV 2014, 686). Befindet sich das FG aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, kommt es auf eine (mögliche) Abweichung von dem Urteil eines anderen FG nicht mehr an (BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 2013 X B 15/13, BFH/NV 2013, 1609; vom 19. August 2013 X B 44/13, BFH/NV 2013, 1672, m.w.N.). Eine Divergenz kann nur in Bezug auf ein Urteil geltend gemacht werden, das im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht durch neuere höchstrichterliche Rechtsprechung überholt ist (BFH-Beschluss vom 23. September 2011 IX B 91/11, BFH/NV 2012, 58).

22

b) Gemessen daran liegen die zahlreichen von der Klägerin gerügten Abweichungen nicht vor.

23

aa) Soweit die Klägerin unter C.I. der Beschwerdebegründung geltend macht, das FG sei von dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2012  6 K 2615/09 (juris) abgewichen, ist dies zwar ausweislich der Urteilsgründe (Seite 16) zutreffend; das FG befindet sich damit aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Durch das BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11 (BFH/NV 2013, 1453, Rz 45) ist nämlich geklärt, dass sich aus der Zulassung eines Fahrzeugs nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat ergibt, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird. Davon ist auch das FG ausgegangen, indem es auf Seite 16 des Urteils ausgeführt hat, die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat besage über den Lieferweg und die Lieferkette nichts.

24

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Abweichung von den BFH-Urteilen vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27), vom 17. Februar 2011 V R 28/10 (BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448) sowie den Urteilen des Niedersächsischen FG vom 23. April 2009  16 K 261/05 (juris) und des FG Baden-Württemberg vom 20. Juli 2011  14 K 4282/09 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2203) rügt, liegt diese aus denselben Gründen ebenfalls nicht vor.

25

Auch der von der Klägerin beiläufig angeführte § 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der seit 1. Oktober 2013 geltenden Fassung verlangt übrigens --anders als die Klägerin meint-- einen Nachweis über die Zulassung des Fahrzeugs auf den Erwerber, an der es im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG fehlt.

26

bb) Soweit die Klägerin unter C.I.2. der Beschwerdebegründung geltend macht, das FG habe seiner Entscheidung folgenden Rechtssatz zugrunde gelegt: "Der Nachweis der Identität des wahren Abnehmers ist eine unabdingbare Voraussetzung der Steuerfreiheit. Handelt ein Unternehmer als Strohmann nur zum Schein im eigenen Namen, so ist dessen Hintermann Abnehmer ...", ist eine Abweichung bereits nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt: Die von der Klägerin auf Seite 9 der Beschwerdebegründung zitierten Passagen des Urteils enthalten allesamt keine Rechtssätze, sondern das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung des FG. Für die Annahme einer Divergenz reichen aber weder eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung noch eine (angeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 XI B 89/11, BFH/NV 2013, 778; vom 20. März 2013 IX B 154/12, BFH/NV 2013, 1239).

27

Überdies ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraussetzt, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist und für die Bestimmung des Leistungsempfängers sog. Scheingeschäfte (§ 41 der Abgabenordnung) ohne Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15 und 17; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17 und 19, jeweils m.w.N.). Das FG konnte sich vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens --aufgrund tatsächlicher Ungereimtheiten und Widersprüche-- nicht davon überzeugen, dass die von der Klägerin angegebenen Personen jeweils die tatsächlichen Abnehmer seien, so dass es bereits an der erstgenannten Voraussetzung fehle.

28

cc) Der Vortrag unter C.I.3. der Beschwerdebegründung, aus den Ausführungen des FG auf Seite 19 und 20 des Urteils ergebe sich, dass das FG den allgemeinen Rechtssatz aufgestellt habe, "dass von einem fehlerhaften Buch- und Belegnachweis auf die Kenntnis der Steuerhinterziehung durch den Erwerber geschlossen werden kann und diese Kenntnis einer Verschleierung der Identität des Abnehmers den Rechtsfolgen im Sinne der Entscheidung des [Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom] 7. Dezember 2010 C-285/09" --R-- (Slg. 2010, I-12605, Umsatzsteuer-Rundschau –-UR–- 2011, 15) "gleichsteht", hat das FG auch diesen abstrakten Rechtssatz schon gar nicht aufgestellt.

29

(1) Zunächst hat das FG --bezüglich der unter I.3. genannten Lieferungen an C-- auf Seite 19 des Urteils aus der fehlenden Aufzeichnung von Kontaktdaten gar nicht auf eine "Kenntnis der Steuerhinterziehung" geschlossen, sondern --u.a.-- daraus abgeleitet, dass Zweifel bestehen, dass C der Besteller der unter I.3. genannten Fahrzeuge gewesen sei und es nicht unwahrscheinlich sei, dass die Bestellung der Fahrzeuge nicht von C erfolgt sei.

30

(2) Ebenso wenig hat das FG diesen Rechtssatz auf Seite 20 des Urteils aufgestellt, sondern aus den von ihm dort genannten "zahlreichen Unstimmigkeiten und Widersprüchen" in Bezug auf die unter I.5. genannten Lieferungen an B den Schluss gezogen, dass die Klägerin zumindest Kenntnis von der Hinterziehung der Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gehabt habe.

31

(3) Die Klägerin wirft dem FG mit ihrem Vorbringen im Kern eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung, fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls und Subsumtionsfehler vor, was --wie unter II.1.b bb dargelegt-- für die Zulassung einer Revision wegen Divergenz nicht ausreicht.

32

(4) Soweit die Klägerin auch in diesem Zusammenhang auf Seite 14 der Beschwerdebegründung vorbringt, es sei "für einen Fall wie dem vorliegenden noch nicht entschieden, dass bei Erfüllung der objektiven Voraussetzungen (Nachweis des körperlichen Gelangens der Fahrzeuge durch zeitnahe amtliche Zulassungen und Auftreten des Abnehmers im Außenverhältnis ersichtlich als Leistungsempfänger), der Lieferant aber ggf. hätte erkennen können, dass der Abnehmer seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen ebenfalls nicht zu gewähren ist", liegt eine solche Situation im Streitfall schon tatsächlich nicht vor: Erstens hat die Klägerin nach der tatsächlichen Würdigung des FG die objektiven Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt und zweitens hat das FG angenommen, dass die Klägerin zumindest Kenntnis von der Steuerhinterziehung hatte.

33

2. Den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) hat die Klägerin bereits nicht hinreichend dargelegt.

34

a) Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. August 2013 X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761; vom 1. April 2014 V B 45/13, BFH/NV 2014, 1104, Rz 11).

35

Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. BFH-Beschluss vom 11. November 2008 XI B 17/08, BFH/NV 2009, 429; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 147). Dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (BFH-Beschluss vom 13. November 2012 II B 123/11, BFH/NV 2013, 255, m.w.N.). Zur Darlegung des Zulassungsgrunds muss der Beschwerdeführer substantiiert ausführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2012 III B 78/12, BFH/NV 2013, 39). Hierzu muss sich die Beschwerde u.a. mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2012 IV B 13/11, BFH/NV 2012, 963).

36

Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil der BFH grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 2013 X B 84/12, BFH/NV 2013, 771; vom 20. Februar 2014 XI B 85/13, BFH/NV 2014, 828).

37

b) Soweit der Vortrag der Klägerin auf Seite 14 zweiter Absatz der Beschwerdebegründung sich auf den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts bezieht, ist dieser Zulassungsgrund schon deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil der von der Klägerin behauptete Sachverhalt nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall nicht gegeben ist.

38

c) Die Klägerin macht unter C.I.3.b der Beschwerdebegründung weiter geltend, zu dem "hier einschlägigen Fall der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO mangels objektiver Beweise für eine aktive Mitwirkung an der Steuerhinterziehung des Abnehmers" sei "noch kein Urteil ergangen, das die Anwendbarkeit der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache --R--" (in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15) bestätige. Eine Entscheidung des BFH diene deshalb der Rechtsfortbildung vor allem auch im Hinblick auf die Abgrenzung von Umsatzsteuerrecht und Strafrecht. Außerdem stelle sich die grundsätzliche Frage nach der Grenzziehung zwischen den Risikosphären des liefernden Steuerpflichtigen und der jeweiligen Steuergläubiger. Nach Ansicht des EuGH sei es gerechtfertigt, denjenigen, der sich aktiv an einer Straftat eines anderen beteilige, in Durchbrechung des vom Grundsatz der Territorialität getragenen Bestimmungslandprinzips in Anspruch zu nehmen. Es sei fraglich, ob nach dem EuGH-Urteil --R-- (in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15) "eine derartige systemwidrige Besteuerung auch gerechtfertigt ist, wenn dem Steuerpflichtigen eigenes Fehlverhalten im Hinblick auf den Steueranspruch des Bestimmungslandes nicht zur Last gelegt werden kann".

39

d) Dies genügt auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen im Schreiben vom 25. Juli 2013 zur Darlegung in mehrfacher Hinsicht nicht:

40

aa) So fehlt jeglicher Vortrag dazu, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist.

41

bb) Auch setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend mit der Folgerechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinander.

42

cc) Überdies legt die Beschwerde nicht dar, dass ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, bei dem es auf die Beantwortung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage überhaupt ankommt. Dies ist hier nach den tatsächlichen Feststellungen nicht der Fall. In der Rechtssache --R-- hatte eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen tatsächlich stattgefunden und die Steuerbefreiung wurde "nur" deshalb versagt, weil der Lieferer bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hatte, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (vgl. EuGH-Urteil --R-- in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 51 und Tenor; BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 19/10, BFHE 235, 50, BStBl II 2012, 156, Rz 22; V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 22; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 26; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 2011  1 StR 41/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 332, Rz 21). Im Streitfall ist das FG jedoch bereits auf Seite 16 des Urteils für alle Lieferungen, auch die unter I.5. genannten Lieferungen, davon ausgegangen, dass der Buch- und Belegnachweis nicht geführt sei und nicht objektiv zweifelsfrei feststehe, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Darstellung der Klägerin auf Seite 15 der Beschwerdebegründung steht insoweit mit der tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG nicht in Einklang.

43

3. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Die Behauptung unter C.II., das FG habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen und seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildet, trifft nicht zu.

44

a) Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. April 2014 XI B 89/13, BFH/NV 2014, 1228, m.w.N.).

45

aa) Insbesondere sind der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 2012 VI B 138/11, BFH/NV 2012, 970; vom 21. August 2013 III B 122/12, BFH/NV 2013, 1798). Das FG verletzt seine Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Berücksichtigung des Streitstoffs, wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache oder einen bestimmten Tatsachenvortrag erkennbar unberücksichtigt lässt, obwohl dieser auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sein kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2013 IX B 1/13, BFH/NV 2013, 1624; vom 30. Juli 2013 IV B 107/12, BFH/NV 2013, 1928).

46

bb) Die Rüge eines derartigen Verfahrensmangels setzt die Darlegung voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen des Beteiligten nicht entspreche oder eine aus den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen habe (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Dezember 2012 X B 209/11, BFH/NV 2013, 722; vom 6. März 2013 X B 165/12, BFH/NV 2013, 954). Die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt haben soll, müssen genau bezeichnet und die sich daraus ergebenden wesentlichen Tatumstände benannt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303; vom 12. Oktober 2012 III B 212/11, BFH/NV 2013, 78, jeweils m.w.N.).

47

cc) Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint; insoweit könnte es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler handeln, nicht indes um einen Verfahrensverstoß (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2006 VIII B 113/05, BFH/NV 2006, 803; vom 27. September 2007 XI B 194/06, BFH/NV 2008, 87; vom 16. Dezember 2013 III S 23/13 (PKH), BFH/NV 2014, 553). Selbst Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze sind in der Regel materiell-rechtliche Fehler und können nicht als Verfahrensmangel gerügt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Juni 2012 X B 1/12, BFH/NV 2012, 1616; vom 19. September 2013 III B 47/13, BFH/NV 2014, 72).

48

b) Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang zunächst geltend, das FG habe den Akteninhalt dadurch unvollständig berücksichtigt, dass es lediglich erwähnt habe, dass das Strafverfahren gegen die Geschäftsführer der Klägerin gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Indem das FG ausgeführt habe, zur Überzeugung des FG stehe fest, dass die Klägerin an der Hinterziehung der Erwerbsbesteuerung mitgewirkt habe oder zumindest Kenntnis von ihr gehabt habe, stehe das FG in offenem Widerspruch zu den staatsanwaltlichen Ermittlungserbnissen.

49

Unabhängig davon, ob die Klägerin mit diesem Vortrag bereits die Darlegungserfordernisse nicht erfüllt hat, weil sie die Aktenteile nicht genau bezeichnet hat, liegt darin schon deshalb kein Verfahrensfehler des FG, weil das FG die Einstellung des Strafverfahrens --wie sich aus der Erwähnung im Urteil ergibt-- zur Kenntnis genommen und lediglich anders gewürdigt hat als die Klägerin. Eine Bindungswirkung des Strafverfahrens für das Besteuerungsverfahren besteht insoweit nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Februar 2001 IV B 162/99, BFH/NV 2001, 890, zur Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO; BFH-Urteil vom 18. April 2013 V R 19/12, BFHE 241, 446, BStBl II 2013, 842, zu strafgerichtlichen Urteilen; zur eigenständigen Prüfungskompetenz der Steuerhinterziehung durch die Gerichte bei der Überprüfung von Steuerbescheiden s. auch EuGH-Urteil vom 13. Februar 2014 C-18/13 --Maks Pen--, Mehrwertsteuerrecht 2014, 197, m. Anm. Grube, Rz 38). Zuletzt wäre auch hier --wie unter II.2.d dargelegt-- ein etwaiger Verfahrensfehler des FG nicht entscheidungserheblich, weil das FG die Steuerbefreiung bereits aus anderen Gründen versagt hat. Hat ein FG sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, ist hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form geltend zu machen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. März 2014 V B 18/13, nicht veröffentlicht, m.w.N.), woran es in Bezug auf die Begründung auf Seite 16 des Urteils, die auch die unter I.5. genannten Lieferungen umfasst, fehlt.

50

c) Aus denselben Gründen greift auch die Rüge der Klägerin nicht durch, das FG habe zu Unrecht das Merkblatt "Autoselbstimport aus der EU" des Europäischen Verbraucherzentrums Italien berücksichtigt. Auch dies ist aufgrund der Ausführungen auf Seite 16 des Urteils auf Basis der Rechtsauffassung des FG nicht entscheidungserheblich.

51

Im Übrigen steht die Behauptung, die Broschüre sei erstmals im Jahr 2006 (und damit nach den Streitjahren) aufgelegt worden, mit den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht in Einklang. Das FG hat auf Seite 21 seines Urteils --in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2013-- lediglich festgestellt, dass die von der Klägerin vorgelegte Broschüre den Stand Oktober 2006 hat. Für die Behauptung der Klägerin, dass die Herausgabe erstmals im Jahr 2006 erfolgt sei, hat das FG --ausweislich der Ausführungen auf Seite 3 des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2013 unter II.5.-- keine Anhaltspunkte feststellen können.

52

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

53

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen entweder der Sache nach nicht vor oder die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

3

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

4

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage:

"Reichen folgende Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 17 Abs. 2 UStDV nicht aus:
1. Doppel der Rechnung
2. Empfangsbestätigung durch den Abnehmer oder seinen Beauftragten
3. Versicherung des Abnehmers, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern?
4. Bestätigung des Frachtführers über die Verbringung ins innereuropäische Ausland"

ist weder klärungsbedürftig noch wäre sie in einem Revisionsverfahren klärungsfähig.

5

a) Welche Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß "§ 17 Abs. 2 UStDV" [gemeint: § 17a Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) --UStDV--] ausreichen oder nicht ausreichen, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Antwort hierauf ergibt sich bereits aus dem Gesetz und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).

6

aa) Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurden die Waren im Streitfall durch das Speditionsunternehmen K und N versandt, sodass für die Nachweisvoraussetzungen § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes i.V.m. § 17a Abs. 2 bis 4 UStDV einschlägig ist.

7

Danach soll der Unternehmer den Nachweis wie folgt führen:

"1. durch das Doppel der Rechnung (§ 14, § 14 a des Gesetzes) und
2. durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1."

§ 10 Abs. 1 UStDV regelt, dass der Unternehmer in sog. Versendungsfällen den Nachweis regelmäßig wie folgt führen soll:

"1. durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Postlieferungsschein oder deren Doppelstücke, oder
2. durch einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs oder durch eine Versandbestätigung des Lieferers. Der sonstige Beleg soll enthalten:
a) den Namen und die Anschrift des Ausstellers sowie den Tag der Ausstellung,
b) den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist,
c) die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des ausgeführten Gegenstands,
d) den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung in das Drittlandsgebiet,
e) den Empfänger und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
f) eine Versicherung des Ausstellers, dass die Angaben in dem Beleg auf Grund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind,
g) die Unterschrift des Ausstellers."

8

Von dieser Rechtslage ist das FG ausgegangen und hat festgestellt, dass ordnungsgemäße Versendungsbelege des Spediteurs nicht vorlagen, weil auf den Bescheinigungen der Firma K und N weder der Auftraggeber der Versendung noch Zeit und Datum der Versendung enthalten sind.

9

bb) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Versendungsnachweis nach Satz 1 zu führen, kann er den Nachweis gemäß § 17a Abs. 4 Satz 2 UStDV auch nach den Absätzen 2 oder 3 wie folgt führen:

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes)
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

10

Die von der Klägerin in ihrer Rechtsfrage bezeichneten Belege reichen danach nicht zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Versendungslieferung aus. Es fehlt an einem handelsüblichen Beleg i.S. des § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt (Lieferschein).

11

cc) Ob die Versagung der Steuerbefreiung allein auf einen Verstoß gegen formelle Nachweisvoraussetzungen gestützt werden kann, wenn aufgrund der objektiven Beweislage zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, vierter Leitsatz) ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da nach der nicht angegriffenen Würdigung des FG (S. 10 des Urteils) nicht einmal feststeht, ob dem Grunde nach innergemeinschaftliche Lieferungen vorlagen. Es blieb vielmehr letztlich ungeklärt, was die Abnehmerin mit der verkauften Ware gemacht hat.

12

b) Darüber hinaus wäre die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren nicht klärbar.

13

aa) Stützt das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe, von denen jeder für sich gesehen die Entscheidung trägt, so muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden und vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 2013 XI B 17/13, juris; vom 21. Januar 2005 VIII B 163/03, BFH/NV 2005, 835; vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524). Denn zulassungsrechtlich kann es keinen Unterschied machen, ob das FG seine Entscheidung nur auf eine tragende Begründung gestützt hat, die nicht zu einer Zulassung führen kann, oder ob es eine Begründung hinzugefügt hat, die an sich die Möglichkeit einer Zulassung eröffnete.

14

bb) Im Streitfall hat das FG sein Urteil nicht nur damit begründet, dass bereits objektiv keine innergemeinschaftlichen Lieferungen vorliegen (II.2.b des FG-Urteils) und der Belegnachweis nicht erbracht wurde (II.2.c des FG-Urteils), sondern außerdem damit, dass die Klägerin den Buchnachweis gemäß § 17c UStDV nicht geführt habe (II.2.c des FG-Urteils), da der Tag der Lieferung (§ 17c Abs. 2 Nr. 5 UStDV) und die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet und der Bestimmungsort (§ 17c Abs. 2 Nrn. 8 und 9 UStDV) nicht aufgezeichnet wurden. Zu der Begründung des fehlenden Buchnachweises, die für sich genommen die Klageabweisung trägt, hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund dargelegt.

15

2. Die Beschwerde ist nicht wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zuzulassen.

16

a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Januar 2014 X B 181/13, juris; vom 10. Mai 2012 X B 57/11, BFH/NV 2012, 1307, m.w.N.).

17

Die Klägerin hat zwar das BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06 (BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511) als Divergenzentscheidung bezeichnet und dessen Leitsatz ("Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden zählt nicht zu den Erfordernissen für einen im Sinne des § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweis. Davon zu unterscheiden ist die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung durch das Finanzamt bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall") als tragenden Rechtssatz zitiert. Sie hat diesem Rechtssatz aber keinen Rechtssatz aus dem Urteil des FG gegenübergestellt, der diesem Rechtssatz widersprechen würde.

18

b) Mit ihrem Vortrag, wonach die vom FG vertretene Auffassung, dass aus den vorliegenden Bescheinigungen nicht eindeutig eine Beauftragung der Firma K und N durch die Firma S erkennbar sei, nicht zutreffe, wendet sich die Klägerin im Kern gegen die Würdigung des FG zum Vorliegen des Belegnachweises und rügt damit eine vermeintlich unrichtige Rechtanwendung durch das FG. Ein materiell-rechtlicher Fehler bei der Rechtsanwendung kann aber nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455, m.w.N.). Einen solchen qualifizierten Rechtanwendungsfehler des FG hat die Klägerin indes nicht dargelegt.

19

3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Das Vorbringen der Klägerin, das FG habe zu Unrecht ihren Beweisantrag auf Hinzuziehung von Akten abgelehnt und dadurch die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) verletzt, genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

20

a) Zur schlüssigen Rüge einer verfahrensfehlerhaft vom FG unterlassenen Aktenbeiziehung ist darzutun, dass der Antrag auf Beiziehung entgegen der Würdigung des FG hinreichenden Anlass zur weiteren Erforschung des Sachverhaltes gegeben habe. Hierzu ist im Einzelnen darzulegen, welche konkreten, entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus den beizuziehenden Akten hätten ergeben sollen und inwieweit die angefochtene Entscheidung auf der unterlassenen Aktenbeiziehung beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297).

21

b) Das FG hat den Beweisantrag auf Hinzuziehung von Akten eines angeblichen Schadensersatzanspruches der Bundesrepublik Deutschland gegen die Firma S. mangels konkret benannter Tatsachen als Ausforschungsbeweisantrag behandelt und deshalb unbeachtet gelassen. Die Klägerin hätte insoweit ausführen müssen, aus welchen Gründen ihr Beweisantrag trotz fehlender Angabe des Gerichts und des Aktenzeichens als hinreichend substantiiert hätte beurteilt werden müssen und aus welchen Gründen unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 IV B 139/10, BFH/NV 2012, 263; vom 8. Juni 2011 IX B 157/10, BFH/NV 2011, 1510). Daran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die bloße Behauptung, dass eine Aktenbeiziehung das von der Klägerin gewünschte Ergebnis eines Nachweises der Voraussetzungen von umsatzsteuerfreien Lieferungen an die Firma S. gebracht hätte.

22

4. Von der Darstellung des Sachverhaltes und einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.

Tenor

Der Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 31.08.2010 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 14.581,30 € gemindert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


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Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

Tatbestand

1

A. Der Kläger begehrt erneut den Billigkeitserlass der Grundsteuer (GrSt) auf sein selbstgenutztes Hausgrundstück aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeitsgründen, nachdem ein vorheriger Antrag bereits bestandskräftig abgelehnt wurde.

2

I. Sachstand bis Antragstellung für den Streitzeitraum

3

1. Der in 19... geborene Kläger erwarb 19... das Hausgrundstück in A mit 1.590 qm für 510.000 DM (EW-A Bl. 1). Er bebaute es 19.../19... mit einem freistehenden eingeschossigen Einfamilienhaus mit über 200 qm Gebäudefläche, rund 180 qm Wohnfläche sowie einer Doppelgarage im Keller (Einheitswert- und Grundsteuer-Akte {EW-A} Bl. 3, 6, 11 ff.; Einheitswert-Feststellungserklärung, EW-A Bl. 14 ff.; Einheitswertbescheid vom 12.11.1998 auf den 01.01.1999, EW-A Bl. 21; Google Street View EW-A Bl. ...; Geo-Online X).

4

Für das Grundstück waren bereits im Jahr 2002 zeitweilig Zwangsversteigerungs-Anordnungen des Amtsgerichts eingetragen (vgl. weiter aktuell unten III 1 a; Grundbuch-Auszug Finanzgerichts-Akte {FG-A} Bl. ..., ...). Zwangsversteigerungs-Akten liegen dem Finanzgericht (FG) nicht vor.

5

2. Im Februar 2001 beantragte der Kläger wegen angespannter finanzieller Situation für die GrSt, Hundesteuer und andere Abgaben Stundung, die ihm für die GrSt des I. Quartals gewährt wurde (EW-A Bl. 26 ff.).

6

3. Nach einem ... beim Gericht B geführten Prozess beantragte der Kläger im März 2003 den dortigen Erlass von Gerichtskosten; dazu erklärte er sich im Februar 2004 für überschuldet und bezog er sich auf Angaben des für seinen Wohnsitz zuständigen Obergerichtsvollziehers. Daraufhin wurden ihm die Gerichtskosten am 18. März 2004 erlassen (EW-A Bl. 41).

7

4. Auf Säumniszuschläge für GrSt-Quartalsbeträge 2002 - 2004 beim beklagten FA wurden am ... 2004 Eigenheimzulage-Teilbeträge umgebucht. Gegen die Umbuchung wandte sich der Kläger mittels Einspruch, den er nicht begründete (EW-A Bl. 32 ff.).

8

Unter dem 24. März 2004 wies das beklagte FA auf die Aufrechnungsbefugnis nach § 240 AO hin, behandelte es den Einspruch als Antrag auf Billigkeitserlass der Säumniszuschläge und lehnte es diesen unter Hinweis auf § 240 AO ab (EW-A Bl. 38 ff.).

9

5. Am 29. März 2004 beantragte der Kläger unter Beifügung des Bescheids über den Gerichtskostenerlass in B nochmals beim FA Erlass und sofortige Auszahlung der verrechneten Säumniszuschläge. Die Familie mit zwei Kindern im Haushalt und einem weiteren minderjährigem unterhaltsberechtigten Kind sei auf die Zahlung dringend angewiesen, und zwar wegen der Zinsen und Abträge auf das Eigenheim und für neue Bekleidung der Kinder (EW-A Bl. 40 f.).

10

Im April 2004 wurden in Abstimmung mit dem Wohnsitz-FA Säumniszuschläge bis einschließlich 1. Quartal 2004 antragsgemäß erlassen und im Umfang der vorherigen Verrechnung erstattet (EW-A Bl. 42 ff.).

11

6. Am ... 2005 gab der Kläger bei dem für ihn zuständigen Obergerichtsvollzieher die eidesstattliche (Offenbarungs-)Versicherung gemäß § 807 ZPO ab (EW-A Bl. 52).

12

7. Im Dezember 2005 erhielt das FA durch die Bauprüfabteilung des Ortsamts Kenntnis von einer dem Kläger erteilten Baugenehmigung für eine zweite Wohneinheit im vorhandenen Einfamilienhaus (EW-A Bl. 48).

13

8. Im April 2006 teilte der Kläger dem FA auf Anfrage mit, dass der Abschluss der Baumaßnahme noch nicht absehbar sei (EW-A Bl. 46).

14

9. Für Dezember 2006 wurden der in 19... geborenen (damaligen) Ehefrau des Klägers 400 Euro rentenversicherungs-beitragspflichtige Einnahmen bescheinigt (EW-A Bl. 53).

15

10. Für die im Februar 2007 fällig gewordene GrSt mahnte das FA den Kläger am 24. April 2007 (EW-A Bl. 50).

16

11. Für Mai 2007 wurden dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II in Höhe von 1.845 Euro für ihn, seine (damalige) Ehefrau und die in 199... und 199... geborenen Kinder bewilligt; dabei wurden monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.048 Euro berücksichtigt (EW-A Bl. 54 ff.).

17

12. Am 8. Mai 2007 beantragte der Kläger den Billigkeitserlass von Hundesteuer und GrSt unter Hinweis auf den SGB-II-Bescheid. Die Unterbringung koste 1.558 Euro mit Bankzinsen, Heizung, Strom, Wasser, Müll, Straßenverrentungsgebühren. Hinzu komme der Bedarf für Lebensmittel der Familie sowie Lehrmittel und Kleidung der Kinder. Die Schuldnerberatung besuche er am 16. Mai 2007. Seine Frau schreibe jetzt ihr Abitur ...(EW-A Bl. 49).

18

Daraufhin erließ das FA dem Kläger zunächst die Hundesteuer 2006 (EW-A Bl. 51).

19

Wegen des GrSt-Erlasses erbat das FA Angaben gemäß Vordruck. Darin erklärten der Kläger und seine (damalige) Ehefrau Einnahmen allein aus der Sozialleistung und aus Kindergeld. Gegen ihn bestehe ein Unterhaltstitel in einer auf ca. 14.000 Euro aufgelaufenen Höhe. Nicht sie (Kläger und Frau), ... Verwandte der im Haushalt lebenden Kinder führten die Vorsorge-Sparverträge mit Guthaben im unteren vierstelligen Bereich fort (FG-A Bl. 58 ff.).

20

Daraufhin stundete das FA die GrSt 2007 widerruflich bis zur abschließenden Entscheidung über den Erlassantrag nach Jahresablauf (EW-A Bl. 65 f., 68). Zugleich fragte das FA bei der ... Arbeitsgemeinschaft SGB II (ARGE) an, ob die GrSt durch die Leistungen für die Unterkunft abgedeckt sei. Dies wurde von dort bejaht (EW-A Bl. 68 f.). Am 11. Juni 2007 teilte das FA die Antwort dem Kläger mit, widerrief es die Stundung für dass 3. und 4. Quartal und bat es um Rücknahme des Erlassantrags (EW-A Bl. 70 ff.). Am 3. Juli 2007 nahm der Kläger den Antrag auf Erlass der GrSt 2007 zurück (EW-A Bl. 73 ff.).

21

13. Im März 2009 beantragte der Kläger den Erlass in Höhe von 423 Euro aufgelaufener säumiger GrSt-Beträge nebst Säumniszuschlägen. Die wirtschaftliche Situation sei derartig angespannt, dass nicht einmal die Klassenfahrten der schulpflichtigen Kinder bezahlt werden könnten. Der Kläger reichte eine als Gewinn- und Verlust-Rechnung ("GuV") bezeichnete Überschussrechnung aus Versicherungsmakler-Tätigkeit im 1. Quartal 2009 ein; und zwar mit einem (nach Einnahmen 5.131 Euro und Ausgaben 3.163 Euro) verbleibenden Überschuss von 1.968 Euro im Quartal bzw. durchschnittlich 656 Euro pro Monat (EW-A Bl. 76 ff.).

22

Das FA lehnte den Erlass für 2008 wegen der in den Leistungen nach SGB II enthaltenen Kosten für Unterkunft einschließlich GrSt am 5. Mai 2009 ab und stundete zugleich die GrSt 2009 mit Raten bis zur Entscheidung über den Erlassantrag nach Jahresablauf (EW-A Bl. 80 ff.).

23

14. Für den Erlassantrag 2009 reichte der Kläger im Januar 2009 Bescheide nach SGB II aus dem 1. Halbjahr 2009 für sich und das neben ihm - nur noch - in seinem Haushalt lebende 199... geborene Kind 2 ein; zuletzt über monatlich 750,95 Euro, und zwar vorläufig im Hinblick auf die Angaben zu den voraussichtlichen Einnahmen aus "selbständiger Tätigkeit" (EW-A Bl. 88 ff.).

24

Im Vordruck des FA für 2009 zählte er in der Haushaltsgemeinschaft neben sich ebenfalls nur noch sein Kind 2 auf und bezifferte er für 2009 Einnahmen 4.908 Euro, empfangene Sozialleistungen ca. 7.000 Euro und Kindergeld für das Kind 2 1.848 Euro. Der Erwerb des Hausgrundstücks 19... sei mit 280.000 Euro und Eigenmitteln finanziert worden. Neben der "GuV" für das 1. Quartal reichte der Kläger als "Betriebsabrechnungen" Überschussrechnungen ein mit Überschüssen für das 2. Quartal über 830 Euro bzw. im Monatsdurchschnitt 226 Euro, für das 3. Quartal über 314 Euro und für das 4. Quartal über 3.107 Euro bzw. im Monatsdurchschnitt 1.035 Euro (EW-A Bl. 92 ff.).

25

Das FA lehnte am 29. Januar 2010 den GrSt-Erlass 2009 ab, und zwar für das 1. Halbjahr 2009 wegen der dafür gewährten Sozial- nebst Unterkunfts- einschließlich GrSt-Leistungen und für das 2. Halbjahr 2009 wegen des insoweit über dem "Hartz IV-Satz" liegenden Einkommens (EW-A Bl. 99 ff.).

26

Das beklagte FA erhielt inzwischen telefonisch am 26. Februar 2013 vom Wohnsitz-FA des Klägers die Auskunft über einen dort von ihm für 2009 erklärten Gewinn in Höhe von 17.000 Euro (EW-A Bl. 118).

27

II. Ursprüngliche Anträge für den Streitzeitraum 2012-2013

28

1. Am 8. Februar 2013 beantragte der Kläger beim FA GrSt-Erlass wegen niedriger Einkünfte von in den letzten 12 Monaten nicht über ca. 1.000 Euro.

29

Dazu bezog er sich auf eine ... 2013 durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen das Jobcenter gefertigte Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG), deren Einreichung hier nicht belegt ist (EW-A Bl. 105). Während der angekündigte SG-Klageantrag sich auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts "ab dem 01.05.2010" richtet, bezieht die SG-Klagebegründung sich auf einen "für die Zeit ab dem 01.05.2012" gestellten Leistungsantrag, auf dessen Ablehnung vom 24. Juli 2012 und den dagegen unter dem 30. Juli 2012 eingelegten Widerspruch. Er, der Kläger, habe als ... seit über einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, inzwischen alle Reserven verbraucht und bislang erfolglos versucht, seine Immobilie zu verkaufen (EW-A Bl. 107 ff.).

30

Dem GrSt-Erlassantrag fügte der Kläger außerdem eine Bestätigung eines Steuerberaters vom 28. Januar 2013 bei, dass letzterer nach langjähriger Bekanntschaft ihm, dem Kläger, wegen dessen Krankheit und Mittellosigkeit im Juni und Oktober 2012 sowie Januar 2013 jeweils 5.000, insgesamt 15.000 Euro, geliehen habe (EW-A Bl. 105 f., vgl. Bl. 139).

31

2. Das FA sah den Antrag als auf persönlichen Billigkeitserlass für 2012 und Stundung für 2013 gemäß § 227 AO gerichtet an und erbat unter dem 15. und 26. Februar 2013 konkrete weitere Angaben (EW-A Bl. 114 ff., 121).

32

Das FA vermerkte am 15. Februar 2013 telefonische Auskünfte der ARGE- bzw. Jobcenter-Rechtsbehelfsstelle, dass nach Sozialleistungsbezug des Klägers bis einschließlich Mai 2009 weitere Anträge und sein letzter Eilantrag mangels ausreichender Unterlagen abgelehnt worden seien. Das Haus sei für 2 Personen zu groß und der Kläger verlange Phantasiepreise für einen Verkauf (EW-A Bl. 105, 113).

33

3. In einem Fragebogen des FA gab der Kläger am 25. Februar 2013 an, ohne Einnahmen in Haushaltsgemeinschaft mit seinem 199... geborenen studierenden Kind 1 und dem 199... geborenen schulpflichtigen Kind 2 zu leben (EW-A Bl. 117, vgl. Bl. 123, 128).

34

4. Nachdem das beklagte FA Melde- und Fahrzeugdaten sowie beim Wohnsitz-FA das Fehlen von Steuererklärungen seit 2010 ermittelt hatte (EW-A Bl. 118), räumte der Kläger mit Fax vom 4. März 2013 ein, in 2012 ohne Kinder in seinem Haushalt gelebt zu haben. Er sei seit Mitte 2012 aufgrund eines ... und weiter seit Oktober 2012 ... krank. Im April 2012 habe er sein zweites Auto (Auto-1, Bj. 1996) verkauft und den Erlös für die Haushaltsführung verbraucht. (EW-A Bl. 122).

35

Laut beigefügter Einnahme-Überschussrechnung hätten in 2012 seine gewerblichen Einkünfte 10.173,67 Euro minus Ausgaben 2.060,36 Euro betragen (das heißt 8.113,31 Euro im Jahr). Seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau habe er 334 Euro p. M. für das Kind 2 überwiesen, zuzüglich einer Klassenreise-Sonderzahlung von 300 Euro. Sein studierendes Kind 1 [in C, FG-A Bl. 29, 81] habe nur ausnahmsweise Zahlungen von ihm erhalten, insbesondere für eine Studiums-... 916,99 Euro (EW-A Bl. 124 f.).

36

Seit März 2013 erhalte er wieder Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich. Er erziele als ... aus Selbständigkeit ca. 1.000 Euro p. M. und lebe im Übrigen - wie bescheinigt - von Freundesdarlehen. Neben GrSt und Kfz.-Steuer habe er monatliche Kosten für Krankenversicherung 152,27 Euro, Gebäudeversicherung 57,38 Euro, Haftpflicht 16,86 Euro, Telefon und Benzin 480 Euro, Heizung 98 Euro, Strom 150 Euro (EW-A Bl. 127). Bankdarlehen seien mit monatlich ca. 1.300 Euro zu bedienen, darunter bei der "Bank-1 ..." [gemeint Bank-2 ..., unten III 1 a] monatlich 800 Euro (EW-A Bl. 126).

37

Gegenüber dem Vermögen, bestehend aus dem Hausgrundstück im Wert von ca. 700.000 Euro, dem Auto (Auto-2, Bj. 1999) und dem Bank-3-Konto im Wert von je ca. 1.000 Euro seien Verbindlichkeiten abzutragen gegenüber Kreditinstituten und Versicherungen rd. 180.000 Euro (darunter "Bank-1 ...", vgl. oben, 168.184 Euro), gegenüber Privatgläubigern rd. 37.000 Euro sowie gegenüber Bundes- und Justizkasse rd. 5.000 Euro (EW-A Bl. 126).

38

5. Mit Bescheid vom 21. März 2013 lehnte das FA den persönlichen Billigkeitserlass der GrSt gemäß § 227 AO für 2012 und die Stundung für 2013 ab. Die Höhe der Einnahmen aus Gewerbebetrieb 8.113,31 Euro, aus Kredit 15.000 Euro und aus Fahrzeugverkauf in unbekannter Höhe liege über einem Bezug nach "Hartz IV". Zusätzlich sei das Hausgrundstück im Wert von 700.000 Euro mit einer Restbelastung von ca. 170.000 Euro durch Kreditaufnahme oder Veräußerung verwertbar (EW-A Bl. 135).

39

III. Erstmaliges außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren 2012-2013

40

1. a) Der Kläger legte am 26. März 2013 Einspruch ("Widerspruch") ein (EW-A Bl. 136 ff.).

41

Als Anlage übersandte er eine Kopie eines Amtsgerichtsbeschlusses vom 4. Dezember 2012 802 K 58/12 über die Anordnung der Zwangsversteigerung seines Hausgrundstücks auf Antrag der Bank-2 ... (EW-A Bl. 137). Der Zwangsversteigerungsvermerk wurde am ... 2012 im Grundbuch eingetragen (GB-Auszug FG-A Bl. ..., ...).

42

Der Kläger ergänzte mit seinem Rechtsbehelf vom 26. März 2013 weiter seine bisherigen Angaben und Unterlagen betreffend Beitragsmahnung der Kfz.-Versicherung - unter Hinweis auf die Gefährdung des Versicherungsschutzes - (EW-A Bl. 138), Zahnarztmahnung (EW-A Bl. 140), Versicherungs-Abrechnungsmahnung (EW-A Bl. 142), Justizkasse-Aufrechnung (EW-A Bl. 143), Kreditkarte- und Girokonten- Negativsalden (EW-A Bl. 144 ff.), BAföG-Darlehensraten nebst Rückstandszinsen beim Bundesverwaltungsamt (EW-A Bl. 149), Bestätigung eines Schuldenstands von rd. 22.000 Euro durch weiteren Privatgläubiger vom Dezember 2004 (EW-A Bl. 141).

43

b) Nach telefonischen Angaben des Klägers vom 11. April 2013 notierte das FA (EW-A Bl. 150 f.):

44

"Zusammenfassung

1)    

1-Pers.-Haushalt, Wohnfläche ... m2 (nur EG)

        
        

Neubau 1998 bezugsfertig,

        
        

Baukosten ca.

350.000 DM

        

Baugrund

510.000 DM

        

=       

860.000 DM

        

Wert laut Aufstellung heute

700.000 €

        

./. Belastung Bank-1 ca.

170.000 €

        

= "Mehr"-Wert ca.

530.000 €.

        

Bank-1 betreibt ZV seit 04.12.12!

        

2)    

Privatschulden

        
        

seit 2004 D

22.000

        

in 2012 zahlte E*

15.000

        

sonstige

  9.000

        

Versicherung etc.

10.000

Es wird bei Versteigerung des Hauses immer noch ca. 480.000 an "Gewinn" verbleiben.

3)    

Einnahmen

        
        

lt. Übersicht

8.000 Gewerbe

        

Verkauf Kfz

? €     

        

*Kredit

15.000"

45

c) Das FA wies den Kläger bei Abgabe des Einspruchs an die Rechtsbehelfsstelle unter dem 15. April 2013 darauf hin, dass bei der bereits von anderer Seite betriebenen Grundstücks-Zwangsversteigerung eine Existenzgefährdung nicht durch das FA verursacht worden sei oder beseitigt werden könne und dass auch die vorher bekanntgewordene wirtschaftliche Lage nicht für einen Erlass spreche (EW-A Bl. 153).

46

2. Während des Verfahrens über den Einspruch vom 26. März 2013 gegen die Ablehnung von GrSt-Billigkeitserlass 2012 und -Stundung 2013 pfändete das FA u. a. nach Mahnung und Vollstreckungsankündigung vom 4. April 2013 wegen der GrSt für das 1. Vj. 2013 am ... 2013 das Bank-3-Konto des Klägers (EW-A Bl. 154, 156 f., 170; Vollstreckungsakte liegt dem FG nicht vor).

47

3. Per Fax vom 25. April 2013 beantragte der Kläger auf der Kopie der vorbezeichneten GrSt-Mahnung und unter Hinweis auf seinen eingelegten Rechtsbehelf Aussetzung der Vollziehung. Sonst sei er absolut nicht mehr liquide (EW-A Bl. 154 ff.).

48

5. Nach Abholung einer ... im Schätzwert von 500 Euro beim Kläger räumte die Vollstreckungsstelle des FA dem Kläger die Verfügungsbefugnis über sein Konto wieder ein, ermittelte das FA gemäß Abfrage vom 6. Mai 2013 die Zulassung eines weiteren Autos (Auto-3 Bj. 1995) und plante es, dem Verfahren über die Zwangsversteigerung des Grundstücks beizutreten (EW-A Bl. 163 ff.).

49

6. Den AdV-Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 28. Mai 2013 ab (EW-A Bl. 168).

50

Eine Aussetzung der Vollziehung sei nicht möglich, da der AdV-Antrag sich auf den Einspruch gegen die Ablehnung eines Billigkeitserlasses und damit gegen einen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt beziehe.

51

Im Übrigen habe der Einspruch gegen die Erlassablehnung keine Erfolgsaussicht. Die GrSt falle - mit den in §§ 32, 33 GrStG geregelten Ausnahmen - unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an. Ein persönlicher Billigkeitserlass komme nicht in Betracht, weil unter den mehreren Gläubigern das FA die Existenzgefährdung nicht verschuldet habe und ein Billigkeitserlass dem Kläger keine Befriedigung seiner anderen Gläubiger ermögliche und die Existenzgefährdung nicht beseitigen könne. Hohe Restzahlungsverpflichtungen aus dem Grundstückskauf seien kein Erlassgrund. Die Verwertung des selbstgenutzten Wohngrundstücks von rund 1.600 qm mit einer Wohnfläche von rund 180 qm sei zumutbar; es handele sich nicht um Schonvermögen bzw. nicht nur um ein kleines angemessenes Hausgrundstück i. S. v. § 12 Abs. 3 SGB II. Dementsprechend fehle die Erlassbedürftigkeit.

52

Eine allenfalls zu prüfende Stundung der GrSt sei ebenfalls nicht zu gewähren. Nach den Angaben des Klägers sei nicht zu erwarten, dass ihm die Zahlung zu einem späteren Zeitpunkt leichter möglich sei.

53

7. Mit Fax vom 3. Juni 2013 legte der Kläger "Widerspruch" gegen die AdV-Ablehnung vom 28. Mai 2013 ein. Er sei erlasswürdig als Härtefall, habe ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten und befinde sich in einem schwebenden Verfahren gegen das Jobcenter. Dem Ausgang jenes Verfahrens dürfe nicht vorgegriffen werden; bis dahin beantrage er AdV (EW-A Bl. 172).

54

8. Während der außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren wegen GrSt Billigkeitserlass 2012, Stundung 2013 und AdV beantragte das FA unter dem 13. Juni 2013 wegen GrSt-Rückständen von 1.380,50 Euro und Vollstreckungskosten von 42,19 Euro beim Amtsgericht den Beitritt zur Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks des Klägers; der Kläger erhielt eine Ausfertigung des Antrags (FG-A 3 V 212/13 Bl. 5).

55

9. a) Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 wies das FA die Einsprüche gegen die Ablehnung von GrSt-Billigkeitserlass 2012, Stundung 2013 und AdV sämtlich zurück (EW-A Bl. 174).

56

Ein GrSt-Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen komme nach den abschließend geregelten und hier nicht vorliegenden Voraussetzungen der §§ 32 ff. GrStG nicht in Betracht.

57

Für einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen und die dafür vorausgesetzte Erlassbedürftigkeit reiche eine wirtschaftliche Notlage nur dann aus, wenn sie durch die Steuerfestsetzung selbst verursacht worden sei und wenn mit dem Erlass eine Normalisierung der Verhältnisse in absehbarer Zeit erreicht werden könnte. Zum einen sei damit nach den Angaben des Klägers nicht zu rechnen, sondern käme der Erlass nur anderen Gläubigern zugute. Zum anderen sei dem Kläger die Verwertung seines Grundvermögens zumutbar; es handele sich nicht um Schonvermögen i. S. d. § 12 Abs. 3 SGB II.

58

Die Voraussetzungen für eine Stundung seien ebenfalls nicht gegeben. Weder sei ein späterer Erlass zu erwarten noch sei eine Zahlung dem Kläger später leichter möglich. Zur Sicherung der rückständigen GrSt von inzwischen 1.209,00 Euro nebst Säumniszuschlägen 97,50 Euro reiche auch die dem Vollziehungsbeamten übergebene ... mit einem Schätzwert von 500 Euro nicht aus.

59

Für eine Aussetzung der Vollziehung fehle es an der Vollziehbarkeit der angegriffenen Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme.

60

Dagegen seien die Festsetzungen der Grundsteuer gemäß Bescheid vom 12. Januar 2005 und Bekanntmachungen im Amtlichen Anzeiger zuletzt vom ... 2012 nicht angefochten worden und daher bestandskräftig.

61

b) Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mit Post vom 31. Juli 2013 übersandt (EW-A Bl. 179; FG-A 3 V 212/13 Bl. 1, 6) und von ihm nicht angefochten, sondern bestandskräftig.

62

IV. Erneuter Billigkeitserlass-Antrag für den Streitzeitraum 2012-2013

63

1. Nachdem der Kläger am 13. August 2013 beim Versorgungsamt der Behörde für Arbeit, Soziales usw. einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung eingereicht hatte (EW-A Bl. 200; FG-A 3 V 212/13 Bl. 9) und nachdem das Amtsgericht dem Kläger unter dem 11. September 2013 mitgeteilt hatte, dass nunmehr noch das Zwangsversteigerungsverfahren vom FA wegen offener 1.326,99 Euro betrieben werde (FG-A 3 V 212/13 Bl. 5R), stellte der Kläger mit zwei Faxschreiben vom 25. September 2013 beim FA wegen GrSt-Schulden von 1.800 Euro neue Anträge (EW-A Bl. 187 f.).

64

Mit dem einen Fax vom 25. September 2013 an das FA beantragte der Kläger nochmals AdV der GrSt und dazu Rücknahme des vom FA beim Amtsgericht gestellten Antrags auf Beitritt zur Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt. Allein schon eine Schätzung des Verkehrswerts würde Kosten von ca. 800 Euro verursachen. Weiterhin habe er dem FA am 24. September 2013 eine monatliche Ratenzahlung von 200 Euro telefonisch erfolglos angeboten (EW-A Bl. 187; FG-A 3 V 212/13 Bl. 4).

65

2. Mit dem anderen Fax vom 25. September 2013 beantragte der Kläger nochmals Erlass der GrSt und wiederum Rücknahme des Antrags auf Beitritt zur Zwangsversteigerung. Er bezog sich auf seinen Antrag auf Schwerbehindertenstatus. Wegen ... sei er krankgeschrieben und ohne feste Einkünfte (EW-A Bl. 188; FG-A 3 V 212/13 Bl. 4R).

66

3. Den erneuten AdV-Antrag vom 25. September 2013 lehnte das FA mit Schreiben vom 27. September 2013 ab. Das FA verwies auf die nach Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 nicht angefochtenen und bestandskräftig gewordenen Ablehnungen von Billigkeitserlass, Stundung und AdV. Mangels Änderung der Verhältnisse könne auch einem erneuten Antrag auf AdV oder auf Stundung und Ratenzahlung nicht stattgegeben werden (EW-A Bl. 189).

67

4. Am 2. Oktober 2013 legte der Kläger zur Niederschrift des FG Einspruch ein gegen die Ablehnung des FA vom 27. September 2013 betreffend seinen Antrag auf Ratenzahlung, den er jetzt als Antrag auf Vollstreckungsaufschub bezeichnete (FG-A 3 V 212/13 Bl. 2; EW-A Bl. 190 f.).

68

5. a) In derselben Niederschrift beantragte der Kläger am 2. Oktober 2013 beim FG eine einstweilige Anordnung gegen das FA auf Einstellung der Zwangsvollstreckung in Form des Beitritts zur Zwangsversteigerung des Grundstücks, und zwar auf Einstellung bis zur Entscheidung des FA über den gleichzeitigen Einspruch wegen Vollstreckungsaufschubs. Der Beitritt zur Zwangsversteigerung des Grundstücks verursache unbillig weitere Kosten in Höhe von ca. 800 Euro zur Ermittlung dessen Verkehrswerts (FG-A 3 V 212/13 Bl. 1; EW-A Bl. 192).

69

b) Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom selben Tag ab, da die Antragsbegründung hinsichtlich der weiteren Kosten so nicht nachvollziehbar sei. Ohne Unterlagen sei davon auszugehen, dass diese Kosten bereits durch die anderweitig beantragte Zwangsversteigerung entstünden (FG-A 3 V 212/12 Bl. 11; EW-A Bl. 193).

70

6. Am 7. Oktober 2013 rief der Kläger beim FG an. Die anderweitig beantragte Zwangsversteigerung sei inzwischen aufgrund Umschuldung aufgehoben worden. Dies sei in der von ihm unterzeichneten Niederschrift des Anordnungsantrags nicht zum Ausdruck gekommen und in der gerichtlichen Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass gegen den Beschluss kein Rechtsmittel gegeben sei und eine Änderung des Beschlusses nur wegen veränderter Umstände beantragt werden könne, nicht aber wegen nicht vorgetragener Umstände (FG-A 3 V 212/13 Bl. 16).

71

7. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2013 lehnte das FA den erneuten Antrag auf GrSt-Billigkeitserlass 2012-2013 unter Hinweis auf die bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 und die danach unveränderten Verhältnisse ab (FG-Anl. K 1, FG-A Bl. 4=5=16=17; EW-A Bl. 196 f.).

72

V. Erneutes außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren 2012-2013

73

1. Dagegen wandte sich der Kläger mit Fax vom 14. Oktober 2013. Er beantrage "Befreiung" von der GrSt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich seit seinem letzten Antrag noch verschlechtert, "so dass auf die" "vorliegenden Daten verwiesen" werde und das FA nach diesen entscheiden möge. Er beziehe sich auf seinen Antrag auf Schwerbehindertenstatus und sei fortlaufend wegen ... krankgeschrieben und aufgrund dessen ohne feste Einkünfte (EW-A Bl. 198 ff.). Beigefügt war ein Attest vom ... über Arbeitsunfähigkeit zunächst bis Ende 2013 wegen chronischer, ständig behandlungsbedürftiger Erkrankung (EW-A Bl. 199).

74

2. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 wies das FA den am 14. Oktober 2013 eingelegten Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des erneuten Antrags auf Billigkeitserlass rückständiger GrSt 2012-2013 zurück. Ein persönlicher bzw. wirtschaftlicher Billigkeitsgrund sei weiterhin nicht gegeben. Einerseits sei nach den Ausführungen des Klägers mit einer Normalisierung seiner wirtschaftlichen Lage in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Ein Billigkeitserlass käme daher nicht ihm, sondern mittelbar anderen Gläubigern zugute. Andererseits sei dem Kläger zur Schuldenbegleichung die Verwertung seines mit rund 180 qm allein bewohnten Grundvermögens zuzumuten; dieses stelle kein Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 SGB II dar (FG-Anl. K 2, FG-A Bl. 6=18; 27; EW-A Bl. 202).

75

3. Die vom Kläger zugleich beantragte "Befreiung" von der GrSt lehnte das FA ebenfalls am 18. Oktober 2013 durch Bescheid ab. Bei der GrSt als Objektsteuer sei eine "Befreiung" über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus nicht vorgesehen (EW-A Bl. 208).

76

3. Mit Einspruchsentscheidung vom 21. November 2013 wies das FA den am 2. Oktober 2013 zur gerichtlichen Niederschrift eingelegten Einspruch gegen die am 27. September 2013 beschiedene Ablehnung von Aussetzung der Vollziehung, Stundung oder Einstellung der Vollstreckung gegen Ratenzahlung zurück. Es fehle jeweils an den gesetzlichen Voraussetzungen. Insbesondere sei die Zwangsvollstreckung nicht wegen angebotener Raten einzustellen, die weder geleistet worden seien noch nach der vom Kläger vorgetragenen Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage geleistet werden könnten. Nach allem sei lediglich die Vollstreckung in das Grundstück angezeigt und angemessen, das kein Schonvermögen darstelle (EW-A Bl. 213).

77

VI. Streitstand

78

Der Kläger hat gegen die GrSt-Billigkeitserlass-Ablehnung vom 8. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 am 15. November 2013 Klage erhoben mit gleichzeitigem Prozesskostenhilfe-Antrag. Zur Begründung bezieht der Kläger sich auf die im vorgerichtlichen Verfahren geführte Korrespondenz und trägt er ergänzend im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 1=12, 33, 80):

79

Das FA sei unter Abwägung des ihm eingeräumten Ermessens verpflichtet, ihm - dem Kläger - die GrSt 2012-2013 zu erlassen. Da er an ... leide wie auch seit 2012 ununterbrochen krankgeschrieben sei, könne er seinen Beruf als ... nicht mehr ausüben, habe er keinerlei Einkünfte mehr und habe er nur durch Freundes-Darlehen überlebt.

80

Die Krankheit verschlimmere sich, so dass er keine Leistung mehr zeigen und nicht mehr in seinem bisherigen Berufsfeld arbeiten könne. Auch für die Zukunft werde sich sein Gesundheitszustand nicht bessern. Über eine Krankentagegeld- oder Berufsunfähigkeitsversicherung verfüge er nicht.

81

Nachdem das Jobcenter Leistungen wegen des Immobilienbesitzes versagt habe, führe er dort ebenfalls - bisher erfolglos - diverse Verfahren.

82

Während sein Kind 1 in C wohne und studiere, nutze er das Hausgrundstück ausschließlich selbst mit seinem in 199... geborenen Kind 2 (vgl. oben II 4).

83

Der Kläger beantragt (FG-A Bl. 1=12, 81),
den Bescheid über die Ablehnung des Grundsteuer-Billigkeitserlasses vom 8. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 aufzuheben und das beklagte Finanzamt zu verpflichten, dem Kläger die Grundsteuer 2012 und 2013 zu erlassen, und zwar aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeitsgründen.

84

Das FA beantragt (FG-A Bl. 26, 81),
die Klage abzuweisen.

85

Das FA bezieht sich auf seine Bescheide und Einspruchsentscheidungen, insbesondere auf die bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013. Danach sei eine sachliche Überprüfung mangels neuer vorgetragener Billigkeitsgründe nicht mehr erforderlich (FG-A Bl. 26).

...

...

...

...

...

Entscheidungsgründe

B.

I.

86

1. Die Klage, das FA zum GrSt-Billigkeitserlass 2012-2013 (§ 227 AO) - oder möglicherweise zumindest zu einer erneuten Ermessensentscheidung (§ 5 AO) - zu verpflichten (§§ 101, 102 FGO), ist schon aufgrund der bestandskräftigen Ablehnung in der erstmaligen Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 (oben A III 9 a-b) ohne erneute Sachprüfung abzuweisen.

87

a) Nach bestandskräftiger oder unanfechtbarer Vorentscheidung ist die Klage ohne weitere Sachprüfung abzuweisen (BFH, Beschluss vom 25.09.2006 VI B 130/05, BFH/NV 2007, 85; Urteile vom 20.09.1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177; Urteile FG Baden-Württemberg vom 25.06.2012 8 K 3603/11, DStRE 2013, 441; FG Hamburg vom 04.06.2002 III 16/02 III 16/02, EFG 2002, 1469 m. w. N.).

88

Im Finanzprozess kommt es nicht darauf an, ob in der angefochtenen letzten Einspruchsentscheidung (§ 367 AO) unnötig nochmals in eine Sachprüfung eingetreten wurde (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141/470, BStBl II 1984, 791) anders als u. U. im Verwaltungsprozess gemäß VwGO oder nach § 51 VwVfG (vgl. Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 68 Rz. 40 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 70 Rz. 9 m. w. N.).

89

b) Die vorbeschriebenen Grundsätze gelten auch bei erneut begehrtem Billigkeitserlass einer Steuer nach bestandskräftiger Steuerfestsetzung und nach bestandskräftiger Ablehnung des Billigkeitserlasses für denselben Streitzeitraum; zumindest dann wenn der neue Antrag nur bereits im vorangegangenen Billigkeitsverfahren geltend gemachte Gründe oder entschiedene Gesichtspunkte betrifft (BFH-Urteil vom 17.03.1987 VII R 26/84, BFH/NV 1987, 620).

90

c) Dementsprechend scheidet hier eine gerichtliche Sachprüfung bereits deswegen aus, weil das erneute Billigkeitsverfahren dieselben Gründe und Gesichtspunkte wie das vorherige bestandskräftig abgeschlossene Billigkeitsverfahren betrifft; und zwar die Antragsgründe andauernde Krankheit, Auseinandersetzung mit dem Jobcenter, aussichtslos schlechte Einkommens- und Liquiditätssituation sowie dazu insbesondere die Gesichtspunkte der unzureichenden Abhilfemöglichkeit durch GrSt-Billigkeitserlass und der Zumutbarkeit der Verwertung des großen Hausgrundstücks (zum einen oben A II, III; zum anderen oben A IV, V).

91

2. Im Übrigen bleibt die Zumutbarkeit der Verwertung des rund 1600 qm Hausgrundstücks mit rund 180 qm Wohnfläche unberührt durch die wechselnden Angaben des Klägers über die Haushaltszugehörigkeit seines 199... geborenen Kindes 2 (einerseits oben A II 4, andererseits oben A VI).

92

a) Die Grenzen der Zumutbarkeit der Verwertung eines Hausgrundstücks beurteilen sich im Abgaben- oder Steuerecht nach sozialrechtlichen Maßstäben (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2005 XI R 5/02, DStRE 2006, 769); insbesondere bei der Entscheidung über einen Billigkeitserlass aus persönlichen oder wirtschaftlichen Billigkeitsgründen vgl. BFH-Beschluss vom 16.07.2008 X S 28/08, BFH/NV 2008, 1701 Rz. 21 i. V. m. Rz. 9, 12; FG Köln, Urteil vom 29.09.2003 5 K 4216/02, EFG 2004, 623, rechtskräftig durch BFH-Beschluss vom 19.05.2004 X B 149/03, BeckRS, Juris).

93

b) Soweit für die Zumutbarkeit des Einsatzes oder der Verwertung eines Hausgrundstücks auf das Sozialrecht zurückzugreifen ist, sind die Regelungen über das Schonvermögen in Gestalt des selbst genutzten angemessenen Hausgrundstücks wie bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II und wie bei der Sozialhilfe in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bzw. vorher § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG maßgeblich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26.01.2001 VI B 277/99, BFH/NV 2001, 809; vom 20.01.2000 III B 68/99, BFH/NV 2000, 862; vom 17.03.1987 VII B 152/86, BFH/NV 19897, 733).

94

Nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung.

95

Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII (vorher § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person allein oder zusammen mit Angehörigen bewohnt wird. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG i. d. F. vor 2002 sind Familienheime und Eigentumswohnungen in der Regel nicht unangemessen groß, wenn ihre Wohnfläche die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 i. V. m. Abs. 2, § 82 II. WoBauG i. d. F. vor 2002 nicht überschreitet.

96

c) Übereinstimmend wird bei Anwendung dieser sozialrechtlichen Definitionen in erster Linie auf den Bedarf der Personenzahl im Verhältnis zur Wohnfläche abgestellt. Mangels einer bundesweiten Neuregelung werden nach ständiger Rechtsprechung weiter die Wohnflächengrenzen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 3 i. V. m. Abs. 2, § 82 Abs. 3 II. WoBauG herangezogen, das heißt 130 qm Wohnfläche beim selbstgenutzten Haus - wie hier - oder 120 qm Wohnfläche in der eigengenutzten Eigentumswohnung; jeweils bei mehr als vier Personen zusätzlich pro Person 20 qm (BSG-Urteil vom 19.05.2009 B 8 SO 7/08 R, NVwZ-RR 2010, 152 Rz. 17 ff., 19).

97

Bei weniger als 4 Personen werden je Person 20 qm abgezogen (Schiedsgericht Hamburg vom 05.05.2009, SchiedsVZ 2010, 173); typisierend ist diese Reduzierung jedoch auf eine Belegung mit bis zu zwei Personen zu begrenzen, das heißt bei einem Einfamilienhaus auf [130 ./. (2 x 20) = ] 90 qm (BSG, Urteile vom 12.12.2013 B 14 AS 90/12 R, BeckRS, Juris Rz. 30-32; vom 07.11.2006 B 7b AS 2/05 R, BSGE 97, 203, NZS 2007, 428 Rz. 21 f.; Beschlüsse OLG Koblenz vom 06.09.2013 13 WF 745/13, FamFR 2013, 503; LAG Sachsen-Anhalt vom 18.04.2013 L 5 AS 76/08, Juris; LAG Rheinland-Pfalz vom 03.02.2012 6 Ta 9/12, Juris; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 12 Rz. 208 ff., 211, 211a; Radüge in JurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 12 Rz. 129 ff.).

98

Die dementsprechend unabhängig von der Mitbenutzung und Bedürftigkeit des Kindes 2 bis zu 90 qm angemessene Wohnfläche wird weit überschritten durch die vorhandenen rund 180 qm (oben A I 1).

99

d) In Kombination mit dem - überschrittenen - Wohnflächenbedarf können entsprechend § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII die Grundstücksgröße und der Wert des bebauten Grundstücks als weitere Kriterien herangezogen werden (Kombinationstheorie; BFH-Beschluss vom 11.04.1990 I B 75/89, MDR 1990, 955).

100

Ob dies auch unter Wirtschaftlichkeits- und Härte-Gesichtspunkten i. S. v. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II gilt (vgl. BSG-Urteil vom 12.12.2013 B 14 AS 90/12 R, BeckRS, Juris Rz. 30-32), kann in Anbetracht der hier auch in Kombination gegebenen Unangemessenheit offenbleiben (nachstehend e-h).

101

e) Für Grundstücksgröße und -Wert sind die Verhältnisse am Wohnort maßgeblich (Huffmann in BeckOK SGB XII § 90 Rz. 32). Dabei muss sich der Wert im unteren Bereich der dort zu vergleichenden Verkehrswerte halten und scheiden Objekte in bevorzugter Wohnlage oder mit herausgehobenen Grundstückspreisen als Vergleichsobjekte aus (BVerwG-Urteil vom 17.01.1991 5 C 53/86, BVerwGE 87, 278, NJW 1991, 1968, Juris Rz. 48).

102

f) Als Grenzwert-Anhaltspunkte für die angemessene Grundstücksgröße werden 250-350 qm genannt, teils auch 500 qm für ein freistehendes Haus oder im ländlichen Bereich (SG Aachen, Urteil vom 07.03.2012 S 20 SO 55/11, Juris Rz. 21; OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2011 12 A 199/11, Juris Rz. 11; BSG-Urteil vom 19.05.2009 B 8 SO 7/08 R, NVwZ-RR 2010, 152 Rz. 17, 20; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 90 Rz. 55; Mecke in JurisPK SGB XII, 2. Aufl., § 90 Rz. 80); teils im ländlichen Bereich auch 800 qm (Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII § 90 Rz. 74; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 12 Rz. 212a; Radüge in JurisPK SGB II, 3. Aufl., § 12 Rz. 133); u. U. sogar 1.500 qm ausnahmsweise in einer 300 Einwohner zählenden Gemeinde (vgl. inzwischen LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.04.2013 L 5 AS 76/08, Juris).

103

Die davon in Betracht kommenden Grenzwerte, speziell für ein freistehendes Haus im städtischen Bereich bis zu 500 qm, werden durch die vorliegende Grundstücksgröße von 1.590 qm (oben A I 1) weit überschritten.

104

g) Desgleichen überschreitet der vom Kläger für das bebaute Grundstück in 2013 genannte Wert von 700.000 Euro bei weitem den unteren Bereich und die Mittelwerte für sämtliche Ein- und Zweifamilienhausverkäufe sowohl in X als auch im Stadtteil des Klägers sowie die gleichfalls veröffentlichten Mittelwerte für freistehende Einfamilienhäuser in X (Immobilienmarktbericht X 2013, S. 13 f.).

105

h) So bleibt es auch bei kombinierter Würdigung von Wohnfläche, Grundstücksgröße und Wert des bebauten Grundstücks unabhängig von der Wohnsituation des Kindes 2 bei der Unangemessenheit des Hausgrundstücks des Klägers, das dementsprechend kein Schonvermögen ist und zumutbar verwertbar ist, sei es durch weitere Beleihung, durch Verkauf oder durch Zwangsversteigerung.

106

3. Abgesehen von der Bestandskraft der Ablehnung des Billigkeitserlasses wäre auch sonst die Klage unbegründet, kein Rechtsfehler gemäß § 227 AO bzw. Ermessensfehler i. S. v. § 5 AO, § 102 FGO zu erkennen und der Begründung der Einspruchsentscheidung zu folgen, so dass auf letztere gemäß § 105 Abs. 4 FGO Bezug genommen werden kann.

107

4. Danach erübrigt sich auch die - nicht beantragte - Beiziehung der die Besteuerung des Klägers durch sein (Wohn-)Sitzfinanzamt betreffenden Steuerakten gemäß § 86 FGO und der Gerichtsakten des für das (Wohn-)Sitzfinanzamt zuständigen 2. Senats des FG nach § 76 FGO. Ansonsten hätten jene Akten von Amts wegen beigezogen werden können im Hinblick auf eventuelle Erkenntnisse zum Fortgang oder Abschluss des Baus der zweiten Wohneinheit oder betreffend deren Verwendung (oben A I 7).

108

Anlass zu dieser Klarstellung besteht möglicherweise aufgrund aktueller parlamentarischer Kritik an der "Arbeit der Justiz" nach der Anhörung einer Richterin durch den Untersuchungsausschuss zum Tod eines Kindes. Unverständnis wird nämlich geäußert gegenüber unzureichendem justizinternen Informations- oder Aktenaustausch bei parallel betreffend dieselben Personen oder zum selben Sachverhalt geführten Verfahren (statt aller z. B. inzwischen Hamburger Abendblatt 08.05.2014: "Abgeordnete kritisieren Arbeit der Justiz - Untersuchungsausschuss ...").

109

a) Akten können zum Zweck der Aufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO, vgl. u. a. § 86 VwGO, § 103 SGG, § 26 FamFG, §§ 202, 221, 244 StPO) - durch Verfügung zur Information oder durch Beweisbeschluss zur streitigen Verwertung - beigezogen werden (vgl. Amtshilfe Art. 35 GG), seien es
- Akten des eigenen Spruchkörpers (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.12.2000 1 S 1557/00, NVwZ-RR 2001, 415) oder
- Akten anderer Spruchkörper desselben Gerichts (vgl. Beschlüsse BFH vom 11.09.2003 IX S 4/03, BFH/NV 2004, 75; BVerwG vom 04.09.1981 4 B 124/81, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 15; BSG-Urteile vom 28.04.1965 9 RV 634/64, Juris; vom 15.05.1963 6 RKa 1/62, Juris; Beschlüsse Bay. VGH vom 15.10.2003 15 ZB 02.31793, Juris; OLG Karlsruhe vom 10.08.2005 14 Wx 2/05, FamRZ 2006, 102; vom 01.07.1994 18 WF 25/94, Juris; OLG Köln vom 11.11.2005 83 Ss 69/05, Strafverteidiger Forum 2006, 119; ferner OLG Stuttgart vom 03.06.1997 19 VA 6/97, Juris Rz. 14) oder
- Akten von anderen Gerichten (vgl. Beschlüsse BVerfG vom 25.05.2001 1 BvR 848/01, DStR 2001, 1857; BFH vom 05.12.2005 XI B 173/04, BFH/NV 2006, 599; vom 26.01.1989 IV R 71/87, BFH/NV 1990, 296; BSG vom 10.09.1987 9a BV 102/87, Juris; vom 05.09.1972 6 RKa 4/69, Juris; FG Baden-Württemberg vom 18.12.2001 3 KO 1/00, EFG 2002, 124, Juris; VGH Baden-Württemberg vom 20.04.1967 III 616/66, ESVGH 18, 126; KG Berlin vom 28.06.1991 5 Ws 165/91 REHA, JR 1992, 123);
- erst recht nach Antrag oder Bezugnahme eines Beteiligten wie im Zivilprozess (vgl. § 273 ZPO; Beschlüsse OLG München vom 21.10.1993 11 W 2403/93, Juris; OLG Bamberg vom 23.05.1985 3 W 70/85, JurBüro 1985, 1828, KG Berlin vom 29.06.1984 1 W 1710/84, JurBüro 1984, 1685; OLG Karlsruhe vom 20.10.1978 13 W 161/78, Juris; Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 273 Rz. 7; LG Dortmund, Urteil vom 28.04.1999 21 O 208/98, Juris).

110

b) Dabei sind Steuergeheimnis bzw. Datenschutz von dem anfordernden Richter bzw. Spruchkörper zu prüfen bzw. zu beachten und dürfen die Akten nicht von der Verwaltung zurückgehalten werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 71. Aufl., § 273 Rz. 14 "Aktenanforderung").

111

Bei der Entscheidungszuständigkeit des die Gerichtsakten anfordernden Spruchkörpers bleibt es auch nach Einführung des in-camera-Verfahrens für den speziellen Fall der Verweigerung der Herausgabe von "Behörden" angeforderter Akten durch die "zuständige oberste Aufsichtsbehörde" gemäß § 86 FGO seit 01.04.2005 bzw. gemäß § 99 Abs. 2 VwGO seit 2002. Dieses Verfahren ist bei anderen Fallgestaltungen unanwendbar bzw. unzulässig (vgl. inzwischen BFH-Beschluss vom 25.02.2014 V B 60/12, DStRE 2014, 745).

II.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

114

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter nach Übertragungsbeschluss gemäß § 6 FGO (oben A VII 2).

115

C. BESCHLUSS - GRÜNDE

116

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO mangels Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen, und insbesondere schon wegen bestandskräftiger Ablehnung des begehrten Billigkeitserlasses (oben B I 1).

117

Die Entscheidung ist nach § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar und ergeht ebenfalls durch den Einzelrichter gemäß § 6 FGO (oben A VII 2, B II).

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Handel mit Kraftfahrzeugen tätig. Für das Streitjahr 2002 reichte sie ihre Umsatzsteuerjahreserklärung am 22. August 2003 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Hieraus ergab sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.129.512,20 €. Das FA stimmte dem gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zu. Im Februar 2006 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, die auch das Streitjahr betraf. Aus hier nicht streitigen Gründen verminderte das FA im Anschluss an die Außenprüfung den Vergütungsanspruch auf 1.129.286,60 € und hob den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) auf. Änderungen bei den nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen ergaben sich nicht.

2

Bereits am 11. Juli 2005 hatte eine Steuerfahndungsprüfung begonnen, die durch Bericht vom 31. Juli 2008 abgeschlossen wurde. Die Fahndungsprüferin ging davon aus, dass die Klägerin für 15 Fahrzeuglieferungen an die italienische Firma RC und eine Fahrzeuglieferung an die spanische Firma LC die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Daher wurden Lieferungen mit einer Vergütung von insgesamt 306.500 € (brutto), die die Klägerin als Entgelt für steuerfreie Lieferungen behandelt hatte, als steuerpflichtige Lieferungen angesehen. Dem folgte das FA und erließ am 3. November 2008 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Der Vergütungsanspruch verminderte sich auf 1.087.010,76 €, so dass sich ein Rückzahlungsanspruch von 42.275,84 € ergab.

3

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die aufgrund der Fahndungsprüfung als steuerpflichtig angesehene Lieferung an LC mit einer Gegenleistung von 34.500 € als erst in 2004 ausgeführt behandelte. Durch den Änderungsbescheid vom 11. November 2010 ergab sich ein Vergütungsanspruch von nunmehr 1.091.769,32 €.

4

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 793 veröffentlichten Urteil begründete das FG die Klageabweisung damit, dass dem Erlass des Bescheides vom 3. November 2008 aufgrund einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegengestanden habe. Die Lieferungen seien nicht nach § 6a UStG steuerfrei gewesen. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis nicht ordnungsgemäß geführt. Die CMR-Frachtbriefe erfüllten die Nachweisfunktion nicht. Es sei nicht ersichtlich, wer auf wessen Veranlassung die Transporte durchgeführt habe. Es ergebe sich nicht, wer Auftraggeber der Speditionen gewesen sei. Die Erwerberfirma RC sei nach behördlichen Feststellungen ein Scheinunternehmen gewesen. In einem Abholfall fehle die Abholerversicherung. Der Objektivnachweis sei nicht erbracht, obwohl Fahrzeuge zeitnah in Italien zugelassen worden seien, da die Zulassungen auf Dritte erfolgt seien. Es komme auch kein Vertrauensschutz in Betracht, da der Belegnachweis unvollständig sei. Die Klägerin habe sich selbst unzutreffender Weise als Absender in den Frachtbriefen eingetragen.

5

§ 173 Abs. 2 AO stehe dem Änderungsbescheid nicht entgegen, da der Klägerin eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei. Diese ergebe sich daraus, dass die Klägerin und ihre Mitarbeiter Frachtbriefe ausgefüllt hätten, obwohl ihnen Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse gefehlt hätten. Auftraggeber und Lieferwege seien nicht nachvollziehbar gewesen. Ein auf dieser Grundlage ausgestellter Beleg erbringe nicht den Nachweis der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Klägerin habe auch Zweifel an der Identität der Abnehmer haben müssen.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Das FG habe zu Unrecht die Korrekturbefugnis nach § 173 Abs. 2 AO bejaht, da sie nicht leichtfertig gehandelt habe. Insoweit liege ein Verstoß gegen Denkgesetze und gegen den klaren Inhalt der Akten vor. Zudem habe das FG zu geringe Anforderungen an den Begriff der Leichtfertigkeit gestellt. Dass sie als Absender im CMR-Frachtbrief eingetragen sei, stehe dem Nachweis der Steuerfreiheit nicht entgegen. Der CMR-Frachtbrief müsse nicht vollständig ausgefüllt werden. Wer Auftraggeber des Frachtführers sei, sei für die Steuerfreiheit irrelevant. Es bestünden gleichwohl hinreichend Kontrollmöglichkeiten für die Finanzverwaltung. In Bezug auf die Person des Abnehmers habe das FG lediglich Behördenfeststellungen wiedergegeben. Die Belegfehler stünden der Gewährung von Vertrauensschutz nicht entgegen, da diese nicht erkennbar gewesen seien.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und das FG zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2010 dahingehend zu ändern, dass Lieferungen zu einem Bruttoentgelt in Höhe von 272.000 € als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt werden.

8

Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Klägerin und ihre Mitarbeiter hätten wissentlich Frachtbriefe falsch ausgefüllt, da sie von den tatsächlichen Lieferwegen keine Kenntnis gehabt hätten. Von der objektiven Sachlage habe die Klägerin keine Kenntnis gehabt. Ein Verfahrensfehler liege nicht vor.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil ergibt sich eine leichtfertige Steuerverkürzung nicht bereits allein daraus, dass der Unternehmer die Steuerfreiheit nach § 6a UStG in Anspruch nimmt, ohne über einen vollständigen Beleg- und Buchnachweis zu verfügen.

11

1. Ein aufgrund einer Außenprüfung ergangener Steuerbescheid  kann nur geändert werden, wenn zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.

12

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Steuerbescheide, die auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, können gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 AO nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.

13

b) Ob eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S. von § 173 Abs. 2 AO vorliegt, bestimmt sich nach § 378 AO (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Februar 2008 VI R 83/04, BFHE 220, 220, BStBl II 2009, 703, unter II.2.). Danach handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht.

14

aa) Täter i.S. von §§ 370, 378 AO ist, wer gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

15

bb) Leichtfertigkeit i.S. von § 378 AO erfordert einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der im Wesentlichen der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, dabei aber die persönlichen Fähigkeiten des Täters berücksichtigt (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1989 VIII R 60/88, BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518, und vom 16. Februar 2011 X R 10/10, BFH/NV 2011, 977, unter II.4.d dd). Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (BFH-Urteile vom 24. April 1996 II R 73/93, BFH/NV 1996, 731, und vom 17. November 2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309, unter II.4.b aa).

16

2. Im Streitfall erging der Bescheid, den das FA mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. November 2008 geändert hat, aufgrund einer Außenprüfung. Eine Änderungsbefugnis bestand daher für das FA nur nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO.

17

a) Ob Leichtfertigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage, kann aber in der Revisionsinstanz insbesondere daraufhin überprüft werden, ob das FG den Rechtsbegriff der Leichtfertigkeit richtig erkannt hat (BFH-Urteil vom 30. Juni 2010 II R 14/09, BFH/NV 2010, 2002, unter II.2.b bb). Hieran fehlt es im Streitfall.

18

b) Das FG hat für ein leichtfertiges Handeln der Klägerin angeführt, dass sie und ihre Mitarbeiter die CMR-Frachtbriefe ausgefüllt hatten, obwohl Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse fehlten. Derartige Belege seien zur Nachweisführung nicht geeignet. Zudem hätten sich Zweifel an der Identität des Abnehmers ergeben.

19

Damit hat das FG nicht hinreichend berücksichtigt, dass der BFH seine frühere Rechtsprechung, nach der Unternehmer die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen ausschließlich beleg- und buchmäßig nachweisen konnten (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.), aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, Leitsatz 4): Der Unternehmer ist berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit auch objektiv nachzuweisen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

20

Aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Senats handelt der Unternehmer nur leichtfertig, wenn es sich ihm zumindest "aufdrängen muss" (s. oben II.1.b bb), dass er die Voraussetzungen des § 6a UStG weder beleg- und buchmäßig noch objektiv nachweisen kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.). Das bloße Abstellen auf die Beleglage reicht nach der geänderten Rechtsprechung nicht aus.

21

3. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang ist zu prüfen, ob die Klägerin davon ausgehen konnte, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit zumindest objektiv nachweisen zu können.

22

Dabei wird zu ermitteln sein, ob die Klägerin im Hinblick auf das unstreitige Gelangen der Fahrzeuge nach Italien und der ihr darüber hinaus vom Bundeszentralamt qualifiziert bestätigten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers den Tatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung als erfüllt ansehen konnte. Bei dieser Sachlage rechtfertigten bloße "Zweifel" an den "Lieferwegen" und das vom FG als möglich angesehene Vorliegen eines Reihengeschäfts ggf. zwar die Versagung der Steuerfreiheit nach § 6a UStG, nicht aber auch die Annahme eines leichtfertigen Handelns i.S. von § 378 AO. Im Übrigen begründet auch die Kontaktaufnahme zur italienischen Abnehmerfirma über dessen inländischen Vertreter für sich allein nicht den Vorwurf leichtfertigen Handelns.

23

4. Über die geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht zu entscheiden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2006 in I einen Handel mit hochwertigen PKW. Im Revisionsverfahren ist noch die Steuerfreiheit von folgenden PKW-Lieferungen an drei Abnehmer streitig:

2

1. Die Klägerin stellte am 1. und 20. Februar 2006 der von X geführten A-Automobile (A) in Ö (Österreich) jeweils die Lieferung eines Ferrari F430 F1 in Rechnung. Der Kaufpreis wurde jeweils mit "Exportpreis netto: € 159.000,--" ausgewiesen; die Rechnungen enthielten ansonsten weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferungen noch auf weitere Dokumente. Ihnen beigefügt war jeweils eine "Anlage zur Rechnung", die auf die jeweilige Rechnungsnummer und das jeweilige Rechnungsdatum verwies und den Hinweis "Bestätigung Innergemeinschaftlicher Lieferung" enthielt. Hierin bestätigte X durch seine Unterschrift die Richtigkeit der von ihm angegebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dass die Lieferung durch die Klägerin stattgefunden habe und dass der PKW in I zur Abholung durch X übergeben worden sei. Zugleich versicherte X darin, die näher bezeichneten PKW ausschließlich für sein Unternehmen zu verwenden sowie die PKW "in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich)" zu befördern. Auf einem weiteren, mit "Verbringungsnachweis" überschriebenen Dokument, das zusammen mit den vorgenannten Dokumenten in der Buchführung der Klägerin aufbewahrt wurde, hatte X mit seiner Unterschrift bestätigt, "ein umsatzsteuerfreies innergemeinschaftliches Warengeschäft" getätigt zu haben sowie die näher bezeichneten PKW "[i]ns Ausland (nach Österreich) zu verbringen und dort der Mehrwertsteuer zuzuführen".

3

Im Rahmen eines später gegen X eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gab dieser jedoch an, die beiden PKW unter Verwendung von roten Fahrzeugkennzeichen eines anderen Händlers ohne Wissen des Geschäftsführers der Klägerin tatsächlich nicht nach Österreich verbracht zu haben.

4

Zu beiden PKW-Lieferungen liegen Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) im Bestätigungsverfahren gemäß § 18e Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), Übernahmeprotokolle, die Kopie eines Gewerberegisterauszugs sowie Kopien des Deutschen Bundespersonalausweises von X vor. Unter den Ausweiskopien hatte dieser jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, als Bevollmächtigter der A zu handeln und am 1. bzw. 20. Februar 2006 einen Betrag von 159.000 € in bar an die Klägerin bezahlt zu haben.

5

2. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr ferner u.a. einen Mercedes-Benz ML 280 CDI an die B S.L. (B) aus Spanien. Für die B trat eine Person auf, die sich als … (G) ausgab. Die Klägerin stellte für die PKW-Lieferung eine Rechnung an die B, in der der Kaufpreis mit "Exportpreis netto: € 51.000,--" ausgewiesen wurde, die ansonsten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielt und der eine Anlage zur Rechnung ebenfalls mit einem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie ein Verbringungsnachweis beigefügt waren.

6

Nach einem von der Klägerin vorgelegten Dokument hatte die B eine Spedition beauftragt, den PKW nach P (Spanien) zu transportieren. Dagegen sind auf dem CMR-Frachtbrief in dem Feld 1 (Absender) die Klägerin und im Feld 2 (Empfänger) "G" mit der Adresse … (O) in Spanien genannt. Das Feld 3 zum Auslieferungsort enthält mit einer eingekreisten "2" einen Hinweis auf das Feld 2 sowie den Zusatz "Espana". Als Adresse der B ist auf dem Rechnungsdokument, der "Anlage zur Rechnung" und dem Verbringungsnachweis jeweils O angegeben. Dagegen liegt die Adresse der B nach einem auf diesen Dokumenten aufgebrachten Stempelaufdruck in S in Spanien.

7

Der Mercedes-Benz ML 280 CDI wurde nach Spanien versandt und nicht auf die B, sondern innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf drei andere spanische Unternehmen zugelassen. In einer Antwort auf das Auskunftsersuchen des BZSt teilten die spanischen Behörden u.a. mit, das Profil der B gleiche einem sog. Missing Trader. Geschäftsführer der B sei Herr G gewesen, der erklärt habe, dass die Gesellschaft zwar "auf seinen Namen laufe", er allerdings im Zusammenhang mit ihr keinerlei Einkünfte habe und ihr derzeitiger "Manager" eine andere Person sei. Die gegenüber den Finanzbehörden angegebene Adresse der B sei die Wohnanschrift des G, an der eine Geschäftsausstattung für den Handel mit Fahrzeugen nicht vorhanden sei.

8

3. Außerdem stellte die Klägerin am 14. September 2006 der C-GmbH (C), … in Z (Österreich) die Lieferung eines Ferrari F430 F1 Coupé mit einem "Exportpreis netto: € 169.900,--" in Rechnung. Die Rechnung enthielt weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung noch einen Hinweis auf weitere Dokumente. In der "Anlage zur Rechnung" bestätigte der Geschäftsführer der C, Herr N, u.a. die am 15. September 2006 durch die Klägerin erfolgte Übergabe in I zur Abholung durch ihn.

9

Auf einem CMR-Frachtbrief, der auf den 15. September 2006 datiert ist, sind als Absenderin sowie als Frachtführerin die Klägerin, als Empfängerin die C und als Auslieferungsort I genannt. Im Rahmen eines Auskunftsersuchens des BZSt teilten die österreichischen Behörden u.a. mit, dass sie die C als Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit identifiziert hätten. Sie habe ihren Sitz bei ihrem Steuerberater, tätige vor allem innergemeinschaftliche Erwerbe aus Deutschland und innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien. Im Streitjahr seien innergemeinschaftliche Erwerbe für 21,7 Mio. € erfolgt. Bis auf eine kleine angemietete Lagerhalle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von Fahrzeugen sowie einem "Büro" in einer abgelegenen Wohnung verfüge die C nicht über die für einen Händler exklusiver PKW übliche Infrastruktur.

10

Hinsichtlich der Lieferung an die C hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung insbesondere angegeben, dass ihm der persönlich am 14. September 2006 in I anwesende Geschäftsführer der C, Herr N, erklärt habe, sein Abnehmer habe auf keinen Fall einen Transport des PKW nach Österreich "auf eigenen Rädern" gewünscht. Deshalb habe der Geschäftsführer der Klägerin den PKW auf einem Hänger nach Z in Österreich befördert und diesen auf dem Gelände einer Tankstelle in der Nähe der Geschäftsadresse der C an Herrn N übergeben.

11

Die Klägerin behandelte die vorgenannten PKW-Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte dies im Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 12. Februar 2008, zuletzt geändert durch Bescheid vom 18. November 2011, nicht an.

12

Daraufhin hat die Klägerin Sprungklage erhoben und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2012 berichtigte Rechnungen vom 16. Januar 2012 zu den streitbefangenen Lieferungen vorgelegt. Hierin ist ein Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG enthalten.

13

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich einer hier nicht streitigen PKW-Lieferung ab und gab der Klage in Bezug auf die im Revisionsverfahren noch streitbefangenen PKW-Lieferungen an die A, die B und an die C statt.

14

Die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A folge aus § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Unter Zugrundelegung der Angaben des X gegenüber der Klägerin seien sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt. Insbesondere scheitere der ordnungsgemäße Belegnachweis nicht daran, dass die ursprünglichen Rechnungen zumindest auf dem eigentlichen Rechnungsdokument keine Hinweise auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielten. Dieser Mangel sei rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch die korrigierten Rechnungen behoben worden. Die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben des X auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können.

15

Hinsichtlich der Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien stehe zur Überzeugung des Gerichts objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen würden. Dass der PKW tatsächlich nach Spanien gelangt sei, stehe wegen der dortigen Zulassung außer Zweifel. Wer Abnehmer der Lieferung gewesen sei, könne dahinstehen, zumal dessen Identifizierung aufgrund der vorliegenden Belege einerseits und der Mitteilung der spanischen Behörden andererseits nicht möglich sei.

16

Auch im Hinblick auf die Lieferung an die C seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben. Angesichts der detaillierten und widerspruchsfreien Schilderung des Geschäftsführers der Klägerin, der den Transport durchgeführt habe, sowie der Übereinstimmung mit den vorgelegten Belegen stehe zur Überzeugung des FG fest, dass der PKW nach Z (Österreich) und damit in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden sei.

17

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

18

Der Belegnachweis sei jeweils nicht ordnungsgemäß erbracht worden, weil in den ursprünglichen Rechnungen ein Hinweis auf die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung fehle. Die berichtigten Rechnungen seien auch nicht geeignet, den Mangel zu heilen, weil keine Anhaltspunkte für deren Zugang bestünden. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern des X, der B und der C seien seit 2006 bzw. seit 2007 ungültig. Auch lägen über die Erreichbarkeit der gesetzlichen Vertreter der Abnehmer keine Informationen vor. Damit habe die Erwerbsbesteuerung zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung nicht mehr nachgeholt werden können. Insoweit greife auch nicht die Vertrauensschutzregelung. Da die Abnehmer der Klägerin jeweils Scheinunternehmer gewesen seien, scheide eine Steuerfreiheit der streitbefangenen PKW-Lieferungen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 2012 XI R 17/12 (BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 23) aus.

19

Die Lieferungen an die A seien auch deshalb keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, weil die PKW tatsächlich nicht nach Österreich transportiert worden seien und damit für den Nachweis des Bestimmungsortes nicht auf die Rechnungsanschrift der A zurückgegriffen werden könne. Mangels Belegnachweises seien die PKW-Lieferungen auch nicht nach § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei.

20

Überdies sei die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien nicht steuerfrei, weil die von der B angegebene Lieferanschrift der Wohnungsanschrift ihres Geschäftsführers entspreche und erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der (hochwertige) PKW tatsächlich dorthin transportiert worden sei. Eine Steuerfreiheit scheide auch deshalb aus, weil die B keine Erwerbe der Klägerin versteuert habe, dies jedoch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 775, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 1145) bei fehlendem Buch- und Belegnachweis Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sei. Dass der PKW in Spanien zugelassen worden sei, genüge nicht zum Nachweis der Steuerfreiheit. Dieser Nachweis erfordere nach dem BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27) sowie nach dem Urteil des Hessischen FG vom 19. Februar 2013  1 K 513/11 (nicht veröffentlicht) eine Zulassung auf den Abnehmer, die im Streitfall nicht vorliege. Die Gewährung von Vertrauensschutz scheide von vornherein aus, weil es schon wegen fehlerhafter Angaben zum Bestimmungsort und mangels Vorliegens eines ordnungsgemäßen Doppels einer Rechnung am erforderlichen Belegnachweis fehle. Hinzu komme, dass eine Identifizierung des Abnehmers nicht möglich sei, sodass auch die Klägerin nicht auf eine Erwerbsbesteuerung durch die B habe vertrauen können.

21

Die Belegnachweise seien für die PKW-Lieferung an die C auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Auslieferung entgegen der Angabe im CMR-Frachtbrief tatsächlich nicht an die Adresse der C, sondern an eine nahegelegene Tankstelle erfolgt sei. Fehle es an einem Belegnachweis, bedürfe es wegen des Beschlusses des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 einer tatsächlichen Erwerbsbesteuerung, deren Vorliegen hier aber unklar sei. Zudem stehe der Bestimmungsort wegen des Widerspruchs zwischen den Belegnachweisen und den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht objektiv zweifelsfrei fest. Da die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht vollständig nachgekommen sei, seien die Lieferungen auch nicht im Rahmen der Vertrauensschutzregelungen steuerfrei.

22

Das FA beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Umsätze aus Fahrzeuglieferungen an die A, die B und die C betrifft, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

23

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

24

Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen und macht u.a. geltend, die berichtigten Rechnungen wirkten nach dem BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03 (BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634) auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zurück.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Revision ist teilweise begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die PKW-Lieferung an die B zu Unrecht als steuerfrei behandelt; das Urteil war aufzuheben und die Klage neben der hier nicht streitigen PKW-Lieferung auch insoweit abzuweisen. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg, weil das FG hinsichtlich der PKW-Lieferungen an die A und an die C zu Recht von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen ist.

26

1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG), wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG).

27

2. Die PKW-Lieferungen an die A sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

28

a) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

29

Diese Voraussetzungen liegen für die PKW-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit --anders als es das FA meint-- den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 1. bzw. 20. Februar 2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, Rz 44, m.w.N.) fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht.

30

aa) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

31

bb) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Hinweis auf die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A jeweils in den Rechnungen enthalten.

32

Das FG hat auf Seite 4 und 21 seines Urteils sowie durch Bezugnahme festgestellt, dass der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Teil der Abrechnung einen Verweis auf die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, die genaue Bezeichnung des gelieferten PKW einschließlich Marke, Fahrzeugtyp und Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie insbesondere neben dem Hinweis "Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung" auch die Versicherung, "dass der gekaufte Gegenstand in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich) befördert wird", enthielt. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit "Rechnung" überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen "Exportpreis netto: € 159.000,--" auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der PKW-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige PKW-Lieferung an die A. Da in dem mit "Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

33

cc) Der Senat weicht dadurch nicht von dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 ab. Denn in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt ließ sich --anders als nach den Feststellungen des FG in dem hier zu entscheidenden Verfahren-- nach den bindenden Feststellungen des FG nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung und nicht etwa um eine Lieferung aus einem Drittland oder um eine Lieferung in ein Drittland handelte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596, Rz 47).

34

dd) Weil die mit "Rechnung" bzw. "Anlage zur Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben.

35

b) Die Erwägungen des FG, die Klägerin habe i.S. von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 V B 126/07, BFH/NV 2009, 234, unter 2.; vom 28. September 2009 XI B 103/08, BFH/NV 2010, 73, unter 1.).

37

bb) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der von X gemachten Angaben zum Bestimmungsort auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin sich durch eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des X versichert habe und dass die Verwendung roter Fahrzeugkennzeichen anderer Händler ein branchenübliches Verhalten gewesen sei, das kein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Abnehmer begründen könne.

38

Diese Würdigung der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34, m.w.N.).

39

3. Für die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI hat das FG die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu Unrecht bejaht.

40

a) Es steht --entgegen der Auffassung des FG-- nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der PKW-Lieferung ungeklärt ist.

41

aa) Zwar ist die Ansicht des FG, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des PKW nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht (BFH-Urteil in BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht möglich ist.

42

bb) Indes geht das FG rechtsfehlerhaft davon aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob tatsächlicher Abnehmer die B oder aber eine namentlich nicht bekannte Person gewesen sei, die im Namen der B, aber ohne Vertretungsmacht aufgetreten sei.

43

Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17; V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15, jeweils m.w.N.).

44

Mithin vermag der Umstand, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die fehlende, zur zutreffenden Verlagerung der Steuereinnahmen jedoch notwendige Feststellung der Identität des Abnehmers nicht zu ersetzen.

45

b) Die Zulassung des PKW im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz 45; ferner BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 27).

46

c) Die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei anzusehen, weil die Klägerin die von ihr für die PKW-Lieferung an die B beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht --wie erforderlich-- entsprechend § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachgewiesen hat.

47

aa) Versendet der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UStDV). CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 23). Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).

48

bb) Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt, weil die Angaben in den Belegen widersprüchlich sind, was begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, BFH/NV 2012, 1006, Leitsatz 2).

49

Zudem fehlen --wie bereits ausgeführt-- Feststellungen dazu, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Die vollständige Erbringung des Beleg- und Buchnachweises verlangt jedoch auch Angaben zur Identität des Abholers (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 37).

50

4. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die PKW-Lieferung an die C aufgrund der Feststellungen des FG objektiv zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllte.

51

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG objektiv zweifelsfrei gegeben sind, obliegt im finanzgerichtlichen Verfahren der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO weitgehend entzogen ist (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 29 bis 31; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 28; in BFH/NV 2013, 596, Rz 56; Treiber in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a, Rz 87; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 108 Rz 90; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. April 1995 V R 2/94, BFH/NV 1996, 184, unter II.1.b, zur Ausfuhrlieferung).

52

b) Demnach ist aufgrund der bindenden Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Klägerin den PKW an die C in das übrige Gemeinschaftsgebiet lieferte und diese den PKW im Rahmen ihres Unternehmens erwarb.

53

aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des FG, die C sei die Abnehmerin des PKW gewesen und der PKW sei nach Z in Österreich gelangt.

54

Das FG ist insoweit nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Geschäftsführer der Klägerin den PKW nach Österreich auf einem Anhänger der Klägerin transportiert habe, weil der Abnehmer der C keine Überführung "auf eigenen Rädern" gewünscht habe. Zudem hat es die von der Klägerin vorgelegten Belege dahingehend gewürdigt, dass die Unterschriften auf der vorliegenden Passkopie und auf anderen im Zusammenhang mit der Lieferung stehenden Dokumenten, die mit einem Stempel der C und einem Namenszug versehen seien, eine Ähnlichkeit aufwiesen, die mit der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin im Einklang stehen würden, Herr N habe als Geschäftsführer der C das gelieferte Fahrzeug selbst in I besichtigt und übernommen.

55

Diese Würdigungen der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, sind möglich und verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Folglich binden sie den Senat.

56

Die gegen diese Feststellungen vom FA vorgebrachten Einwände sind nach § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich. Denn soweit es vorträgt, die Belegangaben würden der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin widersprechen, setzt es lediglich seine Meinung an die Stelle der --im Streitfall möglichen-- Würdigung des FG.

57

bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die --in Bezug auf die Unternehmereigenschaft der C mögliche und weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßende-- Würdigung des FG, für eine Zwischenhändlerin wie die C sei es nicht ungewöhnlich, dass sie über eine kleine, nicht einsehbare Halle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von PKW sowie über ein Büro in einer Wohnung verfüge.

58

cc) Schließlich geht das FG ohne Rechtsfehler davon aus, die C sei aufgrund der umfangreichen innergemeinschaftlichen Erwerbe und innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegen der Einschätzung der österreichischen Behörden wirtschaftlich tätig gewesen.

59

Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung. Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 20, m.w.N.). Sofern die Annahme der österreichischen Behörden, es handele sich bei C um eine Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit, darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Österreich nicht anmeldete, begründet dies allein --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft. Diese Zweifel ergeben sich auch nicht aus den übrigen von den österreichischen Behörden angeführten Umständen, wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt hat (FG-Urteil, S. 26).

60

Entgegen der Auffassung des FA ist daher nicht davon auszugehen, es handele sich bei der C um ein Scheinunternehmen. Damit steht zugleich fest, dass ein Sonderfall, bei dem das Recht des Objektivnachweises einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht besteht --wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Leitsatz)--, im Streitfall nicht vorliegt.

61

dd) Demnach sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a UStG gegeben. Dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines PKW in Österreich --wie es zudem für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG Voraussetzung ist-- den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

62

ee) Dass die Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat tatsächlich besteuert werden, ist --entgegen der Auffassung des FA-- für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erforderlich (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 69 ff.; BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 21/11, BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 18, m.w.N.). Das Erfordernis einer tatsächlichen Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat stünde im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die bewusst auf eine solche innere Verknüpfung verzichtet hat (vgl. EuGH-Urteil --Teleos u.a.-- in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 70). Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht daher der Steuerbefreiung nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 19).

63

ff) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA genannten Beschluss des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145. Der vom FA begehrten Auslegung, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG verlange bei fehlendem Nachweis der Steuerfreiheit die tatsächliche Erwerbsbesteuerung, steht das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung entgegen.

64

Das BVerfG hat in Rz 60 seines Beschlusses in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 lediglich ausgeführt, dass es innerhalb des Rahmens möglicher Wortlautauslegung zu § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG liege, die tatsächliche Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Abnehmer zu verlangen. Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, jedoch das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 42). Da nach dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung --wie ausgeführt-- die tatsächliche Erwerbsbesteuerung keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kann der möglicherweise anders zu interpretierende Wortlaut einer nationalen Vorschrift allein kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen.

65

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

66

Da die Revision des FA teilweise Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. April 2014 XI R 24/13, BFHE 245, 66, BFH/NV 2014, 1289, Rz 38, m.w.N.).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, handelt mit PKW's und lieferte in den Streitjahren 2004 und 2005 u.a. 42 Neufahrzeuge; diese Umsätze beurteilte sie als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien.

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lagen den Fahrzeuglieferungen Bestellungen zugrunde, die über die Firma D erfolgten. Die Firma D teilte der Klägerin Personaldaten italienischer Enderwerber mit. Die Klägerin erstellte Unterlagen zum Kauf von Fahrzeugen und übergab diese der Firma D, die sie "mit käuferseitigen Unterschriften versehen" an die Klägerin zurückgab. Die von der Klägerin bei einem inländischen Hersteller bezogenen PKW's wurden von der Firma D bei der Klägerin abgeholt und entweder bar oder mit Scheck bezahlt. Dabei legte die Firma D der Klägerin "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" vor, nach denen die Firma D die PKW's im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 abhole und nach Italien verbringe. Für die Lieferung der 42 PKW's erstellte die Klägerin zunächst Rechnungen an die beiden in Italien ansässigen Firmen X und X-3 als Besteller der Fahrzeuge. Nach der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung der Fahrzeuge in Italien stornierte die Klägerin diese Rechnungen und stellte neue Rechnungen auf die Personen aus, die in den Fahrzeugbestellungen als Besteller angegeben waren. Es handelte sich dabei fast ausnahmslos um die späteren Halter der PKW's (Endabnehmer).

3

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die Klägerin habe die PKW's nicht direkt an die Endabnehmer geliefert. Stichproben hätten ergeben, dass zwei Fahrzeuge durch die Firma X-1 in Italien innergemeinschaftlich erworben und über zwei weitere italienische Firmen an einen Endabnehmer geliefert worden seien. Gleiches gelte für ein Fahrzeug, das von der Firma X-2 erworben worden sei. Die Klägerin habe Lieferungen an die italienischen Endabnehmer nur vorgetäuscht, da der inländische Hersteller der Fahrzeuge der Klägerin Verkäufe an ausländische Wiederverkäufer untersagt habe. Einspruch und Klage gegen die für die beiden Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens war der aus anderen Gründen geänderte Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009.

4

Das FG wies die Klage der Klägerin als unbegründet ab. Die Lieferungen seien steuerpflichtig, weil die Klägerin den Belegnachweis nicht ordnungsgemäß geführt habe. Die Abholung der PKW's sei nicht für die Endabnehmer, sondern die Firmen X-1 und X-2 erfolgt. Die Bestätigungen der italienischen Endabnehmer, diese Firmen mit der Abholung beauftragt zu haben, seien durch den Mitarbeiter A der Klägerin gefälscht worden. Nach der objektiven Beweislage stehe nicht sicher fest, dass die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vorlägen. Unklar sei bereits, wer Abnehmer der Lieferungen gewesen sei. Eine Verpflichtung, über die durchgeführte Beweisaufnahme hinaus auch B als Zeugen zu vernehmen, bestehe nicht.

5

Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung formellen und --wie sich aus ihrem Revisionsantrag ergibt-- materiellen Rechts rügt. Das FG hätte aufklären müssen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Neufahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe durch Einvernahme des Vermittlers B als Inhaber des Einzelunternehmens D und der in Italien ansässigen Endkunden als Zeugen. Ebenso hätte das FG aufklären müssen, dass die 42 Fahrzeuge im Auftrag des jeweiligen italienischen Endabnehmers oder im Auftrag anderer Personen nach Italien befördert worden seien. Dies hätten der Zeuge P sowie die mit den Transportaufträgen befassten Zeugen C, E, F, G, H und K bestätigt. Das FG sei auch nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen und unabhängig von Beweisanträgen verpflichtet gewesen. Sie habe die Identität der Abnehmer nicht verschleiert, sondern sämtliche Vertragsverhältnisse, Rechnungen, Stornorechnungen und Lieferwege offengelegt. Sie habe daher nicht beabsichtigt, die Identität der Erwerber der PKW's zu verschleiern, um diesen eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Es komme auf die Rechnungsstornierung nicht an. Die italienischen Zulassungsbelege seien nicht fehlerhaft. Zivilrechtlich sei kein Raum für einen Zwischenhändler gewesen. Für die Abgrenzung zwischen Vermittlung und Eigenhandeln sei das Zivilrecht maßgeblich. Der erforderliche Belegnachweis liege vor. Der Bestimmungsort stehe fest, es lägen auch Versicherungen zum Verbringen vor. Auf zusätzliche Belege komme es nicht an.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Klage der Klägerin betrifft, aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 8. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2006 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 55.656,84 € (2004) und um 140.662,07 € (2005) herabgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin habe das Unterbleiben der von ihr beantragten Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Der vor dem FG gestellte Beweisantrag habe sich darüber hinaus nur darauf bezogen, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen seien. Daher rüge die Klägerin das Übergehen eines Beweisantrags, der in der behaupteten Form niemals gestellt worden sei. Der feststellungsbelastete Steuerpflichtige könne die Herbeiführung einer objektiven Beweislage nicht dem FG überbürden.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Klägerin nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind.

10

1. Der mit der Revision geltend gemachte Verfahrensfehler, das FG habe die mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 angebotenen Beweise verfahrensfehlerhaft nicht erhoben, liegt nicht vor.

11

a) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin Zeugenbeweis dafür angeboten, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen sind.

12

aa) Dieses Beweisangebot war im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da das FG in seinem Urteil das Gelangen der Fahrzeuge nach Italien als wahr unterstellt hat. Für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG vielmehr entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, war dieses Beweisangebot unerheblich.

13

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Fahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe, entspricht dieses Revisionsvorbingen --wie das FA zu Recht anmerkt-- nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag.

14

b) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin weiter Zeugenbeweis dafür angeboten, dass "die Fahrzeuge direkt nach der Übergabe der Klägerin an die im Folgenden benannten Transporteure ohne Einschaltung weiterer Zwischenhändler von diesen direkt zu den Endabnehmern in Italien verbracht worden" seien.

15

aa) Ein ordnungsgemäß angebotener Beweisantrag kann unberücksichtigt bleiben, wenn er für das unter Beweis gestellte Beweisthema untauglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2008 X B 66/08, juris, und vom 28. September 2011 X B 69/11, BFH/NV 2012, 32).

16

Im Streitfall war für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, der zu diesem Beweisthema angebotene Zeugenbeweis untauglich. Ohne nähere Angaben dazu, auf welcher Grundlage Fahrzeugtransporteure zu den für die Abnehmerbestimmung maßgeblichen Vertragsverhältnissen bei Liefervorgängen sachdienliche Angaben machen könnten, war das FG nicht verpflichtet, den angebotenen Beweis zu erheben.

17

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass die verkauften 42 Fahrzeuge im Auftrag der jeweiligen italienischen Endabnehmer nach Italien befördert worden seien, entspricht dieser Vortrag nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag. Dies gilt auch für das Revisionsvorbringen, die Beförderung sei durch die Firma D im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 erfolgt.

18

2. Das Urteil des FG ist auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, als das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht vorliegen.

19

a) Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

20

aa) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

21

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

22

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

23

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

24

bb) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

25

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

26

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

27

Unionsrechtlich handelt es sich dabei um Bedingungen, die die Mitgliedstaaten "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch" i.S. von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG festlegen können. Zudem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG befugt, die Pflichten vorzusehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

28

cc) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

dd) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtige Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des BFH Folgendes:

31

(1) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

32

(2) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

33

(3) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Maßgeblich ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

b) Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, kann die Klägerin für ihre Leistungen die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung nicht beanspruchen.

35

aa) Im Streitfall hat die Klägerin den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

36

Die Klägerin kann mit den Rechnungen an die Firmen X und X-3 keinen Belegnachweis führen, da sie diese Rechnungen storniert hat.

37

Zwar liegen nunmehr Rechnungen an die Endabnehmer vor. Ohne dass der Senat darüber zu entscheiden hat, ob und unter welchen Voraussetzungen der gewillkürte Wechsel des Rechnungsadressaten für Zwecke des Belegnachweises anzuerkennen ist, käme ein Belegnachweis im Hinblick auf diese Rechnungen jedoch nur in Betracht, wenn entsprechend § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV auch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten vorläge, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Hieran fehlt es, da nach den der Klägerin vorliegenden "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" der Abholer D für die Firmen X-1 und X-2, nicht aber für die Endabnehmer tätig war und die von den Endabnehmern angeblich erteilten Abholungsaufträge für die Firma X-2 von einem Mitarbeiter der Klägerin gefälscht worden waren. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 19. November 2009 V R 8/09 (BFH/NV 2010, 1141) zu Ausfuhrlieferungen entschieden hat, kann der Belegnachweis nicht mit gefälschten Belegen erbracht werden. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen hat, dass auch andere Verbringungsnachweise der Endabnehmer vorliegen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Hinblick auf die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht zu berücksichtigen war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474, unter II.3.).

38

Ebenso wie der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis nicht mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, geführt werden kann (Senatsurteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Leitsatz), kann --auch wenn Abholvollmachten nach der Rechtsprechung des Senats nicht belegmäßig nachzuweisen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 4)-- der Belegnachweis nicht mit einer Verbringensversicherung geführt werden, die, wie die für die Firma D erteilten "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen", keinerlei Bezug zum belegmäßig geführten Abnehmer aufweist.

39

bb) Es steht nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind.

40

(1) Im Hinblick auf grundsätzlich mögliche Lieferungen durch die Klägerin unmittelbar an die Endabnehmer hat die Klägerin die durch das FA dargelegten und auch begründeten Zweifel an derartigen Lieferungen weder entkräftet noch widerlegt.

41

Hierzu hätte die Klägerin, falls sie das objektive Vorliegen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen an die Endabnehmer nachweisen wollte, den stichprobenartigen Angaben des FA zum Vorliegen von Lieferketten, bei denen andere Personen als die Endabnehmer die Erwerbsbesteuerung in Italien vorgenommen haben, konkret und nicht lediglich mit untauglichen Beweisanträgen entgegentreten müssen. Bei dieser Sachlage bestand für das FG keine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Sachaufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO), zumal die Klägerin im Verfahren vor dem FG fachkundig vertreten war. Die Sachaufklärungsrüge ist insoweit nicht geeignet, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise in der mündlichen Verhandlung beim FG hätte stellen können (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2012 V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818).

42

Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt, dass die von ihr gelieferten Fahrzeuge in der überwiegenden Anzahl der Fälle in Italien auf den italienischen Enderwerber zugelassen worden seien, kommt es hieraus im Hinblick auf die nicht ausgeräumten Zweifel, wer unmittelbarer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war, nicht an.

43

(2) Nicht zu entscheiden war daher, ob sich der Senat der Auffassung des FG anschließen könnte, dass im Rahmen des Objektivnachweises (s. oben II.2.a dd (2)) überhaupt "keine Verpflichtung des Gerichts [besteht], den Sachverhalt im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 FGO und nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen von Amts wegen weiter aufzuklären".

44

Ebenso war nicht zu entscheiden, ob der Klägerin die Steuerfreiheit ihrer Lieferung entsprechend dem EuGH-Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 832 Rdnrn. 31 ff.) deswegen zu versagen ist, weil ihr bei der Annahme von Lieferungen an Zwischenhändler aufgrund deren Mitteilung bekannt war, dass diese Zwischenhändler die Fahrzeuge bereits vor der Abholung bei der Klägerin an italienische Endabnehmer weiterverkauft hatten.

45

(3) Keinen Erfolg hat die Berufung der Klägerin auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 1992 (BStBl I 1993, 46), aus dem die Klägerin ableitet, dass die Zulassung eines Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat als Nachweis für die Voraussetzungen des § 6a UStG ausreicht, da es sich hierbei nur um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt, die keine Rechtsnormqualität hat und die die Gerichte nicht bindet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.4.c). Darüber hinaus ergibt sich aus der Zulassung nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird.

46

cc) Schließlich kommt auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet unabhängig von der Frage, wer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war und ob unrichtige Angaben dieser Person vorliegen, aus. Denn die Klägerin hat nicht mit der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt. Sie hat den Belegnachweis bereits der Art nach nicht vollständig geführt, da ihr keine Verbringensversicherungen oder sonstige Versendungsbelege vorlagen, die den von ihr als Abnehmer belegmäßig geführten Endabnehmern zuzurechnen waren (s. oben II.2.b aa).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Jahren 2001 und 2002 (Streitjahre) u.a. den Handel mit hochpreisigen PKW. Die Klägerin führte u.a. folgende Lieferungen aus:

2

1. Die Klägerin rechnete im Jahr 2001 Lieferungen in Höhe von 1.678.601 DM und im Jahr 2002 in Höhe von 193.433 € gegenüber der Firma A ab. A wurde in der Italienischen Republik (Italien) als Steuerpflichtige geführt. Der Klägerin lag ein Handelsregisterauszug der A und eine Ausweiskopie des Geschäftsführers der A, FS und eines IM vor, der zugleich Prokurist eines anderen italienischen Unternehmens (D) war. Der Sitz der A befand sich am Wohnsitz des FS. Die Klägerin zeichnete die im Jahr 2001 gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A buchmäßig auf und erteilte der A Rechnungen ohne gesonderten Steuerausweis. Die Rechnungen enthielten keinen Hinweis auf die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen.

3

A hat in Italien keine innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt. Im April 2002 gab FS gegenüber den italienischen Steuerbehörden an, dass die über A getätigten Fahrzeugerwerbe "in der italienischen Region …" erfolgt seien. Er, FS, habe lediglich eine Provision in Höhe von 500.000 Italienischen Lire erhalten.

4

Schriftliche Unterlagen zu den Fahrzeugbestellungen liegen nicht vor. Die Fahrzeuge wurden jeweils bei der Klägerin abgeholt und in bar oder per Scheck bezahlt. Als Abholer traten IM sowie die Herren AL, FP und EO auf, die jeweils Übernahmebestätigungen und eine Versicherung, dass die Fahrzeuge nach Italien "exportiert" werden, unterschrieben haben sollen. Für IM ist eine Vollmacht der A vorhanden. Die Unterschrift des IM auf der Ausweiskopie weist keine Ähnlichkeit mit den Unterschriften auf den Übernahmebestätigungen auf. Für AL legte die Klägerin im Laufe des Verfahrens eine Ausweiskopie vom 3. Juli 2004 vor. Für EO reichte die Klägerin eine Ausweiskopie ein, auf der die Anschrift nicht erkennbar ist. Für FP sind keine weiteren Angaben vorhanden.

5

2. Die Klägerin rechnete am 12. November 2001 gegenüber der R mit Sitz in Italien eine Lieferung eines PKW in Höhe von 54.467,10 € ab. Eine Durchschrift der Rechnung liegt nicht vor. Die Klägerin verfügt über einen Handelsregisterauszug der R, nach dem Frau PC vertretungsberechtigt war, sowie eine Ausweiskopie der PC. Aufgetreten für R ist eine Frau MS, die per Fax mitteilte, an welche Anschrift die Rechnung erteilt werden soll. Bestellunterlagen liegen nicht vor. Auf einer Übernahmebestätigung wird der "Export" nach Italien bescheinigt. Wer diese unterzeichnet hat, ist nicht bekannt.

6

Nach Ermittlungen der italienischen Strafverfolgungsbehörde ist R eine "Scheinfirma", die zum Zwecke des Umsatzsteuerbetrugs eingeschaltet worden sei.

7

3. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002 an die C die Lieferung von drei PKW Mercedes zum Gesamtpreis von 145.400 €. Die Klägerin wies gegenüber C keine Umsatzsteuer aus; einen Hinweis auf die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen enthalten die Rechnungen nicht. Die Klägerin verfügt außerdem über einen Handelsregisterauszug der C sowie eine Ausweiskopie des Geschäftsführers der C, SG. Die Klägerin übermittelte die Bestellungen bzw. Auftragsbestätigungen per Telefax an eine nicht bekannte Nummer und erhielt diese mit einem Firmenstempel der C und einer Unterschrift zurück; die Telefaxnummer wurde dabei unterdrückt. Die PKW wurden per Spedition nach Italien versendet. Auf den CMR-Versendungsbelegen ist dagegen als Empfängerin die Z mit Sitz in Italien angegeben.

8

Die C, die über eine italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügte und in Italien als Steuerpflichtige geführt wurde, erklärte in Italien keine innergemeinschaftlichen Erwerbe.

9

4. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002 Fahrzeuglieferungen an die W zu einem Gesamtpreis von 195.000 €. Rechnungsdurchschriften befinden sich nicht bei den Akten. Die von der Klägerin aufgezeichnete italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer wurde nicht der W, sondern der italienischen Firma Y zugeteilt. Die auf den Rechnungen an W verwendete Anschrift war in der Zeit von November 2001 bis Mai 2002 die Anschrift der Y. Die Klägerin verfügt über keine Unterlagen zu W. Bestellunterlagen sind auch nicht mehr vorhanden. Die Fahrzeuge wurden abgeholt. Die Identität der Abholer ist unbekannt, die Unterschriften auf den Abnehmerversicherungen, in denen der beabsichtigte Transport "nach Italien" bescheinigt wurde, unleserlich.

10

5. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002  15 PKW-Lieferungen zu einem Gesamtpreis von 1.192.450 € an die Firma B. B wurde in Italien als Steuerpflichtige geführt und verfügte über eine italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die italienischen Steuerbehörden haben mitgeteilt, dass B ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden sei, um als erste italienische Erwerberin zu "fungieren" und die Umsatzsteuer auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe in Italien zu hinterziehen.

11

Die Klägerin wies in den Rechnungen an B keine Umsatzsteuer aus; einen Hinweis auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) enthielten die Rechnungen nicht. Die Klägerin verfügt über einen Handelsregisterauszug der B und eine Ausweiskopie des Geschäftsführers RR. Bestellunterlagen sind nicht mehr vorhanden. Sämtliche Fahrzeuge wurden bei der Klägerin abgeholt, und zwar von IM, EO sowie den Herren AM, GS und AG. Die Klägerin verfügt über eine Ausweiskopie des IM, deren Unterschrift keine Ähnlichkeit mit den Unterschriften auf den Abholbestätigungen aufweist. Auf den Ausweiskopien des AM und des EO ist deren Wohnsitz nicht ersichtlich. Die Anschrift des AG ist auf dessen Ausweiskopie unleserlich. Die für AM, GS, AG und EO ausgestellten Vollmachten der B beziehen sich auf andere Fahrzeuge als die jeweilige Übernahmebestätigung; das in der Vollmacht des AM genannte Fahrzeug wurde von der Klägerin an die X mit Sitz in Italien geliefert.

12

Sämtliche unter 1. bis 5. genannten PKW wurden innerhalb weniger Wochen bzw. Monate in Italien zugelassen.

13

Die Klägerin behandelte in ihren Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2001 vom 26. Februar 2003 und für das Jahr 2002 vom 26. Februar 2004 die genannten Lieferungen als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) folgte dem nach Durchführung mehrerer Außenprüfungen nicht, sondern sah sämtliche Umsätze in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre, zuletzt vom 9. November 2006, als steuerpflichtig an. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

14

Ein gegen die Geschäftsführer der Klägerin eingeleitetes Strafverfahren wurde am 14. September 2010 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.

15

Im Rahmen des Klageverfahrens übergab die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dem Finanzgericht (FG) u.a. ein Merkblatt "Autoselbstimport aus der EU" des Europäischen Verbraucherzentrums Italien.

16

Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es vertrat die Auffassung, sämtliche Umsätze der Klägerin seien im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Die Klägerin habe die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG jeweils nicht nachgewiesen. Der Buch- und Belegnachweis sei nicht geführt. Es stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG erfüllt seien. Allein der Umstand, dass sämtliche PKW in Italien zugelassen worden seien, genüge --entgegen der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 28. Juni 2012  6 K 2615/09 (juris)-- nicht. Hinsichtlich der Lieferungen an B führte das FG auf Seite 20 des Urteils weiter aus, es sei außerdem davon überzeugt, dass die Klägerin an der von der Hinterziehung der Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat mitgewirkt oder zumindest davon Kenntnis gehabt habe. Auf Seite 21 bezog das FG in diese Würdigung das von der Klägerin vorgelegte Merkblatt mit ein.

17

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, zur Fortbildung des Rechts und wegen Verfahrensfehlern zuzulassen.

18

Einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung, mit dem die Klägerin u.a. begehrte, den Tatbestand dahingehend zu berichtigen, dass die von der Klägerin vorgelegte Broschüre erstmals im Jahr 2006 herausgegeben worden sei, gab das FG mit Beschluss vom 21. Mai 2013 insoweit statt, als es den Tatbestand dahingehend ergänzte, dass die Broschüre des Europäischen Verbraucherzentrums Italien den Stand Oktober 2006 hat. Dafür, dass die Broschüre erstmals im Jahr 2006 herausgegeben worden sei, gebe es jedoch keine Anhaltspunkte.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

20

1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

21

a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes Gericht (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 69; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 172 ff.). Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. November 2013 XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366; vom 8. Januar 2014 XI B 120/13, BFH/NV 2014, 686). Befindet sich das FG aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, kommt es auf eine (mögliche) Abweichung von dem Urteil eines anderen FG nicht mehr an (BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 2013 X B 15/13, BFH/NV 2013, 1609; vom 19. August 2013 X B 44/13, BFH/NV 2013, 1672, m.w.N.). Eine Divergenz kann nur in Bezug auf ein Urteil geltend gemacht werden, das im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht durch neuere höchstrichterliche Rechtsprechung überholt ist (BFH-Beschluss vom 23. September 2011 IX B 91/11, BFH/NV 2012, 58).

22

b) Gemessen daran liegen die zahlreichen von der Klägerin gerügten Abweichungen nicht vor.

23

aa) Soweit die Klägerin unter C.I. der Beschwerdebegründung geltend macht, das FG sei von dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2012  6 K 2615/09 (juris) abgewichen, ist dies zwar ausweislich der Urteilsgründe (Seite 16) zutreffend; das FG befindet sich damit aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Durch das BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11 (BFH/NV 2013, 1453, Rz 45) ist nämlich geklärt, dass sich aus der Zulassung eines Fahrzeugs nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat ergibt, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird. Davon ist auch das FG ausgegangen, indem es auf Seite 16 des Urteils ausgeführt hat, die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat besage über den Lieferweg und die Lieferkette nichts.

24

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Abweichung von den BFH-Urteilen vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27), vom 17. Februar 2011 V R 28/10 (BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448) sowie den Urteilen des Niedersächsischen FG vom 23. April 2009  16 K 261/05 (juris) und des FG Baden-Württemberg vom 20. Juli 2011  14 K 4282/09 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2203) rügt, liegt diese aus denselben Gründen ebenfalls nicht vor.

25

Auch der von der Klägerin beiläufig angeführte § 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der seit 1. Oktober 2013 geltenden Fassung verlangt übrigens --anders als die Klägerin meint-- einen Nachweis über die Zulassung des Fahrzeugs auf den Erwerber, an der es im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG fehlt.

26

bb) Soweit die Klägerin unter C.I.2. der Beschwerdebegründung geltend macht, das FG habe seiner Entscheidung folgenden Rechtssatz zugrunde gelegt: "Der Nachweis der Identität des wahren Abnehmers ist eine unabdingbare Voraussetzung der Steuerfreiheit. Handelt ein Unternehmer als Strohmann nur zum Schein im eigenen Namen, so ist dessen Hintermann Abnehmer ...", ist eine Abweichung bereits nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt: Die von der Klägerin auf Seite 9 der Beschwerdebegründung zitierten Passagen des Urteils enthalten allesamt keine Rechtssätze, sondern das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung des FG. Für die Annahme einer Divergenz reichen aber weder eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung noch eine (angeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 XI B 89/11, BFH/NV 2013, 778; vom 20. März 2013 IX B 154/12, BFH/NV 2013, 1239).

27

Überdies ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraussetzt, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist und für die Bestimmung des Leistungsempfängers sog. Scheingeschäfte (§ 41 der Abgabenordnung) ohne Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15 und 17; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17 und 19, jeweils m.w.N.). Das FG konnte sich vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens --aufgrund tatsächlicher Ungereimtheiten und Widersprüche-- nicht davon überzeugen, dass die von der Klägerin angegebenen Personen jeweils die tatsächlichen Abnehmer seien, so dass es bereits an der erstgenannten Voraussetzung fehle.

28

cc) Der Vortrag unter C.I.3. der Beschwerdebegründung, aus den Ausführungen des FG auf Seite 19 und 20 des Urteils ergebe sich, dass das FG den allgemeinen Rechtssatz aufgestellt habe, "dass von einem fehlerhaften Buch- und Belegnachweis auf die Kenntnis der Steuerhinterziehung durch den Erwerber geschlossen werden kann und diese Kenntnis einer Verschleierung der Identität des Abnehmers den Rechtsfolgen im Sinne der Entscheidung des [Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom] 7. Dezember 2010 C-285/09" --R-- (Slg. 2010, I-12605, Umsatzsteuer-Rundschau –-UR–- 2011, 15) "gleichsteht", hat das FG auch diesen abstrakten Rechtssatz schon gar nicht aufgestellt.

29

(1) Zunächst hat das FG --bezüglich der unter I.3. genannten Lieferungen an C-- auf Seite 19 des Urteils aus der fehlenden Aufzeichnung von Kontaktdaten gar nicht auf eine "Kenntnis der Steuerhinterziehung" geschlossen, sondern --u.a.-- daraus abgeleitet, dass Zweifel bestehen, dass C der Besteller der unter I.3. genannten Fahrzeuge gewesen sei und es nicht unwahrscheinlich sei, dass die Bestellung der Fahrzeuge nicht von C erfolgt sei.

30

(2) Ebenso wenig hat das FG diesen Rechtssatz auf Seite 20 des Urteils aufgestellt, sondern aus den von ihm dort genannten "zahlreichen Unstimmigkeiten und Widersprüchen" in Bezug auf die unter I.5. genannten Lieferungen an B den Schluss gezogen, dass die Klägerin zumindest Kenntnis von der Hinterziehung der Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gehabt habe.

31

(3) Die Klägerin wirft dem FG mit ihrem Vorbringen im Kern eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung, fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls und Subsumtionsfehler vor, was --wie unter II.1.b bb dargelegt-- für die Zulassung einer Revision wegen Divergenz nicht ausreicht.

32

(4) Soweit die Klägerin auch in diesem Zusammenhang auf Seite 14 der Beschwerdebegründung vorbringt, es sei "für einen Fall wie dem vorliegenden noch nicht entschieden, dass bei Erfüllung der objektiven Voraussetzungen (Nachweis des körperlichen Gelangens der Fahrzeuge durch zeitnahe amtliche Zulassungen und Auftreten des Abnehmers im Außenverhältnis ersichtlich als Leistungsempfänger), der Lieferant aber ggf. hätte erkennen können, dass der Abnehmer seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen ebenfalls nicht zu gewähren ist", liegt eine solche Situation im Streitfall schon tatsächlich nicht vor: Erstens hat die Klägerin nach der tatsächlichen Würdigung des FG die objektiven Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt und zweitens hat das FG angenommen, dass die Klägerin zumindest Kenntnis von der Steuerhinterziehung hatte.

33

2. Den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) hat die Klägerin bereits nicht hinreichend dargelegt.

34

a) Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. August 2013 X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761; vom 1. April 2014 V B 45/13, BFH/NV 2014, 1104, Rz 11).

35

Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. BFH-Beschluss vom 11. November 2008 XI B 17/08, BFH/NV 2009, 429; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 147). Dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (BFH-Beschluss vom 13. November 2012 II B 123/11, BFH/NV 2013, 255, m.w.N.). Zur Darlegung des Zulassungsgrunds muss der Beschwerdeführer substantiiert ausführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2012 III B 78/12, BFH/NV 2013, 39). Hierzu muss sich die Beschwerde u.a. mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2012 IV B 13/11, BFH/NV 2012, 963).

36

Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil der BFH grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 2013 X B 84/12, BFH/NV 2013, 771; vom 20. Februar 2014 XI B 85/13, BFH/NV 2014, 828).

37

b) Soweit der Vortrag der Klägerin auf Seite 14 zweiter Absatz der Beschwerdebegründung sich auf den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts bezieht, ist dieser Zulassungsgrund schon deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil der von der Klägerin behauptete Sachverhalt nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall nicht gegeben ist.

38

c) Die Klägerin macht unter C.I.3.b der Beschwerdebegründung weiter geltend, zu dem "hier einschlägigen Fall der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO mangels objektiver Beweise für eine aktive Mitwirkung an der Steuerhinterziehung des Abnehmers" sei "noch kein Urteil ergangen, das die Anwendbarkeit der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache --R--" (in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15) bestätige. Eine Entscheidung des BFH diene deshalb der Rechtsfortbildung vor allem auch im Hinblick auf die Abgrenzung von Umsatzsteuerrecht und Strafrecht. Außerdem stelle sich die grundsätzliche Frage nach der Grenzziehung zwischen den Risikosphären des liefernden Steuerpflichtigen und der jeweiligen Steuergläubiger. Nach Ansicht des EuGH sei es gerechtfertigt, denjenigen, der sich aktiv an einer Straftat eines anderen beteilige, in Durchbrechung des vom Grundsatz der Territorialität getragenen Bestimmungslandprinzips in Anspruch zu nehmen. Es sei fraglich, ob nach dem EuGH-Urteil --R-- (in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15) "eine derartige systemwidrige Besteuerung auch gerechtfertigt ist, wenn dem Steuerpflichtigen eigenes Fehlverhalten im Hinblick auf den Steueranspruch des Bestimmungslandes nicht zur Last gelegt werden kann".

39

d) Dies genügt auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen im Schreiben vom 25. Juli 2013 zur Darlegung in mehrfacher Hinsicht nicht:

40

aa) So fehlt jeglicher Vortrag dazu, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist.

41

bb) Auch setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend mit der Folgerechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinander.

42

cc) Überdies legt die Beschwerde nicht dar, dass ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, bei dem es auf die Beantwortung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage überhaupt ankommt. Dies ist hier nach den tatsächlichen Feststellungen nicht der Fall. In der Rechtssache --R-- hatte eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen tatsächlich stattgefunden und die Steuerbefreiung wurde "nur" deshalb versagt, weil der Lieferer bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hatte, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (vgl. EuGH-Urteil --R-- in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 51 und Tenor; BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 19/10, BFHE 235, 50, BStBl II 2012, 156, Rz 22; V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 22; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 26; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 2011  1 StR 41/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 332, Rz 21). Im Streitfall ist das FG jedoch bereits auf Seite 16 des Urteils für alle Lieferungen, auch die unter I.5. genannten Lieferungen, davon ausgegangen, dass der Buch- und Belegnachweis nicht geführt sei und nicht objektiv zweifelsfrei feststehe, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Darstellung der Klägerin auf Seite 15 der Beschwerdebegründung steht insoweit mit der tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG nicht in Einklang.

43

3. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Die Behauptung unter C.II., das FG habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen und seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildet, trifft nicht zu.

44

a) Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. April 2014 XI B 89/13, BFH/NV 2014, 1228, m.w.N.).

45

aa) Insbesondere sind der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 2012 VI B 138/11, BFH/NV 2012, 970; vom 21. August 2013 III B 122/12, BFH/NV 2013, 1798). Das FG verletzt seine Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Berücksichtigung des Streitstoffs, wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache oder einen bestimmten Tatsachenvortrag erkennbar unberücksichtigt lässt, obwohl dieser auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sein kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2013 IX B 1/13, BFH/NV 2013, 1624; vom 30. Juli 2013 IV B 107/12, BFH/NV 2013, 1928).

46

bb) Die Rüge eines derartigen Verfahrensmangels setzt die Darlegung voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen des Beteiligten nicht entspreche oder eine aus den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen habe (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Dezember 2012 X B 209/11, BFH/NV 2013, 722; vom 6. März 2013 X B 165/12, BFH/NV 2013, 954). Die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt haben soll, müssen genau bezeichnet und die sich daraus ergebenden wesentlichen Tatumstände benannt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303; vom 12. Oktober 2012 III B 212/11, BFH/NV 2013, 78, jeweils m.w.N.).

47

cc) Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint; insoweit könnte es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler handeln, nicht indes um einen Verfahrensverstoß (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2006 VIII B 113/05, BFH/NV 2006, 803; vom 27. September 2007 XI B 194/06, BFH/NV 2008, 87; vom 16. Dezember 2013 III S 23/13 (PKH), BFH/NV 2014, 553). Selbst Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze sind in der Regel materiell-rechtliche Fehler und können nicht als Verfahrensmangel gerügt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Juni 2012 X B 1/12, BFH/NV 2012, 1616; vom 19. September 2013 III B 47/13, BFH/NV 2014, 72).

48

b) Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang zunächst geltend, das FG habe den Akteninhalt dadurch unvollständig berücksichtigt, dass es lediglich erwähnt habe, dass das Strafverfahren gegen die Geschäftsführer der Klägerin gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Indem das FG ausgeführt habe, zur Überzeugung des FG stehe fest, dass die Klägerin an der Hinterziehung der Erwerbsbesteuerung mitgewirkt habe oder zumindest Kenntnis von ihr gehabt habe, stehe das FG in offenem Widerspruch zu den staatsanwaltlichen Ermittlungserbnissen.

49

Unabhängig davon, ob die Klägerin mit diesem Vortrag bereits die Darlegungserfordernisse nicht erfüllt hat, weil sie die Aktenteile nicht genau bezeichnet hat, liegt darin schon deshalb kein Verfahrensfehler des FG, weil das FG die Einstellung des Strafverfahrens --wie sich aus der Erwähnung im Urteil ergibt-- zur Kenntnis genommen und lediglich anders gewürdigt hat als die Klägerin. Eine Bindungswirkung des Strafverfahrens für das Besteuerungsverfahren besteht insoweit nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Februar 2001 IV B 162/99, BFH/NV 2001, 890, zur Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO; BFH-Urteil vom 18. April 2013 V R 19/12, BFHE 241, 446, BStBl II 2013, 842, zu strafgerichtlichen Urteilen; zur eigenständigen Prüfungskompetenz der Steuerhinterziehung durch die Gerichte bei der Überprüfung von Steuerbescheiden s. auch EuGH-Urteil vom 13. Februar 2014 C-18/13 --Maks Pen--, Mehrwertsteuerrecht 2014, 197, m. Anm. Grube, Rz 38). Zuletzt wäre auch hier --wie unter II.2.d dargelegt-- ein etwaiger Verfahrensfehler des FG nicht entscheidungserheblich, weil das FG die Steuerbefreiung bereits aus anderen Gründen versagt hat. Hat ein FG sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, ist hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form geltend zu machen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. März 2014 V B 18/13, nicht veröffentlicht, m.w.N.), woran es in Bezug auf die Begründung auf Seite 16 des Urteils, die auch die unter I.5. genannten Lieferungen umfasst, fehlt.

50

c) Aus denselben Gründen greift auch die Rüge der Klägerin nicht durch, das FG habe zu Unrecht das Merkblatt "Autoselbstimport aus der EU" des Europäischen Verbraucherzentrums Italien berücksichtigt. Auch dies ist aufgrund der Ausführungen auf Seite 16 des Urteils auf Basis der Rechtsauffassung des FG nicht entscheidungserheblich.

51

Im Übrigen steht die Behauptung, die Broschüre sei erstmals im Jahr 2006 (und damit nach den Streitjahren) aufgelegt worden, mit den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht in Einklang. Das FG hat auf Seite 21 seines Urteils --in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2013-- lediglich festgestellt, dass die von der Klägerin vorgelegte Broschüre den Stand Oktober 2006 hat. Für die Behauptung der Klägerin, dass die Herausgabe erstmals im Jahr 2006 erfolgt sei, hat das FG --ausweislich der Ausführungen auf Seite 3 des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2013 unter II.5.-- keine Anhaltspunkte feststellen können.

52

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

53

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.


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Tenor

I. Der Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 dahin geändert, dass die Haftungssumme auf 63.624,-- € gemindert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Strittig ist ein Haftungsbescheid.

2

Der Kläger ist Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der T GmbH. Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1999 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Groß– und Einzelhandel von Unterhaltungselektronik, der Im- und Export von Waren aller Art sowie Internetmarketing und Werbung.

3

Im Herbst des Jahres 2009 fand bei der GmbH eine Steuerfahndungsprüfung auf Grund eines Auskunftsersuchens der französischen Steuerverwaltung statt. Die Prüfung bezog sich auf die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen an die V SARL und an die C SARL in Frankreich. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung hatte die GmbH Lieferungen an die beiden vorgenannten französischen Firmen im Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 218.758 € und im Zeitraum vom Januar bis Mai 2009 mit einem Gesamtbetrag von 153.772 € als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei belassen. Nach Auffassung der Steuerfahndung war allerdings wegen fehlerhaften Buch- und Belegnachweises die Steuerfreiheit für die Lieferungen zu versagen. (Kurzberichte vom 15. Dezember 2009 und 9. November 2009, Blatt 3ff der Haftungsakte Fach Einsprüche Umsatzsteuervoranmeldungen).

4

Der Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und änderte die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen für Dezember 2008 und für März 2009 mit Bescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 entsprechend. Hiergegen legte die GmbH am 26. Januar 2010 Einspruch ein.

5

Mit Schreiben vom 3. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er wegen rückständiger Umsatzsteuern und zugehörigen Säumniszuschlägen der GmbH in Höhe von derzeit insgesamt 73.269 € hafte. Der Kläger wurde aufgefordert, die zur Ermittlung einer Tilgungsquote für den Haftungszeitraum vom 10. Januar 2009 bis 19. Mai 2010 erforderlichen Angaben zu machen. Am 31. März 2010 wurde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Mit Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wurde der Kläger für die Steuerrückstände der GmbH mit einer geschätzten Tilgungsquote von 80% in Höhe von 63.624 € in Haftung genommen. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2010 mit Hinweis auf die Begründung der Einsprüche der GmbH gegen die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2008 und März 2009 Einspruch ein.

6

Mit Schreiben vom 4. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, es fehle bereits an einem Nachweis, dass die GmbH die Kaufverträge mit den französischen Gesellschaften C SARL und V SARL abgeschlossen habe, weil der angebliche Abholer, Herr C, nicht als Beauftragter/Vertretungsberechtigter der Abnehmerfirmen identifizierbar sei. Weiter sei auch nicht nachgewiesen, dass die angeblichen Abnehmer die Liefergegenstände nach Frankreich befördert oder versendet hätten.

7

Am 30. März 2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beim Amtsgericht (Blatt 1 der Insolvenzverfahrensakte 7a IN .../10). Mit Beschluss vom 31. März 2010 ordnete das Amtsgericht die Sequestration an (Blatt 12 der Insolvenzverfahrensakte). Mit Beschluss vom 12. Mai 2010 ermächtigte das Amtsgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, die arbeitsrechtliche Kündigung des Klägers als Geschäftsführer zur Vermeidung unnötiger Masseverbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung auszusprechen (Blatt 39 der Insolvenzverfahrensakte). Am gleichen Tage kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter dem Kläger (Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010, Blatt 115, 120 Insolvenzverfahrensakte). Der Kläger wurde vom Insolvenzgericht weiterhin als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert (vgl. Blatt 66, 110, 158, 177 der Insolvenzverfahrensakte). Am 19. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet (Blatt 63 der Insolvenzverfahrensakte).

8

Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 beliefen sich offene Forderungen der GmbH auf insgesamt ca. 206.000 €, von denen Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, ohne dass die GmbH die Ware versandt habe. Die vorgefundene Vermögenssituation lasse sich nicht ohne weiteres mit den beträchtlichen Umsätzen in den Jahren 2007 bis 2009 in Einklang bringen. Der Kläger hätte als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei (Blatt 115 ff der Insolvenzverfahrensakte).

9

Die erste Gläubigerversammlung fand am 24. Juni 2010 statt (Blatt 149 der Insolvenzverfahrensakte), der Termin zur Prüfung angemeldeter Forderungen in der Gläubigerversammlung fand am 26. August 2010 statt (Blatt 170 der Insolvenzverfahrensakte).

10

Der Beklagte meldete die Forderungen gegenüber der GmbH, welche auch Grundlage des Haftungsbescheids waren, zur Tabelle an. Die Forderungen wurden vom Insolvenzverwalter nicht bestritten und der Beklagte sah die Einsprüche damit als erledigt an.

11

Mit Schreiben vom 20. September 2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, den Einspruch anderweitig zu begründen, da eine Berufung auf die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Forderungen nicht zulässig sei. Da keine Antwort des Klägers erfolgte, drohte der Beklagte mit Schreiben vom 6. Juni 2011 eine Verböserung des Haftungsbescheides dahingehend an, dass er eine Haftungsquote von 100% der Haftung zu Grunde lege, da die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung mangels Angaben des Klägers ausscheide und nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe (vgl. Bericht des Insolvenzverwalters vom 17. Mai 2010, Blatt 42 ff der Insolvenzverfahrensakte; hier Blatt 48, Tabelle zur Umsatzentwicklung).

12

Mit Schreiben vom 28. November 2011 begründete der Kläger seinen Einspruch dahingehend, der Beklagte verkenne, dass die geforderten Nachweise für die innergemeinschaftlichen Lieferungen nur dann für die Steuerbefreiung Bedeutung hätten, wenn strittig sei, ob die Waren die Grenze überschritten hätten. Dies sei aber unstrittig, da ansonsten die Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Abnehmerfirma sei trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen in Frankreich nicht nachgekommen, nicht plausibel erscheine. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaubte es dem Beklagten nicht, eine Versteuerung im Inland vorzunehmen. Mit Schreiben vom 31. Januar 2012 ergänzte der Kläger seinen Einspruch dahingehend, dass die widerspruchslose Hinnahme der von dem Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner wirke. Denn der Kläger habe im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide erhoben. Nach der Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters habe er keine Erklärungen als Geschäftsführer mehr für die Gesellschaft im Einspruchsverfahren abgeben können und sei daher im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht ausgeschlossen.

13

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 setzte der Beklagte die Haftungssumme auf 79.522 € fest und wies den Einspruch des Klägers zurück. Die Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle wirke wie ein rechtskräftiges Urteil sowohl gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern als auch dem Insolvenzschuldner. Da ein Widerspruch gegen die Anmeldung zur Tabelle nicht erfolgt sei, könne der Kläger gem. § 166 AO keine Einwendungen mehr gegen die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Umsatzsteuerfestsetzungen geltend machen. Auch die GmbH habe der Forderung des Beklagten im Insolvenzverfahren widersprechen können. Ein solcher Widerspruch hätte bewirkt, dass sich die Rechtskraftwirkung der Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle nur auf die Insolvenzschuldnerin als Trägerin der Insolvenzmasse erstrecke. Für das Einspruchsverfahren hätte der Tabelleneintrag dann keine Wirkung entfaltet. Da die GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer, im vorliegenden Fall der Anmeldung der Umsatzsteuerforderungen zur Tabelle nicht widersprochen habe, entfalte der Tabelleneintrag aber die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Da der Kläger keine Angaben zur Ermittlung einer Haftungsquote gemacht habe, sei die Haftung in voller Höhe der rückständigen Steuerschuld festzusetzen. Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters habe die GmbH auch über die Mittel zur Tilgung der Rückstände verfügt.

14

Der Kläger trägt vor, die Auffassung des Beklagten, durch die widerspruchslose Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle seien die Steuern rechtskräftig festgesetzt und er habe dies gegen sich gelten zu lassen, gehe fehl. Die widerspruchslose Hinnahme der vom Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter wirke nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner, da er im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide eingelegt habe. Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis für die Geschäfte der GmbH übernommen und er habe als Geschäftsführer keine Erklärungen mehr für die Gesellschaft abgeben können. Er habe das Einspruchsverfahren für die GmbH durch den Verlust der Verwaltungs– bzw. Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH nach Einsetzung eines Insolvenzverwalters nicht weiterbetreiben können. Da er keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH mehr gehabt habe, habe er auch keinen Widerspruch in die Tabelle eintragen können, um das unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren weiter zu verfolgen. Daher erstrecke sich die Rechtswirkung des § 166 AO nicht auf ihn. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung komme es für die Anwendung des § 166 AO alleine darauf an, ob es ein Geschäftsführer versäumt habe, während der Zeit, zu der er insolvenzrechtlich noch nicht daran gehindert gewesen sei, einen Rechtsbehelf gegen Steuerbescheide einzulegen. Da er dies aber getan habe, sei er mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht präkludiert. Dies zeige sich auch dadurch, dass ein Widerspruch zumindest insolvenzrechtlich nicht die Feststellung der Forderung vereiteln könne. Insofern könne eine nach seinem Verständnis rechtsfolgenlose Erklärung im insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren nicht dazu führen, dass ihm als Dritten die Möglichkeit genommen sei, im steuerrechtlichen Verfahren einen gegenüber der GmbH erlassenen Bescheid als Vertreter kraft eigenen Rechts anzufechten. Die Rechtskraftwirkung des § 178 InsO erstrecke sich nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern. Die Schlussfolgerungen des Beklagten scheiterten auch am Wortlaut des § 166 AO. Denn dieser setze voraus, dass der Dritte einen gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anfechten könne. Bei der Forderungsanmeldung zur Tabelle handle es sich nicht um einen erlassenen Bescheid, sondern um die Mitteilung der Höhe einer fällig gewordenen Steuerschuld. Selbst wenn die widerspruchslose Forderungsanmeldung zur Tabelle so wirke, als seien die Bescheide über die Steuerfestsetzung bestandskräftig, handle es sich aus der Sicht des Dritten nicht um einen gegenüber dem Insolvenzschuldner erlassenen Bescheid. Die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Insolvenztabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter. Es sei erforderlich, dass die Steuerschuld auf Grund eines Steuerbescheides im Sinne von § 166 AO unanfechtbar sei. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle könne nicht als Bescheid angesehen werden, da es an einem regelnden hoheitlichen Ausspruch der Finanzbehörde mangele. Aber auch aus tatsächlichen Gründen sei ihm ein Widerspruch gegen die Eintragung zur Tabelle nicht möglich gewesen. Er habe sich für einen Zeitraum von acht Wochen im Juni und Juli des Jahres 2010 wegen schwerer Depressionen im Krankenhaus befunden. Auch vor diesem Zeitraum sei er seit Januar/Februar 2010 krank geschrieben und nicht in der Lage gewesen, etwaige Abwicklungsvorgänge für die GmbH wahrzunehmen. Auch nach dem Krankenhausaufenthalt sei er noch lange krankgeschrieben gewesen und erhalte eine Erwerbsunfähigkeitsrente bis heute. Dies ergebe sich aus den beigefügten Attesten des Dr. O. (Blatt 131 bis 137 der Prozessakte), der Rechnung der Privatklinik Dr. A GmbH (Blatt 138 der Prozessakte) und der Bescheinigung über Rentenleistungen von der S Versicherung (Blatt 139 der Prozessakte). Der Arzt Dr. O. sei auch als Zeuge zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er krankheitsbedingt außer Stande gewesen sei, zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung im Insolvenzverfahren Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Auch habe er seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Es sei ihm unmöglich gewesen, die vom Beklagten geforderten Angaben zu machen, da sich die Unterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter befunden hätten. Von dort habe er keine Auskunft bekommen, was die Vernehmung der beim Insolvenzverwalter tätigen Frau A. als Zeugin bestätigen werde. Der Beklagte habe sich selbst die Unterlagen beim Insolvenzverwalter beschaffen müssen. Darüber hinaus sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Beklagte habe ihm gegenüber keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen eines unterlassenen Widerspruchs hinsichtlich seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gegeben. Die Umsatzsteuerbescheide seien rechtswidrig. Wegen des Verbringens der Ware über die Grenze nach Frankreich habe der GmbH nicht die Umsatzsteuerfreiheit für die innergemeinschaftlichen Lieferungen versagt werden dürfen. Denn die erforderlichen Beleg- und Buchnachweise erlangten nur dann Bedeutung, wenn strittig sei, ob die Ware überhaupt die Grenze überschritten habe. Nach den Ausführungen in den Kurzberichten der Steuerfahndung sei dies aber unstrittig, da ansonsten die Aussage, dass die französische Abnehmerfirma trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, nicht plausibel sei. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaube es dem Beklagten nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH nicht, die Umsätze in Deutschland zu versteuern.

15

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 19. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte trägt vor, soweit der Kläger unter Erhebungsverfahren die Anwendung von insolvenzrechtlichen Vorschriften verstehe, sei zu entgegen, dass der Grundsatz bestehe, Insolvenzrecht gehe vor Steuerrecht. Die Entstehung und die Höhe der Ansprüche richteten sich nach dem Steuerrecht, die Geltendmachung der Forderungen jedoch nach insolvenzrechtlichen Vorschriften. Dies habe beispielsweise zur Folge, dass keine Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid erfolge, sondern durch Anmeldung zur Tabelle, die wie eine Steuerfestsetzung wirke. Auch auf das bereits geführte Rechtsbehelfsverfahren wirkte sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus. Ein bestehendes Rechtsbehelfsverfahren werde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die weitere Verfolgung des unterbrochenen Rechtsbehelfsverfahrens gegen die erlassenen Steuerbescheide sei der GmbH -vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer- durch Widerspruch zur Tabelle möglich gewesen. Die Regelung des § 166 AO finde daher Anwendung.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist unbegründet.

19

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht zur Haftung für die in der Einspruchsentscheidung festgesetzte Haftungssumme herangezogen.

20

Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen rückständiger Umsatzsteuer durch Haftungsbescheid nach § 191 AO in Haftung genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen nicht erfüllt und insbesondere nicht dafür gesorgt hat, dass die Steuern aus den Mitteln, die er verwaltete, entrichtet wurden.

21

1.
Der Kläger war als Geschäftsführer und gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S.d. § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerlichen Interessen der GmbH wahrzunehmen und die daraus resultierenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Zu ihnen gehörte die fristgerechte Entrichtung der geschuldeten Steuern.

22

a)
Eine Entrichtung der vom Beklagten mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 2008 und für März 2009 ist indes nicht erfolgt. Die in der Nichtentrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007- VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521; BFH-Beschluss vom 5. März 1998 - VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Ziel der Haftung ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO bezeichneten Personen verursacht worden sind. Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens beim Steuergläubiger besteht auch ein adäquater Kausalzusammenhang. Denn durch die pflichtwidrige Nichtabführung der fällig gewordenen Umsatzsteuerbeträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007 - VII R 18/06, a.a.O.). Die Voraussetzungen der Haftung des Klägers für die Steuerschulden der GmbH liegen damit vor.

23

b)
Auch die Ermessenserwägungen des Beklagten in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 sind nicht zu beanstanden. Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der Erstschuld nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen im Streitfall mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 4121/07, EFG 2012, 195).

24

c)
Der Beklagte hat die Haftungssumme allerdings zu Unrecht in der Einspruchsentscheidung auf 100% der rückständigen Steuer erhöht.

25

aa)
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei der Haftung für Umsatz- und Körperschaftssteuer der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten. Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nach §§ 69, 34 AO nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ist der Haftungsschuldner verpflichtet, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen; eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, können zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen. Dabei sind bei der Schätzung der Haftungssumme vom Geschäftsführer gem. § 90 Abs. 1 AO die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu verlangen. Im Rahmen seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nach § 93 Abs. 1 AO ist der Haftungsschuldner gehalten, die geforderten Daten zur Mittelverwendung während des Haftungszeitraumes, zu dem Bestand an Eigen- und Fremdkapital der GmbH sowie zu Art und Umfang der Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge, insbesondere insoweit als die Zahlungen zur Gläubigerbefriedigung gedient haben, beizubringen. Solange der Haftungsschuldner die vorgenannten Daten nicht selbst ermittelt oder vorlegt, kann das Finanzamt von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch machen. Die Verletzung der dem Geschäftsführer im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung kann bei der Ausübung der Schätzungsbefugnis berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 - VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498).

26

Der Kläger selbst hat keinerlei Angaben zu den vom Beklagten aufgeworfenen Fragen zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht.

27

Nach den Ermittlungen des Beklagten an Hand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen hat der Kläger Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger geleistet. Insoweit sind die Fragen des Beklagten zur Ermittlung einer Tilgungsquote auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern der GmbH durchaus berechtigt, zumal der Beklagte auf Grund dieser eigenen Ermittlungen nicht in der Lage war, eine Tilgungsquote zu berechnen. Da der Kläger diese Angaben aber verweigert hat, war der Beklagte befugt, eine Tilgungsquote und damit eine Haftungssumme zu schätzen. Der Beklagte hat die Haftungssumme in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 nachvollziehbar zunächst in Höhe von 80% geschätzt.

28

Zwar kann einem Haftungsschuldner nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nachvollziehbar darlegt, dass er nicht in der Lage ist, zuverlässige Auskünfte über den Umfang der im Haftungszeitraum erbrachten Tilgungsleistungen zu geben, weil sich die Unterlagen beim Insolvenzverwalter befinden und er trotz schriftlicher Anfrage von dort keine Auskunft und keinen Einblick in die Unterlagen erhalten hat. Ein Haftungsschuldner kommt dann seiner Mitwirkungspflicht nach, indem er mitteilt, das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt zu haben und indem er im Übrigen auf die beim Insolvenzverwalter befindlichen Buchführungsunterlagen verweist, weil er weitere Angaben aus dem Gedächtnis nicht machen kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007 - VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).

29

Der Kläger hat hierzu angegeben, die Buchführungsunterlagen der GmbH hätten sich beim Insolvenzverwalter befunden und er habe die Unterlagen von dort nicht erhalten. Allerdings hat der Beklagte den Kläger bereits mit Schreiben vom 3. März zu den entsprechenden Angaben aufgefordert und erst am 31. März 2010 wurde ein –vorläufiger- Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 dargelegt, die Geschäftsunterlagen der GmbH hätten sich beim Geschäftsführer, also dem Kläger, befunden. Einer Beweiserhebung zu der Frage, ob dem Kläger die Einsicht in die Geschäftsunterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter verwehrt wurde, bedarf es aber nicht, weil es darauf für die Entscheidung des Streitfalls nicht ankommt.

30

Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 auch dargelegt, während der Steuerberater der GmbH bis einschließlich Dezember 2009 die Buchführung erledigt habe, habe die GmbH die Monate Januar und Februar 2007 selbst gebucht. Insofern kann also keine Rede davon sein, dass der Kläger mangels Kenntnis der finanziellen Situation der GmbH dem Beklagten die entsprechenden Angaben zur Ermittlung einer Tilgungsquote -wenigstens aus dem Gedächtnis und wenigstens in ungefährer Höhe- nicht hätte machen können. Der Kläger hat auch im Klageverfahren nicht vorgetragen, in welcher Höhe eine Tilgungsquote anzunehmen sei und inwiefern die vom Beklagten dem Haftungsbescheid zugrunde gelegte Tilgungsquote unzutreffend ist.

31

Bei seiner Schätzung einer Tilgungsquote von 80% im Haftungsbescheid ist der Beklagte von den ihm zur Verfügung stehenden Kenntnissen ausgegangen, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe.

32

bb)
Aber selbst bei einer Mitwirkungspflichtverletzung des Haftungsschuldners durch unvollständige Auskunft entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts nicht völlig. Das Finanzamt ist jedenfalls verpflichtet, die ihm bekannten Indizien über die finanzielle Situation des Steuerschuldners in die notwendige Ermessenserwägung einfließen zu lassen. Auch bei einer Mitwirkungspflichtverletzung darf dies das Finanzamt nicht unterlassen und sich mit der Feststellung begnügen, Anhaltspunkte für eine eventuell vorzunehmende Quotierung seien nicht ersichtlich (vgl. Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 9. Oktober 2001 - II 333/01, in juris). Verletzt der Haftungsschuldner die ihm obliegende Mitwirkungspflicht durch Schweigen oder eine unberechtigte Weigerung, die in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, so kann dies zwar zu seinem Nachteil verwertet werden. Doch entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts damit nicht gänzlich, sie reduziert sich lediglich ihrem Umfang nach. Das Finanzamt hat dann die ihm ohne weiteren Aufwand zugänglichen Unterlagen heranzuziehen. Die Annahme einer 100%igen Tilgungsquote ist aber gerade in Fällen eines zeitlich schnell nachfolgenden Konkurses eher die Ausnahme als die Regel (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1999 - 2 V 75/99, EFG 2000, 46). In den Fällen, in denen über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Forderungen anderer Gläubiger nicht voll befriedigt werden (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2006 - 9 K 4573/03 H, EFG 2006, 706 und Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 20. August 2002 - 2 K 367/98, in juris).

33

Nicht gerechtfertigt ist daher die Annahme einer Tilgungsquote von 100% durch den Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012. Denn nach dem Bericht des Insolvenzverwalters seien Forderungen der GmbH in Höhe insgesamt ca. 206.000 € ausstehend gewesen, von denen allerdings Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft gewesen seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, die GmbH allerdings keine Ware mehr ausgeliefert. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters hätte der Kläger als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die finanziellen Mittel der GmbH im Haftungszeitraum noch ausgereicht hätten, alle Verbindlichkeiten und somit auch die Steuerforderungen des Beklagten in voller Höhe zu erfüllen. Bei der Schätzung der Tilgungsquote ist daher zu berücksichtigen, dass bei den vom Insolvenzverwalter ermittelten positiven Ergebnissen die zweifelhaften Forderungen ebenso zu berücksichtigen sind wie etwaige Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der geleisteten Vorauszahlungen der Kunden der GmbH. Eine Tilgungsquote von 100% ist demnach zu hoch angesetzt.

34

cc)
Das Gericht macht daher von seiner ihm zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis -§ 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 AO- (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498) Gebrauch und schätzt die Tilgungsquote ausgehend von den vorgenannten Umständen, die sich aus der Insolvenzverfahrensakte ergeben, auf 80% der rückständigen Steuer. Bei dieser Schätzung berücksichtigt das Gericht die fehlende Mitwirkung des Klägers nur insoweit, als dieser keinerlei Angaben, also auch keine Angaben aus dem Gedächtnis, zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht hat, nicht aber den Umstand, dass der Kläger nicht die vom Beklagten geforderten Angaben aus den Geschäftsunterlagen der GmbH heraus gemacht hat. Das Gericht geht bei seiner Schätzung davon aus, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt hat. Ausgehend von diesen betrieblichen Ergebnissen ist allerdings zu berücksichtigen, dass von den ausstehenden Forderungen in Höhe insgesamt ca. 206.000 € Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft waren und dass auf Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € keine Ware mehr ausgeliefert wurde. Allerdings hat die GmbH nach den Ermittlungen des Beklagten anhand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger im Haftungszeitraum geleistet. Weiterhin berücksichtigt das Gericht die Einschätzung des Insolvenzverwalters, dass die GmbH spätestens ab Mitte Februar 2010 zahlungsunfähig war. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Schätzung einer Tilgungsquote von 80% gerechtfertigt, wie diese auch der Beklagte in dem angefochtenen Haftungsbescheid vorgenommen hat.

35

2.
Dem Kläger ist es gem. § 166 AO verwehrt, im Haftungsverfahren Einwendungen gegen die zu Grunde liegenden Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide geltend zu machen.

36

a)
Nach § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. § 166 AO ist eine Vereinfachungsnorm. Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits -erfolglos- angefochten hat. Sofern § 166 AO eingreift, soll daher das Haftungsverfahren von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden. Insoweit dient § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Das Haftungsverfahren dient nicht dazu, dem Haftungsschuldner eine erneute Überprüfungsmöglichkeit der Steuerfestsetzungen im Haftungsverfahren zu ermöglichen, wenn er bereits kraft eigenen Rechts zur Anfechtung der Steuerfestsetzungen befugt war (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. Februar 2007 - 11 V 205/06, EFG 2007, 1050). Der Haftungsschuldner muss den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen, wenn er die Steuerfestsetzung mit Rechtsbehelfen hätte angreifen können (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass das Steuerfestsetzungsverfahren, das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführt worden ist, nochmals im Rahmen eines Haftungsverfahrens gegen einen Dritten aufgerollt wird und sich damit das Verfahren unnötig verzögert (vgl. Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, Rn 2 zu § 166).

37

Der Kläger hat zwar als gesetzlicher Vertreter der GmbH gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 Einspruch eingelegt und diese damit angefochten. Wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 19. Mai 2010 richtet sich die Anfechtung der Umsatzsteuerforderungen i.S.d. § 166 AO durch den Kläger als Vertreter der GmbH nunmehr nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften. Denn insoweit besteht grundsätzlich Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerverfahrensrecht (vgl. BFH-Urteil vom 02. November 2010 - VII R 62/10, BStBl. II 2011, 439). Das von der GmbH durch Einlegung des Einspruchs eröffnete Einspruchsverfahren wurde mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19. Mai 2010 analog § 240 ZPO unterbrochen (vgl. Finanzgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17. August 2005 - 4 K 1893/02, EFG 2005, 1664).

38

b)
Mit der widerspruchslosen Eintragung der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Umsatzsteuerforderungen in der Tabelle hat das Einspruchsverfahren seine Erledigung gefunden.

39

Wird während eines finanzgerichtlichen Verfahrens über einen Steueranspruch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet und das Klageverfahren dadurch unterbrochen, bewirkt die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle die Erledigung des Finanzrechtsstreits in der Hauptsache (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, BStBl. II 2013, 585). Denn nachdem auch der Kläger als Vertreter des Insolvenzschuldners der Haftungsforderung des Beklagten nicht widersprochen hat, wirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle gemäß § 178 Abs. 3 und § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil nicht nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern, sondern auch gegenüber dem Insolvenzschuldner. Folge der Rechtskraft ist, dass in einem rechtshängigen Verfahren keine abweichende Entscheidung getroffen werden kann und sich der ursprüngliche Rechtsstreit somit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 15. August 2011 - 3 K 132/11, EFG 2011, 2180 m.w.N.). Da die Eintragung der auf den angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden beruhenden Umsatzsteuerforderungen in die Insolvenztabelle mangels Widerspruchs des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgläubiger wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt -§ 178 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 InsO-, tritt jedenfalls dann, wenn -wie vorliegend- auch der Schuldner der Feststellung zur Insolvenztabelle nicht widersprochen hat -vgl. §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201, 257 InsO-, bezüglich der Rechtsstreitigkeiten, die die gegen die Insolvenzmasse gerichteten Steuerforderungen betreffen, die Erledigung der Hauptsache ein (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November 2010 - IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650).

40

c)
Unabhängig davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle nicht die Unterbrechung des Rechtsbehelfsverfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O. und Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 51 zu § 251 AO), ist die Steuerforderung aber unanfechtbar geworden i.S.d. § 166 AO.

41

Als Voraussetzung der Anwendung des § 166 AO muss die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar sein. Nach dem Wortlaut setzt die Regelung des § 166 AO voraus, dass die Steuerfestsetzung nicht -mehr- mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden kann. Denn § 166 AO spricht von einer "unanfechtbaren" Steuerfestsetzung und stellt damit eindeutig auf die Möglichkeit der Anfechtung mittels eines Rechtsbehelfs ab (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 18 zu § 166 AO). Gem. § 178 Abs. 3 InsO bewirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle nach den zu § 322 ZPO entwickelten Grundsätzen in gleichem Umfang Rechtskraft zwischen den Parteien, wie es bei einem rechtskräftigen Urteil der Fall ist. Diese Rechtskraft führt einerseits zur Unzulässigkeit weiterer Verfahren zwischen den Parteien über denselben Streitgegenstand und hindert andererseits in schon rechtshängigen Verfahren eine abweichende Entscheidung (vgl. BGH-Beschluss vom 02. Februar 2005 - XII ZR 233/02, in juris). Die unbestrittene Eintragung in die Tabelle gilt bei Steuerforderungen daher wie ein bestandskräftiger Verwaltungsakt (vgl. Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 29. Mai 2002 - III 65/1999, EFG 2002, 1274). Die Fortsetzung des Rechtsbehelfsverfahrens ist ausgeschlossen und auch überflüssig, wenn der Schuldner gegen einen Steuerbescheid zunächst Einspruch eingelegt, dem Eintrag der Steuerforderung in die Tabelle jedoch nicht widersprochen hat (vgl. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Rn. 325 zu § 253 AO). Gelten die Ansprüche als festgestellt i.S.d. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO, so können sie nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten werden (vgl. Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 62 zu § 251 AO).

42

Daher muss der Kläger nach der Regelung des § 166 AO auch im Streitfall durch die widerspruchslose Feststellung der Umsatzsteuerforderungen des Beklagten zur Insolvenztabelle diese gegen sich gelten lassen.

43

d)
Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf (vgl. Urteil vom 23. März 1982 VIII (II) 91/76 UM, EFG 1982, 550), die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Konkurstabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter einer OHG, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, auch wenn der Haftungsschuldner von der ihm gem. § 144 Abs. 2 KO zustehenden Befugnis, persönlich als Gemeinschuldner Widerspruch zur Konkurstabelle gegen die Eintragung der angemeldeten Forderungen zu erheben, keinen Gebrauch gemacht hat. Dieses Urteil ist zu der Regelung des § 119 AO in der Fassung vor 1977 ergangen, welche Vorläufer der Regelung des § 166 AO 1977 war und bei der die zu jener Norm ergangene Rechtsprechung uneingeschränkt auf § 166 AO übertragen werden kann (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 6 zu § 166 AO). Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich darauf gestützt, dass diese auf Vorschriften der Privatrechtsordnung beruhende Wirkung des § 119 AO a.F. auf das hoheitliche Verhältnis zwischen Steuergläubiger und Haftungsschuldner nicht übertragen werden könne. Weder enthalte die Konkursordnung keinen Hinweis darauf, im Fall des Konkurses einer OHG verschlechtere ein unterlassener Widerspruch des Gemeinschuldners zugleich seine Position als Haftungsschuldner gegenüber dem Steuergläubiger, noch sei dies aus der Anmeldung der Forderung bzw. deren Eintragung in die Konkurstabelle ersichtlich. In dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall hatte der dortige Kläger im Hinblick auf § 6 KO als Vertreter der Gemeinschuldnerin aber -anderes als im vorliegenden Streitfall- keine Befugnis, Einspruch gegen den auf Grund des vom Konkursverwalter erhobenen Widerspruchs erlassenen Feststellungsbescheid einzulegen. Das Finanzgericht Düsseldorf wendet sich insoweit gegen eine über den Wortlaut hinausgehende, aus dem Sinn des § 119 AO a.F. abgeleitete, ausdehnende Anwendung dergestalt, die dem Gemeinschuldner gem. § 144 Abs. 2 KO persönlich zustehende Befugnis, Widerspruch gegen die angemeldeten Forderungen zu erheben, dem "eigenen Anfechtungsrecht" gleichzustellen.

44

Im Streitfall konnte der Kläger hingegen als Geschäftsführer und damit als gesetzlicher Vertreter der GmbH die Umsatzsteuerfestsetzung anfechten und auch als Vertreter der GmbH -der Insolvenzschuldnerin- Widerspruch gegen die zur Tabelle angemeldeten Forderungen des Beklagten erheben. Die damit zu weit gehende Begründung seiner Auffassung durch das Finanzgericht Düsseldorf lässt den Grundsatz des Vorrangs des Insolvenzrechts außer Acht und dass sich aus § 166 AO ohne Weiteres ergibt, dass der Haftungsschuldner -sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen- den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen muss und sich folglich ebenso wenig wie der Steuerschuldner selbst gegenüber einem bestandskräftigen Steuerbescheid auf die materielle Rechtslage berufen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Auch würde der Zweck des § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe entfallen (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Die Regelung des § 166 AO greift zudem auch gegenüber einem anfechtungsberechtigten Dritten ein, dem die Steuerfestsetzung zunächst nicht bekannt geworden ist, oder der aus anderen tatsächlichen Gründen von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen konnte (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 24 zu    § 166 AO). Daher kann es für die Anwendung des § 166 AO keine Rolle spielen, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in diesem Verfahren nicht nochmals darauf hingewiesen wird, dass bereits außerhalb des Insolvenzverfahrens angefochtene Steuerbescheide, sofern diese Forderungen zur Tabelle angemeldet wurden, im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu bestreiten sind. Da die widerspruchslose Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle einem rechtskräftigen Urteil vergleichbar ist, kann einem vor dem Insolvenzverfahren erhobenen Einspruch gegen einen Steuerbescheid keine Bedeutung mehr zukommen. Dies zeigt sich auch darin, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung nicht zugleich die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O.).

45

e)
Unerheblich ist, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung krankheitsbedingt außer Stande gewesen war, im Insolvenzverfahren der GmbH Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Daher bedurfte es keiner Beweiserhebung zu dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag.

46

Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich für die erste Gläubigerversammlung am 24. Juni 2010 allerdings keine Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der Kläger wurde an diesem Tag aus der Privatklinik Dr. A GmbH entlassen.

47

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gem. § 166 AO greift aber gegenüber einem Geschäftsführer als Haftungsschuldner bereits insoweit ein, als dieser aufgrund der gesetzlichen Regelungen über die Vertretung der Gesellschaft zur Anfechtung der Steuerbescheide befugt gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 1998 – VII B 168/98, VII B 171/98, VII B 168/98, VII B 171/98, BFH/NV 1999, 1054). "In der Lage sein" im Sinne des § 166 AO meint die rechtliche Befugnis zur Anfechtung der Steuerfestsetzung, nicht die tatsächliche Möglichkeit (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 13 K 2582/07, EFG 2012, 778; Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Juni 2007 – 1 V 59/07, EFG 2007, 1654).

48

Zwar hatte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 15. Mai 2010 gekündigt. Allerdings berührt diese Kündigung die Stellung des Klägers als Geschäftsführer der GmbH nicht, da der Kläger von der Gesellschafterversammlung der GmbH nicht abberufen und kein neuer Geschäftsführer bestellt wurde. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses berührt nur den Anspruch des Klägers auf Vergütung seiner Geschäftsführertätigkeit, nicht aber das Organverhältnis (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Rn 63 zu § 35). Der Kläger war also rechtlich in der Lage, den Widerspruch gegen die Steuerforderung des Beklagten zur Tabelle anzumelden. Zudem wurde der Kläger weiterhin vom Insolvenzgericht als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert.

49

Im Übrigen war der Kläger ausweislich der vorgelegten Atteste des als Zeuge benannten Arztes auch nicht während des gesamten Zeitraums von der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens bis zur ersten Gläubigerversammlung arbeitsunfähig. Vielmehr war der Kläger danach in der Zeit vom 11. Mai 2010 bis zum 1. Juni 2010 nicht arbeitsunfähig. Jedenfalls hätte der Kläger wenigstens für seine Vertretung sorgen können. Zudem bedeutet die dem Kläger attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, gegenüber dem Insolvenzverwalter den Widerspruch schriftlich bis zur ersten Gläubigerversammlung zu erklären.

50

3.
Auch wenn es daher nicht darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass die Einwände des Klägers gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen ohnehin unbeachtlich sind.

51

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sind die Voraussetzungen für das Vorliegen und den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch eine Reihe von Urteilen unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH im Wesentlichen geklärt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich danach, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH sind die Nachweispflichten aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, UR 2008, 186; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, UR 2008, 337 und UR 2008, 340). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH folgt daraus, dass sofern der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der -formellen- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, a.a.O.; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, a.a.O.).

52

a)
Im Streitfall ergibt sich aus den Auskunftsersuchen der französischen Steuerverwaltung aber gerade nicht, dass die Waren an die angeblichen Abnehmerfirmen geliefert wurden und dass es in Frankreich lediglich an einer Erwerbsbesteuerung der Lieferungen fehlt. Allein mit der Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Steuerverwaltung habe hinsichtlich angeblicher Warenlieferungen um Amtshilfe gebeten, ergibt sich aber nicht, dass die Lieferungen tatsächlich an die angegebene Abnehmerfirma erfolgt sind und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung im Übrigen vorgelegen hätten. Im Schreiben vom 4. März 2010 hat der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Informationen der französischen Steuerverwaltung über die fehlende Erwerbsbesteuerung lediglich als ein Hinweis unter mehreren angeführt seien, warum an der Richtigkeit des Belegnachweises gezweifelt werde.

53

b)
Entscheidend ist im Streitfall jedenfalls, dass weder durch den Beleg- oder Buchnachweis noch auf sonstige Art und Weise nachgewiesen ist, dass der tatsächliche Abholer der gelieferten Gegenstände für die angeblichen Käufer der Waren in dem anderen Mitgliedstaat tätig geworden ist.

54

Zu der Erfüllung der formellen Nachweispflichten ist in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV geregelt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus den Belegen eindeutig ergeben. In den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer soll der Unternehmer den erwähnten Nachweis gem. § 17a Abs. 2 UStDV durch
- das Doppel der Rechnung (Nr. 1),
- einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein (Nr. 2),
- eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Nr. 3),
sowie
- eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet "zu befördern" (Nr. 4) führen.

55

Der für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung geforderte Belegnachweis kann nicht durch eine mündliche, sondern nur durch eine schriftliche Versicherung geführt werden. Dies ergibt der Hinweis auf "Belege" in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV. Die gesetzlich geforderte eindeutige und leichte Nachprüfung muss gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus Urkunden in Form von Belegen möglich sein (BFH-Urteil vom 18. Juli 2002 - V R 3/02, BStBl. II 2003, 616).

56

Zwar gehört die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht zu den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Belegnachweises, ebenso wenig der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners einer solchen Vollmacht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2009 - XI B 79/08, BFH/NV 2010, 72). Aber die Belege haben im Hinblick auf die Nachweisfunktion stets bestimmten Mindestanforderungen zu entsprechen. So kommt einem Beleg, der weder selbst noch durch Verbindung mit anderen Unterlagen den Namen und die Anschrift des Ausstellers erkennen lässt, kein Beweiswert zu, zumal die Belegangaben dann nicht eindeutig und leicht nachprüfbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BStBl. II 2010, 511). In den sog. Abholfällen i. S. d. § 17a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV daher ergeben, dass dieser Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten und die Identität des Beauftragten muss belegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067).

57

Erweisen sich die Nachweisangaben aber als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555).

58

Im Streitfall ergibt sich weder aus den vorgelegten Belegen, dass die Waren durch den Abholer für den Käufer der Waren im Rahmen der Lieferbeziehung in den anderen Mitgliedstaat befördert wurden, noch ergibt sich dies aus den vom Kläger im Rechtsbehelfsverfahren nachträglich vorgelegten Unterlagen. Für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht lediglich ausreichend, dass die Waren in den anderen Mitgliedstaat gelangt sind. Denn für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung kommt es nicht allein darauf an, dass die Liefergegenstände auf irgend einem Wege ins übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, sondern dass die Lieferung von dem Leistenden im Inland an den Leistungsempfänger im übrigen Gemeinschaftsgebiet aufgrund der Vertragsbeziehungen, die der Leistung zugrunde liegen, nachgewiesen wird. Diesen Nachweis hat der Kläger im Streitfall aber nicht erbracht.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


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Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. Es sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche Erwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den Erwerber handelnden Personen gefälschte Personalausweise vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der Personalausweise nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden Erkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als KP ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem Personalausweis ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der KP sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das FG zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem Lieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des Erwerbers auferlegt werden. Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den Erwerber ergeben hätten. Es stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. KP sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. Es sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen Existenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

11

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

12

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

13

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

14

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

16

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

17

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

18

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Folgendes:

19

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

20

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

21

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

22

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

23

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

24

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

25

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des FG auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

26

aa) Die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter II.3.b). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1966 II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, unter I., und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, unter II.1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als KP ausgab.

27

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als KP ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in Luxemburg erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

28

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

29

(1) Nach dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der BFH-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, Deutsches Steuerrecht 2013, 753, unter II.3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die EuGH-Rechtsprechung beachtend auszulegen ist.

30

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 69).

31

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der Kaufverträge, die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der Abnehmerseite ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, handelt mit PKW's und lieferte in den Streitjahren 2004 und 2005 u.a. 42 Neufahrzeuge; diese Umsätze beurteilte sie als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien.

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lagen den Fahrzeuglieferungen Bestellungen zugrunde, die über die Firma D erfolgten. Die Firma D teilte der Klägerin Personaldaten italienischer Enderwerber mit. Die Klägerin erstellte Unterlagen zum Kauf von Fahrzeugen und übergab diese der Firma D, die sie "mit käuferseitigen Unterschriften versehen" an die Klägerin zurückgab. Die von der Klägerin bei einem inländischen Hersteller bezogenen PKW's wurden von der Firma D bei der Klägerin abgeholt und entweder bar oder mit Scheck bezahlt. Dabei legte die Firma D der Klägerin "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" vor, nach denen die Firma D die PKW's im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 abhole und nach Italien verbringe. Für die Lieferung der 42 PKW's erstellte die Klägerin zunächst Rechnungen an die beiden in Italien ansässigen Firmen X und X-3 als Besteller der Fahrzeuge. Nach der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung der Fahrzeuge in Italien stornierte die Klägerin diese Rechnungen und stellte neue Rechnungen auf die Personen aus, die in den Fahrzeugbestellungen als Besteller angegeben waren. Es handelte sich dabei fast ausnahmslos um die späteren Halter der PKW's (Endabnehmer).

3

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die Klägerin habe die PKW's nicht direkt an die Endabnehmer geliefert. Stichproben hätten ergeben, dass zwei Fahrzeuge durch die Firma X-1 in Italien innergemeinschaftlich erworben und über zwei weitere italienische Firmen an einen Endabnehmer geliefert worden seien. Gleiches gelte für ein Fahrzeug, das von der Firma X-2 erworben worden sei. Die Klägerin habe Lieferungen an die italienischen Endabnehmer nur vorgetäuscht, da der inländische Hersteller der Fahrzeuge der Klägerin Verkäufe an ausländische Wiederverkäufer untersagt habe. Einspruch und Klage gegen die für die beiden Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens war der aus anderen Gründen geänderte Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009.

4

Das FG wies die Klage der Klägerin als unbegründet ab. Die Lieferungen seien steuerpflichtig, weil die Klägerin den Belegnachweis nicht ordnungsgemäß geführt habe. Die Abholung der PKW's sei nicht für die Endabnehmer, sondern die Firmen X-1 und X-2 erfolgt. Die Bestätigungen der italienischen Endabnehmer, diese Firmen mit der Abholung beauftragt zu haben, seien durch den Mitarbeiter A der Klägerin gefälscht worden. Nach der objektiven Beweislage stehe nicht sicher fest, dass die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vorlägen. Unklar sei bereits, wer Abnehmer der Lieferungen gewesen sei. Eine Verpflichtung, über die durchgeführte Beweisaufnahme hinaus auch B als Zeugen zu vernehmen, bestehe nicht.

5

Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung formellen und --wie sich aus ihrem Revisionsantrag ergibt-- materiellen Rechts rügt. Das FG hätte aufklären müssen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Neufahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe durch Einvernahme des Vermittlers B als Inhaber des Einzelunternehmens D und der in Italien ansässigen Endkunden als Zeugen. Ebenso hätte das FG aufklären müssen, dass die 42 Fahrzeuge im Auftrag des jeweiligen italienischen Endabnehmers oder im Auftrag anderer Personen nach Italien befördert worden seien. Dies hätten der Zeuge P sowie die mit den Transportaufträgen befassten Zeugen C, E, F, G, H und K bestätigt. Das FG sei auch nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen und unabhängig von Beweisanträgen verpflichtet gewesen. Sie habe die Identität der Abnehmer nicht verschleiert, sondern sämtliche Vertragsverhältnisse, Rechnungen, Stornorechnungen und Lieferwege offengelegt. Sie habe daher nicht beabsichtigt, die Identität der Erwerber der PKW's zu verschleiern, um diesen eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Es komme auf die Rechnungsstornierung nicht an. Die italienischen Zulassungsbelege seien nicht fehlerhaft. Zivilrechtlich sei kein Raum für einen Zwischenhändler gewesen. Für die Abgrenzung zwischen Vermittlung und Eigenhandeln sei das Zivilrecht maßgeblich. Der erforderliche Belegnachweis liege vor. Der Bestimmungsort stehe fest, es lägen auch Versicherungen zum Verbringen vor. Auf zusätzliche Belege komme es nicht an.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Klage der Klägerin betrifft, aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 8. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2006 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 55.656,84 € (2004) und um 140.662,07 € (2005) herabgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin habe das Unterbleiben der von ihr beantragten Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Der vor dem FG gestellte Beweisantrag habe sich darüber hinaus nur darauf bezogen, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen seien. Daher rüge die Klägerin das Übergehen eines Beweisantrags, der in der behaupteten Form niemals gestellt worden sei. Der feststellungsbelastete Steuerpflichtige könne die Herbeiführung einer objektiven Beweislage nicht dem FG überbürden.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Klägerin nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind.

10

1. Der mit der Revision geltend gemachte Verfahrensfehler, das FG habe die mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 angebotenen Beweise verfahrensfehlerhaft nicht erhoben, liegt nicht vor.

11

a) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin Zeugenbeweis dafür angeboten, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen sind.

12

aa) Dieses Beweisangebot war im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da das FG in seinem Urteil das Gelangen der Fahrzeuge nach Italien als wahr unterstellt hat. Für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG vielmehr entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, war dieses Beweisangebot unerheblich.

13

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Fahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe, entspricht dieses Revisionsvorbingen --wie das FA zu Recht anmerkt-- nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag.

14

b) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin weiter Zeugenbeweis dafür angeboten, dass "die Fahrzeuge direkt nach der Übergabe der Klägerin an die im Folgenden benannten Transporteure ohne Einschaltung weiterer Zwischenhändler von diesen direkt zu den Endabnehmern in Italien verbracht worden" seien.

15

aa) Ein ordnungsgemäß angebotener Beweisantrag kann unberücksichtigt bleiben, wenn er für das unter Beweis gestellte Beweisthema untauglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2008 X B 66/08, juris, und vom 28. September 2011 X B 69/11, BFH/NV 2012, 32).

16

Im Streitfall war für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, der zu diesem Beweisthema angebotene Zeugenbeweis untauglich. Ohne nähere Angaben dazu, auf welcher Grundlage Fahrzeugtransporteure zu den für die Abnehmerbestimmung maßgeblichen Vertragsverhältnissen bei Liefervorgängen sachdienliche Angaben machen könnten, war das FG nicht verpflichtet, den angebotenen Beweis zu erheben.

17

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass die verkauften 42 Fahrzeuge im Auftrag der jeweiligen italienischen Endabnehmer nach Italien befördert worden seien, entspricht dieser Vortrag nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag. Dies gilt auch für das Revisionsvorbringen, die Beförderung sei durch die Firma D im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 erfolgt.

18

2. Das Urteil des FG ist auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, als das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht vorliegen.

19

a) Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

20

aa) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

21

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

22

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

23

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

24

bb) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

25

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

26

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

27

Unionsrechtlich handelt es sich dabei um Bedingungen, die die Mitgliedstaaten "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch" i.S. von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG festlegen können. Zudem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG befugt, die Pflichten vorzusehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

28

cc) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

dd) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtige Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des BFH Folgendes:

31

(1) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

32

(2) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

33

(3) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Maßgeblich ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

b) Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, kann die Klägerin für ihre Leistungen die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung nicht beanspruchen.

35

aa) Im Streitfall hat die Klägerin den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

36

Die Klägerin kann mit den Rechnungen an die Firmen X und X-3 keinen Belegnachweis führen, da sie diese Rechnungen storniert hat.

37

Zwar liegen nunmehr Rechnungen an die Endabnehmer vor. Ohne dass der Senat darüber zu entscheiden hat, ob und unter welchen Voraussetzungen der gewillkürte Wechsel des Rechnungsadressaten für Zwecke des Belegnachweises anzuerkennen ist, käme ein Belegnachweis im Hinblick auf diese Rechnungen jedoch nur in Betracht, wenn entsprechend § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV auch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten vorläge, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Hieran fehlt es, da nach den der Klägerin vorliegenden "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" der Abholer D für die Firmen X-1 und X-2, nicht aber für die Endabnehmer tätig war und die von den Endabnehmern angeblich erteilten Abholungsaufträge für die Firma X-2 von einem Mitarbeiter der Klägerin gefälscht worden waren. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 19. November 2009 V R 8/09 (BFH/NV 2010, 1141) zu Ausfuhrlieferungen entschieden hat, kann der Belegnachweis nicht mit gefälschten Belegen erbracht werden. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen hat, dass auch andere Verbringungsnachweise der Endabnehmer vorliegen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Hinblick auf die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht zu berücksichtigen war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474, unter II.3.).

38

Ebenso wie der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis nicht mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, geführt werden kann (Senatsurteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Leitsatz), kann --auch wenn Abholvollmachten nach der Rechtsprechung des Senats nicht belegmäßig nachzuweisen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 4)-- der Belegnachweis nicht mit einer Verbringensversicherung geführt werden, die, wie die für die Firma D erteilten "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen", keinerlei Bezug zum belegmäßig geführten Abnehmer aufweist.

39

bb) Es steht nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind.

40

(1) Im Hinblick auf grundsätzlich mögliche Lieferungen durch die Klägerin unmittelbar an die Endabnehmer hat die Klägerin die durch das FA dargelegten und auch begründeten Zweifel an derartigen Lieferungen weder entkräftet noch widerlegt.

41

Hierzu hätte die Klägerin, falls sie das objektive Vorliegen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen an die Endabnehmer nachweisen wollte, den stichprobenartigen Angaben des FA zum Vorliegen von Lieferketten, bei denen andere Personen als die Endabnehmer die Erwerbsbesteuerung in Italien vorgenommen haben, konkret und nicht lediglich mit untauglichen Beweisanträgen entgegentreten müssen. Bei dieser Sachlage bestand für das FG keine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Sachaufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO), zumal die Klägerin im Verfahren vor dem FG fachkundig vertreten war. Die Sachaufklärungsrüge ist insoweit nicht geeignet, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise in der mündlichen Verhandlung beim FG hätte stellen können (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2012 V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818).

42

Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt, dass die von ihr gelieferten Fahrzeuge in der überwiegenden Anzahl der Fälle in Italien auf den italienischen Enderwerber zugelassen worden seien, kommt es hieraus im Hinblick auf die nicht ausgeräumten Zweifel, wer unmittelbarer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war, nicht an.

43

(2) Nicht zu entscheiden war daher, ob sich der Senat der Auffassung des FG anschließen könnte, dass im Rahmen des Objektivnachweises (s. oben II.2.a dd (2)) überhaupt "keine Verpflichtung des Gerichts [besteht], den Sachverhalt im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 FGO und nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen von Amts wegen weiter aufzuklären".

44

Ebenso war nicht zu entscheiden, ob der Klägerin die Steuerfreiheit ihrer Lieferung entsprechend dem EuGH-Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 832 Rdnrn. 31 ff.) deswegen zu versagen ist, weil ihr bei der Annahme von Lieferungen an Zwischenhändler aufgrund deren Mitteilung bekannt war, dass diese Zwischenhändler die Fahrzeuge bereits vor der Abholung bei der Klägerin an italienische Endabnehmer weiterverkauft hatten.

45

(3) Keinen Erfolg hat die Berufung der Klägerin auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 1992 (BStBl I 1993, 46), aus dem die Klägerin ableitet, dass die Zulassung eines Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat als Nachweis für die Voraussetzungen des § 6a UStG ausreicht, da es sich hierbei nur um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt, die keine Rechtsnormqualität hat und die die Gerichte nicht bindet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.4.c). Darüber hinaus ergibt sich aus der Zulassung nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird.

46

cc) Schließlich kommt auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet unabhängig von der Frage, wer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war und ob unrichtige Angaben dieser Person vorliegen, aus. Denn die Klägerin hat nicht mit der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt. Sie hat den Belegnachweis bereits der Art nach nicht vollständig geführt, da ihr keine Verbringensversicherungen oder sonstige Versendungsbelege vorlagen, die den von ihr als Abnehmer belegmäßig geführten Endabnehmern zuzurechnen waren (s. oben II.2.b aa).

Tenor

1. Die Umsatzsteuer für 2006 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65/100, der Beklagte zu 35/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob von der Klägerin getätigte Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerbefreit sind.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u.a. der Handel mit Kraftfahrzeugen (KFZ).

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2006 errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem negativen Betrag von 229.604,86 €; hierbei behandelte sie u.a. die Lieferungen von 12 KFZ als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA-) setzte die Umsatzsteuer für 2006 mit gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 28. Januar 2008 auf den negativen Betrag von 226.724,86 € fest.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 20. Februar 2008 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 auf den negativen Betrag von 229.604,86 € fest.

Im Anschluss an eine Außenprüfung (Bericht vom 19. Februar 2010) setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 182.290,34 € fest, behandelte u.a. die og. 12 Fahrzeuglieferungen als steuerpflichtig und erhöhte dementsprechend die steuerpflichtigen Umsätze um den Betrag von 340.231 €.

Zur Begründung verwies das FA auf eine Stellungnahme des an der Außenprüfung beteiligten Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009, wonach der Beleg- und Buchnachweis für og. Lieferungen nicht geführt worden sei. So sei bei den von den Abnehmern angeblich abgeholten Fahrzeugen der Bestimmungsort der Lieferungen nicht aufgezeichnet worden, sondern lediglich von den Abholern bestätigt worden, dass die jeweiligen Fahrzeuge "aus Deutschland ausgeführt" bzw. "nach Spanien verbracht" würden, ohne einen Bezug zu den Rechnungsadressen der Abnehmer herzustellen. Bei den an die Abnehmer angeblich versandten Fahrzeugen hätten die Abnehmer den Empfang der Fahrzeuge nicht in Feld 24 der CMR-Frachtbriefe bestätigt.

Am 23. April 2010 erhob die Klägerin gegen den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid Sprungklage, der das FA nicht zugestimmt hat, die am 8. Juni 2010 zur Behandlung als Einspruch an das FA abgegeben wurde und über den das FA nicht entschieden hat.

Am 28. Februar 2011 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass den einzelnen Rechnungen und weiteren Belegen der jeweilige Bestimmungsort zu entnehmen sei und die jeweiligen Abnehmer bzw. Abholer den Export in die jeweiligen Bestimmungsländer bestätigt hätten. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lägen für die streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen demzufolge vor. Ein Vergleich des Schriftbildes der auf den Verbringensbestätigungen mit den Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer sei zudem nicht zulässig, da nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten der Länder das Anfertigen der Kopie eines Personalausweises gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für 2006 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 229.218,34 € festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

nach Maßgabe des Zugeständnisses in der mündlichen Verhandlung die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des FA vom 18. März 2011, 1. Juni 2011, 18. April 2013, 26. Juni 2013, 24. Januar 2012 sowie 24. Januar 2014 verwiesen.

Mit Anordnung vom 10. Juni 2013 (zugestellt am 17. Juni 2013) wurde die Klägerin gem. § 79 b Abs. 2 FGO unter Fristsetzung zum 19. Juli 2013 aufgefordert, bezüglich der für das Streitjahr erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Aufzeichnungen im Sinne des § 17c UStDV (Buchnachweis) im Original vorzulegen sowie darzulegen, wann diese Aufzeichnungen erstellt wurden, die Belege im Sinne des § 17a UStDV (Belegnachweis) im Original vorzulegen, die diesen Lieferungen zugrunde liegenden Kaufverträge sowie Geschäftskorrespondenz im Original vorzulegen sowie Zahlungsnachweise für die Vereinnahmung der vereinbarten Entgelte im Original vorzulegen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

1. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) nachzuweisen.

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957 m.w.N.).

2. Hinsichtlich der folgenden streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen hat das FA das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit in der mündlichen Verhandlung anerkannt. Die Bezeichnung der einzelnen Fahrzeuglieferungen orientiert sich nachfolgend an der von der Klägerin in den vorgelegten Originalunterlagen vorgenommenen Auflistung (A1 – L1) sowie der Auflistung in der Stellungnahme des Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009 (Nr. 1-18).

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1001859 vom 15. März 2006, MB SLK350, 38.000 €, Fall A1 bzw. Nr. 3)

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1002817 vom 26. Juli 2006, MB A180CDI, 18.300 €, Fall B1 bzw. Nr. 4)

  • ·Lieferung an V. S.L., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1001818 vom 9. März 2006, MB C220CDI, 20.000 €, Fall E1 bzw. Nr. 11)

  • ·Lieferung an D. SL U., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1002598 vom 30. Juni 2006, MB A180CDI, 15.500 €, Fall G1 bzw. Nr. 13)

  • ·Lieferung an A. SA, , L- Luxemburg (Rechnung Nr. 1004064 vom 30. Juni 2006, MB SLK200 Kompressor, 25.775 €, Fall L1 bzw. Nr. 18)

3. Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat den Belegnachweis nicht erbracht.

a) Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1003173 vom 4. Oktober 2006, MB A170CDI, 11.600 €, Fall C1 bzw. Nr. 5)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 UStDV in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, den Nachweis hierüber führen durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1. UStDV. Gem. § 10 Abs. 1 Nummer 1 UStDV soll der Unternehmer den Nachweis regelmäßig führen durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief.

In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Vollmacht sowie Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. TTI in, F- H. bevollmächtigt hat. Letzteres hat auch die mündliche Verhandlung ergeben. Der Versendungsbeleg ist daher unrichtig.

b) Lieferung an Fa. L., H- Budapest (Rechnung Nr. 1001690 vom 24. Februar 2006, MB ML320CDI, 48.000 €, Fall D1 bzw. Nr. 10)

Bei dieser Lieferung kann es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Beförderungs- oder eine Versendungslieferung handeln. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 Nummer 4 UStDV in den Fällen, in denen der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis hierüber führen durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Dieser Nachweis kann auch bei einer Versendungslieferung zulässig sein (§ 17 a Abs. 4 Satz 2 UStDV). Der Belegnachweis setzt dabei aber voraus, dass derjenige, der den Gegenstand (Fahrzeug) tatsächlich abholt (der Abnehmer oder sein Beauftragter) versichern muss, diesen in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 2011 V B 102/10 BFH/NV 2011, 1930).

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das KFZ "ordnungsgemäß aus Deutschland auszuführen" und bevollmächtigte Herrn F., im europäischen Raum Fahrzeuge aller Art und Baustoffe sowie Waren aller Art einzukaufen.

Die vorgelegte Verbringensbestätigung ist jedoch nicht datiert. Zudem ist unklar, ob sie vom angeblichen tatsächlichen Abholer F., wohnhaft in A- Wels-Land, ausgefüllt wurde, wogegen spricht, dass sie mit einem Firmenstempel des angeblichen Abnehmers versehen ist. Zudem ist die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung aufgrund einer Überstempelung nicht leserlich, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Es fehlt daher an einem ordnungsmäßigen Belegnachweis.

Ein Berücksichtigung der Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin bereits deshalb nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz, da sie offensichtlich mit Einwilligung der Passinhaber angefertigt wurden (§ 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz). Zudem verkennt die Klägerin, dass sie zur Erlangung der Steuerbefreiung den Nachweis der Richtigkeit der gesetzlich geforderten Verbringensbestätigungen zu erbringen hat. Eine Nichtberücksichtigung der Passkopien hätte jedoch zur Folge, dass die vorgelegten Verbringensbestätigungen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden könnten, so dass die Steuerbefreiung gleichfalls zu versagen wäre.

c) Lieferung an R, P- (Rechnung Nr. 1001966 vom 31. März 2006, MB SLK200K, 29.656 €, Fall F1 bzw. Nr. 12)

Es fehlt wiederum am Belegnachweis. Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn Z. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers Z., wohnhaft in  Tn., und eine Empfangsbestätigung (§ 17 A Abs. 2 Nr. 3 u. 4 UStDV) wurden jedoch nicht vorgelegt.

Ferner wurde die Bestätigung nicht bei der tatsächlichen Abholung des Fahrzeugs erteilt, sondern – wie aus dem Vermerk unten auf der Bestätigung ersichtlich – zugefaxt.

d) Lieferung an R., P- (Rechnung Nr. 1003046 vom 1. September 2006, MB A160CDI, 14.200 €, Fall H1 bzw. Nr. 14)

Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn S. Abholvollmacht.

Die Unterschrift des angeblichen Abholers S., wohnhaft in der G-Str. in K. auf der Verbringensbestätigung weicht jedoch erkennbar von der Unterschrift in seiner vorgelegten Passkopie ab, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung tatsächlich vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Das Gericht kann daher keinen ordnungsgemäßen Belegnachweis erkennen.

e) Lieferung an C.SL, E- F. (Rechnung Nr. 1003218 vom 13. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 48.300 €, Fall I1 bzw. Nr. 15)

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen und bevollmächtigte mit weiterem Schreiben Herrn H., (26)/Frankreich zur Abholung für den "Export nach Spanien".

Die vorgelegte Verbringensbestätigung wurde ausweislich des aufgebrachten Firmenstempels sowie der Unterschrift vom Abnehmer ausgefüllt. Eine Verbringensbestätigung des tatsächlichen Abholers wurde jedoch nicht vorgelegt, dieser bestätigte lediglich ohne Datumsangabe auf der vorgelegten Rechnung, das Fahrzeug erhalten zu haben. Der Belegnachweis ist daher nicht vollständig erbracht.

f) Lieferung an P LDA, P- (Rechnung Nr. 1003306 vom 26. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 49.500 €, Fall J1 bzw. Nr. 16)

Der angebliche Abnehmer, vertreten durch einen Herrn AP bestätigte zwar ohne Datumsangabe, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen. Ein Herr F., Halle 23, erteilte Herrn K., K. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers K. wurde jedoch nicht vorgelegt.

g) Lieferung an C. , E-3 (Rechnung Nr. 1003368 vom 31. Oktober 2006, MB E220CDI, 21.400 €, Fall K1 bzw. Nr. 17)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. E. Autotransporte GmbH, Sg bevollmächtigt hat.

4. Die Klägerin hat auch nicht auf sonstige Weise nachgewiesen, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen und die streitgegenständlichen Fahrzeuge aufgrund ihrer Lieferungen in das Gemeinschaftsgebiet gelangt sind. Ein derartiger Nachweis, etwa durch eine Bestätigung, dass die Fahrzeuge in einem anderen Mitgliedsstaat zeitnah auf ihre Abnehmer straßenverkehrsrechtlich zugelassen wurden, wurde nicht vorgelegt.

Es ist jedoch Sache des Lieferanten der Gegenstände, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind. Dabei sind die Finanzbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Versand oder die Beförderung von Gegenständen im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung beginnt, nicht verpflichtet, die Behörden des vom Lieferanten angegebenen Bestimmungsmitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen, ob die Gegenstände tatsächlich in den Bestimmungsmitgliedstaat verbracht worden sind (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-184/05 Twoh, Slg. 2007, I-07897).

5. Die Lieferung ist auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt dabei voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863).

c) Im Streitfall hat die Klägerin jedoch hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen F1, I1 und J1 den Belegnachweis nicht geführt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen C1 und K1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass das Feld 2 der CMR-Frachtbriefe falsche Angaben zum Auftraggeber enthielt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen D1 und H1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung von der Unterschrift in der Passkopie abweicht (s.o.). Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863)

6. Die Umsätze zum Regelsteuersatz sind gegenüber dem angegriffenen Umsatzsteuerbescheid um den Nettobetrag der vom FA im vorliegenden Verfahren als steuerfrei anerkannten Fahrzeuglieferungen (101.357,76 €) herabzusetzen. Die Umsatzsteuer für 2006 ist somit auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festzusetzen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

8. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Revisionsgründe vorliegt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Handel mit Kraftfahrzeugen tätig. Für das Streitjahr 2002 reichte sie ihre Umsatzsteuerjahreserklärung am 22. August 2003 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Hieraus ergab sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.129.512,20 €. Das FA stimmte dem gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zu. Im Februar 2006 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, die auch das Streitjahr betraf. Aus hier nicht streitigen Gründen verminderte das FA im Anschluss an die Außenprüfung den Vergütungsanspruch auf 1.129.286,60 € und hob den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) auf. Änderungen bei den nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen ergaben sich nicht.

2

Bereits am 11. Juli 2005 hatte eine Steuerfahndungsprüfung begonnen, die durch Bericht vom 31. Juli 2008 abgeschlossen wurde. Die Fahndungsprüferin ging davon aus, dass die Klägerin für 15 Fahrzeuglieferungen an die italienische Firma RC und eine Fahrzeuglieferung an die spanische Firma LC die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Daher wurden Lieferungen mit einer Vergütung von insgesamt 306.500 € (brutto), die die Klägerin als Entgelt für steuerfreie Lieferungen behandelt hatte, als steuerpflichtige Lieferungen angesehen. Dem folgte das FA und erließ am 3. November 2008 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Der Vergütungsanspruch verminderte sich auf 1.087.010,76 €, so dass sich ein Rückzahlungsanspruch von 42.275,84 € ergab.

3

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die aufgrund der Fahndungsprüfung als steuerpflichtig angesehene Lieferung an LC mit einer Gegenleistung von 34.500 € als erst in 2004 ausgeführt behandelte. Durch den Änderungsbescheid vom 11. November 2010 ergab sich ein Vergütungsanspruch von nunmehr 1.091.769,32 €.

4

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 793 veröffentlichten Urteil begründete das FG die Klageabweisung damit, dass dem Erlass des Bescheides vom 3. November 2008 aufgrund einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegengestanden habe. Die Lieferungen seien nicht nach § 6a UStG steuerfrei gewesen. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis nicht ordnungsgemäß geführt. Die CMR-Frachtbriefe erfüllten die Nachweisfunktion nicht. Es sei nicht ersichtlich, wer auf wessen Veranlassung die Transporte durchgeführt habe. Es ergebe sich nicht, wer Auftraggeber der Speditionen gewesen sei. Die Erwerberfirma RC sei nach behördlichen Feststellungen ein Scheinunternehmen gewesen. In einem Abholfall fehle die Abholerversicherung. Der Objektivnachweis sei nicht erbracht, obwohl Fahrzeuge zeitnah in Italien zugelassen worden seien, da die Zulassungen auf Dritte erfolgt seien. Es komme auch kein Vertrauensschutz in Betracht, da der Belegnachweis unvollständig sei. Die Klägerin habe sich selbst unzutreffender Weise als Absender in den Frachtbriefen eingetragen.

5

§ 173 Abs. 2 AO stehe dem Änderungsbescheid nicht entgegen, da der Klägerin eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei. Diese ergebe sich daraus, dass die Klägerin und ihre Mitarbeiter Frachtbriefe ausgefüllt hätten, obwohl ihnen Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse gefehlt hätten. Auftraggeber und Lieferwege seien nicht nachvollziehbar gewesen. Ein auf dieser Grundlage ausgestellter Beleg erbringe nicht den Nachweis der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Klägerin habe auch Zweifel an der Identität der Abnehmer haben müssen.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Das FG habe zu Unrecht die Korrekturbefugnis nach § 173 Abs. 2 AO bejaht, da sie nicht leichtfertig gehandelt habe. Insoweit liege ein Verstoß gegen Denkgesetze und gegen den klaren Inhalt der Akten vor. Zudem habe das FG zu geringe Anforderungen an den Begriff der Leichtfertigkeit gestellt. Dass sie als Absender im CMR-Frachtbrief eingetragen sei, stehe dem Nachweis der Steuerfreiheit nicht entgegen. Der CMR-Frachtbrief müsse nicht vollständig ausgefüllt werden. Wer Auftraggeber des Frachtführers sei, sei für die Steuerfreiheit irrelevant. Es bestünden gleichwohl hinreichend Kontrollmöglichkeiten für die Finanzverwaltung. In Bezug auf die Person des Abnehmers habe das FG lediglich Behördenfeststellungen wiedergegeben. Die Belegfehler stünden der Gewährung von Vertrauensschutz nicht entgegen, da diese nicht erkennbar gewesen seien.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und das FG zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2010 dahingehend zu ändern, dass Lieferungen zu einem Bruttoentgelt in Höhe von 272.000 € als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt werden.

8

Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Klägerin und ihre Mitarbeiter hätten wissentlich Frachtbriefe falsch ausgefüllt, da sie von den tatsächlichen Lieferwegen keine Kenntnis gehabt hätten. Von der objektiven Sachlage habe die Klägerin keine Kenntnis gehabt. Ein Verfahrensfehler liege nicht vor.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil ergibt sich eine leichtfertige Steuerverkürzung nicht bereits allein daraus, dass der Unternehmer die Steuerfreiheit nach § 6a UStG in Anspruch nimmt, ohne über einen vollständigen Beleg- und Buchnachweis zu verfügen.

11

1. Ein aufgrund einer Außenprüfung ergangener Steuerbescheid  kann nur geändert werden, wenn zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.

12

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Steuerbescheide, die auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, können gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 AO nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.

13

b) Ob eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S. von § 173 Abs. 2 AO vorliegt, bestimmt sich nach § 378 AO (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Februar 2008 VI R 83/04, BFHE 220, 220, BStBl II 2009, 703, unter II.2.). Danach handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht.

14

aa) Täter i.S. von §§ 370, 378 AO ist, wer gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

15

bb) Leichtfertigkeit i.S. von § 378 AO erfordert einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der im Wesentlichen der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, dabei aber die persönlichen Fähigkeiten des Täters berücksichtigt (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1989 VIII R 60/88, BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518, und vom 16. Februar 2011 X R 10/10, BFH/NV 2011, 977, unter II.4.d dd). Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (BFH-Urteile vom 24. April 1996 II R 73/93, BFH/NV 1996, 731, und vom 17. November 2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309, unter II.4.b aa).

16

2. Im Streitfall erging der Bescheid, den das FA mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. November 2008 geändert hat, aufgrund einer Außenprüfung. Eine Änderungsbefugnis bestand daher für das FA nur nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO.

17

a) Ob Leichtfertigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage, kann aber in der Revisionsinstanz insbesondere daraufhin überprüft werden, ob das FG den Rechtsbegriff der Leichtfertigkeit richtig erkannt hat (BFH-Urteil vom 30. Juni 2010 II R 14/09, BFH/NV 2010, 2002, unter II.2.b bb). Hieran fehlt es im Streitfall.

18

b) Das FG hat für ein leichtfertiges Handeln der Klägerin angeführt, dass sie und ihre Mitarbeiter die CMR-Frachtbriefe ausgefüllt hatten, obwohl Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse fehlten. Derartige Belege seien zur Nachweisführung nicht geeignet. Zudem hätten sich Zweifel an der Identität des Abnehmers ergeben.

19

Damit hat das FG nicht hinreichend berücksichtigt, dass der BFH seine frühere Rechtsprechung, nach der Unternehmer die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen ausschließlich beleg- und buchmäßig nachweisen konnten (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.), aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, Leitsatz 4): Der Unternehmer ist berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit auch objektiv nachzuweisen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

20

Aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Senats handelt der Unternehmer nur leichtfertig, wenn es sich ihm zumindest "aufdrängen muss" (s. oben II.1.b bb), dass er die Voraussetzungen des § 6a UStG weder beleg- und buchmäßig noch objektiv nachweisen kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.). Das bloße Abstellen auf die Beleglage reicht nach der geänderten Rechtsprechung nicht aus.

21

3. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang ist zu prüfen, ob die Klägerin davon ausgehen konnte, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit zumindest objektiv nachweisen zu können.

22

Dabei wird zu ermitteln sein, ob die Klägerin im Hinblick auf das unstreitige Gelangen der Fahrzeuge nach Italien und der ihr darüber hinaus vom Bundeszentralamt qualifiziert bestätigten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers den Tatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung als erfüllt ansehen konnte. Bei dieser Sachlage rechtfertigten bloße "Zweifel" an den "Lieferwegen" und das vom FG als möglich angesehene Vorliegen eines Reihengeschäfts ggf. zwar die Versagung der Steuerfreiheit nach § 6a UStG, nicht aber auch die Annahme eines leichtfertigen Handelns i.S. von § 378 AO. Im Übrigen begründet auch die Kontaktaufnahme zur italienischen Abnehmerfirma über dessen inländischen Vertreter für sich allein nicht den Vorwurf leichtfertigen Handelns.

23

4. Über die geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht zu entscheiden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der im Streitjahr (2008) Herr W zu 51 % und Frau H zu 49 % beteiligt waren. Die Gesellschafter waren 2008 gleichzeitig auch die Geschäftsführer der Gesellschaft.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der gewerbliche Handel mit Waren aller Art, nicht genehmigungspflichtigen Dienstleistungen aller Art, Vermietungen von Autos, Flugzeugen, Schiffen und anderen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen des allgemeinen Rechtsverkehrs, Halten von Beteiligungen, Immobilienverwaltung und Vermietung von Immobilien. Seit 2003 gehört zum Angebot der Klägerin auch die Vercharterung von Motoryachten.

3

Am 20. Dezember 2006 erwarb die Klägerin die Yacht A für 1.100.000 € zzgl. 176.000 € Umsatzsteuer. Die Klägerin ordnete die Yacht A ihrem Unternehmen zu und machte hinsichtlich des Erwerbs für den Voranmeldungszeitraum 2006 den Vorsteuerabzug geltend. Im März 2007 wurde diese Yacht auf Veranlassung der Klägerin von Deutschland nach Palma de Mallorca transportiert, um sie an fremde Dritte zu vermieten und durch die Familie der Gesellschafter-Geschäftsführerin H zu nutzen.

4

Mit Rechnung vom 23. Dezember 2008 veräußerte die Klägerin die Yacht A zum Einkaufspreis (1.100.000 €) zurück an die Verkäuferin. Die Yacht wurde der Käuferin am gleichen Tag auf Mallorca übergeben. In der Rechnung, in der die der Klägerin erteilte deutsche Umsatzsteuer-Identifizierungsnummer (USt.-ID-Nr.) ausgewiesen wurde, wird der Verkauf von der Klägerin als nicht steuerbar behandelt. Über eine spanische USt.-ID-Nr. verfügte die Klägerin nicht.

5

Mit Kaufvertrag vom 13. August 2008 und Rechnung vom 8. Dezember 2008 kaufte die Klägerin unter Anrechnung des Kaufpreises für die Yacht A die gebrauchte Yacht B für 1.630.900 € zzgl. 309.871 € Umsatzsteuer. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages sollte die Yacht B im Dezember 2008 in Deutschland an die Klägerin übergeben werden. In der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2008 machte die Klägerin die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 309.871 € als Vorsteuer geltend.

6

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von einem steuerbaren Verbringen der Yacht A i.S. des § 3 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durch die Klägerin im Dezember 2008 aus. Das FA verneinte das Vorliegen einer Steuerbefreiung ebenso wie die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug aus dem Kauf der Yacht B und setzte die Umsatzsteuer im Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Dezember 2008 vom 30. Juli 2009 entsprechend fest. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

7

Die Klage hatte in dem im Revisionsverfahren streitigen Umfang keinen Erfolg. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1707 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, die Klägerin habe den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens (§ 3 Abs. 1a UStG) der 2007 zunächst nur zu Vermietungszwecken nach Mallorca beförderten Yacht A im Zeitpunkt des Verkaufs im Dezember 2008 erfüllt. Mit dem Verkauf der Yacht A im Dezember 2008 habe die vorübergehende Verwendung geendet, mit der Folge, dass die Yacht A in diesem Zeitpunkt als i.S. des § 3 Abs. 1a UStG verbracht anzusehen sei.

8

Dieser einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichzustellende Umsatz sei nicht gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei. Die Klägerin könne sich nicht auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. des innergemeinschaftlichen Verbringens gemäß § 6a Abs. 1 und 2 UStG berufen, weil dem die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüberstehe und die Klägerin durch ihr Verhalten diese Besteuerung verhindert habe.

9

Auch die Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG seien nicht erfüllt, weil eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B im Dezember 2008 nicht feststellbar sei. In den Fällen des § 15 Abs. 1a UStG müsse nicht nur die Absicht der unternehmerischen Verwendung, sondern auch die Gewinnerzielungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges durch objektive Anhaltspunkte nachgewiesen werden.

10

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, die sie auf Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler stützt.

11

Die Klägerin macht geltend, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

12

Hinsichtlich der Yacht A trägt sie vor, dass deren Verbringen nach Spanien steuerfrei sei. Auf die Verletzung von Nachweispflichten i.S. der §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) komme es nicht an, weil feststehe, dass die Yacht A nach Spanien verbracht worden sei.

13

Aus dem Erwerb der Yacht B sei ihr, der Klägerin, der Vorsteuerabzug zu gewähren.

14

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 16. August 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. August 2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2008 um ... € herabgesetzt wird.

15

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

16

Zur Begründung seines Antrags verweist das FA im Wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Steuerbefreiung des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichstehenden innergemeinschaftlichen Verbringens der Yacht A nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG zu versagen. Darüber hinaus hat das FG nicht geprüft, ob für die Lieferung der Yacht A die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG in Betracht kommt, weil im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht A --ebenso wie beim Erwerb der Yacht B-- der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG auszuschließen gewesen wäre. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die dem Senat die Beurteilung dieser Fragen ermöglichen; die erforderlichen Feststellungen muss das FG nachholen.

18

1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Yacht B nicht zusteht.

19

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer unter anderem die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, in Abzug bringen. Nicht abziehbar sind jedoch gemäß § 15 Abs. 1a UStG die Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt, entfallen.

20

Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG umfasst u.a. Aufwendungen für Segelyachten oder Motoryachten sowie für ähnliche Zwecke. Das gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht, wenn diese Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.

21

a) Der Senat kann auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG erfüllt sind. Die Frage kann aber offen bleiben.

22

b) Denn selbst wenn die Klägerin die Yacht B i.S. des § 15 Abs. 1 UStG für ihr Unternehmen bezogen haben sollte, fallen die Aufwendungen für deren Erwerb --wie das FG zu Recht entschieden hat-- unter das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG (aa); die Vorschrift des § 15 Abs. 1a UStG ist auch anwendbar (bb bis cc).

23

aa) Aufwendungen sind alle auf die Herstellung oder Anschaffung und den Unterhalt entfallenden Kosten (Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 562, zu Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG). Dazu gehören auch die Anschaffungskosten für die Yacht B.

24

Auch der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG ist nicht erfüllt, weil eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B nicht feststellbar war. Die Absicht der Gewinn-/Überschusserzielung zeigt sich in dem Bestreben, während des Bestehens der Einkunftsquelle insgesamt einen Totalgewinn bzw. Einnahmenüberschuss zu erzielen. Ob der Unternehmer eine derartige Absicht hatte, lässt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- als innere Tatsache nicht anhand seiner Erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer Umstände feststellen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II.1.b). Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, ob die Betätigung bei objektiver Betrachtung nach ihrer Art, ihrer Gestaltung und den gegebenen Ertragsaussichten einen Totalüberschuss erwarten lässt (BFH-Urteil vom 27. Januar 2000 IV R 33/99, BFHE 191, 119, BStBl II 2000, 227). Beruht die Entscheidung zur Neugründung eines Gewerbebetriebs im Wesentlichen auf den persönlichen Interessen und Neigungen des Steuerpflichtigen, so sind die entstehenden Verluste nur dann für die Dauer einer betriebsspezifischen Anlaufphase steuerlich zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige zu Beginn seiner Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept erstellt hat, das ihn zu der Annahme veranlassen durfte, durch die gewerbliche Tätigkeit werde er insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielen können (BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874).

25

Ob, wie das FG meint, als objektiver Anhaltspunkt für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht bei der Vercharterung einer Yacht der vorliegenden Größenordnung nur eine Markt-/Wirtschaftlichkeitsanalyse in Betracht kommt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil sowohl nach den Feststellungen des FG als auch nach Aktenlage und dem Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren keine anderen objektiven Anhaltspunkte für eine Gewinnerzielungsabsicht ersichtlich sind.

26

bb) Unionsrechtliche Grundlage des § 15 Abs. 1a UStG ist Art. 176 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG --MwStSystRL-- (bis 31. Dezember 2006: Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--). Diese Bestimmung stellt eine --bisher nicht getroffene-- Regelung des Rates über Ausgaben, die den Vorsteuerabzug ausschließen, insbesondere solche, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen, in Aussicht. Darüber hinaus enthält Art. 176 MwStSystRL eine sog. Stillhalteklausel, die bis zum Inkrafttreten einer unionsrechtlichen Regelung die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug erlaubt, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG galten. Eine nationale Regelung, die die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert, ist nach Art. 176 MwStSystRL grundsätzlich nicht zulässig (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 8. Januar 2002 C-409/99, Metropol und Stadler, Slg. 2002, I-81, zu Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG). Neue Ausschlussnormen können durch die einzelnen Mitgliedstaaten nur mit Genehmigung nach Art. 394, 397 MwStSystRL eingeführt werden (EuGH-Urteil vom 11. Juli 1991 C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I-3795, zu Art. 27 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG). Für die Regelung in § 15 Abs. 1a UStG ist eine Genehmigung nach Art. 27 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG aber weder beantragt noch erteilt worden.

27

§ 15 Abs. 1a UStG steht im Einklang mit dem Unionsrecht, weil die darin getroffene Regelung inhaltlich bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG im deutschen UStG verankert gewesen ist.

28

cc) § 15 Abs. 1a UStG ist durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. b des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/ 2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) eingeführt worden und gilt mit Wirkung ab 1. April 1999 (Art. 18 Abs. 2 StEntlG 1999/2000/2002). Die im Streitjahr 2008 geltende Fassung beruht auf dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878). Bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG, also zum 1. Januar 1979 (vgl. EuGH-Urteile vom 19. September 2000 C-177/99 und C-181/99, Ampafrance und Sanofi, Slg. 2000, I-7013 Rdnr. 5), war der Vorsteuerabzug für die Aufwendungen für Segelyachten zwar nicht unmittelbar durch das UStG 1973 ausgeschlossen, wenn ansonsten die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG 1973 erfüllt waren. Der einem Unternehmer zustehende Vorsteuerabzug wurde aber durch eine ebenso hohe Besteuerung der Aufwendungen als Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 ausgeglichen. Nach dieser Vorschrift lag Eigenverbrauch vor, soweit ein Unternehmer im Inland Aufwendungen tätigte, die nach § 4 Abs. 5 EStG bei der Gewinnermittlung ausschieden. Die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 wirkte wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs (BFH-Urteile vom 2. Juli 2008 XI R 61/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2009, 278; vom 12. August 2004 V R 49/02, BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, unter II.3.b, betreffend Bewirtungsaufwendungen). Der Vorsteuerausschluss gemäß § 15 Abs. 1a UStG stellt deshalb, jedenfalls soweit er laufende Aufwendungen i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft, nur eine Ersatzregelung für einen bereits bestehenden Ausschlusstatbestand dar und ist damit keine dem Unionsrecht widersprechende Erweiterung oder erstmalige Einfügung eines Ausschlusstatbestands. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 77/388/EWG galt bereits ein mittelbares Vorsteuerabzugsverbot für Leistungsbezüge, die mit einer Segelyacht zusammenhängen, weil § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 der Umsetzung des Ausschlusses von Repräsentationsaufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht gemäß Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG und damit demselben Zweck wie § 15 Abs. 1a UStG diente (BFH-Urteile in HFR 2009, 278; vom 2. Juli 2008 XI R 60/06, BFHE 222, 112, BStBl II 2009, 167; jeweils zu Segelyachten; vom 24. August 2000 V R 9/00, BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76; vom 2. Juli 2008 XI R 66/06, BFHE 222, 123, BStBl II 2009, 206, zum Halten von Rennpferden; in BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, zu Bewirtungsaufwendungen). Auch das Schrifttum sieht den Ersatz des Aufwendungseigenverbrauchs gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG in der bis 31. März 1999 geltenden Fassung durch ein unmittelbares Vorsteuerabzugsverbot gemäß § 15 Abs. 1a UStG in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung für Aufwendungen i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG als durch Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt an (Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 481; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 UStG Rz 290b; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 917; Lohse, Internationales Steuerrecht 2000, 232, 236 f.; zweifelnd Heidner in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 15 Rz 307).

29

dd) Das Abzugsverbot für laufende Aufwendungen (BFH-Urteile vom 2. Juli 2008 XI R 70/06, BFH/NV 2009, 223; vom 23. Januar 1992 V R 66/85, BFHE 167, 221; in BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76) gilt auch für die Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten. Obschon sich die Versagung des Vorsteuerabzugs für die Erwerbsaufwendungen nach § 15 Abs. 1a UStG in zeitlicher Hinsicht bei der Lieferung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern, wie im Streitfall der Yacht B, von der Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 unterscheidet, ist sie mit Art. 176 MwStSystRL (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) vereinbar. Deshalb liegt in der Einführung des § 15 Abs. 1a UStG kein Verstoß gegen Unionsrecht (so auch Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz 952, 956; a.A. wohl Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 513; Lippross, Umsatzsteuer, 22. Auflage 2008, 7.8.2.1.2 c, S. 838, 842 f.).

30

2. Das FG hat das Verbringen der Yacht A nach Mallorca zu Recht als gemäß § 3 Abs. 1a UStG steuerbare Lieferung behandelt, die im Dezember 2008 zu erfassen ist.

31

a) Gemäß § 3 Abs. 1a UStG gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

32

Mit dieser Regelung wird Art. 17 Abs. 1 MwStSystRL umgesetzt. Danach ist die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstands seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt. Als "Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat" gelten die Versendung oder Beförderung eines im Gebiet eines Mitgliedstaats befindlichen beweglichen körperlichen Gegenstands durch den Steuerpflichtigen oder für seine Rechnung für die Zwecke seines Unternehmens nach Orten außerhalb dieses Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft.

33

b) Die Klägerin ist unstreitig Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG, hat die Yacht A durch Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ihrem Unternehmen zugeordnet und diese in das übrige Gemeinschaftsgebiet, nämlich nach Mallorca (Spanien), verbracht.

34

aa) Der Transport der Yacht A im März 2007 ist noch nicht als steuerbares Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu beurteilen, weil die Klägerin nach den Feststellungen des FG zu diesem Zeitpunkt nur eine "vorübergehende Verwendung" der Yacht auf Mallorca vorgesehen hatte.

35

Mit dem negativen Tatbestandsmerkmal der nicht "nur vorübergehenden Verwendung" setzt § 3 Abs. 1a UStG die unionsrechtliche Regelung in Art. 17 Abs. 2 MwStSystRL zumindest begrifflich nicht zutreffend um (Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rz 69; Heuermann in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1a Rz 50; Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 189; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 47). Während § 3 Abs. 1a UStG generalisierend auf einen scheinbar zeitlichen Gesichtspunkt abstellt, enthält Art. 17 Abs. 2 Buchst. a bis h MwStSystRL eine abschließende Aufzählung von Umsätzen, die ein Verbringen ausschließen, wenn der Unternehmer deren Ausführung mit dem Gegenstand bezweckt. Der Begriff "vorübergehend" ist daher nicht zeitabhängig zu verstehen, sondern wird durch die Art der Verwendung bestimmt (Martin in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 196; Stöcker in Küffner/Stöcker/ Zugmaier, UStG, § 3 Rz 212; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rz 73). Ist nach der Art der Verwendung vorhersehbar, dass der Gegenstand wieder in das Inland zurückgelangt, so liegt auch bei längerem Verbleib im sonstigen Gemeinschaftsgebiet eine vorübergehende Verwendung vor (Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 1a Rz 22).

36

Ob die unzutreffende Umsetzung des Art. 17 MwStSystRL durch § 3 Abs. 1a UStG im Wege der richtlinienkonformen Auslegung (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 47) oder mittels Anwendungsvorrangs der Richtlinie (Heuermann in Hartmann/ Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1a Rz 50) zu geschehen hat, kann der Senat offenlassen. Jedenfalls ist von einer nur vorübergehenden Verwendung auszugehen, wenn einer der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a bis h MwStSystRL genannten Fälle vorliegt.

37

Art. 17 Abs. 2 Buchst. g MwStSystRL nennt die

"vorübergehende Verwendung dieses Gegenstands im Gebiet des Mitgliedstaats der Beendigung der Versendung oder Beförderung zum Zwecke der Erbringung von Dienstleistungen durch den im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung ansässigen Steuerpflichtigen".

38

Das ist vorliegend der Fall, denn nach den Feststellungen des FG beabsichtigte die Klägerin (zumindest auch) die Ausführung von Vermietungsumsätzen mit der Yacht A.

39

bb) Ein innergemeinschaftliches Verbringen i.S. des § 3 Abs. 1a UStG liegt aber mit dem Verkauf der Yacht A im Dezember 2008 vor, weil die Absicht der Klägerin, Vermietungsumsätze mit der Yacht A auszuführen, damit endete. Sobald eine der Voraussetzungen für die Ausnahme der nur vorübergehenden Verwendung nicht mehr vorliegt, wie z.B. beim Verkauf des Gegenstands, ist in diesem Zeitpunkt ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gegen Entgelt gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen anzunehmen (so ausdrücklich Art. 17 Abs. 3 MwStSystRL; vgl. auch Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 196; Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 3 Rz 236).

40

3. Das FG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass das der Lieferung gleichgestellte Verbringen der Yacht A allein deshalb nicht von der Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG umfasst wird, weil die Klägerin es unterlassen hat, in Spanien den innergemeinschaftlichen Erwerb der Yacht A anzumelden und zu versteuern.

41

a) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 6a Abs. 2, § 3 Abs. 1a UStG). Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656).

42

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und 138 MwStSystRL. Gemäß Art. 131 MwStSystRL wird auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung "unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen". Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

43

b) Dass die Klägerin ihren Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV nicht nachgekommen ist, steht der Steuerbefreiung nicht entgegen. Die Nachweispflichten gemäß §§ 17a, 17c UStDV sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57). Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188).

44

Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat. Dasselbe gilt für die innergemeinschaftliche Lieferung in Gestalt des innergemeinschaftlichen Verbringens (§ 6a Abs. 2 UStG).

45

Da feststeht, dass die Klägerin die Yacht A in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht hat, steht es der Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 2 UStG nicht entgegen, dass die Klägerin keine Nachweise i.S. der §§ 17a ff. UStDV vorgelegt hat. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG sind erfüllt.

46

c) Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG in Anlehnung an das EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, "R" (Slg. 2010, I-12605) zu versagen.

47

aa) Der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. dem innergemeinschaftlichen Verbringen gemäß § 6a Abs. 1 und 2 UStG im Inland steht spiegelbildlich die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüber (§ 1a Abs. 1 und 2 UStG). Die innergemeinschaftliche Lieferung eines Gegenstands und sein innergemeinschaftlicher Erwerb sind ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang, auch wenn dieser sowohl für die an dem Geschäft Beteiligten als auch für die Finanzbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechte und Pflichten begründet (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 23). Daher wird durch § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 UStG die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Verbringens unter anderem davon abhängig gemacht, dass der Erwerb des verbrachten Gegenstands beim Abnehmer, der in diesem Fall mit dem Lieferer identisch ist, den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

48

bb) Der mit dem Verbringen der Yacht A einhergehende innergemeinschaftliche Erwerb in Spanien unterlag aber gemäß den mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 20 MwStSystRL korrespondierenden Vorschriften spanischen Rechts grundsätzlich der dortigen Erwerbsbesteuerung, so dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt auch nicht voraus, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 69 ff.; BFH-Urteil in BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57).

49

cc) Allerdings kann der Ausgangsmitgliedstaat, worauf das FG zu Recht hinweist, der innergemeinschaftlichen Lieferung aufgrund der ihm nach Art. 131 MwStSystRL (Erster Satzteil von Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) zustehenden Befugnisse die Mehrwertsteuerbefreiung für diesen Umsatz versagen, wenn eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen zwar tatsächlich stattgefunden hat, der Lieferer jedoch bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil "R" in Slg. 2010, I-12605 Rdnr. 55). Dasselbe gilt, wenn eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vorliegt und der Lieferer nicht in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.).

50

Ob diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar sind, kann der Senat aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Die Feststellung, dass die Klägerin durch ihre Vorgehensweise die Erwerbsbesteuerung in Spanien dadurch vermieden hat, dass sie sich dort weder umsatzsteuerlich hat registrieren lassen noch den innergemeinschaftlichen Erwerb der Yacht A angezeigt hat, reicht hierfür nicht aus. Allein dieses Unterlassen ist der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung wie in dem dem EuGH-Urteil "R" in Slg. 2010, I-12605 zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Im Fall "R" lag eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vor und der Lieferer hatte bei der Lieferung die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem die Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Das heißt, der Lieferer hatte sich zielgerichtet, bewusst und gewollt an der Steuerhinterziehung beteiligt. Auch in dem dem EuGH-Urteil Mecsek-Gabona in UR 2012, 796 zugrunde liegenden Sachverhalt lag eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vor. Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), derzufolge die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung i.S. des § 6a UStG darstellt, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. Werden diese Lieferungen durch die inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben i.S. von § 370 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und verkürzt dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer (BGH-Beschluss vom 20. November 2008  1 StR 354/08, BGHSt 53, 45).

51

Die Feststellungen des FG tragen den Vorwurf der Steuerhinterziehung bzw. der Beteiligung an einer solchen durch die Klägerin nicht, weil weder Feststellungen zur verkürzten Steuer noch zum subjektiven Tatbestand vorliegen.

52

Hinsichtlich des Taterfolges der Steuerhinterziehung hat sich das FG nicht damit auseinandergesetzt, dass die Klägerin nicht nur den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern musste, sondern ihr nach der mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG korrespondierenden Vorschrift des spanischen Rechts auch der Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb zustand. Unabhängig von der Frage, ob das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO auch für das Verhältnis spanischer Umsatzsteuer und spanischer Vorsteuerbeträge Geltung beanspruchen kann, gilt es vorliegend schon deshalb nicht, weil ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen verschwiegenen steuererhöhenden und steuermindernden Umständen besteht (BGH-Urteil vom 26. Juni 1984  5 StR 322/84, HFR 1985, 40; s. dazu auch BGH-Urteil vom 24. Oktober 1990  3 StR 16/90, HFR 1991, 619); innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb sind ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 23).

53

Zum subjektiven Tatbestand hat das FG ebenfalls keine Feststellungen getroffen. Diese wären für die Annahme der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung aber erforderlich gewesen, zumal es sich bei dem innergemeinschaftlichen Verbringen und dem damit korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb, insbesondere dann, wenn von einem zunächst nur vorübergehenden Verbringen auszugehen ist, um eine Rechtssituation handelt, bei deren Fehlbeurteilung jedenfalls der subjektive Tatbestand eines Steuervergehens nicht ohne weiteres angenommen werden kann. Das FG wird hierzu weitere Feststellungen treffen müssen.

54

4. Selbst wenn die Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG mit den Grundsätzen des EuGH-Urteils "R" in Slg. 2010, I-12605 zu versagen sein sollte, entbehrt das FG-Urteil Feststellungen zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG. Danach sind die Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen ist, steuerbefreit. Das FG hat für die Yacht A die Voraussetzungen des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1a UStG aus den unter II.1. genannten Gründen zu Recht bejaht. Nach den bisherigen Feststellungen sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Gewinnabsichten der Klägerin hinsichtlich der Yacht A anders zu beurteilen wären, als hinsichtlich der Yacht B. Dann aber wäre auch der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Yacht A bereits für das nicht vom Streitzeitraum umfasste Jahr 2006 nach § 15 Abs. 1a UStG zu versagen gewesen mit der Folge, dass die Lieferung der Yacht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG fallen würde. Dass FG-Urteil enthält auch hierzu nicht die erforderlichen Feststellungen.

55

5. Da das Urteil aus den o.g. Gründen aufzuheben war, kommt es auf den gerügten Verfahrensmangel nicht an.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2006 in I einen Handel mit hochwertigen PKW. Im Revisionsverfahren ist noch die Steuerfreiheit von folgenden PKW-Lieferungen an drei Abnehmer streitig:

2

1. Die Klägerin stellte am 1. und 20. Februar 2006 der von X geführten A-Automobile (A) in Ö (Österreich) jeweils die Lieferung eines Ferrari F430 F1 in Rechnung. Der Kaufpreis wurde jeweils mit "Exportpreis netto: € 159.000,--" ausgewiesen; die Rechnungen enthielten ansonsten weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferungen noch auf weitere Dokumente. Ihnen beigefügt war jeweils eine "Anlage zur Rechnung", die auf die jeweilige Rechnungsnummer und das jeweilige Rechnungsdatum verwies und den Hinweis "Bestätigung Innergemeinschaftlicher Lieferung" enthielt. Hierin bestätigte X durch seine Unterschrift die Richtigkeit der von ihm angegebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dass die Lieferung durch die Klägerin stattgefunden habe und dass der PKW in I zur Abholung durch X übergeben worden sei. Zugleich versicherte X darin, die näher bezeichneten PKW ausschließlich für sein Unternehmen zu verwenden sowie die PKW "in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich)" zu befördern. Auf einem weiteren, mit "Verbringungsnachweis" überschriebenen Dokument, das zusammen mit den vorgenannten Dokumenten in der Buchführung der Klägerin aufbewahrt wurde, hatte X mit seiner Unterschrift bestätigt, "ein umsatzsteuerfreies innergemeinschaftliches Warengeschäft" getätigt zu haben sowie die näher bezeichneten PKW "[i]ns Ausland (nach Österreich) zu verbringen und dort der Mehrwertsteuer zuzuführen".

3

Im Rahmen eines später gegen X eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gab dieser jedoch an, die beiden PKW unter Verwendung von roten Fahrzeugkennzeichen eines anderen Händlers ohne Wissen des Geschäftsführers der Klägerin tatsächlich nicht nach Österreich verbracht zu haben.

4

Zu beiden PKW-Lieferungen liegen Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) im Bestätigungsverfahren gemäß § 18e Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), Übernahmeprotokolle, die Kopie eines Gewerberegisterauszugs sowie Kopien des Deutschen Bundespersonalausweises von X vor. Unter den Ausweiskopien hatte dieser jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, als Bevollmächtigter der A zu handeln und am 1. bzw. 20. Februar 2006 einen Betrag von 159.000 € in bar an die Klägerin bezahlt zu haben.

5

2. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr ferner u.a. einen Mercedes-Benz ML 280 CDI an die B S.L. (B) aus Spanien. Für die B trat eine Person auf, die sich als … (G) ausgab. Die Klägerin stellte für die PKW-Lieferung eine Rechnung an die B, in der der Kaufpreis mit "Exportpreis netto: € 51.000,--" ausgewiesen wurde, die ansonsten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielt und der eine Anlage zur Rechnung ebenfalls mit einem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie ein Verbringungsnachweis beigefügt waren.

6

Nach einem von der Klägerin vorgelegten Dokument hatte die B eine Spedition beauftragt, den PKW nach P (Spanien) zu transportieren. Dagegen sind auf dem CMR-Frachtbrief in dem Feld 1 (Absender) die Klägerin und im Feld 2 (Empfänger) "G" mit der Adresse … (O) in Spanien genannt. Das Feld 3 zum Auslieferungsort enthält mit einer eingekreisten "2" einen Hinweis auf das Feld 2 sowie den Zusatz "Espana". Als Adresse der B ist auf dem Rechnungsdokument, der "Anlage zur Rechnung" und dem Verbringungsnachweis jeweils O angegeben. Dagegen liegt die Adresse der B nach einem auf diesen Dokumenten aufgebrachten Stempelaufdruck in S in Spanien.

7

Der Mercedes-Benz ML 280 CDI wurde nach Spanien versandt und nicht auf die B, sondern innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf drei andere spanische Unternehmen zugelassen. In einer Antwort auf das Auskunftsersuchen des BZSt teilten die spanischen Behörden u.a. mit, das Profil der B gleiche einem sog. Missing Trader. Geschäftsführer der B sei Herr G gewesen, der erklärt habe, dass die Gesellschaft zwar "auf seinen Namen laufe", er allerdings im Zusammenhang mit ihr keinerlei Einkünfte habe und ihr derzeitiger "Manager" eine andere Person sei. Die gegenüber den Finanzbehörden angegebene Adresse der B sei die Wohnanschrift des G, an der eine Geschäftsausstattung für den Handel mit Fahrzeugen nicht vorhanden sei.

8

3. Außerdem stellte die Klägerin am 14. September 2006 der C-GmbH (C), … in Z (Österreich) die Lieferung eines Ferrari F430 F1 Coupé mit einem "Exportpreis netto: € 169.900,--" in Rechnung. Die Rechnung enthielt weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung noch einen Hinweis auf weitere Dokumente. In der "Anlage zur Rechnung" bestätigte der Geschäftsführer der C, Herr N, u.a. die am 15. September 2006 durch die Klägerin erfolgte Übergabe in I zur Abholung durch ihn.

9

Auf einem CMR-Frachtbrief, der auf den 15. September 2006 datiert ist, sind als Absenderin sowie als Frachtführerin die Klägerin, als Empfängerin die C und als Auslieferungsort I genannt. Im Rahmen eines Auskunftsersuchens des BZSt teilten die österreichischen Behörden u.a. mit, dass sie die C als Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit identifiziert hätten. Sie habe ihren Sitz bei ihrem Steuerberater, tätige vor allem innergemeinschaftliche Erwerbe aus Deutschland und innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien. Im Streitjahr seien innergemeinschaftliche Erwerbe für 21,7 Mio. € erfolgt. Bis auf eine kleine angemietete Lagerhalle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von Fahrzeugen sowie einem "Büro" in einer abgelegenen Wohnung verfüge die C nicht über die für einen Händler exklusiver PKW übliche Infrastruktur.

10

Hinsichtlich der Lieferung an die C hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung insbesondere angegeben, dass ihm der persönlich am 14. September 2006 in I anwesende Geschäftsführer der C, Herr N, erklärt habe, sein Abnehmer habe auf keinen Fall einen Transport des PKW nach Österreich "auf eigenen Rädern" gewünscht. Deshalb habe der Geschäftsführer der Klägerin den PKW auf einem Hänger nach Z in Österreich befördert und diesen auf dem Gelände einer Tankstelle in der Nähe der Geschäftsadresse der C an Herrn N übergeben.

11

Die Klägerin behandelte die vorgenannten PKW-Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte dies im Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 12. Februar 2008, zuletzt geändert durch Bescheid vom 18. November 2011, nicht an.

12

Daraufhin hat die Klägerin Sprungklage erhoben und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2012 berichtigte Rechnungen vom 16. Januar 2012 zu den streitbefangenen Lieferungen vorgelegt. Hierin ist ein Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG enthalten.

13

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich einer hier nicht streitigen PKW-Lieferung ab und gab der Klage in Bezug auf die im Revisionsverfahren noch streitbefangenen PKW-Lieferungen an die A, die B und an die C statt.

14

Die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A folge aus § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Unter Zugrundelegung der Angaben des X gegenüber der Klägerin seien sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt. Insbesondere scheitere der ordnungsgemäße Belegnachweis nicht daran, dass die ursprünglichen Rechnungen zumindest auf dem eigentlichen Rechnungsdokument keine Hinweise auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielten. Dieser Mangel sei rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch die korrigierten Rechnungen behoben worden. Die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben des X auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können.

15

Hinsichtlich der Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien stehe zur Überzeugung des Gerichts objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen würden. Dass der PKW tatsächlich nach Spanien gelangt sei, stehe wegen der dortigen Zulassung außer Zweifel. Wer Abnehmer der Lieferung gewesen sei, könne dahinstehen, zumal dessen Identifizierung aufgrund der vorliegenden Belege einerseits und der Mitteilung der spanischen Behörden andererseits nicht möglich sei.

16

Auch im Hinblick auf die Lieferung an die C seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben. Angesichts der detaillierten und widerspruchsfreien Schilderung des Geschäftsführers der Klägerin, der den Transport durchgeführt habe, sowie der Übereinstimmung mit den vorgelegten Belegen stehe zur Überzeugung des FG fest, dass der PKW nach Z (Österreich) und damit in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden sei.

17

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

18

Der Belegnachweis sei jeweils nicht ordnungsgemäß erbracht worden, weil in den ursprünglichen Rechnungen ein Hinweis auf die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung fehle. Die berichtigten Rechnungen seien auch nicht geeignet, den Mangel zu heilen, weil keine Anhaltspunkte für deren Zugang bestünden. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern des X, der B und der C seien seit 2006 bzw. seit 2007 ungültig. Auch lägen über die Erreichbarkeit der gesetzlichen Vertreter der Abnehmer keine Informationen vor. Damit habe die Erwerbsbesteuerung zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung nicht mehr nachgeholt werden können. Insoweit greife auch nicht die Vertrauensschutzregelung. Da die Abnehmer der Klägerin jeweils Scheinunternehmer gewesen seien, scheide eine Steuerfreiheit der streitbefangenen PKW-Lieferungen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 2012 XI R 17/12 (BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 23) aus.

19

Die Lieferungen an die A seien auch deshalb keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, weil die PKW tatsächlich nicht nach Österreich transportiert worden seien und damit für den Nachweis des Bestimmungsortes nicht auf die Rechnungsanschrift der A zurückgegriffen werden könne. Mangels Belegnachweises seien die PKW-Lieferungen auch nicht nach § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei.

20

Überdies sei die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien nicht steuerfrei, weil die von der B angegebene Lieferanschrift der Wohnungsanschrift ihres Geschäftsführers entspreche und erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der (hochwertige) PKW tatsächlich dorthin transportiert worden sei. Eine Steuerfreiheit scheide auch deshalb aus, weil die B keine Erwerbe der Klägerin versteuert habe, dies jedoch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 775, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 1145) bei fehlendem Buch- und Belegnachweis Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sei. Dass der PKW in Spanien zugelassen worden sei, genüge nicht zum Nachweis der Steuerfreiheit. Dieser Nachweis erfordere nach dem BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27) sowie nach dem Urteil des Hessischen FG vom 19. Februar 2013  1 K 513/11 (nicht veröffentlicht) eine Zulassung auf den Abnehmer, die im Streitfall nicht vorliege. Die Gewährung von Vertrauensschutz scheide von vornherein aus, weil es schon wegen fehlerhafter Angaben zum Bestimmungsort und mangels Vorliegens eines ordnungsgemäßen Doppels einer Rechnung am erforderlichen Belegnachweis fehle. Hinzu komme, dass eine Identifizierung des Abnehmers nicht möglich sei, sodass auch die Klägerin nicht auf eine Erwerbsbesteuerung durch die B habe vertrauen können.

21

Die Belegnachweise seien für die PKW-Lieferung an die C auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Auslieferung entgegen der Angabe im CMR-Frachtbrief tatsächlich nicht an die Adresse der C, sondern an eine nahegelegene Tankstelle erfolgt sei. Fehle es an einem Belegnachweis, bedürfe es wegen des Beschlusses des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 einer tatsächlichen Erwerbsbesteuerung, deren Vorliegen hier aber unklar sei. Zudem stehe der Bestimmungsort wegen des Widerspruchs zwischen den Belegnachweisen und den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht objektiv zweifelsfrei fest. Da die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht vollständig nachgekommen sei, seien die Lieferungen auch nicht im Rahmen der Vertrauensschutzregelungen steuerfrei.

22

Das FA beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Umsätze aus Fahrzeuglieferungen an die A, die B und die C betrifft, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

23

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

24

Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen und macht u.a. geltend, die berichtigten Rechnungen wirkten nach dem BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03 (BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634) auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zurück.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Revision ist teilweise begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die PKW-Lieferung an die B zu Unrecht als steuerfrei behandelt; das Urteil war aufzuheben und die Klage neben der hier nicht streitigen PKW-Lieferung auch insoweit abzuweisen. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg, weil das FG hinsichtlich der PKW-Lieferungen an die A und an die C zu Recht von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen ist.

26

1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG), wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG).

27

2. Die PKW-Lieferungen an die A sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

28

a) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

29

Diese Voraussetzungen liegen für die PKW-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit --anders als es das FA meint-- den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 1. bzw. 20. Februar 2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, Rz 44, m.w.N.) fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht.

30

aa) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

31

bb) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Hinweis auf die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A jeweils in den Rechnungen enthalten.

32

Das FG hat auf Seite 4 und 21 seines Urteils sowie durch Bezugnahme festgestellt, dass der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Teil der Abrechnung einen Verweis auf die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, die genaue Bezeichnung des gelieferten PKW einschließlich Marke, Fahrzeugtyp und Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie insbesondere neben dem Hinweis "Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung" auch die Versicherung, "dass der gekaufte Gegenstand in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich) befördert wird", enthielt. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit "Rechnung" überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen "Exportpreis netto: € 159.000,--" auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der PKW-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige PKW-Lieferung an die A. Da in dem mit "Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

33

cc) Der Senat weicht dadurch nicht von dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 ab. Denn in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt ließ sich --anders als nach den Feststellungen des FG in dem hier zu entscheidenden Verfahren-- nach den bindenden Feststellungen des FG nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung und nicht etwa um eine Lieferung aus einem Drittland oder um eine Lieferung in ein Drittland handelte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596, Rz 47).

34

dd) Weil die mit "Rechnung" bzw. "Anlage zur Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben.

35

b) Die Erwägungen des FG, die Klägerin habe i.S. von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 V B 126/07, BFH/NV 2009, 234, unter 2.; vom 28. September 2009 XI B 103/08, BFH/NV 2010, 73, unter 1.).

37

bb) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der von X gemachten Angaben zum Bestimmungsort auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin sich durch eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des X versichert habe und dass die Verwendung roter Fahrzeugkennzeichen anderer Händler ein branchenübliches Verhalten gewesen sei, das kein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Abnehmer begründen könne.

38

Diese Würdigung der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34, m.w.N.).

39

3. Für die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI hat das FG die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu Unrecht bejaht.

40

a) Es steht --entgegen der Auffassung des FG-- nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der PKW-Lieferung ungeklärt ist.

41

aa) Zwar ist die Ansicht des FG, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des PKW nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht (BFH-Urteil in BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht möglich ist.

42

bb) Indes geht das FG rechtsfehlerhaft davon aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob tatsächlicher Abnehmer die B oder aber eine namentlich nicht bekannte Person gewesen sei, die im Namen der B, aber ohne Vertretungsmacht aufgetreten sei.

43

Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17; V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15, jeweils m.w.N.).

44

Mithin vermag der Umstand, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die fehlende, zur zutreffenden Verlagerung der Steuereinnahmen jedoch notwendige Feststellung der Identität des Abnehmers nicht zu ersetzen.

45

b) Die Zulassung des PKW im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz 45; ferner BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 27).

46

c) Die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei anzusehen, weil die Klägerin die von ihr für die PKW-Lieferung an die B beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht --wie erforderlich-- entsprechend § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachgewiesen hat.

47

aa) Versendet der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UStDV). CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 23). Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).

48

bb) Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt, weil die Angaben in den Belegen widersprüchlich sind, was begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, BFH/NV 2012, 1006, Leitsatz 2).

49

Zudem fehlen --wie bereits ausgeführt-- Feststellungen dazu, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Die vollständige Erbringung des Beleg- und Buchnachweises verlangt jedoch auch Angaben zur Identität des Abholers (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 37).

50

4. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die PKW-Lieferung an die C aufgrund der Feststellungen des FG objektiv zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllte.

51

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG objektiv zweifelsfrei gegeben sind, obliegt im finanzgerichtlichen Verfahren der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO weitgehend entzogen ist (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 29 bis 31; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 28; in BFH/NV 2013, 596, Rz 56; Treiber in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a, Rz 87; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 108 Rz 90; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. April 1995 V R 2/94, BFH/NV 1996, 184, unter II.1.b, zur Ausfuhrlieferung).

52

b) Demnach ist aufgrund der bindenden Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Klägerin den PKW an die C in das übrige Gemeinschaftsgebiet lieferte und diese den PKW im Rahmen ihres Unternehmens erwarb.

53

aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des FG, die C sei die Abnehmerin des PKW gewesen und der PKW sei nach Z in Österreich gelangt.

54

Das FG ist insoweit nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Geschäftsführer der Klägerin den PKW nach Österreich auf einem Anhänger der Klägerin transportiert habe, weil der Abnehmer der C keine Überführung "auf eigenen Rädern" gewünscht habe. Zudem hat es die von der Klägerin vorgelegten Belege dahingehend gewürdigt, dass die Unterschriften auf der vorliegenden Passkopie und auf anderen im Zusammenhang mit der Lieferung stehenden Dokumenten, die mit einem Stempel der C und einem Namenszug versehen seien, eine Ähnlichkeit aufwiesen, die mit der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin im Einklang stehen würden, Herr N habe als Geschäftsführer der C das gelieferte Fahrzeug selbst in I besichtigt und übernommen.

55

Diese Würdigungen der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, sind möglich und verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Folglich binden sie den Senat.

56

Die gegen diese Feststellungen vom FA vorgebrachten Einwände sind nach § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich. Denn soweit es vorträgt, die Belegangaben würden der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin widersprechen, setzt es lediglich seine Meinung an die Stelle der --im Streitfall möglichen-- Würdigung des FG.

57

bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die --in Bezug auf die Unternehmereigenschaft der C mögliche und weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßende-- Würdigung des FG, für eine Zwischenhändlerin wie die C sei es nicht ungewöhnlich, dass sie über eine kleine, nicht einsehbare Halle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von PKW sowie über ein Büro in einer Wohnung verfüge.

58

cc) Schließlich geht das FG ohne Rechtsfehler davon aus, die C sei aufgrund der umfangreichen innergemeinschaftlichen Erwerbe und innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegen der Einschätzung der österreichischen Behörden wirtschaftlich tätig gewesen.

59

Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung. Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 20, m.w.N.). Sofern die Annahme der österreichischen Behörden, es handele sich bei C um eine Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit, darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Österreich nicht anmeldete, begründet dies allein --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft. Diese Zweifel ergeben sich auch nicht aus den übrigen von den österreichischen Behörden angeführten Umständen, wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt hat (FG-Urteil, S. 26).

60

Entgegen der Auffassung des FA ist daher nicht davon auszugehen, es handele sich bei der C um ein Scheinunternehmen. Damit steht zugleich fest, dass ein Sonderfall, bei dem das Recht des Objektivnachweises einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht besteht --wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Leitsatz)--, im Streitfall nicht vorliegt.

61

dd) Demnach sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a UStG gegeben. Dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines PKW in Österreich --wie es zudem für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG Voraussetzung ist-- den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

62

ee) Dass die Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat tatsächlich besteuert werden, ist --entgegen der Auffassung des FA-- für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erforderlich (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 69 ff.; BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 21/11, BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 18, m.w.N.). Das Erfordernis einer tatsächlichen Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat stünde im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die bewusst auf eine solche innere Verknüpfung verzichtet hat (vgl. EuGH-Urteil --Teleos u.a.-- in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 70). Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht daher der Steuerbefreiung nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 19).

63

ff) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA genannten Beschluss des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145. Der vom FA begehrten Auslegung, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG verlange bei fehlendem Nachweis der Steuerfreiheit die tatsächliche Erwerbsbesteuerung, steht das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung entgegen.

64

Das BVerfG hat in Rz 60 seines Beschlusses in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 lediglich ausgeführt, dass es innerhalb des Rahmens möglicher Wortlautauslegung zu § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG liege, die tatsächliche Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Abnehmer zu verlangen. Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, jedoch das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 42). Da nach dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung --wie ausgeführt-- die tatsächliche Erwerbsbesteuerung keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kann der möglicherweise anders zu interpretierende Wortlaut einer nationalen Vorschrift allein kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen.

65

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

66

Da die Revision des FA teilweise Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. April 2014 XI R 24/13, BFHE 245, 66, BFH/NV 2014, 1289, Rz 38, m.w.N.).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Jahren 2001 und 2002 (Streitjahre) u.a. den Handel mit hochpreisigen PKW. Die Klägerin führte u.a. folgende Lieferungen aus:

2

1. Die Klägerin rechnete im Jahr 2001 Lieferungen in Höhe von 1.678.601 DM und im Jahr 2002 in Höhe von 193.433 € gegenüber der Firma A ab. A wurde in der Italienischen Republik (Italien) als Steuerpflichtige geführt. Der Klägerin lag ein Handelsregisterauszug der A und eine Ausweiskopie des Geschäftsführers der A, FS und eines IM vor, der zugleich Prokurist eines anderen italienischen Unternehmens (D) war. Der Sitz der A befand sich am Wohnsitz des FS. Die Klägerin zeichnete die im Jahr 2001 gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A buchmäßig auf und erteilte der A Rechnungen ohne gesonderten Steuerausweis. Die Rechnungen enthielten keinen Hinweis auf die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen.

3

A hat in Italien keine innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt. Im April 2002 gab FS gegenüber den italienischen Steuerbehörden an, dass die über A getätigten Fahrzeugerwerbe "in der italienischen Region …" erfolgt seien. Er, FS, habe lediglich eine Provision in Höhe von 500.000 Italienischen Lire erhalten.

4

Schriftliche Unterlagen zu den Fahrzeugbestellungen liegen nicht vor. Die Fahrzeuge wurden jeweils bei der Klägerin abgeholt und in bar oder per Scheck bezahlt. Als Abholer traten IM sowie die Herren AL, FP und EO auf, die jeweils Übernahmebestätigungen und eine Versicherung, dass die Fahrzeuge nach Italien "exportiert" werden, unterschrieben haben sollen. Für IM ist eine Vollmacht der A vorhanden. Die Unterschrift des IM auf der Ausweiskopie weist keine Ähnlichkeit mit den Unterschriften auf den Übernahmebestätigungen auf. Für AL legte die Klägerin im Laufe des Verfahrens eine Ausweiskopie vom 3. Juli 2004 vor. Für EO reichte die Klägerin eine Ausweiskopie ein, auf der die Anschrift nicht erkennbar ist. Für FP sind keine weiteren Angaben vorhanden.

5

2. Die Klägerin rechnete am 12. November 2001 gegenüber der R mit Sitz in Italien eine Lieferung eines PKW in Höhe von 54.467,10 € ab. Eine Durchschrift der Rechnung liegt nicht vor. Die Klägerin verfügt über einen Handelsregisterauszug der R, nach dem Frau PC vertretungsberechtigt war, sowie eine Ausweiskopie der PC. Aufgetreten für R ist eine Frau MS, die per Fax mitteilte, an welche Anschrift die Rechnung erteilt werden soll. Bestellunterlagen liegen nicht vor. Auf einer Übernahmebestätigung wird der "Export" nach Italien bescheinigt. Wer diese unterzeichnet hat, ist nicht bekannt.

6

Nach Ermittlungen der italienischen Strafverfolgungsbehörde ist R eine "Scheinfirma", die zum Zwecke des Umsatzsteuerbetrugs eingeschaltet worden sei.

7

3. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002 an die C die Lieferung von drei PKW Mercedes zum Gesamtpreis von 145.400 €. Die Klägerin wies gegenüber C keine Umsatzsteuer aus; einen Hinweis auf die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen enthalten die Rechnungen nicht. Die Klägerin verfügt außerdem über einen Handelsregisterauszug der C sowie eine Ausweiskopie des Geschäftsführers der C, SG. Die Klägerin übermittelte die Bestellungen bzw. Auftragsbestätigungen per Telefax an eine nicht bekannte Nummer und erhielt diese mit einem Firmenstempel der C und einer Unterschrift zurück; die Telefaxnummer wurde dabei unterdrückt. Die PKW wurden per Spedition nach Italien versendet. Auf den CMR-Versendungsbelegen ist dagegen als Empfängerin die Z mit Sitz in Italien angegeben.

8

Die C, die über eine italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügte und in Italien als Steuerpflichtige geführt wurde, erklärte in Italien keine innergemeinschaftlichen Erwerbe.

9

4. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002 Fahrzeuglieferungen an die W zu einem Gesamtpreis von 195.000 €. Rechnungsdurchschriften befinden sich nicht bei den Akten. Die von der Klägerin aufgezeichnete italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer wurde nicht der W, sondern der italienischen Firma Y zugeteilt. Die auf den Rechnungen an W verwendete Anschrift war in der Zeit von November 2001 bis Mai 2002 die Anschrift der Y. Die Klägerin verfügt über keine Unterlagen zu W. Bestellunterlagen sind auch nicht mehr vorhanden. Die Fahrzeuge wurden abgeholt. Die Identität der Abholer ist unbekannt, die Unterschriften auf den Abnehmerversicherungen, in denen der beabsichtigte Transport "nach Italien" bescheinigt wurde, unleserlich.

10

5. Die Klägerin berechnete im Jahr 2002  15 PKW-Lieferungen zu einem Gesamtpreis von 1.192.450 € an die Firma B. B wurde in Italien als Steuerpflichtige geführt und verfügte über eine italienische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die italienischen Steuerbehörden haben mitgeteilt, dass B ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden sei, um als erste italienische Erwerberin zu "fungieren" und die Umsatzsteuer auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe in Italien zu hinterziehen.

11

Die Klägerin wies in den Rechnungen an B keine Umsatzsteuer aus; einen Hinweis auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) enthielten die Rechnungen nicht. Die Klägerin verfügt über einen Handelsregisterauszug der B und eine Ausweiskopie des Geschäftsführers RR. Bestellunterlagen sind nicht mehr vorhanden. Sämtliche Fahrzeuge wurden bei der Klägerin abgeholt, und zwar von IM, EO sowie den Herren AM, GS und AG. Die Klägerin verfügt über eine Ausweiskopie des IM, deren Unterschrift keine Ähnlichkeit mit den Unterschriften auf den Abholbestätigungen aufweist. Auf den Ausweiskopien des AM und des EO ist deren Wohnsitz nicht ersichtlich. Die Anschrift des AG ist auf dessen Ausweiskopie unleserlich. Die für AM, GS, AG und EO ausgestellten Vollmachten der B beziehen sich auf andere Fahrzeuge als die jeweilige Übernahmebestätigung; das in der Vollmacht des AM genannte Fahrzeug wurde von der Klägerin an die X mit Sitz in Italien geliefert.

12

Sämtliche unter 1. bis 5. genannten PKW wurden innerhalb weniger Wochen bzw. Monate in Italien zugelassen.

13

Die Klägerin behandelte in ihren Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2001 vom 26. Februar 2003 und für das Jahr 2002 vom 26. Februar 2004 die genannten Lieferungen als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) folgte dem nach Durchführung mehrerer Außenprüfungen nicht, sondern sah sämtliche Umsätze in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre, zuletzt vom 9. November 2006, als steuerpflichtig an. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

14

Ein gegen die Geschäftsführer der Klägerin eingeleitetes Strafverfahren wurde am 14. September 2010 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.

15

Im Rahmen des Klageverfahrens übergab die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dem Finanzgericht (FG) u.a. ein Merkblatt "Autoselbstimport aus der EU" des Europäischen Verbraucherzentrums Italien.

16

Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es vertrat die Auffassung, sämtliche Umsätze der Klägerin seien im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Die Klägerin habe die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG jeweils nicht nachgewiesen. Der Buch- und Belegnachweis sei nicht geführt. Es stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG erfüllt seien. Allein der Umstand, dass sämtliche PKW in Italien zugelassen worden seien, genüge --entgegen der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 28. Juni 2012  6 K 2615/09 (juris)-- nicht. Hinsichtlich der Lieferungen an B führte das FG auf Seite 20 des Urteils weiter aus, es sei außerdem davon überzeugt, dass die Klägerin an der von der Hinterziehung der Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat mitgewirkt oder zumindest davon Kenntnis gehabt habe. Auf Seite 21 bezog das FG in diese Würdigung das von der Klägerin vorgelegte Merkblatt mit ein.

17

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, zur Fortbildung des Rechts und wegen Verfahrensfehlern zuzulassen.

18

Einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung, mit dem die Klägerin u.a. begehrte, den Tatbestand dahingehend zu berichtigen, dass die von der Klägerin vorgelegte Broschüre erstmals im Jahr 2006 herausgegeben worden sei, gab das FG mit Beschluss vom 21. Mai 2013 insoweit statt, als es den Tatbestand dahingehend ergänzte, dass die Broschüre des Europäischen Verbraucherzentrums Italien den Stand Oktober 2006 hat. Dafür, dass die Broschüre erstmals im Jahr 2006 herausgegeben worden sei, gebe es jedoch keine Anhaltspunkte.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

20

1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

21

a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes Gericht (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 69; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 172 ff.). Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. November 2013 XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366; vom 8. Januar 2014 XI B 120/13, BFH/NV 2014, 686). Befindet sich das FG aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, kommt es auf eine (mögliche) Abweichung von dem Urteil eines anderen FG nicht mehr an (BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 2013 X B 15/13, BFH/NV 2013, 1609; vom 19. August 2013 X B 44/13, BFH/NV 2013, 1672, m.w.N.). Eine Divergenz kann nur in Bezug auf ein Urteil geltend gemacht werden, das im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht durch neuere höchstrichterliche Rechtsprechung überholt ist (BFH-Beschluss vom 23. September 2011 IX B 91/11, BFH/NV 2012, 58).

22

b) Gemessen daran liegen die zahlreichen von der Klägerin gerügten Abweichungen nicht vor.

23

aa) Soweit die Klägerin unter C.I. der Beschwerdebegründung geltend macht, das FG sei von dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2012  6 K 2615/09 (juris) abgewichen, ist dies zwar ausweislich der Urteilsgründe (Seite 16) zutreffend; das FG befindet sich damit aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Durch das BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11 (BFH/NV 2013, 1453, Rz 45) ist nämlich geklärt, dass sich aus der Zulassung eines Fahrzeugs nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat ergibt, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird. Davon ist auch das FG ausgegangen, indem es auf Seite 16 des Urteils ausgeführt hat, die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat besage über den Lieferweg und die Lieferkette nichts.

24

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Abweichung von den BFH-Urteilen vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27), vom 17. Februar 2011 V R 28/10 (BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448) sowie den Urteilen des Niedersächsischen FG vom 23. April 2009  16 K 261/05 (juris) und des FG Baden-Württemberg vom 20. Juli 2011  14 K 4282/09 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2203) rügt, liegt diese aus denselben Gründen ebenfalls nicht vor.

25

Auch der von der Klägerin beiläufig angeführte § 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der seit 1. Oktober 2013 geltenden Fassung verlangt übrigens --anders als die Klägerin meint-- einen Nachweis über die Zulassung des Fahrzeugs auf den Erwerber, an der es im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG fehlt.

26

bb) Soweit die Klägerin unter C.I.2. der Beschwerdebegründung geltend macht, das FG habe seiner Entscheidung folgenden Rechtssatz zugrunde gelegt: "Der Nachweis der Identität des wahren Abnehmers ist eine unabdingbare Voraussetzung der Steuerfreiheit. Handelt ein Unternehmer als Strohmann nur zum Schein im eigenen Namen, so ist dessen Hintermann Abnehmer ...", ist eine Abweichung bereits nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt: Die von der Klägerin auf Seite 9 der Beschwerdebegründung zitierten Passagen des Urteils enthalten allesamt keine Rechtssätze, sondern das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung des FG. Für die Annahme einer Divergenz reichen aber weder eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung noch eine (angeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 XI B 89/11, BFH/NV 2013, 778; vom 20. März 2013 IX B 154/12, BFH/NV 2013, 1239).

27

Überdies ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraussetzt, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist und für die Bestimmung des Leistungsempfängers sog. Scheingeschäfte (§ 41 der Abgabenordnung) ohne Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15 und 17; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17 und 19, jeweils m.w.N.). Das FG konnte sich vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens --aufgrund tatsächlicher Ungereimtheiten und Widersprüche-- nicht davon überzeugen, dass die von der Klägerin angegebenen Personen jeweils die tatsächlichen Abnehmer seien, so dass es bereits an der erstgenannten Voraussetzung fehle.

28

cc) Der Vortrag unter C.I.3. der Beschwerdebegründung, aus den Ausführungen des FG auf Seite 19 und 20 des Urteils ergebe sich, dass das FG den allgemeinen Rechtssatz aufgestellt habe, "dass von einem fehlerhaften Buch- und Belegnachweis auf die Kenntnis der Steuerhinterziehung durch den Erwerber geschlossen werden kann und diese Kenntnis einer Verschleierung der Identität des Abnehmers den Rechtsfolgen im Sinne der Entscheidung des [Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom] 7. Dezember 2010 C-285/09" --R-- (Slg. 2010, I-12605, Umsatzsteuer-Rundschau –-UR–- 2011, 15) "gleichsteht", hat das FG auch diesen abstrakten Rechtssatz schon gar nicht aufgestellt.

29

(1) Zunächst hat das FG --bezüglich der unter I.3. genannten Lieferungen an C-- auf Seite 19 des Urteils aus der fehlenden Aufzeichnung von Kontaktdaten gar nicht auf eine "Kenntnis der Steuerhinterziehung" geschlossen, sondern --u.a.-- daraus abgeleitet, dass Zweifel bestehen, dass C der Besteller der unter I.3. genannten Fahrzeuge gewesen sei und es nicht unwahrscheinlich sei, dass die Bestellung der Fahrzeuge nicht von C erfolgt sei.

30

(2) Ebenso wenig hat das FG diesen Rechtssatz auf Seite 20 des Urteils aufgestellt, sondern aus den von ihm dort genannten "zahlreichen Unstimmigkeiten und Widersprüchen" in Bezug auf die unter I.5. genannten Lieferungen an B den Schluss gezogen, dass die Klägerin zumindest Kenntnis von der Hinterziehung der Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gehabt habe.

31

(3) Die Klägerin wirft dem FG mit ihrem Vorbringen im Kern eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung, fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls und Subsumtionsfehler vor, was --wie unter II.1.b bb dargelegt-- für die Zulassung einer Revision wegen Divergenz nicht ausreicht.

32

(4) Soweit die Klägerin auch in diesem Zusammenhang auf Seite 14 der Beschwerdebegründung vorbringt, es sei "für einen Fall wie dem vorliegenden noch nicht entschieden, dass bei Erfüllung der objektiven Voraussetzungen (Nachweis des körperlichen Gelangens der Fahrzeuge durch zeitnahe amtliche Zulassungen und Auftreten des Abnehmers im Außenverhältnis ersichtlich als Leistungsempfänger), der Lieferant aber ggf. hätte erkennen können, dass der Abnehmer seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen ebenfalls nicht zu gewähren ist", liegt eine solche Situation im Streitfall schon tatsächlich nicht vor: Erstens hat die Klägerin nach der tatsächlichen Würdigung des FG die objektiven Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt und zweitens hat das FG angenommen, dass die Klägerin zumindest Kenntnis von der Steuerhinterziehung hatte.

33

2. Den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) hat die Klägerin bereits nicht hinreichend dargelegt.

34

a) Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. August 2013 X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761; vom 1. April 2014 V B 45/13, BFH/NV 2014, 1104, Rz 11).

35

Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. BFH-Beschluss vom 11. November 2008 XI B 17/08, BFH/NV 2009, 429; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 147). Dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (BFH-Beschluss vom 13. November 2012 II B 123/11, BFH/NV 2013, 255, m.w.N.). Zur Darlegung des Zulassungsgrunds muss der Beschwerdeführer substantiiert ausführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2012 III B 78/12, BFH/NV 2013, 39). Hierzu muss sich die Beschwerde u.a. mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2012 IV B 13/11, BFH/NV 2012, 963).

36

Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil der BFH grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 2013 X B 84/12, BFH/NV 2013, 771; vom 20. Februar 2014 XI B 85/13, BFH/NV 2014, 828).

37

b) Soweit der Vortrag der Klägerin auf Seite 14 zweiter Absatz der Beschwerdebegründung sich auf den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts bezieht, ist dieser Zulassungsgrund schon deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil der von der Klägerin behauptete Sachverhalt nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall nicht gegeben ist.

38

c) Die Klägerin macht unter C.I.3.b der Beschwerdebegründung weiter geltend, zu dem "hier einschlägigen Fall der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO mangels objektiver Beweise für eine aktive Mitwirkung an der Steuerhinterziehung des Abnehmers" sei "noch kein Urteil ergangen, das die Anwendbarkeit der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache --R--" (in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15) bestätige. Eine Entscheidung des BFH diene deshalb der Rechtsfortbildung vor allem auch im Hinblick auf die Abgrenzung von Umsatzsteuerrecht und Strafrecht. Außerdem stelle sich die grundsätzliche Frage nach der Grenzziehung zwischen den Risikosphären des liefernden Steuerpflichtigen und der jeweiligen Steuergläubiger. Nach Ansicht des EuGH sei es gerechtfertigt, denjenigen, der sich aktiv an einer Straftat eines anderen beteilige, in Durchbrechung des vom Grundsatz der Territorialität getragenen Bestimmungslandprinzips in Anspruch zu nehmen. Es sei fraglich, ob nach dem EuGH-Urteil --R-- (in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15) "eine derartige systemwidrige Besteuerung auch gerechtfertigt ist, wenn dem Steuerpflichtigen eigenes Fehlverhalten im Hinblick auf den Steueranspruch des Bestimmungslandes nicht zur Last gelegt werden kann".

39

d) Dies genügt auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen im Schreiben vom 25. Juli 2013 zur Darlegung in mehrfacher Hinsicht nicht:

40

aa) So fehlt jeglicher Vortrag dazu, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist.

41

bb) Auch setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend mit der Folgerechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinander.

42

cc) Überdies legt die Beschwerde nicht dar, dass ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, bei dem es auf die Beantwortung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage überhaupt ankommt. Dies ist hier nach den tatsächlichen Feststellungen nicht der Fall. In der Rechtssache --R-- hatte eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen tatsächlich stattgefunden und die Steuerbefreiung wurde "nur" deshalb versagt, weil der Lieferer bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hatte, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (vgl. EuGH-Urteil --R-- in Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 51 und Tenor; BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 19/10, BFHE 235, 50, BStBl II 2012, 156, Rz 22; V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 22; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 26; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 2011  1 StR 41/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 332, Rz 21). Im Streitfall ist das FG jedoch bereits auf Seite 16 des Urteils für alle Lieferungen, auch die unter I.5. genannten Lieferungen, davon ausgegangen, dass der Buch- und Belegnachweis nicht geführt sei und nicht objektiv zweifelsfrei feststehe, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Darstellung der Klägerin auf Seite 15 der Beschwerdebegründung steht insoweit mit der tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG nicht in Einklang.

43

3. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Die Behauptung unter C.II., das FG habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen und seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildet, trifft nicht zu.

44

a) Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. April 2014 XI B 89/13, BFH/NV 2014, 1228, m.w.N.).

45

aa) Insbesondere sind der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 2012 VI B 138/11, BFH/NV 2012, 970; vom 21. August 2013 III B 122/12, BFH/NV 2013, 1798). Das FG verletzt seine Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Berücksichtigung des Streitstoffs, wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache oder einen bestimmten Tatsachenvortrag erkennbar unberücksichtigt lässt, obwohl dieser auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sein kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2013 IX B 1/13, BFH/NV 2013, 1624; vom 30. Juli 2013 IV B 107/12, BFH/NV 2013, 1928).

46

bb) Die Rüge eines derartigen Verfahrensmangels setzt die Darlegung voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen des Beteiligten nicht entspreche oder eine aus den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen habe (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Dezember 2012 X B 209/11, BFH/NV 2013, 722; vom 6. März 2013 X B 165/12, BFH/NV 2013, 954). Die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt haben soll, müssen genau bezeichnet und die sich daraus ergebenden wesentlichen Tatumstände benannt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303; vom 12. Oktober 2012 III B 212/11, BFH/NV 2013, 78, jeweils m.w.N.).

47

cc) Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint; insoweit könnte es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler handeln, nicht indes um einen Verfahrensverstoß (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2006 VIII B 113/05, BFH/NV 2006, 803; vom 27. September 2007 XI B 194/06, BFH/NV 2008, 87; vom 16. Dezember 2013 III S 23/13 (PKH), BFH/NV 2014, 553). Selbst Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze sind in der Regel materiell-rechtliche Fehler und können nicht als Verfahrensmangel gerügt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Juni 2012 X B 1/12, BFH/NV 2012, 1616; vom 19. September 2013 III B 47/13, BFH/NV 2014, 72).

48

b) Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang zunächst geltend, das FG habe den Akteninhalt dadurch unvollständig berücksichtigt, dass es lediglich erwähnt habe, dass das Strafverfahren gegen die Geschäftsführer der Klägerin gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Indem das FG ausgeführt habe, zur Überzeugung des FG stehe fest, dass die Klägerin an der Hinterziehung der Erwerbsbesteuerung mitgewirkt habe oder zumindest Kenntnis von ihr gehabt habe, stehe das FG in offenem Widerspruch zu den staatsanwaltlichen Ermittlungserbnissen.

49

Unabhängig davon, ob die Klägerin mit diesem Vortrag bereits die Darlegungserfordernisse nicht erfüllt hat, weil sie die Aktenteile nicht genau bezeichnet hat, liegt darin schon deshalb kein Verfahrensfehler des FG, weil das FG die Einstellung des Strafverfahrens --wie sich aus der Erwähnung im Urteil ergibt-- zur Kenntnis genommen und lediglich anders gewürdigt hat als die Klägerin. Eine Bindungswirkung des Strafverfahrens für das Besteuerungsverfahren besteht insoweit nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Februar 2001 IV B 162/99, BFH/NV 2001, 890, zur Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO; BFH-Urteil vom 18. April 2013 V R 19/12, BFHE 241, 446, BStBl II 2013, 842, zu strafgerichtlichen Urteilen; zur eigenständigen Prüfungskompetenz der Steuerhinterziehung durch die Gerichte bei der Überprüfung von Steuerbescheiden s. auch EuGH-Urteil vom 13. Februar 2014 C-18/13 --Maks Pen--, Mehrwertsteuerrecht 2014, 197, m. Anm. Grube, Rz 38). Zuletzt wäre auch hier --wie unter II.2.d dargelegt-- ein etwaiger Verfahrensfehler des FG nicht entscheidungserheblich, weil das FG die Steuerbefreiung bereits aus anderen Gründen versagt hat. Hat ein FG sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, ist hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form geltend zu machen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. März 2014 V B 18/13, nicht veröffentlicht, m.w.N.), woran es in Bezug auf die Begründung auf Seite 16 des Urteils, die auch die unter I.5. genannten Lieferungen umfasst, fehlt.

50

c) Aus denselben Gründen greift auch die Rüge der Klägerin nicht durch, das FG habe zu Unrecht das Merkblatt "Autoselbstimport aus der EU" des Europäischen Verbraucherzentrums Italien berücksichtigt. Auch dies ist aufgrund der Ausführungen auf Seite 16 des Urteils auf Basis der Rechtsauffassung des FG nicht entscheidungserheblich.

51

Im Übrigen steht die Behauptung, die Broschüre sei erstmals im Jahr 2006 (und damit nach den Streitjahren) aufgelegt worden, mit den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht in Einklang. Das FG hat auf Seite 21 seines Urteils --in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2013-- lediglich festgestellt, dass die von der Klägerin vorgelegte Broschüre den Stand Oktober 2006 hat. Für die Behauptung der Klägerin, dass die Herausgabe erstmals im Jahr 2006 erfolgt sei, hat das FG --ausweislich der Ausführungen auf Seite 3 des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2013 unter II.5.-- keine Anhaltspunkte feststellen können.

52

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

53

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 318/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. März 2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
der Angeklagte H. persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 5. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung zu Geldstrafen von 300 Tagessätzen zu je 220 Euro (Angeklagter K. ) bzw. 120 Euro (Angeklagter H. ) verurteilt. Zudem hat es ausgespro- chen, dass wegen einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung von den verhängten Geldstrafen jeweils 60 Tagessätze als verbüßt gelten. Im Übrigen hat es die Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern für Drucker zugunsten der I. GmbH freigesprochen.
2
Die Angeklagten wenden sich mit ihren Revisionen gegen die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Sie machen ein Verfahrenshindernis geltend und rügen im Übrigen die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Zudem haben sie jeweils sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen auf die Strafaussprüche beschränkt, die sie für nicht mehr schuldangemessen mild hält.
3
Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Die vom Generalbundesanwalt jeweils teilweise vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten führen - bei unwirksamer Rechtsmittelbeschränkung der Staatsanwaltschaft - jeweils bereits auf die Sachrüge zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils zugunsten der Angeklagten, die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowohl zulasten als auch zugunsten der Angeklagten (§ 301 StPO). Einer Erörterung der von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht mehr. Der Teilfreispruch ist gegenstandslos und entfällt.

A.

Urteilsgründe des angefochtenen Urteils

I.

4
Abgeurteilt ist die in Mittäterschaft beider Angeklagter begangene Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. GmbH (im Folgenden: I. ), die wegen des Vorliegens einer umsatzsteuerlichen Organschaft beim Organträger, der IP. AG (im Folgenden: IP. ) zu einer Steuerverkürzung geführt habe. Das Landgericht ist der Ansicht, dass diese Steuererklärung als Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe. Der Angeklagte K. war zur Tatzeit Vorstandsvorsitzender der IP. , der Angeklagte H. Geschäftsführer der I. .
5
Der Wertung, dass die für die I. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 unrichtig gewesen sei, liegt die Feststellung zugrunde, dass die I. italienische und spanische „Missing Trader“ beliefert habe, was den Angeklagten bei Abgabe dieser Steuererklärung ebenso bekannt gewesen sei wie der Umstand, dass diese innergemeinschaftlichen Lieferungen wegen missbräuchlichen Verhaltens nicht umsatzsteuerbefreit und daher als steuerpflichtig anzumelden gewesen seien.

II.

6
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt:
7
1. Seit dem 25. August 2000 hielt die IP. alle Geschäftsanteile an der B. GmbH (im Folgenden: B. ), die wiederum seit dem 22. Dezember 2000 sämtliche Anteile an der I. hielt. Vorstandsvorsitzender der IP. war der Angeklagte K. ; Geschäftsführerin der I. war zunächst im Zeitraum vom 17. April 2001 bis zum 15. Dezember 2001 A. (UA S. 13). Der Angeklagte H. übernahm am 16. Dezember 2001 die Geschäftsführung der I. . Leitungsaufgaben hatte er - im Vorgriff auf seine Geschäftsführerbestellung - allerdings bereits schon kurz zuvor wahrgenommen (UA S. 20). Seine Bestellung wurde am 16. Januar 2002 ins Handelsregister eingetragen (UA S. 20). Dem früheren Mitangeklagten O. , der bis zum 8. April 2003 Vorstandsmitglied der IP. war (UA S. 12), wurde bei der I. am 9. Mai 2001 (UA S. 13) und bei der B. am 13. Juni 2001 (UA S. 13) Einzelprokura erteilt.
8
Nach der Vornahme von Umstrukturierungen gliederte die IP. sowohl die B. als auch die I. organisatorisch, finanziell und wirtschaftlich „in den Konzern“ ein. Die IP. erledigte dabei sämtliche Buchhaltungsarbeiten für die I. . Nachdem das Finanzamt deswegen zunächst für die Zeit ab 1. Januar 2002 das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) aller drei Gesellschaften mit der IP. als Organträger angenommen hatte, teilte es am 28. Mai 2003 der I. mit, dass es nun bereits für die Zeit ab 1. Juni 2001 vom Vorliegen einer Organschaft ausgehe. Nach den Feststellungen war der Angeklagte K. kein faktischer Geschäftsführer der I. ; er war in das operative Geschäft der I. nicht eingebunden, nahm keinen Einfluss darauf und erteilte den jeweiligen Geschäftsführern im operativen Geschäftsfeld auch keine Anweisungen (UA S. 21).
9
Die I. übernahm für den IP. -Konzern den internationalen Vertrieb von Computerkomponenten. In der am 15. April 2001 eröffneten Niederlassung in Ol. wurde das sog. Trading betrieben (UA S. 18). Dorthin wechselte im April 2001 ein Großteil der Belegschaft des Vertriebsbüros der ehemaligen Firma S. in E. , die nach Durchsuchungen wegen des Verdachts der Beteiligung an Umsatzsteuerhinterziehungen italienischer und spanischer Firmen insolvent geworden war (UA S. 15 f.).
10
Bereits bei seinen Einstellungsverhandlungen hatte der Angeklagte H. den Angeklagten K. darüber informiert, dass gegen ihn im Hinblick auf seine Tätigkeit bei der Firma S. ein Ermittlungsverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung anhängig sei, weil Abnehmer der FirmaS. als „Missing Trader“ verdächtigt würden. Beide Angeklagtewaren sich darüber einig, dass die verdächtigten Firmen, die sich aus Durchsuchungsbeschlüssen ergaben, nicht von der I. beliefert werden sollten (UA S. 19). Außerdem kamen sie überein, dass zur Vermeidung der Einbeziehung der I. in ein Umsatzsteuerkarussell oder der Belieferung von „Missing Tradern“ Maßnahmen zu ergreifen seien. Deshalb sollten die Seriennummern der „durchlaufenden Waren“ in das Warenwirtschaftssystem aufgenommen werden. Zudem sollten u.a. eine Auskunftsdatei zur Überprüfung der Kunden angelegt und deren Umsatzsteueridentifikationsnummer vor jedem Geschäft überprüft werden (UA S. 19). Anhand der vorhandenen Daten sollte tagesaktuell das Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG durchgeführt werden (UA S. 22).
11
2. Die Niederlassung der I. in Ol. belieferte im Veranlagungszeitraum 2001 u.a. die italienischen Firmen T. und F. sowie die spanischen Firmen M. , U. und C. (UA S. 24). Bei diesen Firmen handelte es sich ausnahmslos um sog. „Missing Trader“, die als „Scheingesellschaften“ nur zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung „zwischengeschaltet“ worden waren, um den wirklichen Abnehmern einen Vorsteu- erabzug (aus Rechnungen über Inlandslieferungen) zu ermöglichen. Sie ver- kauften die Waren an die wirklichen italienischen und spanischen Abnehmer weiter und wiesen in den diesbezüglichen Ausgangsrechnungen die italienische bzw. spanische Umsatzsteuer aus. Die Abnehmer machten aus diesen Rechnungen gegenüber den Finanzbehörden Vorsteuern geltend. Demgegenüber führten die genannten „Missing Trader“ die bei ihnen anfallende Umsatzsteuer zu keiner Zeit ab. Sie waren jeweils nur wenige Monate am Markt tätig.
12
Gegenüber der I. offenbarten die „Missing Trader“ ihre Abnehmer nicht. Allerdings nahmen die bei der I. tätigen Vertriebsmitarbeiter bereits im Zeitpunkt der einzelnen Lieferungen in Kauf, dass die im jeweiligen Bestimmungsland vorgesehene Umsatzbesteuerung durch Verschleierungsmaßnahmen und falsche Angaben gezielt umgangen werden sollte, um den tatsächlichen Abnehmern einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen. Sie nahmen weiter in Kauf, dass diese „missbräuchliche Praxis“ bei innergemeinschaftlichen Lieferungen keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG auslöste (UA S. 6). Ihnen war bewusst, dass sie sich an einem Umsatz beteilig- ten, der in eine „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogen war, und billigten dies stillschweigend (UA S. 39). Dabei wirkten sie kollusiv mit den Verantwortli- chen der „Missing Trader“ zusammen, um die Hinterziehung der im Bestim- mungsland geschuldeten Umsatzsteuern zu ermöglichen (UA S. 8). Der Umsatz mit den genannten Firmen belief sich im Jahr 2001 auf insgesamt 23.703.416,48 Euro, davon entfielen nur 58.438,10 Euro auf die Zeit bis zum 31. Mai 2001 (UA S. 6).
13
3. In den Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2001 für die I. wurden die Umsätze aus den verfahrensgegenständlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen - vorbereitet „durch die Mitarbeiter der Buchhaltung der IP. “ - als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG erklärt (UA S. 55).
14
4. Spätestens seit der Durchsuchung der Geschäftsräume der IP. und der I. am 3. Dezember 2002 und der dabei erfolgten Bekanntgabe der Einleitung von Steuerstrafverfahren wegen falscher Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahr 2001 rechneten beide Angeklagte damit, dass die I. „Mis- sing Trader“ beliefert hatte und insoweit keine Umsatzsteuerbefreiungen in An- spruch nehmen konnte. Ihnen kam es aber darauf an, durch Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für das Jahr 2001 das beim Finanzamt Landshut anhängige Besteuerungsverfahren möglichst schnell zum Abschluss zu bringen , um die Freigabe eines vom Finanzamt bis zur Klärung des Sachverhalts gesperrten Umsatzsteuerguthabens der IP. in Höhe von 5 Mio. Euro (UA S. 56) zu erreichen (UA S. 6).
15
Wie mit dem Angeklagten K. abgesprochen, erklärte der Angeklagte H. gegenüber dem Finanzamt Fürstenfeldbruck in der Umsatzsteuerjahreserklärung der I. für das Jahr 2001 am 24. März 2003 die getätigten Umsätze aus den Geschäften mit den genannten italienischen und spanischen Firmen in Höhe von mehr als 23,7 Mio. Euro (23.703.416,48 Euro) als steuerfreie Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen i.S.v. § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG (UA S. 6, 58). Die nach Auffassung des Landgerichts hierauf entfallende und hinterzogene Umsatzsteuer betrug 3.277.497,18 Euro (UA S. 58). Insgesamt bezifferte der Angeklagte H. in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. den verbleibenden Überschuss auf 30.448.505,46 DM und errechnete unter Berücksichtigung des Vorauszahlungssolls (in Form eines Überschusses aus den Umsatzsteuervoranmeldungen von 30.448.505,32 DM) einen Erstattungsanspruch von 0,14 DM (UA S. 58).
16
Wegen der Unkenntnis der Angeklagten vom Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft enthielt die Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. sämtliche Umsätze aus dem Jahr 2001; demgegenüber waren die Umsät- ze der I. in der von dem Angeklagten K. am 23. April 2003 für die IP. beim Finanzamt Landshut eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung nicht enthalten (UA S. 5, 57).
17
5. Eine Auszahlung des sich aus der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. ergebenden Erstattungsbetrages von 0,14 DM durch die Finanzbehörden fand nicht statt. Vielmehr erging am 11. Juni 2003 gegen die I. ein Umsatzsteuerbescheid für 2001, in dem wegen der vom Finanzamt angenommenen Organschaft eine Zahllast von 12.412.964 Euro festgesetzt wurde. Die IP. beglich diesen Betrag (UA S. 58).
18
6. Gegen den am 9. Juli 2003 gegenüber der IP. erlassenen Umsatzsteuerbescheid 2001, der einen Erstattungsanspruch von 7.772.459 Euro festsetzte , legte die IP. Einspruch ein, um nach Feststellung der Steuerfreiheit der verfahrensgegenständlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen die Erhöhung ihres Umsatzsteuerguthabens um 4.317.840 Euro zu erreichen.
19
Am 16. November 2006 verständigten sich die IP. und das Finanzamt Landshut dahingehend, dass 92 Prozent der ab 1. Juni 2001 getätigten Umsätze , also 21.753.381,03 Euro, bei ihr als Organträgerin zu versteuern seien, was bei einem Steuersatz von 16 Prozent eine Umsatzsteuerschuld von 3.000.466,35 Euro ergab. Die Umsatzsteuerschulden der IP. und der I. wurden fristgerecht bezahlt (UA S. 7, 58).

III.

20
Das Landgericht ist der Auffassung, dass die Angeklagten mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. durch den Angeklagten H. am 24. März 2003 gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) eine Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begangen haben.
21
1. Die Steuerverkürzung ergebe sich daraus, dass die hier (wegen missbräuchlichen Verhaltens) steuerpflichtigen Umsätze aus den innergemeinschaftlichen Lieferungen weder in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. noch in derjenigen der IP. als steuerpflichtig erklärt worden seien (UA S. 117). Stattdessen habe der Angeklagte H. nach Absprache mit dem Angeklagten K. diese Umsätze in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. unrichtig als umsatzsteuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen angemeldet, obwohl beide Angeklagte damit gerechnet hätten, dass die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung nicht gegeben waren (UA S. 117).
22
2. Die Umsatzsteuerpflicht bestehe deswegen, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt sei (UA S. 118). Ein „derart betrügerischer Missbrauch“ liege jedenfalls dann vor, wenn sich der Steuerpflichtige bewusst an einem in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteilige. Dabei komme es nicht darauf an, ob er die Umsatzsteuerhinterziehung selbst begangen habe, es genüge vielmehr, wenn ihm diese bekannt sei (UA S. 119). Zur Versagung der Steuerfreiheit müsse objektiv feststehen, dass der Unternehmer die missbräuchliche oder betrügerische Praxis des Erwerbers kannte oder sich daran beteiligte. Für die Versagung der Umsatzsteuerbefreiung genüge es, dass der Steuerpflichtige gewusst habe oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen sei (UA S. 119). Dies sei hier der Fall gewesen, denn die Zwi- schenschaltung der „Missing Trader“ habe allein der Vermeidung einer Er- werbsbesteuerung der Lieferungen der I. in Italien bzw. Spanien gedient.
Die innergemeinschaftlichen Kontrollmitteilungen seien gezielt dadurch umgan- gen worden, dass die „Missing Trader“ nur kurzzeitig am Markt gewesen seien, also zum Zeitpunkt der innergemeinschaftlichen Kontrollmitteilungen bereits nicht mehr existiert hätten (UA S. 120).
23
3. Das Wissen der Vertriebsmitarbeiter der I. hat das Landgericht in entsprechender Anwendung des § 166 BGB der I. als Unternehmer zugerechnet (UA S. 120).
24
4. Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 UStG habe die I. nicht beanspruchen können, weil die Vertriebsmitarbeiter hätten erkennen können und auch erkannt hätten, dass die „Missing Trader“ zum Zwecke der Mehrwertsteuerhinterziehung bloß formal zwischengeschaltet worden waren (UA S. 121).
25
5. Zwischen der IP. als Organträger und der I. habe zum 1. Juni 2001 eine umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) bestanden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die I. finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die IP. eingegliedert worden. Mit der Erteilung der Einzelprokura an den früheren Mitangeklagten O. am 30. Mai 2001 sei die Eingliederung in die IP. , die über ihre Beteiligung an der B. die I. beherrscht habe, abgeschlossen gewesen (UA S. 121).
26
6. Trotz der Annahme, dass nicht die I. , sondern wegen des Vorliegens einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft die IP. als Organträger Schuldnerin der Umsatzsteuer aus den Umsätzen mit den „Missing Tradern“ gewesen sei, hat das Landgericht eine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. angenommen. Wegen der Organschaft sei der erstrebte Taterfolg statt bei der I. bei der IP. als Organträgerin eingetreten.
27
Der Umstand, dass die Tathandlung in der Abgabe einer Steueranmeldung (Umsatzsteuerjahreserklärung) mit einem Erstattungsbetrag von 0,14 DM liege, der nicht ausbezahlt worden sei, stehe der Annahme einer vollendeten Steuerhinterziehung nicht entgegen. Aus § 1 Abs. 2 der Kleinbetragsverordnung ergebe sich, dass in einem solchen Fall eine Erstattung generell nicht stattfinde, sodass es einer ausdrücklichen Zustimmung nicht bedürfe. Deshalb stehe gemäß § 168 Satz 2 AO die (unrichtige) Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, was die Steuerverkürzung bewirke (UA S. 8, 122).
28
7. Den Umstand, dass entgegen der Vorstellung der Angeklagten in der zweiten Jahreshälfte 2001 nicht die I. , sondern aufgrund der Organschaft die IP. Steuerschuldnerin hinsichtlich der Umsätze mit den „Missing Tradern“ gewesen sei, hat das Landgericht als unbeachtliche Abweichung des tatsächlichen von dem von den Angeklagten vorgestellten Kausalverlauf gewertet(UA S. 8). Diese Fehlvorstellung schließe daher den Tatvorsatz der Angeklagten nicht aus (UA S. 8, 131).

B.

Rechtsmittel der Angeklagten
29
Die Revisionen der Angeklagten haben Erfolg; ihre sofortigen Beschwerden gegen die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil sind gegenstandslos.

I.

Verfahrensvoraussetzungen
30
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Revisionen fehlt es auch nicht an der in jeder Lage des Verfahrens zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift (§ 200 StPO) und - daran anknüpfend - einem wirksamen Eröffnungsbeschluss.
31
1. Eine Anklage ist nur dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel dazu führen, dass die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion nicht genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 1 StR 148/11, BGHSt 57, 138 Rn. 6, mwN). Bei Steuerhinterziehungen genügt zur Wahrung der Umgrenzungsfunktion regelmäßig die Benennung der Daten der Steuererklärungen, in denen unrichtige Angaben enthalten sein sollen, der Steuerarten und der Veranlagungszeiträume ; denn diese Umstände gewährleisten eine Unterscheidung von anderen denkbaren strafbaren Verhaltensweisen (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 665/08, wistra 2009, 465).
32
2. Ausgehend von diesen Maßstäben ist hier sowohl die Anklageschrift als auch der Eröffnungsbeschluss wirksam. Die Anklageschrift, an die der Eröffnungsbeschluss anknüpft, erfüllt noch ihre Funktion, die angeklagten Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer ausreichend zu umschreiben.
33
a) Durch die Benennung der am 24. März 2003 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. als Tathandlung war der Tatvorwurf einer mit dieser Steuererklärung begangenen Umsatzsteuerhinterziehung als historisches Ereignis (§ 264 StPO) ausreichend genau beschrieben und damit hinreichend umgrenzt. Die in der Anklageschrift vorgenommene Bezeichnung von Art und Umfang unrichtiger Angaben lässt die Umgrenzung der von der Anklage umfassten Tatvorwürfe unberührt; sie hat lediglich für die Informationsfunktion der Anklage Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 665/08, wistra 2009, 465). Der Umstand, dass die Anklageschrift insoweit lediglich unberechtigte Vorsteuerabzüge (§ 15 UStG), nicht aber zu Unrecht als umsatzsteuerfrei behandelte innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) benannt hat, berührt daher die Wirksamkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluss nicht.
34
b) Soweit das Tatgericht darauf abstellt, dass die von Mitarbeitern der I. veranlassten innergemeinschaftlichen Lieferungen auch nicht als steuerpflichtige Umsätze in die am 23. April 2003 für die IP. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 Eingang gefunden haben, ist auch dies von Anklage und Eröffnungsbeschluss erfasst. Denn die Anklage legt beiden Angeklagten auch hinsichtlich dieser Steuererklärung ein Vergehen der Steuerhinterziehung zur Last. Für die Umgrenzungsfunktion dieses (weiteren) Tatvorwurfs i.S.d. § 264 StPO gilt das oben Gesagte entsprechend.

II.

Revisionen der Angeklagten
35
Die Revisionen der Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht mehr. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung weder hinsichtlich der für die I. abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 (nachfolgend 1.) noch bezüglich der für die IP. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 (nachfolgend 2.). Der vom Landgericht ausgesprochene Teilfreispruch „im Übrigen“ geht ins Leere (nachfolgend 3.). Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, weil eine abschließende Entscheidung in der Revisionsinstanz nicht in Betracht kommt (nachfolgend 4.).
36
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine Verurteilung der Angeklagten wegen einer in Mittäterschaft begangenen vollendeten Umsatzsteuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. (§ 370 Abs. 1 AO i.V.m. § 18 Abs. 3 UStG) nicht.
37
a) Die Urteilsfeststellungen belegen bereits keine Tathandlung.
38
Eine tatbestandsmäßige Handlung i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht, wer „den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht“. Unrichtig wären die Angaben in der für die I. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung hier dann, wenn die Umsätze mit den „Missing Tradern“ in diese Steuererklärung als steuerpflichtige Umsätze aufzunehmen gewesen wären. Dies belegen die Urteilsfeststellungen indes nicht.
39
aa) Das Landgericht ist erkennbar von der Annahme ausgegangen, dass beim zunächst unerkannten Vorliegen einer Organschaft die für eine Organgesellschaft (hier: die I. ) abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung als Erklärung für den Organträger (hier: die IP. ) gilt und die Frage der Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung sich danach richtet, welche Umsätze der Organgesellschaft der Organträger als eigene Umsätze anzumelden gehabt hätte. Dies trifft jedoch nicht zu.

40
Die für die I. abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung wäre auch im Falle einer bestehenden Organschaft nicht als Steuererklärung für die IP. als Organträger zu behandeln gewesen. Wegen der auch bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft weiterhin bestehenden zivilrechtlichen Selbständigkeit einer Organgesellschaft wirken die für diese abgegebenen Steuererklärungen allein für die Organgesellschaft und nicht für und gegen ein sie beherrschendes Unternehmen.
41
Allerdings treffen im Falle einer Organschaft alle steuerlichen Erklärungspflichten , die sich aus § 18 UStG ergeben, allein den Organträger (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, 63. Lfg., § 2 Rn. 144). Die Organgesellschaft schuldet in einem solchen Fall keine Umsatzsteuern, weil sie gemäß § 2 Nr. 2 UStG nicht als Unternehmerin selbständig tätig wird, und muss deshalb auch keine Umsätze anmelden. Aus diesem Grund muss eine Umsatzsteuerveranlagung der Organgesellschaft rückgängig gemacht werden, wenn sich nachträglich das Vorliegen einer Organschaft herausstellt (Klenk aaO Rn. 145). Dies bedeutet umgekehrt aber auch, dass im Falle des Vorliegens einer Organschaft eine für die Organgesellschaft abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung jedenfalls insoweit nicht unrichtig oder unvollständig ist, als von dieser getätigte Umsätze dort nicht aufgenommen wurden. Denn die getätigten Umsätze gelten nicht als ihre Umsätze, sondern als die des Organträgers.
42
bb) Die für die I. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 wäre aber dann unrichtig, wenn die vom Landgericht angenommene Organ- schaft in Wirklichkeit gar nicht vorgelegen hat und die Umsätze mit den „Missing Tradern“ zudem als steuerpflichtige Umsätze anzumelden gewesen waren. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist indes nicht tragfähig festgestellt.
43
(1) Zwar belegen die Urteilsfeststellungen das Vorliegen der vom Landgericht angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der IP. und der I. ab dem 1. Juni 2001 nicht. Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass hierzu weitere Feststellungen getroffen werden können, kann der Senat nicht ohne weiteres zum Nachteil der Angeklagten vom Nichtvorliegen einer Organschaft ausgehen.
44
(a) Eine umsatzsteuerliche Organschaft setzt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG voraus, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Rechtliche Folge einer Organschaft ist, dass die Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG) und die umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten wie auch die Steuerschuldnerschaft allein den Organträger treffen (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, 63. Lfg., § 2 Rn. 144; Korn in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 2 Rn. 138). Das (zivilrechtliche) Innenverhältnis der beteiligten Unternehmen ist hiervon nicht betroffen. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass derjenige Beteiligte am Organkreis, aus dessen Umsätzen die an das Finanzamt gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, im Innenverhältnis der Organschaft auch die Steuerlast zu tragen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - II ZR 91/11, DStR 2013, 478, 480).
45
(b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die für die Annahme einer Organschaft erforderliche Eingliederung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als „untergeordneter Person“ und dem sog. Organträger voraus (vgl. BFH, Urteil vom 7. Juli 2011 - V R 53/10, DStR 2011, 2044, 2045 mwN). Die neben der finanziellen und wirtschaftlichen Eingliederung erforderliche organisatorische Eingliederung erfordert dabei , dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (BFH aaO mwN).
46
Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei Kapitalgesellschaften insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften. Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über die Geschäftsführungsorgane ergeben, wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Organgesellschaft möglich ist (BFH, Urteil vom 7. Juli 2011 - V R 53/10, DStR 2011, 2044, 2046). Zwar reicht es für die eine organisatorische Eingliederung begründende personelle Verflechtung aus, dass der oder die Geschäftsführer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organträgers sind (BFH aaO). Demgegenüber genügt es aber nicht, dass ein leitender Mitarbeiter des Mehrheits- oder Alleingesellschafters nur Prokurist bei der vermeintlichen Organgesellschaft ist, während es sich bei dem einzigen Geschäftsführer der vermeintlichen Organgesellschaft um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch leitender Angehöriger des Mehrheits- bzw. Alleingesellschafters ist (BFH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - V R 7/10, DStR 2011, 308, 309). In Ausnahmefällen kann eine organisatorische Eingliederung auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen. Voraussetzung für diese schwächste Form der organisatorischen Eingliederung ist jedoch, dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind (vgl. BFH, Urteil vom 3. April 2008 - V R 76/05, BStBl. II 2008, 905; vgl. auch die weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im BMF-Schreiben vom 7. März 2013 zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft - GZ IV D 2 - S 7105/11/10001).
47
(c) Nach diesen Grundsätzen wird die für die Annahme des Vorliegens einer Organschaft zwischen der IP. als Muttergesellschaft und der I. als Tochtergesellschaft der B. und damit als Enkelgesellschaft der IP. erforderliche organisatorische Eingliederung von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Es fehlt die erforderliche personelle Verflechtung zwischen Mutterund Enkelgesellschaft und eine sich hieraus ergebende Beherrschung der Enkelgesellschaft I. durch die IP. . Institutionell abgesicherte Eingriffsmöglichkeiten der IP. und Eingriffe in die laufende Geschäftsführung der I. sind ebenfalls nicht festgestellt.
48
Vielmehr war der Angeklagte K. nach den Urteilsfeststellungen kein faktischer Geschäftsführer der I. ; er war in das operative Geschäft der I. nicht eingebunden, nahm keinen Einfluss darauf und erteilte den jeweiligen Geschäftsführern im operativen Geschäftsfeld auch keine Anweisungen (UA S. 21). Geschäftsführerin der I. war seit dem 17. April2001 A. (UA S. 13). Der Angeklagte H. wurde erst zum 16. Dezember 2001 Geschäftsführer der I. , nachdem er bereits wenige Tage zuvor im Vorgriff hierauf Leitungsaufgaben wahrgenommen hatte (UA S. 20). Eine Beherrschung der I. durch die IP. in der laufenden Geschäftsführung ab 1. Juni 2001 ist damit nicht festgestellt. Zwar war nach den Urteilsfeststellungen dem früheren Mitangeklagten O. , der bis zum 8. April 2003 Vorstandsmitglied der IP. war (UA S. 12), bei der I. am 9. Mai 2001 (UA S. 13) und bei der B. am 13. Juni 2001 (UA S. 13) Einzelprokura erteilt worden. Dies genügt jedoch für die erforderliche personelle Verflechtung mit der IP. nicht, da nicht festgestellt ist, dass die zu dieser Zeit als Geschäftsführerin der I. bestellte A. Mitglied der Geschäftsführung oder leitende Angehörige der IP. war.

49
(d) Der Senat kann allerdings nicht ausschließen, dass sich weitere Feststellungen treffen lassen, welche die Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft doch noch rechtfertigen könnten.
50
(2) Auch die Wertung des Landgerichts, bei den Umsätzen mit den „Mis- sing Tradern“ handele es sich wegen missbräuchlichen Verhaltens nicht um umsatzsteuerbefreite Umsätze, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Vielmehr hat das Landgericht die Versagung der Umsatzsteuerbefreiung für die tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen auf widersprüchliche Feststellungen gestützt. Solche Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung, ob das Landgericht mit Recht vom Wegfall der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferung wegen missbräuchlichen Verhaltens ausgegangen ist, nicht zu.
51
(a) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG).
52
Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen (abgesehen von den Fällen der Lieferung neuer Fahrzeuge) weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat. Der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.
53
(b) Nach der auf der Grundlage einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010, Rechtssache R, C-285/09, NJW 2011, 203) ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 41/09, BGHSt 57, 32) entfällt allerdings die Steuerbefreiung dann, wenn der Lieferer bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen , im Empfängerstaat Umsatzsteuer zu hinterziehen, wenn sonst der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgehen würde. Es bestehen nebeneinander zwei Versagungsgründe:
54
(aa) Der erste Versagungsgrund - beiderseitige kollusive Täuschung - beruht darauf, dass die nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung erforderliche Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland verhindert wird, wenn der Lieferer mit dem Abnehmer kollusiv zusammenwirkt und dabei die Identität des Abnehmers verschleiert. Denn maßgeblich für die Steuerbefreiung sind der zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung, die es nicht zulässt, die Steuerfreiheit trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Abnehmers (Erwerbers) in Anspruch zu nehmen (vgl. auch BFH, Urteil vom 11. August 2011 - V R 50/09, DStR 2011, 1901 Rn. 24).
55
(bb) Darüber hinaus verbleibt es auch dann bei der Steuerpflicht (zweiter Versagungsgrund), wenn - obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit objektiv vorliegen - der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die Pflichten zum Buch- und Belegnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (vgl. auch BFH, Urteil vom 11. August 2011 - V R 50/09, DStR 2011, 1901 Rn. 22 mwN; BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354).
56
(c) Ob einer dieser Versagungsgründe gegeben ist, hängt somit davon ab, ob die I. bei den einzelnen Lieferungen über die Person des jeweiligen Abnehmers getäuscht hat.
57
(aa) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (EuGH, Urteil vom 27. September2007 - C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH aaO Rn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen , der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber. Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (BFH aaO).
58
(bb) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige , dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354 mwN). Abnehmer (Erwerber ) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH aaO).
59
(cc) Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen. Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft , ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354 mwN).
60
(dd) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erlaubt die Feststellung , der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung (vgl. BFH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - XI R 32/09, BFH/NV 2012, 1004; BFH, Beschluss vom 5. Dezember 2005 - V B 44/04, BFH/NV 2006, 625). Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH, Urteil vom 8. November 2007 - V R 72/05, BFHE 219, 422; vgl. aber zur Unternehmereigenschaft bei Einbindung in ein auf die Verkürzung von Umsatzsteuer ausgelegtes Hinterziehungssystem BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, wistra 2011, 264).
61
(d) Ob hier eine zur Versagung der Steuerbefreiung aus § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG vorliegende Täuschung über Erwerber der jeweiligen Lieferungen vorliegt, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht zweifelsfrei entnehmen, da die Urteilsgründe zur Rolle der vom Landgericht als „Missing Trader“ gewer- teten Vertragspartner der I. widersprüchliche Feststellungen enthalten.
62
Einerseits wertet das Landgericht die „Missing Trader“ als Scheingesell- schaften (UA S. 39), was nahe legt, dass es sich nach der Überzeugung des Landgerichts bei diesen Gesellschaften um nicht existente oder nicht als Unternehmer tätige Gesellschaften handelte, die lediglich als Abnehmer angegeben wurden, um die Identität der wahren Abnehmer zu verschleiern. Andererseits stellt das Landgericht fest, dass die „Missing Trader“ die von der I. bezo- genen Waren weiterverkauften, um ihren „tatsächlichen Abnehmern“, die sie gegenüber der I. nicht offenbarten, einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen (UA S. 6). Dies deutet darauf hin, dass es sich bei den „Missing Tradern“ um die wirklichen Erwerber der Waren der I. handelte, die ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachkamen und ihrerseits die Erwerber aus einem Weiterverkauf nicht offenbarten.
63
An anderer Stelle in den Urteilsgründen stellt das Landgericht fest, dass die Vertriebsmitarbeiter der I. mit den Verantwortlichen der „Missing Tra- der“ kollusiv zusammenarbeiteten, um ihnen die Hinterziehung von Umsatz- steuer zu ermöglichen (UA S. 8, 120). Im Widerspruch dazu steht die Feststel- lung des Landgerichts, dass den Vertriebsmitarbeitern der I. lediglich bewusst war, dass sie sich an einem Umsatz beteiligten, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, was sie stillschweigend billigten (UA S. 39). Sie hätten lediglich billigend in Kauf genommen, dass die Umsatzbesteuerung durch gezielte Maßnahmen umgangen werden sollte (UA S. 6).
64
Es bleibt daher nach den Urteilsfeststellungen offen, wer die wirklichen Erwerber der Waren der I. waren und ob sich Mitarbeiter der I. an einer Täuschung über die Identität dieser Erwerber beteiligt haben. Haben Vertreter oder Mitarbeiter der I. nicht an einer derartigen Identitätstäuschung mitgewirkt, greift keiner der genannten Versagungsgründe ein.
65
(e) Angesichts der unklaren und widersprüchlichen Feststellungen zu den tatsächlichen Erwerbern bedarf es keiner Entscheidung dazu, ob eine Steuerpflicht einer innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen hierfür auch dann in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer - der nicht über die Identität des Abnehmers täuscht - nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vom Bundesfinanzhof bislang offen gelassen , vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354; zur Zurechnung des Wissens von Mitarbeitern vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, DStRE 2010, 1263).
66
b) Selbst für den Fall, dass die Umsätze mit den „Missing Tradern“ in die Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. aufzunehmen gewesen wären, läge mangels eingetretener Steuerverkürzung jedenfalls keine vollendete Steuerhinterziehung vor.
67
Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO ist nicht nur ein Erklärungs -, sondern auch ein Erfolgsdelikt. Die Tat ist nur dann vollendet, wenn durch sie kausal ein Taterfolg herbeigeführt worden ist. Der Taterfolg besteht darin, dass der Täter durch die Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat. Steuern sind dabei namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 HS 1 AO; näher BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Daran fehlt es hier.
68
aa) Allerdings steht gemäß § 168 Satz 1 AO eine Steueranmeldung, zu der auch eine Umsatzsteuerjahreserklärung zählt (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO), einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies indes erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt (§ 168 Satz 2 AO). Diese Zustimmung bedarf keiner Form (§ 168 Satz 3 AO).
69
bb) Hier bedurfte es für die Gleichsetzung der Steueranmeldung mit einer Steuerfestsetzung der Zustimmung der Finanzbehörde. Denn die Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. wies einen verbleibenden Überschuss der Vorsteuerbeträge über die Umsatzsteuerbeträge und damit eine Steuervergütung i.S.v. § 168 S. 2 AO (vgl. HHSp-Heuermann, AO, 210. Lfg., § 168 Rn. 15; Pahlke/Koenig-Cöster, AO, 2. Aufl., § 168 Rn. 16; vgl. auch Vogel/ Schwarz-Raudszus, UStG, 150. Lfg., § 18 Abs. 1 - 4 Rn. 77) in Höhe von 30.448.505,46 DM aus (UA S. 57).
70
cc) Die Finanzbehörde hat hier die nach § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung weder ausdrücklich noch konkludent erteilt. Eine solche Zustim- mung lag auch nicht im Hinblick darauf vor, dass in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. unter Berücksichtigung des sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen ergebenden Vorauszahlungssolls lediglich ein Erstattungsbetrag von 0,14 DM geltend gemacht wurde.
71
(1) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich eine allgemeine Zustimmung, die nicht gesondert mitgeteilt werden müsste, auch nicht aus der Kleinbetragsverordnung (KBV). Zwar enthält § 1 Abs. 2 KBV die Regelung, dass u.a. eine angemeldete Umsatzsteuervorauszahlung oder eine für das Kalenderjahr angemeldete Umsatzsteuer nur abweichend festgesetzt, geändert oder berichtigt wird, wenn die Abweichung von der angemeldeten Steuer mindestens zehn Euro beträgt. Die Kleinbetragsverordnung ersetzt jedoch nicht die im Falle eines angemeldeten Erstattungsbetrages erforderliche Zustimmung des Finanzamts. Vielmehr setzt § 1 Abs. 2 KBV eine als Steuerfestsetzung geltende Steueranmeldung voraus, an der es bei einem angemeldeten Erstattungsbetrag bis zur Zustimmung durch die Finanzbehörde gerade noch fehlt (vgl. § 168 Satz 2 AO). Die Kleinbetragsverordnung trifft keine Regelung darüber , wann eine Steueranmeldung als Steuerfestsetzung gilt; sie bestimmt lediglich , dass bei Abweichungen bis zu zehn Euro eine abweichende Festsetzung der bereits festgesetzten Steuer nicht stattfindet.
72
(2) Auch eine sonstige allgemein erteilte Zustimmung zu einer Steuervergütung liegt nicht vor. Zwar wird in der Verwaltungspraxis regelmäßig eine Zustimmung zu einer Auszahlung erteilt, wenn der sich aus einer Steueranmeldung ergebende Erstattungsbetrag 2.500 Euro nicht übersteigt. Auch in diesem Fall stehen die Steueranmeldungen aber erst dann einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, wenn die Zustimmung tatsächlich erteilt und dem Steuerpflichtigen auch bekannt (gemacht) wird (vgl. BFH, Beschluss vom 10. September 1999 - V B 39/99, BFH/NV 2000, 351 sowie Nr. 9 des AEAO zu § 168 AO). Daran fehlt es hier. Die in der Praxis übliche Nichtauszahlung von Erstattungsbeträgen unter einem Euro (vgl. BMF-Schreiben vom 22. März 2001 - IV A 4 - S 0512 - 2/01 -, BStBl. I 2001, 242) ersetzt ebenfalls nicht eine gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung des Finanzamts.
73
2. Die Nichtanmeldung der Umsätze mit den „Missing Tradern“ in der vom Angeklagten K. am 23. April 2003 beim Finanzamt Landshut für die IP. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 (UA S. 6) kann ebenfalls eine Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht tragen.
74
Zwar war auch der Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die IP. hinsichtlich beider Angeklagter Gegenstand der Anklageschrift vom 29. Juli 2009 (Anklagesatz, Abschnitt II) und unterlag daher als weiterer Tatvorwurf i.S.v. § 264 StPO der Kognitionspflicht des Landgerichts. Er war auch nicht vom Teilfreispruch erfasst (s. UA S. 140 ff.), zumal da das Landgericht die unrichtige Behandlung der verfahrensgegenständlichen Umsätze in den für die I. und die IP. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärungen als einheitliche Tat behandelt hat (UA S. 117). Für einen Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung hätte es jedoch jedenfalls tragfähiger Feststellungen zum Vorliegen einer Organschaft und zur fehlenden Steuerfreiheit der Umsätze mit den „Missing Tradern“ bedurft. Daran fehlt es jedoch aus den (unter 1.) bereits genannten Gründen.
75
3. Der vom Landgericht ausgesprochene Teilfreispruch geht ins Leere und ist daher gegenstandslos. Die Vorwürfe der unberechtigten Geltendmachung von Vorsteuern für Drucker zugunsten der I. und die der Nichtanmeldung wegen missbräuchlichen Verhaltens nicht steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Lieferungen betreffen dieselbe Umsatzsteuerjahreserklärung und wären - wenn sie erwiesen würden - Teil einer einheitlichen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO. Hinsichtlich eines Teils einer einheitlichen Straftat ist ein Teilfreispruch rechtlich nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2004 - 2 StR 224/04 mwN).
76
4. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat geprüft, ob eine abschließende Entscheidung bereits in der Revisionsinstanz möglich ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
77
a) Eine Änderung des Schuldspruchs auf versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 22 StGB) wegen untauglichen Versuchs im Hinblick auf die für die I. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 kommt mangels tragfähiger Tatsachengrundlage nicht in Betracht.
78
Wegen untauglichen Versuchs macht sich strafbar, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB), obwohl die tatsächlichen Voraussetzungen für Tatbestandsmerkmale fehlen, die er irrig für gegeben hält. Erforderlich ist, dass die Tat, so wie der Täter sie sich vorstellt, alle Merkmale des strafgesetzlichen Tatbestandes erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1954 - 1 StR 677/53, BGHSt 6, 251, 256).
79
Ob dies hier der Fall ist, d.h. ob die Angeklagten sich hier Umstände vorgestellt hatten, bei denen die I. die Umsätze mit den „Missing Tradern“ als umsatzsteuerpflichtige Umsätze hätte anmelden müssen, lässt sich den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils nicht zweifelsfrei entnehmen.
80
Zwar hat das Landgericht zum Vorstellungsbild der Angeklagten festgestellt , der Angeklagte H. habe seit dem 11. Dezember 2001 (UA S. 125) billigend in Kauf genommen, dass es sich bei den in Rede stehenden Vertragspartnern um „Missing Trader“ gehandelt habe und „die I. sich durch die Lieferungen an deren Steuerhinterziehungen beteiligte“. Auch der Angeklagte K. habe nach der Durchsuchung im Dezember 2002 (UA S. 126) damit gerechnet, dass die I. „Missing Trader“ beliefert hatte. Seine Überzeugung vom bedingten Tatvorsatz der Angeklagten stützt das Landgericht jedoch auf die von ihm getroffenen Feststellungen zur Rolle der von ihm als „Missing Trader“ eingestuften Vertragspartner. Da diese Feststellungen aber, wie oben dargestellt, unklar und widersprüchlich sind, können sie auch keine tragfähige Grundlage für Schlussfolgerungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten darstellen. Mangels rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite kommt somit eine Abänderung des Schuldspruchs auf versuchte Steuerhinterziehung nicht in Betracht.
81
b) Auch ein (Teil-)Freispruch scheidet aus. Der Senat kann weder hinsichtlich der I. noch der IP. ausschließen, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die einen Schuldspruch wegen (versuchter) Steuerhinterziehung rechtfertigen.

III.

82
Sofortige Beschwerden der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung
83
Angesichts der Aufhebung des angefochtenen Urteils sind die sofortigen Beschwerden der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils (§ 464 Abs. 3 StPO) gegenstandslos.

C.

Revisionen der Staatsanwaltschaft
84
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben ebenfalls Erfolg; sie führen zulasten und zugunsten (§ 301 StPO) der Angeklagten zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils.
85
Die Staatsanwaltschaft hat ihre zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen auf den Strafausspruch beschränkt. Eine Beschränkung eines Rechtsmittels allein auf den Rechtsfolgenausspruch ist zwar grundsätzlich zulässig. Die in der Regel gegebene Trennbarkeit zwischen Schuld- und Strafausspruch ist jedoch - ausnahmsweise - zu verneinen, wenn die Schuldfeststellungen eine Überprüfung des Strafausspruchs nicht ermöglichen. Dies ist der Fall, wenn unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat. Derartige Feststellungen können nicht Grundlage eines Strafausspruchs sein (vgl. BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477, vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, wistra 2012, 350 mwN und vom 22. Februar 1996 - 1 StR 721/95, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 12; Gössel in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 318 Rn. 38 zum insoweit gleich zu behandelnden Fall der Berufungsbeschränkung).
86
So verhält es sich hier. Wie dargelegt, tragen die bisher getroffenen Feststellungen die Schuldsprüche nicht und bieten deshalb keine Grundlage für die Prüfung eines Rechtsfolgenausspruchs, so dass die Rechtsmittelbeschränkung unwirksam ist. Somit führt auch die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Daher gilt für das neue Tatgericht das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) nicht.

D.

87
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
88
Sollte das neue Tatgericht wieder zu der Feststellung gelangen, dass von der Finanzverwaltung ein Umsatzsteuerguthaben zurückgehalten wurde, das den erstrebten Verkürzungsumfang übersteigt, würde dies für sich allein nicht die Annahme rechtfertigen, der Steueranspruch sei nicht ernsthaft gefährdet gewesen (UA S. 135). Er wäre hier bereits dann gefährdet, wenn die Möglichkeit bestünde, dass die Voraussetzungen einer Versagung der Steuerbefreiung für durchgeführte innergemeinschaftliche Lieferungen sich nicht erweisen oder die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG sich nicht widerlegen lassen könnten, obwohl sie tatsächlich nicht gegeben sind. Wahl Graf Jäger Cirener Radtke

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Personengesellschaft, handelte mit PKW und lieferte diese in den Streitjahren 2000 bis 2003 insbesondere nach Italien. Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin waren S.R. und P.R.

2

Als "Käufer" der Fahrzeuge traten mehrere in Italien ansässige "Gebietsimporteure" auf, die die PKW an unterschiedliche gleichfalls in Italien ansässige "Autohäuser" verkauften.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen an die Gebietsimporteure steuerfrei seien. Im Hinblick auf diese Lieferungen wurden die beiden Geschäftsführer der Klägerin vom zuständigen Landgericht (LG) wegen Umsatzsteuerhinterziehung im Inland zu jeweils zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt, da Abnehmer der Lieferungen nicht die Gebietsimporteure, sondern die Autohäuser gewesen seien. Das LG begründete sein Urteil insbesondere mit einem von den beiden Geschäftsführern abgelegten Geständnis: "Die beiden Angeklagten haben in der Hauptverhandlung ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt. Sie haben anhand von zahlreichen ihnen aus den Ermittlungsakten vorgehaltenen Urkunden und Schriftstücken ausführlich, detailliert und glaubhaft dargelegt, wie sie gegen Ende des Jahres 1999 in Kontakt zum Inhaber des italienischen Autohauses 'R...' kamen, wie dieser sie in die in Italien offensichtlich weitverbreiteten illegalen Geschäftspraktiken einführte, ihnen W.E. als Scheinabnehmer vorstellte und wie sie im weiteren Verlauf --vor allem mit W.E. als Kontaktmann und Scheinabnehmer-- zu weiteren Autohäusern in Kontakt kamen und auch bei Verkäufen an diese jeweils W.E. bzw. andere ihnen von ihren Geschäftspartnern vorgegebene Personen oder Firmen als Scheinabnehmer in ihre Ausgangsrechnungen aufnahmen. Ihnen sei immer klar gewesen, so die Angeklagten weiter, dass es vor allem um eine Steuerhinterziehung in Italien ging und dass die Autohäuser auf einem den Angeklagten nicht im Einzelnen bekannten Wege fingierte inneritalienische Rechnungen erhielten. Tatsächlich wurden einzelne solcher fingierter Rechnungen [...] bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der Angeklagten auch aufgefunden."

4

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte diese Verurteilung mit Urteil vom 12. Mai 2005  5 StR 36/05 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2005, 546), da mit einer inhaltlich falschen Angabe eines Abnehmers der Nachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht geführt werde und daher die Voraussetzungen für eine steuerfreie Lieferung im vorliegenden Fall nicht vorlägen. Weiter stützte der BGH sein Urteil darauf, dass angesichts der in der Hauptverhandlung abgelegten umfassenden Geständnisse der Angeklagten, die sie anhand von Urkunden und Schriftstücken erläutert hätten, es keiner weiteren tatsächlichen Feststellung in den Urteilsgründen bedürfe. Insbesondere habe das LG ausdrücklich festgestellt, dass die Angeklagten eingeräumt hätten, ihnen sei auch klar gewesen, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Lieferungen nach Italien nicht vorgelegen hätten und ihre diese Umsätze betreffenden Steuererklärungen und Voranmeldungen insoweit falsch gewesen seien.

5

Mit den Umsatzsteuerbescheiden 2000 bis 2002 vom 22. März 2004 und den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden Januar bis Juli 2003 vom 31. März 2004 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre 2000 bis 2003 entsprechend höher fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

6

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zwar seien die Fahrzeuge tatsächlich nach Italien verbracht worden. Die Lieferungen seien jedoch steuerpflichtig, da sich die Klägerin mit ihren Lieferungen an Warenumsätzen ihrer Abnehmer beteiligt habe, die auf Steuerhinterziehung angelegt gewesen seien. Die Klägerin habe mit ihren italienischen Abnehmern kollusiv zusammengewirkt, um Lieferungen an Zwischenhändler vorzutäuschen und dadurch die tatsächlichen Abnehmer zu verdecken. Sie habe einen Zwischenerwerb der Gebietsimporteure fingiert und durch entsprechende Rechnungsstellung vorgetäuscht, die PKW an diese zu liefern. Dabei stützte sich das FG auf die Feststellungen des LG im Strafverfahren. Danach sei den Geschäftsführern der Klägerin bewusst gewesen, dass die Autohäuser als wirkliche Abnehmer der Klägerin die Erwerbsumsatzsteuer dadurch umgingen, dass sie sich von den Gebietsimporteuren Rechnungen über Inlandslieferungen in Italien mit Ausweis italienischer Umsatzsteuer ausstellen ließen. Die Beteiligung der Klägerin an einer Mehrwertsteuerhinterziehung in Italien ergebe sich aus einer Zusammenschau der von der Klägerin vorgelegten, zweifelsfrei falschen Übernahme- und Beförderungserklärungen der angeblichen Abholer, den von der Klägerin gelöschten, aber wieder lesbar gemachten Daten, (Kauf-)Angeboten der Klägerin sowie den Annahmeerklärungen der objektiv wahren Abnehmer, der Tatsache, dass weitaus die überwiegende Zahl der Fälle Bargeldgeschäfte seien, bestätigt durch die Akquisition von Kunden auf der zweiten Händlerstufe, um dann angeblich Verträge mit Kunden auf der ersten Händlerstufe abzuschließen, sowie den bei den Durchsuchungen vorgefundenen weiteren Unterlagen, einschließlich der von der Gesellschafterin geführten Schwarzgeldliste. Die Einlassung der Klägerin, dass es sich bei den Angeboten an die "Kunden ihrer Gebietsimporteure" und deren Annahmeerklärungen lediglich um Werbeaktionen oder Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin, um die "Übermittlung von Daten" an die Kunden der "Gebietsimporteure" oder um "Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur" gehandelt habe, sei durch den objektiven Erklärungsinhalt der fraglichen Schriftstücke widerlegt worden. Es sei völlig unglaubwürdig, dass die Klägerin die Fahrzeuge an ihre angeblichen Kunden, die Gebietsimporteure, verkauft haben wolle, hierüber aber keinerlei Geschäftspapiere vorlegen könne, da diese Verkäufe ausschließlich mündlich oder telefonisch erfolgt seien. Weiter sei unerfindlich, wie diese Verkäufe angesichts der umfangreichen Beschreibungen der gehandelten PKW nach Motorisierung, Farben und Ausstattungen sowie 17-stelligen Fahrgestellnummern ohne jegliche Dokumentation praktikabel gehandhabt worden sein sollten.

7

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging am 24. Juli 2008 der Umsatzsteuerjahresbescheid 2003, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde. Einen Protokollberichtigungsantrag lehnte das FG ab.

8

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 673 veröffentlicht.

9

Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Der unmittelbare Kontakt zum jeweiligen Autohaus sei dadurch zustande gekommen, dass entweder der Gebietsimporteur die Klägerin aufgefordert habe, ein Verkaufsangebot für einen bestimmten Fahrzeugtyp für ein Autohaus abzugeben, wobei die Klägerin dann unmittelbar in Verbindung zum Autohaus getreten sei, oder dass Autohäuser die Klägerin unmittelbar angesprochen hätten, oder dass die Klägerin selbst, aber mit Wissen und Billigung der Gebietsimporteure, Autohäuser auf die Liefermöglichkeit "marktlich stark nachgefragter" Fahrzeuge hingewiesen habe. Sie habe es dabei übernommen, den "Abgabepreis" des Gebietsimporteurs für den "Verkauf" an das Autohaus "vorzuverhandeln". Dieser Preis habe für den Gebietsimporteur einen Aufschlag enthalten, der sich prozentual nach dem Verkaufspreis der Klägerin gerichtet habe. Sie, die Klägerin, habe den Gebietsimporteuren somit "Akquisitionstätigkeit" und "Kalkulationsarbeit" abgenommen. P.R. habe die Fahrzeuge nach Italien verbracht, sie dort dem Gebietsimporteur übergeben und den Kaufpreis bar vereinnahmt.

10

Die mit den Autohäusern geführten Preisverhandlungen hätten nicht zum Abschluss von Kaufverträgen zwischen ihr, der Klägerin, und den Autohäusern geführt. Die Autohäuser hätten auf einer "Geschäftsabwicklung" über die Gebietsimporteure bestanden und vertragliche Beziehungen nur zu den Gebietsimporteuren unterhalten wollen; die Gebietsimporteure hätten Wert auf ihren "Gebietsschutz" gelegt. Es hätten keine rechtsgeschäftlichen Scheinbeziehungen vorgelegen. Die Beteiligten hätten mit Rechtsbindungswillen Lieferbeziehungen auf zwei Handelsstufen gewollt. Die Gebietsimporteure seien zur Zahlung der Kaufpreise verpflichtet gewesen. Ihre Geschäftsführer hätten im Strafverfahren nie eingeräumt, Scheingeschäfte mit den Gebietsimporteuren abgeschlossen zu haben, die unmittelbare Lieferungen an die Autohäuser verdecken sollten. Bei den Preisen, die sie den Autohäusern angeboten habe, habe es sich nur um allgemeine, unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller gehandelt. Auch Barzahlungsgeschäfte erfolgten mit gesetzlichen Zahlungsmitteln und seien nicht anrüchig. Die beiderseitigen Leistungen hätten Zug um Zug erfolgen sollen. Sie habe sich über die Identität ihrer Geschäftspartner, der Gebietsimporteure, Gewissheit verschafft und sich deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummern bestätigen lassen. Diese hätten weiter versichert, ihren umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Gebietsimporteure seien an den einzelnen Ausstattungsmerkmalen der Fahrzeuge nicht interessiert gewesen.

11

Das FG habe nicht dargelegt, in welcher Weise der Steuerbetrug in Italien, an dem sie beteiligt gewesen sein soll, erfolgt sei. Im Übrigen lägen auch die objektiven Voraussetzungen der Steuerfreiheit vor. Die PKW seien den Gebietsimporteuren übergeben worden.

12

Das FG habe weiter gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen und damit § 81 FGO verletzt. Der in Italien ansässige G, den die Klägerin als Zeugen benannt habe, hätte nach § 363 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) konsularisch vernommen werden müssen. Weiter habe das FG auch § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO verletzt. Das FG habe sich keine eigene Überzeugung gebildet, sondern das Urteil des LG wie eine präjudizielle Entscheidung behandelt. Die Verwertung eines Strafurteils im Urkundenbeweis sei nicht zulässig, da sie gegen dessen Feststellungen substantiierte Einwendungen mit Beweisanträgen erhoben habe. Ihr seien die Ausgangsrechnungen der Gebietsimporteure und die dort ausgewiesenen Bruttopreise nicht bekannt gewesen. Die italienische Strafverfolgungsbehörde habe die Anklage wegen Steuerbetrugs gegen die Geschäftsführer der Klägerin und die italienischen Beteiligten eingestellt, wie sich aus erst jetzt vorliegenden Unterlagen ergebe.

13

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 vom 22. März 2004 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 24. Juli 2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. April 2004 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2000 auf ./. 373.102,02 €, die Umsatzsteuer 2001 auf ./. 654.157,32 €, die Umsatzsteuer 2002 auf ./. 618.896,23 € und die Umsatzsteuer 2003 auf ./. 254.957,77 € festgesetzt wird,

hilfsweise, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Baden-Württemberg zurückzuverweisen und die Zuziehung des Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise ein Vorabentscheidungsersuchen zu folgender Frage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu richten: Ist ein Mitgliedstaat befugt, dem in seinem Hoheitsgebiet umsatzsteuerpflichtigen ansässigen Lieferanten die Umsatzsteuer-Befreiung für solche innergemeinschaftliche Lieferungen auch dann zu versagen, die tatsächlich an umsatzsteuerpflichtige Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates durchgeführt, indes wiederum an andere Unternehmen desselben in Rechnung gestellt wurden, wodurch die tatsächliche Lieferbeziehung zwischen Lieferant und Abnehmer verschleiert und die Erwerbsumsatzsteuer im anderen Mitgliedstaat umgangen werden konnte, jedoch die Strafverfolgungsbehörden des anderen Mitgliedstaates in Kenntnis dieses Sachverhalts ihrer Beurteilung zufolge mangels strafrechtlicher Relevanz desselben die aufgenommenen Ermittlungen gegen sämtliche Beteiligten wieder eingestellt haben.

14

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

15

Es liege weder ein Verfahrensfehler noch ein Verstoß gegen materielles Recht vor. Im Hinblick auf die Geständnisse komme es auf die Gründe, aus denen die Strafverfahren in Italien eingestellt worden seien, nicht an.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

17

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen von § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfrei.

18

a) Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

19

Die Steuerfreiheit beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach sind steuerfrei "a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

20

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 durch Belege und buchmäßige Aufzeichnungen nachzuweisen. Dieser Beleg- und Buchnachweis beruht auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Danach legen die Mitgliedstaaten Bedingungen "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch" fest, wobei sie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 45). Der Unternehmer hat den Beweis für die Steuerfreiheit einschließlich der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Bedingungen zu erbringen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 46).

21

c) Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c), ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen verhindern (EuGH-Urteil vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 31).

22

Darüber hinaus ist die Lieferung auch steuerpflichtig, wenn --obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen-- der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 51 und Leitsatz; BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448 und vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.c).

23

2. Die Klägerin ist nach diesen Grundsätzen nicht berechtigt, die Steuerfreiheit ihrer Lieferungen objektiv nachzuweisen, wie das FG zutreffend entschieden hat. Ihre Lieferungen sind aufgrund ihrer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung steuerpflichtig.

24

a) Der EuGH begründet in seinem Urteil R in UR 2011, 15 die Steuerpflicht trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung damit, dass die Vorlage von Scheinrechnungen oder die Übermittlung unrichtiger Angaben sowie sonstige Manipulationen die genaue Erhebung der Steuer verhindern und das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Das Ausstellen unrichtiger Rechnungen berechtigt dabei die Mitgliedstaaten aufgrund der ihnen nach dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten Befugnisse, die Steuerfreiheit zu versagen, wobei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Neutralität, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Steuerpflicht nicht entgegenstehen, wenn sich der Lieferer dadurch vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt, dass er die Identität des wahren Erwerbers verschleiert, um diesem zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 48 bis 55). Dementsprechend geht auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) davon aus, dass "die Steuerfreiheit jedenfalls nicht eingreift, wenn die Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat unterlaufen wird" (BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09, juris, unter C.I.1.b bb). Maßgeblich ist insoweit der zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung, die es nicht zulässt, die Steuerfreiheit nach § 6a UStG trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Abnehmers (Erwerbers) in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.).

25

b) Im Streitfall hat das FG die Steuerfreiheit der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen zu Recht verneint.

26

aa) Das FG stützt die Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen darauf, dass nicht die Gebietsimporteure, die die Klägerin nach ihren Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer geführt hat, sondern die Autohäuser Abnehmer ihrer Lieferungen waren. Hierfür hat das FG insbesondere die Angebote der Klägerin an die Autohäuser sowie deren Annahmeerklärungen, das Vorliegen von Bargeldgeschäften und die Akquisition von Kunden auf der zweiten Händlerstufe (Autohäuser), um dann angeblich Verträge mit Kunden auf der ersten Händlerstufe (Gebietsimporteure) abzuschließen, angeführt. Die Einlassung der Klägerin, dass es sich bei den Angeboten an die Autohäuser und deren Annahmeerklärungen lediglich um Werbeaktionen oder Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin oder um die "Übermittlung von Daten" an die Autohäuser oder um "Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur" gehandelt habe, sah das FG als durch den objektiven Erklärungsinhalt der nach ihrer Vernichtung durch die Klägerin wieder rekonstruierten Schriftstücke als widerlegt an. Das FG hielt es weiter für unglaubwürdig, dass die Klägerin die fraglichen Fahrzeuge an ihre angeblichen Kunden, die Gebietsimporteure, verkauft haben wolle, hierüber aber keinerlei Geschäftspapiere vorlägen. Es sei unerfindlich, wie diese Verkäufe angesichts der umfangreichen Beschreibungen der gehandelten Kfz nach Motorisierung, Farben und Ausstattungen sowie 17-stelligen Fahrgestellnummern ohne jegliche Dokumentation praktikabel gehandhabt worden sein sollten.

27

Die Feststellung, welcher Leistungsbeziehung die Verschaffung der Verfügungsmacht zuzurechnen ist, und mithin die Feststellung, ob Rechnungsempfänger und Leistungsempfänger identisch sind, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz und ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung. Der BFH kann solche Tatsachenwürdigungen nur daraufhin überprüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind und mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen im Einklang stehen. Ist das zu bejahen, so ist die Tatsachenwürdigung selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich wäre (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4. September 2003 V R 9, 10/02, BFHE 203, 389, BStBl II 2004, 627, unter II.3.).

28

Danach ist es im Streitfall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG entgegen der Belege und buchmäßigen Aufzeichnungen der Klägerin die Autohäuser und nicht die Gebietsimporteure als Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen angesehen hat und weiter die von der Klägerin behaupteten mündlichen Vertragsabschlüsse mit den Gebietsimporteuren nicht der Besteuerung zugrunde zu legen waren. Die Feststellungen des FG rechtfertigen insoweit die Annahme, dass es sich bei diesen Vertragsabschlüssen allenfalls um Scheingeschäfte i.S. von § 41 der Abgabenordnung (AO) handelte (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in 2011, 1451, jeweils unter II.2.b).

29

bb) Im Hinblick auf die Geständnisse der beiden Geschäftsführer im Strafverfahren bestehen auch keine revisionsrechtlichen Bedenken gegen das Urteil des FG, soweit es hieraus die vorsätzliche Beteiligung der Klägerin an einer Steuerhinterziehung in Italien abgeleitet hat. Daher kam es auch nicht auf die Verfahrenseinstellungen in Italien an.

30

cc) Die Klägerin hat in Bezug auf die Feststellungen des FG keine begründeten Verfahrensrügen vorgebracht.

31

(1) Das FG hat nicht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 81 FGO) verstoßen.

32

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, 308, BStBl II 1978, 311) ist es grundsätzlich zulässig, strafgerichtliche Feststellungen im finanzgerichtlichen Verfahren zu verwerten; allerdings dürfen Feststellungen, gegen die unter Beweisangebot substantiierte Einwendungen vorgebracht werden, nicht ohne eigene Beweisaufnahme (§ 76 Abs. 1, § 81 FGO) übernommen werden.

33

Diesen Grundsätzen entsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das FG seinem Urteil die in dem Strafurteil gegen die beiden Geschäftsführer der Klägerin enthaltenen Feststellungen zugrunde gelegt hat, aufgrund derer die Vereinbarungen der Klägerin mit den Gebietsimporteuren als Scheingeschäfte anzusehen sind, die die tatsächlich bestehenden Lieferbeziehungen zwischen der Klägerin und den Autohäusern verdecken sollten.

34

Die Feststellungen des Strafurteils des LG beruhten insbesondere auf dem Geständnis der Geschäftsführer der Klägerin und den --nach ihrer Vernichtung durch die Geschäftsführer der Klägerin-- wieder lesbar gemachten digitalen Geschäftsunterlagen. Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem Vorbringen der Klägerin vor dem FG ein Widerruf des Geständnisses liegt oder ob darin nur Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen des LG zu sehen sind. Denn mangels plausibler Darlegung von Gründen, aus denen sich die Unrichtigkeit der gegenüber dem LG gemachten Angaben ergibt, ist die im Kern lediglich abweichende Würdigung der unstrittig zwischen der Klägerin und den Autohäusern unmittelbar bestehenden Kontakte kein substantiierter Angriff gegen die Grundlagen des Strafurteils, durch das die Geschäftsführer der Klägerin wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt wurden. Daher ist die Einlassung der Klägerin im Verfahren vor dem FG nur als schlichtes Bestreiten zu werten, das nicht geeignet ist, Zweifel an den Tatsachenfeststellungen des LG aufkommen zu lassen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 1988 VII B 193/87, BFH/NV 1988, 722).

35

(2) Auch die Aufklärungsrüge der Klägerin hat keinen Erfolg.

36

(3) Nur solche Verfahrensfehler sind zu prüfen, die der Beteiligte innerhalb der Revisionsbegründungsfrist in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügenden Weise schlüssig gerügt hat (BFH-Urteile vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, m.w.N.; vom 5. Oktober 1999 VII R 25/98, BFH/NV 2000, 235).

37

Zur schlüssigen Darlegung bei verzichtbaren Verfahrensfehlern (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO) --hier die Rüge, das FG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch Nichtvernehmung von Zeugen bzw. der Klägerin verletzt-- gehört auch der Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz gerügt wurde, sofern sich die Rüge nicht schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2009 VI B 126/08, BFH/NV 2009, 1267; vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183; vom 16. Juli 2008 X B 202/07, BFH/NV 2008, 1681; vom 9. September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 103). Die bloße Behauptung, den Verfahrensmangel gerügt zu haben, genügt nicht; die Rüge muss aus dem Protokoll oder aus dem angefochtenen Urteil ersichtlich sein (BFH-Urteil vom 14. September 1993 VIII R 84/90, BFHE 174, 233, BStBl II 1994, 764). Darüber hinaus ist gegebenenfalls weiter vorzutragen, dass eine Protokollierung der Rüge verlangt und --im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen-- eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt worden sei (BFH-Beschlüsse vom 6. April 2006 XI S 21/05, BFH/NV 2006, 1330; vom 5. November 2004 VIII B 172/04, juris; vom 9. November 1999 II B 14/99, BFH/NV 2000, 582; vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562). Um diese Rüge vornehmen zu können, ist es Sache des jeweiligen Beteiligten, sich über den Inhalt des Protokolls zu informieren und von sich aus das Protokoll einzusehen.

38

Im Streitfall hat die Klägerin innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zwar behauptet, die Nichterhebung beantragter Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt zu haben. Dies ergibt sich aber weder aus dem Sitzungsprotokoll noch aus dem angefochtenen Urteil selbst. Dass sie eine Protokollierung der Rüge verlangt und --im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen-- eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt habe, hat sie nicht vorgetragen, vielmehr hat sie erst nach Erhalt der Ladung zu der --auf ihren Antrag nach § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO anberaumten-- mündlichen Verhandlung die Berichtigung des Protokolls beim FG beantragt. Über die Verfahrensrüge war danach nicht zu entscheiden.

39

Im Übrigen hat das FG den von der Klägerin gestellten Protokollberichtigungsantrag mit Beschluss vom 25. Juli 2011 abgelehnt.

40

(4) Soweit die von der Klägerin für erforderlich gehaltene Einvernahme des in Italien ansässigen Zeugen G unterblieben ist, liegt gleichfalls kein Verfahrensfehler vor.

41

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein im Ausland ansässiger Zeuge bei Auslandssachverhalten nicht von Amts wegen zu laden, sondern muss nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO in der mündlichen Verhandlung gestellt werden (BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 1998 I B 48/97, BFH/NV 1999, 506; vom 3. Dezember 1996 I B 8, 9/96, BFH/NV 1997, 580). Dies ist im Streitfall nicht erfolgt. Da insoweit die Klägerin ihrer erhöhten Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO nicht nachgekommen ist, durfte das FG ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) würdigen. Ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen eines Beweisantrags liegt nicht vor (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 506).

42

Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Vernehmung eines Zeugen im Ausland prozessrechtlich zulässig ist (§ 155 FGO i.V.m. §§ 363, 364 ZPO). Hieraus folgt nicht, dass eine Vernehmung im Ausland bei Nichtverfügbarkeit eines Zeugen ohne weiteres geboten ist. Das FG muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob es von dieser Möglichkeit Gebrauch machen oder von einer solchen Vorgehensweise Abstand nehmen will (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 506). Diese Prüfung hat das FG vorgenommen und hat hierzu im Urteil ausgeführt, dass, da es entscheidend auf den persönlichen Eindruck und die Glaubwürdigkeit des G angekommen wäre, eine konsularische Vernehmung nicht in Betracht zu ziehen sei. Dies lässt Ermessensfehler nicht erkennen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juni 2006 VIII B 185/05, juris).

43

(5) Schließlich liegt auch insoweit kein Verfahrensfehler vor, als das FG in seinem Urteil auf das Protokoll zur Hauptverhandlung vor dem LG Bezug genommen hat, da diesem gegenüber dem der Klägerin und ihren Geschäftsführern bekannten Urteil des LG keine eigenständige Bedeutung zukommt, die Klägerin gegen die Feststellungen des LG keine substantiierten Einwendungen erhoben hat und das FG die Einlassungen der Klägerin für nicht glaubhaft hielt.

44

3. Im Hinblick auf die strafrechtlichen Geständnisse der beiden Geschäftsführer der Klägerin kam es auf das von der Klägerin angeregte Vorabentscheidungsersuchen nicht an.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob Lieferungen von Fahrzeugen als innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne von § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sind.
1. Die Klägerin wurde als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Anfang 2000 gegründet. Gesellschafter-Geschäftsführer waren die 1965 und 1966 geborenen Geschwister X.. (X. und Y.. (Y. Z... Letzterer hat sein zuvor bestehendes Einzelunternehmen zum 01.01.2000 in die Klägerin eingebracht. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin wurde zwischenzeitlich eingestellt.
Laut der Gewerbeanmeldung vom 11. Februar 2000 (Bl. 1 der Allgemeinen Akte) war Gegenstand des Unternehmens der Klägerin “Mietwagen, Kfz-Handel, Import-Export, Handel mit Kfz-Ersatzteilen“. Tatsächlich lieferte die GbR im Inland beschaffte neue oder neuwertige PKW, vornehmlich der Marken Audi, BMW, Mercedes-Benz und Porsche, fast ausschließlich nach Italien, wo die Gesellschafter der Klägerin einige Jahre ihrer Jugend verbracht hatten und zur Schule gegangen waren.
Einige wenige Fahrzeuge wurden unter Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 4 Nr.1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG in die Vereinigten Staaten von Amerika oder in die Schweiz geliefert. Die diesbezüglichen Lieferungen sind jedoch nicht mehr streitbefangen.
Die Lieferungen der PKW nach Italien behandelte die Klägerin laut ihren beim beklagten Finanzamt eingereichten Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldungen und USt-Jahreserklärungen sowie den mit diesen in Zusammenhang stehenden sog. „Zusammenfassende(n) Meldungen“ (vgl. § 18a UStG) als nach § 4 Nr.1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs.1 UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Bei ca. 240 im Streitzeitraum gelieferten Fahrzeugen ergab sich nach den USt-Erklärungen der Klägerin ein Lieferwert von über xx Mio. DM (bzw. xx,xx Mio. EUR).
Da die Gesellschafter für die Klägerin die bei den Ankäufen der Fahrzeuge von den inländischen Lieferanten gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machten, ergaben sich im Streitzeitraum Vorsteuerüberschüsse zu Gunsten der Klägerin in Höhe von rund x,xx Mio EUR.
2. Eine im August 2003 begonnene Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin führte demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die vorgenannten Lieferungen nach Italien die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nicht erfüllten, da die von der Klägerin bezeichneten Abnehmer nicht ihre tatsächlichen Kunden gewesen seien (vgl. den Bericht über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004“ sowie den geänderten Steuerfahndungsbericht vom 16. März 2004, Akte „Steufa-Bericht“).
Bei den wahren Kunden habe es sich um norditalienische Autohändler (Auto-O.., A.. (Inh. bzw. Vertreter: T.C.), Firma Auto-N.., I.. (Inh. bzw. Vertreter: B.Q.), Firma -M., Firma Autos.., Firma ...car, L.. (Inh. bzw. Vertreter: Ü.S.) sowie Firma R.. u.a.) gehandelt. Auf deren ausdrücklichen Wunsch habe die Klägerin ihre Ausgangsrechnungen jedoch nicht auf diese, sondern auf andere von den Kunden genannte Personen bzw. Firmen in Italien ausgestellt. Von Januar 2000 bis September 2001 habe es sich dabei um W.E. bzw. dessen Firma “ V...“ in G.. bzw. Ä.. sowie in geringerem Umfang im Jahr 2000 auch um die Firma BN.., M.., vertreten durch H.B. gehandelt; von September bis Dezember 2001 nahezu ausschließlich um T.Ö. bzw. dessen Firma “ UJ..“, ebenfalls G.. und von Januar 2002 bis Juli 2003 nahezu ausschließlich um S.S. bzw. dessen Firma “ MO..“ in UFG... Der Grund hierfür sei gewesen, dass die tatsächlichen italienischen Abnehmer auf diese Weise die italienische Erwerbsumsatzsteuer hätten vermeiden und gleichzeitig aus den von den Scheinabnehmern, insbesondere dem genannten W.E., oder anderen Personen ihnen erteilten inneritalienischen Rechnungen Vorsteuer hätten abziehen wollen.
Zu dieser Erkenntnis kam die Steuerfahndung aufgrund von bei Durchsuchungen der Geschäftsräume der Klägerin und der Privaträume ihrer Gesellschafter vorgefundenen Urkunden und auf Datenträgern gespeicherten elektronischen Daten.
10 
Nach den Feststellungen der Steuerfahndung haben die Gesellschafter der Klägerin (wobei X. hauptsächlich den kaufmännischen Bereich versah, während Y. sich um die gegenständlich-technische Abwicklung der Geschäfte kümmerte) sämtliche deren wahre Kunden betreffenden Geschäftspapiere, z.B. per Fax erteilte Angebote und erklärte Annahmen, nicht aufbewahrt und diesbezügliche EDV-Dateien auf der Festplatte ihres PC umgehend nach Abwicklung der Geschäfte wieder gelöscht bzw. überschrieben. Allerdings seien einzelne aus Versehen nicht beseitigte Dokumente gefunden worden. Außerdem sei es gelungen, einen beträchtlichen Teil der gelöschten Daten wieder lesbar zu machen. Von den mehreren hundert wieder lesbar gemachten Angeboten sei kein einziges an die vier angeblichen Abnehmer gerichtet gewesen (vgl. Bericht der Steuerfahndungsstelle KP.. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 20, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004“).
11 
Nach den weiteren Feststellungen der Steuerfahndung haben die Gesellschafter der Klägerin sich auf den auf die Scheinabnehmer lautenden Ausgangsrechnungen wahrheitswidrig die Abholung der Fahrzeuge im Inland bescheinigen lassen, verbunden mit der Erklärung, dass der angebliche Abholer sich verpflichte, das jeweilige Fahrzeug „in sein Land zu verbringen“. Tatsächlich seien die Fahrzeuge bis auf wenige Ausnahmen von dem (damaligen) Gesellschafter-Geschäftsführer Y. nach Italien verbracht und dort den Käufern oder deren Beauftragten übergeben worden. Die Kosten für die Überführung habe die Klägerin getragen (Bericht der Steuerfahndungsstelle KP.. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 8, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004“).
12 
Bei den Durchsuchungen wurden u.a. auch Blanko-Ausfertigungen einer Erklärung in italienischer Sprache (Dichiarazione) sichergestellt, wonach der - nach Auffassung der Steuerfahndung: angebliche - Abnehmer „MO..“ jeweils bestätigt, „das Fahrzeug“ erhalten und seine umsatzsteuerlichen Verpflichtungen aus dem innergemeinschaftlichen Kauf des Fahrzeugs erfüllt zu haben. Diese Erklärungen seien in Italien (gemäß Artikel 38/4 der italienischen Gesetzesverordnung Nr. 331 vom 30. August 1993) bei der Zulassung von Fahrzeugen, die von einem Importeur gekauft wurden, erforderlich (vgl. Bericht der Steuerfahndungsstelle KP.. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 19, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004“).
13 
Ferner fand die Steuerfahndung bei den Durchsuchungen eine sog. Schwarzgeldliste für den Zeitraum Januar bis Mai 2003. Nach Auffassung der Steuerfahndung würden sich aus dieser nicht nur die wahren Abnehmer der Klägerin und die Entgelte, die W.E. für seine Dienstleistungen erhielt bzw. einbehalten durfte, ergeben. Vielmehr ergebe sich aus dieser auch noch, dass die Klägerin tatsächlich höhere Verkaufserlöse erzielt habe, als ihre Gesellschafter in den Rechnungen an die Scheinabnehmer fakturiert und im Kassenbuch aufgezeichnet hätten. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien auch schon vor 2003 Schwarzgelder vereinnahmt worden (vgl. Bericht der Steuerfahndungsstelle KP.. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 25 f., Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004“).
14 
Wegen weiterer Einzelheiten der Fahndungsfeststellungen wird auf den Bericht der Steuerfahndung über ihre steuerlichen Feststellungen vom 16. Dezember 2003/16. März 2004 (Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004“) sowie auf den bereits erwähnten Bericht über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004 (Akte „Steufa-Bericht“), einschließlich der dort dargestellten 15 Fallbeispiele, sowie die hierzu vom FA vorgelegten Aktenbände „Fallbeispiele 1 - 15 ....“ und „Fahrzeug-Unterlagen“ verwiesen.
15 
Aufgrund ihrer tatsächlichen Feststellungen kam die Steuerfahndung zu dem Ergebnis dass im Streitzeitraum nicht nur die Buchführung der Klägerin nicht ordnungsgemäß gewesen sei, sondern dass sie auch zu Unrecht sowohl die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr.1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs.1 UStG (innergemeinschaftliche Lieferungen) als auch nach § 4 Nr.1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG (Ausfuhrlieferungen) in Anspruch genommen habe (vgl. insoweit wegen der Einzelheiten den Bericht über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 31 ff., Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004“ sowie den Bericht über die steuerlichen Feststellungen vom 16. Dezember 2003/16. März 2004, Seite 32 ff., Akte „Steufa-Bericht“).
16 
Das Finanzamt folgte den Fahndungsfeststellungen und erließ demgemäß nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 jeweils vom 22. März 2004 (Bl. 1 ff. der Umsatzsteuerakte „Geänderte USt-Bescheide 2000 - 2001 - 2002“) sowie ebenso geänderte Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2003, jeweils vom 31. März 2004 (Akte „Geänderte USt-Vz-Festsetzungen“), als auch einen erstmaligen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Juli 2003 ebenfalls vom 31. März 2004 (Akte „Geänderte USt-Vz-Festsetzungen“). Mit dem Letzteren wurde eine Umsatzsteuervergütung in Höhe von 6.168,31 EUR festgesetzt.
17 
Für den Streitzeitraum ergaben sich danach die folgenden Umsatzsteuer-Nachzahlungsbeträge (alle Beträge in EUR; ohne Zinsen):
18 
2000
2001
2002
1/2003
2/2003
3/2003
4/2003
5/2003
6/2003
xxx.xxx
xxx.xxx
xxx.xxx
x.xxx
xx.xxx
xx.xxx
xx.xxx
xx.xxx
xx.xxx
19 
Die hiergegen für die Klägerin rechtzeitig eingelegten Einsprüche waren erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:
20 
Wie sich aus dem Steuerfahndungs-Bericht vom 16. März 2004 ergebe, liege hinsichtlich nahezu sämtlicher Fahrzeuglieferungen kein ordnungsgemäßer Verbringungsnachweis vor. Dies führe bereits für sich zur Versagung der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen. Daneben scheitere die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen auch daran, dass die wirklichen Abnehmer der Fahrzeuglieferungen von der Klägerin nicht benannt worden seien. Materiellrechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen sei der buchmäßige Nachweis der richtigen Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer des wirklichen Abnehmers (§ 17c Abs.1 Satz 1 UStDV). Dass diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, ergebe sich aus den in den Steuerfahndungsberichten dargestellten Fallbeispielen sowie aus den von der Steuerfahndung sichergestellten Unterlagen.
21 
Ob es sich bei den von der Klägerin vorgeschobenen Abnehmern um „Scheinfirmen“ gehandelt habe oder nicht, sei steuerlich nicht entscheidend. Entscheidend sei lediglich, dass diese Abnehmer nicht die tatsächlichen Abnehmer, sondern “Scheinabnehmer“ gewesen seien. Deshalb könne sich die Klägerin auch nicht auf die Gutglaubensvorschrift des § 6a Abs.4 UStG stützen. Wenn sie meine, es genüge, dass der angebliche innergemeinschaftliche Abnehmer über eine wirksame Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer verfüge, unterliege sie einem Irrtum.
22 
Hiergegen richtet sich die vorliegende, am 9. August 2004 erhobene Klage.
23 
3. Das Landgericht (LG) KP.. verurteilte die Gesellschafter der Klägerin am 30. September 2004 wegen gemeinschaftlicher Umsatzsteuerhinterziehung jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (, Bl. 40 ff. des Anlagenbands zum Verfahren 12 V 85/04). Im Rahmen der Hauptverhandlung hatten die Gesellschafter der Klägerin nach den Ausführungen des LG zuvor ein umfassendes Geständnis abgelegt (vgl. insoweit auch das Protokoll zur Hauptverhandlung vor dem LG KP.. vom 27. September 2004, Bl. 244 ff. der Akte „Unterlagen zum AdV-Antrag“). Insoweit führt das Urteil zum Sachverhalt u.a. aus:
24 
„Den Angeklagten war bei dieser Vorgehensweise bewusst, dass die italienischen Autohäuser - also ihre wirklichen Kunden und Abnehmer - auf diese Weise die Bezahlung der in Italien anfallenden Erwerbsumsatzsteuer umgingen, indem sie sich von im Einzelfall nicht feststellbaren Personen oder Firmen, in erster Linie von dem gesondert verfolgten W.E., inneritalienische Rechnungen, in denen der an die Angeklagten bezahlte Kaufpreis als Bruttokaufpreis aufgeführt und die italienische Umsatzteuer ausgewiesen wurde, für ihre Buchhaltung ausstellen ließen.“
25 
Weiter wird unter „Beweiswürdigung“ ausgeführt:
26 
„Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der beiden Angeklagten und zum Sachverhalt beruhen auf deren Angaben. Die beiden Angeklagten haben in der Hauptverhandlung ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt.
27 
Sie haben anhand von zahlreichen ihnen aus den Ermittlungsakten vorgehaltenen Urkunden und Schriftstücken ausführlich, detailliert und glaubhaft dargelegt, wie sie gegen Ende des Jahres 1999 in Kontakt zum Inhaber des italienischen Autohauses „R..“ kamen, wie dieser sie in die in Italien offensichtlich weitverbreiteten illegalen Geschäftspraktiken einführte, ihnen W.E. als Scheinabnehmer vorstellte und wie sie im weiteren Verlauf - vor allem mit W.E. als Kontaktmann und Scheinabnehmer - zu weiteren Autohäusern in Kontakt kamen und auch bei Verkäufen an diese jeweils W.E. bzw. andere ihnen von ihren Geschäftspartnern vorgegebene Personen oder Firmen als Scheinabnehmer in ihre Ausgangsrechnungen aufnahmen. Ihnen sei immer klar gewesen, so die Angeklagten weiter, dass es vor allem um eine Steuerhinterziehung in Italien ging und dass die Autohäuser auf einem den Angeklagten nicht im einzelnen bekannten Wege fingierte inneritalienische Rechnungen erhielten. Tatsächlich wurden einzelne solcher fingierter Rechnungen […] bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der Angeklagten auch aufgefunden.“
28 
Das landgerichtliche Urteil wurde in der Revisionsinstanz vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. Mai 2005 (Umsatzsteuerakte „Urteil des BGH vom 12.05.05“) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf „das in der Hauptverhandlung abgelegte umfassende Geständnis“ bestätigt.
29 
Auf beide Urteile wird ergänzend Bezug genommen.
30 
4. Gleichwohl erhielt die Klägerin ihre Klage aufrecht. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie im Wesentlichen vor, bei ihr seien „sämtliche kaufmännischen Unterlagen geordnet vorhanden“ gewesen und „auf Anforderung uneingeschränkt ausgehändigt worden“.
31 
Für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen sei allein der Umstand entscheidend, dass Ware in ein „Drittland“ geliefert werde. Auf die Erfüllung der von dem Beklagten geforderten Nachweise komme es demnach in materiellrechtlicher Hinsicht nicht an. Bei den von der Steuerfahndung fälschlicherweise als Scheinabnehmer bezeichneten Firmen handele es sich zudem in Wahrheit um ihre vier „Gebietsimporteure“, wohingegen die laut Steuerfahndung als tatsächliche Abnehmer bezeichneten Firmen die italienischen Kunden der „Gebietsimporteure“ gewesen seien. Den Letzteren sei von ihr, der Klägerin, Kunden- bzw. Gebietsschutz eingeräumt worden. Eine schriftliche Vereinbarung hierüber liege jedoch nicht vor. Die Geschäftsidee der Klägerin habe von Anfang an nachgerade darin bestanden, „sich auf ausgesuchte Stützpunkthändler zu konzentrieren“.
32 
Dem stehe nicht entgegen, dass die ausgelieferten Fahrzeuge im verkürzten Leistungsweg an den Endbesteller ausgeliefert worden seien. Die Kosten hierfür habe nach den vertraglichen Vereinbarungen die Klägerin zu tragen gehabt, weshalb diese Kosten auch entsprechend aufwandswirksam geltend gemacht worden seien.
33 
Die Lieferungen seien nach den Grundsätzen des Streckengeschäfts (bzw. Reihengeschäfts) im verkürzten Leistungsweg an Personen in der Lieferkette abgewickelt worden. Die Schlussfolgerungen, welche die Steuerfahndung aus den in ihrem Bericht vom 17. März 2004 dargestellten fünfzehn Fallbeispielen ableite, seien unzutreffend. Für die Meinung der Steuerfahndung sprächen auch nicht angebliche Vorteile, die mit der von ihr vermuteten Handhabung verbunden gewesen seien. Die „umsatzsteuerliche Empfängersteuer des italienischen Gebietsimporteurs“ sei für diesen „gleichermaßen zum Vorsteuerabzug zugelassen“. Bei „Durchrechnung der Allphasenumsatzsteuer“ ergebe sich „bei der gemutmaßten Handhabung kein steuerlicher bzw. wirtschaftlicher Vorteil“.
34 
Die Klägerin habe zwar „mit Offerten unterschiedlicher Art“ einen unbestimmten Abnehmerkreis in Italien beworben; die konkreten Einzelgeschäfte hätten aber „gleichwohl vor dem Hintergrund einer kundenschutzähnlichen Abrede“ über die italienischen Importeure abgewickelt werden müssen, die diese dann im Rahmen der Lieferkette an die Endabnehmer ausgeliefert hätten. Dem trügen die „vertraglichen Konstellationen (nachgeschaltete Kaufverträge) Rechnung“. Hieran ändere sich rechtlich auch dadurch nichts, dass in Einzelfällen die Dritten die „Kontraktanbahnungen“ mit der Klägerin bewirkt hätten und dass die Klägerin mit den Dritten über „Konditionen des Endkaufpreises verhandelt und diese Verhandlungen auch in ihren Unterlagen dokumentiert hat“. Die Klägerin habe nicht zuletzt aufgrund der exzellenten Beherrschung der italienischen Sprache durch ihre Gesellschafter in Italien Kunden akquiriert, jedoch bei Vertragsreife die Abwicklung ihren vier italienischen Abnehmern überlassen. Es sei durchweg zum Abschluss von zwei Liefergeschäften gekommen, wobei der Einkaufspreis des Importeurs, den dieser an die Klägerin zu zahlen hatte und der in deren Ausgangsrechnung erfasst gewesen sei, „insoweit durchweg unter dem mit dem Dritten verhandelten Preis“ gelegen habe. Dabei spiele die Bezeichnung dieser „Handelsmarge keine Rolle“.
35 
Eine derartige Verkaufspolitik sei keineswegs ungewöhnlich. Beispielsweise würden auf diese Weise in Deutschland der „ganz überwiegende Marktanteil in Sanitärprodukten“ vertrieben. In dieser Branche verkaufe der Großhandel, welcher werbe und Ausstellungen bereithalte, an Handwerker, welche ihrerseits an die Endkunden lieferten und die Gegenstände bei diesen einbauten. Die Personen bzw. Firmen, „denen die Fahrzeuge tatsächlich ausgehändigt“ worden seien, hätten „ausdrücklich nicht in rechtsgeschäftliche Beziehungen zur Klägerin treten“ wollen. Vielmehr hätten sie darauf bestanden, „daß die Lieferverhältnisse, die sie betrafen, mit einem italienischen Vertragspartner, mithin dem Gebietsimporteur, zustande gekommen waren“.
36 
Vielleicht würde die Klägerin „von Fall zu Fall“ auch die Möglichkeit gehabt haben, mit einzelnen „Endabnehmern“ direkt Kontrakte abzuschließen. Sie würde dann allerdings Gefahr gelaufen sein, ihre wichtigen Kunden, die „Gebietsimporteure“, zu verlieren.
37 
In diesem Zusammenhang komme auch dem Umstand Bedeutung zu, dass die Klägerin bzw. der für sie handelnde Gesellschafter Y. „durchweg die Kaufpreiszahlung von den Rechnungsadressaten, mithin ihren Vertragspartnern (Gebietsimporteuren) in bar erhalten“ habe, und „nicht etwa von denjenigen Personen, die das Fahrzeug (wiederum als Kunden der Gebietsimporteure) vor Ort (im Zuge der jeweiligen Direktlieferungen) übernommen hatten“. Bei vergleichbaren Konstellationen im KfZ-Handel entsprächen die Kaufpreis-Barzahlungen im unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den jeweiligen KfZ-Auslieferungen den „(sicherlich auch gerichtsnotorischen) Usancen“. Mit dieser Vorgehensweise sei die „für die KfZ-Beschaffung auf Einkaufsseite erforderliche laufende Liquidität der Klägerin gestützt bzw. aufrechterhalten“ worden.
38 
Der zwischen der Klägerin und dem Dritten „ausgehandelte“ Preis sei nicht derjenige gewesen, auf welchem der Kontraktschluss der Klägerin mit einem der vier Importeure basiert habe. Dieser Preis sei vielmehr der Lieferbeziehung des italienischen Importeurs mit seinem Kunden (eben dem Dritten) zugrunde gelegt worden. Der Einkaufspreis des Importeurs, den dieser an die Klägerin zu zahlen gehabt habe und der in deren Ausgangsrechnung erfasst worden sei, habe insoweit durchweg unter dem mit dem Dritten - teils vom Importeur, teils von der Klägerin - verhandelten Preis gelegen.
39 
Die Tatsache, dass die Klägerin ihren Abnehmer W.E. aufgefordert habe, offen stehende Kaufpreisrechnungen zu bezahlen bzw. den ihm zustehenden Kaufpreisanteil beim Endkunden (z.B. „J..“) beizutreiben (vgl. Seite 26 des Steuerfahndungs-Berichts), unterstreiche zusätzlich die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin und der gebotenen (hermeneutischen) Auslegung der Vertragsbeziehungen.
40 
Aus dem Umstand, dass auf den Ausgangsrechnungen der Klägerin die Abholung der gehandelten Fahrzeuge durch die italienischen Abnehmer bescheinigt worden sei, obwohl der Gesellschafter Y. die Fahrzeuge selbst nach Italien überführt habe, könnten keine Nachteile zu Lasten der Klägerin abgeleitet werden. Zum einen sei der Gesellschafter Y. insoweit als Beauftragter der Abnehmer tätig gewesen. Deshalb sei die Überführung der Fahrzeuge nach Italien, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, „sehr wohl als Abholvorgang in materieller umsatzsteuerlicher Sicht zu werten. Dass die Überführungskosten vereinbarungsgemäß von der Klägerin zu tragen gewesen seien, da für die Lieferungen „frei Empfangsort“ vereinbart gewesen sei, ändere daran nichts. Zum anderen komme diesem Umstand auch im Hinblick auf die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 4 Nr.1 Buchst. b, § 6a Abs.1 UStG keine Bedeutung zu, da entscheidend sei, dass die Fahrzeuge tatsächlich nach Italien geliefert worden seien und die Sachherrschaft an ihnen übertragen worden sei, was unstreitig sei.
41 
Auch § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) verlange lediglich den Belegnachweis, dass die Lieferantin oder deren Abnehmer “den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert...“ hätten. Die erforderlichen Aufzeichnungen im Sinne des § 6a UStG i.V.m. §§ 17a, 17c UStDV, aus denen der Bestimmungsort der Fahrzeuge, der Tag der Lieferung und die mit dem Transportvorgang befassten Personen ersichtlich seien, ferner das in Rechnung gestellte Entgelt sowie die Bezeichnung der durch Selbstantrieb verbrachten Fahrzeuge, lägen in allen Fällen vor.
42 
Die Gesellschafter der Klägerin hätten auch keine wie auch immer gearteten - für ihren Geschäftsverkehr oder für steuerliche Zwecke relevanten - Unterlagen verheimlicht oder unterdrückt bzw. Handelsbriefe aus der Buchhaltung entnommen.
43 
Bei den von der Steuerfahndung als “Angebote“ angesehenen Schriftstücken (vgl. Steuerfahndungs-Bericht vom 17. März 2004, Seite 20 vorletzter Absatz) habe es sich entgegen der Ansicht des FA nicht um Handels- bzw. Geschäftsbriefe, sondern ausnahmslos um Werbeaktionen bzw. Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin bzw. um die „Übermittlung von Daten“ an die Kunden der „Gebietsimporteure“ bzw. um „Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur gehandelt. Denn nur die Klägerin sei in der Lage gewesen, „durch geeignete werbliche Maßnahmen bei den in Betracht kommenden Interessenten (von der Ebene ihrer italienischen Vertragspartner aus gesehen) entsprechende Nachfrage zu kreieren“ - oder wie es in werbewirtschaftlicher Terminologie heiße: „Bedarf zu wecken und zu lenken“. Denn sie - und nur sie - habe im Verhältnis zu ihren Geschäftspartnern über entsprechende Einkaufsmöglichkeiten für durchweg höher- oder auch hochwertige Fahrzeuge verfügt. So habe es Sinn gemacht, dass sich die Klägerin eben direkt an die gewerblichen Abnehmer ihrer Geschäftspartner, die in Zwischenhändlerfunktion tätig gewesen seien, gewandt habe, mitunter auch an sonstige Adressen, die ihr als potentielle Nachfrager (auf zweiter Stufe in der Lieferantenkette) bekannt waren.
44 
Da die Klägerin mit den beworbenen Adressaten keine Geschäftsverbindungen unterhalten bzw. Geschäftsabschlüsse getätigt habe, habe es insoweit auch „nichts aufzubewahren“ gegeben.
45 
Die „Kaufbestätigungen der betreffenden beworbenen italienischen Adressaten“ hätten in keinem Fall „die Qualität irgendwelcher rechtsgeschäftlicher konstitutiver Akte im Verhältnis zur Klägerin als Vertragspartnerin“ gehabt. Sie seien für diese nur insoweit von Belang gewesen, „als sie nach Kenntniserlangung davon ausgehen konnte, das Liefergeschäft mit ihrem Vertragspartner auf erster Stufe, also dem italienischen Importeur, abzuwickeln“.
46 
Bezüglich der Letzteren habe „ein Mindestmaß an Dokumentationsumfang und gleichwertigen Kommunikationsmitteln“ genügt, zumal den Gesellschaftern der Klägerin (namentlich dem (damaligen) Gesellschafter-Geschäftsführer Y. die italienischen Geschäftspartner bzw. deren Organe persönlich bekannt gewesen seien und mit diesen ein persönliches Vertrauensverhältnis bestanden habe.
47 
Auch die Tatsache, dass die Klägerin über verschiedene Blankoausfertigungen italienischer Erklärungen (dichiarazioni) verfügt habe, könne ihr nicht zur Last gelegt werden. Insbesondere habe kein wie auch immer gearteter “guter Eindruck gegenüber einem deutschen Finanzamt erweckt“ werden sollen. Die geschäftsführende Gesellschafterin X. habe im Juli 2003 Herrn S.S. um die Übermittlung einer Bestätigung in Bezug auf ein übernommenes Fahrzeug ersucht, worauf dieser (während der Urlaubabwesenheit der X. mehrere Blankoausfertigungen übersandt habe.
48 
Der Klägerin sei geraten worden, sich durch entsprechende Formularbestätigungen weitere Gewissheit zu verschaffen, dass ihre Kunden, die „Gebietsimporteure“, ihren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen in Italien nachkämen. Allerdings habe die Klägerin keinesfalls nachzuweisen gehabt, dass die „Gebietsimporteure“ die Erwerbsbesteuerung tatsächlich durchführen bzw. für den Erwerb die Umsatzsteuer entrichtet haben (vgl. hierzu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 29. März 1996, BStBI I 1996, 458). Die Klägerin habe also mehr getan, als ihr oblegen habe. Die Verwendung derartiger Formulare spreche nicht gegen, sondern für das steuerlich einwandfreie Verhalten der Klägerin und ihrer Gesellschafter.
49 
Die sog. Schwarzgeldlisten seien für die umsatzsteuerliche Behandlung ohne Belang. Einzelne „Unterpreisstellungen“ des Veranlagungszeitraumes 2003 indizierten keineswegs, dass die Klägerin in Wirklichkeit keine Kontrakte mit ihren Gebietsimporteuren abgeschlossen habe. Richtig sei vielmehr, „daß auch derartige Unterpreisstellungen nur vor dem Hintergrund sachlogisch denkbar seien, daß hier in einigen Fällen eben mit den Importeuren besondere Abreden getroffen wurden, die damit auch in ihrer Rolle als Kontraktpartner fungierten“.
50 
Die „Gebietsimporteure“ - nicht etwa die „Endverbraucher“ - hätten die Klägerin in den „betreffenden Einzelfällen dazu gedrängt, in den Rechnungen niedrigere Preise zu fakturieren“. Im Übrigen werde die Klägerin die Rechnungen berichtigen und daraus im Rahmen ihrer Steuererklärung für 2003 die gebotenen Konsequenzen ziehen.
51 
Bei den als “Provisionen“ vom FA in Bezug genommenen Beträgen (insgesamt 160.000,- EUR im Geschäftsjahr 2003) habe es sich nicht um solche im Rechtssinn gehandelt, „sondern um die Zwischenerlöse auf der zweiten Händlerstufe (Gebietsimporteur/dessen Kunde), mithin betriebswirtschaftlich gesehen, um den Deckungsbeitrag I des Gebietsimporteurs“. Die Klägerin habe demzufolge auch keine Provisionen an ihre italienischen Kunden entrichtet, „sondern zwangsläufig und sachgerecht (betriebswirtschaftlich logisch) niedrigere Rechnungen im Vergleich zu denjenigen gestellt, mit denen die Importeure ihrerseits die jeweiligen Kunden belastet haben“. Der Klägerin seien die Preise und Kalkulationen ihrer italienischen Importeure sehr wohl bekannt gewesen.
52 
Was die „Vorlagen“ der Gesellschafter der Klägerin bei Liquiditätsengpässen anbelange, so seien diese insoweit “in die Bresche gesprungen“, als sie die Verkaufsrechnungen an die italienischen Abnehmer von Fall zu Fall als bezahlt quittiert und das Geld “aus privater Tasche“ an die Klägerin abgeführt hätten.
53 
Die zeitversetzt gezahlten Entgelte der italienischen Abnehmer hätten sie sodann für sich behalten. Dies habe „Umwegbuchungen über Einlage- und Entnahmekonten“ erübrigt. Die Erträgnisse wie freilich auch die Ausgangsrechnungen seien korrekt erfasst und belegt. Es bleibe dabei, dass das Kassenbuch “perfekt“ geführt worden sei.
54 
Selbst wenn die von der Klägerin in ihren Rechnungen ausgewiesenen Abnehmer nicht die wirklichen Abnehmer gewesen sein würden, könne sich die Klägerin auf den Vertrauensschutztatbestand des § 6a Abs. 4 UStG berufen, da den Rechnungsadressaten in allen Fällen für die jeweils in Betracht kommenden Zeiträume eine wirksame Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer zugeteilt gewesen sei. Die Klägerin habe ihren Sorgfaltspflichten genügt.
55 
Sofern in der Lieferkette, insbesondere auch auf Seiten der Importeure, aus Sicht des italienischen Fiskus Unregelmäßigkeiten begangen worden sein sollten, sei dies nicht Sache der Klägerin, aber auch nicht Sache des deutschen Fiskus. Die Klägerin könne nicht für ein etwaiges steuerunehrliches Verhalten ihrer Vertragspartner haftbar gemacht werden.
56 
Im Übrigen habe das FA 2001 eine zeitnahe Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum 01/2000 bis 04/2001 bei der Klägerin durchgeführt, wobei sich keine Beanstandungen ergeben hätten. Nach Ansicht der Klägerin sei das FA an seine damaligen Feststellungen für den genannten Zeitraum gebunden. Dieses habe sehr wohl „einen qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen“.
57 
Die Auffassung der Klägerin werde auch durch die Verurteilung ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer durch das LG KP.. (Urteil der 14. Wirtschaftsstrafkammer vom 30.9.2004,) nicht relativiert. Dieses Urteil sei für das finanzgerichtliche Verfahren nicht vorgreiflich.
58 
Die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin hätten im Strafverfahren die tatsächlichen Verläufe wahrheitsgemäß geschildert, „ohne daß hieraus in Wirklichkeit umsatzsteuerrechtliche Sanktionen oder gar eine strafrechtliche Verurteilung hätten folgen dürfen.“ Die „sogenannten Geständnisse (seien) ... unter außergewöhnlichen Bedingungen vor dem Hintergrund der totalen Einbuße der persönlichen Freiheitssphäre - damit unter enormem faktischem psychischem und körperlichem Zwang ... auf Grund der U-Haft - zustande gekommen“.
59 
Im weiteren Verlauf des Verfahrens führte der Klägerin-Vertreter im Vorfeld der mündlichen Verhandlung sodann aus, „in Wirklichkeit“ hätten die Organe der Klägerin im Strafverfahren kein Geständnis abgelegt, aus dem sich ergeben hätte, dass ihnen bekannt gewesen sei, dass „es um die Beteiligung an steuerlich sanktionsfähigen Warenumsätzen gehen könnte oder würde“. Auch sei ihnen nicht bekannt gewesen, dass es „um Handlungen gehen könnte, die geeignet waren, die Person des Warenerwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen“. Die Organe der Klägerin hätten vielmehr „über keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme angeblich steuerlich unehrlichen Verhaltens ihrer Abnehmer“ verfügt. Die Organe der Klägerin hätten „in dem Strafverfahren keine Erklärungen (mit „Geständnisqualität“) abgegeben, die auf eine derartige, ihnen zugemessene Bewusstseinslage schließen lassen“. Er teilte weiter mit, zwischenzeitlich sei die Einstellung des Strafverfahrens gegen die im Streitfall eingebundenen Unternehmer S.S., T.Ö. und W.E. beantragt worden. Auch hierdurch werde die den Organen der Klägerin unterstellte Bösgläubigkeit widerlegt. Bei dem vermeintlichen „Geständnis“ handle es sich in Wirklichkeit um eine rechtsfehlerhafte „Wertung“ von Einlassungen, die niemals das Handeln bzw. Auftreten von „Scheinabnehmern“ auf der Erwerberseite zum Aussageinhalt gehabt hätten. Bei den streitbefangenen Lieferungen handle es sich zudem ausnahmslos um solche im „umsatzsteuerneutralen B-to-B-Bereich (business to business)“. Für ein bewusstes Zusammenarbeiten der Gesellschafter mit ihren Geschäftspartnern, um diesen in Italien die Möglichkeit zu verschaffen, Umsatzsteuer zu hinterziehen ergebe sich „kein auch nur entfernter Anhaltspunkt“.
60 
Die „negativen Umsatzsteuerschulden“ der Klägerin müssten „entsprechend dem Begehren der Klägerin erhöht und insoweit zu deren Gunsten neu festgesetzt werden“. Da unstreitig sämtliche liefergegenständlichen Fahrzeuge nach Italien verbracht worden seien, seien in allen Fällen innergemeinschaftliche Lieferungen bewirkt worden. Insoweit sei es unerheblich, ob die für diese erstellten Verbringungsnachweise sachlich zutreffend seien oder nicht. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass die Fahrzeuge tatsächlich anlässlich des jeweiligen Transportvorgangs in den EU-Mitgliedstaat gelangt seien. „Wenn dem - wie hier insoweit unstreitig und zweifelsfrei - so ist“, seien die Lieferungen als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln. Die Klägerin bezog sich hierbei auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH und nahm weiter Bezug auf ein vom 9. Senat des erkennenden Gerichts unter dem Aktenzeichen 9 K 408/04 am 9. Juni 2008 ergangenes Urteil, aufgrund dessen „fest“ stehe, „dass die Organe der Strafrechtspflege grundsätzlich unter Verkennung der maßgeblichen steuerrechtlichen Dimensionen gegen die (vermeintlich) Verantwortlichen - im Ergebnis (ebenso) niemals wiedergutzumachende - Freiheitsstrafen verhängt haben“. Gleiches gelte hinsichtlich der Gesellschafter der Klägerin im hier anhängigen Verfahren. Da die Abwicklung von innergemeinschaftlichen Lieferungen feststehe, „durfte eine Heranziehung zur Umsatzsteuer (der Klägerin) nicht in Betracht kommen“. Damit habe sich „bei sachgerechter Behandlung der Vorgänge eo ipso wegen des Grundsatzes der Akzessorietät auch nicht die Frage nach der Haftung ihrer Gesellschafter stellen“ können, die „wegen Steuerfreiheit der einschlägigen Liefervorgänge sachlogisch keine Steuerhinterziehung begehen konnten“.
61 
Sämtliche Abnehmer der Klägerin seien gewerblich tätige, nach italienischem Recht registrierte Unternehmen mit USt-ID-Nummer gewesen, wobei die Firmen CC, UJ.. und MO.. ihren Fahrzeugbedarf in erheblichem Umfang auch bei  einer Fa. KK GmbH (KP..-) gedeckt hätten. Die Rechnungsadressaten der Klägerin seien die echten, wirklichen Abnehmer; insoweit seien die zivilrechtlichen Vereinbarungen maßgebend. Die Rechnungsadressaten hätten den Empfang der Fahrzeuge quittiert und ausnahmslos den Kaufpreis bezahlt. Auch seien einige Fahrzeuglieferungen unbar abgewickelt worden.
62 
Die „Kontraktpartner (Abnehmer der Klägerin)“ hätten die Fahrzeuge zudem nicht etwa an italienische Endabnehmer weitergeliefert. Auch diese seien nach dem Kenntnisstand der Klägerin durchweg Zwischenhändler gewesen und hätten, soweit dies der Klägerin bekannt sei, die meisten Fahrzeuge in der weiteren Verkaufsabwicklung in Italien über Leasing-Finanzierung weiterveräußert.
63 
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte schließlich mit, dass Y., der vormalige Gesellschafter-Geschäftsführer, mit Beschluss vom 26. August 2009 „als solcher“ bei der Klägerin ausgeschieden und damit nicht mehr vertretungsberechtigter Geschäftsführer derselben sei.
64 
Auf den umfangreichen schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin sowohl im hier vorliegenden Hauptsacheverfahren als auch im Verfahren auf gerichtliche Vollziehungsaussetzung (12 V 85/04) wird ergänzend vollumfänglich Bezug genommen.
65 
5. Gleichzeitig mit ihren Einsprüchen gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide sowie Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide bzw. gegen den erstmaligen Vorauszahlungsbescheid für Juli 2003 hatte die Klägerin beim FA am 25. März 2004 bzw. am 22. April 2004 auch die Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide beantragt. Dies wurde vom Finanzamt mit Verwaltungsakt vom 06. April 2004 und - nach einem rechtzeitigen Einspruch auch hiergegen - mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2004 bzw. mit Verwaltungsakt vom 04. Mai 2004 jeweils abgelehnt, da keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen würden. Die hierauf beantragte gerichtliche Vollziehungsaussetzung (Az.: 12 V 85/04) wurde mit Beschluss vom 13. Februar 2006 (Bl. 150 ff. der Gerichtsakte 12 V 85/04) abgelehnt.
66 
6. Am 25. Juli 2008 übersandte der Beklagte den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2003 vom 24. Juli 2008 (Bl. 195 ff. der Gerichtsakte); dieser wurde gem. § 68 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
67 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird auf die Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten in dem vorliegenden Verfahren ergänzend vollumfänglich verwiesen.
68 
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 2. April 2004 die Umsatzsteuerbescheide für 2000, 2001, 2002 vom 22. März 2004 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 24. Juli 2008 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2000 mit ./. xxx.xxx,xx EUR, für 2001 mit ./. xxx.xxx,xx EUR, für 2002 mit ./. xxx.xxx,xx EUR sowie für 2003 mit ./. xxx.xxx,xx EUR festgesetzt wird sowie hilfsweise, die Revision zuzulassen.
69 
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
70 
Zur Begründung beruft er sich auf die Feststellungen der Steuerfahndung vom 16. Dezember 2003/16. März 2004 (steuerliche Feststellungen) bzw. vom 17. März 2004 (steuerstrafrechtliches Ermittlungsergebnis) und trägt im Wesentlichen noch das Folgende vor:
71 
Die Feststellungen der Steuerfahndung seien durch den Verlauf der Hauptverhandlung vor dem Landgericht KP.. bestätigt worden. Dort hätten die Gesellschafter der Klägerin Angaben zur Sache gemacht und glaubhafte Geständnisse abgelegt.
72 
Indem die Klägerin im Rahmen des Antrags auf gerichtliche Vollziehungsaussetzung selbst vortragen lasse, dass ihre Gesellschafter vor dem LG die tatsächlichen Verläufe wahrheitsgemäß geschildert hätten, gleichzeitig jedoch gegenteilige Behauptungen aufstelle, sei dies widersprüchlich. Außerdem setze sich die Klägerin zu ihrem Vorbringen in dem Verfahren 12 V 39/03 wegen Aussetzung der Vollziehung der Arrestanordnung vom 14. August 2003 in Widerspruch.
73 
Wenn die Klägerin weiter vortragen lasse, dass die Strafkammer die Feststellungen des Finanzamts bzw. der Steuerfahndung ungeprüft zugrunde gelegt habe, ohne sich mit den umsatzsteuerrechtlichen Spezifika und den zivilrechtlichen Vorfragen in der erforderlichen Weise auseinanderzusetzen, so sei diese Behauptung falsch. Während der Verhandlung vor dem LG seien mehrere Lieferfälle im Einzelnen angesprochen worden. Dabei habe sich zweifelsfrei ergeben, dass die vorgetäuschten Abnehmer nicht die tatsächlichen Abnehmer gewesen seien, was letztendlich zum Geständnis der Gesellschafter der Klägerin geführt habe. Dieses liege dem gegen die Gesellschafter der Klägerin ergangenen Strafurteil des LG vom 30. April 2004 zugrunde. Der damaligen Verhandlung hätten auch Vertreter des Beklagten beigewohnt. Hierbei sei ein Geständnis u.a. des Inhalts abgelegt worden, dass es dem Gesellschafter Y. bekannt gewesen sei, dass W.E. nicht der tatsächliche Abnehmer gewesen sei. Die Zwischenschaltung habe ausschließlich dem Zweck gedient, inneritalienische Rechnungen zu schaffen.
74 
Wegen Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten, insbesondere vom 11. Dezember 2004, 20. Juni 2005 und 10. November 2009, verwiesen.
75 
7. Am 16. Juli 2009 fand ein Erörterungstermin statt. Hierbei haben die Beteiligten klargestellt, dass im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich die nach Italien verbrachten Fahrzeuge, die sich aus der vom Vertreter der Klägerin zur Vorbereitung des Termins als Anlage zum Schriftsatz vom 6. Mai 2009 vorgelegten Aufstellung (Bl. 234 ff. der Gerichtsakte) ergeben, streitgegenständlich seien. Auf das diesbezügliche Protokoll (Bl. 274 ff. der Gerichtsakte) wird vollumfänglich Bezug genommen.
76 
8. Der Sach- und Streitstand beruht auf der Gerichtsakte, den vom Beklagten vorgelegten Steuerakten (§ 71 Abs. 2 FGO), den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und den Angaben der Beteiligten im Erörterungstermin und der mündlichen Verhandlung. Die Beteiligten haben zudem ihr jeweiliges Vorbringen im gerichtlichen Vollziehungsaussetzungsverfahren 12 V 85/04 vollumfänglich zum Inhalt des hier zu entscheidenden Hauptsacheverfahrens gemacht. Der erkennende Senat hat zu dem vorliegenden Verfahren auch die Akten des unter dem Aktenzeichen 12 V 85/04 geführten gerichtlichen Aussetzungsverfahrens mit Anlagenband sowie die Akten des zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen Verfahrens 12 V 39/03 wegen Aussetzung der Vollziehung der Arrestanordnung vom 14. August 2003 beigezogen.

Entscheidungsgründe

 
77 
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
78 
Gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO ändert das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die angefochtenen Bescheide sind jedoch rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
79 
Die streitgegenständlichen Fahrzeugverkäufe sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 UStG i.V.m. § 6a UStG steuerfrei.
80 
1. Nach § 4 Nr. 1 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden (steuerbaren) Umsätzen u.a. die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a UStG) steuerfrei.
81 
a) Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn
82 
- der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG),
- der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) und
- der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
83 
Der Nachweis des Vorliegens dieser Tatbestandsvoraussetzungen obliegt gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG dem Unternehmer. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist das BMF ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie der Nachweis zu führen ist. Dies ist in Gestalt der §§ 17a bis 17c der UStDV geschehen.
84 
Bei der Lieferung eines hochwertigen PKW sind nach der Rechtsprechung des BFH an die Nachweispflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung - wie vorliegend in der überwiegenden Zahl der Fälle - ein Barverkauf zu Grunde liegt. In solchen Fällen muss der Unternehmer sich über den Namen, die Anschrift und die Vertretungsmacht des angeblichen Vertreters des Abnehmers vergewissern und entsprechende Belege vorlegen können (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81).
85 
Im Streitfall hat die Klägerin zum Nachweis der Identität ihrer italienischen Abnehmer und der Verbringung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet quittierte Kopien ihrer Ausgangsrechnungen bereitgehalten, in welchen der jeweilige angebliche Abholer schriftlich erklärte, das betreffende Fahrzeug erhalten zu haben und dieses „in sein Land“ verbringen zu wollen. Allerdings waren die Erklärungen regelmäßig schon insoweit unzutreffend, als die Unterzeichner der Erklärungen die Fahrzeuge nicht bei der Klägerin abgeholt und nach Italien befördert haben. Vielmehr hat der Gesellschafter Y. nahezu alle Überführungen persönlich durchgeführt, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt.
86 
b) Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Nachweispflichten des Unternehmers keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung sind (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 297 ff.). Demnach ist es für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG letztlich nicht entscheidend, ob in den zum Nachweis dienenden Belegen oder Aufzeichnungen der Beförderungsvorgang durch den Unternehmer oder aber durch den Abnehmer unzutreffend dargestellt ist. Kommt der Unternehmer den ihm obliegenden Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 297 ff.).
87 
Danach setzt die innergemeinschaftliche Lieferung neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007, V R 26/05, BStBl II 2009, 49, unter II. 1. b, m. w. Nachw.). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007, V R 26/05, BStBl II 2009, 49, unter II. 1. b, m. w. Nachw.).
88 
Der Senat geht im Streitfall davon aus, dass die gelieferten Fahrzeuge tatsächlich nach Italien verbracht worden sind. Er entnimmt dies den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beteiligten. Hierbei kann der Senat offenlassen, ob Abnehmer der Fahrzeuge die von der Klägerin (dazu nachfolgend zu e)) oder die von dem Beklagten (dazu nachfolgend zu c) und d)) benannten Erwerber waren. In beiden Fällen hätten die Erwerber ganz offenkundig als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG den gewerblichen Handel mit den erworbenen Fahrzeugen betrieben.
89 
Dennoch hat die Klägerin im Streitfall keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachte, von dem Beklagten aber bestrittene Steuerbefreiung.
90 
c) Einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist die Befreiung von der Mehrwertsteuer nämlich auch dann zu versagen, wenn die Lieferung zwar ausgeführt wurde und diese selbst nicht unmittelbar Gegenstand einer Mehrwertsteuerhinterziehung war, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligt, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen (hierzu ausführlich BGH-Beschluss vom 7. Juli 2009, 1 StR 41/09, EuGH-Vorlage, juris, m. w. Nachw.). Dies gilt auch, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer aus der Sicht eines objektiven Betrachters, namentlich eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet (vgl. hierzu auch § 6a Abs. 4 Satz 1, § 25d Abs. 1 Satz 1 UStG), dies jedenfalls hätte wissen müssen. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt danach etwa dann keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um den tatsächlichen Abnehmer zu verdecken, und so an der Vermeidung der Besteuerung des Abnehmers mitwirkt (siehe auch BGH-Beschluss vom 20. November 2008 1 StR 354/08, DStR 2009, 577 ff). Hierbei kommt es nach Überzeugung des Senats nicht darauf an, ob der Abnehmer nachweisbar tatsächlich eine Steuerhinterziehung begeht oder ob dieser hierfür im Verbringungsstaat tatsächlich belangt wird. Der Unternehmer muss sich ferner - entsprechend dem Grundgedanken der §§ 166, 278 BGB - die Kenntnis seiner Gesellschafter zurechnen lassen (Senats-Urteil vom 1. Oktober 2007, 12 K 160/04, Deutsches Steuerrecht - Entscheidungsdienst 2008, 449, m. Anm. Füllsack, Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 78/07; vgl. ferner BFH-Urteil vom 29. Juli 2003, VII R 3/01, BFH/NV 2003, 1521, unter II. 3.; BGH-Urteil vom 27. März 2001, VI ZR 12/00, Neue Juristische Wochenschrift 2001, 2535, unter II 2 a bb, je m. w. Nachw.).
91 
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Steuerbefreiung als rechtsmissbräuchlich zu versagen. Die Klägerin konnte - aus der Sicht eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwendet - erkennen, dass die innergemeinschaftlichen Erwerber sich vorbehalten hatten, die Umsatzsteuer - jedenfalls - nicht zu entrichten, die auf den Erwerb der Fahrzeuge entsteht, die sie, die Klägerin, liefern sollte. So hat die Klägerin gemeinschaftlich mit den Italienischen „Gebietsimporteuren“ und den tatsächlichen Abnehmern in der „Lieferkette“ einen „Zwischenerwerb“ der „Gebietsimporteure“ fingiert, indem durch die Rechnungsstellung vorgetäuscht wurde, die Fahrzeuge an die „Gebietsimporteure“ zu liefern. Darüber hinaus war es der Klägerin auf diese Weise möglich, zusätzliche Einnahmen zu erzielen, deren tatsächliche Höhe durch angebliche Zwischengewinne oder „Differenzbeträge auf der zweiten Händlerstufe“ verschleiert werden sollten. Insoweit widerspricht der Vortrag der Klägerin logischen Denkgrundsätzen, wenn sie vorträgt, bei den Provisionen habe es sich um „Zwischenerlöse auf der zweiten Händlerstufe“ und somit um den „Deckungsbeitrag I des Gebietsimporteurs“ gehandelt.
92 
Der mit der Vorgehensweise einher gehende Effekt von zusätzlichen Fahrzeugverkäufen vermag dagegen dieses kollusive Zusammenwirken nicht mit der Folge der Gewährung einer Umsatzsteuerbefreiung zu überlagern, da dieser Effekt gerade und ausschließlich durch das steuerunehrliche Verhalten der Beteiligten und damit durch den Missbrauch gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften ermöglicht werden konnte (ausdrücklich offen gelassen in FG Baden-Württemberg - Beschluss vom 11. März 2009, 1 V 4305/08, „juris“). Ein solches kollusives Zusammenwirken lag auch offenbar weder der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 27. November 2008 (6 K 1463/08, „juris“) noch der des 9. Senats des erkennenden Gerichts (Urteil vom 9. Juni 2008, 9 K 408/04, „juris“) zugrunde.
93 
Seine Überzeugung, dass
- die Gesellschafter der Klägerin die entsprechende Kenntnis hatten oder jedenfalls hätten haben müssen und
- die tatsächlichen Abnehmer verschleiert wurden, indem die Klägerin in ihren Rechnungen nicht die wirklichen Abnehmer, sondern Dritte als solche benannt hatte, indem sie unzutreffende Angaben dazu machte, wer die Fahrzeuge nach Italien verbrachte,
- die Klägerin (inhaltlich) falsche Rechnungen ausstellte und
- sie sich in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle auf Bargeldzahlungen einließ, ohne hierfür triftige Gründe geltend zu machen,
94 
entnimmt der Senat im Einzelnen dem gegen die Gesellschafter der Klägerin ergangenen Urteil des LG KP... Dessen Inhalt macht sich der Senat zu eigen. Das Finanzgericht kann sich den Inhalt eines Strafurteils grundsätzlich zu eigen machen, ohne die Akten des Strafverfahrens beizuziehen und weitere Ermittlungen anzustellen (BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2008 VII B 179/08, „juris“ m. w. Nachw.). Das FG darf sich die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts jedenfalls dann zu eigen machen, wenn und soweit es - wie im Streitfall der Senat - zu der Überzeugung gelangt, dass diese zutreffend sind und im finanzgerichtlichen Verfahren keine substantiierten Einwendungen gegen diese Feststellungen erhoben werden (BFH-Beschluss vom 30. Januar 2007, VII B 4/06, BFH/NV 2007, 1374, unter 2. a. E., m. w. Nachw.).
95 
Das LG hatte mit seinem Urteil insbesondere festgestellt, dass
96 
- die Geschäftsführer der Klägerin ihre Rechnungen in keinem Fall auf die tatsächlichen Kunden und Abnehmer, sondern auf andere von ihren Kunden genannte Personen bzw. Firmen in Italien ausgestellt hatten,
- sie sich, obwohl die Autos weit überwiegend von Y. nach Italien verbracht und geliefert wurden, auf den Rechnungen jeweils wahrheitswidrig bestätigen ließen, dass ein Vertreter der in den Rechnungen als Abnehmer fingierten Firmen das Fahrzeug in Deutschland übernommen habe und „in sein Land“ bringen werde, und
- es den Geschäftsführern der Klägerin bewusst war, dass die italienischen Autohäuser, also ihre wirklichen Kunden und Abnehmer, auf diese Weise die Bezahlung der in Italien anfallenden Erwerbsumsatzsteuer umgingen, indem sie sich inneritalienische Rechnungen, in denen der an die Klägerin gezahlten Kaufpreis als Bruttokaufpreis aufgeführt und die italienische Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, ausstellen ließen.
97 
Das LG berief sich zu den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen auf die Angaben der Geschäftsführer der Klägerin und verwies darauf, dass diese in der Hauptverhandlung ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt hätten. Das LG führte hierzu aus, die Geschäftsführer der Klägerin hätten „anhand von zahlreichen ihnen aus den Ermittlungsakten vorgehaltenen Urkunden und Schriftstücken ausführlich, detailliert und glaubhaft dargelegt, wie sie gegen Ende des Jahres 1999 in Kontakt zum Inhaber des italienischen Autohauses „R..“ kamen, wie dieser sie in die in Italien offensichtlich weitverbreiteten illegalen Geschäftspraktiken einführte, ihnen W.E. als Scheinabnehmer vorstellte und wie sie im weiteren Verlauf - vor allem mit W.E. als Kontaktmann und Scheinabnehmer - zu weiteren Autohäusern in Kontakt kamen und auch bei Verkäufen an diese jeweils W.E. bzw. andere ihnen von ihren Geschäftspartnern vorgegebene Personen oder Firmen als Scheinabnehmer in ihre Ausgangsrechnungen aufnahmen. Ihnen sei immer klar gewesen, dass es vor allem um eine Steuerhinterziehung in Italien ging und dass die Autohäuser, auf einem den Angeklagten nicht im einzelnen bekannten Wege fingierte inneritalienische Rechnungen erhielten.“ Die Geschäftsführer der Klägerin hätten überdies die Abläufe ihrer Verhandlungen mit den Autohäusern geschildert, die ihre tatsächlichen Abnehmer gewesen seien.
98 
Diese Geständnisse und Feststellungen hat die Klägerin nicht substantiiert bestritten. Deren Ausführungen hierzu sind vielmehr widersprüchlich und großteils unschlüssig.
99 
Wenn die Klägerin im vorliegenden Verfahren (zunächst) vortragen lässt, dass die „sogenannten“ Geständnisse „unter außergewöhnlichen Bedingungen vor dem Hintergrund der totalen Einbuße der persönlichen Freiheitssphäre - damit unter enormem faktischem psychischem und körperlichem Zwang ... auf Grund der U-Haft -„ zustande gekommen seien, handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um eine bloße Schutzbehauptung. Zum anderen ist für das finanzrechtliche Verfahren maßgebend, dass die Geständnisse die wahren tatsächlichen Umstände zutreffend wiedergeben. Hieran bestehen für den erkennenden Senat ebenso wenig Zweifel, wie sie für das LG KP.. bestanden. Die Geständnisse stimmen mit den von der Steuerfahndung aufgefundenen Dokumenten und rekonstruierten EDV-Daten überein und enthalten darüber hinaus Einlassungen, etwa über die Art und Weise der Geschäftsanbahnung sowie Geschäftsabwicklung mit den wahren italienischen Abnehmern, die authentisch klingen und nicht erfunden sind. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des LG vom 30. September 2004, Seite 11 ff. Bezug genommen.
100 
Letztlich sind die Geständnisse auf die im Laufe des Strafverfahrens bei den Gesellschaftern gewachsene Erkenntnis zurückzuführen, dass die vorliegenden Beweismittel allzu erdrückend sind und Geständnisse zu einer günstigen Strafzumessung beizutragen geeignet sind.
101 
Der insoweit lediglich erfolgte pauschale Hinweis auf den mit der Untersuchungshaft einhergehenden Druck auf die Gesellschafter der Klägerin genügt diesen Grundsätzen ersichtlich nicht. Ausweislich des Protokolls zur Hauptverhandlung vor dem LG vom 30. September 2004, wurden die Geständnisse anhand von Unterlagen, einer detaillierten Darstellung des tatsächlichen Geschehensablaufs unter Nennung der Namen der Beteiligten in sich schlüssig abgelegt. Die jetzige Darstellung der Gesellschafter der Klägerin vermag hierfür aber keine schlüssige, in sich logische Erklärung zu geben, so dass die grundsätzliche Verwertbarkeit der strafprozessualen Geständnisse auch für den erkennenden Senat bestehen blieb.
102 
Die von den Gesellschaftern der Klägerin angegebenen Gründe für den Widerruf der Geständnisse sind zudem auch deshalb unglaubhaft, als diese Geständnisse erst im Rahmen der Hauptverhandlung, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Untersuchungshaft bereits ca. 6 Monate angedauert hatte und das Verfahrensende und damit der aus Sicht der Gesellschafter, die ja nicht von einem strafrechtlich relevanten Verhalten ausgegangen sein wollen, zu erwartende Freispruch unmittelbar bevorstand und somit weder objektiv noch subjektiv die von den Gesellschaftern der Klägerin angegebene Drucksituation tatsächlich noch bestand. Der Senat ist vor diesem Hintergrund vielmehr davon überzeugt, dass die Geständnisse vor dem Eindruck der Hauptverhandlung abgelegt wurden, als die Gesellschafter der Klägerin erkannten, dass ein Freispruch aufgrund des festgestellten Sachverhalts immer unwahrscheinlicher wurde. Das Gericht war daher vorliegend auch nicht verpflichtet, seinerseits zusätzlich Zeugen zu vernehmen, da der streitgegenständliche Sachverhalt aufgrund der eigenen Geständnisse der Gesellschafter der Klägerin bereits festgestellt war.
103 
Dem steht auch das vom Klägervertreter in Bezug genommene Urteil des BFH vom 23. Januar 1985 I R 30/81, BStBl II 1985, 305 nicht entgegen. In diesem ging es um die Verwertung eines in einem anderen Verfahren erstellten Sachverständigengutachtens, welches von dem Kläger mit einem Gegengutachten angegriffen worden war und an dem der Kläger offenbar nicht aktiv beteiligt war. Im hier zu beurteilenden Fall handelt es sich jedoch um die Verwertung eigener Aussagen der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen eines Geständnisses, so dass ein Verwertungsverbot aus dem hinter diesem Sachverhalt weit zurück bleibenden Bezugsurteil nach Überzeugung des Senats nicht abgeleitet werden kann.
104 
Der Klägerin-Vertreter trägt nunmehr mit Schriftsatz vom 9. September 2009 erstmals vor, derartige Geständnisse seien inhaltlich nie abgelegt worden, obwohl er bisher lediglich vorgetragen hatte, die Geständnisse seien aufgrund der angeführten angeblichen Zwangssituation nicht verwertbar, ohne indes deren Inhalt zu bestreiten. Hinzu kommt weiter, dass die diesbezüglichen Feststellungen des LG - wie der Klägerin-Vertreter selbst einräumt - im Rahmen der Revision „nicht in der gehörigen Form angegriffen“ wurden. Der diesbezügliche klägerische Vortrag ist daher widersprüchlich und entspricht offensichtlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den von dieser angegriffenen Feststellungen nämlich nicht lediglich um eine bloße Beweiswürdigung des LG, sondern um die Wiedergabe des Inhalts des Geständnisses der Geschäftsführer der Klägerin in indirekter Rede. Diese haben demnach sowohl die Einschaltung fingierter Zwischenhändler als auch deren Kenntnis über die Hintergründe hierüber positiv bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin weder schlüssig noch nachvollziehbar, zumal es auch auf eine positive Kenntnis der Geschäftsführer oder eine tatsächliche Verurteilung der Beteiligten auf italienischer Seite letztlich nicht ankommt.
105 
Das Gericht konnte - auch insoweit - die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren verwerten, ohne selbst nochmals eine weitergehende Beweiserhebung zu betreiben. Zum einen ist das FG nicht verpflichtet, Auslandszeugen im Ausland zu laden. Diese müssen vom Kläger ggf. in den Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt werden (BFH-Beschluss vom 11. November 2005 II B 101/04, BFH/NV 2006, 577 f.). Da es im vorliegenden Falle zudem erheblich auf die Glaubwürdigkeit der betroffenen Zeugen angekommen wäre, kam auch eine konsularische Vernehmung nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 20. November 2008 XI B 222/07, BFH/NV 2009, 404 f.). Zum anderen hat die Klägerin die von deren Gesellschaftern im Rahmen des Strafverfahrens abgelegten Geständnisse - wie ausgeführt - nicht hinreichend substantiiert und glaubhaft bestritten. Von einem strafprozessual abgelegten Geständnis geht für das finanzgerichtliche Verfahren eine Indizwirkung aus, die nur dadurch ausgeräumt werden kann, dass der Kläger substantiiert darlegt und unter Beweis stellt, weshalb sein Geständnis zu Unrecht abgelegt worden ist (BFH-Beschluss vom 21. Mai 1999 VII B 37/99, BFH/NV 1999, 1496). Dies ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt (vgl. auch BFH - Beschluss vom 24. April 2006 VII B 78/05, BFH/NV 2006, 1668 ff., m. w. Nachw.).
106 
Der Senat ist von der tatsächlichen Bewusstseinslage der Geschäftsführer der Klägerin im Tatzeitpunkt wie oben angegeben überzeugt. Die Möglichkeit einer entsprechenden Sicht eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwendet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 „Kittel und Ricolta Recycling“ C-493/04, DStR 2006, 1274), die tatsächlichen Umstände zu erkennen, steht im Streitfall außer Frage.
107 
d) Selbst unabhängig von den tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des LG ist der Senat im Streitfall davon überzeugt, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin wussten oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligten, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen oder jedenfalls nicht zu entrichten.
108 
Dies ergibt die Zusammenschau der von der Klägerin vorgelegten, zweifelsfrei falschen Übernahme- und Beförderungserklärungen der angeblichen Abholer, den wieder lesbar gemachten (Kauf-)Angeboten der Klägerin sowie Annahmeerklärungen der objektiv wahren Abnehmer (u.a. zu den 15 Fallbeispielen), der Tatsache, dass in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle Bargeldgeschäfte erfolgt sind, die Kunden auf der zweiten Händlerstufe aquiriert wurden, um dann angeblich Verträge mit Kunden auf der ersten Händlerstufe abzuschließen, sowie den bei den Durchsuchungen vorgefundenen weiteren Unterlagen, einschließlich der von der Gesellschafterin X. geführten sog. Schwarzgeldliste. Die Einlassung der Klägerin, bei den Angeboten an die - nach ihrer Lesart - „Kunden ihrer Gebietsimporteure“ und deren Annahmeerklärungen habe es sich lediglich um Werbeaktionen bzw. Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin bzw. um die „Übermittlung von Daten“ an die Kunden der „Gebietsimporteure“ bzw. um „Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur“ gehandelt, wird bereits durch den objektiven Erklärungsinhalt der fraglichen Schriftstücke widerlegt.
109 
Wenn die Klägerin die fraglichen Fahrzeuge an ihre angeblichen Kunden (die sog. Gebietsimporteure) verkauft haben will, hierüber aber keinerlei Geschäftspapiere vorlegen kann, da diese Verkäufe ausschließlich mündlich oder telefonisch erfolgt seien, ist dies auch deshalb völlig unglaubwürdig, weil unerfindlich ist, wie diese Verkäufe angesichts der umfangreichen Beschreibungen der gehandelten Kfz nach Motorisierung, Farben und Ausstattungen sowie 17-stelligen Fahrgestellnummern ohne jegliche Dokumentation praktikabel gehandhabt worden sein sollten. Selbstverständlich haben die Klägerin und ihre Lieferanten auch beim Einkauf der von der Klägerin weiterverkauften Fahrzeuge den Kaufgegenstand und die Vertragsmodalitäten jeweils auf kaufmännische, branchenübliche Weise - regelmäßig per Fax oder E-Mail - dokumentiert.
110 
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin in dem Verfahren wegen Arrestanordnung mit den jetzt als „Endabnehmern“ bezeichneten italienischen Autohändlern nichts zu tun gehabt haben und diese auch nur teilweise gekannt haben will (vgl. S. 18 der Einspruchsbegründung vom 4. September 2003, Bl. 3 ff. der Arrestakte), während sie später angesichts der ihren Gesellschaftern vorgehaltenen Beweismittel einräumt, mit diesen sogar sog. Endverkaufspreise vereinbart zu haben. Dass die Geschäftsführer der Klägerin sogar sehr intensive Kontakte zu den „Drittabnehmern“ pflegten, belegt zudem die Tatsache, dass sie diese persönlich mit Vornamen ansprachen - wie z.B. aus dem Schreiben vom 26. März 2003 an „T.“ (offenbar T.C., Auto-O.., A..), dem zudem im eigenen Namen ein Fahrzeug ausdrücklich mit einer Lieferfrist von 20 Tagen angeboten wurde, ersichtlich wird (Übersetzung, Bl. 155 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“). Seitens der Firma „Auto N..“ wurde mit Telefax vom 6. Februar 2001 (Fallbeispiel 3, Akte Fallbeispiele: 1-15; ebenso Bl. 65 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“) unter Bezugnahme auf ein Telefax der Klägerin vom gleichen Tag die Kaufbestätigung über einen Porsche übersandt. Auch hieraus wird deutlich, dass die Klägerin offenbar im eigenen Namen ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat. Gleiches ergibt sich aus dem Fallbeispiel 1. Mit diesem teilt die Klägerin mit Telefax vom 30. Juni 2003 im eigenen Namen gegenüber der Firma Auto N.. die Verkaufsdaten für den Kauf eines BMW zum Gesamtpreis von 83.410,- EUR mit, welcher mit Rückfax vom 3. Juli 2003 gegenüber der Klägerin zu einem Preis von 68.500,- EUR bestätigt wird (Bl. 120 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“). Auch hieraus und aus den handschriftlich vermerkten Zahlen „69“ und „68,5“ wird deutlich, dass sowohl das Verkaufsangebot und die Aushandlung des konkreten Preises als auch die Annahme des Kaufangebotes gegenüber der Klägerin als Vertragspartnerin erfolgt sind. Gleiches gilt für das Telefaxschreiben vom 14. Juli 2003 (Bl. 26 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“), mit dem die Klägerin ausdrücklich ein Angebot über einen BMW über 42.500,- EUR abgibt.
111 
Nach dem Vortrag der Klägerin sollen allerdings die „Kaufbestätigungen der betreffenden beworbenen italienischen Adressaten“ in keinem Fall „die Qualität irgendwelcher rechtsgeschäftlicher konstitutiver Akte im Verhältnis zur Klägerin als Vertragspartnerin“ gehabt haben, weshalb keine Aufbewahrungspflicht bestanden habe. Die Kaufbestätigungen seien nur insoweit von Belang gewesen, als sie (die Klägerin) nach Kenntniserlangung habe davon ausgehen können, „das Liefergeschäft mit ihrem Vertragspartner auf erster Stufe, also dem italienischen Importeur, abzuwickeln“. Wäre dem so gewesen, wären diese Kaufbestätigungen dennoch nach § 147 AO aufzubewahren gewesen, da sie den Warenausgang der Klägerin dokumentierten. Hierzu steht auch in Widerspruch, dass die Klägerin z.B. mit Email vom 24. Oktober 2002 (Fallbeispiel 8, Akte „Fallbeispiele: 1 - 15“; außerdem: Bl. 154 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“) W.E. aufgefordert hat, an „Ü.“ (wohl Ü.S., Inhaber bzw. Vertreter der Firma ...car, L..) - „die übliche Rechnung für folgenden Neuwagen zu schreiben“. Die Tatsache, dass die Klägerin ihren angeblichen „Gebietsimporteur“ und „Vertragspartner“ auffordert, eine „übliche“ Rechnung an einen der angeblichen „Drittabnehmer“ zu schreiben, obwohl nach deren Vortrag im Klageverfahren die Klägerin zu diesem angeblich keinerlei Vertragsbeziehungen unterhalten haben will, belegt, dass diese sehr wohl unmittelbaren und entscheidenden Einfluss auf die angeblich selbständige Vertragsbeziehung zwischen „Gebietsimporteur“ und „Drittabnehmer“ gehabt hatte und die Leistungsbeziehung zum „Drittabnehmer“ - ausweislich der Formulierung üblicherweise - unmittelbar gesteuert und - durch den Angewiesenen - mit eigener Verfügungsmacht ausgefüllt hat. Dass die eigentlichen Verkaufsgeschäfte zu dem tatsächlich zwischen der Klägerin und den „Drittabnehmern“ erfolgt sind, belegen zudem die im eigenen Namen abgegebenen, nur als solche aufzufassenden Kaufangebote der Klägerin, wie z.B. das bereits in Bezug genommene Email vom 26. März 2003 an T.C..
112 
Auch die Ausführungen, die Abwicklung der streitgegenständlichen Liefergeschäfte im Rahmen von Bargeschäften sei zum Liquiditätserhalt der Klägerin erforderlich gewesen, überzeugt nicht, nachdem die Klägerin selbst eingeräumt hat, teilweise Kaufpreise vorverauslagt zu haben. Hinzu kommt noch, dass offenbar - wenn auch nur vereinzelt - tatsächlich Scheck- und Überweisungszahlungen erfolgt sind. Wenn die Klägerin nunmehr weiter ausführen lässt, sie habe sich „anlässlich der Auslieferung der Fahrzeuge der Kaufpreiszahlungen sicher sein“ müssen, ist auch dieser Vortrag widersprüchlich, nachdem diese bislang stets ausgeführt hatte, die italienischen Geschäftspartner bzw. deren Organe seien ihr persönlich bekannt gewesen und mit diesen habe ein persönliches Vertrauensverhältnis bestanden. Gänzlich unglaubhaft werden die nunmehrigen Ausführungen der Klägerin schließlich vor dem Hintergrund, dass deren Gesellschafter bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Dokumentation und schriftliche Verträge Verkaufsrechnungen an die italienischen Abnehmer von Fall zu Fall als bezahlt quittiert und das Geld “aus privater Tasche“ an die Klägerin abgeführt und somit vorverauslagt haben. Vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten des vorliegenden Falles kommt es auf eine Zulässigkeit oder gar Branchenüblichkeit solcher Barzahlungen nicht an.
113 
Ebensowenig überzeugend ist auch die Behauptung der Klägerin, wonach ihr Gesellschafter Y. die verkauften Fahrzeuge nicht in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer nach Italien überführt habe, sondern als Beauftragter der italienischen Abnehmer, weshalb sehr wohl Beförderungen durch die Abnehmer (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV) - und nicht durch die Klägerin, wie der Beklagte meine - vorgelegen hätten. Wäre dem nämlich so gewesen, wären die diesbezüglichen Quittungen über die Übergabe der Fahrzeuge im Inland und die Verpflichtungserklärungen, die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen, gleichwohl falsch gewesen. In diesem Fall hätte nämlich der Gesellschafter Y. als Beauftragter des jeweiligen Abnehmers die jeweilige Erklärung abgeben, d.h. auch unterschreiben müssen, was er jedoch nicht getan hat.
114 
Der Umstand, dass die Klägerin nicht nur ungenügende, sondern inhaltlich unzutreffende Schriftstücke als angebliche Nachweise i. S. der § 17a und 17c UStDV konstruiert hat, kann nur damit erklärt werden, dass ihre Gesellschafter von vornherein beabsichtigten, die wahren tatsächlichen Umstände in steuerunehrlicher Weise zu verschleiern und statt ihrer möglichst unverfängliche Sachverhalte darzustellen.
115 
e) Ein anderes Ergebnis ergibt sich selbst dann nicht, wenn die Klägerin in ihren Rechnungen die wirklichen Abnehmer benannt haben sollte. Dann hätte sie allem Anschein nach nicht alle Maßnahmen unternommen gehabt, die sie vernünftigerweise hätte treffen müssen, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2007, V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035, unter C. 3. a, m. w. Nachw.). Bei Bargeldgeschäften besteht nämlich regelmäßig die Gefahr, dass die erzielten Einnahmen verschwiegen werden. Dies gilt insbesondere, wenn - wie im Streitfall -  ganz offensichtlich nicht nur geringfügige Beträge bezahlt werden. Deshalb hätte die Klägerin allen Anlass gehabt, darauf zu bestehen, lediglich mit Buchgeld, also etwa im Wege von Überweisungen oder Verrechnungsschecks, zu bezahlen. Danach hätte sie auch Anlass gehabt, gegenüber dem Beklagten oder dem Gericht darzulegen,
116 
- weshalb sie dennoch meinte,  davon ausgehen zu können, dass ihre Abnehmer die von ihnen gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer entrichten würden, und
- weshalb sie nicht darauf bestanden hatte, lediglich mit Buchgeld zu bezahlen.
117 
Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Berufung auf die Gutglaubensvorschrift des § 6a Abs. 4 UStG aus.
118 
Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung zwar nach § 6a Abs. 4 UStG gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. Ob die Grundsätze des Vertrauensschutzes die Gewährung der Steuerbefreiung gebieten, obwohl die Voraussetzungen einer Ausfuhrlieferung im Sinne des § 6 Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind, kann ohnehin nur im Billigkeitsverfahren entschieden werden (BFH-Beschluss vom 26. März 2009, V B 179/07, juris, unter II. 1. b, bb, m. w. Nachw.).
119 
2. Der Beklagte war auch nicht gehindert, die angefochtenen geänderten Bescheide zu erlassen.
120 
Hierzu bedurfte es nicht einmal eines Rückgriffs auf die Änderungsnorm des § 173 Abs.1 AO (neue Tatsachen), da die Umsatzsteuererklärungen und Voranmeldungen der Klägerin für den Streitzeitraum Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden (vgl. § 164 Abs.1, 2 i. V. m. § 168 AO). Soweit es die durchgeführte Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum 01/2000 bis 04/2001 anbelangt, hinderte diese den Erlass der streitigen Bescheide schon deshalb nicht, weil diese nicht aufgrund der Prüfung ergangen sind. Nach Aktenlage hat das Finanzamt der Klägerin auch keine Zusage bezüglich ihrer zukünftigen Umsatzbesteuerung gemacht oder einen vergleichbaren Vertrauenstatbestand geschaffen.
121 
3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen.
122 
Zu klären ist, ob einer Lieferung die Befreiung von der Umsatzsteuer zu versagen ist, wenn die Lieferung zwar tatsächlich ausgeführt worden ist, aber wie im vorliegenden  Fall aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer
123 
- wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen, oder
- Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen
(vgl. hierzu Art. 28 c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie und insbesondere BGH-Beschluss vom 7. Juli 2009 1 StR 41/09, DStR 2009, 1688-1693, EuGH-Vorlage C-285/09).
- zu klären ist auch, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer wie im Streitfall bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juli 2009 XI B 24/09, BFH/NV 2009, 1567).
124 
Zu klären  ist ggf. des weiteren, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, wenn der inländische Unternehmer, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwendet, wie im Streitfall mindestens erkennen konnte, dass die innergemeinschaftlichen Erwerber sich vorbehalten hatten, die Umsatzsteuer - jedenfalls - nicht zu entrichten, die auf den Erwerb der Fahrzeuge entsteht, die der inländische Unternehmer liefern sollte.
125 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

Gründe

 
77 
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
78 
Gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO ändert das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die angefochtenen Bescheide sind jedoch rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
79 
Die streitgegenständlichen Fahrzeugverkäufe sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 UStG i.V.m. § 6a UStG steuerfrei.
80 
1. Nach § 4 Nr. 1 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden (steuerbaren) Umsätzen u.a. die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a UStG) steuerfrei.
81 
a) Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn
82 
- der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG),
- der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) und
- der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
83 
Der Nachweis des Vorliegens dieser Tatbestandsvoraussetzungen obliegt gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG dem Unternehmer. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist das BMF ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie der Nachweis zu führen ist. Dies ist in Gestalt der §§ 17a bis 17c der UStDV geschehen.
84 
Bei der Lieferung eines hochwertigen PKW sind nach der Rechtsprechung des BFH an die Nachweispflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung - wie vorliegend in der überwiegenden Zahl der Fälle - ein Barverkauf zu Grunde liegt. In solchen Fällen muss der Unternehmer sich über den Namen, die Anschrift und die Vertretungsmacht des angeblichen Vertreters des Abnehmers vergewissern und entsprechende Belege vorlegen können (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81).
85 
Im Streitfall hat die Klägerin zum Nachweis der Identität ihrer italienischen Abnehmer und der Verbringung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet quittierte Kopien ihrer Ausgangsrechnungen bereitgehalten, in welchen der jeweilige angebliche Abholer schriftlich erklärte, das betreffende Fahrzeug erhalten zu haben und dieses „in sein Land“ verbringen zu wollen. Allerdings waren die Erklärungen regelmäßig schon insoweit unzutreffend, als die Unterzeichner der Erklärungen die Fahrzeuge nicht bei der Klägerin abgeholt und nach Italien befördert haben. Vielmehr hat der Gesellschafter Y. nahezu alle Überführungen persönlich durchgeführt, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt.
86 
b) Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Nachweispflichten des Unternehmers keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung sind (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 297 ff.). Demnach ist es für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG letztlich nicht entscheidend, ob in den zum Nachweis dienenden Belegen oder Aufzeichnungen der Beförderungsvorgang durch den Unternehmer oder aber durch den Abnehmer unzutreffend dargestellt ist. Kommt der Unternehmer den ihm obliegenden Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 297 ff.).
87 
Danach setzt die innergemeinschaftliche Lieferung neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007, V R 26/05, BStBl II 2009, 49, unter II. 1. b, m. w. Nachw.). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007, V R 26/05, BStBl II 2009, 49, unter II. 1. b, m. w. Nachw.).
88 
Der Senat geht im Streitfall davon aus, dass die gelieferten Fahrzeuge tatsächlich nach Italien verbracht worden sind. Er entnimmt dies den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beteiligten. Hierbei kann der Senat offenlassen, ob Abnehmer der Fahrzeuge die von der Klägerin (dazu nachfolgend zu e)) oder die von dem Beklagten (dazu nachfolgend zu c) und d)) benannten Erwerber waren. In beiden Fällen hätten die Erwerber ganz offenkundig als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG den gewerblichen Handel mit den erworbenen Fahrzeugen betrieben.
89 
Dennoch hat die Klägerin im Streitfall keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachte, von dem Beklagten aber bestrittene Steuerbefreiung.
90 
c) Einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist die Befreiung von der Mehrwertsteuer nämlich auch dann zu versagen, wenn die Lieferung zwar ausgeführt wurde und diese selbst nicht unmittelbar Gegenstand einer Mehrwertsteuerhinterziehung war, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligt, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen (hierzu ausführlich BGH-Beschluss vom 7. Juli 2009, 1 StR 41/09, EuGH-Vorlage, juris, m. w. Nachw.). Dies gilt auch, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer aus der Sicht eines objektiven Betrachters, namentlich eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet (vgl. hierzu auch § 6a Abs. 4 Satz 1, § 25d Abs. 1 Satz 1 UStG), dies jedenfalls hätte wissen müssen. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt danach etwa dann keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um den tatsächlichen Abnehmer zu verdecken, und so an der Vermeidung der Besteuerung des Abnehmers mitwirkt (siehe auch BGH-Beschluss vom 20. November 2008 1 StR 354/08, DStR 2009, 577 ff). Hierbei kommt es nach Überzeugung des Senats nicht darauf an, ob der Abnehmer nachweisbar tatsächlich eine Steuerhinterziehung begeht oder ob dieser hierfür im Verbringungsstaat tatsächlich belangt wird. Der Unternehmer muss sich ferner - entsprechend dem Grundgedanken der §§ 166, 278 BGB - die Kenntnis seiner Gesellschafter zurechnen lassen (Senats-Urteil vom 1. Oktober 2007, 12 K 160/04, Deutsches Steuerrecht - Entscheidungsdienst 2008, 449, m. Anm. Füllsack, Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 78/07; vgl. ferner BFH-Urteil vom 29. Juli 2003, VII R 3/01, BFH/NV 2003, 1521, unter II. 3.; BGH-Urteil vom 27. März 2001, VI ZR 12/00, Neue Juristische Wochenschrift 2001, 2535, unter II 2 a bb, je m. w. Nachw.).
91 
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Steuerbefreiung als rechtsmissbräuchlich zu versagen. Die Klägerin konnte - aus der Sicht eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwendet - erkennen, dass die innergemeinschaftlichen Erwerber sich vorbehalten hatten, die Umsatzsteuer - jedenfalls - nicht zu entrichten, die auf den Erwerb der Fahrzeuge entsteht, die sie, die Klägerin, liefern sollte. So hat die Klägerin gemeinschaftlich mit den Italienischen „Gebietsimporteuren“ und den tatsächlichen Abnehmern in der „Lieferkette“ einen „Zwischenerwerb“ der „Gebietsimporteure“ fingiert, indem durch die Rechnungsstellung vorgetäuscht wurde, die Fahrzeuge an die „Gebietsimporteure“ zu liefern. Darüber hinaus war es der Klägerin auf diese Weise möglich, zusätzliche Einnahmen zu erzielen, deren tatsächliche Höhe durch angebliche Zwischengewinne oder „Differenzbeträge auf der zweiten Händlerstufe“ verschleiert werden sollten. Insoweit widerspricht der Vortrag der Klägerin logischen Denkgrundsätzen, wenn sie vorträgt, bei den Provisionen habe es sich um „Zwischenerlöse auf der zweiten Händlerstufe“ und somit um den „Deckungsbeitrag I des Gebietsimporteurs“ gehandelt.
92 
Der mit der Vorgehensweise einher gehende Effekt von zusätzlichen Fahrzeugverkäufen vermag dagegen dieses kollusive Zusammenwirken nicht mit der Folge der Gewährung einer Umsatzsteuerbefreiung zu überlagern, da dieser Effekt gerade und ausschließlich durch das steuerunehrliche Verhalten der Beteiligten und damit durch den Missbrauch gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften ermöglicht werden konnte (ausdrücklich offen gelassen in FG Baden-Württemberg - Beschluss vom 11. März 2009, 1 V 4305/08, „juris“). Ein solches kollusives Zusammenwirken lag auch offenbar weder der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 27. November 2008 (6 K 1463/08, „juris“) noch der des 9. Senats des erkennenden Gerichts (Urteil vom 9. Juni 2008, 9 K 408/04, „juris“) zugrunde.
93 
Seine Überzeugung, dass
- die Gesellschafter der Klägerin die entsprechende Kenntnis hatten oder jedenfalls hätten haben müssen und
- die tatsächlichen Abnehmer verschleiert wurden, indem die Klägerin in ihren Rechnungen nicht die wirklichen Abnehmer, sondern Dritte als solche benannt hatte, indem sie unzutreffende Angaben dazu machte, wer die Fahrzeuge nach Italien verbrachte,
- die Klägerin (inhaltlich) falsche Rechnungen ausstellte und
- sie sich in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle auf Bargeldzahlungen einließ, ohne hierfür triftige Gründe geltend zu machen,
94 
entnimmt der Senat im Einzelnen dem gegen die Gesellschafter der Klägerin ergangenen Urteil des LG KP... Dessen Inhalt macht sich der Senat zu eigen. Das Finanzgericht kann sich den Inhalt eines Strafurteils grundsätzlich zu eigen machen, ohne die Akten des Strafverfahrens beizuziehen und weitere Ermittlungen anzustellen (BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2008 VII B 179/08, „juris“ m. w. Nachw.). Das FG darf sich die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts jedenfalls dann zu eigen machen, wenn und soweit es - wie im Streitfall der Senat - zu der Überzeugung gelangt, dass diese zutreffend sind und im finanzgerichtlichen Verfahren keine substantiierten Einwendungen gegen diese Feststellungen erhoben werden (BFH-Beschluss vom 30. Januar 2007, VII B 4/06, BFH/NV 2007, 1374, unter 2. a. E., m. w. Nachw.).
95 
Das LG hatte mit seinem Urteil insbesondere festgestellt, dass
96 
- die Geschäftsführer der Klägerin ihre Rechnungen in keinem Fall auf die tatsächlichen Kunden und Abnehmer, sondern auf andere von ihren Kunden genannte Personen bzw. Firmen in Italien ausgestellt hatten,
- sie sich, obwohl die Autos weit überwiegend von Y. nach Italien verbracht und geliefert wurden, auf den Rechnungen jeweils wahrheitswidrig bestätigen ließen, dass ein Vertreter der in den Rechnungen als Abnehmer fingierten Firmen das Fahrzeug in Deutschland übernommen habe und „in sein Land“ bringen werde, und
- es den Geschäftsführern der Klägerin bewusst war, dass die italienischen Autohäuser, also ihre wirklichen Kunden und Abnehmer, auf diese Weise die Bezahlung der in Italien anfallenden Erwerbsumsatzsteuer umgingen, indem sie sich inneritalienische Rechnungen, in denen der an die Klägerin gezahlten Kaufpreis als Bruttokaufpreis aufgeführt und die italienische Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, ausstellen ließen.
97 
Das LG berief sich zu den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen auf die Angaben der Geschäftsführer der Klägerin und verwies darauf, dass diese in der Hauptverhandlung ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt hätten. Das LG führte hierzu aus, die Geschäftsführer der Klägerin hätten „anhand von zahlreichen ihnen aus den Ermittlungsakten vorgehaltenen Urkunden und Schriftstücken ausführlich, detailliert und glaubhaft dargelegt, wie sie gegen Ende des Jahres 1999 in Kontakt zum Inhaber des italienischen Autohauses „R..“ kamen, wie dieser sie in die in Italien offensichtlich weitverbreiteten illegalen Geschäftspraktiken einführte, ihnen W.E. als Scheinabnehmer vorstellte und wie sie im weiteren Verlauf - vor allem mit W.E. als Kontaktmann und Scheinabnehmer - zu weiteren Autohäusern in Kontakt kamen und auch bei Verkäufen an diese jeweils W.E. bzw. andere ihnen von ihren Geschäftspartnern vorgegebene Personen oder Firmen als Scheinabnehmer in ihre Ausgangsrechnungen aufnahmen. Ihnen sei immer klar gewesen, dass es vor allem um eine Steuerhinterziehung in Italien ging und dass die Autohäuser, auf einem den Angeklagten nicht im einzelnen bekannten Wege fingierte inneritalienische Rechnungen erhielten.“ Die Geschäftsführer der Klägerin hätten überdies die Abläufe ihrer Verhandlungen mit den Autohäusern geschildert, die ihre tatsächlichen Abnehmer gewesen seien.
98 
Diese Geständnisse und Feststellungen hat die Klägerin nicht substantiiert bestritten. Deren Ausführungen hierzu sind vielmehr widersprüchlich und großteils unschlüssig.
99 
Wenn die Klägerin im vorliegenden Verfahren (zunächst) vortragen lässt, dass die „sogenannten“ Geständnisse „unter außergewöhnlichen Bedingungen vor dem Hintergrund der totalen Einbuße der persönlichen Freiheitssphäre - damit unter enormem faktischem psychischem und körperlichem Zwang ... auf Grund der U-Haft -„ zustande gekommen seien, handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um eine bloße Schutzbehauptung. Zum anderen ist für das finanzrechtliche Verfahren maßgebend, dass die Geständnisse die wahren tatsächlichen Umstände zutreffend wiedergeben. Hieran bestehen für den erkennenden Senat ebenso wenig Zweifel, wie sie für das LG KP.. bestanden. Die Geständnisse stimmen mit den von der Steuerfahndung aufgefundenen Dokumenten und rekonstruierten EDV-Daten überein und enthalten darüber hinaus Einlassungen, etwa über die Art und Weise der Geschäftsanbahnung sowie Geschäftsabwicklung mit den wahren italienischen Abnehmern, die authentisch klingen und nicht erfunden sind. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des LG vom 30. September 2004, Seite 11 ff. Bezug genommen.
100 
Letztlich sind die Geständnisse auf die im Laufe des Strafverfahrens bei den Gesellschaftern gewachsene Erkenntnis zurückzuführen, dass die vorliegenden Beweismittel allzu erdrückend sind und Geständnisse zu einer günstigen Strafzumessung beizutragen geeignet sind.
101 
Der insoweit lediglich erfolgte pauschale Hinweis auf den mit der Untersuchungshaft einhergehenden Druck auf die Gesellschafter der Klägerin genügt diesen Grundsätzen ersichtlich nicht. Ausweislich des Protokolls zur Hauptverhandlung vor dem LG vom 30. September 2004, wurden die Geständnisse anhand von Unterlagen, einer detaillierten Darstellung des tatsächlichen Geschehensablaufs unter Nennung der Namen der Beteiligten in sich schlüssig abgelegt. Die jetzige Darstellung der Gesellschafter der Klägerin vermag hierfür aber keine schlüssige, in sich logische Erklärung zu geben, so dass die grundsätzliche Verwertbarkeit der strafprozessualen Geständnisse auch für den erkennenden Senat bestehen blieb.
102 
Die von den Gesellschaftern der Klägerin angegebenen Gründe für den Widerruf der Geständnisse sind zudem auch deshalb unglaubhaft, als diese Geständnisse erst im Rahmen der Hauptverhandlung, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Untersuchungshaft bereits ca. 6 Monate angedauert hatte und das Verfahrensende und damit der aus Sicht der Gesellschafter, die ja nicht von einem strafrechtlich relevanten Verhalten ausgegangen sein wollen, zu erwartende Freispruch unmittelbar bevorstand und somit weder objektiv noch subjektiv die von den Gesellschaftern der Klägerin angegebene Drucksituation tatsächlich noch bestand. Der Senat ist vor diesem Hintergrund vielmehr davon überzeugt, dass die Geständnisse vor dem Eindruck der Hauptverhandlung abgelegt wurden, als die Gesellschafter der Klägerin erkannten, dass ein Freispruch aufgrund des festgestellten Sachverhalts immer unwahrscheinlicher wurde. Das Gericht war daher vorliegend auch nicht verpflichtet, seinerseits zusätzlich Zeugen zu vernehmen, da der streitgegenständliche Sachverhalt aufgrund der eigenen Geständnisse der Gesellschafter der Klägerin bereits festgestellt war.
103 
Dem steht auch das vom Klägervertreter in Bezug genommene Urteil des BFH vom 23. Januar 1985 I R 30/81, BStBl II 1985, 305 nicht entgegen. In diesem ging es um die Verwertung eines in einem anderen Verfahren erstellten Sachverständigengutachtens, welches von dem Kläger mit einem Gegengutachten angegriffen worden war und an dem der Kläger offenbar nicht aktiv beteiligt war. Im hier zu beurteilenden Fall handelt es sich jedoch um die Verwertung eigener Aussagen der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen eines Geständnisses, so dass ein Verwertungsverbot aus dem hinter diesem Sachverhalt weit zurück bleibenden Bezugsurteil nach Überzeugung des Senats nicht abgeleitet werden kann.
104 
Der Klägerin-Vertreter trägt nunmehr mit Schriftsatz vom 9. September 2009 erstmals vor, derartige Geständnisse seien inhaltlich nie abgelegt worden, obwohl er bisher lediglich vorgetragen hatte, die Geständnisse seien aufgrund der angeführten angeblichen Zwangssituation nicht verwertbar, ohne indes deren Inhalt zu bestreiten. Hinzu kommt weiter, dass die diesbezüglichen Feststellungen des LG - wie der Klägerin-Vertreter selbst einräumt - im Rahmen der Revision „nicht in der gehörigen Form angegriffen“ wurden. Der diesbezügliche klägerische Vortrag ist daher widersprüchlich und entspricht offensichtlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den von dieser angegriffenen Feststellungen nämlich nicht lediglich um eine bloße Beweiswürdigung des LG, sondern um die Wiedergabe des Inhalts des Geständnisses der Geschäftsführer der Klägerin in indirekter Rede. Diese haben demnach sowohl die Einschaltung fingierter Zwischenhändler als auch deren Kenntnis über die Hintergründe hierüber positiv bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin weder schlüssig noch nachvollziehbar, zumal es auch auf eine positive Kenntnis der Geschäftsführer oder eine tatsächliche Verurteilung der Beteiligten auf italienischer Seite letztlich nicht ankommt.
105 
Das Gericht konnte - auch insoweit - die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren verwerten, ohne selbst nochmals eine weitergehende Beweiserhebung zu betreiben. Zum einen ist das FG nicht verpflichtet, Auslandszeugen im Ausland zu laden. Diese müssen vom Kläger ggf. in den Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt werden (BFH-Beschluss vom 11. November 2005 II B 101/04, BFH/NV 2006, 577 f.). Da es im vorliegenden Falle zudem erheblich auf die Glaubwürdigkeit der betroffenen Zeugen angekommen wäre, kam auch eine konsularische Vernehmung nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 20. November 2008 XI B 222/07, BFH/NV 2009, 404 f.). Zum anderen hat die Klägerin die von deren Gesellschaftern im Rahmen des Strafverfahrens abgelegten Geständnisse - wie ausgeführt - nicht hinreichend substantiiert und glaubhaft bestritten. Von einem strafprozessual abgelegten Geständnis geht für das finanzgerichtliche Verfahren eine Indizwirkung aus, die nur dadurch ausgeräumt werden kann, dass der Kläger substantiiert darlegt und unter Beweis stellt, weshalb sein Geständnis zu Unrecht abgelegt worden ist (BFH-Beschluss vom 21. Mai 1999 VII B 37/99, BFH/NV 1999, 1496). Dies ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt (vgl. auch BFH - Beschluss vom 24. April 2006 VII B 78/05, BFH/NV 2006, 1668 ff., m. w. Nachw.).
106 
Der Senat ist von der tatsächlichen Bewusstseinslage der Geschäftsführer der Klägerin im Tatzeitpunkt wie oben angegeben überzeugt. Die Möglichkeit einer entsprechenden Sicht eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwendet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 „Kittel und Ricolta Recycling“ C-493/04, DStR 2006, 1274), die tatsächlichen Umstände zu erkennen, steht im Streitfall außer Frage.
107 
d) Selbst unabhängig von den tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des LG ist der Senat im Streitfall davon überzeugt, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin wussten oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligten, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen oder jedenfalls nicht zu entrichten.
108 
Dies ergibt die Zusammenschau der von der Klägerin vorgelegten, zweifelsfrei falschen Übernahme- und Beförderungserklärungen der angeblichen Abholer, den wieder lesbar gemachten (Kauf-)Angeboten der Klägerin sowie Annahmeerklärungen der objektiv wahren Abnehmer (u.a. zu den 15 Fallbeispielen), der Tatsache, dass in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle Bargeldgeschäfte erfolgt sind, die Kunden auf der zweiten Händlerstufe aquiriert wurden, um dann angeblich Verträge mit Kunden auf der ersten Händlerstufe abzuschließen, sowie den bei den Durchsuchungen vorgefundenen weiteren Unterlagen, einschließlich der von der Gesellschafterin X. geführten sog. Schwarzgeldliste. Die Einlassung der Klägerin, bei den Angeboten an die - nach ihrer Lesart - „Kunden ihrer Gebietsimporteure“ und deren Annahmeerklärungen habe es sich lediglich um Werbeaktionen bzw. Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin bzw. um die „Übermittlung von Daten“ an die Kunden der „Gebietsimporteure“ bzw. um „Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur“ gehandelt, wird bereits durch den objektiven Erklärungsinhalt der fraglichen Schriftstücke widerlegt.
109 
Wenn die Klägerin die fraglichen Fahrzeuge an ihre angeblichen Kunden (die sog. Gebietsimporteure) verkauft haben will, hierüber aber keinerlei Geschäftspapiere vorlegen kann, da diese Verkäufe ausschließlich mündlich oder telefonisch erfolgt seien, ist dies auch deshalb völlig unglaubwürdig, weil unerfindlich ist, wie diese Verkäufe angesichts der umfangreichen Beschreibungen der gehandelten Kfz nach Motorisierung, Farben und Ausstattungen sowie 17-stelligen Fahrgestellnummern ohne jegliche Dokumentation praktikabel gehandhabt worden sein sollten. Selbstverständlich haben die Klägerin und ihre Lieferanten auch beim Einkauf der von der Klägerin weiterverkauften Fahrzeuge den Kaufgegenstand und die Vertragsmodalitäten jeweils auf kaufmännische, branchenübliche Weise - regelmäßig per Fax oder E-Mail - dokumentiert.
110 
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin in dem Verfahren wegen Arrestanordnung mit den jetzt als „Endabnehmern“ bezeichneten italienischen Autohändlern nichts zu tun gehabt haben und diese auch nur teilweise gekannt haben will (vgl. S. 18 der Einspruchsbegründung vom 4. September 2003, Bl. 3 ff. der Arrestakte), während sie später angesichts der ihren Gesellschaftern vorgehaltenen Beweismittel einräumt, mit diesen sogar sog. Endverkaufspreise vereinbart zu haben. Dass die Geschäftsführer der Klägerin sogar sehr intensive Kontakte zu den „Drittabnehmern“ pflegten, belegt zudem die Tatsache, dass sie diese persönlich mit Vornamen ansprachen - wie z.B. aus dem Schreiben vom 26. März 2003 an „T.“ (offenbar T.C., Auto-O.., A..), dem zudem im eigenen Namen ein Fahrzeug ausdrücklich mit einer Lieferfrist von 20 Tagen angeboten wurde, ersichtlich wird (Übersetzung, Bl. 155 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“). Seitens der Firma „Auto N..“ wurde mit Telefax vom 6. Februar 2001 (Fallbeispiel 3, Akte Fallbeispiele: 1-15; ebenso Bl. 65 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“) unter Bezugnahme auf ein Telefax der Klägerin vom gleichen Tag die Kaufbestätigung über einen Porsche übersandt. Auch hieraus wird deutlich, dass die Klägerin offenbar im eigenen Namen ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat. Gleiches ergibt sich aus dem Fallbeispiel 1. Mit diesem teilt die Klägerin mit Telefax vom 30. Juni 2003 im eigenen Namen gegenüber der Firma Auto N.. die Verkaufsdaten für den Kauf eines BMW zum Gesamtpreis von 83.410,- EUR mit, welcher mit Rückfax vom 3. Juli 2003 gegenüber der Klägerin zu einem Preis von 68.500,- EUR bestätigt wird (Bl. 120 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“). Auch hieraus und aus den handschriftlich vermerkten Zahlen „69“ und „68,5“ wird deutlich, dass sowohl das Verkaufsangebot und die Aushandlung des konkreten Preises als auch die Annahme des Kaufangebotes gegenüber der Klägerin als Vertragspartnerin erfolgt sind. Gleiches gilt für das Telefaxschreiben vom 14. Juli 2003 (Bl. 26 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“), mit dem die Klägerin ausdrücklich ein Angebot über einen BMW über 42.500,- EUR abgibt.
111 
Nach dem Vortrag der Klägerin sollen allerdings die „Kaufbestätigungen der betreffenden beworbenen italienischen Adressaten“ in keinem Fall „die Qualität irgendwelcher rechtsgeschäftlicher konstitutiver Akte im Verhältnis zur Klägerin als Vertragspartnerin“ gehabt haben, weshalb keine Aufbewahrungspflicht bestanden habe. Die Kaufbestätigungen seien nur insoweit von Belang gewesen, als sie (die Klägerin) nach Kenntniserlangung habe davon ausgehen können, „das Liefergeschäft mit ihrem Vertragspartner auf erster Stufe, also dem italienischen Importeur, abzuwickeln“. Wäre dem so gewesen, wären diese Kaufbestätigungen dennoch nach § 147 AO aufzubewahren gewesen, da sie den Warenausgang der Klägerin dokumentierten. Hierzu steht auch in Widerspruch, dass die Klägerin z.B. mit Email vom 24. Oktober 2002 (Fallbeispiel 8, Akte „Fallbeispiele: 1 - 15“; außerdem: Bl. 154 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen“) W.E. aufgefordert hat, an „Ü.“ (wohl Ü.S., Inhaber bzw. Vertreter der Firma ...car, L..) - „die übliche Rechnung für folgenden Neuwagen zu schreiben“. Die Tatsache, dass die Klägerin ihren angeblichen „Gebietsimporteur“ und „Vertragspartner“ auffordert, eine „übliche“ Rechnung an einen der angeblichen „Drittabnehmer“ zu schreiben, obwohl nach deren Vortrag im Klageverfahren die Klägerin zu diesem angeblich keinerlei Vertragsbeziehungen unterhalten haben will, belegt, dass diese sehr wohl unmittelbaren und entscheidenden Einfluss auf die angeblich selbständige Vertragsbeziehung zwischen „Gebietsimporteur“ und „Drittabnehmer“ gehabt hatte und die Leistungsbeziehung zum „Drittabnehmer“ - ausweislich der Formulierung üblicherweise - unmittelbar gesteuert und - durch den Angewiesenen - mit eigener Verfügungsmacht ausgefüllt hat. Dass die eigentlichen Verkaufsgeschäfte zu dem tatsächlich zwischen der Klägerin und den „Drittabnehmern“ erfolgt sind, belegen zudem die im eigenen Namen abgegebenen, nur als solche aufzufassenden Kaufangebote der Klägerin, wie z.B. das bereits in Bezug genommene Email vom 26. März 2003 an T.C..
112 
Auch die Ausführungen, die Abwicklung der streitgegenständlichen Liefergeschäfte im Rahmen von Bargeschäften sei zum Liquiditätserhalt der Klägerin erforderlich gewesen, überzeugt nicht, nachdem die Klägerin selbst eingeräumt hat, teilweise Kaufpreise vorverauslagt zu haben. Hinzu kommt noch, dass offenbar - wenn auch nur vereinzelt - tatsächlich Scheck- und Überweisungszahlungen erfolgt sind. Wenn die Klägerin nunmehr weiter ausführen lässt, sie habe sich „anlässlich der Auslieferung der Fahrzeuge der Kaufpreiszahlungen sicher sein“ müssen, ist auch dieser Vortrag widersprüchlich, nachdem diese bislang stets ausgeführt hatte, die italienischen Geschäftspartner bzw. deren Organe seien ihr persönlich bekannt gewesen und mit diesen habe ein persönliches Vertrauensverhältnis bestanden. Gänzlich unglaubhaft werden die nunmehrigen Ausführungen der Klägerin schließlich vor dem Hintergrund, dass deren Gesellschafter bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Dokumentation und schriftliche Verträge Verkaufsrechnungen an die italienischen Abnehmer von Fall zu Fall als bezahlt quittiert und das Geld “aus privater Tasche“ an die Klägerin abgeführt und somit vorverauslagt haben. Vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten des vorliegenden Falles kommt es auf eine Zulässigkeit oder gar Branchenüblichkeit solcher Barzahlungen nicht an.
113 
Ebensowenig überzeugend ist auch die Behauptung der Klägerin, wonach ihr Gesellschafter Y. die verkauften Fahrzeuge nicht in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer nach Italien überführt habe, sondern als Beauftragter der italienischen Abnehmer, weshalb sehr wohl Beförderungen durch die Abnehmer (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV) - und nicht durch die Klägerin, wie der Beklagte meine - vorgelegen hätten. Wäre dem nämlich so gewesen, wären die diesbezüglichen Quittungen über die Übergabe der Fahrzeuge im Inland und die Verpflichtungserklärungen, die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen, gleichwohl falsch gewesen. In diesem Fall hätte nämlich der Gesellschafter Y. als Beauftragter des jeweiligen Abnehmers die jeweilige Erklärung abgeben, d.h. auch unterschreiben müssen, was er jedoch nicht getan hat.
114 
Der Umstand, dass die Klägerin nicht nur ungenügende, sondern inhaltlich unzutreffende Schriftstücke als angebliche Nachweise i. S. der § 17a und 17c UStDV konstruiert hat, kann nur damit erklärt werden, dass ihre Gesellschafter von vornherein beabsichtigten, die wahren tatsächlichen Umstände in steuerunehrlicher Weise zu verschleiern und statt ihrer möglichst unverfängliche Sachverhalte darzustellen.
115 
e) Ein anderes Ergebnis ergibt sich selbst dann nicht, wenn die Klägerin in ihren Rechnungen die wirklichen Abnehmer benannt haben sollte. Dann hätte sie allem Anschein nach nicht alle Maßnahmen unternommen gehabt, die sie vernünftigerweise hätte treffen müssen, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2007, V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035, unter C. 3. a, m. w. Nachw.). Bei Bargeldgeschäften besteht nämlich regelmäßig die Gefahr, dass die erzielten Einnahmen verschwiegen werden. Dies gilt insbesondere, wenn - wie im Streitfall -  ganz offensichtlich nicht nur geringfügige Beträge bezahlt werden. Deshalb hätte die Klägerin allen Anlass gehabt, darauf zu bestehen, lediglich mit Buchgeld, also etwa im Wege von Überweisungen oder Verrechnungsschecks, zu bezahlen. Danach hätte sie auch Anlass gehabt, gegenüber dem Beklagten oder dem Gericht darzulegen,
116 
- weshalb sie dennoch meinte,  davon ausgehen zu können, dass ihre Abnehmer die von ihnen gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer entrichten würden, und
- weshalb sie nicht darauf bestanden hatte, lediglich mit Buchgeld zu bezahlen.
117 
Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Berufung auf die Gutglaubensvorschrift des § 6a Abs. 4 UStG aus.
118 
Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung zwar nach § 6a Abs. 4 UStG gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. Ob die Grundsätze des Vertrauensschutzes die Gewährung der Steuerbefreiung gebieten, obwohl die Voraussetzungen einer Ausfuhrlieferung im Sinne des § 6 Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind, kann ohnehin nur im Billigkeitsverfahren entschieden werden (BFH-Beschluss vom 26. März 2009, V B 179/07, juris, unter II. 1. b, bb, m. w. Nachw.).
119 
2. Der Beklagte war auch nicht gehindert, die angefochtenen geänderten Bescheide zu erlassen.
120 
Hierzu bedurfte es nicht einmal eines Rückgriffs auf die Änderungsnorm des § 173 Abs.1 AO (neue Tatsachen), da die Umsatzsteuererklärungen und Voranmeldungen der Klägerin für den Streitzeitraum Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden (vgl. § 164 Abs.1, 2 i. V. m. § 168 AO). Soweit es die durchgeführte Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum 01/2000 bis 04/2001 anbelangt, hinderte diese den Erlass der streitigen Bescheide schon deshalb nicht, weil diese nicht aufgrund der Prüfung ergangen sind. Nach Aktenlage hat das Finanzamt der Klägerin auch keine Zusage bezüglich ihrer zukünftigen Umsatzbesteuerung gemacht oder einen vergleichbaren Vertrauenstatbestand geschaffen.
121 
3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen.
122 
Zu klären ist, ob einer Lieferung die Befreiung von der Umsatzsteuer zu versagen ist, wenn die Lieferung zwar tatsächlich ausgeführt worden ist, aber wie im vorliegenden  Fall aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer
123 
- wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen, oder
- Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen
(vgl. hierzu Art. 28 c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie und insbesondere BGH-Beschluss vom 7. Juli 2009 1 StR 41/09, DStR 2009, 1688-1693, EuGH-Vorlage C-285/09).
- zu klären ist auch, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer wie im Streitfall bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juli 2009 XI B 24/09, BFH/NV 2009, 1567).
124 
Zu klären  ist ggf. des weiteren, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, wenn der inländische Unternehmer, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwendet, wie im Streitfall mindestens erkennen konnte, dass die innergemeinschaftlichen Erwerber sich vorbehalten hatten, die Umsatzsteuer - jedenfalls - nicht zu entrichten, die auf den Erwerb der Fahrzeuge entsteht, die der inländische Unternehmer liefern sollte.
125 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der im Streitjahr (2008) Herr W zu 51 % und Frau H zu 49 % beteiligt waren. Die Gesellschafter waren 2008 gleichzeitig auch die Geschäftsführer der Gesellschaft.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der gewerbliche Handel mit Waren aller Art, nicht genehmigungspflichtigen Dienstleistungen aller Art, Vermietungen von Autos, Flugzeugen, Schiffen und anderen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen des allgemeinen Rechtsverkehrs, Halten von Beteiligungen, Immobilienverwaltung und Vermietung von Immobilien. Seit 2003 gehört zum Angebot der Klägerin auch die Vercharterung von Motoryachten.

3

Am 20. Dezember 2006 erwarb die Klägerin die Yacht A für 1.100.000 € zzgl. 176.000 € Umsatzsteuer. Die Klägerin ordnete die Yacht A ihrem Unternehmen zu und machte hinsichtlich des Erwerbs für den Voranmeldungszeitraum 2006 den Vorsteuerabzug geltend. Im März 2007 wurde diese Yacht auf Veranlassung der Klägerin von Deutschland nach Palma de Mallorca transportiert, um sie an fremde Dritte zu vermieten und durch die Familie der Gesellschafter-Geschäftsführerin H zu nutzen.

4

Mit Rechnung vom 23. Dezember 2008 veräußerte die Klägerin die Yacht A zum Einkaufspreis (1.100.000 €) zurück an die Verkäuferin. Die Yacht wurde der Käuferin am gleichen Tag auf Mallorca übergeben. In der Rechnung, in der die der Klägerin erteilte deutsche Umsatzsteuer-Identifizierungsnummer (USt.-ID-Nr.) ausgewiesen wurde, wird der Verkauf von der Klägerin als nicht steuerbar behandelt. Über eine spanische USt.-ID-Nr. verfügte die Klägerin nicht.

5

Mit Kaufvertrag vom 13. August 2008 und Rechnung vom 8. Dezember 2008 kaufte die Klägerin unter Anrechnung des Kaufpreises für die Yacht A die gebrauchte Yacht B für 1.630.900 € zzgl. 309.871 € Umsatzsteuer. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages sollte die Yacht B im Dezember 2008 in Deutschland an die Klägerin übergeben werden. In der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2008 machte die Klägerin die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 309.871 € als Vorsteuer geltend.

6

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von einem steuerbaren Verbringen der Yacht A i.S. des § 3 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durch die Klägerin im Dezember 2008 aus. Das FA verneinte das Vorliegen einer Steuerbefreiung ebenso wie die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug aus dem Kauf der Yacht B und setzte die Umsatzsteuer im Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Dezember 2008 vom 30. Juli 2009 entsprechend fest. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

7

Die Klage hatte in dem im Revisionsverfahren streitigen Umfang keinen Erfolg. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1707 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, die Klägerin habe den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens (§ 3 Abs. 1a UStG) der 2007 zunächst nur zu Vermietungszwecken nach Mallorca beförderten Yacht A im Zeitpunkt des Verkaufs im Dezember 2008 erfüllt. Mit dem Verkauf der Yacht A im Dezember 2008 habe die vorübergehende Verwendung geendet, mit der Folge, dass die Yacht A in diesem Zeitpunkt als i.S. des § 3 Abs. 1a UStG verbracht anzusehen sei.

8

Dieser einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichzustellende Umsatz sei nicht gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei. Die Klägerin könne sich nicht auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. des innergemeinschaftlichen Verbringens gemäß § 6a Abs. 1 und 2 UStG berufen, weil dem die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüberstehe und die Klägerin durch ihr Verhalten diese Besteuerung verhindert habe.

9

Auch die Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG seien nicht erfüllt, weil eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B im Dezember 2008 nicht feststellbar sei. In den Fällen des § 15 Abs. 1a UStG müsse nicht nur die Absicht der unternehmerischen Verwendung, sondern auch die Gewinnerzielungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges durch objektive Anhaltspunkte nachgewiesen werden.

10

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, die sie auf Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler stützt.

11

Die Klägerin macht geltend, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

12

Hinsichtlich der Yacht A trägt sie vor, dass deren Verbringen nach Spanien steuerfrei sei. Auf die Verletzung von Nachweispflichten i.S. der §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) komme es nicht an, weil feststehe, dass die Yacht A nach Spanien verbracht worden sei.

13

Aus dem Erwerb der Yacht B sei ihr, der Klägerin, der Vorsteuerabzug zu gewähren.

14

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 16. August 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. August 2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2008 um ... € herabgesetzt wird.

15

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

16

Zur Begründung seines Antrags verweist das FA im Wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Steuerbefreiung des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichstehenden innergemeinschaftlichen Verbringens der Yacht A nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG zu versagen. Darüber hinaus hat das FG nicht geprüft, ob für die Lieferung der Yacht A die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG in Betracht kommt, weil im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht A --ebenso wie beim Erwerb der Yacht B-- der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG auszuschließen gewesen wäre. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die dem Senat die Beurteilung dieser Fragen ermöglichen; die erforderlichen Feststellungen muss das FG nachholen.

18

1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Yacht B nicht zusteht.

19

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer unter anderem die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, in Abzug bringen. Nicht abziehbar sind jedoch gemäß § 15 Abs. 1a UStG die Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt, entfallen.

20

Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG umfasst u.a. Aufwendungen für Segelyachten oder Motoryachten sowie für ähnliche Zwecke. Das gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht, wenn diese Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.

21

a) Der Senat kann auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG erfüllt sind. Die Frage kann aber offen bleiben.

22

b) Denn selbst wenn die Klägerin die Yacht B i.S. des § 15 Abs. 1 UStG für ihr Unternehmen bezogen haben sollte, fallen die Aufwendungen für deren Erwerb --wie das FG zu Recht entschieden hat-- unter das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG (aa); die Vorschrift des § 15 Abs. 1a UStG ist auch anwendbar (bb bis cc).

23

aa) Aufwendungen sind alle auf die Herstellung oder Anschaffung und den Unterhalt entfallenden Kosten (Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 562, zu Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG). Dazu gehören auch die Anschaffungskosten für die Yacht B.

24

Auch der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG ist nicht erfüllt, weil eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B nicht feststellbar war. Die Absicht der Gewinn-/Überschusserzielung zeigt sich in dem Bestreben, während des Bestehens der Einkunftsquelle insgesamt einen Totalgewinn bzw. Einnahmenüberschuss zu erzielen. Ob der Unternehmer eine derartige Absicht hatte, lässt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- als innere Tatsache nicht anhand seiner Erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer Umstände feststellen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II.1.b). Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, ob die Betätigung bei objektiver Betrachtung nach ihrer Art, ihrer Gestaltung und den gegebenen Ertragsaussichten einen Totalüberschuss erwarten lässt (BFH-Urteil vom 27. Januar 2000 IV R 33/99, BFHE 191, 119, BStBl II 2000, 227). Beruht die Entscheidung zur Neugründung eines Gewerbebetriebs im Wesentlichen auf den persönlichen Interessen und Neigungen des Steuerpflichtigen, so sind die entstehenden Verluste nur dann für die Dauer einer betriebsspezifischen Anlaufphase steuerlich zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige zu Beginn seiner Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept erstellt hat, das ihn zu der Annahme veranlassen durfte, durch die gewerbliche Tätigkeit werde er insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielen können (BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874).

25

Ob, wie das FG meint, als objektiver Anhaltspunkt für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht bei der Vercharterung einer Yacht der vorliegenden Größenordnung nur eine Markt-/Wirtschaftlichkeitsanalyse in Betracht kommt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil sowohl nach den Feststellungen des FG als auch nach Aktenlage und dem Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren keine anderen objektiven Anhaltspunkte für eine Gewinnerzielungsabsicht ersichtlich sind.

26

bb) Unionsrechtliche Grundlage des § 15 Abs. 1a UStG ist Art. 176 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG --MwStSystRL-- (bis 31. Dezember 2006: Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--). Diese Bestimmung stellt eine --bisher nicht getroffene-- Regelung des Rates über Ausgaben, die den Vorsteuerabzug ausschließen, insbesondere solche, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen, in Aussicht. Darüber hinaus enthält Art. 176 MwStSystRL eine sog. Stillhalteklausel, die bis zum Inkrafttreten einer unionsrechtlichen Regelung die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug erlaubt, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG galten. Eine nationale Regelung, die die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert, ist nach Art. 176 MwStSystRL grundsätzlich nicht zulässig (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 8. Januar 2002 C-409/99, Metropol und Stadler, Slg. 2002, I-81, zu Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG). Neue Ausschlussnormen können durch die einzelnen Mitgliedstaaten nur mit Genehmigung nach Art. 394, 397 MwStSystRL eingeführt werden (EuGH-Urteil vom 11. Juli 1991 C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I-3795, zu Art. 27 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG). Für die Regelung in § 15 Abs. 1a UStG ist eine Genehmigung nach Art. 27 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG aber weder beantragt noch erteilt worden.

27

§ 15 Abs. 1a UStG steht im Einklang mit dem Unionsrecht, weil die darin getroffene Regelung inhaltlich bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG im deutschen UStG verankert gewesen ist.

28

cc) § 15 Abs. 1a UStG ist durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. b des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/ 2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) eingeführt worden und gilt mit Wirkung ab 1. April 1999 (Art. 18 Abs. 2 StEntlG 1999/2000/2002). Die im Streitjahr 2008 geltende Fassung beruht auf dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878). Bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG, also zum 1. Januar 1979 (vgl. EuGH-Urteile vom 19. September 2000 C-177/99 und C-181/99, Ampafrance und Sanofi, Slg. 2000, I-7013 Rdnr. 5), war der Vorsteuerabzug für die Aufwendungen für Segelyachten zwar nicht unmittelbar durch das UStG 1973 ausgeschlossen, wenn ansonsten die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG 1973 erfüllt waren. Der einem Unternehmer zustehende Vorsteuerabzug wurde aber durch eine ebenso hohe Besteuerung der Aufwendungen als Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 ausgeglichen. Nach dieser Vorschrift lag Eigenverbrauch vor, soweit ein Unternehmer im Inland Aufwendungen tätigte, die nach § 4 Abs. 5 EStG bei der Gewinnermittlung ausschieden. Die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 wirkte wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs (BFH-Urteile vom 2. Juli 2008 XI R 61/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2009, 278; vom 12. August 2004 V R 49/02, BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, unter II.3.b, betreffend Bewirtungsaufwendungen). Der Vorsteuerausschluss gemäß § 15 Abs. 1a UStG stellt deshalb, jedenfalls soweit er laufende Aufwendungen i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft, nur eine Ersatzregelung für einen bereits bestehenden Ausschlusstatbestand dar und ist damit keine dem Unionsrecht widersprechende Erweiterung oder erstmalige Einfügung eines Ausschlusstatbestands. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 77/388/EWG galt bereits ein mittelbares Vorsteuerabzugsverbot für Leistungsbezüge, die mit einer Segelyacht zusammenhängen, weil § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 der Umsetzung des Ausschlusses von Repräsentationsaufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht gemäß Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG und damit demselben Zweck wie § 15 Abs. 1a UStG diente (BFH-Urteile in HFR 2009, 278; vom 2. Juli 2008 XI R 60/06, BFHE 222, 112, BStBl II 2009, 167; jeweils zu Segelyachten; vom 24. August 2000 V R 9/00, BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76; vom 2. Juli 2008 XI R 66/06, BFHE 222, 123, BStBl II 2009, 206, zum Halten von Rennpferden; in BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, zu Bewirtungsaufwendungen). Auch das Schrifttum sieht den Ersatz des Aufwendungseigenverbrauchs gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG in der bis 31. März 1999 geltenden Fassung durch ein unmittelbares Vorsteuerabzugsverbot gemäß § 15 Abs. 1a UStG in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung für Aufwendungen i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG als durch Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt an (Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 481; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 UStG Rz 290b; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 917; Lohse, Internationales Steuerrecht 2000, 232, 236 f.; zweifelnd Heidner in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 15 Rz 307).

29

dd) Das Abzugsverbot für laufende Aufwendungen (BFH-Urteile vom 2. Juli 2008 XI R 70/06, BFH/NV 2009, 223; vom 23. Januar 1992 V R 66/85, BFHE 167, 221; in BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76) gilt auch für die Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten. Obschon sich die Versagung des Vorsteuerabzugs für die Erwerbsaufwendungen nach § 15 Abs. 1a UStG in zeitlicher Hinsicht bei der Lieferung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern, wie im Streitfall der Yacht B, von der Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 unterscheidet, ist sie mit Art. 176 MwStSystRL (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) vereinbar. Deshalb liegt in der Einführung des § 15 Abs. 1a UStG kein Verstoß gegen Unionsrecht (so auch Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz 952, 956; a.A. wohl Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 513; Lippross, Umsatzsteuer, 22. Auflage 2008, 7.8.2.1.2 c, S. 838, 842 f.).

30

2. Das FG hat das Verbringen der Yacht A nach Mallorca zu Recht als gemäß § 3 Abs. 1a UStG steuerbare Lieferung behandelt, die im Dezember 2008 zu erfassen ist.

31

a) Gemäß § 3 Abs. 1a UStG gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

32

Mit dieser Regelung wird Art. 17 Abs. 1 MwStSystRL umgesetzt. Danach ist die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstands seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt. Als "Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat" gelten die Versendung oder Beförderung eines im Gebiet eines Mitgliedstaats befindlichen beweglichen körperlichen Gegenstands durch den Steuerpflichtigen oder für seine Rechnung für die Zwecke seines Unternehmens nach Orten außerhalb dieses Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft.

33

b) Die Klägerin ist unstreitig Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG, hat die Yacht A durch Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ihrem Unternehmen zugeordnet und diese in das übrige Gemeinschaftsgebiet, nämlich nach Mallorca (Spanien), verbracht.

34

aa) Der Transport der Yacht A im März 2007 ist noch nicht als steuerbares Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu beurteilen, weil die Klägerin nach den Feststellungen des FG zu diesem Zeitpunkt nur eine "vorübergehende Verwendung" der Yacht auf Mallorca vorgesehen hatte.

35

Mit dem negativen Tatbestandsmerkmal der nicht "nur vorübergehenden Verwendung" setzt § 3 Abs. 1a UStG die unionsrechtliche Regelung in Art. 17 Abs. 2 MwStSystRL zumindest begrifflich nicht zutreffend um (Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rz 69; Heuermann in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1a Rz 50; Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 189; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 47). Während § 3 Abs. 1a UStG generalisierend auf einen scheinbar zeitlichen Gesichtspunkt abstellt, enthält Art. 17 Abs. 2 Buchst. a bis h MwStSystRL eine abschließende Aufzählung von Umsätzen, die ein Verbringen ausschließen, wenn der Unternehmer deren Ausführung mit dem Gegenstand bezweckt. Der Begriff "vorübergehend" ist daher nicht zeitabhängig zu verstehen, sondern wird durch die Art der Verwendung bestimmt (Martin in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 196; Stöcker in Küffner/Stöcker/ Zugmaier, UStG, § 3 Rz 212; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rz 73). Ist nach der Art der Verwendung vorhersehbar, dass der Gegenstand wieder in das Inland zurückgelangt, so liegt auch bei längerem Verbleib im sonstigen Gemeinschaftsgebiet eine vorübergehende Verwendung vor (Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 1a Rz 22).

36

Ob die unzutreffende Umsetzung des Art. 17 MwStSystRL durch § 3 Abs. 1a UStG im Wege der richtlinienkonformen Auslegung (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 47) oder mittels Anwendungsvorrangs der Richtlinie (Heuermann in Hartmann/ Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1a Rz 50) zu geschehen hat, kann der Senat offenlassen. Jedenfalls ist von einer nur vorübergehenden Verwendung auszugehen, wenn einer der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a bis h MwStSystRL genannten Fälle vorliegt.

37

Art. 17 Abs. 2 Buchst. g MwStSystRL nennt die

"vorübergehende Verwendung dieses Gegenstands im Gebiet des Mitgliedstaats der Beendigung der Versendung oder Beförderung zum Zwecke der Erbringung von Dienstleistungen durch den im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung ansässigen Steuerpflichtigen".

38

Das ist vorliegend der Fall, denn nach den Feststellungen des FG beabsichtigte die Klägerin (zumindest auch) die Ausführung von Vermietungsumsätzen mit der Yacht A.

39

bb) Ein innergemeinschaftliches Verbringen i.S. des § 3 Abs. 1a UStG liegt aber mit dem Verkauf der Yacht A im Dezember 2008 vor, weil die Absicht der Klägerin, Vermietungsumsätze mit der Yacht A auszuführen, damit endete. Sobald eine der Voraussetzungen für die Ausnahme der nur vorübergehenden Verwendung nicht mehr vorliegt, wie z.B. beim Verkauf des Gegenstands, ist in diesem Zeitpunkt ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gegen Entgelt gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen anzunehmen (so ausdrücklich Art. 17 Abs. 3 MwStSystRL; vgl. auch Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 196; Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 3 Rz 236).

40

3. Das FG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass das der Lieferung gleichgestellte Verbringen der Yacht A allein deshalb nicht von der Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG umfasst wird, weil die Klägerin es unterlassen hat, in Spanien den innergemeinschaftlichen Erwerb der Yacht A anzumelden und zu versteuern.

41

a) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 6a Abs. 2, § 3 Abs. 1a UStG). Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656).

42

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und 138 MwStSystRL. Gemäß Art. 131 MwStSystRL wird auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung "unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen". Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

43

b) Dass die Klägerin ihren Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV nicht nachgekommen ist, steht der Steuerbefreiung nicht entgegen. Die Nachweispflichten gemäß §§ 17a, 17c UStDV sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57). Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188).

44

Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat. Dasselbe gilt für die innergemeinschaftliche Lieferung in Gestalt des innergemeinschaftlichen Verbringens (§ 6a Abs. 2 UStG).

45

Da feststeht, dass die Klägerin die Yacht A in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht hat, steht es der Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 2 UStG nicht entgegen, dass die Klägerin keine Nachweise i.S. der §§ 17a ff. UStDV vorgelegt hat. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG sind erfüllt.

46

c) Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG in Anlehnung an das EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, "R" (Slg. 2010, I-12605) zu versagen.

47

aa) Der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. dem innergemeinschaftlichen Verbringen gemäß § 6a Abs. 1 und 2 UStG im Inland steht spiegelbildlich die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüber (§ 1a Abs. 1 und 2 UStG). Die innergemeinschaftliche Lieferung eines Gegenstands und sein innergemeinschaftlicher Erwerb sind ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang, auch wenn dieser sowohl für die an dem Geschäft Beteiligten als auch für die Finanzbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechte und Pflichten begründet (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 23). Daher wird durch § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 UStG die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Verbringens unter anderem davon abhängig gemacht, dass der Erwerb des verbrachten Gegenstands beim Abnehmer, der in diesem Fall mit dem Lieferer identisch ist, den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

48

bb) Der mit dem Verbringen der Yacht A einhergehende innergemeinschaftliche Erwerb in Spanien unterlag aber gemäß den mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 20 MwStSystRL korrespondierenden Vorschriften spanischen Rechts grundsätzlich der dortigen Erwerbsbesteuerung, so dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt auch nicht voraus, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 69 ff.; BFH-Urteil in BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57).

49

cc) Allerdings kann der Ausgangsmitgliedstaat, worauf das FG zu Recht hinweist, der innergemeinschaftlichen Lieferung aufgrund der ihm nach Art. 131 MwStSystRL (Erster Satzteil von Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) zustehenden Befugnisse die Mehrwertsteuerbefreiung für diesen Umsatz versagen, wenn eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen zwar tatsächlich stattgefunden hat, der Lieferer jedoch bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil "R" in Slg. 2010, I-12605 Rdnr. 55). Dasselbe gilt, wenn eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vorliegt und der Lieferer nicht in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.).

50

Ob diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar sind, kann der Senat aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Die Feststellung, dass die Klägerin durch ihre Vorgehensweise die Erwerbsbesteuerung in Spanien dadurch vermieden hat, dass sie sich dort weder umsatzsteuerlich hat registrieren lassen noch den innergemeinschaftlichen Erwerb der Yacht A angezeigt hat, reicht hierfür nicht aus. Allein dieses Unterlassen ist der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung wie in dem dem EuGH-Urteil "R" in Slg. 2010, I-12605 zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Im Fall "R" lag eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vor und der Lieferer hatte bei der Lieferung die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem die Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Das heißt, der Lieferer hatte sich zielgerichtet, bewusst und gewollt an der Steuerhinterziehung beteiligt. Auch in dem dem EuGH-Urteil Mecsek-Gabona in UR 2012, 796 zugrunde liegenden Sachverhalt lag eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vor. Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), derzufolge die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung i.S. des § 6a UStG darstellt, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. Werden diese Lieferungen durch die inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben i.S. von § 370 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und verkürzt dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer (BGH-Beschluss vom 20. November 2008  1 StR 354/08, BGHSt 53, 45).

51

Die Feststellungen des FG tragen den Vorwurf der Steuerhinterziehung bzw. der Beteiligung an einer solchen durch die Klägerin nicht, weil weder Feststellungen zur verkürzten Steuer noch zum subjektiven Tatbestand vorliegen.

52

Hinsichtlich des Taterfolges der Steuerhinterziehung hat sich das FG nicht damit auseinandergesetzt, dass die Klägerin nicht nur den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern musste, sondern ihr nach der mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG korrespondierenden Vorschrift des spanischen Rechts auch der Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb zustand. Unabhängig von der Frage, ob das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO auch für das Verhältnis spanischer Umsatzsteuer und spanischer Vorsteuerbeträge Geltung beanspruchen kann, gilt es vorliegend schon deshalb nicht, weil ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen verschwiegenen steuererhöhenden und steuermindernden Umständen besteht (BGH-Urteil vom 26. Juni 1984  5 StR 322/84, HFR 1985, 40; s. dazu auch BGH-Urteil vom 24. Oktober 1990  3 StR 16/90, HFR 1991, 619); innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb sind ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 23).

53

Zum subjektiven Tatbestand hat das FG ebenfalls keine Feststellungen getroffen. Diese wären für die Annahme der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung aber erforderlich gewesen, zumal es sich bei dem innergemeinschaftlichen Verbringen und dem damit korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb, insbesondere dann, wenn von einem zunächst nur vorübergehenden Verbringen auszugehen ist, um eine Rechtssituation handelt, bei deren Fehlbeurteilung jedenfalls der subjektive Tatbestand eines Steuervergehens nicht ohne weiteres angenommen werden kann. Das FG wird hierzu weitere Feststellungen treffen müssen.

54

4. Selbst wenn die Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG mit den Grundsätzen des EuGH-Urteils "R" in Slg. 2010, I-12605 zu versagen sein sollte, entbehrt das FG-Urteil Feststellungen zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG. Danach sind die Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen ist, steuerbefreit. Das FG hat für die Yacht A die Voraussetzungen des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1a UStG aus den unter II.1. genannten Gründen zu Recht bejaht. Nach den bisherigen Feststellungen sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Gewinnabsichten der Klägerin hinsichtlich der Yacht A anders zu beurteilen wären, als hinsichtlich der Yacht B. Dann aber wäre auch der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Yacht A bereits für das nicht vom Streitzeitraum umfasste Jahr 2006 nach § 15 Abs. 1a UStG zu versagen gewesen mit der Folge, dass die Lieferung der Yacht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG fallen würde. Dass FG-Urteil enthält auch hierzu nicht die erforderlichen Feststellungen.

55

5. Da das Urteil aus den o.g. Gründen aufzuheben war, kommt es auf den gerügten Verfahrensmangel nicht an.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 354/08
vom
20. November 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja - nur 1. -
Veröffentlichung: ja
______________________________
1. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen
Gemeinschaftsgebiet stellt keine steuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer
in kollusivem Zusammenwirken mit dem tatsächlichen Abnehmer
die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem
Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen.
2. Wird eine solche Lieferung durch den inländischen Unternehmer
gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt,
macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige
Angaben i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und verkürzt dadurch die auf
die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1
Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer.
BGH, Beschl. vom 20. November 2008 - 1 StR 354/08 - LG München II
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2008 beschlossen
:
1. Den Angeklagten wird auf ihre Anträge gegen die Versäumung
der Frist zur Anbringung der in der Revisionsbegründungsschrift
vom 4. April 2008 unter B. 2. Teil III (RB S. 73) und B. 3. Teil I
(RB S. 94) erhobenen Verfahrensrügen Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzungen tragen die Angeklagten.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 28. November 2007 werden als unbegründet
verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen, sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 3. September 2008, die auch durch die Erwiderungen der Beschwerdeführer (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieben die beiden Angeklagten seit Ende des Jahres 1983 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Unternehmen, das unter anderem auch den Handel mit Kraftfahrzeugen zum Gegenstand hatte. In diesem Geschäftsbereich erwarben die Angeklagten im Inland gegen Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer hochwertige Personenkraftwagen, die sie sodann - seit 1996 in stetig steigendem Umfang - an ihre in Italien gewerblich tätigen Kunden verkauften. Ihre Ausgangsrechnungen stellten sie in Absprache mit ihren Abnehmern auf italienische Scheinkäufer aus, die ihrerseits die Fahrzeuge zum Schein an Zwischenhändler verkauften. In einem weiteren Scheingeschäft verkauften diese Zwischenhändler die Personenkraftwagen dann an die tatsächlichen Abnehmer der Angeklagten und wiesen in den diesbezüglichen Ausgangsrechnungen die italienische Umsatzsteuer offen aus. Den Angeklagten war bewusst, dass die Scheingeschäfte, die ihre Abnehmer veranlassten, vorgetäuscht wurden, um den tatsächlichen Erwerbern der Fahrzeuge in Italien den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, während die Aussteller der Scheinrechnungen zu keiner Zeit die bei ihnen anfallende Umsatzsteuer abführten.
3
In ihren eigenen Umsatzsteuerjahreserklärungen für 2003 und 2004 sowie in den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen von Januar 2005 bis Februar 2006 erklärten die Angeklagten die Umsätze aus den Geschäften mit ihren italienischen Scheinkäufern als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne von § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG. Darüber hinaus machten sie die ihnen bei Ankauf der Pkw in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend, obwohl teilweise die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht gegeben waren. Insgesamt hat das Landgericht eine Hinterziehungssumme in Höhe von mehr als 3.640.000,-- EUR errechnet, die aus den vollendeten Taten resultierte. Hierbei beläuft sich die im Zusammenhang mit den Fahrzeuglieferungen nach Italien hinterzogene Umsatzsteuer auf 1.770.386,-- EUR. Daneben versuchten die Angeklagten nach den Berechnungen des Landgerichts, weitere Steuern in Höhe von 240.855,-- EUR zu hinterziehen.

II.


4
Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht zu Recht bei den Lieferungen nach Italien das Vorliegen von innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne des § 6a UStG verneint, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei gewesen wären. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. Werden diese Lieferungen durch die inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und verkürzt dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer.
5
1) Die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen fand zur Tatzeit ihre Grundlage in Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. EG Nr. L 145 S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie). Damit wird der Mehrwertsteuerübergangsregelung Rechnung getragen, nach der im Rahmen der Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten die Steuereinnahmen dem Mitgliedstaat zustehen sollen, in dem der Endverbrauch erfolgt (Grundsatz der steuerlichen Territorialität). Gleichzeitig wird bei einer im Ursprungsland steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung die Doppelbesteuerung und damit eine Verletzung des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnenden Grundsatzes der steuerlichen Neutralität vermieden (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 21 f.).
6
2) Die Mitgliedstaaten dürfen nach Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie Maßnahmen erlassen, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu verhindern. Für die Steuerbefreiung der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG daher erforderlich, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 1 und 2 UStG durch den inländischen Unternehmer nachgewiesen sind. Dabei muss die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG) durch entsprechende Belege eindeutig und leicht nachzuprüfen sein (§ 17a Abs. 1 UStDV, sog. Belegnachweis). Darüber hinaus hat der inländische Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung buchmäßig nachzuweisen (§ 17c Abs. 1 UStDV; sog. Buchnachweis). Diese Nachweispflichten sind mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie sind indes grundsätzlich keine materielle Voraussetzungen für die Befreiung von der Umsatzsteuer (BFH DStR 2008, 297, 299 im Anschluss an die Vorabentscheidung des EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé). Steht aufgrund der objektiven Beweislage fest, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise nicht entsprechend §§ 17a, 17c UStDV erbracht hat (BFH aaO). Soweit in der bisherigen Rechtsprechung im Anschluss an die damalige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1997, 629 ff.) auch in steuerstrafrechtlicher Hinsicht von anderen Grundsätzen ausgegangen wurde (BGH NJW 2005, 2241), gibt der Senat diese angesichts der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BFH auf.
7
3) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht gleichwohl zu Recht das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung verneint.
8
a) Die erklärten und als innergemeinschaftliche Lieferung bezeichneten Lieferungen an die vorgeblichen Zwischenhändler haben nicht stattgefunden. Hierbei handelte es sich um bloße Scheingeschäfte. Bei diesen fehlt es daher bereits an einer Lieferung i.S.v. § 6a Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UStG. Lieferungen sind dabei Leistungen eines Unternehmers, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, in eigenem Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht , § 3 Abs. 1 UStG). Eine solche tatsächliche Verfügungsmacht wurde den Scheinabnehmern indes weder verschafft noch sollte sie - wie die Angeklagten wussten - zu irgendeiner Zeit verschafft werden.
9
b) Stattdessen liegen Lieferungen an die tatsächlichen Erwerber der Fahrzeuge vor. Hierbei handelt es sich um Lieferungen i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG und somit um steuerbare Umsätze. Deren - allein in Betracht zu ziehende - Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG scheidet aus, da die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG nicht gegeben sind.
10
aa) Für die Steuerbefreiung der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG neben den weiteren Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erforderlich, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer im anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Dabei ist allerdings grundsätzlich nicht Voraussetzung, dass der Gegenstand des Erwerbs tatsächlich besteuert wird (Weymüller in Sölch/Ringleb UStG § 6a Rdn. 35). Den inländischen Unternehmer treffen insoweit auch keine Nachweispflichten i.S.v. § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG (Weymüller aaO Rdn. 51).
11
bb) § 6a Abs. 1 UStG setzt aber die diesbezüglichen Vorgaben der Sechsten Richtlinie in das nationale Recht um. Bei der Auslegung der Vorschrift sind daher die Vorgaben des einschlägigen Gemeinschaftsrechts zu beachten.
12
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, dem insoweit das Auslegungsmonopol zukommt (Art. 234 EGV), ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht indes nicht erlaubt. Die Anwendung des Gemeinschaftsrechts kann nicht so weit gehen, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden. Denjenigen Umsätzen, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen, sind diese Vorteile zu versagen (EuGH, Urt. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache C-255/02 - Halifax, Rdn. 69). Das demnach im Gemeinschaftsrecht verankerte grundsätzliche Verbot missbräuchlicher Praktiken gilt dabei auch auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer. Die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen , Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ist ein Ziel, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird (EuGH, Urt. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache C-255/02 - Halifax, Rdn. 70 f.). Eine missbräuchliche Praxis ist dabei dann gegeben, wenn die Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe und wenn anhand objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (EuGH, Urt. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache C-255/02 - Halifax, Rdn. 74 f.).
13
(2) Danach ist § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG gemeinschaftsrechtlich dahingehend auszulegen, dass der Erwerb des Gegenstands einer Lieferung beim Abnehmer dann nicht den Vorschriften der Umsatzbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat im Sinne der Vorschrift unterliegt, wenn die im Bestimmungsland vorgesehene Erwerbsbesteuerung der konkreten Lieferung nach dem übereinstimmenden Willen von Unternehmer und Abnehmer durch Verschleierungsmaßnahmen und falsche Angaben gezielt umgangen werden soll, um dem Unternehmer oder dem Abnehmer einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen. Anderes gilt, wenn die Verschleierungsmaßnahme anderen Zwecken dient.
14
cc) Eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 3 EGV besteht in diesem Zusammenhang nicht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt nicht vor. Die maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Fragen waren bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH, so dass eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gegeben ist, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist (vgl. EuGH, Urt. vom 6. Oktober 1982 - Rechtssache Rs 283/81 - Cilfit = NJW 1983, 1257, 1258).
15
(1) Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Sechsten Richtlinie erlassen haben, dürfen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht so weit gehen, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 26 m.w.N.). Danach ist zu gewährleisten, dass lediglich der Erwerb des Endverbrauchers mit Umsatzsteuer belastet ist, während die Unternehmer einer Lieferkette einer solchen Belastung nicht ausgesetzt werden sollen.
16
(2) Vor diesem Hintergrund hat es der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bereits als nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen , dass die Gewährung einer Mehrwertsteuerbefreiung allein von der Einhaltung bestimmter formeller Anforderungen abhängig gemacht wird, ohne die materiellen Anforderungen zu berücksichtigen und insbesondere ohne in Betracht zu ziehen, ob diese erfüllt sind (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 29).
17
(3) Gleichzeitig hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften schon festgestellt, dass das Recht auf Befreiung einer Lieferung von der Mehrwertsteuer entfällt, wenn feststeht, dass der betreffende Umsatz zur Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils getätigt wurde und dadurch eine Gefährdung des Steueraufkommens besteht und diese nicht vollständig vom Steuerpflichtigen beseitigt worden ist (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 38 ff., Rdn. 42). Unter diesen Voraussetzungen hindert das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten auch nicht daran, die Verschleierung oder das Vortäuschen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach nationalem Recht steuerstrafrechtlich zu ahnden (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 40 m.w.N.).
18
(4) Zudem ist in der Rechtsprechung des EuGH bereits anerkannt, dass der Grundsatz der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems es nicht verhindert, dass ein Mitgliedstaat Mehrwertsteuer von einem Steuerpflichtigen nachfordern kann, wenn dieser zu Unrecht eine Rechnung unter Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung für eine Lieferung von Gegenständen ausgestellt hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mehrwertsteuer auf den späteren Verkauf der betreffenden Gegenstände an den Endverbraucher an den Fiskus entrichtet wurde (EuGH, Beschl. vom 3. März 2004 - Rechtssache C-395/02 - Transport Service NV, Rdn. 31; siehe auch EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-409/04 - Teleos, Rdn. 66).
19
(5) Zuletzt gebieten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit keine anderweitige Auslegung. Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der in besonderem Maße gilt, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich finanziell belastend auswirken kann, müssen die Betroffenen in der Lage sein, den Umfang der ihnen auferlegten steuerlichen Verpflichtungen genau zu erkennen, bevor sie ein Geschäft abschließen (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-409/04 - Teleos, Rdn. 48). Demgegenüber besagt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit , dass sich die Mitgliedstaaten solcher Mittel bedienen müssen, die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, die jedoch andererseits die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Gemeinschaftsrechts möglichst wenig beeinträchtigen (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-409/04 - Teleos, Rdn. 52). Beide Grundsätze kann indes nur der gutgläubige Unternehmer für sich in Anspruch nehmen, der alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht zu einer Lieferkette gehören, die einen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz einschließt (EuGH, Urt. vom 11. Mai 2006 - Rechtssache C-384/04 - Federation of Technological Industries, Rdn. 33) und der von dem begangenen Betrug weder Kenntnis hatte noch haben konnte (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-409/04 - Teleos, Rdn. 50). Um solche gutgläubigen Unternehmer handelte es sich bei den hier in Rede stehenden Konstellationen indes gerade nicht.
20
dd) Das danach auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemeinschaftsrechtlich gebotene Verständnis des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, das in Fällen der vorliegenden Art zur Versagung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG führt, genügt auch den Anforderungen, die nach Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit der die Blankettstrafnorm ausfüllenden Vorschriften zu stellen sind. Tragweite und Anwendungsbereich des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und somit auch Tragweite und Anwendungsbereich des Straftatbestandes des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sind für den Normadressaten bereits aus dem Gesetz selbst zu erkennen und können durch Auslegung ermittelt und konkretisiert werden (vgl. insoweit BVerfGE 105, 135, 153 m.w.N.).
21
ee) Da in den vorliegenden Fällen nach dem einvernehmlichen Willen der Angeklagten und ihrer Geschäftspartner durch Vorspiegelung der Scheinkäufer die Erwerbsbesteuerung bei den tatsächlichen Erwerbern in Italien gerade ver- mieden werden sollte, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen, sind auch die Voraussetzungen erfüllt, die zum Wegfall der Steuerbefreiung führen.
22
(1) Auf der Grundlage formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts hätte die Lieferung einen Steuervorteil, nämlich die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG, zur Folge.
23
(2) Dessen Gewährung würde dem Ziel, das mit diesen Bestimmungen verfolgt wird, zuwiderlaufen; das gemeinschaftsrechtliche Umsatzsteuersystem würde zu Gunsten einzelner Wettbewerber in ein Ungleichgewicht gebracht. Ziel der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung und der Neutralität des gemeinsamen Umsatzsteuersystems ist aber die Herstellung eines „gesunden Wettbewerbs“ im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr (vgl. den dritten Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie). Demgegenüber verschaffen sich die Beteiligten eines Kettengeschäfts wie des vorliegenden unter Ausnutzung der formalen Vorgaben der einschlägigen Bestimmungen Wettbewerbsvorteile, die von dem gemeinsamen Umsatzsteuersystem nicht bezweckt werden. Der Unternehmer kann in der Regel den Gegenstand bereits zu einem höheren Preis verkaufen, als der Markt erbringen würde. Jedenfalls der tatsächliche Abnehmer verschafft sich aber den Gegenstand zu einem günstigeren Preis, als er tatsächlich auf dem Markt zahlen müsste, da er die Vorsteuer, die er für den formellen Erwerb geltend macht, dem tatsächlich gezahlten Preis gegenrechnen kann.
24
(3) Auch die erforderlichen objektiven Anhaltspunkte, die ergeben, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird, liegen vor. Die festgestellte konkrete Abwicklung der fraglichen Fahrzeugge- schäfte diente - wie die Angeklagten wussten - allein der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile bei den Abnehmern der Angeklagten. Zu diesem Zweck sollte die vom Mehrwertsteuersystem bezweckte Besteuerung im Bestimmungsland gezielt umgangen werden.
25
4) Indem die Angeklagten kollusiv mit den Abnehmern in Italien zusammenwirkten , entfiel demnach die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG für die fraglichen Lieferungen. Durch die daher wahrheitswidrigen Erklärungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in den Umsatzsteuerjahreserklärungen und -voranmeldungen wurde somit die nach deutschem Recht von den Angeklagten auszuweisende und abzuführende Umsatzsteuer hinterzogen. Den Angeklagten wird demgemäß auch nicht die Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung in Italien vorgeworfen.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 41/09
vom
7. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
weitere Verfahrensbeteiligte:
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2009 beschlossen:
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird nach Art. 234 Abs. 3 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung betreffend Art. 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/ EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem : einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden : Sechste Richtlinie) vorgelegt: Ist Art. 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie in dem Sinne auszulegen, dass einer Lieferung von Gegenständen im Sinne dieser Vorschrift die Befreiung von der Mehrwertsteuer zu versagen ist, wenn die Lieferung zwar tatsächlich ausgeführt worden ist, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer
a) wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt , der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen, oder
b) Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen?

Gründe:

I.


1
1. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Mannheim zu entscheiden. Der Angeklagte, ein portugiesischer Staatsangehöriger, befand sich in dem gegen ihn geführten Strafverfahren seit 30. Januar 2008 in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 17. September 2008 hat das Landgericht den Haftbefehl wegen fortbestehender Fluchtgefahr aufrechterhalten, jedoch gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug gesetzt. Trotz der Außervollzugsetzung gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (ebenso wie Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des deutschen Grundgesetzes) auch in dieser prozessualen Situation eine beschleunigte Behandlung der Sache (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 2005 - 2 BvR 1737/05, NJW 2006, 668). Im Einzelnen wurde dem Angeklagten auferlegt, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,-- Euro zu erbringen und seine Ausweispapiere zur Akte zu reichen. Daneben hat das Landgericht ihn angewiesen, die Bundesrepublik Deutschland nicht ohne vorherige Genehmigung des Landgerichts zu verlassen und jeden Wechsel seines Wohnsitzes oder dauernden Aufenthalts dem Landgericht anzuzeigen. Zuletzt wurde ihm die Auflage erteilt, sich zweimal wöchentlich bei dem für ihn zuständigen Polizeirevier persönlich zu melden. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 17. September 2008 wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Es hat im Wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt, den der Senat seiner Vorlage zugrunde legt:
2
Der Angeklagte war Geschäftsführer der P. GmbH mit Sitz in W. (Land Baden-Württemberg, Bundesrepublik Deutschland). Das Unternehmen handelte mit hochwertigen Fahrzeugen. Seit 2001 verkaufte es weit über 500 Fahrzeuge pro Jahr. Käufer der Fahrzeuge waren zum größten Teil gewerblich tätige Fahrzeughändler, die in Portugal geschäftsansässig waren.
3
Ab dem Jahr 2002 nahm der Angeklagte die nachfolgend geschilderten Manipulationen vor, um gewerblichen Fahrzeughändlern in Portugal die Hinterziehung portugiesischer Umsatzsteuer zu ermöglichen. Das war zum einen für ihn selbst wirtschaftlich vorteilhaft: Er konnte die Fahrzeuge zu einem Preis verkaufen , der bei rechtmäßiger Vorgehensweise am Markt nicht erzielbar gewesen wäre. Infolge dieses Wettbewerbsvorteils gegenüber steuerehrlichen deutschen Fahrzeughändlern erzielte er beträchtliche Gewinne. Zum anderen waren die Geschäfte auch für die Fahrzeughändler in Portugal wirtschaftlich vorteilhaft. Weil deren Eigenschaft als tatsächliche Käufer verschleiert wurde, konnten sie die Erwerbsbesteuerung in Portugal umgehen. So war es ihnen möglich, die Fahrzeuge ohne Anmeldung und Abführung portugiesischer Umsatzsteuer an Endverbraucher in Portugal weiterzuverkaufen. Ziel der Manipulationen war somit, weder in Deutschland noch in Portugal Umsatzsteuer zu bezahlen. Verkäufer und Käufer bereicherten sich also auf Kosten des Steuerfiskus.
4
Zu diesem Zweck entwickelte der Angeklagte ein aufwändiges Täuschungssystem , um die tatsächlichen Käufer der Fahrzeuge zu verschleiern:
5
Er manipulierte sein Rechnungswesen durch Scheinrechnungen. Diese verschleierten die tatsächlichen Vertrags- und Lieferbeziehungen. Die Verkaufsrechnungen stellte er auf Scheinkäufer aus. Dabei enthielten die - in die Buchhaltung der P. GmbH aufgenommenen Rechnungen - jeweils die Firma des Scheinkäufers als Rechnungsadressat, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer , die Bezeichnung des - tatsächlich an einen anderen Erwerber gelieferten - Fahrzeugs, den Kaufpreis sowie den Zusatz „steuerfreie innerge- meinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG“. Dadurch sollte der Eindruck er- weckt werden, dass der Scheinkäufer den Umsatz in Portugal der Erwerbsbesteuerung unterwerfen würde. Bei den Scheinkäufern handelte es sich um tatsächlich existierende Unternehmen in Portugal. Teilweise waren die Scheinkäufer mit der Verwendung ihrer Firma für die Zwecke des Angeklagten einverstanden , teilweise hatten sie davon keine Kenntnis.
6
Die tatsächlichen Käufer - also nicht die Scheinkäufer - verkauften die Fahrzeuge an private Endabnehmer in Portugal. Plangemäß verschwiegen sie den portugiesischen Finanzbehörden den wahren Sachverhalt: den innergemeinschaftlichen Erwerb vom Unternehmen des Angeklagten. So vermieden sie die bei Erwerb angefallene Umsatzsteuer. Die tatsächlichen Geschäftsbeziehungen wurden durch weitere Maßnahmen zusätzlich verschleiert. Der Angeklagte ließ - soweit die privaten Endabnehmer in Portugal zur Zeit der Lieferung bereits bekannt waren - bereits die CMR-Frachtbriefe auf diese Personen ausstellen. In diesen Fällen erstellte der Angeklagte eine weitere Scheinrechnung mit den Endabnehmern als Adressaten und dem unzutreffenden Zusatz „Differenz -Besteuerung nach § 25a UStG“.
7
Auf diese Weise verkaufte und lieferte die P. GmbH im Jahr 2002 407 Fahrzeuge für 7.720.391,-- Euro. Im Jahr 2003 wurden 720 Fahrzeuge für 11.169.460,-- Euro verkauft und geliefert. Diese Umsätze erklärte der Angeklagte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2002 und 2003 der P. GmbH als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. In den neben den Steuererklärungen abzugebenden Meldungen an das deutsche Bundeszentral- amt für Steuern benannte der Angeklagte die in den Rechnungen aufgeführten Scheinkäufer als Vertragspartner, um eine Ermittlung der tatsächlichen Käufer in Portugal über das Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem zu verhindern.
8
2. Nach Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei den verschleierten Lieferungen nach Portugal nicht um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Durch die Manipulation der beleg- und buchmäßigen Nachweise sei eine den innergemeinschaftlichen Wettbewerb verzerrende Steuerverkürzung in Portugal herbeigeführt worden. Das sei ein gezielter Missbrauch gemeinschaftsrechtlicher Regeln, der die Versagung der Steuerbefreiung in Deutschland rechtfertige. Die Deklaration der betroffenen Umsätze als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen sei daher falsch gewesen. Vielmehr hätte die P. GmbH die deutsche Umsatzsteuer auf diese Lieferungen erheben , an die Finanzverwaltung abführen und in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen angeben müssen. Wegen des Verstoßes gegen diese Pflichten habe sich der Angeklagte als vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft der Steuerhinterziehung strafbar gemacht; er habe im Jahr 2002 Umsatzsteuer von mehr als 1 Mio. Euro und im Jahr 2003 von mehr als 1,5 Mio. Euro verkürzt.
9
3. Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung mit der Revision zum Bundesgerichtshof. Er beanstandet insbesondere, dass das Landgericht umsatzsteuerpflichtige Lieferungen angenommen habe. Da die Fahrzeuge tatsächlich an gewerblich tätige Erwerber in Portugal geliefert worden seien, habe es sich um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt. Dass der Angeklagte durch Verschleierungsmaßnahmen die Erwerbsbesteuerung in Portugal verhindern wollte und verhinderte, stünde dem nicht entgegen. Eine Ge- fährdung des deutschen Umsatzsteueraufkommens liege nicht vor, da die Umsatzsteuer dem Bestimmungsland Portugal zustehe.

II.


10
Der Senat hält die Beantwortung der Vorlagefrage für den Erlass seiner Entscheidung über die Revision für erforderlich. Er legt diese deshalb dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: Gerichtshof) gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
11
1. Die Frage, ob im Ausgangsfall die Lieferungen von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften (hier: Portugal) von der Umsatzsteuer befreit sind, betrifft die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. EG Nr. L 145, S. 1).
12
Nach Art. 2 der Sechsten Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer. Von diesem Grundsatz sieht Art. 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie eine Ausnahme vor. Dort ist die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von der Mehrwertsteuer vorgesehen.
13
2. Der Gerichtshof hat nach Kenntnis des Senats bisher keine ausdrückliche Entscheidung zur Auslegung des Art. 28c der Sechsten Richtlinie für Fall- http://www.juris.de/jportal/portal/t/kgq/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=6&fromdoctodoc=yes&doc.id=jcg-31977L0388&doc.part=C&doc.price=0.0#focuspoint - 8 - konstellationen der vorliegenden Art getroffen. Er hat aber in den Rechtssachen C-409/04 (Urteil vom 27. September 2007 - Teleos u.a.) und C-146/05 (Urteil vom 27. September 2007 - Collée) zu Fragen Stellung genommen, die die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von der Mehrwertsteuer betreffen (nachfolgend a); bei missbräuchlicher Praxis hat er das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen (nachfolgend b). Der Senat versteht die Rechtsprechung des Gerichtshofs wie folgt:
14
a) Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Befreiung von der Mehrwertsteuer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
15
Die Einstufung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat unabhängig von Zweck und Ergebnis der betreffenden Umsätze anhand objektiver Kriterien zu erfolgen (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-409/04 - Teleos u.a. - Tenor 1, Rdn. 40, 42). Art. 28c Teil A Buchstabe a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie ist zudem dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Lieferung begonnen wurde, nicht befugt sind, einen gutgläubigen Lieferanten zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf die gelieferten Gegenstände zu entrichten, wenn der Lieferant Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung belegen und sich später diese Beweise als falsch herausstellen , jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-409/04 - Teleos u.a. - Tenor 2, Rdn. 44 bis 68). Die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Collée versteht der Senat dahin, dass Art. 28c http://www.juris.de/jportal/portal/t/liw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=jcg-31977L0388&doc.part=C&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - Teil A Buchstabe a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie in dem Sinn auszulegen ist, dass er der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats verwehrt, die Befreiung einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer allein mit der Begründung zu versagen, der Nachweis einer solchen Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-146/05 - Collée - Tenor 1, Rdn. 29 bis 33). Er entnimmt derselben Entscheidung des Gerichtshofs aber auch, dass eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt ist und die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht so weit gehen kann, dass Umsätze gedeckt werden, die zu dem Zweck getätigt wurden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-146/05 - Collée , Rdn. 38).
16
b) Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Recht auf Vorsteuerabzug
17
Hinsichtlich des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 1 und 2 der Sechsten Richtlinie versteht der Senat die Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin, dass derjenige Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug verliert, der mit dem Umsatz selbst eine Steuerhinterziehung begeht (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, Rechtssache C-255/02 - Halifax u.a., Rdn. 84). Er entnimmt der Entscheidung in der Rechtssache Halifax weiter, dass die Sechste Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug entgegensteht, wenn die Umsätze, die dieses Recht begründen , eine missbräuchliche Praxis darstellen. Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis erfordert dabei zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts ei- nen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde. Zum anderen muss auch aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt werde (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, Rechtssache C-255/02 - Halifax u.a. - Tenor 2 und Rdn. 85 f.).
18
Eine weitere Entscheidung des Gerichtshofs, die Umsätze zum Gegenstand hatte, die in ein auf Steuerhinterziehung angelegtes Betrugssystem einbezogen waren, versteht der Senat dahin, dass ein Steuerpflichtiger, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Sechsten Richtlinie als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist, unabhängig davon, ob er aus dem Weiterverkauf der Gegenstände einen Gewinn erzielt. Denn in einer solchen Situation geht der Steuerpflichtige den Urhebern der Hinterziehung zur Hand und macht sich ihrer mitschuldig. Im Übrigen wirkt eine solche Auslegung betrügerischen Umsätzen entgegen, indem sie ihre Durchführung erschwere (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006, Rechtssache C-439/04 - Kittel u.a. - Tenor 2, Rdn. 56 ff.). Der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug ist daher dann zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch dann, wenn der fragliche Umsatz den objektiven Kriterien genügt , auf denen der Begriff der Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhten (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006, Rechtssache C-439/04 - Kittel u.a. - Tenor 2, Rdn. 59).

19
Demgegenüber kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Rechtsvorschrift dem Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug der von ihm entrichteten Vorsteuer dann nicht absprechen, wenn eine Lieferung an ihn vorgenommen wird, von der er weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006, Rechtssache C-439/04 - Kittel u.a. - Tenor 1, Rdn. 60; vgl. auch EuGH, Urteil vom 12. Januar 2006, Rechtssache C-354/03 - Optigen Ltd. u.a., Rdn. 52).
20
3. Auf der Grundlage der so verstandenen Rechtsprechung des Gerichtshofs hat der anfragende Senat des Bundesgerichtshofs bereits in zwei ähnlichen Fallgestaltungen einer behaupteten „innergemeinschaftlichen Lieferung“ die Steuerbefreiung versagt, weil der deutsche Unternehmer kollusiv mit dem ausländischen Abnehmer zusammenwirkte, um diesem die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen.
21
a) Im Beschluss vom 20. November 2008 (Aktenzeichen: 1 StR 354/08) ging es um die Täuschung über den Lieferanten: Das deutsche Unternehmen lieferte tatsächlich Fahrzeuge, und zwar direkt an den wirklichen Abnehmer in Italien. Allerdings wurden Scheinrechnungen an italienische Zwischenhändler (missing trader) als angebliche Käufer ausgestellt. Die Zwischenhändler ermöglichten dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern, indem sie an ihn Scheinrechnungen für den angeblichen Weiterverkauf ausstellten.
22
b) Im Beschluss vom 19. Februar 2009 (Aktenzeichen: 1 StR 633/08) ging es um fingierte Lieferungen: Das italienische Unternehmen verkaufte Mobiltelefone tatsächlich an ein anderes italienisches Unternehmen. Um dem Ver- käufer einen unberechtigten Vorsteuerabzug zu ermöglichen und die Mobiltelefone dann zu einem günstigeren Preis verkaufen zu können, wurden diese zum Schein an ein deutsches Unternehmen - als innergemeinschaftliche Lieferung - verkauft. Das deutsche Unternehmen „verkaufte“ die Mobiltelefone sodann über italienische Zwischenhändler an den ursprünglichen "Verkäufer" zurück.
23
c) Die Strafbarkeit des Lieferanten wegen Steuerhinterziehung hing in beiden Fällen davon ab, ob die in Art. 28c der Sechsten Richtlinie für innergemeinschaftliche Lieferungen vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer wegen missbräuchlichen Verhaltens ausgeschlossen war.
24
4. Zur vorliegenden Fallgestaltung vertritt der Senat die folgende Rechtsansicht : Art. 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist dahingehend auszulegen, dass für alle Beteiligten eines oder mehrerer Umsatzgeschäfte, die auf die Hinterziehung von Steuern gerichtet sind, die für die einzelnen Geschäfte grundsätzlich vorgesehenen Steuervorteile zu versagen sind, wenn der jeweilige Steuerpflichtige die missbräuchliche oder betrügerische Praktik kennt und sich daran beteiligt.
25
Dies folgt nach Auffassung des Senats einerseits aus dem im Gemeinschaftsrecht verankerten Verbot missbräuchlicher Praktiken, das auch für die Mehrwertsteuer gilt. Darüber hinaus gebieten nach Auffassung des Senats auch Sinn und Zweck des Artikel 28c der Sechsten Richtlinie und die Ziele, die mit dieser Richtlinie verfolgt werden, eine entsprechende Auslegung dieser Vorschrift.
26
Denn Art. 28c der Sechsten Richtlinie stellt, wie seine systematische Stellung in Abschnitt XVI a der Sechsten Richtlinie belegt, eine Übergangsrege- lung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten dar. Mit der Vorschrift soll - zusammen mit der Erwerbsbesteuerung nach Art. 28a der Sechsten Richtlinie - folgendem Umstand Rechnung getragen werden: Die Bedingungen sind noch nicht erfüllt, die die Durchführung des Prinzips der Besteuerung der gelieferten Gegenstände im Ursprungsmitgliedstaat erlauben, ohne dass der Grundsatz, dass die Steuereinnahmen dem Mitgliedstaat zustehen , in dem der Endverbrauch erfolgt, angetastet wird. Art. 28c der Sechsten Richtlinie stellt daher eine Ausnahmevorschrift dar. Ziel der Sechsten Richtlinie ist die Verwirklichung eines gemeinsamen Markts, auf dem ein gesunder Wettbewerb herrscht und der mit einem echten Binnenmarkt vergleichbare Merkmale aufweist.
27
Fälle der vorliegenden Art zielen aber darauf ab, die ordnungsgemäße Besteuerung sowohl im Bestimmungsland als auch im Ursprungsland zu verhindern. Die Absicht der Beteiligten ist darauf gerichtet, sich durch Ausnutzung des Mehrwertsteuersystems - und entgegen seiner Zielsetzung - Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Durch die systemwidrige Ausnutzung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen, die Zwischenschaltung von Scheinunternehmen und die Verschleierung der tatsächlichen Erwerber kann der Lieferant die Waren zu einem höheren Preis als seine steuerehrlichen Mitbewerber verkaufen. Er verdrängt damit redliche Mitbewerber aus dem Markt. Für den Erwerber wird entweder die Möglichkeit geschaffen, den Gegenstand ohne Ausweis von Mehrwertsteuer zu verkaufen, da seine Einbindung in die Kette der Lieferanten - wie im vorliegenden Fall - verschleiert wurde. Oder er kann einen Teil des tatsächlich gezahlten Kaufpreises durch die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuer aus einem Scheingeschäft mit einem missing trader zu Lasten des Staates, in den die Lieferung erfolgte, erstattet erhalten.
Auch er erlangt dann - zum Nachteil seiner steuerehrlichen Mitbewerber im Bestimmungsland - Wettbewerbsvorteile.
28
Nach Auffassung des Senats ist daher einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Befreiung von der Mehrwertsteuer auch dann zu versagen, wenn die Lieferung zwar ausgeführt wurde und diese selbst nicht unmittelbar Gegenstand einer Mehrwertsteuerhinterziehung war, aber aufgrund objektiver Umstände bewiesen ist, dass der steuerpflichtige Verkäufer wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligt, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen. Eine solche Auslegung von Art. 28c hält der Senat für geboten, um die Ziele der Sechsten Richtlinie effektiv durchzusetzen.
29
Der Senat sieht nicht nur das Recht auf Vorsteuerabzug im Sinne von Art. 17 der Sechsten Richtlinie, sondern auch die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer nach Art. 28c der Sechsten Richtlinie als Steuervorteil an (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, Rechtssache C-255/02 - Halifax u.a.). Er stützt diese Auffassung auch auf die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Collée, die allein den Vorteil der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 28c der Sechsten Richtlinie zum Gegenstand hatte. In dieser Entscheidung erachtete der Gerichtshof in Bezug auf die Steuerbefreiung nach Art. 28c der Sechsten Richtlinie eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht für unzulässig (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-146/05 - Collée, Rdn. 38).
30
5. Wendet man diese Rechtsauffassung auf den Ausgangsfall an, ist das Landgericht zurecht davon ausgegangen, dass dem Unternehmen des Ange- klagten für die Lieferungen nach Portugal die Steuerbefreiung zu versagen war. Er hätte sich danach wegen Steuerhinterziehung strafbar gemacht. Die Auslegung des Art. 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist daher für den vorlegenden Senat entscheidungserheblich. Dies ergibt sich aus Folgendem:
31
a) Nach der Strafvorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 1 der deutschen Abgabenordnung (nachfolgend: AO, siehe auch Anlage 1) macht sich strafbar, wer gegenüber den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt. § 370 AO ist ein Blankettstraftatbestand , der nicht alle Tatbestandsmerkmale selbst enthält. Er wird durch die Vorschriften des materiellen Steuerrechts ausgefüllt. Diese bestimmen , welche Tatsachen steuerlich erheblich sind und unter welchen Voraussetzungen eine Steuer entsteht. Damit ist die Steuerentstehung Tatbestandsvoraussetzung einer strafbaren Steuerhinterziehung.
32
b) Für die Steuerentstehung bestimmt das deutsche Steuerrecht: Nach den Vorgaben des Art. 2 der Sechsten Richtlinie unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Umsatzsteuergesetzes (nachfolgend: UStG, siehe auch Anlage 2) Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, im Grundsatz der deutschen Umsatzsteuer. Davon sieht § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG (siehe Anlage 3) eine Ausnahme vor: Die unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätze sind bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung steuerfrei. Damit setzt § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG Art. 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie in nationales Recht um.
33
§ 6a Abs. 1 UStG (siehe Anlage 4) definiert, wann eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt: Diese setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer oder Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Zudem ist gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG erforderlich , dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Nach § 6a Abs. 3 UStG müssen die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 vom Unternehmer nachgewiesen werden. Die Nachweispflichten sind in § 17a der deutschen Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (nachfolgend: UStDV; siehe auch Anlage 5) und § 17c UStDV (Anlage 6) konkretisiert. Nach § 17a UStDV muss der Unternehmer durch geeignete Belege nachweisen, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde (sogenannter Belegnachweis). § 17c UStDV konkretisiert die Pflichten des Unternehmers betreffend die Buchführung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen. Nach dieser Vorschrift müssen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung, die sich aus § 6a UStG ergeben, insbesondere Name und Anschrift des Abnehmers sowie dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, buchmäßig nachgewiesen sein (sogenannter Buchnachweis).
34
Nach § 18a Abs. 1 Satz 1 UStG (Anlage 7) muss der inländische Unternehmer , der steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen durchgeführt hat, dem Bundeszentralamt für Steuern eine Meldung erstatten, in der u.a. die Umsatzsteuer -Identifikationsnummer des Erwerbers mitzuteilen ist. § 18a UStG setzt daher Art. 22 Abs. 6 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie um. Die Meldung stellt die Grundlage für die Überwachung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs dar, da die Daten erfasst und dann anfragenden Steuerbehörden im Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (vgl. Verordnung der EWG Nr. 218/92 vom 27. Januar 1992 und Verordnung 1798/2003/EG vom 7. Oktober 2003) übermittelt werden.
35
Nach § 18b Satz 1 UStG (Anlage 8) hat der Unternehmer die Bemessungsgrundlagen seiner innergemeinschaftlichen Lieferungen gegenüber dem für das Unternehmen zuständigen Finanzamt zu erklären. Bemessungsgrundlage der innergemeinschaftlichen Lieferung ist dabei regelmäßig nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG (Anlage 9) das Nettoentgelt, das der Leistungsempfänger an den Unternehmer zahlt. Mit der Erklärung nach § 18b Satz 1 UStG bringt der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden zum Ausdruck, dass die vorgenommenen Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a UStG umsatzsteuerfrei sind, der Unternehmer mithin keine Umsatzsteuer für diese Lieferungen schuldet.
36
c) Da die Steuerbefreiung nach Auffassung des vorlegenden Senats in Fällen des Rechts- bzw. Systemmissbrauchs zu versagen ist, war im vorliegenden Fall von einer steuerpflichtigen Lieferung auszugehen. Die Steuerhinterziehung sieht der Senat darin, dass der Angeklagte die Umsätze in den Steuererklärungen nach § 18b UStG, die er gegenüber der nationalen Finanzverwaltung abzugeben hatte, bewusst falsch als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung deklarierte. Tatsächlich waren sie aber steuerpflichtig, weil der Ausnahmetatbestand des § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG (bzw. des Art. 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie) nicht eingriff. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz der Steuerpflicht.
37
d) Die dem Gerichtshof vorgelegte Frage ist für den vorlegenden Senat entscheidungserheblich. Wären die Lieferungen als steuerbefreit anzusehen, käme eine in Deutschland strafbare Steuerhinterziehung des Angeklagten nicht in Betracht. Zum einen wären dann die von dem Angeklagten nach § 18b UStG abgegebenen Erklärungen inhaltlich richtig; zum anderen würde die Lieferung keine deutsche Umsatzsteuer auslösen, die verkürzt werden könnte. Die Betei- ligung des deutschen Unternehmers an einer Umsatzsteuerhinterziehung in Portugal ist nach deutschem Steuerstrafrecht nicht strafbar, da es insoweit an der Verbürgung der gegenseitigen Strafverfolgung fehlt (vgl. § 370 Abs. 6 Satz 3 AO). Die unrichtigen Angaben über den Erwerber gegenüber dem deutschen Bundeszentralamt für Steuern in den Meldungen nach § 18a Abs. 1 Satz 1 UStG sind keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit nach § 26a Abs. 1 Nr. 5 UStG, die mit einer Geldbuße von bis zu fünftausend Euro geahndet werden können (§ 26a Abs. 2 UStG, vgl. auch Anlage 10).
38
6. Da in den vom Bundesgerichtshof bisher entschiedenen Fällen angesichts der geschilderten Rechtsprechung des Gerichtshofs die von ihm vorgenommene Auslegung des Gemeinschaftsrechts aus Sicht des Senats nicht zweifelhaft war, bestand bislang keine Veranlassung, ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG an den Gerichtshof zu richten (vgl. EuGH, Urt. vom 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - Cilfit = NJW 1983, 1257, 1258). Allerdings hat nun das Finanzgericht Baden-Württemberg im Besteuerungsverfahren zum selben Sachverhalt ausdrücklich Zweifel geäußert, ob der Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Versagung der Steuerbefreiung zu folgen sei (Beschluss vom 11. März 2009 - 1 V 4305/08). Es ist der Auffassung, das gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot greife nicht ein, da die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung hätten als nur die Erlangung von Steuervorteilen. Zudem stünden der Auffassung des Bundesgerichtshofs die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Territorialität entgegen.
39
Der Senat hält die Bedenken des Finanzgerichts Baden-Württemberg nicht für überzeugend:
40
a) Selbst wenn die getätigten Umsätze - was der Senat im vorliegenden Fall aufgrund der durch objektive Beweise bestätigten Feststellungen des Landgerichts freilich ausschließt - in Einzelfällen auch eine andere (zusätzliche) Erklärung haben können als primär die Erlangung von Steuervorteilen, schließt dies nach Ansicht des vorlegenden Senats die Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots nicht aus. Zwar hat der Gerichtshof in der Rechtssache Halifax entschieden, dass die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis erfordert, es müsse anhand objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit dem fraglichen Umsatz im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, Rechtssache C-255/02 - Halifax u.a., Tenor 2, Rdn. 75). Der Rechtssache Halifax lag indes ein Sachverhalt zu Grunde , bei dem die für die steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes bedeutsamen zivilrechtlichen Verträge allesamt wirksam waren. Zudem waren die beteiligten Unternehmen ihren Pflichten gegenüber der Finanzverwaltung ordnungsgemäß nachgekommen. Dort handelte es sich - anders als hier - somit nicht um ein betrügerisches System, das durch Verschleierung und unrichtige bzw. unterlassene Erklärungen auf Steuerhinterziehung ausgerichtet war. Vielmehr war in dieser Rechtssache lediglich zu klären, welche Schranken den Gestaltungsrechten der Beteiligten eines oder mehrerer Umsatzgeschäfte zu setzen sind. Ausgehend von dem Grundsatz, dass ein Unternehmer das Recht auf eine ihm steuerlich günstige Gestaltung der Geschäftsbeziehungen hat (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2006, Rechtssache C-255/02 - Halifax u.a., Rdn. 73 f.), stellt der Gerichtshof unmittelbar daran anschließend die qualifizierten Anforderungen an die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis fest.
41
Folgt der Missbrauch des Mehrwertsteuersystems indes - wie in den Fällen der vorliegenden Art - bereits aus dem Umstand, dass die Lieferbeziehungen bewusst verschleiert werden, um mit unrichtigen oder unterlassenen Erklä- rungen gegenüber den Finanzbehörden vorsätzlich Steuern zu verkürzen, sind nach Ansicht des Senats die grundsätzlich vorgesehenen Steuervorteile aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses zu versagen, auch wenn ein tatsächlich gewolltes - freilich in betrügerischer Absicht verschleiertes - innergemeinschaftliches Handelsgeschäft zu Grunde liegt. Denn dann liegt nicht lediglich ein Fall des Gestaltungsmissbrauchs, sondern vielmehr ein Fall des systematischen Steuerbetrugs mit speziell für diesen Zweck hergestellten Scheinrechnungen vor. Für diesen Fall lässt sich aber der Rechtsprechung des Gerichtshofs entnehmen , dass ein Steuerpflichtiger, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Sechsten Richtlinie als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist. Der Steuerpflichtige geht in einer solchen Situation den Urhebern der Hinterziehung zur Hand und macht sich ihrer mitschuldig. Der Gerichtshof hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine solche Auslegung betrügerischen Umsätzen entgegenwirkt, indem sie ihre Durchführung erschwert (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006, Rechtssache C-439/04 - Kittel u.a. - Tenor 2, Rdn. 56 ff.).
42
b) Auch der Umstand, dass es bei Versagung der Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von der Umsatzsteuer zu einer Doppelbesteuerung des Umsatzes im Ursprungs- und Bestimmungsland kommen kann, wenn trotz der Verschleierungsmaßnahmen der wahre Sachverhalt im Empfängerstaat aufgedeckt und der innergemeinschaftliche Erwerb noch nachträglich besteuert wird, rechtfertigt nach Auffassung des Senats kein anderes Ergebnis. Denn darin ist keine Verletzung des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem immanenten Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zu sehen.
43
aa) Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-409/04 - Teleos u.a., Rdn. 59). Ein solches Wettbewerbsverhältnis besteht aber zwischen steuerehrlichen und steuerunehrlichen Unternehmen, die durch systematische Verschleierungsmaßnahmen Steuern hinterziehen, gerade nicht. Würde das Prinzip der steuerlichen Neutralität in Fällen der vorliegenden Art zur Begründung der Steuerfreiheit herangezogen , würde vielmehr - wie dargelegt - das gemeinschaftsrechtliche Mehrwertsteuersystem zu Gunsten einzelner, steuerunehrlicher Wettbewerber in ein Ungleichgewicht gebracht.
44
bb) Die nach Auffassung des Senats gebotene Auslegung des Art. 28c der Sechsten Richtlinie führt auch nicht zu einer Ungleichbehandlung zwischen inländischen und innergemeinschaftlichen Umsätzen und zu Formalitäten, die den Grenzübertritt erschweren (vgl. insoweit auch Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie). Vielmehr wird der fragliche innergemeinschaftliche Umsatz dem inländischen Umsatz gleichgestellt. Er wird dem Ursprungslandgrundsatz, wie er in Art. 2 der Sechsten Richtlinie festgeschrieben ist, unterworfen, um so dem Wettbewerbsungleichgewicht entgegen zu wirken.
45
cc) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zudem anerkannt, dass es der Grundsatz der Neutralität einem Mitgliedstaat nicht verbietet, Mehrwertsteuer von einem Steuerpflichtigen nachzufordern, wenn dieser zu Unrecht eine Rechnung unter Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung für eine Lieferung von Gegenständen ausgestellt hat. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Bedeutung, ob die Mehrwertsteuer auf den späteren Verkauf der betreffenden Gegenstände an den Endverbraucher an den Fiskus entrichtet wurde (EuGH, Beschluss vom 3. März 2004, Rechtssache C-395/02 - Transport Service NV, Rdn. 31; siehe auch EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-409/04, Teleos u.a., Rdn. 66).
46
dd) Schließlich käme grundsätzlich auch in Betracht, eine tatsächlich eingetretene Doppelbesteuerung, wenn die Erwerbsbesteuerung im Ursprungsland doch noch durchgeführt wurde, durch eine nachträgliche Erstattung der zunächst vom inländischen Unternehmer geschuldeten Umsatzsteuer zu beseitigen. § 227 AO (siehe Anlage 11) sieht eine entsprechende Erstattungsmöglichkeit vor. Er könnte dann zur Anwendung kommen, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt ist, mit der Folge, dass die Umsatzsteuer zu erstatten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2000, Rechtssache C-454/98, Schmeink & Cofreth u.a., Tenor 1, Rdn. 60 ff.)
47
c) Der Grundsatz der Territorialität steht nach Auffassung des vorlegenden Senats in Fällen der vorliegenden Art der Versagung der Umsatzsteuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ebenfalls nicht entgegen. Denn der Grundsatz der Territorialität ist Ausfluss des Prinzips der steuerlichen Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-146/05 - Collée, Rdn. 22 f.). Die Neutralität der Mehrwertsteuer ist aber nicht durch die Versagung der Steuerbefreiung gefährdet, sondern vielmehr - wie dargelegt - durch die von den Beteiligten vorgenommenen Verschleierungsmaßnahmen, mit denen die Erwerbsbesteuerung im Empfängerstaat vermieden werden soll. Gerade diese Gefährdung rechtfertigt nach Ansicht des vorlegenden Senats die Versagung der Befreiung von der Umsatzsteuer bei der vorgenommenen innergemeinschaftlichen Lieferung.
48
In der Rechtssache Collée führte der Gerichtshof zudem aus, dass dem nationalen Gericht die Prüfung obliegt, „ob die Verschleierung des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung und die daraus folgende Verzögerung bei der Korrektur der jeweiligen Buchungen Züge einer Mehrwertsteuerhinterziehung hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt. …… Ebenso kann die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht so weit gehen, dass Umsätze gedeckt werden, die zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteile zu kommen“ (EuGH, Urteil vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collée, Rdn. 38). Diese Aussage des Gerichtshofs impliziert aus Sicht des Senats, dass das Besteuerungsrecht des anderen Mitgliedstaats nicht ausschließt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auch für das Steueraufkommen im Lieferstaat eine rechtlich relevante Gefährdung des Steueraufkommens besteht. Denn ohne die Gefährdung des Steueraufkommens ist eine Mehrwertsteuerhinterziehung nicht denkbar. Tatsächlich soll es nach dem Tatplan der Beteiligten von Umsatzgeschäften der vorliegenden Art auch gerade nicht zu einer ordnungsgemäßen Besteuerung im Bestimmungsland kommen.
49
d) Schließlich gebieten auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit keine abweichende Auslegung. Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der in besonderem Maße gilt, wenn eine Regelung betroffen ist, die sich finanziell belastend auswirken kann, müssen die Betroffenen in der Lage sein, den Umfang der ihnen auferlegten steuerlichen Verpflichtungen genau zu erkennen, bevor sie ein Geschäft abschließen (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-409/04 - Teleos u.a., Rdn. 48). Demgegenüber besagt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit , dass sich die Mitgliedstaaten solcher Mittel bedienen müssen, die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen , die jedoch andererseits die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Gemeinschaftsrechts möglichst wenig beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-409/04 - Teleos u.a., Rdn. 52). Auf beide Grundsätze kann sich indes nur der gutgläubige Unternehmer berufen, der alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht zu einer Lieferkette gehören, die einen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz einschließt (EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006, Rechtssache C-384/04 - Federation of Technological Industries u.a., Rdn. 33), und der von dem begangenen Betrug weder Kenntnis hatte, noch haben konnte (EuGH, Urteil vom 27. September 2007, Rechtssache C-409/04 - Teleos u.a., Rdn. 50). Um solche gutgläubigen Unternehmer handelt es sich bei Lieferanten, die die wahren Empfänger verschleiern, um ihnen die Hinterziehung der Erwerbssteuer zu ermöglichen, jedoch gerade nicht.
50
e) Auch wenn der Senat die Rechtsauffassung des Finanzgerichts Baden -Württemberg nicht für zutreffend erachtet, legt er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage dem Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor. Angesichts der vom Finanzgericht Baden-Württemberg geäußerten Rechtsbedenken kann nicht mehr ohne weiteres angenommen werden, dass für die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. 28c der Sechsten Richtlinie in Fällen der Verschleierung des Empfängers innergemeinschaftlicher Lieferungen bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rechtssache 283/81 - Cilfit, Rdn. 16). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tenor

1. Die Umsatzsteuer für 2006 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65/100, der Beklagte zu 35/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob von der Klägerin getätigte Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerbefreit sind.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u.a. der Handel mit Kraftfahrzeugen (KFZ).

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2006 errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem negativen Betrag von 229.604,86 €; hierbei behandelte sie u.a. die Lieferungen von 12 KFZ als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA-) setzte die Umsatzsteuer für 2006 mit gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 28. Januar 2008 auf den negativen Betrag von 226.724,86 € fest.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 20. Februar 2008 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 auf den negativen Betrag von 229.604,86 € fest.

Im Anschluss an eine Außenprüfung (Bericht vom 19. Februar 2010) setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 182.290,34 € fest, behandelte u.a. die og. 12 Fahrzeuglieferungen als steuerpflichtig und erhöhte dementsprechend die steuerpflichtigen Umsätze um den Betrag von 340.231 €.

Zur Begründung verwies das FA auf eine Stellungnahme des an der Außenprüfung beteiligten Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009, wonach der Beleg- und Buchnachweis für og. Lieferungen nicht geführt worden sei. So sei bei den von den Abnehmern angeblich abgeholten Fahrzeugen der Bestimmungsort der Lieferungen nicht aufgezeichnet worden, sondern lediglich von den Abholern bestätigt worden, dass die jeweiligen Fahrzeuge "aus Deutschland ausgeführt" bzw. "nach Spanien verbracht" würden, ohne einen Bezug zu den Rechnungsadressen der Abnehmer herzustellen. Bei den an die Abnehmer angeblich versandten Fahrzeugen hätten die Abnehmer den Empfang der Fahrzeuge nicht in Feld 24 der CMR-Frachtbriefe bestätigt.

Am 23. April 2010 erhob die Klägerin gegen den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid Sprungklage, der das FA nicht zugestimmt hat, die am 8. Juni 2010 zur Behandlung als Einspruch an das FA abgegeben wurde und über den das FA nicht entschieden hat.

Am 28. Februar 2011 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass den einzelnen Rechnungen und weiteren Belegen der jeweilige Bestimmungsort zu entnehmen sei und die jeweiligen Abnehmer bzw. Abholer den Export in die jeweiligen Bestimmungsländer bestätigt hätten. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lägen für die streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen demzufolge vor. Ein Vergleich des Schriftbildes der auf den Verbringensbestätigungen mit den Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer sei zudem nicht zulässig, da nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten der Länder das Anfertigen der Kopie eines Personalausweises gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für 2006 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 229.218,34 € festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

nach Maßgabe des Zugeständnisses in der mündlichen Verhandlung die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des FA vom 18. März 2011, 1. Juni 2011, 18. April 2013, 26. Juni 2013, 24. Januar 2012 sowie 24. Januar 2014 verwiesen.

Mit Anordnung vom 10. Juni 2013 (zugestellt am 17. Juni 2013) wurde die Klägerin gem. § 79 b Abs. 2 FGO unter Fristsetzung zum 19. Juli 2013 aufgefordert, bezüglich der für das Streitjahr erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Aufzeichnungen im Sinne des § 17c UStDV (Buchnachweis) im Original vorzulegen sowie darzulegen, wann diese Aufzeichnungen erstellt wurden, die Belege im Sinne des § 17a UStDV (Belegnachweis) im Original vorzulegen, die diesen Lieferungen zugrunde liegenden Kaufverträge sowie Geschäftskorrespondenz im Original vorzulegen sowie Zahlungsnachweise für die Vereinnahmung der vereinbarten Entgelte im Original vorzulegen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

1. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) nachzuweisen.

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957 m.w.N.).

2. Hinsichtlich der folgenden streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen hat das FA das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit in der mündlichen Verhandlung anerkannt. Die Bezeichnung der einzelnen Fahrzeuglieferungen orientiert sich nachfolgend an der von der Klägerin in den vorgelegten Originalunterlagen vorgenommenen Auflistung (A1 – L1) sowie der Auflistung in der Stellungnahme des Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009 (Nr. 1-18).

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1001859 vom 15. März 2006, MB SLK350, 38.000 €, Fall A1 bzw. Nr. 3)

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1002817 vom 26. Juli 2006, MB A180CDI, 18.300 €, Fall B1 bzw. Nr. 4)

  • ·Lieferung an V. S.L., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1001818 vom 9. März 2006, MB C220CDI, 20.000 €, Fall E1 bzw. Nr. 11)

  • ·Lieferung an D. SL U., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1002598 vom 30. Juni 2006, MB A180CDI, 15.500 €, Fall G1 bzw. Nr. 13)

  • ·Lieferung an A. SA, , L- Luxemburg (Rechnung Nr. 1004064 vom 30. Juni 2006, MB SLK200 Kompressor, 25.775 €, Fall L1 bzw. Nr. 18)

3. Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat den Belegnachweis nicht erbracht.

a) Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1003173 vom 4. Oktober 2006, MB A170CDI, 11.600 €, Fall C1 bzw. Nr. 5)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 UStDV in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, den Nachweis hierüber führen durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1. UStDV. Gem. § 10 Abs. 1 Nummer 1 UStDV soll der Unternehmer den Nachweis regelmäßig führen durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief.

In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Vollmacht sowie Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. TTI in, F- H. bevollmächtigt hat. Letzteres hat auch die mündliche Verhandlung ergeben. Der Versendungsbeleg ist daher unrichtig.

b) Lieferung an Fa. L., H- Budapest (Rechnung Nr. 1001690 vom 24. Februar 2006, MB ML320CDI, 48.000 €, Fall D1 bzw. Nr. 10)

Bei dieser Lieferung kann es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Beförderungs- oder eine Versendungslieferung handeln. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 Nummer 4 UStDV in den Fällen, in denen der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis hierüber führen durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Dieser Nachweis kann auch bei einer Versendungslieferung zulässig sein (§ 17 a Abs. 4 Satz 2 UStDV). Der Belegnachweis setzt dabei aber voraus, dass derjenige, der den Gegenstand (Fahrzeug) tatsächlich abholt (der Abnehmer oder sein Beauftragter) versichern muss, diesen in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 2011 V B 102/10 BFH/NV 2011, 1930).

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das KFZ "ordnungsgemäß aus Deutschland auszuführen" und bevollmächtigte Herrn F., im europäischen Raum Fahrzeuge aller Art und Baustoffe sowie Waren aller Art einzukaufen.

Die vorgelegte Verbringensbestätigung ist jedoch nicht datiert. Zudem ist unklar, ob sie vom angeblichen tatsächlichen Abholer F., wohnhaft in A- Wels-Land, ausgefüllt wurde, wogegen spricht, dass sie mit einem Firmenstempel des angeblichen Abnehmers versehen ist. Zudem ist die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung aufgrund einer Überstempelung nicht leserlich, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Es fehlt daher an einem ordnungsmäßigen Belegnachweis.

Ein Berücksichtigung der Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin bereits deshalb nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz, da sie offensichtlich mit Einwilligung der Passinhaber angefertigt wurden (§ 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz). Zudem verkennt die Klägerin, dass sie zur Erlangung der Steuerbefreiung den Nachweis der Richtigkeit der gesetzlich geforderten Verbringensbestätigungen zu erbringen hat. Eine Nichtberücksichtigung der Passkopien hätte jedoch zur Folge, dass die vorgelegten Verbringensbestätigungen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden könnten, so dass die Steuerbefreiung gleichfalls zu versagen wäre.

c) Lieferung an R, P- (Rechnung Nr. 1001966 vom 31. März 2006, MB SLK200K, 29.656 €, Fall F1 bzw. Nr. 12)

Es fehlt wiederum am Belegnachweis. Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn Z. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers Z., wohnhaft in  Tn., und eine Empfangsbestätigung (§ 17 A Abs. 2 Nr. 3 u. 4 UStDV) wurden jedoch nicht vorgelegt.

Ferner wurde die Bestätigung nicht bei der tatsächlichen Abholung des Fahrzeugs erteilt, sondern – wie aus dem Vermerk unten auf der Bestätigung ersichtlich – zugefaxt.

d) Lieferung an R., P- (Rechnung Nr. 1003046 vom 1. September 2006, MB A160CDI, 14.200 €, Fall H1 bzw. Nr. 14)

Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn S. Abholvollmacht.

Die Unterschrift des angeblichen Abholers S., wohnhaft in der G-Str. in K. auf der Verbringensbestätigung weicht jedoch erkennbar von der Unterschrift in seiner vorgelegten Passkopie ab, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung tatsächlich vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Das Gericht kann daher keinen ordnungsgemäßen Belegnachweis erkennen.

e) Lieferung an C.SL, E- F. (Rechnung Nr. 1003218 vom 13. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 48.300 €, Fall I1 bzw. Nr. 15)

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen und bevollmächtigte mit weiterem Schreiben Herrn H., (26)/Frankreich zur Abholung für den "Export nach Spanien".

Die vorgelegte Verbringensbestätigung wurde ausweislich des aufgebrachten Firmenstempels sowie der Unterschrift vom Abnehmer ausgefüllt. Eine Verbringensbestätigung des tatsächlichen Abholers wurde jedoch nicht vorgelegt, dieser bestätigte lediglich ohne Datumsangabe auf der vorgelegten Rechnung, das Fahrzeug erhalten zu haben. Der Belegnachweis ist daher nicht vollständig erbracht.

f) Lieferung an P LDA, P- (Rechnung Nr. 1003306 vom 26. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 49.500 €, Fall J1 bzw. Nr. 16)

Der angebliche Abnehmer, vertreten durch einen Herrn AP bestätigte zwar ohne Datumsangabe, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen. Ein Herr F., Halle 23, erteilte Herrn K., K. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers K. wurde jedoch nicht vorgelegt.

g) Lieferung an C. , E-3 (Rechnung Nr. 1003368 vom 31. Oktober 2006, MB E220CDI, 21.400 €, Fall K1 bzw. Nr. 17)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. E. Autotransporte GmbH, Sg bevollmächtigt hat.

4. Die Klägerin hat auch nicht auf sonstige Weise nachgewiesen, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen und die streitgegenständlichen Fahrzeuge aufgrund ihrer Lieferungen in das Gemeinschaftsgebiet gelangt sind. Ein derartiger Nachweis, etwa durch eine Bestätigung, dass die Fahrzeuge in einem anderen Mitgliedsstaat zeitnah auf ihre Abnehmer straßenverkehrsrechtlich zugelassen wurden, wurde nicht vorgelegt.

Es ist jedoch Sache des Lieferanten der Gegenstände, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind. Dabei sind die Finanzbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Versand oder die Beförderung von Gegenständen im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung beginnt, nicht verpflichtet, die Behörden des vom Lieferanten angegebenen Bestimmungsmitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen, ob die Gegenstände tatsächlich in den Bestimmungsmitgliedstaat verbracht worden sind (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-184/05 Twoh, Slg. 2007, I-07897).

5. Die Lieferung ist auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt dabei voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863).

c) Im Streitfall hat die Klägerin jedoch hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen F1, I1 und J1 den Belegnachweis nicht geführt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen C1 und K1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass das Feld 2 der CMR-Frachtbriefe falsche Angaben zum Auftraggeber enthielt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen D1 und H1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung von der Unterschrift in der Passkopie abweicht (s.o.). Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863)

6. Die Umsätze zum Regelsteuersatz sind gegenüber dem angegriffenen Umsatzsteuerbescheid um den Nettobetrag der vom FA im vorliegenden Verfahren als steuerfrei anerkannten Fahrzeuglieferungen (101.357,76 €) herabzusetzen. Die Umsatzsteuer für 2006 ist somit auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festzusetzen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

8. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Revisionsgründe vorliegt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. Es sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche Erwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den Erwerber handelnden Personen gefälschte Personalausweise vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der Personalausweise nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden Erkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als KP ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem Personalausweis ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der KP sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das FG zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem Lieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des Erwerbers auferlegt werden. Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den Erwerber ergeben hätten. Es stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. KP sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. Es sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen Existenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

11

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

12

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

13

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

14

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

16

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

17

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

18

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Folgendes:

19

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

20

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

21

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

22

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

23

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

24

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

25

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des FG auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

26

aa) Die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter II.3.b). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1966 II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, unter I., und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, unter II.1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als KP ausgab.

27

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als KP ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in Luxemburg erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

28

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

29

(1) Nach dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der BFH-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, Deutsches Steuerrecht 2013, 753, unter II.3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die EuGH-Rechtsprechung beachtend auszulegen ist.

30

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 69).

31

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der Kaufverträge, die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der Abnehmerseite ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, handelt mit PKW's und lieferte in den Streitjahren 2004 und 2005 u.a. 42 Neufahrzeuge; diese Umsätze beurteilte sie als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien.

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lagen den Fahrzeuglieferungen Bestellungen zugrunde, die über die Firma D erfolgten. Die Firma D teilte der Klägerin Personaldaten italienischer Enderwerber mit. Die Klägerin erstellte Unterlagen zum Kauf von Fahrzeugen und übergab diese der Firma D, die sie "mit käuferseitigen Unterschriften versehen" an die Klägerin zurückgab. Die von der Klägerin bei einem inländischen Hersteller bezogenen PKW's wurden von der Firma D bei der Klägerin abgeholt und entweder bar oder mit Scheck bezahlt. Dabei legte die Firma D der Klägerin "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" vor, nach denen die Firma D die PKW's im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 abhole und nach Italien verbringe. Für die Lieferung der 42 PKW's erstellte die Klägerin zunächst Rechnungen an die beiden in Italien ansässigen Firmen X und X-3 als Besteller der Fahrzeuge. Nach der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung der Fahrzeuge in Italien stornierte die Klägerin diese Rechnungen und stellte neue Rechnungen auf die Personen aus, die in den Fahrzeugbestellungen als Besteller angegeben waren. Es handelte sich dabei fast ausnahmslos um die späteren Halter der PKW's (Endabnehmer).

3

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die Klägerin habe die PKW's nicht direkt an die Endabnehmer geliefert. Stichproben hätten ergeben, dass zwei Fahrzeuge durch die Firma X-1 in Italien innergemeinschaftlich erworben und über zwei weitere italienische Firmen an einen Endabnehmer geliefert worden seien. Gleiches gelte für ein Fahrzeug, das von der Firma X-2 erworben worden sei. Die Klägerin habe Lieferungen an die italienischen Endabnehmer nur vorgetäuscht, da der inländische Hersteller der Fahrzeuge der Klägerin Verkäufe an ausländische Wiederverkäufer untersagt habe. Einspruch und Klage gegen die für die beiden Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens war der aus anderen Gründen geänderte Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009.

4

Das FG wies die Klage der Klägerin als unbegründet ab. Die Lieferungen seien steuerpflichtig, weil die Klägerin den Belegnachweis nicht ordnungsgemäß geführt habe. Die Abholung der PKW's sei nicht für die Endabnehmer, sondern die Firmen X-1 und X-2 erfolgt. Die Bestätigungen der italienischen Endabnehmer, diese Firmen mit der Abholung beauftragt zu haben, seien durch den Mitarbeiter A der Klägerin gefälscht worden. Nach der objektiven Beweislage stehe nicht sicher fest, dass die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vorlägen. Unklar sei bereits, wer Abnehmer der Lieferungen gewesen sei. Eine Verpflichtung, über die durchgeführte Beweisaufnahme hinaus auch B als Zeugen zu vernehmen, bestehe nicht.

5

Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung formellen und --wie sich aus ihrem Revisionsantrag ergibt-- materiellen Rechts rügt. Das FG hätte aufklären müssen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Neufahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe durch Einvernahme des Vermittlers B als Inhaber des Einzelunternehmens D und der in Italien ansässigen Endkunden als Zeugen. Ebenso hätte das FG aufklären müssen, dass die 42 Fahrzeuge im Auftrag des jeweiligen italienischen Endabnehmers oder im Auftrag anderer Personen nach Italien befördert worden seien. Dies hätten der Zeuge P sowie die mit den Transportaufträgen befassten Zeugen C, E, F, G, H und K bestätigt. Das FG sei auch nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen und unabhängig von Beweisanträgen verpflichtet gewesen. Sie habe die Identität der Abnehmer nicht verschleiert, sondern sämtliche Vertragsverhältnisse, Rechnungen, Stornorechnungen und Lieferwege offengelegt. Sie habe daher nicht beabsichtigt, die Identität der Erwerber der PKW's zu verschleiern, um diesen eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Es komme auf die Rechnungsstornierung nicht an. Die italienischen Zulassungsbelege seien nicht fehlerhaft. Zivilrechtlich sei kein Raum für einen Zwischenhändler gewesen. Für die Abgrenzung zwischen Vermittlung und Eigenhandeln sei das Zivilrecht maßgeblich. Der erforderliche Belegnachweis liege vor. Der Bestimmungsort stehe fest, es lägen auch Versicherungen zum Verbringen vor. Auf zusätzliche Belege komme es nicht an.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Klage der Klägerin betrifft, aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 8. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2006 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 55.656,84 € (2004) und um 140.662,07 € (2005) herabgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin habe das Unterbleiben der von ihr beantragten Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Der vor dem FG gestellte Beweisantrag habe sich darüber hinaus nur darauf bezogen, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen seien. Daher rüge die Klägerin das Übergehen eines Beweisantrags, der in der behaupteten Form niemals gestellt worden sei. Der feststellungsbelastete Steuerpflichtige könne die Herbeiführung einer objektiven Beweislage nicht dem FG überbürden.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Klägerin nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind.

10

1. Der mit der Revision geltend gemachte Verfahrensfehler, das FG habe die mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 angebotenen Beweise verfahrensfehlerhaft nicht erhoben, liegt nicht vor.

11

a) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin Zeugenbeweis dafür angeboten, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen sind.

12

aa) Dieses Beweisangebot war im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da das FG in seinem Urteil das Gelangen der Fahrzeuge nach Italien als wahr unterstellt hat. Für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG vielmehr entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, war dieses Beweisangebot unerheblich.

13

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Fahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe, entspricht dieses Revisionsvorbingen --wie das FA zu Recht anmerkt-- nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag.

14

b) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin weiter Zeugenbeweis dafür angeboten, dass "die Fahrzeuge direkt nach der Übergabe der Klägerin an die im Folgenden benannten Transporteure ohne Einschaltung weiterer Zwischenhändler von diesen direkt zu den Endabnehmern in Italien verbracht worden" seien.

15

aa) Ein ordnungsgemäß angebotener Beweisantrag kann unberücksichtigt bleiben, wenn er für das unter Beweis gestellte Beweisthema untauglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2008 X B 66/08, juris, und vom 28. September 2011 X B 69/11, BFH/NV 2012, 32).

16

Im Streitfall war für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, der zu diesem Beweisthema angebotene Zeugenbeweis untauglich. Ohne nähere Angaben dazu, auf welcher Grundlage Fahrzeugtransporteure zu den für die Abnehmerbestimmung maßgeblichen Vertragsverhältnissen bei Liefervorgängen sachdienliche Angaben machen könnten, war das FG nicht verpflichtet, den angebotenen Beweis zu erheben.

17

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass die verkauften 42 Fahrzeuge im Auftrag der jeweiligen italienischen Endabnehmer nach Italien befördert worden seien, entspricht dieser Vortrag nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag. Dies gilt auch für das Revisionsvorbringen, die Beförderung sei durch die Firma D im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 erfolgt.

18

2. Das Urteil des FG ist auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, als das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht vorliegen.

19

a) Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

20

aa) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

21

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

22

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

23

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

24

bb) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

25

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

26

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

27

Unionsrechtlich handelt es sich dabei um Bedingungen, die die Mitgliedstaaten "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch" i.S. von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG festlegen können. Zudem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG befugt, die Pflichten vorzusehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

28

cc) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

dd) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtige Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des BFH Folgendes:

31

(1) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

32

(2) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

33

(3) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Maßgeblich ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

b) Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, kann die Klägerin für ihre Leistungen die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung nicht beanspruchen.

35

aa) Im Streitfall hat die Klägerin den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

36

Die Klägerin kann mit den Rechnungen an die Firmen X und X-3 keinen Belegnachweis führen, da sie diese Rechnungen storniert hat.

37

Zwar liegen nunmehr Rechnungen an die Endabnehmer vor. Ohne dass der Senat darüber zu entscheiden hat, ob und unter welchen Voraussetzungen der gewillkürte Wechsel des Rechnungsadressaten für Zwecke des Belegnachweises anzuerkennen ist, käme ein Belegnachweis im Hinblick auf diese Rechnungen jedoch nur in Betracht, wenn entsprechend § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV auch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten vorläge, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Hieran fehlt es, da nach den der Klägerin vorliegenden "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" der Abholer D für die Firmen X-1 und X-2, nicht aber für die Endabnehmer tätig war und die von den Endabnehmern angeblich erteilten Abholungsaufträge für die Firma X-2 von einem Mitarbeiter der Klägerin gefälscht worden waren. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 19. November 2009 V R 8/09 (BFH/NV 2010, 1141) zu Ausfuhrlieferungen entschieden hat, kann der Belegnachweis nicht mit gefälschten Belegen erbracht werden. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen hat, dass auch andere Verbringungsnachweise der Endabnehmer vorliegen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Hinblick auf die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht zu berücksichtigen war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474, unter II.3.).

38

Ebenso wie der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis nicht mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, geführt werden kann (Senatsurteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Leitsatz), kann --auch wenn Abholvollmachten nach der Rechtsprechung des Senats nicht belegmäßig nachzuweisen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 4)-- der Belegnachweis nicht mit einer Verbringensversicherung geführt werden, die, wie die für die Firma D erteilten "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen", keinerlei Bezug zum belegmäßig geführten Abnehmer aufweist.

39

bb) Es steht nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind.

40

(1) Im Hinblick auf grundsätzlich mögliche Lieferungen durch die Klägerin unmittelbar an die Endabnehmer hat die Klägerin die durch das FA dargelegten und auch begründeten Zweifel an derartigen Lieferungen weder entkräftet noch widerlegt.

41

Hierzu hätte die Klägerin, falls sie das objektive Vorliegen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen an die Endabnehmer nachweisen wollte, den stichprobenartigen Angaben des FA zum Vorliegen von Lieferketten, bei denen andere Personen als die Endabnehmer die Erwerbsbesteuerung in Italien vorgenommen haben, konkret und nicht lediglich mit untauglichen Beweisanträgen entgegentreten müssen. Bei dieser Sachlage bestand für das FG keine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Sachaufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO), zumal die Klägerin im Verfahren vor dem FG fachkundig vertreten war. Die Sachaufklärungsrüge ist insoweit nicht geeignet, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise in der mündlichen Verhandlung beim FG hätte stellen können (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2012 V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818).

42

Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt, dass die von ihr gelieferten Fahrzeuge in der überwiegenden Anzahl der Fälle in Italien auf den italienischen Enderwerber zugelassen worden seien, kommt es hieraus im Hinblick auf die nicht ausgeräumten Zweifel, wer unmittelbarer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war, nicht an.

43

(2) Nicht zu entscheiden war daher, ob sich der Senat der Auffassung des FG anschließen könnte, dass im Rahmen des Objektivnachweises (s. oben II.2.a dd (2)) überhaupt "keine Verpflichtung des Gerichts [besteht], den Sachverhalt im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 FGO und nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen von Amts wegen weiter aufzuklären".

44

Ebenso war nicht zu entscheiden, ob der Klägerin die Steuerfreiheit ihrer Lieferung entsprechend dem EuGH-Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 832 Rdnrn. 31 ff.) deswegen zu versagen ist, weil ihr bei der Annahme von Lieferungen an Zwischenhändler aufgrund deren Mitteilung bekannt war, dass diese Zwischenhändler die Fahrzeuge bereits vor der Abholung bei der Klägerin an italienische Endabnehmer weiterverkauft hatten.

45

(3) Keinen Erfolg hat die Berufung der Klägerin auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 1992 (BStBl I 1993, 46), aus dem die Klägerin ableitet, dass die Zulassung eines Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat als Nachweis für die Voraussetzungen des § 6a UStG ausreicht, da es sich hierbei nur um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt, die keine Rechtsnormqualität hat und die die Gerichte nicht bindet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.4.c). Darüber hinaus ergibt sich aus der Zulassung nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird.

46

cc) Schließlich kommt auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet unabhängig von der Frage, wer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war und ob unrichtige Angaben dieser Person vorliegen, aus. Denn die Klägerin hat nicht mit der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt. Sie hat den Belegnachweis bereits der Art nach nicht vollständig geführt, da ihr keine Verbringensversicherungen oder sonstige Versendungsbelege vorlagen, die den von ihr als Abnehmer belegmäßig geführten Endabnehmern zuzurechnen waren (s. oben II.2.b aa).

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. Es sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche Erwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den Erwerber handelnden Personen gefälschte Personalausweise vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der Personalausweise nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden Erkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als KP ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem Personalausweis ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der KP sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das FG zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem Lieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des Erwerbers auferlegt werden. Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den Erwerber ergeben hätten. Es stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. KP sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. Es sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen Existenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

11

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

12

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

13

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

14

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

16

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

17

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

18

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Folgendes:

19

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

20

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

21

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

22

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

23

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

24

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

25

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des FG auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

26

aa) Die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter II.3.b). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1966 II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, unter I., und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, unter II.1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als KP ausgab.

27

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als KP ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in Luxemburg erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

28

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

29

(1) Nach dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der BFH-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, Deutsches Steuerrecht 2013, 753, unter II.3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die EuGH-Rechtsprechung beachtend auszulegen ist.

30

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 69).

31

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der Kaufverträge, die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der Abnehmerseite ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, handelt mit PKW's und lieferte in den Streitjahren 2004 und 2005 u.a. 42 Neufahrzeuge; diese Umsätze beurteilte sie als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien.

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lagen den Fahrzeuglieferungen Bestellungen zugrunde, die über die Firma D erfolgten. Die Firma D teilte der Klägerin Personaldaten italienischer Enderwerber mit. Die Klägerin erstellte Unterlagen zum Kauf von Fahrzeugen und übergab diese der Firma D, die sie "mit käuferseitigen Unterschriften versehen" an die Klägerin zurückgab. Die von der Klägerin bei einem inländischen Hersteller bezogenen PKW's wurden von der Firma D bei der Klägerin abgeholt und entweder bar oder mit Scheck bezahlt. Dabei legte die Firma D der Klägerin "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" vor, nach denen die Firma D die PKW's im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 abhole und nach Italien verbringe. Für die Lieferung der 42 PKW's erstellte die Klägerin zunächst Rechnungen an die beiden in Italien ansässigen Firmen X und X-3 als Besteller der Fahrzeuge. Nach der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung der Fahrzeuge in Italien stornierte die Klägerin diese Rechnungen und stellte neue Rechnungen auf die Personen aus, die in den Fahrzeugbestellungen als Besteller angegeben waren. Es handelte sich dabei fast ausnahmslos um die späteren Halter der PKW's (Endabnehmer).

3

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die Klägerin habe die PKW's nicht direkt an die Endabnehmer geliefert. Stichproben hätten ergeben, dass zwei Fahrzeuge durch die Firma X-1 in Italien innergemeinschaftlich erworben und über zwei weitere italienische Firmen an einen Endabnehmer geliefert worden seien. Gleiches gelte für ein Fahrzeug, das von der Firma X-2 erworben worden sei. Die Klägerin habe Lieferungen an die italienischen Endabnehmer nur vorgetäuscht, da der inländische Hersteller der Fahrzeuge der Klägerin Verkäufe an ausländische Wiederverkäufer untersagt habe. Einspruch und Klage gegen die für die beiden Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens war der aus anderen Gründen geänderte Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009.

4

Das FG wies die Klage der Klägerin als unbegründet ab. Die Lieferungen seien steuerpflichtig, weil die Klägerin den Belegnachweis nicht ordnungsgemäß geführt habe. Die Abholung der PKW's sei nicht für die Endabnehmer, sondern die Firmen X-1 und X-2 erfolgt. Die Bestätigungen der italienischen Endabnehmer, diese Firmen mit der Abholung beauftragt zu haben, seien durch den Mitarbeiter A der Klägerin gefälscht worden. Nach der objektiven Beweislage stehe nicht sicher fest, dass die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vorlägen. Unklar sei bereits, wer Abnehmer der Lieferungen gewesen sei. Eine Verpflichtung, über die durchgeführte Beweisaufnahme hinaus auch B als Zeugen zu vernehmen, bestehe nicht.

5

Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung formellen und --wie sich aus ihrem Revisionsantrag ergibt-- materiellen Rechts rügt. Das FG hätte aufklären müssen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Neufahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe durch Einvernahme des Vermittlers B als Inhaber des Einzelunternehmens D und der in Italien ansässigen Endkunden als Zeugen. Ebenso hätte das FG aufklären müssen, dass die 42 Fahrzeuge im Auftrag des jeweiligen italienischen Endabnehmers oder im Auftrag anderer Personen nach Italien befördert worden seien. Dies hätten der Zeuge P sowie die mit den Transportaufträgen befassten Zeugen C, E, F, G, H und K bestätigt. Das FG sei auch nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen und unabhängig von Beweisanträgen verpflichtet gewesen. Sie habe die Identität der Abnehmer nicht verschleiert, sondern sämtliche Vertragsverhältnisse, Rechnungen, Stornorechnungen und Lieferwege offengelegt. Sie habe daher nicht beabsichtigt, die Identität der Erwerber der PKW's zu verschleiern, um diesen eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Es komme auf die Rechnungsstornierung nicht an. Die italienischen Zulassungsbelege seien nicht fehlerhaft. Zivilrechtlich sei kein Raum für einen Zwischenhändler gewesen. Für die Abgrenzung zwischen Vermittlung und Eigenhandeln sei das Zivilrecht maßgeblich. Der erforderliche Belegnachweis liege vor. Der Bestimmungsort stehe fest, es lägen auch Versicherungen zum Verbringen vor. Auf zusätzliche Belege komme es nicht an.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Klage der Klägerin betrifft, aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 8. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2006 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 55.656,84 € (2004) und um 140.662,07 € (2005) herabgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin habe das Unterbleiben der von ihr beantragten Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Der vor dem FG gestellte Beweisantrag habe sich darüber hinaus nur darauf bezogen, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen seien. Daher rüge die Klägerin das Übergehen eines Beweisantrags, der in der behaupteten Form niemals gestellt worden sei. Der feststellungsbelastete Steuerpflichtige könne die Herbeiführung einer objektiven Beweislage nicht dem FG überbürden.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Klägerin nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind.

10

1. Der mit der Revision geltend gemachte Verfahrensfehler, das FG habe die mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 angebotenen Beweise verfahrensfehlerhaft nicht erhoben, liegt nicht vor.

11

a) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin Zeugenbeweis dafür angeboten, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen sind.

12

aa) Dieses Beweisangebot war im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da das FG in seinem Urteil das Gelangen der Fahrzeuge nach Italien als wahr unterstellt hat. Für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG vielmehr entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, war dieses Beweisangebot unerheblich.

13

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Fahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe, entspricht dieses Revisionsvorbingen --wie das FA zu Recht anmerkt-- nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag.

14

b) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin weiter Zeugenbeweis dafür angeboten, dass "die Fahrzeuge direkt nach der Übergabe der Klägerin an die im Folgenden benannten Transporteure ohne Einschaltung weiterer Zwischenhändler von diesen direkt zu den Endabnehmern in Italien verbracht worden" seien.

15

aa) Ein ordnungsgemäß angebotener Beweisantrag kann unberücksichtigt bleiben, wenn er für das unter Beweis gestellte Beweisthema untauglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2008 X B 66/08, juris, und vom 28. September 2011 X B 69/11, BFH/NV 2012, 32).

16

Im Streitfall war für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, der zu diesem Beweisthema angebotene Zeugenbeweis untauglich. Ohne nähere Angaben dazu, auf welcher Grundlage Fahrzeugtransporteure zu den für die Abnehmerbestimmung maßgeblichen Vertragsverhältnissen bei Liefervorgängen sachdienliche Angaben machen könnten, war das FG nicht verpflichtet, den angebotenen Beweis zu erheben.

17

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass die verkauften 42 Fahrzeuge im Auftrag der jeweiligen italienischen Endabnehmer nach Italien befördert worden seien, entspricht dieser Vortrag nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag. Dies gilt auch für das Revisionsvorbringen, die Beförderung sei durch die Firma D im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 erfolgt.

18

2. Das Urteil des FG ist auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, als das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht vorliegen.

19

a) Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

20

aa) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

21

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

22

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

23

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

24

bb) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

25

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

26

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

27

Unionsrechtlich handelt es sich dabei um Bedingungen, die die Mitgliedstaaten "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch" i.S. von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG festlegen können. Zudem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG befugt, die Pflichten vorzusehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

28

cc) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

dd) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtige Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des BFH Folgendes:

31

(1) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

32

(2) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

33

(3) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Maßgeblich ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

b) Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, kann die Klägerin für ihre Leistungen die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung nicht beanspruchen.

35

aa) Im Streitfall hat die Klägerin den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

36

Die Klägerin kann mit den Rechnungen an die Firmen X und X-3 keinen Belegnachweis führen, da sie diese Rechnungen storniert hat.

37

Zwar liegen nunmehr Rechnungen an die Endabnehmer vor. Ohne dass der Senat darüber zu entscheiden hat, ob und unter welchen Voraussetzungen der gewillkürte Wechsel des Rechnungsadressaten für Zwecke des Belegnachweises anzuerkennen ist, käme ein Belegnachweis im Hinblick auf diese Rechnungen jedoch nur in Betracht, wenn entsprechend § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV auch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten vorläge, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Hieran fehlt es, da nach den der Klägerin vorliegenden "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" der Abholer D für die Firmen X-1 und X-2, nicht aber für die Endabnehmer tätig war und die von den Endabnehmern angeblich erteilten Abholungsaufträge für die Firma X-2 von einem Mitarbeiter der Klägerin gefälscht worden waren. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 19. November 2009 V R 8/09 (BFH/NV 2010, 1141) zu Ausfuhrlieferungen entschieden hat, kann der Belegnachweis nicht mit gefälschten Belegen erbracht werden. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen hat, dass auch andere Verbringungsnachweise der Endabnehmer vorliegen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Hinblick auf die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht zu berücksichtigen war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474, unter II.3.).

38

Ebenso wie der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis nicht mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, geführt werden kann (Senatsurteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Leitsatz), kann --auch wenn Abholvollmachten nach der Rechtsprechung des Senats nicht belegmäßig nachzuweisen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 4)-- der Belegnachweis nicht mit einer Verbringensversicherung geführt werden, die, wie die für die Firma D erteilten "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen", keinerlei Bezug zum belegmäßig geführten Abnehmer aufweist.

39

bb) Es steht nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind.

40

(1) Im Hinblick auf grundsätzlich mögliche Lieferungen durch die Klägerin unmittelbar an die Endabnehmer hat die Klägerin die durch das FA dargelegten und auch begründeten Zweifel an derartigen Lieferungen weder entkräftet noch widerlegt.

41

Hierzu hätte die Klägerin, falls sie das objektive Vorliegen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen an die Endabnehmer nachweisen wollte, den stichprobenartigen Angaben des FA zum Vorliegen von Lieferketten, bei denen andere Personen als die Endabnehmer die Erwerbsbesteuerung in Italien vorgenommen haben, konkret und nicht lediglich mit untauglichen Beweisanträgen entgegentreten müssen. Bei dieser Sachlage bestand für das FG keine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Sachaufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO), zumal die Klägerin im Verfahren vor dem FG fachkundig vertreten war. Die Sachaufklärungsrüge ist insoweit nicht geeignet, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise in der mündlichen Verhandlung beim FG hätte stellen können (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2012 V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818).

42

Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt, dass die von ihr gelieferten Fahrzeuge in der überwiegenden Anzahl der Fälle in Italien auf den italienischen Enderwerber zugelassen worden seien, kommt es hieraus im Hinblick auf die nicht ausgeräumten Zweifel, wer unmittelbarer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war, nicht an.

43

(2) Nicht zu entscheiden war daher, ob sich der Senat der Auffassung des FG anschließen könnte, dass im Rahmen des Objektivnachweises (s. oben II.2.a dd (2)) überhaupt "keine Verpflichtung des Gerichts [besteht], den Sachverhalt im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 FGO und nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen von Amts wegen weiter aufzuklären".

44

Ebenso war nicht zu entscheiden, ob der Klägerin die Steuerfreiheit ihrer Lieferung entsprechend dem EuGH-Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 832 Rdnrn. 31 ff.) deswegen zu versagen ist, weil ihr bei der Annahme von Lieferungen an Zwischenhändler aufgrund deren Mitteilung bekannt war, dass diese Zwischenhändler die Fahrzeuge bereits vor der Abholung bei der Klägerin an italienische Endabnehmer weiterverkauft hatten.

45

(3) Keinen Erfolg hat die Berufung der Klägerin auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 1992 (BStBl I 1993, 46), aus dem die Klägerin ableitet, dass die Zulassung eines Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat als Nachweis für die Voraussetzungen des § 6a UStG ausreicht, da es sich hierbei nur um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt, die keine Rechtsnormqualität hat und die die Gerichte nicht bindet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.4.c). Darüber hinaus ergibt sich aus der Zulassung nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird.

46

cc) Schließlich kommt auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet unabhängig von der Frage, wer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war und ob unrichtige Angaben dieser Person vorliegen, aus. Denn die Klägerin hat nicht mit der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt. Sie hat den Belegnachweis bereits der Art nach nicht vollständig geführt, da ihr keine Verbringensversicherungen oder sonstige Versendungsbelege vorlagen, die den von ihr als Abnehmer belegmäßig geführten Endabnehmern zuzurechnen waren (s. oben II.2.b aa).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. Es sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche Erwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den Erwerber handelnden Personen gefälschte Personalausweise vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der Personalausweise nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden Erkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als KP ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem Personalausweis ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der KP sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das FG zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem Lieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des Erwerbers auferlegt werden. Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den Erwerber ergeben hätten. Es stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. KP sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. Es sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen Existenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

11

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

12

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

13

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

14

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

16

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

17

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

18

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Folgendes:

19

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

20

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

21

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

22

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

23

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

24

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

25

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des FG auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

26

aa) Die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter II.3.b). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1966 II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, unter I., und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, unter II.1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als KP ausgab.

27

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als KP ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in Luxemburg erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

28

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

29

(1) Nach dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der BFH-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, Deutsches Steuerrecht 2013, 753, unter II.3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die EuGH-Rechtsprechung beachtend auszulegen ist.

30

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 69).

31

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der Kaufverträge, die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der Abnehmerseite ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. Sie lieferte am 22. Januar 2003 einen Porsche 911 Carrera 4S Coupe umsatzsteuerfrei zum Preis von ... € an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T mit Sitz in V. Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma S durch einen Bevollmächtigten bei der Klägerin abgeholt, der den Kaufpreis bar bezahlte. Als Abholer trat ein Herr mit dem Namen B auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung beinhaltet den handschriftlichen Vermerk "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" und ist mit dem Namen "B" unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ am 12. Juli 2004 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003, in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt ... € erhöhte. Das FA hat für den Umsatz mit T einen Umsatzsteuerbetrag von ... € und für einen weiteren, revisionsrechtlich nicht angegriffenen Geschäftsvorfall einen Betrag von ... € angesetzt. Die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an T beruht auf einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, nach der T ein Scheinunternehmen war, was nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

3

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage hinsichtlich der Lieferung des Porsche 911 Carrera an T unter Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... € statt und wies die Klage im Übrigen in dem revisionsrechtlich nicht angegriffenen Teil ab. Für die Lieferung des Porsche 911 Carrera an T seien zwar die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt, denn der Abnehmer --die T-- sei ein Nichtunternehmer ("Scheinunternehmer") gewesen. Gleichwohl sei die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG vorlägen.

5

Die Klägerin habe keine Zweifel am tatsächlichen Abholer haben müssen. Sie habe sich sämtliche Belege, die nach § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderlich seien, vorlegen lassen. Insbesondere habe sie den Belegnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV erfüllt. Danach sei der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu führen. Dies sei erfüllt, denn die Klägerin habe durch den Vermittler S einen Handelsregisterauszug betreffend der T vorgelegt. Damit verbunden sei eine Versicherung gewesen, dass das Fahrzeug nach Italien befördert werden solle. Diese Versicherung sei auch schriftlich und in deutscher Sprache erfolgt. Sie enthalte unter Bezugnahme auf den Handelsregisterauszug Name und Anschrift der T (Abnehmer) sowie eine mit Datum versehene Unterschrift des Abnehmers bzw. in diesem Fall des Bevollmächtigten B. Damit habe die Klägerin ihre Sorgfaltspflichten aus § 6a Abs. 4 UStG erfüllt. Soweit die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 2010 IV D 3-S 7141/08/10001, 2010/ 0334195 (BStBl I 2010, 508) in Tz. 32 die Auffassung vertrete, "die Unterschrift (müsse) ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen", sei dies unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im Streitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimme, könne deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Weitere Umstände, die einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG rechtfertigen könnten, seien im Streitfall nicht ersichtlich.

6

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des FG verstoße gegen § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Bei Barverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die Sorgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Umstände, dass ein hochwertiges Fahrzeug in bar veräußert werde und auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung bestehen, müssten den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen. In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt habe, seien alle Umstände einzubeziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511). Von diesen Rechtssätzen weiche das FG ab. Zum einen halte es den Umstand, dass die Unterschriften auf dem vom Abholer vorgelegten Personalausweis und der Verbringenserklärung auffällige Unterschiede aufwiesen, für unbeachtlich. Denn es habe den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vergleich der Unterschriften unverhältnismäßig sei. Zum anderen würdige das FG nicht alle Umstände. Es würdige insbesondere nicht, dass die Klägerin ein hochwertiges Fahrzeug veräußert habe, der Kaufpreis von ... € in bar entrichtet worden sei, die Vermittlung des Verkaufs des gebrauchten Fahrzeugs über die S erfolgt sei und S den Handelsregisterauszug des Abnehmers vorgelegt habe. Gerade diese Umstände hätten die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen müssen.

7

Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich daher nicht, weil die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle an Belegen, aus denen sich insbesondere der tatsächliche Abholer der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung und dessen Berechtigung leicht und einfach nachprüfbar habe entnehmen lassen.

8

Das FA beantragt,
das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S. von § 6a Abs. 1 UStG seien unstreitig nicht erfüllt, weil --wie sich später herausstellte-- es sich bei dem Kunden um einen Nichtunternehmer gehandelt habe. Die Klägerin habe die Unrichtigkeit der Angaben der Abnehmer auch bei Beachtung der größten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Der von dem FA zitierte Beschluss vom 6. November 2008 V B 126/07 (BFH/NV 2009, 234) behandle einen abweichenden Fall, in dem das betreffende Fahrzeug sofort zum selben Preis weiterverkauft worden und dies dem liefernden Unternehmer bekannt gewesen sei, so dass tatsächlich bei dem Lieferer der Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung aufkommen könne. Im Streitfall habe es jedoch keinen ähnlichen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.

11

Auch die Barzahlung des Kaufpreises sei nach der Erfahrung bei Exportgeschäften von Luxussportwagen nicht ungewöhnlich, sondern die Regel und die einzig praktikable Lösung bei Fahrzeugverkäufen ins Ausland. Gerade bei so mobilen Gegenständen wie Autos wolle der Verkäufer nicht das Risiko eines Forderungsausfalls tragen, sondern bestehe auf Barzahlung oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung; dies gelte gerade für Exportgeschäfte. Wenn das FA behaupte, dass eine "Barzahlung ungewöhnlich" sei und das Misstrauen der Klägerin habe wecken müssen, so sei diese Auffassung wirklichkeitsfremd.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich der zu beurteilenden Lieferung des Porsche 911 Carrera an T zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob für das Fahrzeug Porsche 911 Carrera die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.

13

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen sind.

14

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

15

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

16

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen
"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
"... 9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; vgl. nunmehr Art. 131, 138 f. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

21

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

22

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 14). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 14).

23

d) Im Streitfall fehlt es bereits am Nachweis, wer der wirkliche Abnehmer des PKW war. Nach den Feststellungen des FG war --was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- T lediglich ein Scheinunternehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG liegen daher nicht vor.

24

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anwendbar.

25

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28).

26

b) Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 234, unter 3.). Solche auffälligen Unterschiede liegen im Streitfall vor. Die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie --auf den ersten Blick erkennbar-- ganz erheblich ab.

27

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hält die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 508, Tz. 32; Abschn. 6a.3. Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und lässt den Umstand, dass die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht übereinstimmt, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, unzutreffend von vornherein außer Acht. Der Senat verkennt nicht, dass sich eine Unterschrift im Einzelfall im Laufe mehrerer Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes Bild als auf sonstigen Unterlagen haben kann. Diese Umstände rechtfertigen es entgegen der Ansicht des FG aber nicht, die auffälligen Unterschiede in den Unterschriften in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst miteinzubeziehen.

28

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben:

29

a) Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) ist gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen; diese sind steuerpflichtig. Die Ausnahme entspricht Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. c i.V.m. Art. 28c Teil A Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.1.). Anhaltspunkt für eine ggf. durchzuführende Differenzbesteuerung könnte insoweit der Eintrag eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von ... € in der Zeile "nicht auszuweisen im Rahmen der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG" im Kaufvertrag sein.

30

Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die Klägerin die streitbefangene Kfz-Lieferung im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hat. Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen eine Differenzbesteuerung, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
..."

31

Eine Differenzbesteuerung käme allerdings gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht zur Anwendung, wenn es sich um die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs i.S. des § 1b Abs. 2 und 3 UStG handelt. Dafür könnte --sofern der Kilometerstand in der "Verbindlichen Bestellung" des Fahrzeugs vom 20. Januar 2003 korrekt ausgewiesen ist-- der niedrige Kilometerstand sprechen. Widersprüchlich ist jedoch, dass nach den dortigen Angaben die gesamte km-Leistung laut Vorbesitzer 0 km und der km-Stand laut Zähler indes 4 500 km beträgt.

32

Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

33

b) Sofern die Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, stellt sich im Rahmen der nachfolgend zu prüfenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32).

34

Die Ausführungen des FG sind insoweit unzureichend, da es keine Feststellungen zu dem Bestimmungsort des Liefergegenstands Porsche 911 Carrera (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV) getroffen hat. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als Bestimmungsland den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73). Die Angaben in der Verbringenserklärung "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" sind insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt ist (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73) und auch nicht mit der im Bezug genommenen Kaufvertrag vom 21. Januar 2003 enthaltenen Unternehmensanschrift ohne Weiteres gleichzusetzen ist. Nach dem Urteil des BFH in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts zwar unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, Rz 29). Hierzu fehlen hinreichende Feststellungen. Die Frage des der Klägerin obliegenden Nachweises des Bestimmungsorts ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG (BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2).

35

c) An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf (hier ... €) mit "Beauftragten" zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b). In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, sind diese Umstände einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.4.b bb). Im Streitfall kommt hinzu, dass ein Vermittler zwischengeschaltet worden ist und die vermeintliche "Abnehmerin" T faktisch --außer auf dem Papier-- gar nicht in Erscheinung trat.

36

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Barzahlung des Kaufpreises sei bei Exportgeschäften von Luxussportwagen die Regel.

37

Der Senat verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Barzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012  3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne Barzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt. Die Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 29. April 2004 C-487/01 und C-7/02 --Gemeente Leusden und Holin Groep--, Slg. 2004, I-5337, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 --Mahagében und Dávid--, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 41; vom 6. September 2012 C-273/11 --Mecsek-Gabona--, UR 2012, 796, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 47; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103). Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 65; in BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 54; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 48 und 53 f.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 103).

38

bb) Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, DStR 2008, 1213, 1217; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Barverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.

39

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers können in diesen Fällen beispielsweise folgende Umstände begründen:

-       

Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteil des FG Köln vom 27. Januar 2005  10 K 1367/04, EFG 2005, 822);

-       

die Geschäftsanbahnung mit dem Unternehmer erfolgt durch einen von dem Abnehmer zwischengeschalteten Dritten und der Abnehmer tritt --außer auf dem Papier-- nicht in Erscheinung;

-       

die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.B. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z.B. der im Ausland ansässige Abnehmer hat eine Faxadresse im Inland.

40

Dagegen stellen im Regelfall keine Gründe für Zweifel an der Richtigkeit geringfügige, rein formale Versehen dar, wie z.B. ein bloßes Verschreiben auf der Verbringenserklärung.

41

4. Soweit das FA dem Revisionsantrag das Begehren hinzugefügt hat, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 12. Juli 2004 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Steuer ... € beträgt, versteht der Senat dies lediglich als ziffernmäßig bestimmte, klarstellende Wiederholung des Revisionsantrags der Klägerin. Denn von dem gestellten Revisionsantrag, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen, wird inhaltlich auch das mit der Revision verfolgte Ziel der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 12. Juli 2004 mitumfasst.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als steuerfrei behandeln darf.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Beschaffung und Verwaltung von Fahrzeugen und die damit verbundenen oder sich ergebenden Dienstleistungen sowie Leasing und Finanzierung.

3

Die Klägerin erteilte im Streitjahr u.a. an die Fa. C. ... (Österreich), Inh. S. D., über die Lieferung von Fahrzeugen der Marke ... 4 Rechnungen. S. D. ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in ... (Deutschland). Er war im Streitjahr in seinem Beruf als ... tätig. Er hatte im Juni 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft ... ein Handelsgewerbe mit Sitz in ... (Österreich) angemeldet und war damit seit 2008 steuerlich beim Finanzamt .../Österreich gemeldet. Ihm war eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt und im Herbst 2009 entzogen worden.

4

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

5
        

Datum 

Fahrzeug

Betrag

Bp-Akte

a)    

20.02.2009

1       

... €

Bl.     

b)    

02.04.2009

2       

... €

Bl.     

c)    

09.06.2009

3       

... €

Bl.     

d)    

09.06.2009

4       

... €

Bl.     

6

Die vorgenannten Rechnungen enthalten jeweils den folgenden Vermerk: „Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6 a UstG in Verbindung mit $ 4 Nr. 1 b UstG“. Umsatzsteuer wurde nicht ausgewiesen.

7

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April und Juni 2009 behandelte die Klägerin die 4 Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG.

8

Im Sommer 2009 führte der Beklagte (das Finanzamt –FA-) bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bekannt, dass die Fahrzeuge nicht von S. D., sondern von einem M. L. bestellt wurden. Gegenüber der Prüferin hatte der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass er zu S. D. keinen Kontakt gehabt habe. M. L., der in R. als Geschäftsführer der M-GmbH im Fahrzeughandel tätig war, war dem Geschäftsführer der Klägerin, der zuvor im Raum R. beruflich tätig war, persönlich bekannt. M. L. hatte die Klägerin wegen der hier in Streit stehenden Fahrzeuglieferungen jeweils gebeten, die Rechnungen per Fax zu ihm nach R. und per Post an die Fa. C. nach Österreich zu übersenden. Zugleich hatte er zugesichert, sich selbst um die umgehende Bezahlung der Rechnungen zu kümmern. Der Kaufpreis für das erste Fahrzeug wurde am 27. Februar 2009 per Überweisung von einer österreichischen Bank als EU-Standardüberweisung überwiesen. Am 5. Mai 2009 folgte die Bezahlung für das zweite Fahrzeug in gleicher Weise. Als Auftraggeber ist in den Kontoauszügen der Klägerin „D. S. C.“ angegeben. Die weiteren Fahrzeuge wurden bei der Übernahme bar bezahlt. Abgeholt wurden die Fahrzeuge jeweils von M. L. Dieser erklärte bei der Übernahme schriftlich, das jeweilige Fahrzeug im Auftrage des in der Rechnungsstellung angeführten Erwerbers S. D. zu übernehmen und es an die in der Rechnungsstellung genannte Anschrift in Österreich auszuführen sowie eine entsprechende amtliche Bescheinigung über die Ausfuhr nachzureichen.

9

Ebenfalls im Jahre 2009 ermittelte die Steuerfahndung R. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen verschiedene Unternehmen im Bereich R., die im Fahrzeughandel tätig waren. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde S. D. als Beschuldigter vernommen. Er gab gegenüber der Steuerfahndung R., dass er M. D. keine Vollmacht erteilt habe. Er sei nur für einen Herrn E. tätig gewesen. Für diesen habe er das Unternehmen in Österreich gegründet. Herr E. habe alleinige Kontovollmacht gehabt. Rechnungsvordrucke der Fa. C. habe nur Herr E. besessen. Fahrzeuge seien nie an den Firmensitz der Fa. C. in Österreich überführt worden. Die Fahrzeuge seien vielmehr immer direkt nach R. gegangen. Daraufhin forderte die Prüferin die Klägerin ohne Erfolg auf, einen Nachweis über die Bevollmächtigung des M. L. durch S. D. vorzulegen.

10

Die Ermittlungen der Steuerfahndung R. hatten des Weiteren ergeben, dass nach dem Verkauf der hier in Rede stehenden Fahrzeuge mindestens 2 Fahrzeuge in Deutschland und ein weiteres in Ungarn zugelassen wurden.

11

Die Prüferin sah die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne des § 6a UStG in keinem Fall als erfüllt an. Sie ging ferner davon aus, dass § 6a Abs. 4 UStG nicht zur Anwendung kommen könne, da die Klägerin nicht mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt habe. Das FA schloss sich den Feststellungen an und behandelte die Lieferungen als umsatzsteuerpflichtig.

12

Zur Begründung der gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 -jeweils vom 12. Oktober 2009- eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, mit der Beförderung der Fahrzeuge nach Österreich sei die Firma X. GmbH beauftragt worden. Dies habe die Fa. X. GmbH „mit ihrer Unterschrift“ bestätigt. Damit habe der Klägerin eine vom Beauftragten des ausführenden Unternehmers erteilte Übernahmebestätigung vorgelegen, aus der hervorgehe, dass der Beauftragte den PKW erhalten habe und die Ausfuhr nach Österreich übernehme. Damit seien die Nachweise gem. § 17 a Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungs-verordnung (UStDV) erbracht.

13

Bei der Erstellung der Rechnungen habe sie, die Klägerin, eine qualifizierte Abfrage der USt-Identifikationsnummer vorgenommen. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass diese in Ordnung sei. Des Weiteren haben ihr ein Gewerberegisterauszug der Stadt B. und ein Schreiben des Finanzamts B. über die Erteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer vorgelegen.

14

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin habe sich nicht durch einen Anruf bei S. D. rückversichert, dass dieser die Fahrzeuge habe erwerben wollen. Dies sei aber geboten gewesen, nachdem M. D. die Fahrzeuge bei der Klägerin bestellt hatte. Es habe auch keinen Email-Verkehr zwischen der Klägerin und S. D. gegeben. Die Klägerin habe sich auf die Aussagen des M. D. verlassen.

15

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die umsatzsteuerfreie Behandlung der 4 Fahrzeuglieferungen. Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie habe den Belegnachweis gem. § 17a UStDV geführt. Eine Vollmacht für den Beauftragten werde in § 17a UStDV nicht explizit gefordert. Nachdem die beiden ersten Fahrzeuge per Überweisung reibungslos bezahlt worden seien und eine Empfangsvollmacht des Beauftragten vorlag, habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen können, dass die Fahrzeuge in das EU-Ausland gelangen. Das Landgericht M. habe den Autohändler M. L. zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Damit sei jetzt erkennbar, dass M. L. falsche Angaben gemacht habe. Dies sei im Zeitpunkt der Verkäufe der Fahrzeuge für sie, die Klägerin, nicht erkennbar gewesen.

16

Während des Klageverfahrens hat das FA am 5. Oktober 2011 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009 erlassen.

17

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 vom 12. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2011 –geändert durch den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 5. Oktober 2011 – die Umsatzsteuer 2009 um 51.153,37 € herabzusetzen.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung. Die Klägerin habe ausschließlich mit M. L. verhandelt und gewusst, das dieser selbst mit Fahrzeugen handelt. Ein ordentlicher Kaufmann hätte bei dieser Sachlage mit dem angeblichen Abnehmer unmittelbar Kontakt aufgenommen und sich über die Wirksamkeit der Vertretungsmacht und das Verbringen der Fahrzeuge nach Österreich Gewissheit verschafft. Die Klägerin habe dies unterlassen und könne sich deshalb nicht auf die Billigkeitsregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist unbegründet.

21

Die im Streit stehenden Fahrzeuglieferungen sind nicht steuerfrei, da die Klägerin die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen hat. Die Steuerfreiheit setzt nämlich u.a. voraus, dass die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen. Diesen Nachweis konnte die Klägerin nicht führen. Vielmehr hat S. D. in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass sämtliche Fahrzeuge nach R. verbracht wurden. Einen Nachweis über die Beförderung oder Versendung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet fehlt hingegen.

22

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Sie setzt mithin voraus, dass der Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Bestehende Zweifel hat der Unternehmer auszuräumen. Einzelne Anhaltspunkte für Zweifel hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407, aufgeführt. So bestehen zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bereits dann, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer keine längeren Geschäftsbeziehungen bestehen und der Unternehmer keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person hat. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hatte bis zur ersten Fahrzeuglieferung zum vermeintlichen Abnehmer keine Geschäftsbeziehungen unterhalten. Die Klägerin hat es unterlassen, zum vermeintlichen Abnehmer Kontakt aufzunehmen und sich stattdessen auf die Angaben des dem Geschäftsführer der Klägerin persönlich bekannten angeblichen Bevollmächtigten des Abnehmers verlassen. Dessen Bevollmächtigung hat sie sich nicht nachweisen lassen.

23

Zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bestehen nach dem vorgenannten Urteil des BFH aber auch dann, wenn die Geschäftsanbahnung - wie im vorliegenden Fall - mit dem Unternehmer durch einen zwischengeschalteten Dritten erfolgt und der Abnehmer -  außer auf dem Papier - nicht in Erscheinung tritt.

24

Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es nach Auffassung des Senats noch nicht aus, dass der (vermeintliche) Abnehmer über eine gültige USt-ID-Nr. verfügt und sie sich diese und die Gewerbeanmeldung hat bestätigen lassen. Ebenso wenig reicht es schon, dass den beiden ersten Lieferungen kein Bargeschäft über hochwertige Fahrzeuge zu Grunde lag. Gerade hier hätte der Klägerin auffallen müssen, dass M. L. ihr die umgehende Zahlung der Rechnung nach einer Übersendung an ihn in R. zugesagt hatte.

25

Zudem liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG in formeller Hinsicht nicht vor. Danach muss die Inanspruchnahme auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruhen. Der Abnehmer (S. D.) ist gegenüber der Klägerin nicht in Erscheinung getreten. Die Erklärung über die Verbringung der Fahrzeuge nach Österreich stammt von M. L. Dessen Erklärung kann dem S.D. nur zugerechnet werden, wenn dieser M. D. bevollmächtigt hat. Hieran fehlt es.

26

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zugelassen wegen der Frage, ob die Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG auch dann angewendet werden kann, wenn die unrichtigen Angaben von einer Person stammen, deren Bevollmächtigung durch den Abnehmer nicht nachgewiesen wurde.


Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Voranmeldungszeiträume (VAZ) Juni 2009 bis Januar 2010, März 2010 und April 2010, November 2010 sowie März 2011 nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 480.568,22 € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

2

1. Der Antragsteller war ab dem 18.12.2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung von C in den X- Weg in Hamburg beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. 4).

3

2. Die GmbH reichte beim FA ab Mai 2009 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen ein und machte darin z. T. erhebliche Vorsteuerbeträge geltend, die teilweise zu Vorsteuerüberschüssen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) führten, teilweise die abzuführende Umsatzsteuersteuer entsprechend verringerten. Das FA erteilte in den Vergütungsfällen jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 5).

4

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom 05.11.2009 bis zum 18.01.2011 bei der GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Prüfungen holte der Prüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten D, E sowie die F GmbH & Co KG (F) ein.

5

a) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen G (Steufa G; RbA Bd. I Bl. 92 f.) teilte mit, Herr D sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Herr D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der GmbH in Hamburg, der H GbR in J und bei der K GmbH & Co KG in L. Der von Herrn D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

6

Herr D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in ... M über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

7

Der Umstand, dass Herr D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden.

8

b) Das FA N teilte mit, Herr E habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in N angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr E unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr E dem FA N mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn E ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr E nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).

9

c) Bezüglich der F erhielt der Prüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die F habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum 03.05.2007 der Geschäftsführer der F gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).

10

d) Dementsprechend erkannte der Prüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von Herrn D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt 143.246,49 €), Herrn E (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt 88.758,73 €) sowie F (VAZ Februar 2010, 5.438,69 €) ausgewiesene Vorsteuer nicht an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 04.03.2011 BpA Bl. 7 ff.).

11

4. a) Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der F in Höhe von 44.214,49 € für März 2010 und in Höhe von 36.392,33 € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).

12

b) Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über 5.933,51 € fällig gestellt. Die GmbH zahlte nicht.

13

c) Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16-23).

14

d) aa) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen Q (Steufa Q) die schriftliche Einlassung vom 18.05.2011 eines weiteren Lieferanten der GmbH, Herrn R, zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich Herr R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa Q dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in Q gekommen, eine Adresse, mit der er, Herr R ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal 500,00 €.

15

Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.

16

bb) Daraufhin erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Herrn R in Höhe von insgesamt 67.387,56 € mit dem Hinweis, Herr R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt. (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).

17

e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18).

18

f) Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2011 über 0,01 € fällig gestellt, die von der GmbH nicht bezahlt wurde.

19

5. Die GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:

20

"Hiernach steht der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.

21

Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, E und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen G in Sachen D, des Finanzamtes N in Sachen E und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Q in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Antragstellerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.

22

Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Antragstellerin aus den Rechnungen der F nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Antragstellerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der F mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Antragstellerin von der F (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Antragstellerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können...Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff. Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der F und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die F unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."

23

6. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Antragsteller mit, dass dessen Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum der Geschäftsführung durch den Kläger fällig geworden. Das FA bat den Antragsteller, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

24

7. Am 30.03.2012 wurde aufgrund des von der GmbH am 21.02.2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. S aus Hamburg zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).

25

8. Am 08.05.2012 erließ das FA gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Antragsteller für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt 480.568,22 € gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, weil er als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen sei.

26

Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.

27

In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Antragsteller hätte als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den vom Antragsteller verwalteten Mitteln der GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das Finanzamt seien von dem Antragsteller nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).

28

Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der Mitgeschäftsführer Herr B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22 R).

29

9. Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ein und beantragte AdV. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 - April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.

30

Nachdem das Finanzgericht Hamburg die Aussetzungsanträge abgelehnt habe, hätten er, der Antragsteller, und Herr B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten er und Herr B unverzüglich Insolvenz angemeldet.

31

Unabhängig hiervon habe die GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.

32

Vorsorglich beantrage er die AdV und die Aussetzung der Vollstreckung auch aus Gründen der Billigkeit, da Vollstreckungsmaßnahmen zu unbilliger Härte führen würden. Seine Einkommensverhältnisse - monatliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. H. v. 5.000,00 € brutto - seien dem FA bekannt.

33

10. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. S sämtliche der durch die GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).

34

11. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).

35

12. Der Antragsteller hat am 31.10.2013 bei Gericht AdV beantragt.

36

Er trägt zur Begründung seines Antrags vor:

37

Der Haftungsbescheid vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der GmbH, nicht aber um die Pflichtwidrigkeit und Haftung des Antragstellers. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb eine Pflichtverletzung des Antragstellers vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.

38

Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil bereits der GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zustehe. Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. Umsatzsteuergesetz (UStG) formal ordnungsgemäß. Darüber hinaus habe die GmbH dem FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mitgeteilt und belegt, dass sie von den besagten Lieferanten Kopien der Gewerbeanmeldung, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Ausweiskopien sowie Vollmachten u. Ä. erhalten habe. Der Lieferant E sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich zugegen gewesen und habe Herrn T, der sich durch eine notarielle Vollmacht legitimiert habe, als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt. Die Gelder seien auf das Konto des Lieferanten E überwiesen worden. Darüber hinaus seien die Lieferanten D und R bei der Geschäftsanbahnung und bei den Lieferungen selber persönlich zugegen gewesen und hätten Gelder persönlich entgegengenommen.

39

Der Antragsteller ist unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11) der Ansicht, der Vorsteuerabzug sei der GmbH zwingend zu gewähren gewesen. Das FA habe im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets argumentiert, die GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht. Nach der neueren höchstrichterlichen EuGH-Rechtsprechung sei es aber nicht Aufgabe und Pflicht des Steuerpflichtigen, Nachforschungen in diese Richtung anzustellen.

40

Das FA habe weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung eine konkrete Pflichtverletzung dargestellt, noch ausgeführt, weshalb es von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Begehungsweise ausgehe.

41

Weiter werde bestritten, dass es sich bei den Rechnungsausstellern der streitgegenständlichen Rechnungen um "Strohmänner" o. ä. gehandelt habe. Das FA habe den Sachverhalt insoweit nie vollständig aufgeklärt oder eigene Ermittlungen angestellt; vielmehr habe sich die Sachverhaltsaufklärung in Anfragen bei möglichen Wohnsitz- und Betriebsstättenfinanzämtern und Anfragen bei Ermittlungsbehörden beschränkt.

42

Auch wenn die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter formal bestandskräftig seien, so blieben sie dennoch materiell rechtswidrig.

43

Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0 % betrage. Der Antragsteller habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Finanzgerichts vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von 196.686,90 € (2009) und 70.414,28 € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.

44

Die GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die - bestrittenen - Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.

45

Schließlich hätte die Vollziehung des Haftungsbescheides für ihn, den Antragsteller, eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Er sei Arbeitnehmer. Sein monatliches Netto-Einkommen betrage 3.797,47 €. Er verfüge darüber hinaus über kein Vermögen. Unter Hinweis auf das Schreiben seines Arbeitgebers - der Fa. U GmbH mit Sitz im X-Weg in Hamburg - vom 02.12.2013 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 02.12.2013, FGA-Anlagenband), wonach ihm im Falle einer Lohnpfändung gekündigt werde, trägt der Antragsteller vor, Vollstreckungsmaßnahmen würden seine berufliche Existenz gefährden, ohne dass Aussicht auf Tilgung des festgesetzten Haftungsbetrages bestehe.

46

Der Antragsteller beantragt,

47

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bis zu einer Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache auszusetzen.

48

Das FA beantragt,

49

den Antrag abzulehnen.

50

Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff.):

51

Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller genannte Entscheidung des FG Düsseldorf stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.

52

Der Antragsteller habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Dadurch habe der Antragsteller seine Pflichten zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.

53

Der Hinweis des Antragstellers auf seine finanzielle Situation lasse keine unbillige Härte i. S. d. § 361 Abs. 2 AO erkennen.

54

Dem Gericht haben ein Band Haftungsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen sowie folgende Steuerakten der GmbH (St.-Nr. .../.../...): ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Betriebsprüfungsakten, Band I und II der Rechtsbehelfsakten und Band I und II der Klageakten.

II.

55

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

56

1. Der Antrag ist zulässig. Das FA hat über den vom Antragsteller mit Schreiben vom 14.05.2012 gestellten AdV-Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden, so dass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.

57

2. Er hat aber in der Sache aber keinen Erfolg.

58

Nach Maßgabe der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf Grundlage präsenter Beweismittel sind die Voraussetzungen für eine AdV nicht erfüllt. An der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 08.05.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bestehen im Hinblick auf die Umsatzsteuerschulden sowie steuerlichen Nebenleistungen keine ernstlichen Zweifel.

59

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

60

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind nach der Rechtsprechung des BFH zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschlüsse vom 21.11.2013 II B 46/13, BFH/NV 2014, 269; vom 11.07.2013 XI B 41/13 BFH/NV 2013, 1647; vom 12.12.2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272).

61

a) Das FA hat den Antragsteller zu Recht als Geschäftsführer nach § 69 i. V. m. § 34 AO für von der GmbH zu Unrecht nach § 15 UStG gezogene Vorsteuern sowie nicht gezahlte Umsatzsteuer in Haftung genommen.

62

aa) Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (BFH-Urteil vom 28.06.2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

63

Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

64

bb) Der Antragsteller war als eingetragener Geschäftsführer der GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.

65

cc) Der Antragsteller hat als Geschäftsführer der GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften der Herren D, E und R sowie der F die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aaa) und bbb)) sowie die sich für die Monate November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (ccc)).

66

Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Antragstellers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.

67

Die durch den Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs (oben I. 12.) greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen. Den Antragsteller trifft aber auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG.

68

An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11, BFH/NV 2012, 1404). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung der Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Vorliegend hätte der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH nämlich zumindest wissen müssen, dass die genannten Eingangsrechnungen zur Verschleierung des tatsächlich Leistenden und somit zur Begehung einer Steuerhinterziehung benutzt wurden und daher der GmbH der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen nicht zustand.

69

aaa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.

70

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).

71

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).

72

Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).

73

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

74

a) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass die Herren D, E und R sowie die F lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.

75

Im Einzelnen:

76

Bezüglich Herrn D beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa G (oben I. 3. a)).

77

Hinsichtlich Herrn R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben (oben I. 4. d)aa)). Der Senat hat - in Kenntnis dessen, dass es sich insoweit um die Angaben eines Beschuldigten in einem Steuerstrafverfahren handelte, der naturgemäß ein Interesse daran hat, seinen eigenen Tatbeitrag als möglichst gering darzustellen - keine Zweifel an den Angaben von Herrn R. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht insbesondere, dass er kurz nach seiner steuerlichen Anmeldung im Juli 2009 (vgl. RbA Bd. I Bl. 68) gegenüber der GmbH in nur drei Monaten (November 2009 bis Januar 2010) über Lieferungen zu 760.307,29 € netto zzgl. 144.458,38 € USt abgerechnet hat und diese Zahlungen bar geflossen sein sollen (vgl. Mitteilung der Steufa Q vom 08.08.2011, RbA Bd. I Bl. 69).

78

Hinsichtlich Herrn E beruht diese Überzeugung auf der Mitteilung des FA N vom 10.06.2010 (oben I. 3. b)). Für die Schlussfolgerung, dass Herr E nicht selbst die abgerechneten Lieferungen erbracht hat und er sich diese auch (steuerlich) nicht zurechnen lassen wollte, spricht insbesondere der Umstand, dass Herr E unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei dem FA N gegenüber der GmbH in den Monaten November und Dezember 2009 über Lieferungen in einer Bruttogesamthöhe von 555.909,93 € abgerechnet hat und diese Rechnungsbeträge bis auf eine Überweisung über 115.103,94 € (RbA Bd. I Bl. 78) in bar abgewickelt worden sein sollen.

79

Bezüglich der F beruht die Überzeugung zum einen auf der Feststellung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (oben I. 3. c)). Zum anderen steht aufgrund der bereits durch das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 aufgeführten offensichtlichen Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten (oben I. 5.) zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich insoweit um Kopien von gefälschten Dokumenten handelt. Die Verwendung von derartigen Dokumenten und Rechnungsvordrucken ist nur dann sinnvoll, wenn damit die tatsächliche Leistungserbringung durch einen anderen verschleiert werden soll.

80

Weder der Antragsteller noch die GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom 04.03.2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Es sind keine ergänzenden Nachweise vorgelegt worden, dass die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich die gegenüber der GmbH abgerechneten Leistungen erbracht haben.

81

ß) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass für den Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten vorlagen, aufgrund derer er verpflichtet war, sich über die Person des tatsächlichen Leistungserbringers zu vergewissern.

82

Zwar hat die GmbH im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bezüglich aller streitigen Rechnungsausteller Unterlagen vorgelegt, insbesondere Gewerbeanmeldungen, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen u. ä., und vorgetragen, sie habe keinen Anlass gehabt, zu vermuten, dass die Rechnungsaussteller nicht die tatsächlichen Lieferanten seien oder ihre eigenen steuerlichen Pflichten nicht erfüllen würden.

83

Im Hinblick auf die für die F vorgelegten gefälschten Unterlagen ergibt sich ohne weiteres, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass die F auch die tatsächliche Leistungserbringerin war. Der Senat ist davon überzeugt, dass für den Antragsteller auch ohne eingehende Prüfung ersichtlich war, dass es sich bei den Dokumenten um die Kopien von Fälschungen handelte.

84

Auch bezüglich der Herren D, E und R ergibt sich aus den Feststellungen der Steuerfahndungsstellen Q und G bzw. des FA N, dass ein Anlass für den Antragsteller bestand, an der Lieferanteneigenschaft der Rechnungsaussteller zu zweifeln. Alle drei Personen traten unmittelbar nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit gegenüber der GmbH als Lieferanten von sehr großen Mengen an Metall/Schrott gegen Barzahlung von fünf- und sechsstelligen €-Beträgen auf. Die Herren D und R hatten keine Kenntnisse vom Metallhandel und ebenso wie Herr E gar nicht die notwendige Anzahl von Fahrzeugen zur Anlieferung der berechneten Metalllieferungen. Dafür, dass sie entsprechende Subunternehmer beauftragt hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor und wurden von dem Antragsteller auch keine vorgetragen.

85

Hinsichtlich Herrn R ist der Senat darüber hinaus davon überzeugt, dass er als langjähriger Drogenabhängiger mit einem täglichen Heroinkonsum von 2,5 g gar nicht den Eindruck vermittelt haben kann, er könne die Lieferungen selbst ausführen.

86

Hinzu kommt, dass Herr R und Herr D - wie der Antragsteller gegenüber dem Betriebsprüfer bestätigte (KlA Bl. 27) - stets in Begleitung bei der GmbH auftraten und sich Herr E durch seinen Generalbevollmächtigten vertreten ließ, so dass bereits aufgrund dieses Auftretens in Zweifel zu ziehen war, ob die Rechnungsaussteller auch die tatsächlich Leistenden waren.

87

bbb) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen (oben I. 3. a) - c), 4. d)aa)).

88

Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteil vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U; juris), kann dahingestellt bleiben, da der Antragsteller aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.

89

ccc) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Antragsteller seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.

90

dd) Der Antragsteller hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.

91

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).

92

aaa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Antragsteller nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände bestand für ihn die Obliegenheit, sich über die Richtigkeit der in einer Rechnung angegebenen Geschäftsdaten zu vergewissern. Gerade bezüglich der Einkäufe bei der F mit angeblichem Geschäftssitz in der Y-Straße in ... Hamburg wäre es aufgrund der räumlichen Nähe zu der angegebenen Anschrift und der hohen Anzahl der getätigten Ankäufe auch zumutbar gewesen, sich vor Ort von der Richtigkeit der angegebenen Adresse zu vergewissern. Hätte oder hat der Antragsteller dies getan, hätte oder hat er gesehen, dass die F dort nicht ihren Sitz hatte.

93

bbb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von 5.933,51 € sowie März 2011 in Höhe von 0,01 € hätte der Antragsteller hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen (oben 2. a)).

94

ee) Auch die Inanspruchnahme des Antragstellers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.

95

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

96

aaa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 06.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).

97

bbb) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

98

Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

99

Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

100

Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Der Antragsteller hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

101

ccc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO).

102

b) Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Antragsteller (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

103

c) Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Antragsteller vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Antragsteller ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.

104

Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Antragstellers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Antragstellers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

105

Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Antragsteller zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Antragsteller zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulen betraf, für die der Antragsteller in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).

106

Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Antragsteller seine Pflicht als Geschäftsführer der GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern einzustehen, § 35 AO.

107

d) Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt. Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Geschäftsführer der GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der GmbH, Herrn B, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ausdrücklich hingewiesen.

108

e) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.

109

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Pflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BFHE 160, 61, BStBl II 1990, 510; vom 01.08.1986 V B 79/84, BFH/NV 1988, 335).

110

Härten, die nicht mit der Zahlung vor endgültiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des ihr zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheides zusammenhängen, sondern die typischerweise mit der Vollziehung eines Bescheides als solcher verbunden sind, rechtfertigen die AdV nicht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 19.04.1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538). Nur solche Nachteile macht der Antragsteller jedoch geltend.

111

Im Übrigen rechtfertigt das Vorliegen einer Lohnpfändung für sich allein noch keine ordentliche Kündigung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG- vom 04.11.1981 7 AZR 264/79, BAGE 37, 64) und kann eine unbillige Härte grundsätzlich nicht allein in der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung liegen, bei der die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften - auch vom Drittschuldner - beachtet werden (Beschluss des FG München vom 15.03.2012 14 V 471/12, juris).

III.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO, da Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich sind.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. Es sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche Erwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den Erwerber handelnden Personen gefälschte Personalausweise vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der Personalausweise nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden Erkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als KP ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem Personalausweis ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der KP sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das FG zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem Lieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des Erwerbers auferlegt werden. Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den Erwerber ergeben hätten. Es stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. KP sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. Es sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen Existenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

11

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

12

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

13

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

14

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

16

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

17

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

18

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Folgendes:

19

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

20

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

21

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

22

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

23

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

24

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

25

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des FG auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

26

aa) Die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter II.3.b). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1966 II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, unter I., und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, unter II.1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als KP ausgab.

27

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als KP ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in Luxemburg erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

28

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

29

(1) Nach dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der BFH-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, Deutsches Steuerrecht 2013, 753, unter II.3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die EuGH-Rechtsprechung beachtend auszulegen ist.

30

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 69).

31

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der Kaufverträge, die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der Abnehmerseite ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als steuerfrei behandeln darf.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Beschaffung und Verwaltung von Fahrzeugen und die damit verbundenen oder sich ergebenden Dienstleistungen sowie Leasing und Finanzierung.

3

Die Klägerin erteilte im Streitjahr u.a. an die Fa. C. ... (Österreich), Inh. S. D., über die Lieferung von Fahrzeugen der Marke ... 4 Rechnungen. S. D. ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in ... (Deutschland). Er war im Streitjahr in seinem Beruf als ... tätig. Er hatte im Juni 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft ... ein Handelsgewerbe mit Sitz in ... (Österreich) angemeldet und war damit seit 2008 steuerlich beim Finanzamt .../Österreich gemeldet. Ihm war eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt und im Herbst 2009 entzogen worden.

4

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

5
        

Datum 

Fahrzeug

Betrag

Bp-Akte

a)    

20.02.2009

1       

... €

Bl.     

b)    

02.04.2009

2       

... €

Bl.     

c)    

09.06.2009

3       

... €

Bl.     

d)    

09.06.2009

4       

... €

Bl.     

6

Die vorgenannten Rechnungen enthalten jeweils den folgenden Vermerk: „Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6 a UstG in Verbindung mit $ 4 Nr. 1 b UstG“. Umsatzsteuer wurde nicht ausgewiesen.

7

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April und Juni 2009 behandelte die Klägerin die 4 Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG.

8

Im Sommer 2009 führte der Beklagte (das Finanzamt –FA-) bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bekannt, dass die Fahrzeuge nicht von S. D., sondern von einem M. L. bestellt wurden. Gegenüber der Prüferin hatte der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass er zu S. D. keinen Kontakt gehabt habe. M. L., der in R. als Geschäftsführer der M-GmbH im Fahrzeughandel tätig war, war dem Geschäftsführer der Klägerin, der zuvor im Raum R. beruflich tätig war, persönlich bekannt. M. L. hatte die Klägerin wegen der hier in Streit stehenden Fahrzeuglieferungen jeweils gebeten, die Rechnungen per Fax zu ihm nach R. und per Post an die Fa. C. nach Österreich zu übersenden. Zugleich hatte er zugesichert, sich selbst um die umgehende Bezahlung der Rechnungen zu kümmern. Der Kaufpreis für das erste Fahrzeug wurde am 27. Februar 2009 per Überweisung von einer österreichischen Bank als EU-Standardüberweisung überwiesen. Am 5. Mai 2009 folgte die Bezahlung für das zweite Fahrzeug in gleicher Weise. Als Auftraggeber ist in den Kontoauszügen der Klägerin „D. S. C.“ angegeben. Die weiteren Fahrzeuge wurden bei der Übernahme bar bezahlt. Abgeholt wurden die Fahrzeuge jeweils von M. L. Dieser erklärte bei der Übernahme schriftlich, das jeweilige Fahrzeug im Auftrage des in der Rechnungsstellung angeführten Erwerbers S. D. zu übernehmen und es an die in der Rechnungsstellung genannte Anschrift in Österreich auszuführen sowie eine entsprechende amtliche Bescheinigung über die Ausfuhr nachzureichen.

9

Ebenfalls im Jahre 2009 ermittelte die Steuerfahndung R. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen verschiedene Unternehmen im Bereich R., die im Fahrzeughandel tätig waren. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde S. D. als Beschuldigter vernommen. Er gab gegenüber der Steuerfahndung R., dass er M. D. keine Vollmacht erteilt habe. Er sei nur für einen Herrn E. tätig gewesen. Für diesen habe er das Unternehmen in Österreich gegründet. Herr E. habe alleinige Kontovollmacht gehabt. Rechnungsvordrucke der Fa. C. habe nur Herr E. besessen. Fahrzeuge seien nie an den Firmensitz der Fa. C. in Österreich überführt worden. Die Fahrzeuge seien vielmehr immer direkt nach R. gegangen. Daraufhin forderte die Prüferin die Klägerin ohne Erfolg auf, einen Nachweis über die Bevollmächtigung des M. L. durch S. D. vorzulegen.

10

Die Ermittlungen der Steuerfahndung R. hatten des Weiteren ergeben, dass nach dem Verkauf der hier in Rede stehenden Fahrzeuge mindestens 2 Fahrzeuge in Deutschland und ein weiteres in Ungarn zugelassen wurden.

11

Die Prüferin sah die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne des § 6a UStG in keinem Fall als erfüllt an. Sie ging ferner davon aus, dass § 6a Abs. 4 UStG nicht zur Anwendung kommen könne, da die Klägerin nicht mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt habe. Das FA schloss sich den Feststellungen an und behandelte die Lieferungen als umsatzsteuerpflichtig.

12

Zur Begründung der gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 -jeweils vom 12. Oktober 2009- eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, mit der Beförderung der Fahrzeuge nach Österreich sei die Firma X. GmbH beauftragt worden. Dies habe die Fa. X. GmbH „mit ihrer Unterschrift“ bestätigt. Damit habe der Klägerin eine vom Beauftragten des ausführenden Unternehmers erteilte Übernahmebestätigung vorgelegen, aus der hervorgehe, dass der Beauftragte den PKW erhalten habe und die Ausfuhr nach Österreich übernehme. Damit seien die Nachweise gem. § 17 a Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungs-verordnung (UStDV) erbracht.

13

Bei der Erstellung der Rechnungen habe sie, die Klägerin, eine qualifizierte Abfrage der USt-Identifikationsnummer vorgenommen. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass diese in Ordnung sei. Des Weiteren haben ihr ein Gewerberegisterauszug der Stadt B. und ein Schreiben des Finanzamts B. über die Erteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer vorgelegen.

14

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin habe sich nicht durch einen Anruf bei S. D. rückversichert, dass dieser die Fahrzeuge habe erwerben wollen. Dies sei aber geboten gewesen, nachdem M. D. die Fahrzeuge bei der Klägerin bestellt hatte. Es habe auch keinen Email-Verkehr zwischen der Klägerin und S. D. gegeben. Die Klägerin habe sich auf die Aussagen des M. D. verlassen.

15

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die umsatzsteuerfreie Behandlung der 4 Fahrzeuglieferungen. Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie habe den Belegnachweis gem. § 17a UStDV geführt. Eine Vollmacht für den Beauftragten werde in § 17a UStDV nicht explizit gefordert. Nachdem die beiden ersten Fahrzeuge per Überweisung reibungslos bezahlt worden seien und eine Empfangsvollmacht des Beauftragten vorlag, habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen können, dass die Fahrzeuge in das EU-Ausland gelangen. Das Landgericht M. habe den Autohändler M. L. zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Damit sei jetzt erkennbar, dass M. L. falsche Angaben gemacht habe. Dies sei im Zeitpunkt der Verkäufe der Fahrzeuge für sie, die Klägerin, nicht erkennbar gewesen.

16

Während des Klageverfahrens hat das FA am 5. Oktober 2011 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009 erlassen.

17

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 vom 12. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2011 –geändert durch den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 5. Oktober 2011 – die Umsatzsteuer 2009 um 51.153,37 € herabzusetzen.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung. Die Klägerin habe ausschließlich mit M. L. verhandelt und gewusst, das dieser selbst mit Fahrzeugen handelt. Ein ordentlicher Kaufmann hätte bei dieser Sachlage mit dem angeblichen Abnehmer unmittelbar Kontakt aufgenommen und sich über die Wirksamkeit der Vertretungsmacht und das Verbringen der Fahrzeuge nach Österreich Gewissheit verschafft. Die Klägerin habe dies unterlassen und könne sich deshalb nicht auf die Billigkeitsregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist unbegründet.

21

Die im Streit stehenden Fahrzeuglieferungen sind nicht steuerfrei, da die Klägerin die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen hat. Die Steuerfreiheit setzt nämlich u.a. voraus, dass die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen. Diesen Nachweis konnte die Klägerin nicht führen. Vielmehr hat S. D. in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass sämtliche Fahrzeuge nach R. verbracht wurden. Einen Nachweis über die Beförderung oder Versendung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet fehlt hingegen.

22

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Sie setzt mithin voraus, dass der Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Bestehende Zweifel hat der Unternehmer auszuräumen. Einzelne Anhaltspunkte für Zweifel hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407, aufgeführt. So bestehen zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bereits dann, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer keine längeren Geschäftsbeziehungen bestehen und der Unternehmer keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person hat. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hatte bis zur ersten Fahrzeuglieferung zum vermeintlichen Abnehmer keine Geschäftsbeziehungen unterhalten. Die Klägerin hat es unterlassen, zum vermeintlichen Abnehmer Kontakt aufzunehmen und sich stattdessen auf die Angaben des dem Geschäftsführer der Klägerin persönlich bekannten angeblichen Bevollmächtigten des Abnehmers verlassen. Dessen Bevollmächtigung hat sie sich nicht nachweisen lassen.

23

Zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bestehen nach dem vorgenannten Urteil des BFH aber auch dann, wenn die Geschäftsanbahnung - wie im vorliegenden Fall - mit dem Unternehmer durch einen zwischengeschalteten Dritten erfolgt und der Abnehmer -  außer auf dem Papier - nicht in Erscheinung tritt.

24

Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es nach Auffassung des Senats noch nicht aus, dass der (vermeintliche) Abnehmer über eine gültige USt-ID-Nr. verfügt und sie sich diese und die Gewerbeanmeldung hat bestätigen lassen. Ebenso wenig reicht es schon, dass den beiden ersten Lieferungen kein Bargeschäft über hochwertige Fahrzeuge zu Grunde lag. Gerade hier hätte der Klägerin auffallen müssen, dass M. L. ihr die umgehende Zahlung der Rechnung nach einer Übersendung an ihn in R. zugesagt hatte.

25

Zudem liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG in formeller Hinsicht nicht vor. Danach muss die Inanspruchnahme auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruhen. Der Abnehmer (S. D.) ist gegenüber der Klägerin nicht in Erscheinung getreten. Die Erklärung über die Verbringung der Fahrzeuge nach Österreich stammt von M. L. Dessen Erklärung kann dem S.D. nur zugerechnet werden, wenn dieser M. D. bevollmächtigt hat. Hieran fehlt es.

26

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zugelassen wegen der Frage, ob die Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG auch dann angewendet werden kann, wenn die unrichtigen Angaben von einer Person stammen, deren Bevollmächtigung durch den Abnehmer nicht nachgewiesen wurde.


Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. Sie lieferte am 22. Januar 2003 einen Porsche 911 Carrera 4S Coupe umsatzsteuerfrei zum Preis von ... € an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T mit Sitz in V. Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma S durch einen Bevollmächtigten bei der Klägerin abgeholt, der den Kaufpreis bar bezahlte. Als Abholer trat ein Herr mit dem Namen B auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung beinhaltet den handschriftlichen Vermerk "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" und ist mit dem Namen "B" unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ am 12. Juli 2004 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003, in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt ... € erhöhte. Das FA hat für den Umsatz mit T einen Umsatzsteuerbetrag von ... € und für einen weiteren, revisionsrechtlich nicht angegriffenen Geschäftsvorfall einen Betrag von ... € angesetzt. Die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an T beruht auf einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, nach der T ein Scheinunternehmen war, was nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

3

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage hinsichtlich der Lieferung des Porsche 911 Carrera an T unter Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... € statt und wies die Klage im Übrigen in dem revisionsrechtlich nicht angegriffenen Teil ab. Für die Lieferung des Porsche 911 Carrera an T seien zwar die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt, denn der Abnehmer --die T-- sei ein Nichtunternehmer ("Scheinunternehmer") gewesen. Gleichwohl sei die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG vorlägen.

5

Die Klägerin habe keine Zweifel am tatsächlichen Abholer haben müssen. Sie habe sich sämtliche Belege, die nach § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderlich seien, vorlegen lassen. Insbesondere habe sie den Belegnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV erfüllt. Danach sei der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu führen. Dies sei erfüllt, denn die Klägerin habe durch den Vermittler S einen Handelsregisterauszug betreffend der T vorgelegt. Damit verbunden sei eine Versicherung gewesen, dass das Fahrzeug nach Italien befördert werden solle. Diese Versicherung sei auch schriftlich und in deutscher Sprache erfolgt. Sie enthalte unter Bezugnahme auf den Handelsregisterauszug Name und Anschrift der T (Abnehmer) sowie eine mit Datum versehene Unterschrift des Abnehmers bzw. in diesem Fall des Bevollmächtigten B. Damit habe die Klägerin ihre Sorgfaltspflichten aus § 6a Abs. 4 UStG erfüllt. Soweit die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 2010 IV D 3-S 7141/08/10001, 2010/ 0334195 (BStBl I 2010, 508) in Tz. 32 die Auffassung vertrete, "die Unterschrift (müsse) ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen", sei dies unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im Streitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimme, könne deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Weitere Umstände, die einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG rechtfertigen könnten, seien im Streitfall nicht ersichtlich.

6

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des FG verstoße gegen § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Bei Barverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die Sorgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Umstände, dass ein hochwertiges Fahrzeug in bar veräußert werde und auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung bestehen, müssten den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen. In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt habe, seien alle Umstände einzubeziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511). Von diesen Rechtssätzen weiche das FG ab. Zum einen halte es den Umstand, dass die Unterschriften auf dem vom Abholer vorgelegten Personalausweis und der Verbringenserklärung auffällige Unterschiede aufwiesen, für unbeachtlich. Denn es habe den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vergleich der Unterschriften unverhältnismäßig sei. Zum anderen würdige das FG nicht alle Umstände. Es würdige insbesondere nicht, dass die Klägerin ein hochwertiges Fahrzeug veräußert habe, der Kaufpreis von ... € in bar entrichtet worden sei, die Vermittlung des Verkaufs des gebrauchten Fahrzeugs über die S erfolgt sei und S den Handelsregisterauszug des Abnehmers vorgelegt habe. Gerade diese Umstände hätten die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen müssen.

7

Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich daher nicht, weil die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle an Belegen, aus denen sich insbesondere der tatsächliche Abholer der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung und dessen Berechtigung leicht und einfach nachprüfbar habe entnehmen lassen.

8

Das FA beantragt,
das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S. von § 6a Abs. 1 UStG seien unstreitig nicht erfüllt, weil --wie sich später herausstellte-- es sich bei dem Kunden um einen Nichtunternehmer gehandelt habe. Die Klägerin habe die Unrichtigkeit der Angaben der Abnehmer auch bei Beachtung der größten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Der von dem FA zitierte Beschluss vom 6. November 2008 V B 126/07 (BFH/NV 2009, 234) behandle einen abweichenden Fall, in dem das betreffende Fahrzeug sofort zum selben Preis weiterverkauft worden und dies dem liefernden Unternehmer bekannt gewesen sei, so dass tatsächlich bei dem Lieferer der Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung aufkommen könne. Im Streitfall habe es jedoch keinen ähnlichen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.

11

Auch die Barzahlung des Kaufpreises sei nach der Erfahrung bei Exportgeschäften von Luxussportwagen nicht ungewöhnlich, sondern die Regel und die einzig praktikable Lösung bei Fahrzeugverkäufen ins Ausland. Gerade bei so mobilen Gegenständen wie Autos wolle der Verkäufer nicht das Risiko eines Forderungsausfalls tragen, sondern bestehe auf Barzahlung oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung; dies gelte gerade für Exportgeschäfte. Wenn das FA behaupte, dass eine "Barzahlung ungewöhnlich" sei und das Misstrauen der Klägerin habe wecken müssen, so sei diese Auffassung wirklichkeitsfremd.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich der zu beurteilenden Lieferung des Porsche 911 Carrera an T zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob für das Fahrzeug Porsche 911 Carrera die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.

13

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen sind.

14

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

15

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

16

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen
"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
"... 9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; vgl. nunmehr Art. 131, 138 f. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

21

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

22

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 14). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 14).

23

d) Im Streitfall fehlt es bereits am Nachweis, wer der wirkliche Abnehmer des PKW war. Nach den Feststellungen des FG war --was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- T lediglich ein Scheinunternehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG liegen daher nicht vor.

24

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anwendbar.

25

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28).

26

b) Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 234, unter 3.). Solche auffälligen Unterschiede liegen im Streitfall vor. Die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie --auf den ersten Blick erkennbar-- ganz erheblich ab.

27

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hält die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 508, Tz. 32; Abschn. 6a.3. Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und lässt den Umstand, dass die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht übereinstimmt, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, unzutreffend von vornherein außer Acht. Der Senat verkennt nicht, dass sich eine Unterschrift im Einzelfall im Laufe mehrerer Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes Bild als auf sonstigen Unterlagen haben kann. Diese Umstände rechtfertigen es entgegen der Ansicht des FG aber nicht, die auffälligen Unterschiede in den Unterschriften in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst miteinzubeziehen.

28

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben:

29

a) Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) ist gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen; diese sind steuerpflichtig. Die Ausnahme entspricht Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. c i.V.m. Art. 28c Teil A Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.1.). Anhaltspunkt für eine ggf. durchzuführende Differenzbesteuerung könnte insoweit der Eintrag eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von ... € in der Zeile "nicht auszuweisen im Rahmen der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG" im Kaufvertrag sein.

30

Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die Klägerin die streitbefangene Kfz-Lieferung im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hat. Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen eine Differenzbesteuerung, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
..."

31

Eine Differenzbesteuerung käme allerdings gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht zur Anwendung, wenn es sich um die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs i.S. des § 1b Abs. 2 und 3 UStG handelt. Dafür könnte --sofern der Kilometerstand in der "Verbindlichen Bestellung" des Fahrzeugs vom 20. Januar 2003 korrekt ausgewiesen ist-- der niedrige Kilometerstand sprechen. Widersprüchlich ist jedoch, dass nach den dortigen Angaben die gesamte km-Leistung laut Vorbesitzer 0 km und der km-Stand laut Zähler indes 4 500 km beträgt.

32

Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

33

b) Sofern die Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, stellt sich im Rahmen der nachfolgend zu prüfenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32).

34

Die Ausführungen des FG sind insoweit unzureichend, da es keine Feststellungen zu dem Bestimmungsort des Liefergegenstands Porsche 911 Carrera (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV) getroffen hat. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als Bestimmungsland den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73). Die Angaben in der Verbringenserklärung "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" sind insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt ist (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73) und auch nicht mit der im Bezug genommenen Kaufvertrag vom 21. Januar 2003 enthaltenen Unternehmensanschrift ohne Weiteres gleichzusetzen ist. Nach dem Urteil des BFH in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts zwar unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, Rz 29). Hierzu fehlen hinreichende Feststellungen. Die Frage des der Klägerin obliegenden Nachweises des Bestimmungsorts ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG (BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2).

35

c) An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf (hier ... €) mit "Beauftragten" zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b). In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, sind diese Umstände einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.4.b bb). Im Streitfall kommt hinzu, dass ein Vermittler zwischengeschaltet worden ist und die vermeintliche "Abnehmerin" T faktisch --außer auf dem Papier-- gar nicht in Erscheinung trat.

36

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Barzahlung des Kaufpreises sei bei Exportgeschäften von Luxussportwagen die Regel.

37

Der Senat verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Barzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012  3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne Barzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt. Die Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 29. April 2004 C-487/01 und C-7/02 --Gemeente Leusden und Holin Groep--, Slg. 2004, I-5337, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 --Mahagében und Dávid--, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 41; vom 6. September 2012 C-273/11 --Mecsek-Gabona--, UR 2012, 796, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 47; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103). Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 65; in BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 54; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 48 und 53 f.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 103).

38

bb) Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, DStR 2008, 1213, 1217; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Barverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.

39

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers können in diesen Fällen beispielsweise folgende Umstände begründen:

-       

Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteil des FG Köln vom 27. Januar 2005  10 K 1367/04, EFG 2005, 822);

-       

die Geschäftsanbahnung mit dem Unternehmer erfolgt durch einen von dem Abnehmer zwischengeschalteten Dritten und der Abnehmer tritt --außer auf dem Papier-- nicht in Erscheinung;

-       

die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.B. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z.B. der im Ausland ansässige Abnehmer hat eine Faxadresse im Inland.

40

Dagegen stellen im Regelfall keine Gründe für Zweifel an der Richtigkeit geringfügige, rein formale Versehen dar, wie z.B. ein bloßes Verschreiben auf der Verbringenserklärung.

41

4. Soweit das FA dem Revisionsantrag das Begehren hinzugefügt hat, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 12. Juli 2004 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Steuer ... € beträgt, versteht der Senat dies lediglich als ziffernmäßig bestimmte, klarstellende Wiederholung des Revisionsantrags der Klägerin. Denn von dem gestellten Revisionsantrag, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen, wird inhaltlich auch das mit der Revision verfolgte Ziel der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 12. Juli 2004 mitumfasst.

Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Voranmeldungszeiträume (VAZ) Juni 2009 bis Januar 2010, März 2010 und April 2010, November 2010 sowie März 2011 nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 480.568,22 € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

2

1. Der Antragsteller war ab dem 18.12.2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung von C in den X- Weg in Hamburg beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. 4).

3

2. Die GmbH reichte beim FA ab Mai 2009 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen ein und machte darin z. T. erhebliche Vorsteuerbeträge geltend, die teilweise zu Vorsteuerüberschüssen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) führten, teilweise die abzuführende Umsatzsteuersteuer entsprechend verringerten. Das FA erteilte in den Vergütungsfällen jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 5).

4

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom 05.11.2009 bis zum 18.01.2011 bei der GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Prüfungen holte der Prüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten D, E sowie die F GmbH & Co KG (F) ein.

5

a) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen G (Steufa G; RbA Bd. I Bl. 92 f.) teilte mit, Herr D sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Herr D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der GmbH in Hamburg, der H GbR in J und bei der K GmbH & Co KG in L. Der von Herrn D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

6

Herr D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in ... M über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

7

Der Umstand, dass Herr D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden.

8

b) Das FA N teilte mit, Herr E habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in N angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr E unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr E dem FA N mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn E ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr E nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).

9

c) Bezüglich der F erhielt der Prüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die F habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum 03.05.2007 der Geschäftsführer der F gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).

10

d) Dementsprechend erkannte der Prüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von Herrn D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt 143.246,49 €), Herrn E (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt 88.758,73 €) sowie F (VAZ Februar 2010, 5.438,69 €) ausgewiesene Vorsteuer nicht an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 04.03.2011 BpA Bl. 7 ff.).

11

4. a) Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der F in Höhe von 44.214,49 € für März 2010 und in Höhe von 36.392,33 € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).

12

b) Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über 5.933,51 € fällig gestellt. Die GmbH zahlte nicht.

13

c) Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16-23).

14

d) aa) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen Q (Steufa Q) die schriftliche Einlassung vom 18.05.2011 eines weiteren Lieferanten der GmbH, Herrn R, zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich Herr R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa Q dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in Q gekommen, eine Adresse, mit der er, Herr R ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal 500,00 €.

15

Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.

16

bb) Daraufhin erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Herrn R in Höhe von insgesamt 67.387,56 € mit dem Hinweis, Herr R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt. (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).

17

e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18).

18

f) Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2011 über 0,01 € fällig gestellt, die von der GmbH nicht bezahlt wurde.

19

5. Die GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:

20

"Hiernach steht der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.

21

Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, E und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen G in Sachen D, des Finanzamtes N in Sachen E und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Q in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Antragstellerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.

22

Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Antragstellerin aus den Rechnungen der F nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Antragstellerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der F mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Antragstellerin von der F (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Antragstellerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können...Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff. Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der F und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die F unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."

23

6. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Antragsteller mit, dass dessen Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum der Geschäftsführung durch den Kläger fällig geworden. Das FA bat den Antragsteller, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

24

7. Am 30.03.2012 wurde aufgrund des von der GmbH am 21.02.2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. S aus Hamburg zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).

25

8. Am 08.05.2012 erließ das FA gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Antragsteller für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt 480.568,22 € gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, weil er als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen sei.

26

Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.

27

In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Antragsteller hätte als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den vom Antragsteller verwalteten Mitteln der GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das Finanzamt seien von dem Antragsteller nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).

28

Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der Mitgeschäftsführer Herr B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22 R).

29

9. Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ein und beantragte AdV. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 - April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.

30

Nachdem das Finanzgericht Hamburg die Aussetzungsanträge abgelehnt habe, hätten er, der Antragsteller, und Herr B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten er und Herr B unverzüglich Insolvenz angemeldet.

31

Unabhängig hiervon habe die GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.

32

Vorsorglich beantrage er die AdV und die Aussetzung der Vollstreckung auch aus Gründen der Billigkeit, da Vollstreckungsmaßnahmen zu unbilliger Härte führen würden. Seine Einkommensverhältnisse - monatliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. H. v. 5.000,00 € brutto - seien dem FA bekannt.

33

10. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. S sämtliche der durch die GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).

34

11. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).

35

12. Der Antragsteller hat am 31.10.2013 bei Gericht AdV beantragt.

36

Er trägt zur Begründung seines Antrags vor:

37

Der Haftungsbescheid vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der GmbH, nicht aber um die Pflichtwidrigkeit und Haftung des Antragstellers. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb eine Pflichtverletzung des Antragstellers vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.

38

Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil bereits der GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zustehe. Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. Umsatzsteuergesetz (UStG) formal ordnungsgemäß. Darüber hinaus habe die GmbH dem FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mitgeteilt und belegt, dass sie von den besagten Lieferanten Kopien der Gewerbeanmeldung, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Ausweiskopien sowie Vollmachten u. Ä. erhalten habe. Der Lieferant E sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich zugegen gewesen und habe Herrn T, der sich durch eine notarielle Vollmacht legitimiert habe, als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt. Die Gelder seien auf das Konto des Lieferanten E überwiesen worden. Darüber hinaus seien die Lieferanten D und R bei der Geschäftsanbahnung und bei den Lieferungen selber persönlich zugegen gewesen und hätten Gelder persönlich entgegengenommen.

39

Der Antragsteller ist unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11) der Ansicht, der Vorsteuerabzug sei der GmbH zwingend zu gewähren gewesen. Das FA habe im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets argumentiert, die GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht. Nach der neueren höchstrichterlichen EuGH-Rechtsprechung sei es aber nicht Aufgabe und Pflicht des Steuerpflichtigen, Nachforschungen in diese Richtung anzustellen.

40

Das FA habe weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung eine konkrete Pflichtverletzung dargestellt, noch ausgeführt, weshalb es von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Begehungsweise ausgehe.

41

Weiter werde bestritten, dass es sich bei den Rechnungsausstellern der streitgegenständlichen Rechnungen um "Strohmänner" o. ä. gehandelt habe. Das FA habe den Sachverhalt insoweit nie vollständig aufgeklärt oder eigene Ermittlungen angestellt; vielmehr habe sich die Sachverhaltsaufklärung in Anfragen bei möglichen Wohnsitz- und Betriebsstättenfinanzämtern und Anfragen bei Ermittlungsbehörden beschränkt.

42

Auch wenn die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter formal bestandskräftig seien, so blieben sie dennoch materiell rechtswidrig.

43

Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0 % betrage. Der Antragsteller habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Finanzgerichts vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von 196.686,90 € (2009) und 70.414,28 € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.

44

Die GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die - bestrittenen - Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.

45

Schließlich hätte die Vollziehung des Haftungsbescheides für ihn, den Antragsteller, eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Er sei Arbeitnehmer. Sein monatliches Netto-Einkommen betrage 3.797,47 €. Er verfüge darüber hinaus über kein Vermögen. Unter Hinweis auf das Schreiben seines Arbeitgebers - der Fa. U GmbH mit Sitz im X-Weg in Hamburg - vom 02.12.2013 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 02.12.2013, FGA-Anlagenband), wonach ihm im Falle einer Lohnpfändung gekündigt werde, trägt der Antragsteller vor, Vollstreckungsmaßnahmen würden seine berufliche Existenz gefährden, ohne dass Aussicht auf Tilgung des festgesetzten Haftungsbetrages bestehe.

46

Der Antragsteller beantragt,

47

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bis zu einer Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache auszusetzen.

48

Das FA beantragt,

49

den Antrag abzulehnen.

50

Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff.):

51

Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller genannte Entscheidung des FG Düsseldorf stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.

52

Der Antragsteller habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Dadurch habe der Antragsteller seine Pflichten zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.

53

Der Hinweis des Antragstellers auf seine finanzielle Situation lasse keine unbillige Härte i. S. d. § 361 Abs. 2 AO erkennen.

54

Dem Gericht haben ein Band Haftungsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen sowie folgende Steuerakten der GmbH (St.-Nr. .../.../...): ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Betriebsprüfungsakten, Band I und II der Rechtsbehelfsakten und Band I und II der Klageakten.

II.

55

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

56

1. Der Antrag ist zulässig. Das FA hat über den vom Antragsteller mit Schreiben vom 14.05.2012 gestellten AdV-Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden, so dass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.

57

2. Er hat aber in der Sache aber keinen Erfolg.

58

Nach Maßgabe der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf Grundlage präsenter Beweismittel sind die Voraussetzungen für eine AdV nicht erfüllt. An der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 08.05.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bestehen im Hinblick auf die Umsatzsteuerschulden sowie steuerlichen Nebenleistungen keine ernstlichen Zweifel.

59

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

60

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind nach der Rechtsprechung des BFH zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschlüsse vom 21.11.2013 II B 46/13, BFH/NV 2014, 269; vom 11.07.2013 XI B 41/13 BFH/NV 2013, 1647; vom 12.12.2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272).

61

a) Das FA hat den Antragsteller zu Recht als Geschäftsführer nach § 69 i. V. m. § 34 AO für von der GmbH zu Unrecht nach § 15 UStG gezogene Vorsteuern sowie nicht gezahlte Umsatzsteuer in Haftung genommen.

62

aa) Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (BFH-Urteil vom 28.06.2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

63

Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

64

bb) Der Antragsteller war als eingetragener Geschäftsführer der GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.

65

cc) Der Antragsteller hat als Geschäftsführer der GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften der Herren D, E und R sowie der F die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aaa) und bbb)) sowie die sich für die Monate November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (ccc)).

66

Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Antragstellers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.

67

Die durch den Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs (oben I. 12.) greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen. Den Antragsteller trifft aber auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG.

68

An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11, BFH/NV 2012, 1404). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung der Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Vorliegend hätte der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH nämlich zumindest wissen müssen, dass die genannten Eingangsrechnungen zur Verschleierung des tatsächlich Leistenden und somit zur Begehung einer Steuerhinterziehung benutzt wurden und daher der GmbH der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen nicht zustand.

69

aaa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.

70

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).

71

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).

72

Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).

73

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

74

a) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass die Herren D, E und R sowie die F lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.

75

Im Einzelnen:

76

Bezüglich Herrn D beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa G (oben I. 3. a)).

77

Hinsichtlich Herrn R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben (oben I. 4. d)aa)). Der Senat hat - in Kenntnis dessen, dass es sich insoweit um die Angaben eines Beschuldigten in einem Steuerstrafverfahren handelte, der naturgemäß ein Interesse daran hat, seinen eigenen Tatbeitrag als möglichst gering darzustellen - keine Zweifel an den Angaben von Herrn R. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht insbesondere, dass er kurz nach seiner steuerlichen Anmeldung im Juli 2009 (vgl. RbA Bd. I Bl. 68) gegenüber der GmbH in nur drei Monaten (November 2009 bis Januar 2010) über Lieferungen zu 760.307,29 € netto zzgl. 144.458,38 € USt abgerechnet hat und diese Zahlungen bar geflossen sein sollen (vgl. Mitteilung der Steufa Q vom 08.08.2011, RbA Bd. I Bl. 69).

78

Hinsichtlich Herrn E beruht diese Überzeugung auf der Mitteilung des FA N vom 10.06.2010 (oben I. 3. b)). Für die Schlussfolgerung, dass Herr E nicht selbst die abgerechneten Lieferungen erbracht hat und er sich diese auch (steuerlich) nicht zurechnen lassen wollte, spricht insbesondere der Umstand, dass Herr E unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei dem FA N gegenüber der GmbH in den Monaten November und Dezember 2009 über Lieferungen in einer Bruttogesamthöhe von 555.909,93 € abgerechnet hat und diese Rechnungsbeträge bis auf eine Überweisung über 115.103,94 € (RbA Bd. I Bl. 78) in bar abgewickelt worden sein sollen.

79

Bezüglich der F beruht die Überzeugung zum einen auf der Feststellung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (oben I. 3. c)). Zum anderen steht aufgrund der bereits durch das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 aufgeführten offensichtlichen Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten (oben I. 5.) zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich insoweit um Kopien von gefälschten Dokumenten handelt. Die Verwendung von derartigen Dokumenten und Rechnungsvordrucken ist nur dann sinnvoll, wenn damit die tatsächliche Leistungserbringung durch einen anderen verschleiert werden soll.

80

Weder der Antragsteller noch die GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom 04.03.2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Es sind keine ergänzenden Nachweise vorgelegt worden, dass die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich die gegenüber der GmbH abgerechneten Leistungen erbracht haben.

81

ß) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass für den Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten vorlagen, aufgrund derer er verpflichtet war, sich über die Person des tatsächlichen Leistungserbringers zu vergewissern.

82

Zwar hat die GmbH im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bezüglich aller streitigen Rechnungsausteller Unterlagen vorgelegt, insbesondere Gewerbeanmeldungen, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen u. ä., und vorgetragen, sie habe keinen Anlass gehabt, zu vermuten, dass die Rechnungsaussteller nicht die tatsächlichen Lieferanten seien oder ihre eigenen steuerlichen Pflichten nicht erfüllen würden.

83

Im Hinblick auf die für die F vorgelegten gefälschten Unterlagen ergibt sich ohne weiteres, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass die F auch die tatsächliche Leistungserbringerin war. Der Senat ist davon überzeugt, dass für den Antragsteller auch ohne eingehende Prüfung ersichtlich war, dass es sich bei den Dokumenten um die Kopien von Fälschungen handelte.

84

Auch bezüglich der Herren D, E und R ergibt sich aus den Feststellungen der Steuerfahndungsstellen Q und G bzw. des FA N, dass ein Anlass für den Antragsteller bestand, an der Lieferanteneigenschaft der Rechnungsaussteller zu zweifeln. Alle drei Personen traten unmittelbar nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit gegenüber der GmbH als Lieferanten von sehr großen Mengen an Metall/Schrott gegen Barzahlung von fünf- und sechsstelligen €-Beträgen auf. Die Herren D und R hatten keine Kenntnisse vom Metallhandel und ebenso wie Herr E gar nicht die notwendige Anzahl von Fahrzeugen zur Anlieferung der berechneten Metalllieferungen. Dafür, dass sie entsprechende Subunternehmer beauftragt hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor und wurden von dem Antragsteller auch keine vorgetragen.

85

Hinsichtlich Herrn R ist der Senat darüber hinaus davon überzeugt, dass er als langjähriger Drogenabhängiger mit einem täglichen Heroinkonsum von 2,5 g gar nicht den Eindruck vermittelt haben kann, er könne die Lieferungen selbst ausführen.

86

Hinzu kommt, dass Herr R und Herr D - wie der Antragsteller gegenüber dem Betriebsprüfer bestätigte (KlA Bl. 27) - stets in Begleitung bei der GmbH auftraten und sich Herr E durch seinen Generalbevollmächtigten vertreten ließ, so dass bereits aufgrund dieses Auftretens in Zweifel zu ziehen war, ob die Rechnungsaussteller auch die tatsächlich Leistenden waren.

87

bbb) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen (oben I. 3. a) - c), 4. d)aa)).

88

Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteil vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U; juris), kann dahingestellt bleiben, da der Antragsteller aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.

89

ccc) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Antragsteller seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.

90

dd) Der Antragsteller hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.

91

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).

92

aaa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Antragsteller nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände bestand für ihn die Obliegenheit, sich über die Richtigkeit der in einer Rechnung angegebenen Geschäftsdaten zu vergewissern. Gerade bezüglich der Einkäufe bei der F mit angeblichem Geschäftssitz in der Y-Straße in ... Hamburg wäre es aufgrund der räumlichen Nähe zu der angegebenen Anschrift und der hohen Anzahl der getätigten Ankäufe auch zumutbar gewesen, sich vor Ort von der Richtigkeit der angegebenen Adresse zu vergewissern. Hätte oder hat der Antragsteller dies getan, hätte oder hat er gesehen, dass die F dort nicht ihren Sitz hatte.

93

bbb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von 5.933,51 € sowie März 2011 in Höhe von 0,01 € hätte der Antragsteller hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen (oben 2. a)).

94

ee) Auch die Inanspruchnahme des Antragstellers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.

95

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

96

aaa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 06.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).

97

bbb) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

98

Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

99

Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

100

Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Der Antragsteller hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

101

ccc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO).

102

b) Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Antragsteller (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

103

c) Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Antragsteller vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Antragsteller ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.

104

Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Antragstellers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Antragstellers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

105

Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Antragsteller zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Antragsteller zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulen betraf, für die der Antragsteller in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).

106

Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Antragsteller seine Pflicht als Geschäftsführer der GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern einzustehen, § 35 AO.

107

d) Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt. Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Geschäftsführer der GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der GmbH, Herrn B, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ausdrücklich hingewiesen.

108

e) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.

109

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Pflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BFHE 160, 61, BStBl II 1990, 510; vom 01.08.1986 V B 79/84, BFH/NV 1988, 335).

110

Härten, die nicht mit der Zahlung vor endgültiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des ihr zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheides zusammenhängen, sondern die typischerweise mit der Vollziehung eines Bescheides als solcher verbunden sind, rechtfertigen die AdV nicht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 19.04.1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538). Nur solche Nachteile macht der Antragsteller jedoch geltend.

111

Im Übrigen rechtfertigt das Vorliegen einer Lohnpfändung für sich allein noch keine ordentliche Kündigung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG- vom 04.11.1981 7 AZR 264/79, BAGE 37, 64) und kann eine unbillige Härte grundsätzlich nicht allein in der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung liegen, bei der die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften - auch vom Drittschuldner - beachtet werden (Beschluss des FG München vom 15.03.2012 14 V 471/12, juris).

III.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO, da Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich sind.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. Es sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche Erwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den Erwerber handelnden Personen gefälschte Personalausweise vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der Personalausweise nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden Erkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als KP ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem Personalausweis ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der KP sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das FG zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem Lieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des Erwerbers auferlegt werden. Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den Erwerber ergeben hätten. Es stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. KP sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. Es sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen Existenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

11

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

12

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

13

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

14

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

16

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

17

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

18

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Folgendes:

19

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

20

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

21

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

22

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

23

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

24

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

25

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des FG auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

26

aa) Die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter II.3.b). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1966 II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, unter I., und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, unter II.1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als KP ausgab.

27

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als KP ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in Luxemburg erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

28

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

29

(1) Nach dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der BFH-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, Deutsches Steuerrecht 2013, 753, unter II.3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die EuGH-Rechtsprechung beachtend auszulegen ist.

30

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 69).

31

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der Kaufverträge, die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der Abnehmerseite ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. Sie lieferte am 22. Januar 2003 einen Porsche 911 Carrera 4S Coupe umsatzsteuerfrei zum Preis von ... € an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T mit Sitz in V. Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma S durch einen Bevollmächtigten bei der Klägerin abgeholt, der den Kaufpreis bar bezahlte. Als Abholer trat ein Herr mit dem Namen B auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung beinhaltet den handschriftlichen Vermerk "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" und ist mit dem Namen "B" unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ am 12. Juli 2004 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003, in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt ... € erhöhte. Das FA hat für den Umsatz mit T einen Umsatzsteuerbetrag von ... € und für einen weiteren, revisionsrechtlich nicht angegriffenen Geschäftsvorfall einen Betrag von ... € angesetzt. Die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an T beruht auf einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, nach der T ein Scheinunternehmen war, was nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

3

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage hinsichtlich der Lieferung des Porsche 911 Carrera an T unter Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... € statt und wies die Klage im Übrigen in dem revisionsrechtlich nicht angegriffenen Teil ab. Für die Lieferung des Porsche 911 Carrera an T seien zwar die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt, denn der Abnehmer --die T-- sei ein Nichtunternehmer ("Scheinunternehmer") gewesen. Gleichwohl sei die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG vorlägen.

5

Die Klägerin habe keine Zweifel am tatsächlichen Abholer haben müssen. Sie habe sich sämtliche Belege, die nach § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderlich seien, vorlegen lassen. Insbesondere habe sie den Belegnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV erfüllt. Danach sei der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu führen. Dies sei erfüllt, denn die Klägerin habe durch den Vermittler S einen Handelsregisterauszug betreffend der T vorgelegt. Damit verbunden sei eine Versicherung gewesen, dass das Fahrzeug nach Italien befördert werden solle. Diese Versicherung sei auch schriftlich und in deutscher Sprache erfolgt. Sie enthalte unter Bezugnahme auf den Handelsregisterauszug Name und Anschrift der T (Abnehmer) sowie eine mit Datum versehene Unterschrift des Abnehmers bzw. in diesem Fall des Bevollmächtigten B. Damit habe die Klägerin ihre Sorgfaltspflichten aus § 6a Abs. 4 UStG erfüllt. Soweit die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 2010 IV D 3-S 7141/08/10001, 2010/ 0334195 (BStBl I 2010, 508) in Tz. 32 die Auffassung vertrete, "die Unterschrift (müsse) ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen", sei dies unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im Streitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimme, könne deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Weitere Umstände, die einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG rechtfertigen könnten, seien im Streitfall nicht ersichtlich.

6

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des FG verstoße gegen § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Bei Barverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die Sorgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Umstände, dass ein hochwertiges Fahrzeug in bar veräußert werde und auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung bestehen, müssten den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen. In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt habe, seien alle Umstände einzubeziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511). Von diesen Rechtssätzen weiche das FG ab. Zum einen halte es den Umstand, dass die Unterschriften auf dem vom Abholer vorgelegten Personalausweis und der Verbringenserklärung auffällige Unterschiede aufwiesen, für unbeachtlich. Denn es habe den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vergleich der Unterschriften unverhältnismäßig sei. Zum anderen würdige das FG nicht alle Umstände. Es würdige insbesondere nicht, dass die Klägerin ein hochwertiges Fahrzeug veräußert habe, der Kaufpreis von ... € in bar entrichtet worden sei, die Vermittlung des Verkaufs des gebrauchten Fahrzeugs über die S erfolgt sei und S den Handelsregisterauszug des Abnehmers vorgelegt habe. Gerade diese Umstände hätten die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen müssen.

7

Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich daher nicht, weil die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle an Belegen, aus denen sich insbesondere der tatsächliche Abholer der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung und dessen Berechtigung leicht und einfach nachprüfbar habe entnehmen lassen.

8

Das FA beantragt,
das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S. von § 6a Abs. 1 UStG seien unstreitig nicht erfüllt, weil --wie sich später herausstellte-- es sich bei dem Kunden um einen Nichtunternehmer gehandelt habe. Die Klägerin habe die Unrichtigkeit der Angaben der Abnehmer auch bei Beachtung der größten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Der von dem FA zitierte Beschluss vom 6. November 2008 V B 126/07 (BFH/NV 2009, 234) behandle einen abweichenden Fall, in dem das betreffende Fahrzeug sofort zum selben Preis weiterverkauft worden und dies dem liefernden Unternehmer bekannt gewesen sei, so dass tatsächlich bei dem Lieferer der Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung aufkommen könne. Im Streitfall habe es jedoch keinen ähnlichen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.

11

Auch die Barzahlung des Kaufpreises sei nach der Erfahrung bei Exportgeschäften von Luxussportwagen nicht ungewöhnlich, sondern die Regel und die einzig praktikable Lösung bei Fahrzeugverkäufen ins Ausland. Gerade bei so mobilen Gegenständen wie Autos wolle der Verkäufer nicht das Risiko eines Forderungsausfalls tragen, sondern bestehe auf Barzahlung oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung; dies gelte gerade für Exportgeschäfte. Wenn das FA behaupte, dass eine "Barzahlung ungewöhnlich" sei und das Misstrauen der Klägerin habe wecken müssen, so sei diese Auffassung wirklichkeitsfremd.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich der zu beurteilenden Lieferung des Porsche 911 Carrera an T zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob für das Fahrzeug Porsche 911 Carrera die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.

13

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen sind.

14

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

15

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

16

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen
"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
"... 9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; vgl. nunmehr Art. 131, 138 f. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

21

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

22

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 14). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 14).

23

d) Im Streitfall fehlt es bereits am Nachweis, wer der wirkliche Abnehmer des PKW war. Nach den Feststellungen des FG war --was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- T lediglich ein Scheinunternehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG liegen daher nicht vor.

24

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anwendbar.

25

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28).

26

b) Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 234, unter 3.). Solche auffälligen Unterschiede liegen im Streitfall vor. Die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie --auf den ersten Blick erkennbar-- ganz erheblich ab.

27

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hält die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 508, Tz. 32; Abschn. 6a.3. Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und lässt den Umstand, dass die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht übereinstimmt, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, unzutreffend von vornherein außer Acht. Der Senat verkennt nicht, dass sich eine Unterschrift im Einzelfall im Laufe mehrerer Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes Bild als auf sonstigen Unterlagen haben kann. Diese Umstände rechtfertigen es entgegen der Ansicht des FG aber nicht, die auffälligen Unterschiede in den Unterschriften in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst miteinzubeziehen.

28

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben:

29

a) Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) ist gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen; diese sind steuerpflichtig. Die Ausnahme entspricht Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. c i.V.m. Art. 28c Teil A Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.1.). Anhaltspunkt für eine ggf. durchzuführende Differenzbesteuerung könnte insoweit der Eintrag eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von ... € in der Zeile "nicht auszuweisen im Rahmen der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG" im Kaufvertrag sein.

30

Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die Klägerin die streitbefangene Kfz-Lieferung im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hat. Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen eine Differenzbesteuerung, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
..."

31

Eine Differenzbesteuerung käme allerdings gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht zur Anwendung, wenn es sich um die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs i.S. des § 1b Abs. 2 und 3 UStG handelt. Dafür könnte --sofern der Kilometerstand in der "Verbindlichen Bestellung" des Fahrzeugs vom 20. Januar 2003 korrekt ausgewiesen ist-- der niedrige Kilometerstand sprechen. Widersprüchlich ist jedoch, dass nach den dortigen Angaben die gesamte km-Leistung laut Vorbesitzer 0 km und der km-Stand laut Zähler indes 4 500 km beträgt.

32

Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

33

b) Sofern die Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, stellt sich im Rahmen der nachfolgend zu prüfenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32).

34

Die Ausführungen des FG sind insoweit unzureichend, da es keine Feststellungen zu dem Bestimmungsort des Liefergegenstands Porsche 911 Carrera (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV) getroffen hat. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als Bestimmungsland den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73). Die Angaben in der Verbringenserklärung "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" sind insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt ist (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73) und auch nicht mit der im Bezug genommenen Kaufvertrag vom 21. Januar 2003 enthaltenen Unternehmensanschrift ohne Weiteres gleichzusetzen ist. Nach dem Urteil des BFH in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts zwar unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, Rz 29). Hierzu fehlen hinreichende Feststellungen. Die Frage des der Klägerin obliegenden Nachweises des Bestimmungsorts ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG (BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2).

35

c) An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf (hier ... €) mit "Beauftragten" zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b). In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, sind diese Umstände einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.4.b bb). Im Streitfall kommt hinzu, dass ein Vermittler zwischengeschaltet worden ist und die vermeintliche "Abnehmerin" T faktisch --außer auf dem Papier-- gar nicht in Erscheinung trat.

36

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Barzahlung des Kaufpreises sei bei Exportgeschäften von Luxussportwagen die Regel.

37

Der Senat verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Barzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012  3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne Barzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt. Die Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 29. April 2004 C-487/01 und C-7/02 --Gemeente Leusden und Holin Groep--, Slg. 2004, I-5337, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 --Mahagében und Dávid--, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 41; vom 6. September 2012 C-273/11 --Mecsek-Gabona--, UR 2012, 796, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 47; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103). Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 65; in BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 54; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 48 und 53 f.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 103).

38

bb) Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, DStR 2008, 1213, 1217; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Barverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.

39

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers können in diesen Fällen beispielsweise folgende Umstände begründen:

-       

Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteil des FG Köln vom 27. Januar 2005  10 K 1367/04, EFG 2005, 822);

-       

die Geschäftsanbahnung mit dem Unternehmer erfolgt durch einen von dem Abnehmer zwischengeschalteten Dritten und der Abnehmer tritt --außer auf dem Papier-- nicht in Erscheinung;

-       

die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.B. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z.B. der im Ausland ansässige Abnehmer hat eine Faxadresse im Inland.

40

Dagegen stellen im Regelfall keine Gründe für Zweifel an der Richtigkeit geringfügige, rein formale Versehen dar, wie z.B. ein bloßes Verschreiben auf der Verbringenserklärung.

41

4. Soweit das FA dem Revisionsantrag das Begehren hinzugefügt hat, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 12. Juli 2004 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Steuer ... € beträgt, versteht der Senat dies lediglich als ziffernmäßig bestimmte, klarstellende Wiederholung des Revisionsantrags der Klägerin. Denn von dem gestellten Revisionsantrag, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen, wird inhaltlich auch das mit der Revision verfolgte Ziel der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 12. Juli 2004 mitumfasst.

Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Voranmeldungszeiträume (VAZ) Juni 2009 bis Januar 2010, März 2010 und April 2010, November 2010 sowie März 2011 nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 480.568,22 € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

2

1. Der Antragsteller war ab dem 18.12.2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung von C in den X- Weg in Hamburg beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. 4).

3

2. Die GmbH reichte beim FA ab Mai 2009 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen ein und machte darin z. T. erhebliche Vorsteuerbeträge geltend, die teilweise zu Vorsteuerüberschüssen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) führten, teilweise die abzuführende Umsatzsteuersteuer entsprechend verringerten. Das FA erteilte in den Vergütungsfällen jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 5).

4

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom 05.11.2009 bis zum 18.01.2011 bei der GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Prüfungen holte der Prüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten D, E sowie die F GmbH & Co KG (F) ein.

5

a) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen G (Steufa G; RbA Bd. I Bl. 92 f.) teilte mit, Herr D sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Herr D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der GmbH in Hamburg, der H GbR in J und bei der K GmbH & Co KG in L. Der von Herrn D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

6

Herr D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in ... M über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

7

Der Umstand, dass Herr D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden.

8

b) Das FA N teilte mit, Herr E habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in N angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr E unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr E dem FA N mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn E ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr E nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).

9

c) Bezüglich der F erhielt der Prüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die F habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum 03.05.2007 der Geschäftsführer der F gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).

10

d) Dementsprechend erkannte der Prüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von Herrn D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt 143.246,49 €), Herrn E (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt 88.758,73 €) sowie F (VAZ Februar 2010, 5.438,69 €) ausgewiesene Vorsteuer nicht an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 04.03.2011 BpA Bl. 7 ff.).

11

4. a) Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der F in Höhe von 44.214,49 € für März 2010 und in Höhe von 36.392,33 € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).

12

b) Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über 5.933,51 € fällig gestellt. Die GmbH zahlte nicht.

13

c) Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16-23).

14

d) aa) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen Q (Steufa Q) die schriftliche Einlassung vom 18.05.2011 eines weiteren Lieferanten der GmbH, Herrn R, zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich Herr R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa Q dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in Q gekommen, eine Adresse, mit der er, Herr R ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal 500,00 €.

15

Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.

16

bb) Daraufhin erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Herrn R in Höhe von insgesamt 67.387,56 € mit dem Hinweis, Herr R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt. (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).

17

e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18).

18

f) Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2011 über 0,01 € fällig gestellt, die von der GmbH nicht bezahlt wurde.

19

5. Die GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:

20

"Hiernach steht der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.

21

Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, E und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen G in Sachen D, des Finanzamtes N in Sachen E und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Q in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Antragstellerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.

22

Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Antragstellerin aus den Rechnungen der F nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Antragstellerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der F mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Antragstellerin von der F (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Antragstellerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können...Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff. Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der F und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die F unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."

23

6. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Antragsteller mit, dass dessen Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum der Geschäftsführung durch den Kläger fällig geworden. Das FA bat den Antragsteller, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

24

7. Am 30.03.2012 wurde aufgrund des von der GmbH am 21.02.2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. S aus Hamburg zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).

25

8. Am 08.05.2012 erließ das FA gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Antragsteller für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt 480.568,22 € gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, weil er als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen sei.

26

Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.

27

In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Antragsteller hätte als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den vom Antragsteller verwalteten Mitteln der GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das Finanzamt seien von dem Antragsteller nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).

28

Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der Mitgeschäftsführer Herr B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22 R).

29

9. Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ein und beantragte AdV. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 - April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.

30

Nachdem das Finanzgericht Hamburg die Aussetzungsanträge abgelehnt habe, hätten er, der Antragsteller, und Herr B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten er und Herr B unverzüglich Insolvenz angemeldet.

31

Unabhängig hiervon habe die GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.

32

Vorsorglich beantrage er die AdV und die Aussetzung der Vollstreckung auch aus Gründen der Billigkeit, da Vollstreckungsmaßnahmen zu unbilliger Härte führen würden. Seine Einkommensverhältnisse - monatliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. H. v. 5.000,00 € brutto - seien dem FA bekannt.

33

10. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. S sämtliche der durch die GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).

34

11. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).

35

12. Der Antragsteller hat am 31.10.2013 bei Gericht AdV beantragt.

36

Er trägt zur Begründung seines Antrags vor:

37

Der Haftungsbescheid vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der GmbH, nicht aber um die Pflichtwidrigkeit und Haftung des Antragstellers. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb eine Pflichtverletzung des Antragstellers vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.

38

Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil bereits der GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zustehe. Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. Umsatzsteuergesetz (UStG) formal ordnungsgemäß. Darüber hinaus habe die GmbH dem FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mitgeteilt und belegt, dass sie von den besagten Lieferanten Kopien der Gewerbeanmeldung, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Ausweiskopien sowie Vollmachten u. Ä. erhalten habe. Der Lieferant E sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich zugegen gewesen und habe Herrn T, der sich durch eine notarielle Vollmacht legitimiert habe, als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt. Die Gelder seien auf das Konto des Lieferanten E überwiesen worden. Darüber hinaus seien die Lieferanten D und R bei der Geschäftsanbahnung und bei den Lieferungen selber persönlich zugegen gewesen und hätten Gelder persönlich entgegengenommen.

39

Der Antragsteller ist unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11) der Ansicht, der Vorsteuerabzug sei der GmbH zwingend zu gewähren gewesen. Das FA habe im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets argumentiert, die GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht. Nach der neueren höchstrichterlichen EuGH-Rechtsprechung sei es aber nicht Aufgabe und Pflicht des Steuerpflichtigen, Nachforschungen in diese Richtung anzustellen.

40

Das FA habe weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung eine konkrete Pflichtverletzung dargestellt, noch ausgeführt, weshalb es von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Begehungsweise ausgehe.

41

Weiter werde bestritten, dass es sich bei den Rechnungsausstellern der streitgegenständlichen Rechnungen um "Strohmänner" o. ä. gehandelt habe. Das FA habe den Sachverhalt insoweit nie vollständig aufgeklärt oder eigene Ermittlungen angestellt; vielmehr habe sich die Sachverhaltsaufklärung in Anfragen bei möglichen Wohnsitz- und Betriebsstättenfinanzämtern und Anfragen bei Ermittlungsbehörden beschränkt.

42

Auch wenn die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter formal bestandskräftig seien, so blieben sie dennoch materiell rechtswidrig.

43

Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0 % betrage. Der Antragsteller habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Finanzgerichts vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von 196.686,90 € (2009) und 70.414,28 € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.

44

Die GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die - bestrittenen - Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.

45

Schließlich hätte die Vollziehung des Haftungsbescheides für ihn, den Antragsteller, eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Er sei Arbeitnehmer. Sein monatliches Netto-Einkommen betrage 3.797,47 €. Er verfüge darüber hinaus über kein Vermögen. Unter Hinweis auf das Schreiben seines Arbeitgebers - der Fa. U GmbH mit Sitz im X-Weg in Hamburg - vom 02.12.2013 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 02.12.2013, FGA-Anlagenband), wonach ihm im Falle einer Lohnpfändung gekündigt werde, trägt der Antragsteller vor, Vollstreckungsmaßnahmen würden seine berufliche Existenz gefährden, ohne dass Aussicht auf Tilgung des festgesetzten Haftungsbetrages bestehe.

46

Der Antragsteller beantragt,

47

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bis zu einer Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache auszusetzen.

48

Das FA beantragt,

49

den Antrag abzulehnen.

50

Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff.):

51

Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller genannte Entscheidung des FG Düsseldorf stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.

52

Der Antragsteller habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Dadurch habe der Antragsteller seine Pflichten zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.

53

Der Hinweis des Antragstellers auf seine finanzielle Situation lasse keine unbillige Härte i. S. d. § 361 Abs. 2 AO erkennen.

54

Dem Gericht haben ein Band Haftungsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen sowie folgende Steuerakten der GmbH (St.-Nr. .../.../...): ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Betriebsprüfungsakten, Band I und II der Rechtsbehelfsakten und Band I und II der Klageakten.

II.

55

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

56

1. Der Antrag ist zulässig. Das FA hat über den vom Antragsteller mit Schreiben vom 14.05.2012 gestellten AdV-Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden, so dass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.

57

2. Er hat aber in der Sache aber keinen Erfolg.

58

Nach Maßgabe der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf Grundlage präsenter Beweismittel sind die Voraussetzungen für eine AdV nicht erfüllt. An der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 08.05.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bestehen im Hinblick auf die Umsatzsteuerschulden sowie steuerlichen Nebenleistungen keine ernstlichen Zweifel.

59

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

60

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind nach der Rechtsprechung des BFH zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschlüsse vom 21.11.2013 II B 46/13, BFH/NV 2014, 269; vom 11.07.2013 XI B 41/13 BFH/NV 2013, 1647; vom 12.12.2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272).

61

a) Das FA hat den Antragsteller zu Recht als Geschäftsführer nach § 69 i. V. m. § 34 AO für von der GmbH zu Unrecht nach § 15 UStG gezogene Vorsteuern sowie nicht gezahlte Umsatzsteuer in Haftung genommen.

62

aa) Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (BFH-Urteil vom 28.06.2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

63

Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

64

bb) Der Antragsteller war als eingetragener Geschäftsführer der GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.

65

cc) Der Antragsteller hat als Geschäftsführer der GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften der Herren D, E und R sowie der F die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aaa) und bbb)) sowie die sich für die Monate November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (ccc)).

66

Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Antragstellers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.

67

Die durch den Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs (oben I. 12.) greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen. Den Antragsteller trifft aber auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG.

68

An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11, BFH/NV 2012, 1404). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung der Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Vorliegend hätte der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH nämlich zumindest wissen müssen, dass die genannten Eingangsrechnungen zur Verschleierung des tatsächlich Leistenden und somit zur Begehung einer Steuerhinterziehung benutzt wurden und daher der GmbH der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen nicht zustand.

69

aaa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.

70

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).

71

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).

72

Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).

73

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

74

a) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass die Herren D, E und R sowie die F lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.

75

Im Einzelnen:

76

Bezüglich Herrn D beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa G (oben I. 3. a)).

77

Hinsichtlich Herrn R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben (oben I. 4. d)aa)). Der Senat hat - in Kenntnis dessen, dass es sich insoweit um die Angaben eines Beschuldigten in einem Steuerstrafverfahren handelte, der naturgemäß ein Interesse daran hat, seinen eigenen Tatbeitrag als möglichst gering darzustellen - keine Zweifel an den Angaben von Herrn R. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht insbesondere, dass er kurz nach seiner steuerlichen Anmeldung im Juli 2009 (vgl. RbA Bd. I Bl. 68) gegenüber der GmbH in nur drei Monaten (November 2009 bis Januar 2010) über Lieferungen zu 760.307,29 € netto zzgl. 144.458,38 € USt abgerechnet hat und diese Zahlungen bar geflossen sein sollen (vgl. Mitteilung der Steufa Q vom 08.08.2011, RbA Bd. I Bl. 69).

78

Hinsichtlich Herrn E beruht diese Überzeugung auf der Mitteilung des FA N vom 10.06.2010 (oben I. 3. b)). Für die Schlussfolgerung, dass Herr E nicht selbst die abgerechneten Lieferungen erbracht hat und er sich diese auch (steuerlich) nicht zurechnen lassen wollte, spricht insbesondere der Umstand, dass Herr E unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei dem FA N gegenüber der GmbH in den Monaten November und Dezember 2009 über Lieferungen in einer Bruttogesamthöhe von 555.909,93 € abgerechnet hat und diese Rechnungsbeträge bis auf eine Überweisung über 115.103,94 € (RbA Bd. I Bl. 78) in bar abgewickelt worden sein sollen.

79

Bezüglich der F beruht die Überzeugung zum einen auf der Feststellung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (oben I. 3. c)). Zum anderen steht aufgrund der bereits durch das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 aufgeführten offensichtlichen Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten (oben I. 5.) zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich insoweit um Kopien von gefälschten Dokumenten handelt. Die Verwendung von derartigen Dokumenten und Rechnungsvordrucken ist nur dann sinnvoll, wenn damit die tatsächliche Leistungserbringung durch einen anderen verschleiert werden soll.

80

Weder der Antragsteller noch die GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom 04.03.2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Es sind keine ergänzenden Nachweise vorgelegt worden, dass die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich die gegenüber der GmbH abgerechneten Leistungen erbracht haben.

81

ß) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass für den Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten vorlagen, aufgrund derer er verpflichtet war, sich über die Person des tatsächlichen Leistungserbringers zu vergewissern.

82

Zwar hat die GmbH im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bezüglich aller streitigen Rechnungsausteller Unterlagen vorgelegt, insbesondere Gewerbeanmeldungen, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen u. ä., und vorgetragen, sie habe keinen Anlass gehabt, zu vermuten, dass die Rechnungsaussteller nicht die tatsächlichen Lieferanten seien oder ihre eigenen steuerlichen Pflichten nicht erfüllen würden.

83

Im Hinblick auf die für die F vorgelegten gefälschten Unterlagen ergibt sich ohne weiteres, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass die F auch die tatsächliche Leistungserbringerin war. Der Senat ist davon überzeugt, dass für den Antragsteller auch ohne eingehende Prüfung ersichtlich war, dass es sich bei den Dokumenten um die Kopien von Fälschungen handelte.

84

Auch bezüglich der Herren D, E und R ergibt sich aus den Feststellungen der Steuerfahndungsstellen Q und G bzw. des FA N, dass ein Anlass für den Antragsteller bestand, an der Lieferanteneigenschaft der Rechnungsaussteller zu zweifeln. Alle drei Personen traten unmittelbar nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit gegenüber der GmbH als Lieferanten von sehr großen Mengen an Metall/Schrott gegen Barzahlung von fünf- und sechsstelligen €-Beträgen auf. Die Herren D und R hatten keine Kenntnisse vom Metallhandel und ebenso wie Herr E gar nicht die notwendige Anzahl von Fahrzeugen zur Anlieferung der berechneten Metalllieferungen. Dafür, dass sie entsprechende Subunternehmer beauftragt hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor und wurden von dem Antragsteller auch keine vorgetragen.

85

Hinsichtlich Herrn R ist der Senat darüber hinaus davon überzeugt, dass er als langjähriger Drogenabhängiger mit einem täglichen Heroinkonsum von 2,5 g gar nicht den Eindruck vermittelt haben kann, er könne die Lieferungen selbst ausführen.

86

Hinzu kommt, dass Herr R und Herr D - wie der Antragsteller gegenüber dem Betriebsprüfer bestätigte (KlA Bl. 27) - stets in Begleitung bei der GmbH auftraten und sich Herr E durch seinen Generalbevollmächtigten vertreten ließ, so dass bereits aufgrund dieses Auftretens in Zweifel zu ziehen war, ob die Rechnungsaussteller auch die tatsächlich Leistenden waren.

87

bbb) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen (oben I. 3. a) - c), 4. d)aa)).

88

Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteil vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U; juris), kann dahingestellt bleiben, da der Antragsteller aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.

89

ccc) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Antragsteller seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.

90

dd) Der Antragsteller hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.

91

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).

92

aaa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Antragsteller nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände bestand für ihn die Obliegenheit, sich über die Richtigkeit der in einer Rechnung angegebenen Geschäftsdaten zu vergewissern. Gerade bezüglich der Einkäufe bei der F mit angeblichem Geschäftssitz in der Y-Straße in ... Hamburg wäre es aufgrund der räumlichen Nähe zu der angegebenen Anschrift und der hohen Anzahl der getätigten Ankäufe auch zumutbar gewesen, sich vor Ort von der Richtigkeit der angegebenen Adresse zu vergewissern. Hätte oder hat der Antragsteller dies getan, hätte oder hat er gesehen, dass die F dort nicht ihren Sitz hatte.

93

bbb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von 5.933,51 € sowie März 2011 in Höhe von 0,01 € hätte der Antragsteller hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen (oben 2. a)).

94

ee) Auch die Inanspruchnahme des Antragstellers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.

95

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

96

aaa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 06.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).

97

bbb) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

98

Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

99

Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

100

Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Der Antragsteller hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

101

ccc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO).

102

b) Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Antragsteller (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

103

c) Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Antragsteller vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Antragsteller ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.

104

Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Antragstellers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Antragstellers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

105

Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Antragsteller zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Antragsteller zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulen betraf, für die der Antragsteller in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).

106

Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Antragsteller seine Pflicht als Geschäftsführer der GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern einzustehen, § 35 AO.

107

d) Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt. Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Geschäftsführer der GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der GmbH, Herrn B, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ausdrücklich hingewiesen.

108

e) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.

109

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Pflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BFHE 160, 61, BStBl II 1990, 510; vom 01.08.1986 V B 79/84, BFH/NV 1988, 335).

110

Härten, die nicht mit der Zahlung vor endgültiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des ihr zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheides zusammenhängen, sondern die typischerweise mit der Vollziehung eines Bescheides als solcher verbunden sind, rechtfertigen die AdV nicht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 19.04.1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538). Nur solche Nachteile macht der Antragsteller jedoch geltend.

111

Im Übrigen rechtfertigt das Vorliegen einer Lohnpfändung für sich allein noch keine ordentliche Kündigung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG- vom 04.11.1981 7 AZR 264/79, BAGE 37, 64) und kann eine unbillige Härte grundsätzlich nicht allein in der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung liegen, bei der die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften - auch vom Drittschuldner - beachtet werden (Beschluss des FG München vom 15.03.2012 14 V 471/12, juris).

III.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO, da Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich sind.

Tenor

1. Die Umsatzsteuer für 2006 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65/100, der Beklagte zu 35/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob von der Klägerin getätigte Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerbefreit sind.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u.a. der Handel mit Kraftfahrzeugen (KFZ).

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2006 errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem negativen Betrag von 229.604,86 €; hierbei behandelte sie u.a. die Lieferungen von 12 KFZ als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA-) setzte die Umsatzsteuer für 2006 mit gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 28. Januar 2008 auf den negativen Betrag von 226.724,86 € fest.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 20. Februar 2008 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 auf den negativen Betrag von 229.604,86 € fest.

Im Anschluss an eine Außenprüfung (Bericht vom 19. Februar 2010) setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 182.290,34 € fest, behandelte u.a. die og. 12 Fahrzeuglieferungen als steuerpflichtig und erhöhte dementsprechend die steuerpflichtigen Umsätze um den Betrag von 340.231 €.

Zur Begründung verwies das FA auf eine Stellungnahme des an der Außenprüfung beteiligten Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009, wonach der Beleg- und Buchnachweis für og. Lieferungen nicht geführt worden sei. So sei bei den von den Abnehmern angeblich abgeholten Fahrzeugen der Bestimmungsort der Lieferungen nicht aufgezeichnet worden, sondern lediglich von den Abholern bestätigt worden, dass die jeweiligen Fahrzeuge "aus Deutschland ausgeführt" bzw. "nach Spanien verbracht" würden, ohne einen Bezug zu den Rechnungsadressen der Abnehmer herzustellen. Bei den an die Abnehmer angeblich versandten Fahrzeugen hätten die Abnehmer den Empfang der Fahrzeuge nicht in Feld 24 der CMR-Frachtbriefe bestätigt.

Am 23. April 2010 erhob die Klägerin gegen den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid Sprungklage, der das FA nicht zugestimmt hat, die am 8. Juni 2010 zur Behandlung als Einspruch an das FA abgegeben wurde und über den das FA nicht entschieden hat.

Am 28. Februar 2011 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass den einzelnen Rechnungen und weiteren Belegen der jeweilige Bestimmungsort zu entnehmen sei und die jeweiligen Abnehmer bzw. Abholer den Export in die jeweiligen Bestimmungsländer bestätigt hätten. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lägen für die streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen demzufolge vor. Ein Vergleich des Schriftbildes der auf den Verbringensbestätigungen mit den Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer sei zudem nicht zulässig, da nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten der Länder das Anfertigen der Kopie eines Personalausweises gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für 2006 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 229.218,34 € festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

nach Maßgabe des Zugeständnisses in der mündlichen Verhandlung die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des FA vom 18. März 2011, 1. Juni 2011, 18. April 2013, 26. Juni 2013, 24. Januar 2012 sowie 24. Januar 2014 verwiesen.

Mit Anordnung vom 10. Juni 2013 (zugestellt am 17. Juni 2013) wurde die Klägerin gem. § 79 b Abs. 2 FGO unter Fristsetzung zum 19. Juli 2013 aufgefordert, bezüglich der für das Streitjahr erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Aufzeichnungen im Sinne des § 17c UStDV (Buchnachweis) im Original vorzulegen sowie darzulegen, wann diese Aufzeichnungen erstellt wurden, die Belege im Sinne des § 17a UStDV (Belegnachweis) im Original vorzulegen, die diesen Lieferungen zugrunde liegenden Kaufverträge sowie Geschäftskorrespondenz im Original vorzulegen sowie Zahlungsnachweise für die Vereinnahmung der vereinbarten Entgelte im Original vorzulegen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

1. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) nachzuweisen.

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957 m.w.N.).

2. Hinsichtlich der folgenden streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen hat das FA das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit in der mündlichen Verhandlung anerkannt. Die Bezeichnung der einzelnen Fahrzeuglieferungen orientiert sich nachfolgend an der von der Klägerin in den vorgelegten Originalunterlagen vorgenommenen Auflistung (A1 – L1) sowie der Auflistung in der Stellungnahme des Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009 (Nr. 1-18).

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1001859 vom 15. März 2006, MB SLK350, 38.000 €, Fall A1 bzw. Nr. 3)

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1002817 vom 26. Juli 2006, MB A180CDI, 18.300 €, Fall B1 bzw. Nr. 4)

  • ·Lieferung an V. S.L., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1001818 vom 9. März 2006, MB C220CDI, 20.000 €, Fall E1 bzw. Nr. 11)

  • ·Lieferung an D. SL U., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1002598 vom 30. Juni 2006, MB A180CDI, 15.500 €, Fall G1 bzw. Nr. 13)

  • ·Lieferung an A. SA, , L- Luxemburg (Rechnung Nr. 1004064 vom 30. Juni 2006, MB SLK200 Kompressor, 25.775 €, Fall L1 bzw. Nr. 18)

3. Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat den Belegnachweis nicht erbracht.

a) Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1003173 vom 4. Oktober 2006, MB A170CDI, 11.600 €, Fall C1 bzw. Nr. 5)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 UStDV in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, den Nachweis hierüber führen durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1. UStDV. Gem. § 10 Abs. 1 Nummer 1 UStDV soll der Unternehmer den Nachweis regelmäßig führen durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief.

In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Vollmacht sowie Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. TTI in, F- H. bevollmächtigt hat. Letzteres hat auch die mündliche Verhandlung ergeben. Der Versendungsbeleg ist daher unrichtig.

b) Lieferung an Fa. L., H- Budapest (Rechnung Nr. 1001690 vom 24. Februar 2006, MB ML320CDI, 48.000 €, Fall D1 bzw. Nr. 10)

Bei dieser Lieferung kann es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Beförderungs- oder eine Versendungslieferung handeln. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 Nummer 4 UStDV in den Fällen, in denen der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis hierüber führen durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Dieser Nachweis kann auch bei einer Versendungslieferung zulässig sein (§ 17 a Abs. 4 Satz 2 UStDV). Der Belegnachweis setzt dabei aber voraus, dass derjenige, der den Gegenstand (Fahrzeug) tatsächlich abholt (der Abnehmer oder sein Beauftragter) versichern muss, diesen in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 2011 V B 102/10 BFH/NV 2011, 1930).

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das KFZ "ordnungsgemäß aus Deutschland auszuführen" und bevollmächtigte Herrn F., im europäischen Raum Fahrzeuge aller Art und Baustoffe sowie Waren aller Art einzukaufen.

Die vorgelegte Verbringensbestätigung ist jedoch nicht datiert. Zudem ist unklar, ob sie vom angeblichen tatsächlichen Abholer F., wohnhaft in A- Wels-Land, ausgefüllt wurde, wogegen spricht, dass sie mit einem Firmenstempel des angeblichen Abnehmers versehen ist. Zudem ist die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung aufgrund einer Überstempelung nicht leserlich, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Es fehlt daher an einem ordnungsmäßigen Belegnachweis.

Ein Berücksichtigung der Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin bereits deshalb nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz, da sie offensichtlich mit Einwilligung der Passinhaber angefertigt wurden (§ 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz). Zudem verkennt die Klägerin, dass sie zur Erlangung der Steuerbefreiung den Nachweis der Richtigkeit der gesetzlich geforderten Verbringensbestätigungen zu erbringen hat. Eine Nichtberücksichtigung der Passkopien hätte jedoch zur Folge, dass die vorgelegten Verbringensbestätigungen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden könnten, so dass die Steuerbefreiung gleichfalls zu versagen wäre.

c) Lieferung an R, P- (Rechnung Nr. 1001966 vom 31. März 2006, MB SLK200K, 29.656 €, Fall F1 bzw. Nr. 12)

Es fehlt wiederum am Belegnachweis. Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn Z. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers Z., wohnhaft in  Tn., und eine Empfangsbestätigung (§ 17 A Abs. 2 Nr. 3 u. 4 UStDV) wurden jedoch nicht vorgelegt.

Ferner wurde die Bestätigung nicht bei der tatsächlichen Abholung des Fahrzeugs erteilt, sondern – wie aus dem Vermerk unten auf der Bestätigung ersichtlich – zugefaxt.

d) Lieferung an R., P- (Rechnung Nr. 1003046 vom 1. September 2006, MB A160CDI, 14.200 €, Fall H1 bzw. Nr. 14)

Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn S. Abholvollmacht.

Die Unterschrift des angeblichen Abholers S., wohnhaft in der G-Str. in K. auf der Verbringensbestätigung weicht jedoch erkennbar von der Unterschrift in seiner vorgelegten Passkopie ab, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung tatsächlich vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Das Gericht kann daher keinen ordnungsgemäßen Belegnachweis erkennen.

e) Lieferung an C.SL, E- F. (Rechnung Nr. 1003218 vom 13. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 48.300 €, Fall I1 bzw. Nr. 15)

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen und bevollmächtigte mit weiterem Schreiben Herrn H., (26)/Frankreich zur Abholung für den "Export nach Spanien".

Die vorgelegte Verbringensbestätigung wurde ausweislich des aufgebrachten Firmenstempels sowie der Unterschrift vom Abnehmer ausgefüllt. Eine Verbringensbestätigung des tatsächlichen Abholers wurde jedoch nicht vorgelegt, dieser bestätigte lediglich ohne Datumsangabe auf der vorgelegten Rechnung, das Fahrzeug erhalten zu haben. Der Belegnachweis ist daher nicht vollständig erbracht.

f) Lieferung an P LDA, P- (Rechnung Nr. 1003306 vom 26. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 49.500 €, Fall J1 bzw. Nr. 16)

Der angebliche Abnehmer, vertreten durch einen Herrn AP bestätigte zwar ohne Datumsangabe, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen. Ein Herr F., Halle 23, erteilte Herrn K., K. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers K. wurde jedoch nicht vorgelegt.

g) Lieferung an C. , E-3 (Rechnung Nr. 1003368 vom 31. Oktober 2006, MB E220CDI, 21.400 €, Fall K1 bzw. Nr. 17)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. E. Autotransporte GmbH, Sg bevollmächtigt hat.

4. Die Klägerin hat auch nicht auf sonstige Weise nachgewiesen, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen und die streitgegenständlichen Fahrzeuge aufgrund ihrer Lieferungen in das Gemeinschaftsgebiet gelangt sind. Ein derartiger Nachweis, etwa durch eine Bestätigung, dass die Fahrzeuge in einem anderen Mitgliedsstaat zeitnah auf ihre Abnehmer straßenverkehrsrechtlich zugelassen wurden, wurde nicht vorgelegt.

Es ist jedoch Sache des Lieferanten der Gegenstände, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind. Dabei sind die Finanzbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Versand oder die Beförderung von Gegenständen im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung beginnt, nicht verpflichtet, die Behörden des vom Lieferanten angegebenen Bestimmungsmitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen, ob die Gegenstände tatsächlich in den Bestimmungsmitgliedstaat verbracht worden sind (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-184/05 Twoh, Slg. 2007, I-07897).

5. Die Lieferung ist auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt dabei voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863).

c) Im Streitfall hat die Klägerin jedoch hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen F1, I1 und J1 den Belegnachweis nicht geführt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen C1 und K1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass das Feld 2 der CMR-Frachtbriefe falsche Angaben zum Auftraggeber enthielt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen D1 und H1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung von der Unterschrift in der Passkopie abweicht (s.o.). Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863)

6. Die Umsätze zum Regelsteuersatz sind gegenüber dem angegriffenen Umsatzsteuerbescheid um den Nettobetrag der vom FA im vorliegenden Verfahren als steuerfrei anerkannten Fahrzeuglieferungen (101.357,76 €) herabzusetzen. Die Umsatzsteuer für 2006 ist somit auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festzusetzen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

8. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Revisionsgründe vorliegt.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Die Steuer ist, soweit nicht § 20 gilt, nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 auszugehen, soweit für sie die Steuer in dem Besteuerungszeitraum entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Der Steuer sind die nach § 6a Abs. 4 Satz 2, nach § 14c sowie nach § 17 Abs. 1 Satz 6 geschuldeten Steuerbeträge hinzuzurechnen.

(1a) Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer von § 18 Abs. 4c Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 3a Abs. 5 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1b) Macht ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer (§ 13b Absatz 7 Satz 2) von § 18 Absatz 4e Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 3a Absatz 5 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1c) Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer von § 18i Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1d) Macht ein Unternehmer von § 18j Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates und der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, sowie der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates, der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3 und der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1e) Macht ein Unternehmer oder ein in seinem Auftrag handelnder Vertreter von § 18k Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum der Kalendermonat. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2 und § 3c Absatz 2 und 3, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2 und § 3c Absatz 2 und 3 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(2) Von der nach Absatz 1 berechneten Steuer sind vorbehaltlich des § 18 Absatz 9 Satz 3 die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen. § 15a ist zu berücksichtigen.

(3) Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so tritt dieser Teil an die Stelle des Kalenderjahres.

(4) Abweichend von den Absätzen 1, 2 und 3 kann das Finanzamt einen kürzeren Besteuerungszeitraum bestimmen, wenn der Eingang der Steuer gefährdet erscheint oder der Unternehmer damit einverstanden ist.

(5) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, wird die Steuer, abweichend von Absatz 1, für jeden einzelnen steuerpflichtigen Umsatz durch die zuständige Zolldienststelle berechnet (Beförderungseinzelbesteuerung), wenn eine Grenze zum Drittlandsgebiet überschritten wird. Zuständige Zolldienststelle ist die Eingangszollstelle oder Ausgangszollstelle, bei der der Kraftomnibus in das Inland gelangt oder das Inland verlässt. Die zuständige Zolldienststelle handelt bei der Beförderungseinzelbesteuerung für das Finanzamt, in dessen Bezirk sie liegt (zuständiges Finanzamt). Absatz 2 und § 19 Abs. 1 sind bei der Beförderungseinzelbesteuerung nicht anzuwenden.

(5a) Beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in § 1a Abs. 1 Nr. 2 genannten Personen ist die Steuer abweichend von Absatz 1 für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen (Fahrzeugeinzelbesteuerung).

(5b) Auf Antrag des Unternehmers ist nach Ablauf des Besteuerungszeitraums an Stelle der Beförderungseinzelbesteuerung (Absatz 5) die Steuer nach den Absätzen 1 und 2 zu berechnen. Die Absätze 3 und 4 gelten entsprechend.

(6) Werte in fremder Währung sind zur Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuerbeträge auf Euro nach den Durchschnittskursen umzurechnen, die das Bundesministerium der Finanzen für den Monat öffentlich bekanntgibt, in dem die Leistung ausgeführt oder das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vor Ausführung der Leistung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4) vereinnahmt wird. Ist dem leistenden Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gestattet (§ 20), so sind die Entgelte nach den Durchschnittskursen des Monats umzurechnen, in dem sie vereinnahmt werden. Das Finanzamt kann die Umrechnung nach dem Tageskurs, der durch Bankmitteilung oder Kurszettel nachzuweisen ist, gestatten. Macht ein Unternehmer von § 18 Absatz 4c oder 4e oder den §§ 18i, 18j oder 18k Gebrauch, hat er zur Berechnung der Steuer Werte in fremder Währung nach den Kursen umzurechnen, die für den letzten Tag des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1, Absatz 1b Satz 1, Absatz 1c Satz 1, Absatz 1d Satz 1 oder Absatz 1e Satz 1 von der Europäischen Zentralbank festgestellt worden sind. Sind für die in Satz 4 genannten Tage keine Umrechnungskurse festgestellt worden, hat der Unternehmer die Steuer nach den für den nächsten Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1, Absatz 1b Satz 1, Absatz 1c Satz 1, Absatz 1d Satz 1 oder Absatz 1e Satz 1 von der Europäischen Zentralbank festgestellten Umrechnungskursen umzurechnen.

(7) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten § 11 Abs. 5 und § 21 Abs. 2.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

Tatbestand

1

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den das beklagte Finanzamt (FA) den Kläger als Geschäftsführer der A ... GmbH (A GmbH) neben dem weiteren Geschäftsführer B als Gesamtschuldner für Umsatzsteuerschulden der A GmbH nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt ... € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

I.

2

1. Der Kläger war ab dem ... 2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten A GmbH, die zunächst in ... ansässig war. Gegenstand des Unternehmens war der "Handel mit Waren aller Art, insbesondere Vertrieb von Altmetallen und Metallschrott und ähnlichen Wertstoffen" (Betriebsprüfungsarbeitsakte -BpAA- Bd. II Bl. 16). Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung in die Straße-1 ... in C beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. ...).

3

2. Die A GmbH reichte beim FA ab dem Voranmeldungszeitraum (VAZ) Mai 2009 Umsatzsteuervoranmeldungen ein und meldete darin folgende Umsätze und Vorsteuerbeträge an (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 59:

...

4

Das FA erteilte in den Vergütungsfällen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus.

5

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom ... 2009 bis zum ... 2011 bei der A GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Betriebsprüfung wurden u. a. folgende Feststellungen getroffen/Auskünfte eingeholt/Unterlagen vorgelegt:

6

a) Am 17.06.2009 bestand ein Kassenfehlbestand in Höhe von ... € (BpAA Bd. I Bl. 130).

7

b) aa) Im Rahmen der Prüfung holte der Betriebsprüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger der von der A GmbH bezogenen Warenlieferungen ein, u. a. auch bezüglich der hier streitbefangenen Rechnungen/Gutschriften von/an

- D, Straße-2 Nr. ..., E,
- F, Straße-3 ..., G, sowie
- der Fa. H GmbH & Co KG (H), Straße-4 ..., C (BpAA Bd. I Bl. 142 ff.; BpAA Bd. III Bl. 39 ff., 72 ff.).

8

bb) Die A GmbH hatte die in den Rechnungen/Gutschriften der vorgenannten Rechnungsaussteller gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen/Gutschriften (BpAA Bd. I Bl. 142 ff., Bd. II Bl. 91 f., Bd. III Bl. 39 ff., RbA Bd. I Bl. 56 ff.):

...

...

...

9

cc) Der Kläger, dessen Aufgabe es laut interner, nicht schriftlich fixierter Absprache mit Herrn B war, sich um die geschäftlichen Unterlagen sowie die Vorbereitung der Buchhaltung und die Zusammenarbeit mit der Steuerberaterin zu kümmern, hatte sich folgende Unterlagen der Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger zum Nachweis der jeweiligen Unternehmereigenschaft vorlegen lassen und entsprechende Kopien zu den Unterlagen der A GmbH genommen:

10

aaa) bezüglich Herrn D:
- Nachweis der Eintragung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) des FA J vom ... 2009 (BpAA Bd. I Bl. 171)
- steuerliche Bescheinigung für die Erteilung einer Erlaubnis nach der GewO des FA J vom ... 2009 (BpAA Bd. I Bl. 172)
- Reisegewerbekarte vom ... 2009 (BpAA Bd. I Bl.173 f.)
- Personalausweis (BpAA Bd. I Bl. 175)

11

bbb) bezüglich Herrn F:
- Bescheinigung des FA G vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 86)
- Bescheid des Bundeszentralamtes für Steuern über Zuteilung der USt-Identifikationsnummer vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 87)
- Gewerbeanmeldung vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 89)
- notarielle Handlungsvollmacht für Herrn K vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 102 ff.)
- Handlungsvollmacht für Herrn K vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 107)
- ... (BpAA Bd. III Bl. 105 f.)

12

ccc) bezüglich der Fa. H:
- Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des FA C-... vom ... 2009 (RbA Bd. I Bl. 73)
- Gewerbeanmeldung vom ... 2002/... 2002 (RbA Bd. I Bl. 74)

13

dd) Hinsichtlich der Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger wurden von den angefragten Finanzämtern/Steuerfahndungsstellen folgende Ermittlungs(zwischen)ergebnisse mitgeteilt:

14

aaa) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen L (Steufa L) teilte bezüglich dem - durch das Gericht am 24.06./25.06.2014 schriftlich vernommenen - Zeugen D mit, er sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Der Zeuge D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der A GmbH in C, der M Recycling GbR in ... und bei der N GmbH & Co KG in ... Der von dem Zeugen D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

15

Der Zeuge D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in E über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

16

Der Umstand, dass der Zeuge D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden (RbA Bd. I Bl. 92 f.).

17

bbb) Das FA G teilte bezüglich Herrn F mit, er habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in G angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr F unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr F dem FA G mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn F ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr F nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).

18

ccc) Bezüglich der Fa. H erhielt der Betriebsprüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die H habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die A GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum ... 2007 der Geschäftsführer der H gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).

19

ee) Dementsprechend erkannte der Betriebsprüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von dem Zeugen D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt ... €), Herrn F (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt ... €) sowie der Fa. H (VAZ Februar 2010; ... €) ausgewiesene Vorsteuer nicht zum Abzug an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom ... 2011 BpA Bl. 7 ff.).

20

c) aa) Laut Kassenbuch der A GmbH wurden im Juli 2009 neben den Zahlungen an den Zeugen D in Höhe von insgesamt ... € weitere Barzahlungen (inkl. einer Bankeinzahlung über ... €) in Höhe von ... € geleistet (BpAA Bd. I Bl. 140 f.).

21

bb) Laut Kassenbuch der A GmbH wurden im August 2009 neben den Zahlungen an den Zeugen D in Höhe von insgesamt ... € weitere Barzahlungen (inkl. einer Bankeinzahlung über ... €) in Höhe von ... € geleistet (BpAA Bd. I Bl. 149 ff.).

22

cc) Laut Kassenbuch der A GmbH wurden im September 2009 neben den Zahlungen an den Zeugen D in Höhe von insgesamt ... € weitere Barzahlungen (inkl. einer Bankeinzahlung über ... €) in Höhe von ... € geleistet (BpAA Bd. I Bl. 158 f.).

23

4. Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der A GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der Fa. H in Höhe von ... € für März 2010 und in Höhe von ... € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).

24

5. Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über ... € fällig gestellt. Die A GmbH zahlte nicht.

25

6. Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die VAZ Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16 - 23).

26

7. a) Die A GmbH verbuchte im Zeitraum November 2009 bis Januar 2010 Gutschriften (November und Dezember 2009) und Rechnungen (Januar 2010) von/an Herrn R, Straße-5 ..., S, gewinnmindernd und machte die in den folgenden Gutschriften/Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend (BpAA Bd. IV Bl. 5 - 12):
...

27

b) Der Kläger hatte sich folgende Unterlagen von dem - in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2014 vernommenen - Zeugen R zum Nachweis seiner Unternehmereigenschaft vorlegen lassen und entsprechende Kopien zu den Unterlagen genommen:

- steuerliche Bescheinigung des FA S-... vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 90)
- Gewerbeanmeldung vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 91)
- Kopie der Vorderseite des Personalausweises (BpAA Bd. III Bl. 93)

28

c) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen S (Steufa S) die schriftliche Einlassung des Zeugen R vom 18.05.2011 zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich der Zeuge R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa S dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in S gekommen, eine Adresse, mit der er, der Zeuge R, ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal ... €.

29

Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.

30

d) Aufgrund dieser Mitteilung erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den VAZ Januar 2010 und versagte dabei der A GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Zeugen R in Höhe von insgesamt ... € mit dem Hinweis, der Zeuge R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).

31

e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18). Dabei versagte es hinsichtlich der im November und Dezember in den dem Zeugen R erteilten Gutschriften ausgewiesenen Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt ... € den Vorsteuerabzug (KlA Bl. 20R).

32

8. Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den VAZ März 2011 über ... € fällig gestellt, die von der A GmbH nicht bezahlt wurde.

II.

33

Die A GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:

34

 "Hiernach steht der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.

35

Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, F und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen L in Sachen D, des Finanzamtes G in Sachen F und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen S in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Klägerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.

36

Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Klägerin aus den Rechnungen der H nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Klägerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der H mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Klägerin von der H (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Klägerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können... Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der H und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die H unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."

III.

37

1. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Kläger mit, dass seine Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der A GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum seiner Geschäftsführung fällig geworden. Das FA bat den Kläger, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

38

2. Am ... 2012 wurde aufgrund des von der A GmbH am ... 2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. T aus C zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).

39

3. Am ... 2012 erließ das FA gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Kläger für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der A GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt ... € gemäß § 69 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, mit der Begründung, er sei als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen.

40

Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.

41

In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Klägers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Klägers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Kläger habe als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der A GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den von dem Kläger verwalteten Mitteln der A GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das FA seien von dem Kläger nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).

42

Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der andere Mitgeschäftsführer B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22R).

IV.

43

1. Der Kläger legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom ... 2012 ein. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 bis April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.

44

Nachdem das FG Hamburg die Anträge auf AdV mit Beschluss vom 12.01.2012 abgelehnt habe, habe er gemeinsam mit Herrn B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten sie unverzüglich Insolvenz angemeldet.

45

Unabhängig hiervon habe die A GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.

46

2. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. T sämtliche der durch die A GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).

47

3. Mit Einspruchsentscheidung vom ... 2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).

V.

48

Der Kläger hat am ... 2013 bei Gericht Klage erhoben.

49

1. Er trägt zur Begründung der Klage vor, dem Haftungsbescheid fehle eine ausreichende Begründung (a)), der A GmbH stehe der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen/Gutschriften zu (b)), so dass er auch keinen Pflichtenverstoß gegangen habe (c)). Schließlich habe das FA den Quotenschaden unzutreffend ermittelt (d)) und das ihm eingeräumt Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt (e)):

50

a) Der Haftungsbescheid vom ... 2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der A GmbH, nicht aber um seine, des Klägers, Pflichtwidrigkeit und Haftung. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb seine, des Klägers, Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.

51

b) Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zwar formal bestandskräftig, materiell aber rechtswidrig seien. Der A GmbH stehe der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zu, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG vorlägen (aa) und bb)), insbesondere auch von der Unternehmereigenschaft der Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger auszugehen sei, da er, der Kläger, keine weiteren als die von ihm vorgenommenem Überprüfungsmöglichkeiten bzgl. der Unternehmereigenschaft gehabt habe und dazu auch kein Anlass bestanden habe (cc)) und er nicht gewusst habe und auch nicht habe wissen können, dass die Umsätze in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen gewesen seien (dd)). Schließlich sei der Vorsteuerabzug selbst dann zu gewähren, wenn die Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger als Strohmänner zu qualifizieren seien (ee).

52

aa) Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. UStG formal ordnungsgemäß.

53

bb) Die abgerechneten Warenlieferungen seien alle tatsächlich ausgeführt worden. Dies hätten die Zeugen der Steuerfahndung so bestätigt.

54

cc) aaa) Die Rechnungsausteller der streitigen Rechnungen/Gutschriften seien Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG); die Geschäftsbeziehungen zu ihnen seien begründet und die Lieferungen in einer Weise durchgeführt worden, wie es im Schrotthandelsgewerbe allgemein üblich sei und wie sie die A GmbH - durch die Betriebsprüfung unbeanstandet - auch mit einer Vielzahl weiterer Lieferanten begründet und durchgeführt habe.

55

bbb) Nach den Grundsätzen der neueren EuGH-Rechtsprechung sei daher der A GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen zwingend zu gewähren gewesen. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11 Mahageben und David, UR 2012, 591) entschieden, dass die Aufbürdung des Risikos des Steuerausfalls vom Fiskus auf den steuerpflichtigen Leistungsempfänger unionsrechtswidrig sei. Dieser Rechtsprechung trage seit dem Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 (5 V 1934/13 U, EFG 2014, 395) nunmehr auch die deutsche Finanzgerichtsbarkeit Rechnung. Danach sei er, der Kläger, nicht verpflichtet gewesen, weitere Nachforschungen über seine Lieferanten ohne besonderen Anlass anzustellen. Ein konkreter Anlass sei hier von dem FA nie substantiiert dargestellt oder auch nur behauptet worden. Das FA habe nicht zu Umständen der Lieferungen vorgetragen, welche auf einen ungewöhnlichen und Misstrauen erzeugenden Vorgang schließen ließen. Vielmehr habe das FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets lediglich argumentiert, die A GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht.

56

ccc) Die A GmbH habe keine anderen Möglichkeiten zur Ermittlung der Identität der Geschäftspartner gehabt und es habe auch kein konkreter Anlass bestanden, wonach er, der Kläger, verpflichtet gewesen sei, weitere Nachforschungen anzustellen.

57

(1) Er, der Kläger, sei hinsichtlich der Angaben ausweislich der vorgelegten Unterlagen seitens der Lieferanten gutgläubig gewesen und habe keinen Anlass gehabt, an dem Wahrheitsgehalt der Angaben und Unterlagen zu zweifeln. Er habe die Erkenntnisse oder Verdachtsmomente, welche durch die Finanzbehörden/Steuerfahndungsstellen zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt worden seien, bei der Begründung und Durchführung der Geschäftsbeziehung bzw. im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen nicht kennen können.

58

Die Lieferanten hätten einen erheblichen Aufwand (z. B. Anmietung von Wohnungen, Fingierung eines Unternehmens in der Außendarstellung, - zunächst - ordnungsgemäße Anmeldung bei Finanz- und Gewerbeämtern, etc.) betrieben, um zumindest in der äußeren Darstellung den Eindruck eines normalen und steuerehrlichen Unternehmens zu erzeugen. Dieser Aufwand habe ganz offensichtlich nur dem Zweck gedient, den jeweiligen Geschäftspartner zu täuschen. Allein mit Blick auf das Finanzamt wäre ein solcher Aufwand nicht erforderlich gewesen, um Steuern zu hinterziehen.

59

Er, der Kläger, habe nicht gewusst, dass sämtliche Lieferanten angeblich keinen Geschäftsbetrieb unterhalten hätten. Im Übrigen benötige ein Schrotthändler aber weder einen "Schrottplatz" o. Ä., da viele Schrotthändler ausschließlich im sog. Streckengeschäft tätig seien, noch einen Fuhrpark. Der Umstand, dass die Lieferanten R und D regelmäßig in Begleitung erschienen seien, sei kein Hinweis auf eine evtl. Steuerstraftat. Ganz im Gegenteil hätten diese Lieferanten offensichtlich in Begleitung mindestens einer weiteren Person erscheinen müssen, da sie keine Lkw gehabt hätten. Er, der Kläger, habe die für die Fa. H vorgelegten Geschäftsunterlagen für ordnungsgemäß gehalten. Erst nachträglich und nur durch Erkenntnisse der Finanzbehörde hätten sich Zweifel an der Echtheit der Unterlagen ergeben; die "offensichtlichen Schreibfehler und Ungereimtheiten" seien ihm zuvor nicht aufgefallen; sie seien auch gar nicht augenfällig. Im Übrigen seien alle anderen Unterlagen echt gewesen.

60

Er, der Kläger, sei von den hier streitigen Lieferanten erfolgreich getäuscht worden. Er sei bei der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen hinsichtlich der Unternehmereigenschaft der Lieferanten gutgläubig und überzeugt davon gewesen, aus ihren Rechnungen zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. Wie es in der Branche üblich sei, habe er sich die Gewerbeanmeldung, die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie Ausweispapiere und Vollmachten zeigen lassen und diese als Kopien zu seinen Unterlagen genommen. Weitere Maßnahmen seien weder üblich noch nötig.

61

Zum Beweis dieser Tatsache hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Beweisantrag gestellt, die Geschäftsführer, Inhaber oder Disponenten der Firmen U Recycling GbR, V, W ..., X, Y Recycling GmbH, Z GbR, AA GmbH, BB Recycling GmbH und CC GmbH als Zeugen zu vernehmen. Sie würden bekunden, dass sie mit den hier streitgegenständlichen Lieferanten (einzeln oder allen) in Geschäftsbeziehung gestanden hätten und erfolgreich nach den jeweiligen Systemen/Tatbegehungsplänen getäuscht worden seien und dass sie zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten dieselben Maßnahmen ergriffen hätten wie er, der Kläger, wobei diese Maßnahmen üblich seien im Schrotthandelsgewerbe. Weitere Möglichkeiten zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten stünden ihnen nicht zur Verfügung und hätten auch ihm, dem Kläger, nicht zur Verfügung gestanden.

62

(2) Das vom FA vorgetragene Argument, es müsse stutzig machen, wenn neu am Markt tätige Händler "aus dem Stand heraus" so hohe Umsätze tätigten, sei nicht stichhaltig.

63

In diesem Zusammenhang hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Beweisantrag gestellt, ein Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsachen, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass auch "Neuhändler" hohe Umsätze tätigten, dass es keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz dahingehend gebe, dass wenn "Neuhändler" hohe Umsätze tätigten, dies ein Indiz für eine etwaige Strohmanntätigkeit sei, sowie dass das Schrotthandelsgewerbe traditionell und seit Generationen von ethnischen Minderheiten und sozialen Randgruppen dominiert werde, dass heute im Verhältnis zu dem Stand vor einigen Jahrzehnten ein Vielfaches an Metallschrott gehandelt werde und das zu einem erheblich höheren Preis und es daher nicht ungewöhnlich sei bzw. auf der Hand liege, dass Neuhändler gleich zu Beginn der Geschäftsaufnahme hohe Umsätze erwirtschaften könnten.

64

(3) Auch die weiteren Umstände der Geschäftsanbahnung und Durchführung seien nicht ungewöhnlich gewesen.

65

Im Einzelnen:

66

a) Der Zeuge D sei mit einer Begleitperson kurz vor der ersten Lieferung in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen. Der Vorname der Begleitperson sei ihm, dem Kläger, genannt worden, er könne sich daran aber nicht mehr erinnern. Die beiden Personen hätten sich vorgestellt und die kurzfristige Lieferung hochwertigen Metallschrotts angeboten. Im Rahmen dieses ersten Gesprächs habe Herr D ihm, dem Kläger, die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die Gewerbeanmeldung u. Ä. ausgehändigt. Er habe daraufhin hiervon Kopien für seine Akte angefertigt und den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte mitgeteilt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er, der Kläger, seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches hätten der Zeuge D und seine Begleitperson einen freundschaftlichen Umgangston miteinander gehabt; eine eventuelle Dominanz der Begleitperson sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es im Rahmen dieses Treffens nicht zu "schwierigen Verhandlungen" gekommen sei, sondern er, der Kläger, lediglich seine Lieferbedingungen genannt und nicht zur Disposition gestellt habe. Im Übrigen sei es bei dem Gespräch, an dem sich der Zeuge D rege beteiligt habe, um allgemeine Dinge gegangen. Die persönlichen Hintergründe von dem Zeugen D (Schulbildung, Geschäftserfahrung u. Ä.) seien ihm, dem Kläger, unbekannt und nicht Gesprächsthema gewesen.

67

Wenige Tage später sei die erste Lieferung ausgeführt worden, die bereits beim ersten Treffen angekündigt worden sei. Vor Ort in Straße-1 ... sei ein Fahrer mit beladenem Lkw erschienen. Er, der Kläger, habe die Ware flüchtig begutachtet, und sodann dem Fahrer mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle. Endabnehmer der Ware des Zeugen D seien die Unternehmen DD GmbH (DD), Y Recycling GmbH (Y) und N (N) gewesen. Lkw-Fahrer hätten sodann die Ware direkt bei den vorgenannten Unternehmen abgeliefert. Anschließend - in der Regel am selben oder in seltenen Fällen am darauffolgenden Tag - sei der Zeuge D in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die entsprechenden Wiegescheine vorgelegt. Teilweise seien die Wiegescheine schon vorab per Fax durch die Endabnehmer an die A GmbH übersandt worden.

68

Der Zeuge D sei alleine oder mit unterschiedlichen Begleitpersonen erschienen, wobei es sich häufig um eine junge Frau gehandelt habe. Nur anhand der vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge der Zeuge D zuvor geliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine habe er mit dem Zeugen D abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von dem Zeugen D) als auch der Ausgangsrechnung (an DD etc.) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend oder ausschließlich bar bezahlt worden.

69

Auf Empfehlung der Steuerberatung habe er, der Kläger, von dem Zeugen D verlangt, dass er Rechnungen über seine Lieferungen stellen solle. Er, der Kläger, habe die erste Rechnung für den Zeugen D vorgeschrieben, da dieser von anderen Abnehmern ausschließlich die Abrechnung im Wege der Gutschriftenerteilung gewohnt und daher mit den Formalitäten einer umsatzsteuerlich ordnungsgemäßen Rechnung nicht vertraut gewesen sei. Der Zeuge D habe diese Rechnung mit seiner Unterschrift als eigene Rechnung bestätigt. In der Folgezeit habe der Zeuge D sämtliche Rechnungen gemäß den von ihm mitgebrachten Wiegescheinen selbst erstellt.

70

Der Zeuge D habe nicht den Eindruck gemacht, im Schrottgewerbe unerfahren gewesen zu sein. Sowohl dessen Verweis auf eigene andere Kunden (die Gutschriften erstellten) als auch die Feststellungen der Steuerfahndungsbehörde, wonach der Zeuge D eine Vielzahl von Kunden gehabt habe, ließen keinen anderen Schluss zu, als dass er durchaus Erfahrung im Schrottgewerbe gehabt habe.

71

Es möge zutreffen, dass der Zeuge D, wie von ihm in seiner schriftlichen Äußerung dargelegt, keine Kenntnis von Schrottlieferungen gehabt habe, da die Ware im Rahmen des Streckengeschäfts ohnehin nicht an den Geschäftssitz der A GmbH geliefert worden sei. Sofern der Zeuge D tatsächlich nur zum Abrechnen bei der A GmbH erschienen und im Übrigen an dem Liefervorgang bei Endkunden nicht persönlich beteiligt gewesen sei, so habe er von den tatsächlich durchgeführten Lieferungen keine unmittelbare Kenntnis erlangen können. Zutreffend habe der Zeuge D in seiner schriftlichen Zeugenaussage gegenüber dem Gericht bestätigt, dass er seine Strohmann-Aktivität nicht thematisiert habe.

72

Der festgestellte Kassenfehlbetrag vom 17.06.2009 (oben I. 3. a)) resultiere aus einem Fehler des Zeugen D bei der Rechnungsstellung. Da die Wiegescheine der in Strecke gelieferten Ware auf den 17.06.2009 datiert gewesen seien, habe er seine Rechnung ebenfalls auf den 17.06.2009 ausgestellt. Tatsächlich sei er aber wohl erst am 18.06.2009 im Büro der A GmbH zur Abrechnung erschienen. Am 18.06.2009 sei auch erst die Auszahlung an ihn vorgenommen worden. Da er, der Kläger, die Kassenaufzeichnungen nicht täglich erstellt habe, habe er den Kassenbucheintrag einige Tage später irrtümlich unter dem Rechnungsdatum vorgenommen.

73

ß) Bezüglich Herrn F habe er, der Kläger, beim zuständigen FA G vor der ersten Lieferung angerufen und sich nach dem Lieferanten F erkundigt. Dort habe er nur die fernmündliche Auskunft erhalten, dass Herr F steuerlich gemeldet sei. Weitere Auskünfte seien nicht erteilt worden. Die Sachbearbeiterin sei nicht bereit gewesen, diese Angabe schriftlich zu bestätigen.

74

Herr F sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich mit Herrn K kurz vor der ersten Lieferung in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen. Die beiden hätten sich vorgestellt und angeboten, kurzfristig hochwertigen Metallschrott liefern zu können. Im Rahmen dieses ersten Gesprächs habe Herr F die Unterlagen (Unbedenklichkeitsbescheinigung, Gewerbeanmeldung, Vollmacht u. Ä.) übergeben. Er, der Kläger, habe hiervon für die eigene Akte Kopien angefertigt. Herr F habe erklärt, dass Herr K für ihn die einzelnen Lieferungen durchführen werde (Ablieferung der Ware und Entgegennahme des Kaufpreises). Er, der Kläger, habe den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte benannt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches seien Herr F und Herr K gleichberechtigt und partnerschaftlich aufgetreten. Eine eventuelle Dominanz von Herrn K sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen.

75

Wenige Tage später sei die erste - zuvor von Herrn K telefonisch angekündigte - Lieferung durchgeführt worden. Er, der Kläger, habe Herrn K mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle, da die A GmbH mangels eigener Platzkapazität zu dieser Zeit ausschließlich sog. Streckengeschäfte getätigt habe. Endabnehmer für die Ware des Herrn F sei die Fa. DD gewesen. Herr K habe die Ware direkt bei DD angeliefert bzw. durch einen Lkw-Fahrer anliefern lassen. Anschließend - regelmäßig am selben oder seltener am darauffolgenden Tag - sei Herr K in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die Wiegescheine von DD vorgelegt. Nur anhand dieser vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge Herr F bei DD zuvor angeliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine von DD habe er mit Herrn K abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von Herrn F) als auch der Ausgangsrechnung (an DD) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend bar bezahlt worden. Mindestens einmal sei die Zahlung per Banküberweisung auf ein Konto des Herrn F geleistet worden.

76

Weder Herr F noch Herr K hätten Angaben über die Herkunft des Schrotts gemacht.

77

Schlussendlich habe sich bei der Geschäftsverbindung zu Herrn F ein typisches Risiko des Streckengeschäfts realisiert. Im Schrotthandelsgewerbe seien die Kontakte zu Lieferanten und Abnehmern die wichtigsten Geschäftsgeheimnisse. Aus diesem Grund verrate kein Schrotthändler dem jeweiligen Geschäftspartner, woher und zu welchem Preis die Ware veräußert werde. Im Streckengeschäft sei es aber unvermeidbar, dass Lieferant und Endabnehmer direkt aufeinanderträfen. Daher bestehe für sie die Möglichkeit, unter Ausschluss des Zwischenhändlers direkt eine Geschäftsbeziehung einzugehen. Genau dies sei bei Herrn F der Fall gewesen. Nachdem Herr F bzw. Herr K durch die A GmbH die Fa. DD kennengelernt gehabt habe, hätten sie eine direkte Geschäftsbeziehung begründet, ohne dass die A GmbH weiter beteiligt gewesen wäre.

78
?) Die Geschäftsbeziehung zu der Fa. H habe er, der Kläger, alleine geführt. Herr B habe keinen Kontakt zu diesem Lieferanten gehabt und sei bei der Geschäftsanbahnung auch nicht zugegen gewesen. Er, der Kläger, sei bei der Geschäftsanbahnung in Begleitung von dem - in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2014 vernommenen - Zeugen EE gewesen. Ende/Mitte Januar hätten sich bei ihm, dem Kläger, die Herren O und FF vorgestellt und eine Geschäftsbeziehung anbahnen wollen. Sie hätten erklärt, dass es sich bei der Fa. H um ein Baugeschäft handele und sie kurzfristig hochwertigen Metallschrott, der überwiegend von Baustellen stamme, anliefern könne. Herr O habe sich als Geschäftsführer und den Zeugen FF als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt und erklärt, dass der Zeuge FF die einzelnen Lieferungen durchführen werde. Das Auftreten der Herren sei ihm, dem Kläger, seriös erschienen und habe den Eindruck vermittelt, dass die Herren die ordnungsgemäßen Vertreter eines "normalen" Unternehmens seien. Dass es sich bei den Originalunterlagen um Fälschungen gehandelt habe, sei weder ihm noch dem Zeugen EE aufgefallen.

79

Im Zuge dieses ersten Gesprächs hätten die Herren O und FF ihm die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung und die Gewerbeanmeldung sowie eine Vollmacht ausgehändigt. Dabei habe es sich um Originalunterlagen mit farbigen Stempeln gehandelt. Er, der Kläger, habe von diesen Unterlagen Kopien gefertigt und die Originale zurückgegeben und den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte benannt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er, der Kläger, seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches seien Herr O und der Zeuge FF gleichberechtigt und partnerschaftlich aufgetreten. Eine eventuelle Dominanz von dem Zeugen FF sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen. Der Zeuge FF sei ihm flüchtig bekannt gewesen. Er, der Kläger, habe gewusst, dass der Zeuge FF im selben Gebäude ein kleines Büro angemietet habe und im Baugewerbe tätig gewesen sei.

80

Wenige Tage später sei die erste - im ersten Gespräch vereinbarte - Lieferung durchgeführt worden. Vor Ort sei ein Fahrer mit beladenem Lkw zusammen mit dem Zeugen FF erschienen. Er, der Kläger, habe die Ware flüchtig begutachtet und sodann dem Zeugen FF mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle. Endabnehmer der Ware von der Fa. H sei überwiegend die Fa. DD gewesen. Der Zeuge FF habe die Ware direkt bei der Fa. DD angeliefert bzw. durch einen Fahrer anliefern lassen. Laut Auskunft des Mitarbeiters ... von der Fa. DD sei der Zeuge FF bei allen Lieferungen zugegen gewesen.

81

Anschließend - in der Regel am selben oder in seltenen Fällen am darauffolgenden Tag - sei der Zeuge FF in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die Wiegescheine der Fa. DD vorgelegt. Nur anhand dieser vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge die Fa. H zuvor geliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine habe er mit der Fa. H/dem Zeugen FF abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von der Fa. H) als auch der Ausgangsrechnung (an DD) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend oder ausschließlich bar bezahlt worden. Zur Abrechnung sei der Zeuge FF immer alleine im Büro der A GmbH erschienen.

82

Mindestens ein-, eventuell auch zwei- bis dreimal sei es zu Unstimmigkeiten über die Qualität der Ware bei der Ablieferung bei der Fa. DD gekommen. In diesem Fall/diesen Fällen sei er, der Kläger, von der Fa. DD informiert worden, da er für die Fa. DD der Lieferant gewesen sei. Er sei sodann zum Betriebshof der Fa. DD gefahren, um dort die strittigen Fragen mit den Mitarbeitern der Fa. DD zu klären und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Bei diesen seltenen Fällen habe er die Wiegescheine persönlich unterschrieben, da er bereits vor Ort gewesen sei.

83

Der Zeuge FF habe in seiner Vernehmung am 11.06.2014 gegenüber dem Gericht entgegen seiner damaligen Einlassung vor dem Amtsgericht GG eingeräumt, der tatsächliche Lieferant gewesen zu sein. In Bezug auf die Rechnungen der Fa. H habe er schließlich die Aussage verweigert, offenbar in der Erkenntnis, dass er sich durch seine Zeugenaussage "um Kopf und Kragen" rede. Der Zeuge EE habe in seiner Vernehmung am 28.05.2014 gegenüber dem Gericht bestätigt, dass durch die den Zeugen FF/Herrn O zumindest dem Anschein nach Originalunterlagen vorgelegt worden seien. Für den Umstand, dass es sich bei dem Zeugen FF nicht um einen "Schreiber" handele, sprächen die Aussagen der Steuerfahnder, wonach ein Schreiber üblicherweise nicht länger als ein Jahr tätig sei.

84

d) der Zeuge R sei mit einer Begleitperson kurz vor der ersten Lieferung in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen. Der Vorname der Begleitperson sei ihm, dem Kläger, genannt worden, er könne sich daran aber nicht mehr erinnern. Die beiden Personen hätten sich vorgestellt und die kurzfristige Lieferung hochwertigen Metallschrotts angeboten. Im Rahmen dieses ersten Gesprächs habe der Zeuge R ihm, dem Kläger, die Unbedenklichkeitsbescheinigung, Gewerbeanmeldung u. Ä. ausgehändigt. Er habe daraufhin hiervon Kopien für seine Akte angefertigt und den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte mitgeteilt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er, der Kläger, seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches hätten der Zeuge R und seine Begleitperson einem freundschaftlichen Umgangston miteinander gehabt; eine eventuelle Dominanz der Begleitperson sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es im Rahmen dieses Treffens nicht zu "schwierigen Verhandlungen" gekommen sei, sondern er, der Kläger, lediglich seine Lieferbedingungen genannt und nicht zur Disposition gestellt habe. Im Übrigen sei es bei dem Gespräch um das Gewerbe gegangen. Der Zeuge R habe sich rege an dem Gespräch beteiligt. Dabei habe er einen ruhigen und überlegten Eindruck gemacht und überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass er bereits seit vielen Jahren mit dem Schrotthandelsgewerbe vertraut sei. Er habe keinesfalls den Eindruck eines offensichtlichen Drogenabhängigen erweckt. Das äußere Erscheinungsbild habe vielmehr dem optischen Eindruck entsprochen, den der Zeuge R auch während seiner gerichtlichen Zeugenaussage am 11.06.2014 hinterlassen habe.

85

Wenige Tage später sei die erste Lieferung vorgenommen worden, die bereits beim ersten Treffen angekündigt worden sei. Vor Ort sei ein Fahrer mit beladenem Lkw erschienen. Er, der Kläger, habe die Ware flüchtig begutachtet, und sodann dem Fahrer mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle. Endabnehmer der Ware des Zeugen R seien die Unternehmen DD, Y und N gewesen. Lkw-Fahrer hätten sodann die Ware direkt bei den vorgenannten Unternehmen abgeliefert. Anschließend - in der Regel am selben oder in seltenen Fällen am darauffolgenden Tag - sei der Zeuge R in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die entsprechenden Wiegescheine vorgelegt. Dabei sei der Zeuge R regelmäßig mit unterschiedlichen Begleitpersonen erschienen, gelegentlich aber auch allein, wobei möglicherweise eine Begleitperson im geparkten Pkw gewartet haben könne. Nur anhand dieser vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge der Zeuge R zuvor geliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine habe er mit dem Zeugen R abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von dem Zeugen R) als auch der Ausgangsrechnung (an DD etc.) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend oder ausschließlich bar bezahlt worden. Abgerechnet sei überwiegend durch Gutschriften seitens der A GmbH, teilweise habe aber der Zeuge R auch Rechnungen ins Büro gebracht.

86

Der Zeuge R habe keine Angaben zu der Herkunft des Metallschrotts gemacht.

87

Ausweislich der schriftlichen Stellungnahme seines Verteidigers vom 18.05.2011 (oben I. 7. c)) habe der Zeuge R offenbar selbst geglaubt, dass er ein ordnungsgemäßes Geschäft betrieben habe, weil ihm eine angemessene Erfolgsbeteiligung (33% - 50% des Gewinns) und die steuerrechtlich ordnungsgemäße Organisation seines Betriebes versprochen worden sei. Erst später (nach Beendigung der Geschäftsbeziehung zu der A GmbH) sei er selbst misstrauisch geworden, als er von dem - in der mündlichen Verhandlung am 17.04.2014 vernommenen - Zeugen HH darauf hingewiesen worden sei, dass etwas "ungerade laufe".

88

Der Umstand, dass der Zeuge R sein Verhalten und seine Beteiligung selbst für ein normales Geschäft gehalten habe, schließe aus, dass sein konkretes Auftreten und Verhalten bei der Geschäftsanbahnung mit der A GmbH ungewöhnlich bzw. auffällig gewesen sei. Er, der Kläger, habe daher keinen Anlass gehabt, bezüglich der Unternehmereigenschaft des Zeugen R misstrauisch zu sein. Der Zeuge R habe zudem durch seine Stellungnahme vom 18.05.2011 - wenn auch möglicherweise unbeabsichtigt - zum Ausdruck gebracht, dass er zumindest am Anfang davon ausgegangen sei, Einfluss auf wesentliche Aspekte des Geschäfts zu haben, wodurch er sich durchaus als Unternehmer i. S. des § 2 UStG qualifiziert habe.

89

Die Umstände, die zum Misstrauen von Herrn HH geführt hätten, seien unklar und nicht aufgeklärt worden.

90

dd) Er, der Kläger, habe bereits aus den oben genannten Gründen nicht gewusst und habe auch nicht wissen müssen, dass die Umsätze in eine Steuerhinterziehung einbezogen gewesen seien. Dies könne auch nicht aus dem Umstand, dass die A GmbH in den streitigen Zeiträumen ausschließlich im Streckengeschäft tätig gewesen sei, geschlussfolgert werden. Bei dem Streckengeschäft handele es sich um ein übliches und auch wirtschaftlich sinnvolles Geschäftsmodell (Beweis: Sachverständigengutachten). Für die A GmbH habe bereits aufgrund des noch nicht fertiggestellten Platzes und der damals noch fehlenden BImSchG-Genehmigung gar keine andere Möglichkeit der Geschäftstätigkeit bestanden. Das wesentliche "Kapital" eines Schrotthändlers seien seine Kenntnisse über Lieferanten und Abnehmer und deren unterschiedliche Preise. Sofern ein Schrotthändler im Markt etabliert und bekannt sei und nachgewiesen habe, zuverlässig größere Mengen liefern zu können, erhalte er von den großen Abnehmern wie z. B. Y, N u. a. bessere Verkaufskonditionen und Preise als bis dato noch unbekannte Händler und Kleinhändler. Die Preise würden von den Großhändlern vorgegeben. Tägliche Preisverhandlungen gebe es nicht. Vielmehr seien die Preise bekannt und mittlere Händler wie die A GmbH wüssten daher, bei welchem Einkaufspreis ein Veräußerungsgewinn erzielt werden könne. Neue Händler erhielten nicht die Vorzugskonditionen wie bereits etablierte Händler. Sobald sich aber ein neuer Händler im Markt einen Namen als zuverlässiger Geschäftspartner gemacht habe, erhalte er ähnliche Verkaufskonditionen. Dies sei z. B. bei Herrn F der Fall gewesen, als die Fa. DD nach diversen Lieferungen von Herrn F über die A GmbH direkt mit Herrn F in eine Geschäftsbeziehung eingetreten sei und die A GmbH somit "ausgebootet" habe.

91

Er, der Kläger, sei seit vielen Jahren Schrotthändler und bei den Großabnehmern bekannt. Ihm seien als etablierter Händler die entsprechenden Vorzugskonditionen von den Großhändlern eingeräumt worden. Hierdurch sei er in der Lage gewesen, durch das Streckengeschäft eine im Verhältnis zum Umsatz zwar geringe, in absoluten Zahlen aber auskömmliche Marge zu erwirtschaften.

92

ee) Im Übrigen berechtigten die Rechnungen selbst dann zum Vorsteuerabzug, wenn die streitgegenständlichen Lieferanten als Strohmänner anzusehen seien, da auch ein "Strohmann", der nach außen im eigenen Namen auftrete, im Verhältnis zum "Hintermann" jedoch auf dessen Rechnung handele, leistender Unternehmer im Sinne des UStG sein könne (Urteile des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 05.02.2014 1 StR 422/13, wistra 2014, 191; vom 29.01.2014 1 StR 469/13, wistra 2014, 190).

93

c) Seine, des Klägers, persönliche Haftung gem. § 69 AO scheide bereits deshalb aus, weil er nach bestem Wissen und Gewissen formal ordnungsgemäße Rechnungen zur Buchhaltung gereicht hätte, von denen er davon ausgegangen sei, dass diese materiell ordnungsmäßig seien. Er habe somit seine steuerlichen Verpflichtungen gem. § 150 AO erfüllt.

94

d) aa) Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0% betrage. Er, der Kläger, habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des FG Hamburg vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der A GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von ... € (2009) und ... € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die A GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die A GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.

95

bb) Die A GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.

96

e) Der Haftungsbescheid sei schließlich rechtswidrig, weil das FA das ihm eingeräumte Ermessen nicht zweckgerecht ausgeübt habe. Das FA habe seine Entscheidung, ob und in welcher Höhe es ihn, den Kläger, in Haftung nehme, auf einen nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalt gestützt. Der Haftungsbescheid selbst enthalte keine Sachverhaltsdarstellung, sondern nehme lediglich Bezug auf das Einspruchsverfahren der A GmbH, das gerade nicht seine Haftung als Geschäftsführer zum Gegenstand gehabt habe und daher keine Angaben oder Feststellungen zu dem ihm vorgeworfenen pflichtwidrigen Verhalten enthalten habe. Erst in der Einspruchsentscheidung sei in einem Nebensatz klargestellt worden, dass das FA die Weitergabe der Wareneinkaufsrechnungen zur Buchhaltung als grob fahrlässig und somit haftungsbegründend ansehe. Das FA habe bis zu diesem Zeitpunkt aber nicht ermittelt, welcher der Geschäftsführer der A GmbH welche Kenntnis von den hier streitigen Geschäftsbeziehungen gehabt habe und für die Weitergabe der Abrechnungen an die Buchhaltung verantwortlich gewesen sei. Das FA habe ihn, den Kläger, zu keinem Zeitpunkt zur Mitwirkung aufgefordert.

97

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom ... 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 aufzuheben;

dem beklagten Finanzamt die Kosten des Verfahrens sowie des Vorverfahrens aufzuerlegen und die Beiordnung des Klägervertreters für das Vorverfahren für notwendig zu erklären;

hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

98

2. Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.

99

Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff., 377 ff.):

100

a) Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Kläger genannte Entscheidung des FG Düsseldorf (oben V. 1. a)) stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der A GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.

101

b) Der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen sei zu Recht versagt worden. Der Kläger habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die A GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Der Kläger habe dabei auch wissen müssen, dass die streitigen Umsätze in eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen gewesen seien.

102

c) Dadurch habe der Kläger seine Pflichten als Geschäftsführer zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.

103

d) aa) Das FA sei an das BMF-Schreiben vom 07.02.2014 (IV D 2 - S 7100/12/10003) gebunden, wonach der Kläger - da das FA objektive Umstände vorgetragen habe, nach denen der Kläger habe wissen müssen, dass die Umsätze in einem vom Lieferer oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer begangenen Betrug eingebunden gewesen seien - nachweisen müsse, dass er alle Maßnahmen ergriffen habe, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug eingebunden seien. Selbst nach neuester (wenn auch zeitlich vor Erlass des BMF-Schreibens ergangener) EuGH-Rechtsprechung lägen vorliegend ausreichend objektive Gesichtspunkte vor, die darauf schließen ließen, dass der Kläger habe wissen müssen, dass die streitgegenständlichen Lieferer in Betrugsabsicht gehandelt hätten.

104

bb) Es, das FA, könne sich der Äußerung des Zeugen D in seiner Vernehmung durch die Steuerfahndungsprüfer am ... 2011, wonach er sich nicht vorstellen könne, dass ein Abnehmer geglaubt habe, dass es sich bei der Lieferung um seinen Schrott gehandelt habe, nur anschließen. Es könne sich dies ebenfalls nicht vorstellen, zumal bei den großen Mengen, die "aus dem Nichts" über den Zeugen D abgerechnet worden seien.

105

cc) Gegen Herrn F sei mittlerweile auf der Grundlage des Steuerfahndungsberichtes vom ... 2013 Anklage erhoben worden. Daraus ergebe sich, dass er zum Zeitpunkt der angeblichen Lieferungen ohne Fahrerlaubnis, ohne Betriebsausstattung und ohne gültigen Firmensitz gewesen sei. Ihn selbst habe wohl auch niemand auf den Schrottplätzen gesehen. Die Fa. F Metallrecycling als bislang gänzlich unbekanntes "Unternehmen" ohne Kontakte habe gegenüber der A GmbH innerhalb von zwei Wochen Schrott im Wert von ... € brutto abgerechnet. Für einige der Lieferungen (..., ... und ... 2009) dürfe ein Schwerlaster nicht einmal ausgereicht haben. Hier seien jedenfalls weitere Erkundigungen erforderlich gewesen, durch die die Mängel spätestens aufgefallen wären - wenn sie nicht schon von vornherein ersichtlich gewesen seien.

106

dd) Der Zeuge FF habe in seiner gerichtlichen Vernehmung am 11.06.2014 bestätigt, den im Hauptverhandlungsprotokoll vom ... 2013 erwähnten mobilen Koffer tatsächlich besessen zu haben. Er habe damit auf Wunsch Rechnungen fertiggemacht und ausgedruckt. Darüber hinaus habe der Zeuge FF in der Vernehmung bestätigt, dass die Feststellungen in dem Strafurteil des AG GG, Schöffengericht, vom ... 2013 zutreffend seien.

107

Der Kläger habe den Zeugen FF gekannt und gewusst, dass dieser im Baubereich tätig gewesen sei. Der Kläger habe selbst bei einem Schrotthändler gelernt, jahrelang in diesem Bereich gearbeitet und dadurch die größeren Anbieter gekannt. Ihm werde daher als erfahrenem Schrotthändler auch die Praxis bekannt gewesen sein, dass gerade bei der Einschaltung von Strohmännern Wert darauf gelegt werde, dass die rein formalen, leicht zu beschaffenden Nachweise für die Unternehmereigenschaft vorhanden seien. Mit dem Wissen, dass diese Unterlagen auch ein Nichtunternehmer mit auch nur ein bisschen krimineller Energie leicht beschaffen könne, habe er bei Unstimmigkeiten umso eher hellhörig werden müssen.

108

Die sich aufdrängende Frage, woher der Zeuge FF plötzlich die Kontakte zu Anbietern hochpreisigen Schrotts gehabt habe und warum sich diese Anbieter nicht direkt an ihn oder andere Abnehmer gewandt hätten, habe sich der Kläger im besten Falle nicht gestellt. Im Rahmen der Betriebsprüfung bei der A GmbH seien weder für die Lieferungen der Fa. H noch für eine andere Lieferung Wiegescheine oder Aufzeichnungen über Kfz-Kennzeichen gefunden worden. Auch bei den vorgetragenen Streckengeschäften sei es eine Obliegenheit des Klägers gewesen, sich nicht nur auf angebliche mündliche Angaben zu verlassen. Ein ordentlicher Kaufmann hätte diese Nachweise zu seinen Unterlagen genommen. Insbesondere auch, weil nach den Angaben des Zeugen FF Ware auch teilweise zunächst zur Straße-1 ... gefahren worden sein solle.

109

ee) Der Zeuge R habe in seiner gerichtlichen Vernehmung am 11.06.2014 sinngemäß ausgesagt, dass er Rechnungen zum Teil wackelig unterschrieben habe, da er Heroin konsumiert habe, hochdosiert gewesen sei und Probleme gehabt habe, seine Sachen "auf die Reihe" zu bekommen. Dies sei seiner Einschätzung nach auch offensichtlich gewesen, denn anderenfalls hätten ihn die Hintermänner wohl auch nicht so ausgenutzt.

110

Selbst wenn man - entgegen seiner, des FA, Ansicht - annehmen wollte, dass die Heroinabhängigkeit des Zeugen R nicht auf den ersten Blick ersichtlich gewesen sei, sei gleichwohl zu fragen, wie ein erfahrener Schrotthändler wie der Kläger habe annehmen können, dass ein ihm bislang völlig unbekannter Händler innerhalb kürzester Zeit sehr große Mengen hochwertigen Schrotts anliefern könne und dies mit rechten Dingen zugehe. Allein für die Lieferungen vom ... 2009 (über 31 t) und ... 2009 (fast 75 t) sowie ... 2010 (über 71 t) habe man jeweils mindestens zwei bis drei Schwerlaster benötigt.

111

Darüber hinaus stellten sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen:
- Wieso seien Lieferungen in dieser Größenordnung über einen Unbekannten und Unerfahrenen abgewickelt worden?
- Weshalb sei nur der Zeuge HH - nach Überschreiten einer "Liefer"-Grenze von ... € - an den Zeugen R herangetreten und habe ihm gegenüber geäußert, dass er mit ihm als Schreiber keine Geschäfte mehr machen wolle?

VI.

112

Die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den Zeugen D, Herrn F, die Fa. H sowie den Zeugen R sind zwischenzeitlich wie folgt weitergeführt worden:

113

1. a) Der Zeuge D ist am ... 2011 von dem - in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2014 vernommenen - Zeugen, dem Steuerfahndungsprüfer JJ, und dessen Kollegin ... vernommen worden. Er hat folgende Angaben zu Protokoll gegeben (FGA Sonderband Steuerfahndung, Bl. 53 ff.):

114

 "Frage: Können Sie vorweg zunächst einmal Ihre Schul- und Berufsausbildung schildern?

115

Antwort: Ich verfüge weder über eine Schul- noch eine Berufsausbildung. Ich mache aber derzeit meinen Hauptschulabschluss nach.

116

Frage: Es liegen diverse Abrechnungen über Ablieferungen von Schrott und Altmetall auf ihren Namen vor. Was können Sie hierzu sagen?

117

Antwort: Hierzu kann ich sagen, dass ich - wenn überhaupt - nur einige wenige Male ganz kleine Ablieferungen am Anfang getätigt habe. Hierbei hat es sich aber vielleicht um Beträge von maximal ... Euro und ohne Umsatzsteuer gehandelt. Diese Ablieferungen habe ich bei dem Recyclinghof U in J getätigt. Weitere Ablieferungen habe ich aber nicht mehr getätigt. Zu den anderen Abrechnungen auf meinem Namen kann ich folgendes erklären:
Angefangen hat alles als ich auf dem Recyclinghof U in J gewesen bin. Beim Runterfahren vom Hof hat mich eine Person angesprochen, die ich nur als den "XYZ" kenne. Wie dessen genauer Name ist, weiß ich nicht. Dieser hat mich dort angesprochen, ob ich für ihn nicht Abrechnungen über Ablieferungen unterschreiben könne. (...)
Jedenfalls hat er mich da gefragt, ob ich mir etwas Geld nebenbei hinzuverdienen wollte. Da ich nicht abgeneigt war, habe ich dann okay gesagt. Er hat mir gesagt, dass ich hierfür seine Ablieferungen auf meinen Namen abrechnen sollte. Dafür sollte ich von ihm jeweils einen kleineren Betrag bekommen.
Mit dem "XYZ" ist das etwa vier Wochen so gelaufen. (...)

118

Frage: Wie ist es denn in diesen Fällen bei den Recyclinghöfen vor Ort genau abgelaufen?

119

Antwort: Zum Ablauf kann ich einmal sagen, dass es z. B. bei M so gewesen ist, dass ich zunächst außerhalb des Recyclinghofes warten sollte. (...).
Bei den Ablieferungen bin ich eigentlich immer erst mit dem Zug nach KK gefahren und bin dort mit dem Auto vom Bahnhof abgeholt worden. Hierbei hat es sich um einen weißen ... gehandelt. Vielleicht war es auch ein ...
Ich bin später, nachdem die Ablieferung erfolgt ist, zum Recyclinghof gebracht worden und bin in das Büro reingegangen. Dort habe ich immer erklärt, dass eine Ablieferung vorher auf meinen Namen erfolgt ist, ich aber nicht früher kommen konnte und nun abrechnen wolle. Mir wurde vor jedem Recyclingunternehmen immer gesagt, dass ich behaupten solle, dass es sich um meinen Schrott handelt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das jemand geglaubt hat, weil ja vorher schon andere abgeliefert haben und XYZ und die anderen ja auch dort schon bekannt waren. Die haben vorher auch gesagt, da kommt nachher noch einer zum Unterschreiben vorbei.
Die Abrechnungsunterlagen habe ich unterschrieben und das Geld entgegengenommen. Beim Recyclingunternehmen habe ich Bargeld bekommen oder auch einen Scheck, wenn es sich um größere Beträge gehandelt hat. Mit den Unterlagen, d. h. den Abrechnungen und dem Geld oder dem Scheck bin ich rausgegangen und wieder in das Auto oder den Lkw von XYZ eingestiegen. Wenn ich einen Scheck bekommen habe, sind wir anschließend gleich zur Bank gefahren, um diesen Scheck einzulösen. Das Geld habe ich später an XYZ und so übergeben. Außerdem noch die Abrechnungen.

120

Ich selbst habe für meine Unterschrift vielleicht 150 oder 200 Euro bekommen. Außerdem habe ich auch noch die Fahrtkosten für den Zug bekommen (...).
Zu den Anrufen kann ich noch sagen, dass ich vorher angerufen worden bin, wenn ich nach KK kommen sollte, teilweise sind die Anrufe auch schon in der Nacht erfolgt, weil ich entsprechend früh am Bahnhof sein sollte. (...).

121

Frage: Sind Ihnen die Namen der Personen bekannt, für die Sie unterschreiben sollten?

122

Antwort: (...). Teilweise ist es auch so abgelaufen, dass ich angerufen wurde und nach KK gekommen bin. Dort bin ich in eine sehr noble Limousine eingestiegen mit abgetönten Scheiben (...). In diesen Fällen ist es dann so gewesen, dass wir mit einem wahnsinnig hohen Tempo vielleicht eine halbe Stunde oder eine Stunde gefahren sind und ich überhaupt nicht wusste, wo wir waren. Dies sollte ich auch nicht mitkriegen. In diesen Fällen ist es so gewesen, dass die Abrechnungen nur reingereicht wurden in das Auto, ich diese unterschrieben habe und die unterschriebenen Abrechnungen wieder rausgegeben worden sind.
Bei welchen Höfen dies gewesen ist, kann ich nicht sagen. Ich kann mich hierbei nur noch erinnern, dass ich auf den Abrechnungen nur noch den Betrag erkennen konnte und nicht den Namen der Firma. Der wurde mit einem Brett oder so was ähnlichem abgedeckt. Ich weiß aber, dass es sich um Vorwahlen von C gehandelt hat, also .../ oder auch .../ Welcher Ort dies war, kann ich nicht sagen.
Es war auf jeden Fall so, dass ich nicht mitkriegen sollte, für welchen Hof ich dort unterschrieben habe. (...).

123

Frage: Können Sie sich vielleicht noch erinnern, wo Sie überall zum Unterschreiben waren?

124

Antwort: Wo genau im Einzelnen auf mich abgeliefert wurde, weiß ich nicht. Ich kann mich aber erinnern, dass wir an einem Tag bei 7 oder 10 verschiedenen Firmen gewesen sind und dort abgerechnet haben. Ich habe einmal auf den Tacho gesehen als ich abgeholt wurde und am Ende. Insgesamt sind wir etwa 1.200 oder 1.300 km gefahren.
An dem Tag haben wir quasi eine Rundtour gemacht, d. h. wir sind von KK nach ... gefahren und anschließend noch nach C und wieder zurück nach J. Danach stellte sich aber heraus, dass noch eine Ablieferung in C erfolgt ist und wir sind wieder zurück nach C und anschließend über die Autobahn wieder zurück nach KK.

125

Frage: (...) ist Ihnen die Firma A bekannt?

126

Antwort: Auf Anhieb sagt mir diese Firma gar nichts. Es mag durchaus sein, dass ich dort im Auto gesessen und etwas unterschreiben habe."

127

b) Der Zeuge JJ als zuständiger Sachbearbeiter beim Finanzamt für Fahndung und Strafsache L - Steuerfahndung - hat die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Fahndungsbericht vom ... 2011 sowie dem undatierten Steuerbericht abschließend festgehalten (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 75 ff., 83 ff.). Aus der in dem Steuerbericht enthaltenen Aufstellung der einzelnen Abrechnungen ergibt sich dabei, dass der Zeuge D im Jahr 2009 Abrechnungen über Schrott- und Metalllieferungen über insgesamt ... € (inkl. USt) unterschrieben hat. Die A GmbH ist unter den aufgeführten Abnehmern als einzige in C ansässig (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 79 ff.)

128

c) Mit Anklage der Staatsanwaltschaft L vom ... 2011 wurde Herr D wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen angeklagt. Ihm wurde zur Last gelegt, in den im einzelnen aufgeführten Fällen die Umsätze nach § 14c Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) aus Gutschriften und Rechnungen, in denen er als leistender Unternehmer aufgetreten sei, obwohl er tatsächlich nicht der leistende Unternehmer gewesen sei, nicht angemeldet und dadurch Umsatzsteuern verkürzt zu haben (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 63 ff.).

129

d) Mit Urteil des Amtsgerichts L - Jugendrichter - vom ... 2013, rechtskräftig seit dem ... 2013, wurde Herr D wegen Steuerhinterziehung in 9 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (FGA Sonderband Bl. 68 ff.).

130

Das Urteil enthält zur Sache u. a. folgende Feststellungen:

131

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt, auf den Lieferscheinen insoweit seine Unterschrift abgegeben zu haben. Die Lieferungen habe er allerdings tatsächlich nicht selbst durchgeführt. Er habe die Unterschriften für andere Lieferanten geleistet und habe als sogenannter "Schreiber" hierfür jeweils geringe Entgelte von den eigentlichen Lieferanten erhalten. Er sei damals drogenabhängig und dumm gewesen. Ihm sei allerdings klar gewesen, dass sein Verhalten nicht richtig gewesen sei. Deshalb habe der dann auch irgendwann aufgehört. (...).

132

2. Bezüglich Herrn F hat der - in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vernommene - Zeuge LL als zuständiger Sachbearbeiter beim Finanzamt für Fahndung und Strafsache L - Steuerfahndung - die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Fahndungsbericht vom ... 2013 wie folgt festgehalten (FGA Sonderband Bl. 200 ff.):

133

Der Besch. meldetet sich zum ... 2009 bei der Stadt G in Straße-3 ... mit alleinigem Wohnsitz an. Zum ... 2009 hatte er unter dieser Anschrift bereits eine Betriebsstätte seines angeblichen Metallrecycling-Unternehmens angemeldet. Als Wohnanschrift gab er hier noch eine Anschrift in den ... an. Dem Besch. wurde aufgrund seiner Gewerbe- und Wohnsitzanmeldungen vom Finanzamt G die St.Nr. (...) erteilt. Ab dem ... 2009 war er zur Abgabe monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet. Da er diese nicht einreichte, erfolgten ohne irgendwelche zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse freie Schätzungen durch das Finanzamt i.H.v. (...).

134

Mit Schreiben vom ... 2010 wurde dem Besch. auf Anforderung der Steuerberaterin (...) eine Bescheinigung erteilt, dass er beim Finanzamt G steuerlich geführt wird und keine in Vollstreckung befindlichen Steuerrückstände hat. Ein Hinweis auf die nicht abgegebenen Voranmeldungen wurde mit aufgenommen.

135

Mit Schreiben vom "marz 2010", eingegangen am 20.04.2010, teilt der Besch. mit, seinen Betrieb aus gesundheitlichen Gründen zum ... 2010 eingestellt zu haben. Zum ... 2010 erfolgte gleichfalls die Abmeldung des Wohnsitzes in G. (...)

136

Aufgrund einer Verdachtsanzeige der Bank-1 mach dem Geldwäschegesetz wurde bekannt, dass der Besch. im Januar und Februar 2010 mehrere Zahlungen einer DD GmbH (...) aus sein Konto (...) erhalten hatte (Empfängerbenennung: F Metallrecycling), die jeweils am selben Tag in annähernd voller Höhe in bar abgehoben wurden. In einem Fall stammte der Zahlungseingang von der A GmbH.

137

Aus einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes C-... vom Juni 2010 ergaben sich weitere Leistungen, für die der Besch. im Inland Zahlungen erhalten haben soll. Es handelt sich hier jedoch ausschließlich um Barzahlungen, die im Wege der Gutschrift durch den Leistungsempfänger, die Fa. A (...) angerechnet wurden. Soweit die Gutschiften gleichzeitig für die Übergabe des Bargeldes sein sollten bzw. sofern eine Quittung vorlag, ist die mutmaßlich eigenhändige Unterschrift des F - bekannt z. B. aus der Kontoeröffnung oder der Gewerbeanmeldung - dort nicht zu identifizieren. Die Gutschrift vom ... 2009 trägt dagegen erkennbar den Namenszug K. Hierbei handelt es sich um den ... Staatsbürger K (...), der auch für das o.g. Konto des Besch. bei der Bank-1 verfügungsberechtigt war. Die anderen Namenszüge auf den Gutschriften lassen sich nicht eindeutig zuordnen.

(...)

138

Grundsätzlich sprechen aus der Sicht der Steuerfahndung jedoch folgende Punkte für die Annahme, dass der Besch. nicht leistender Unternehmer war:

139

I. Die verwendete Anschrift ist ein Scheinsitz. Der Besch. verfügte dort nicht über Büroräume, Lagerflächen etc. Es handelt sich um eine reine Briefkastenadresse in einem ausschließlich für Wohnzwecke genutzten Stadtteil von G. (...)

140

II. Der Besch. verfügte über keinerlei Betriebsausstattung wie eigene Fahrzeuge oder Arbeitnehmer. Er war zu der Zeit seiner angeblichen Lieferungen nicht mobil und dürfte daher kaum in der Lage gewesen sein, seinen angeblichen Geschäften nachzugehen (Entzug der Fahrerlaubnis ... 2009 bis ... 2010 wegen vorausgegangener ...). Der "F", der sich beim Spediteur MM vorstellte, erschien dagegen in einem ...

141

III. Nichts deutet darauf hin, dass der Besch. selbst gegenüber den beteiligten Geschäftspartnern in Erscheinung getreten ist. Der Spediteur MM hat die Person, die sich ihm als "F" vorgestellt hat anhand des Passfotos nicht das Bild dem Besch. zuordnen können. Vielmehr hat er - wenngleich ohne absolute Gewissheit - den K als denjenigen identifiziert, der sich ihm gegenüber als F ausgegeben hat.

142

IV. Im Außenverhältnis der "Fa. F" scheint ausschließlich der K als Handelnder aufgetreten zu sein. Der DD GmbH wurde hierzu eine Vollmacht des "Einzelunternehmers" F für den K vorgelegt. Auch bei der Bank-1 ... hatte der K umfassende Handlungsvollmacht für den Besch.

143

V. Keine einzige der Unterschriften auf den Rechnungen und Quittungen lässt sich dem angeblichen Unternehmer F zuordnen. Die Unterschriften sind entweder unleserlich oder stammen von K.

144

VI. Hinzu kommen die tatsächlichen Umstände der Altmetalllieferungen:
F Metallrecycling wäre ein Lieferant, der gleichsam aus dem Nichts in der Lage gewesen sein soll, innerhalb kürzester Zeit hochwertige Altmetalle unbekannten Ursprungs im Wert von ... Euro zu beschaffen. Ohne über eigene Fahrzeuge zu verfügen hätte F in der Gegend nahe der ... Grenze (...) der Spedition MM in kurzen Abständen befüllte Container mit Kupferschrott übergeben.

145

3. a) Bezüglich der Fa. H hat der - in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vernommene - Zeuge NN als zuständiger Sachbearbeiter beim FA P, Steuerfahndungsstelle gegen den - in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2014 vernommenen - Zeugen FF ermittelt und die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Bericht über Steuerstraftaten vom ... 2012 wie folgt festgehalten (FGS Sonderband Bl. 136 ff., insbes. 148 ff.):

146

Der Besch. hat im Veranlagungszeitraum 2009 sowie in den Voranmeldungszeiträumen I. bis IV/2010 Rechnungen unter den Firmen

- PP Bau GmbH (...)
- H Bau GmbH u. Co KG, Straße-4 ..., C
- H GmbH u. Co KG, Straße-4 ..., C und
- RR GmbH ... (...)

ausgestellt, denen keine Lieferungen und Leistungen zu Grunde lagen. Die Rechnungen hatten im Wesentlichen hochpreisigen Edelschrott (hauptsächlich Kupfer) zum Gegenstand. Entsprechende Wareneinkäufe waren bei dem Beschuldigten nicht festzustellen.
Die vorgenannten Gesellschaften PP Bau GmbH sowie H (Bau) mbH u. Co KG waren zum Zeitpunkt der Rechnungserteilung und zum Zeitpunkt der vermeintlichen Leistung nicht unter den in den Rechnungen genannten Anschriften ansässig.

147

Die H GmbH u. Co KG ist nach Ermittlungen der Steuerfahndung P und nach den Ermittlungen der Steuerfahndung C unter der Adresse Straße-4 ... in C zu keiner Zeit existent gewesen.

148

Gleiches gilt für die H Bau GmbH u. Co KG. Nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung C wurden die Gesellschaftsanteile der persönlich haftenden Gesellschafterin, der SS-Projektmanagement GmbH mit Vertrag vom ... 2009 an einen ... veräußert. Dieser ist aber seit ... 2007 nicht mehr unter der im Vertrag angegebenen Wohnanschrift in C gemeldet und gilt melderechtlich als "unbekannt verzogen". Die Steuerfahndung C geht bezüglich der GmbH daher von einer Firmenbestattung aus.

149

Die PP Bau GmbH ist bereits aus Ermittlungen der Steuerfahndung C bekannt. (...) Der Beschuldigte FF hat im Anschluss an die Firmenbestattung weiterhin unter der Firma der PP Bau GmbH Rechnungen geschrieben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies, sofern es sich um Baudienstleistungen und andere Dienstleistungen handelte, ebenfalls zur Verschleierung des Einsatzes von anderen Subunternehmern erfolgte. Sofern die Rechnungen hochpreisigen Schrott zum Gegenstand hatten, dienten diese zur Verschleierung der wahren Herkunft des Schrotts. (...)

150

b) In der Hauptverhandlung vor dem AG GG am ... 2013 hat sich der Zeuge FF als Angeklagter laut Hauptverhandlungsprotokoll wie folgt eingelassen (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 98 ff.):

151

Die meisten Firmen sind auf mich zugekommen, mit der Frage, ob ich ihnen eine Rechnung schreiben kann. Ich habe dann mehrere Briefköpfe erstellt und Rechnungen geschrieben. Wenn die Firmen eine Rechnungen benötigten mit Leistungen in Höhe von ... oder ... Euro, habe ich diese Rechnungen geschrieben.

152

Bei den Firmen waren es teilweise Bekannte von mir oder es wurden Kontakte geknüpft. Bei den unterschiedlichen Firmen liefen die Kontakte auch unterschiedlich ab. Bei der Firma A z. B. habe ich den Namen des Geschäftsführers vergessen. Es war ein ... Landsmann, ca. ... Jahre alt. Das war in Straße-1 ... in C. Das war ein Schrotthandel. Ich habe dort beim Neubau geholfen. Dadurch kam der Kontakt zustande. Die Absprachen haben wir bei ihm im Büro getroffen.

153

Er rief mich an und ich fuhr dann hin und fragte, was er bräuchte. Ich hatte immer meinen mobilen Koffer dabei mit Drucker, Laptop und konnte vor Ort die Rechnungen gleich fertigmachen und ausdrucken. Ich habe die Sachen aus der Not heraus gemacht. Ich bekam 3 bis 5 % auf jede Rechnung von der Gesamtsumme, also von der Summe + Mehrwertsteuer. Meinen Anteil bekam ich sofort bezahlt, wenn ich die Rechnungen übergeben hatte. Wenn die Summe zu hoch war, habe ich teilweise auch nur 2 % bekommen. Ich bekam manchmal ... € in bar ausgehändigt.

154

Das lief von 2006, 2007 bis 2010. Ich bin alleine zu den Firmen gegangen und habe das alleine gemacht. Das klappte auch immer. (...)

155

c) Mit Urteil des Amtsgerichts GG - Schöffengericht - vom ... 2013, rechtskräftig seit dem ... 2013, wurde der Zeuge FF wegen Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (FGA Anlagenband Bl. 57 ff.).

156

Das Urteil enthält zur Sache folgende Feststellungen:

157

Der Angeklagte wirke im Tatzeitraum - ... 2010 und danach - an einem sogenannten Umsatzsteuerkarussell als Missing Trader mit. Hierbei hinterzog er Umsatzsteuern in Höhe von insgesamt ... €. Unter den Firmen PP Bau GmbH, H Bau GmbH & Co KG, H GmbH & Co KG und RR GmbH stellte der Angeklagte Rechnungen mit gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen aus bzw. veranlasste Gutschriftenabrechnungen, obwohl der Rechnungsstellung wie der Angeklagte wusste, kein entsprechender Leistungsaustausch zu Grunde lag. Die Rechnungen bzw. Gutschriften hatten im Wesentlichen hochpreisigen Edelschrott zum angeblichen Liefergegenstand. Den Firmen A GmbH und (...) wurde so ermöglicht, einen tatsächlich nicht existierenden Vorsteueranspruch geltend zu machen.

158

4. a) Bzgl. des Zeugen R hat der - in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vernommene - Zeuge TT als zuständiger Sachbearbeiter beim Finanzamt für Fahndung und Strafsache S -Steuerfahndung - die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Fahndungsbericht vom ... 2011 wie folgt festgehalten (FGA Sonderband Bl. 192 ff.):

159

Ein in der Schrottbranche häufig anzutreffendes Modell zur Verschleierung von Lieferanten und Lieferwegen ist der Einsatz von Strohmännern bzw. Scheinlieferanten, die als sog. "Schreiber" bezeichnet werden. Hierbei werden meist mittellose bzw. finanziell und sozial schwache Personen eingesetzt, die lediglich ein entsprechendes Gewerbe anmelden, eine Bestätigung des zuständigen Finanzamtes über die steuerliche Erfassung als Regelunternehmer und eine USt-IdNr. beantragen und ggf. Rechnungsvordrucke, Briefbögen oder Firmenstempel anfertigen lassen.

160

Beim Beschuldigten liegen die typischen Anzeichen eines "Schreibers", nämlich eine Gewerbeanmeldung eines Branchenfremden, sofort hohe Umsätze ("aus dem Stand"), Nichtabgabe der gebotenen Umsatzsteuervoranmeldungen, keine oder nur geringe betriebliche Unterlagen, fehlende Geschäftsausstattung (Betriebsgelände, Lagerplatz, Fuhrpark), teilweise große räumliche Entfernung zwischen "Betriebssitz" und Abnehmer, augenscheinliche "En-Block"-Unterschriften auf den Abrechnungen vor. Insbesondere ist beim Durchschreibeverfahren der Abrechnungen der Fa. V augenscheinlich erkennbar, dass die Belege bei Leistung der Unterschriften übereinander lagen.

161

Nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung unterhielt der Beschuldigte in S, Straße-5 ..., zu keiner Zeit seinen Wohn- oder Betriebssitz.

162

Auch durch weitere Maßnahmen, insbesondere die TKÜ-Maßnahmen, konnte der tatsächliche Aufenthalt des Beschuldigten zunächst nicht ermittelt werden.

(...)

163

Der Beschuldigte verfügte hinsichtlich des abgerechneten Materials weder über die Geschäftsausstattung noch die entsprechenden Geschäftskontakte.

164

Für den Ermittlungszeitraum, nämlich Juli 2009 bis April 2010, konnten insgesamt 8 Recyclinghöfe ermittelt werden, mit denen der Steuerpflichtige Netto-Umsätze in Höhe von ... Euro abgerechnet hat.
(...)

165

Nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung ist der Steuerpflichtige somit bei den bekannten Recyclinghöfen tatsächlich nicht als Schrotthändler tätig geworden, sondern als sog. "Schreiber" eingesetzt worden.

166

Tatsächlich hat der Beschuldigte keinen Schrott an die Recyclinghöfe geliefert. Die vorgetäuschten Lieferungen dienten lediglich dazu, die tatsächlichen Lieferanten des Schrotts zu verschleiern und dem Abnehmer gleichwohl den Vorsteuerabzug zu gewährleisten.

167

Die tatsächliche und eigentliche Leistung des Beschuldigten umfasste lediglich die Zurverfügungstellung seiner Personalien, insbesondere auch für die Anmeldung des Gewerbes, sowie dem Unterschreiben der Abrechnungen, für die dann eine geringe "Provision" gezahlt worden ist.

168

b) Mit Urteil des Landgerichts UU vom ... 2011, rechtskräftig seit dem ... 2012, wurde der Zeuge R als dortiger Angeklagter wegen Steuerhinterziehung in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt und seine Unterbringung ... angeordnet (FGA Sonderband Bl. 104 ff.).

169

Das Urteil enthält zur Sache u. a. folgende Feststellungen:

170

Nach seiner Haftentlassung im März 2009 verfügte der Angeklagte weder über eine Wohnung noch über einen Arbeitsplatz. (...) Der Angeklagte wurde in dieser Zeit von einer namentlich nicht bekannt gewordenen männlichen Person (...) angesprochen, ob er ein Schrotthandelsgewerbe anmelden wolle. Aufgabe des Angeklagten als Gewerbetreibender sollte sein, mit Dritten, die über Schrott, Altmetalle und Ähnliches verfügten, zu Schrottplätzen und Recyclinghöfen zu fahren, den Verkaufserlös für den dort abgelieferten Schrott entgegen zu nehmen und über die Verkäufe Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis zu verfassen beziehungsweise entsprechende Gutschriften der Käufer entgegen zu nehmen. (...)

171

Der Angeklagte stimmte dem oben genannten Vorschlag zu, er sah darin eine günstige Möglichkeit, jedenfalls so viel Geld zu verdienen, dass er damit seine Heroinkonsum finanzieren und Entzugserscheinungen vermeiden konnte.

172

Die Person, die dem Angeklagten den oben genannten Vorschlag unterbreitet hatte, benannte ihm eine Anschrift im ... S (Straße-5 ...), unter der er sich meldebehördlich und als Gewerbetreibender anmelden sollte.

173

(...) In der Folgezeit bekam der Angeklagte - durch Vermittlung der Person, die ihn ursprünglich angesprochen hatte - Anrufe von Schrottbesitzern, die ihn mit bereits beladenen Lastkraftwagen und Sattelzügen abholten und mit ihm zu Schrottplätzen und Recyclinghöfen fuhren. Dort wurden der Schrott (Eisen und Buntmetalle, vor allem Kupfer) abgeladen und gewogen und der Ankaufspreis festgesetzt. Der Angeklagte erklärte jeweils - durch Unterschrift unter eine entsprechend vorgedruckte Lieferantenerklärung oder durch entsprechende handschriftliche Zusätze auf Wiegescheinen und Gutschriften - dass er Eigentümer des angelieferten Schrotts sei. Ferner legte er die "Steuerliche Bescheinigung" vom ... 2009 und regelmäßig seinen Personalausweis vor. Er erhielt dann - überwiegend mit einer von dem Abnehmer ausgestellten, Menge und At der angelieferten Altmetalle ausweisenden Gutschrift mit offenem Umsatzsteuerausweis - den Bruttoerlös einschließlich Umsatzsteuer bar ausgezahlt. Diese Beträge übergab er dann seinem jeweiligen Begleiter, der ihm daraus einen Anteil zahlte.

174

Die vom Angeklagten entgegen genommenen Gutschriften waren auch als solche oder als Ankaufsrechnung bezeichnet und auf Briefköpfen des jeweiligen Abnehmers ausgestellt oder mit dessen Stempel versehen worden. Ferner waren sie datiert, an den Angeklagten unter der Anschrift Straße-5 ... in S adressiert, nannten seine Steuernummer (..) und trugen eine (fortlaufende) Gutschriftennummer. (..) In einigen Fällen erhielt er keine Gutschriften, sondern legte - vermutlich von dem ihn begleitenden tatsächlichen Schrottverkäufer - per Computer erstellte, ebenfalls Art und Menge der angelieferten Altmetalle ausweisende Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis vor, in denen der Angeklagte mit der Anschrift Straße-5 ... in S als Lieferant aufgeführt war, oder er unterschrieb vor Ort eine mit Hilfe eines Rechnungsblocks verfasste handschriftliche Rechnung entsprechenden Inhalts.

175

Diese auch so bezeichneten Rechnungen wiesen Namen und Anschrift des Abnehmers als Rechnungsadressaten auf, nannten das (Leistungs-)Datum und die vorgenannte Steuernummer des Angeklagten. Überwiegend befand sich auf ihnen aber keine fortlaufende Rechnungsnummer.

176

Der Angeklagte wusste, dass die in den Rechnungen und Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer (im vollen Umfang) an das Finanzamt abzuführen war. Er tat dies nicht, sondern verließ sich auf zusagen die Person, die ihn angesprochen und dabei geäußert hatte, man werde im gewissen Umfang "für ihn beim Finanzamt einzahlen, um zu zeigen, dass nicht nur rausgezogen werde". Solche Einzahlungen erfolgten indessen nicht. (...)

177

In der Anklageschrift wurde dem Angeklagten auch vorgeworfen, in einem erheblichen Umfang (Hinterziehungssumme mehr als ... €) unberechtigt Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis für Schrottlieferungen an die Abnehmerin A GmbH in C-... zwar ausgestellt, eine entsprechende Steuererklärung (Voranmeldung) aber nicht abgegeben zu haben. Von der Verfolgung dieser Teile der Tat hat die Kammer mit Beschluss vom ... 2011 gemäß § 154a Abs. 2 StPO abgesehen. Es bestehen Zweifel, ob die entsprechenden Unterschriften tatsächlich vom Angeklagten stammen und er bei den Lieferungen im Januar 2010 anwesend war.
(...)

178

Ende April 2010 hörte der Angeklagte auf. Er war nicht mehr bereit, Schrottlieferungen zu begleiten und dafür seinen Namen herzugeben. Er war zunehmend darüber verärgert, dass er nur geringe Beträge für seine Mitwirkung bekam. Er hatte zudem von einem der Komplementäre der HH OHG erfahren, dass es bei "seinen" Ablieferungen nicht mit rechten Dingen zugehe und er, der Angeklagte, wohl nur ein sogenannter Schreiber sei.

VII.

179

1. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.02.2014 der Einzelrichterin übertragen (FGA Bl. 43).

180

2. Die Einzelrichterin hat den Kläger unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 17.06.2014 aufgefordert, die die den einzelnen Einkaufs-Rechnungen der Firmen F, H GmbH & Co KG, R sowie D zugrunde liegenden Warenlieferungen in der Weise zu konkretisieren, dass im Einzelnen dargelegt wird, wer das Material anbot, wie ein Abnehmer gefunden wurde, mit wem die An- und Verkaufspreise ausgehandelt wurden und durch wen, wann von wo nach wo das Material geliefert wurde (FGA Bl. 290).

181

3. a) Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B, HH, VV, NN, TT, LL, JJ, EE, WW, FF und R. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des weiteren Inhalts der Verhandlungen wird auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle vom am 17.04.2014 (FGA Bl. 152c ff.), 07.05.2014 (FGA Bl. 234 ff.), 28.05.2014 (FGA Bl. 299 ff.) und 11.06.2014 (FGA Bl. 320 ff.) Bezug genommen.

182

b) Das Gericht hat des weiteren Beweis erhoben durch die schriftliche Zeugenvernehmung der Zeugen M und D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der M Recycling GbR vom 07.04.2014 (FGA Bl. 116 ff.) sowie des Faxes von Herrn D vom 25.06.2014 (FGA Bl. 372) Bezug genommen

183

Darüber hinaus wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 26.06.2013 (FG-A Bl. 381 ff.) und vom 16.07.2014 (FG-A Bl. 397 ff.) sowie auf die oben angeführten Unterlagen und die damit zusammenhängenden Vorgänge aus der FGA und den folgenden Steuerakten:
- ein Band Haftungsakten (St.-Nr.-1)
- Steuerakten der A GmbH (St.-Nr.-2)
 - ein Band Umsatzsteuerakten,
 - ein Band Betriebsprüfungsakten,
 - Band I und II der Rechtsbehelfsakten,
 - Band I und II der Klageakten und
 - vier Bände Betriebsprüfungsarbeitsakten

sowie den durch die Zeugen eingereichten Unterlagen in den beiden Sonderbänden (Sonderband Steuerfahndung sowie Sonderband "Inhalt Klarsichthülle") und dem - nicht beschrifteten - Aktenordner mit Originalunterlagen der A GmbH.

Entscheidungsgründe

184

B. Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin.

185

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

186

Der Haftungsbescheid vom ... 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO); das FA hat den Kläger zu Recht gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 69 AO für die Umsatzsteuersteuerschulden der A GmbH nebst steuerlicher Nebenleistungen in Haftung genommen.

187

1. Gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Der Haftungsschuldner kann gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.

188

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Er ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

189

a) Der Kläger war als eingetragener Geschäftsführer der A GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.

190

b) Der Kläger hat als Geschäftsführer der A GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften von Herrn D, Herrn F, der Fa. H und dem Zeugen R die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aa)) sowie die sich für die VAZ November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (bb)).

191

Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Klägers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die A GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.

192

Die durch den Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen.

193

aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.

194

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).

195

aaa) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).

196

bbb) Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).

197

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteile vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

198

ccc) Dabei trägt in tatsächlicher Hinsicht der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (BFH-Urteile vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259; vom 04.09.2003 V R 9 und 10/02, BFH/NV 2004, 149). Vorliegend trifft damit den Kläger auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG. Demzufolge ist es seine Sache, entscheidungserhebliche Tatsachen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht vorzutragen und zu belegen. Das gilt auch, soweit es um die Frage geht, ob der Kläger Kenntnis von der Strohmanneigenschaft des als Leistender Auftretenden hatte oder haben musste und auch für das Wissen oder Wissenkönnen vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten (BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315). Die Schwierigkeit eines Negativbeweises ändert die Verteilung der Beweislast grundsätzlich nicht. Denn denjenigen, der sich auf das Nichtvorliegen von Tatsachen oder Umständen beruft, kann die Feststellungslast ohnehin nur treffen, wenn der Gegner - hier das FA - substantiierte Tatsachen oder Umstände vorgetragen hat, die für das Vorliegen des Positivums sprechen (BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; BFH-Beschluss vom 08.04.1993 X B 22/92, BFH/NV 1994, 180).

199

ddd) An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11 Mahageben und David, UR 2012, 591). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war und aufgrund der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige dies wusste oder hätte wissen müssen. Da es sich bei der Versagung um eine Ausnahme handelt, ist zunächst das Vorliegen aller materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs zu prüfen und zu bejahen. Erst wenn die den Vorsteueranspruch begründenden Tatsachen durch den Steuerpflichtigen nachgewiesen wurden, stellt sich die Frage nach dem Nachweis des Ausnahmetatbestandes (vgl. Lohse, BB 2014, 860).

200

eee) Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Zeugen D, des Herrn F und des Zeugen R sowie der Fa. H nicht zuzulassen.

201

(1) Das Gericht ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Zeuge D, Herr F, die Fa. H und der Zeuge R jeweils von einem Dritten als Strohmann vorgeschoben und daher lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.

202

Im Einzelnen:

203

(a) Bezüglich des Zeugen D beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben gegenüber dem Zeugen JJ am ... 2011, deren Inhalt der Zeuge JJ in seiner Vernehmung am 28.05.2014 bestätigte, auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa L in ihren Berichten (oben A. VI. 1 b)), den Feststellungen in dem Urteil das AG L vom ... 2013 in Verbindung mit der Anklageschrift vom 13.09.2011 (oben A. VI. 1 c) und d)), den glaubhaften Angaben des Zeugen JJ in seiner Vernehmung am 28.05.2014 sowie den schriftlichen Angaben des Zeugen D in dem Fax vom 25.06.2014.

204

Danach ergibt sich folgendes Bild:

        

- Herr D war im Jahr 2009 erst 19 Jahre alt und hatte keinen Schulabschluss erlangt;

- nur zwei Tage nach seiner steuerlichen Erfassung durch das FA J (oben A. I. 3. b) cc) aaa)) begannen die Lieferungen an die A GmbH am ... 2009. Über einen Zeitraum von 6 Monaten wurden insgesamt 42 Lieferungen (bei Rechnungsnummern von ... bis ...) über insgesamt ... € abgerechnet;

- der Zeuge D hatte keine Erfahrung im Schrotthandel; dies zeigt sich insbesondere auch dadurch, dass der Kläger dem Zeugen D, der keinerlei Erfahrung im Ausfertigen von Rechnungen hatte, die erste Rechnung vorschreiben musste, nach dessen Vorbild der Zeuge D die weiteren an die A GmbH gerichteten Rechnungen fertigte;

- die Rechnungen enthalten teilweise doppelte Rechnungsnummern, erfüllen also nicht die Voraussetzungen des §§ 14, 14a UStG;

- die Rechnungsbeträge wurden ausschließlich bar gezahlt;

- der Zeuge D wurde zu den einzelnen Ablieferungsstellen gefahren, um dort Unterschriften zu leisten, dabei wurde er zuvor angekündigt mit den Worten, dass "gleich einer zum Abrechnen" komme, d. h. im Zusammenhang mir den einzelnen Lieferungen ist der Zeuge D gegenüber der A GmbH nicht z. B. zwecks Preisabsprache, Terminabsprache usw. tätig geworden;

- aus den vorliegenden Kassenbuchaufzeichnungen (oben A.I.3.c)) ergibt sich, dass in diesen Monaten neben den Barzahlungen an Herrn D nur noch in geringem Umfang weitere Bargeldbeträge ein- und ausgezahlt wurden, insbesondere keine anderen Metallankäufe größeren Umfangs gegen Bargeld getätigt wurden;

- der Zeuge D war nach seinen eigenen glaubhaften Angaben tatsächlich ein bloßer Schreiber und hatte keine Verfügungsgewalt über die Ware, kaufte sie zuvor nicht selber an, besorgte nicht ihren Transport, verhandelte nicht über die Preise, hatte an der angegebenen Rechnungsanschrift tatsächlich keinen Geschäftssitz etc. und wurde dementsprechend als Schuldner von gem. § 14c Abs. 2 UStG unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer verurteilt;

- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt;

- aufgrund des festgestellten Kassenfehlbetrags steht fest, dass am 17.06.2009 nicht genügend Bargeld für die Zahlung der Rechnung des Zeugen D zur Verfügung stand. Die diesbezügliche Erklärung des Klägers ist nicht geeignet, diese Feststellung zu erschüttern, denn damit räumt er ein, das Kassenbuch nicht ordnungsgemäß geführt zu haben, so dass den Eintragungen gar kein Beweiswert mehr zukäme.

205

(ß) Hinsichtlich Herrn F beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa L in dem Bericht vom ... 2013 (oben A. VI. 2) sowie den Angaben des Zeugen LL in seiner Vernehmung am 07.05.2014.

206

Danach ergibt sich folgendes Bild:

- nur 1 Monat nach der Gewerbeanmeldung vom ... 2009 begannen die Lieferungen an die A GmbH am ... 2009. Über einen Zeitraum von knapp 3 Wochen wurden insgesamt 6 Lieferungen über insgesamt ... € abgerechnet;
- es wurde - mit einer Ausnahme (RbA Bd. I Bl. 78) - ausschließlich bar gezahlt;
- die Zahlungen wurden z. T. gar nicht, z. T. nur unleserlich auf den Gutschriften quittiert, eine Unterschrift (BpAA Bd. III Bl. 42) könnte von Herrn K stammen, wobei aber keine Unterschrift des Herrn K zu den Unterlagen der A GmbH zwecks Vergleichs genommen worden war;
- der eigentliche Geschäftspartner (Herr F) ließ sich von einem Handlungsbevollmächtigten vertreten;
- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt.

207

?) Bezüglich der Fa. H beruht die Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa P in dem Bericht vom ... 2012 (oben A. VI. 3a)), den glaubhaften Angaben des Zeugen NN in seiner Vernehmung am 07.05.2014, den glaubhaften Angaben des Zeugen EE in seiner Vernehmung am 28.05.2014, der Einlassung des Zeugen FF als Angeklagter in der mündlichen Verhandlung vor dem AG GG am ... 2013, den Feststellungen in dem Urteil des AG GG vom ... 2013 (oben A. VI. 3c)) sowie den Angaben des Zeugen FF in seiner Vernehmung am 11.06.2014.

208

Danach ergibt sich folgendes Bild:

        

- der Zeuge FF hat im Jahr 2010 Abdeck-/Scheinrechnungen unter den Schein-Firmen PP Bau GmbH, H Bau GmbH & Co KG, H GmbH & Co KG sowie RR GmbH ausgestellt, denen tatsächlich keine Leistungen zugrunde lagen;

- der Zeuge FF verfügte dafür über einen mobilen Koffer und eine Mappe mit Unterlagen zur Übergabe an den jeweiligen Rechnungsempfänger zur Vorlage beim Finanzamt;

- der Zeuge FF war nicht im Metall- und Schrotthandel, sondern tatsächlich im Baugewerbe tätig;

- der Zeuge FF hatte ein Büro in Straße-1 ... auf dem Betriebsgelände der A GmbH für seine Bautätigkeit angemietet;

- Herr O war im Jahr 2010 nicht mehr eingetragener Geschäftsführer der Fa. H;

- der Zeuge FF hat in seiner Vernehmung am 11.06.2014 bekundet, dass es sich bei für die A GmbH gebuchten und dem Vorsteuerabzug unterworfenen Rechnungen der Fa. H ebenfalls um bloße Scheinrechnungen gehandelt habe, denen keine Lieferung zugrunde gelegen hätten. Er habe zwar auch Metalle an die A GmbH geliefert, dies aber unter dem Briefkopf der RR GmbH abgerechnet;

- es wurde ausschließlich bar gezahlt;

- die Zahlungen wurden überwiegend gar nicht auf den Rechnungen oder auf einem sonstigen Schriftstück quittiert; lediglich auf der Rechnung vom ... 2010 befindet sich ein Stempel der Fa. H und darauf die Unterschrift "O" (BpAA Bd. III Bl. 72);

- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt;

- die dem Kläger anlässlich der ersten Besprechung ausgehändigten Unterlagen waren gefälschte Urkunden.

209

d) Hinsichtlich des Zeugen R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften schriftlichen Angaben in dem gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (oben A.I.7c)), den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa S in dem Bericht vom ... 2011 (oben A.VI. 4a)), den Feststellungen in dem Urteil des LG UU vom ... 2011 (oben A.VI.4.b), den Angaben des Zeugen TT in seiner Vernehmung am 07.05.2014 sowie den Angaben des Zeugen R in seiner Vernehmung am 11.06.2014.

210

Danach ergibt sich folgendes Bild:

        

- 5 Monate nach der Gewerbeanmeldung (oben A. I. 7.b)) begannen die Lieferungen an die A GmbH am ... 2009. Über einen Zeitraum von nur gut 2 Monaten wurden insgesamt 12 Lieferungen über insgesamt ... € abgerechnet;

- die Rechnungsnummern in 2010 sind nicht fortlaufend, erfüllen also nicht die Voraussetzungen des §§ 14, 14a UStG;

- die Rechnungsbeträge wurden ausschließlich bar bezahlt;

- der Zeuge R war nach seinen eigenen glaubhaften Angaben tatsächlich ein bloßer Schreiber und hatte keine Verfügungsgewalt über die Ware, kaufte sie zuvor nicht selber an, besorgte nicht ihren Transport, verhandelte nicht über die Preise, hatte an der angegebenen Rechnungsanschrift tatsächlich keinen Geschäftssitz etc. und wurde dementsprechend als Schuldner von gem. § 14c Abs. 2 UStG unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer verurteilt;

- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt;

- die Rechnungen in 2010 hat der Zeuge R mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht selbst geschrieben; er äußerte in seiner Vernehmung Zweifel daran, dass es sich bei den Unterschriften auf den Rechnungen um seine Unterschrift handele; diese Zweifel hatte er zuvor schon vor dem LG UU geäußert, das daraufhin von der Verfolgung dieser Teile der Tat gem. § 154a Abs. 2 StPO abgesehen hat;

- der Zeuge R war in 2009/2010 schwer heroinabhängig; nach seiner eigenen Einschätzung war dies auch erkennbar, sonst wäre er ja nicht so ausgenutzt worden.

211

(2) Es bestanden hinreichend Anhaltspunkte für den Kläger, die Verhältnisse der streitigen Lieferanten zu überprüfen. Dabei ist zunächst einmal zu berücksichtigen, dass der Metallhandel eine Branche ist, in der ein Teil der Marktteilnehmer ihre geschäftliche Tätigkeit auf eine Hinterziehung von Umsatzsteuer ausrichtet ("Hochrisikobranche"), was letztendlich zur Einführung des § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG geführt hat, wonach die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers erweitert wurde auf steuerpflichtige Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen. Zudem wurde der überwiegende Anteil der Lieferungen als sog. Strecken- bzw. Reihengeschäft abgewickelt, so dass die Ware nicht auf den Platz der A GmbH angeliefert wurde und daher der persönliche Kontakt zu den Lieferanten weniger intensiv war. Bereits unter diesen Umständen bestand im Streitfall Anlass, die Identität der gegenüber der A GmbH auftretenden Personen eingehend zu prüfen. Dies galt umso mehr, als bei der von der A GmbH gehandelten Ware die Gefahr groß ist, auf Hehlerware von Diebstählen zu stoßen. Angesichts dieser Umstände und der überwiegenden Barzahlungen unterlag der Kläger als Geschäftsführer der A GmbH weitgehenden Sorgfaltspflichten.

212

Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger zumindest damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass der Zeuge D, Herr F, die Fa. H und der Zeuge R nicht die tatsächlich Leistenden waren, sondern nur rechnungsmäßig in die Leistungskette eingeschaltet wurden und weder eine eigene Verpflichtung eingehen noch Steuern entrichten wollten.

213

Dies folgert das Gericht aus folgenden Umständen:

                 

a)    

Bezüglich des Zeugen D

-       

kannte der Kläger das geringe Alter von dem Zeugen D;

-       

kann dem Kläger, der nach eigenen Angaben bereits jahrelang im Schrotthandelsgewerbe tätig ist, zur Überzeugung des Gericht nicht verborgen geblieben sein, dass der Zeuge D über keinerlei vertiefte Kenntnisse im Schrott- und Metallhandel verfügte; zumal der Zeuge D nicht in der Lage war, eine ordnungsgemäße Rechnung zu schreiben, so dass der Kläger ihm die erste Rechnung "vorschreiben" musste;

-       

sah sich der Kläger veranlasst, auf Rechnungserteilung durch den Zeugen D hinzuwirken und nicht durch Gutschriften abzurechnen;

-       

wurde der Zeuge D dem Kläger als der, "der zum Abrechnen kommt", angekündigt. Dies steht aufgrund der glaubhaften Angaben von dem Zeugen D fest: Zwar hatte der Zeuge D keine konkrete Erinnerung an die A GmbH mehr, er schilderte jedoch ausführlich seine Erinnerungen an die Fahrten nach C. Da es sich bei der Fa. A GmbH nach den Feststellungen der Steuerfahndung um die einzige Abnehmerin mit Geschäftssitz in C handelte, ist das Gericht davon überzeugt, dass die von Herrn D beschrieben Vorgehensweise bei den Abrechnungen auch bei der A GmbH praktiziert wurde;

-       

war dem Kläger aufgrund der ihm vorgelegten Unterlagen bekannt, dass sich der Zeuge D unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei der A GmbH als Lieferant vorstellte, ohne der A GmbH speziell vermittelt/empfohlen worden zu sein. Diesen Umstand hätte der Kläger zum Anlass nehmen müssen, den Zeugen D nach seinen Erfahrungen im Schrotthandel und seinen Referenzen zu fragen, und sich danach zu erkundigen, wie er gerade auf die A GmbH als mögliche Geschäftspartnerin komme etc. Diese Nachfragen hat der Kläger aber gerade nicht gestellt;

-       

wurden zum Teil tägliche bzw. mit nur geringem zeitlichen Abstand Lieferungen von nicht geringer Menge abgerechnet, ohne dass der Kläger Erkundigungen über die Herkunft des Schrotts einholte bzw. entsprechende Nachfragen bei dem Zeugen D stellte.

214

ß)    

Bezüglich Herrn F

-       

wusste der Kläger von Anfang an, dass nicht Herr F, sondern Herr K die Lieferungen abwickeln werde. Nach dem Grund für diese Vorgehensweise hat er sich nach eigenen Angaben nicht erkundigt;

-       

wurden die Zahlungen nur unleserlich quittiert;

-       

wurden mit nur geringem zeitlichen Abstand Lieferungen von hoher Menge abgerechnet, ohne dass der Kläger Erkundigungen über die Herkunft des Schrotts einholte bzw. entsprechende Nachfragen bei Herrn F stellte;

-       

hat der Kläger den Umstand, dass die Bescheinigung des FA G am ... 2009 und damit vor der Gewerbeanmeldung vom ... 2009 ausgestellt wurde, nicht als Anlass für Rückfragen bei Herrn F genommen. Der - behauptete - Telefonanruf beim FA G kann den Kläger insoweit nicht vollständig entlasten, denn die Frage, ob Herr F steuerlich geführt werde, ist insoweit nicht ausreichend, vielmehr hätte der Kläger auch erfragen müssen, ob Herr F seinen steuerlichen Pflichten (insbesondere Abgabe der USt-Voranmeldungen) nachkommt.

215

?)    

Bezüglich der Fa. H

-       

konnte aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Zeugen FF in seiner Zeugenvernehmung am 11.06.2014 nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob den Rechnungen der Fa. H an die A GmbH tatsächlich Lieferungen zugrunde lagen oder ob es sich um "bestellte" Schein-/Abdecklieferungen handelte. Diese Frage kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil selbst für den Fall, dass tatsächlich Lieferungen stattgefunden hätten, der Kläger zur Überzeugung des Gerichts zumindest damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass die Fa. H nicht die tatsächliche Lieferantin der abgerechneten Metalle war, denn

-       

der Kläger wusste, dass der Zeuge FF eigentlich im Baugewerbe tätig war. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts zum einen daraus, dass der Zeuge FF in Straße-1 ... ein Bürozimmer für seine Tätigkeit im Baugewerbe angemietet hatte und der Kläger - wie er selbst einräumte - Kontakt zu ihm hatte, sowie aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen EE, der bekundete, der Zeuge FF habe sich stets mit seinen guten Leistungen im Baubereich gebrüstet, insbesondere damit, der ... zu sein;

-       

der Kläger hat nicht aufgeklärt, wie der Bauunternehmer FF plötzlich an Metallschrott kommen sollte. Nach seinen, des Klägers, Angaben habe der Zeuge FF behauptet, der Schrott stamme von verschiedenen Baustellen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, den Schrott auf diese behauptete Herkunft überprüft zu haben;

-       

der Kläger hat nicht weiter aufgeklärt, weshalb der Zeuge FF für die Fa. H auftrat. Die Verbindung zwischen Herrn O und dem Zeugen FF hat der Kläger nicht hinterfragt. Der Kläger hat auch keinen Handelsregisterauszug angefordert, sonst hätte er erfahren, dass Herr O gar nicht (mehr) der Geschäftsführer der Fa. H war und

-       

der Kläger hätte durch einen aufmerksamen Blick feststellen können, dass es sich bei den überreichten Unterlagen um Fälschungen handelt, so trägt die Gewerbeanmeldung z. B. zwei unterschiedliche Daten sowie eine uneinheitliche Nummerierung.

216

d)    

Bezüglich des Zeugen R

 -    

wurden mit nur geringem zeitlichen Abstand Lieferungen von hoher Menge gegenüber der A GmbH abgerechnet, ohne dass der Kläger Erkundigungen über die Herkunft des Schrotts einholte bzw. entsprechende Nachfragen bei dem Zeugen R stellte;

-       

notierte sich der Kläger keine Kfz-Nummern bzw. die Namen der Anlieferer;

-       

hat sich der Kläger nicht zu den von dem Zeugen R selbst geäußerten Zweifeln eingelassen, ob auch in 2010 der Zahlungserhalt tatsächlich von dem Zeugen R quittiert wurde;

-       

war für den Kläger ersichtlich, dass die Rechnungsnummern in 2010 nicht fortlaufend waren (oben A. I. 7.a));

-       

hat der Zeuge HH dem Zeugen R auf den Kopf zugesagt, dass er ein bloßer Schreiber sei und er, der Zeuge HH, keine Umsatzsteuer mehr an ihn auszahlen würde. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen R in seiner Vernehmung am 11.06.2014 konfrontierte ihn der Zeuge HH mit seiner, des Zeugen R, "Schreibereigenschaft", nachdem die Geschäfte ein Volumen von ... € erreicht gehabt hätten. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass auch für den Kläger die "Schreibereigenschaft" des Zeugen R erkennbar war und er mit dieser rechnete, er jedoch nicht die gleichen Konsequenzen wie der Zeuge HH zog.

217

(3) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen.

218

Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteile vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob nach dem EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U, EFG 2014, 395), kann dahingestellt bleiben, da der Kläger aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.

219

(4) Weder der Kläger noch die A GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom ... 2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Der Kläger hat trotz der Setzung einer Ausschlussfrist (oben) keine konkreten Angaben gemacht bzw. ergänzende Nachweise eingereicht, wonach die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich als Erbringer der gegenüber der A GmbH abgerechneten Leistungen anzusehen wären.

220

(5) Ohne Bedeutung ist im Ergebnis, dass der Kläger sich die für die Unternehmereigenschaft sprechenden Unterlagen der streitigen Lieferanten hat vorlegen lassen. Dem Gericht ist aus früheren Verfahren bekannt, dass gerade bei der Einschaltung von Strohmännern Wert darauf gelegt wird, dass die formellen Nachweise zur Prüfung der Unternehmereigenschaft vorhanden sind. Dies dürfte auch dem Kläger nicht verborgen geblieben sein.

221

Die von dem Kläger beantragte Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht durchzuführen. Die zum Beweis gestellten Tatsachen sind nicht beweisbedürftig bzw. können als wahr unterstellt werden.

222

Im Einzelnen:
Die Tatsache, dass das Schrotthandelsgewerbe traditionell und seit Generationen von ethnischen Minderheiten und sozialen Randgruppen dominiert werde, kann als wahr unterstellt werden.

223

Die Tatsache, dass die im einzelnen aufgeführten Zeugen mit den hier streitgegenständlichen Lieferanten (einzeln oder allen) auch in Geschäftsbeziehung standen und sie zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten dieselben Maßnahmen ergriffen hätten wie der Kläger, wobei diese Maßnahmen üblich seien im Schrotthandelsgewerbe und weitere Möglichkeiten zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten ihnen und auch dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden hätten, ist nicht beweisbedürftig, da es vorliegend ausschließlich um die Verhältnisse bei der A GmbH und die im Streitfall - erhöhten - persönlichen Pflichten des Klägers geht.

224

Die im Zusammenhang mit den "Neuhändlern" unter Beweis gestellten Tatsachen sind ebenso wie die unter Beweis gestellte Tatsache, dass das Streckengeschäft ein übliches und auch wirtschaftlich sinnvolles Geschäftsmodell sei, ebenfalls nicht beweisbedürftig. Das Gericht hat bei seiner Überzeugungsbildung keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz dahingehend zugrunde gelegt, dass wenn "Neuhändler" hohe Umsätze tätigten, dies ein Indiz für eine etwaige Strohmanntätigkeit sei, und hält es auch nicht per se für ungewöhnlich, wenn Neuhändler gleich zu Beginn der Geschäftsaufnahme hohe Umsätze erwirtschaften und wenn Geschäfte im Metall- und Schrotthandel in Form sog. Streckengeschäfte abgewickelt werden.

225

bb) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Kläger seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der A GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.

226

c) Der Kläger hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.

227

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).

228

aa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Kläger nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen (s.o.).

229

bb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von ... sowie März 2011 in Höhe von ... € hätte der Kläger hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen.

230

d) Auch die Inanspruchnahme des Klägers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.

231

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2003 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

232

aa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die A GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 04.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der A GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die A GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).

233

bb) Entsprechendes gilt bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, in denen aufgrund der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge eine zu niedrige Zahllast festgesetzt wurde. Insoweit ist bereits durch das Einreichen der falschen Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein adäquat kausaler Schaden entstanden (vgl. Urteil des FG Köln vom 31.03.2009 8 K 1483/06, EFG 2009, 1359).

234

cc) aaa) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

235

bbb) Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

236

Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

237

Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570).

238

Der Kläger hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Kläger auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Der bloße Hinweis auf die in den Bilanzen ausgewiesenen Jahresfehlbeträge ist insoweit nicht ausreichend.

239

cc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der A GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO; vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

240

2. Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Kläger (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen von zur Verschleierung der tatsächlichen Lieferanten vorgeschobenen Dritten mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die A GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

241

3. Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Klägers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Kläger ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.

242

Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Klägers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Klägers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

243

Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Kläger zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Kläger zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der A GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulden betraf, für die der Kläger in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).

244

Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Kläger seine Pflicht als Geschäftsführer der A GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern, einzustehen, § 34 Abs. 1 AO.

245

4. Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch seitens des FA sind nicht ersichtlich.

246

Das FA hat vielmehr sowohl sein Entschließungs- als auch sein Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Eine Inanspruchnahme des Klägers als Geschäftsführer der A GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der A GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der A GmbH, Herrn B, ebenfalls durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom ... 2012 ausdrücklich hingewiesen.

II.

247

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

248

2. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor. Zwar sind nach Ansicht des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs bei einem der Leistungsbeziehung zu Grunde liegenden Strohmannverhältnis unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des EuGH vom 21.06.2012 (C-80/11 Mahageben und David) und vom 13.02.2014 (C-18/13 Maks Pen EOOD) noch nicht abschließend geklärt (BFH-Beschluss vom 16.04.2014 V B 48/13, juris), soweit der Leistungsempfänger auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen. Vorliegend hat die Würdigung jedoch ergeben, dass der Kläger damit rechnete und zumindest billigend in Kauf nahm, dass die Angaben der Lieferanten unzutreffend waren.

Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Voranmeldungszeiträume (VAZ) Juni 2009 bis Januar 2010, März 2010 und April 2010, November 2010 sowie März 2011 nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 480.568,22 € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

2

1. Der Antragsteller war ab dem 18.12.2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung von C in den X- Weg in Hamburg beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. 4).

3

2. Die GmbH reichte beim FA ab Mai 2009 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen ein und machte darin z. T. erhebliche Vorsteuerbeträge geltend, die teilweise zu Vorsteuerüberschüssen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) führten, teilweise die abzuführende Umsatzsteuersteuer entsprechend verringerten. Das FA erteilte in den Vergütungsfällen jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 5).

4

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom 05.11.2009 bis zum 18.01.2011 bei der GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Prüfungen holte der Prüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten D, E sowie die F GmbH & Co KG (F) ein.

5

a) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen G (Steufa G; RbA Bd. I Bl. 92 f.) teilte mit, Herr D sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Herr D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der GmbH in Hamburg, der H GbR in J und bei der K GmbH & Co KG in L. Der von Herrn D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

6

Herr D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in ... M über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

7

Der Umstand, dass Herr D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden.

8

b) Das FA N teilte mit, Herr E habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in N angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr E unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr E dem FA N mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn E ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr E nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).

9

c) Bezüglich der F erhielt der Prüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die F habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum 03.05.2007 der Geschäftsführer der F gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).

10

d) Dementsprechend erkannte der Prüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von Herrn D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt 143.246,49 €), Herrn E (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt 88.758,73 €) sowie F (VAZ Februar 2010, 5.438,69 €) ausgewiesene Vorsteuer nicht an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 04.03.2011 BpA Bl. 7 ff.).

11

4. a) Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der F in Höhe von 44.214,49 € für März 2010 und in Höhe von 36.392,33 € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).

12

b) Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über 5.933,51 € fällig gestellt. Die GmbH zahlte nicht.

13

c) Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16-23).

14

d) aa) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen Q (Steufa Q) die schriftliche Einlassung vom 18.05.2011 eines weiteren Lieferanten der GmbH, Herrn R, zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich Herr R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa Q dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in Q gekommen, eine Adresse, mit der er, Herr R ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal 500,00 €.

15

Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.

16

bb) Daraufhin erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Herrn R in Höhe von insgesamt 67.387,56 € mit dem Hinweis, Herr R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt. (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).

17

e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18).

18

f) Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2011 über 0,01 € fällig gestellt, die von der GmbH nicht bezahlt wurde.

19

5. Die GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:

20

"Hiernach steht der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.

21

Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, E und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen G in Sachen D, des Finanzamtes N in Sachen E und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Q in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Antragstellerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.

22

Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Antragstellerin aus den Rechnungen der F nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Antragstellerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der F mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Antragstellerin von der F (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Antragstellerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können...Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff. Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der F und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die F unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."

23

6. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Antragsteller mit, dass dessen Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum der Geschäftsführung durch den Kläger fällig geworden. Das FA bat den Antragsteller, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

24

7. Am 30.03.2012 wurde aufgrund des von der GmbH am 21.02.2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. S aus Hamburg zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).

25

8. Am 08.05.2012 erließ das FA gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Antragsteller für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt 480.568,22 € gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, weil er als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen sei.

26

Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.

27

In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Antragsteller hätte als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den vom Antragsteller verwalteten Mitteln der GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das Finanzamt seien von dem Antragsteller nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).

28

Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der Mitgeschäftsführer Herr B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22 R).

29

9. Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ein und beantragte AdV. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 - April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.

30

Nachdem das Finanzgericht Hamburg die Aussetzungsanträge abgelehnt habe, hätten er, der Antragsteller, und Herr B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten er und Herr B unverzüglich Insolvenz angemeldet.

31

Unabhängig hiervon habe die GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.

32

Vorsorglich beantrage er die AdV und die Aussetzung der Vollstreckung auch aus Gründen der Billigkeit, da Vollstreckungsmaßnahmen zu unbilliger Härte führen würden. Seine Einkommensverhältnisse - monatliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. H. v. 5.000,00 € brutto - seien dem FA bekannt.

33

10. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. S sämtliche der durch die GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).

34

11. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).

35

12. Der Antragsteller hat am 31.10.2013 bei Gericht AdV beantragt.

36

Er trägt zur Begründung seines Antrags vor:

37

Der Haftungsbescheid vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der GmbH, nicht aber um die Pflichtwidrigkeit und Haftung des Antragstellers. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb eine Pflichtverletzung des Antragstellers vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.

38

Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil bereits der GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zustehe. Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. Umsatzsteuergesetz (UStG) formal ordnungsgemäß. Darüber hinaus habe die GmbH dem FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mitgeteilt und belegt, dass sie von den besagten Lieferanten Kopien der Gewerbeanmeldung, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Ausweiskopien sowie Vollmachten u. Ä. erhalten habe. Der Lieferant E sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich zugegen gewesen und habe Herrn T, der sich durch eine notarielle Vollmacht legitimiert habe, als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt. Die Gelder seien auf das Konto des Lieferanten E überwiesen worden. Darüber hinaus seien die Lieferanten D und R bei der Geschäftsanbahnung und bei den Lieferungen selber persönlich zugegen gewesen und hätten Gelder persönlich entgegengenommen.

39

Der Antragsteller ist unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11) der Ansicht, der Vorsteuerabzug sei der GmbH zwingend zu gewähren gewesen. Das FA habe im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets argumentiert, die GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht. Nach der neueren höchstrichterlichen EuGH-Rechtsprechung sei es aber nicht Aufgabe und Pflicht des Steuerpflichtigen, Nachforschungen in diese Richtung anzustellen.

40

Das FA habe weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung eine konkrete Pflichtverletzung dargestellt, noch ausgeführt, weshalb es von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Begehungsweise ausgehe.

41

Weiter werde bestritten, dass es sich bei den Rechnungsausstellern der streitgegenständlichen Rechnungen um "Strohmänner" o. ä. gehandelt habe. Das FA habe den Sachverhalt insoweit nie vollständig aufgeklärt oder eigene Ermittlungen angestellt; vielmehr habe sich die Sachverhaltsaufklärung in Anfragen bei möglichen Wohnsitz- und Betriebsstättenfinanzämtern und Anfragen bei Ermittlungsbehörden beschränkt.

42

Auch wenn die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter formal bestandskräftig seien, so blieben sie dennoch materiell rechtswidrig.

43

Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0 % betrage. Der Antragsteller habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Finanzgerichts vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von 196.686,90 € (2009) und 70.414,28 € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.

44

Die GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die - bestrittenen - Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.

45

Schließlich hätte die Vollziehung des Haftungsbescheides für ihn, den Antragsteller, eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Er sei Arbeitnehmer. Sein monatliches Netto-Einkommen betrage 3.797,47 €. Er verfüge darüber hinaus über kein Vermögen. Unter Hinweis auf das Schreiben seines Arbeitgebers - der Fa. U GmbH mit Sitz im X-Weg in Hamburg - vom 02.12.2013 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 02.12.2013, FGA-Anlagenband), wonach ihm im Falle einer Lohnpfändung gekündigt werde, trägt der Antragsteller vor, Vollstreckungsmaßnahmen würden seine berufliche Existenz gefährden, ohne dass Aussicht auf Tilgung des festgesetzten Haftungsbetrages bestehe.

46

Der Antragsteller beantragt,

47

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bis zu einer Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache auszusetzen.

48

Das FA beantragt,

49

den Antrag abzulehnen.

50

Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff.):

51

Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller genannte Entscheidung des FG Düsseldorf stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.

52

Der Antragsteller habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Dadurch habe der Antragsteller seine Pflichten zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.

53

Der Hinweis des Antragstellers auf seine finanzielle Situation lasse keine unbillige Härte i. S. d. § 361 Abs. 2 AO erkennen.

54

Dem Gericht haben ein Band Haftungsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen sowie folgende Steuerakten der GmbH (St.-Nr. .../.../...): ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Betriebsprüfungsakten, Band I und II der Rechtsbehelfsakten und Band I und II der Klageakten.

II.

55

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

56

1. Der Antrag ist zulässig. Das FA hat über den vom Antragsteller mit Schreiben vom 14.05.2012 gestellten AdV-Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden, so dass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.

57

2. Er hat aber in der Sache aber keinen Erfolg.

58

Nach Maßgabe der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf Grundlage präsenter Beweismittel sind die Voraussetzungen für eine AdV nicht erfüllt. An der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 08.05.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bestehen im Hinblick auf die Umsatzsteuerschulden sowie steuerlichen Nebenleistungen keine ernstlichen Zweifel.

59

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

60

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind nach der Rechtsprechung des BFH zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschlüsse vom 21.11.2013 II B 46/13, BFH/NV 2014, 269; vom 11.07.2013 XI B 41/13 BFH/NV 2013, 1647; vom 12.12.2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272).

61

a) Das FA hat den Antragsteller zu Recht als Geschäftsführer nach § 69 i. V. m. § 34 AO für von der GmbH zu Unrecht nach § 15 UStG gezogene Vorsteuern sowie nicht gezahlte Umsatzsteuer in Haftung genommen.

62

aa) Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (BFH-Urteil vom 28.06.2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

63

Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

64

bb) Der Antragsteller war als eingetragener Geschäftsführer der GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.

65

cc) Der Antragsteller hat als Geschäftsführer der GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften der Herren D, E und R sowie der F die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aaa) und bbb)) sowie die sich für die Monate November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (ccc)).

66

Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Antragstellers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.

67

Die durch den Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs (oben I. 12.) greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen. Den Antragsteller trifft aber auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG.

68

An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11, BFH/NV 2012, 1404). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung der Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Vorliegend hätte der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH nämlich zumindest wissen müssen, dass die genannten Eingangsrechnungen zur Verschleierung des tatsächlich Leistenden und somit zur Begehung einer Steuerhinterziehung benutzt wurden und daher der GmbH der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen nicht zustand.

69

aaa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.

70

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).

71

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).

72

Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).

73

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

74

a) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass die Herren D, E und R sowie die F lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.

75

Im Einzelnen:

76

Bezüglich Herrn D beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa G (oben I. 3. a)).

77

Hinsichtlich Herrn R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben (oben I. 4. d)aa)). Der Senat hat - in Kenntnis dessen, dass es sich insoweit um die Angaben eines Beschuldigten in einem Steuerstrafverfahren handelte, der naturgemäß ein Interesse daran hat, seinen eigenen Tatbeitrag als möglichst gering darzustellen - keine Zweifel an den Angaben von Herrn R. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht insbesondere, dass er kurz nach seiner steuerlichen Anmeldung im Juli 2009 (vgl. RbA Bd. I Bl. 68) gegenüber der GmbH in nur drei Monaten (November 2009 bis Januar 2010) über Lieferungen zu 760.307,29 € netto zzgl. 144.458,38 € USt abgerechnet hat und diese Zahlungen bar geflossen sein sollen (vgl. Mitteilung der Steufa Q vom 08.08.2011, RbA Bd. I Bl. 69).

78

Hinsichtlich Herrn E beruht diese Überzeugung auf der Mitteilung des FA N vom 10.06.2010 (oben I. 3. b)). Für die Schlussfolgerung, dass Herr E nicht selbst die abgerechneten Lieferungen erbracht hat und er sich diese auch (steuerlich) nicht zurechnen lassen wollte, spricht insbesondere der Umstand, dass Herr E unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei dem FA N gegenüber der GmbH in den Monaten November und Dezember 2009 über Lieferungen in einer Bruttogesamthöhe von 555.909,93 € abgerechnet hat und diese Rechnungsbeträge bis auf eine Überweisung über 115.103,94 € (RbA Bd. I Bl. 78) in bar abgewickelt worden sein sollen.

79

Bezüglich der F beruht die Überzeugung zum einen auf der Feststellung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (oben I. 3. c)). Zum anderen steht aufgrund der bereits durch das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 aufgeführten offensichtlichen Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten (oben I. 5.) zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich insoweit um Kopien von gefälschten Dokumenten handelt. Die Verwendung von derartigen Dokumenten und Rechnungsvordrucken ist nur dann sinnvoll, wenn damit die tatsächliche Leistungserbringung durch einen anderen verschleiert werden soll.

80

Weder der Antragsteller noch die GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom 04.03.2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Es sind keine ergänzenden Nachweise vorgelegt worden, dass die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich die gegenüber der GmbH abgerechneten Leistungen erbracht haben.

81

ß) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass für den Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten vorlagen, aufgrund derer er verpflichtet war, sich über die Person des tatsächlichen Leistungserbringers zu vergewissern.

82

Zwar hat die GmbH im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bezüglich aller streitigen Rechnungsausteller Unterlagen vorgelegt, insbesondere Gewerbeanmeldungen, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen u. ä., und vorgetragen, sie habe keinen Anlass gehabt, zu vermuten, dass die Rechnungsaussteller nicht die tatsächlichen Lieferanten seien oder ihre eigenen steuerlichen Pflichten nicht erfüllen würden.

83

Im Hinblick auf die für die F vorgelegten gefälschten Unterlagen ergibt sich ohne weiteres, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass die F auch die tatsächliche Leistungserbringerin war. Der Senat ist davon überzeugt, dass für den Antragsteller auch ohne eingehende Prüfung ersichtlich war, dass es sich bei den Dokumenten um die Kopien von Fälschungen handelte.

84

Auch bezüglich der Herren D, E und R ergibt sich aus den Feststellungen der Steuerfahndungsstellen Q und G bzw. des FA N, dass ein Anlass für den Antragsteller bestand, an der Lieferanteneigenschaft der Rechnungsaussteller zu zweifeln. Alle drei Personen traten unmittelbar nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit gegenüber der GmbH als Lieferanten von sehr großen Mengen an Metall/Schrott gegen Barzahlung von fünf- und sechsstelligen €-Beträgen auf. Die Herren D und R hatten keine Kenntnisse vom Metallhandel und ebenso wie Herr E gar nicht die notwendige Anzahl von Fahrzeugen zur Anlieferung der berechneten Metalllieferungen. Dafür, dass sie entsprechende Subunternehmer beauftragt hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor und wurden von dem Antragsteller auch keine vorgetragen.

85

Hinsichtlich Herrn R ist der Senat darüber hinaus davon überzeugt, dass er als langjähriger Drogenabhängiger mit einem täglichen Heroinkonsum von 2,5 g gar nicht den Eindruck vermittelt haben kann, er könne die Lieferungen selbst ausführen.

86

Hinzu kommt, dass Herr R und Herr D - wie der Antragsteller gegenüber dem Betriebsprüfer bestätigte (KlA Bl. 27) - stets in Begleitung bei der GmbH auftraten und sich Herr E durch seinen Generalbevollmächtigten vertreten ließ, so dass bereits aufgrund dieses Auftretens in Zweifel zu ziehen war, ob die Rechnungsaussteller auch die tatsächlich Leistenden waren.

87

bbb) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen (oben I. 3. a) - c), 4. d)aa)).

88

Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteil vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U; juris), kann dahingestellt bleiben, da der Antragsteller aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.

89

ccc) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Antragsteller seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.

90

dd) Der Antragsteller hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.

91

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).

92

aaa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Antragsteller nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände bestand für ihn die Obliegenheit, sich über die Richtigkeit der in einer Rechnung angegebenen Geschäftsdaten zu vergewissern. Gerade bezüglich der Einkäufe bei der F mit angeblichem Geschäftssitz in der Y-Straße in ... Hamburg wäre es aufgrund der räumlichen Nähe zu der angegebenen Anschrift und der hohen Anzahl der getätigten Ankäufe auch zumutbar gewesen, sich vor Ort von der Richtigkeit der angegebenen Adresse zu vergewissern. Hätte oder hat der Antragsteller dies getan, hätte oder hat er gesehen, dass die F dort nicht ihren Sitz hatte.

93

bbb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von 5.933,51 € sowie März 2011 in Höhe von 0,01 € hätte der Antragsteller hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen (oben 2. a)).

94

ee) Auch die Inanspruchnahme des Antragstellers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.

95

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

96

aaa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 06.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).

97

bbb) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

98

Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

99

Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

100

Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Der Antragsteller hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

101

ccc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO).

102

b) Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Antragsteller (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

103

c) Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Antragsteller vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Antragsteller ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.

104

Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Antragstellers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Antragstellers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

105

Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Antragsteller zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Antragsteller zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulen betraf, für die der Antragsteller in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).

106

Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Antragsteller seine Pflicht als Geschäftsführer der GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern einzustehen, § 35 AO.

107

d) Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt. Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Geschäftsführer der GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der GmbH, Herrn B, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ausdrücklich hingewiesen.

108

e) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.

109

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Pflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BFHE 160, 61, BStBl II 1990, 510; vom 01.08.1986 V B 79/84, BFH/NV 1988, 335).

110

Härten, die nicht mit der Zahlung vor endgültiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des ihr zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheides zusammenhängen, sondern die typischerweise mit der Vollziehung eines Bescheides als solcher verbunden sind, rechtfertigen die AdV nicht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 19.04.1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538). Nur solche Nachteile macht der Antragsteller jedoch geltend.

111

Im Übrigen rechtfertigt das Vorliegen einer Lohnpfändung für sich allein noch keine ordentliche Kündigung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG- vom 04.11.1981 7 AZR 264/79, BAGE 37, 64) und kann eine unbillige Härte grundsätzlich nicht allein in der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung liegen, bei der die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften - auch vom Drittschuldner - beachtet werden (Beschluss des FG München vom 15.03.2012 14 V 471/12, juris).

III.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO, da Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich sind.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat aus, an dem eine Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat nicht beteiligt ist, so ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet, wenn die Steuer in dem anderen Mitgliedstaat von dem Leistungsempfänger geschuldet wird und keine Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Führt der Unternehmer eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 in einem anderen Mitgliedstaat aus, so ist die Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, auszustellen. In dieser Rechnung sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Wird eine Abrechnung durch Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 über eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 vereinbart, die im Inland ausgeführt wird und für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Absatz 1 und 5 schuldet, sind die Sätze 2 und 3 und Absatz 5 entsprechend anzuwenden.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung im Sinne des § 3c Absatz 1 im Inland aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j teilnimmt.

(3) Führt der Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, verpflichtet. In der Rechnung sind auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Satz 1 gilt auch für Fahrzeuglieferer (§ 2a). Satz 2 gilt nicht in den Fällen der §§ 1b und 2a.

(4) Eine Rechnung über die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs muss auch die in § 1b Abs. 2 und 3 bezeichneten Merkmale enthalten. Das gilt auch in den Fällen des § 2a.

(5) Führt der Unternehmer eine Leistung im Sinne des § 13b Absatz 2 aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Absatz 5 die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet; Absatz 1 bleibt unberührt. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14 Absatz 4 Satz 1 Nummer 8 wird nicht angewendet.

(6) In den Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 hat die Rechnung die Angabe „Sonderregelung für Reisebüros“ und in den Fällen der Differenzbesteuerung nach § 25a die Angabe „Gebrauchtgegenstände/Sonderregelung“, „Kunstgegenstände/Sonderregelung“ oder „Sammlungsstücke und Antiquitäten/Sonderregelung“ zu enthalten. In den Fällen des § 25 Abs. 3 und des § 25a Abs. 3 und 4 findet die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) keine Anwendung.

(7) Wird in einer Rechnung über eine Lieferung im Sinne des § 25b Abs. 2 abgerechnet, ist auch auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hinzuweisen. Dabei sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) findet keine Anwendung.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

Eine Rechnung, deren Gesamtbetrag 250 Euro nicht übersteigt, muss mindestens folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
2.
das Ausstellungsdatum,
3.
die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung und
4.
das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt.
Die §§ 31 und 32 sind entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Rechnungen über Leistungen im Sinne der §§ 3c, 6a und 13b des Gesetzes.

(1) Fahrausweise, die für die Beförderung von Personen ausgegeben werden, gelten als Rechnungen im Sinne des § 14 des Gesetzes, wenn sie mindestens die folgenden Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Unternehmers, der die Beförderungsleistung ausführt. § 31 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden
2.
das Ausstellungsdatum
3.
das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag in einer Summe
4.
den anzuwendenden Steuersatz, wenn die Beförderungsleistung nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 des Gesetzes unterliegt und
5.
im Fall der Anwendung des § 26 Abs. 3 des Gesetzes einen Hinweis auf die grenzüberschreitende Beförderung von Personen im Luftverkehr.

(2) Fahrausweise für eine grenzüberschreitende Beförderung im Personenverkehr und im internationalen Eisenbahn-Personenverkehr gelten nur dann als Rechnung im Sinne des § 14 des Gesetzes, wenn eine Bescheinigung des Beförderungsunternehmers oder seines Beauftragten darüber vorliegt, welcher Anteil des Beförderungspreises auf die Strecke im Inland entfällt. In der Bescheinigung ist der Steuersatz anzugeben, der auf den auf das Inland entfallenden Teil der Beförderungsleistung anzuwenden ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Belege im Reisegepäckverkehr entsprechend.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Eine Rechnung kann aus mehreren Dokumenten bestehen, aus denen sich die nach § 14 Abs. 4 des Gesetzes geforderten Angaben insgesamt ergeben. In einem dieser Dokumente sind das Entgelt und der darauf entfallende Steuerbetrag jeweils zusammengefasst anzugeben und alle anderen Dokumente zu bezeichnen, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 des Gesetzes ergeben. Die Angaben müssen leicht und eindeutig nachprüfbar sein.

(2) Den Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes ist genügt, wenn sich auf Grund der in die Rechnung aufgenommenen Bezeichnungen der Name und die Anschrift sowohl des leistenden Unternehmers als auch des Leistungsempfängers eindeutig feststellen lassen.

(3) Für die in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 5 des Gesetzes vorgeschriebenen Angaben können Abkürzungen, Buchstaben, Zahlen oder Symbole verwendet werden, wenn ihre Bedeutung in der Rechnung oder in anderen Unterlagen eindeutig festgelegt ist. Die erforderlichen anderen Unterlagen müssen sowohl beim Aussteller als auch beim Empfänger der Rechnung vorhanden sein.

(4) Als Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes) kann der Kalendermonat angegeben werden, in dem die Leistung ausgeführt wird.

(5) Eine Rechnung kann berichtigt werden, wenn

a)
sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a des Gesetzes enthält oder
b)
Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.
Es müssen nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden. Es gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 des Gesetzes.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat aus, an dem eine Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat nicht beteiligt ist, so ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet, wenn die Steuer in dem anderen Mitgliedstaat von dem Leistungsempfänger geschuldet wird und keine Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Führt der Unternehmer eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 in einem anderen Mitgliedstaat aus, so ist die Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, auszustellen. In dieser Rechnung sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Wird eine Abrechnung durch Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 über eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 vereinbart, die im Inland ausgeführt wird und für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Absatz 1 und 5 schuldet, sind die Sätze 2 und 3 und Absatz 5 entsprechend anzuwenden.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung im Sinne des § 3c Absatz 1 im Inland aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j teilnimmt.

(3) Führt der Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, verpflichtet. In der Rechnung sind auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Satz 1 gilt auch für Fahrzeuglieferer (§ 2a). Satz 2 gilt nicht in den Fällen der §§ 1b und 2a.

(4) Eine Rechnung über die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs muss auch die in § 1b Abs. 2 und 3 bezeichneten Merkmale enthalten. Das gilt auch in den Fällen des § 2a.

(5) Führt der Unternehmer eine Leistung im Sinne des § 13b Absatz 2 aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Absatz 5 die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet; Absatz 1 bleibt unberührt. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14 Absatz 4 Satz 1 Nummer 8 wird nicht angewendet.

(6) In den Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 hat die Rechnung die Angabe „Sonderregelung für Reisebüros“ und in den Fällen der Differenzbesteuerung nach § 25a die Angabe „Gebrauchtgegenstände/Sonderregelung“, „Kunstgegenstände/Sonderregelung“ oder „Sammlungsstücke und Antiquitäten/Sonderregelung“ zu enthalten. In den Fällen des § 25 Abs. 3 und des § 25a Abs. 3 und 4 findet die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) keine Anwendung.

(7) Wird in einer Rechnung über eine Lieferung im Sinne des § 25b Abs. 2 abgerechnet, ist auch auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hinzuweisen. Dabei sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) findet keine Anwendung.

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst:

1.
durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit;
2.
durch Beschluß der Gesellschafter; derselbe bedarf, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt ist, einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen;
3.
durch gerichtliches Urteil oder durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde in den Fällen der §§ 61 und 62;
4.
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen;
5.
mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist;
6.
mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel des Gesellschaftsvertrags festgestellt worden ist;
7.
durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe festgesetzt werden.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlußtermin

1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

(3) Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. Es kann die Anordnung davon abhängig machen, daß ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt.

Tenor

Der Rückforderungsbescheid vom 10.8.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 22.2.2011 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.


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Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des X (Schuldner) wurde am 11. Mai 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) zum Treuhänder bestellt.

2

Auf den Schuldner war ein Pkw zugelassen. Mit Bescheid vom 28. August 2007 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab 11. Mai 2007 auf jährlich 405 € fest. Hiergegen legte der Kläger am 24. September 2007 Einspruch ein. Am 23. Oktober 2007 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Am 3. April 2008 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 5. Mai 2008 Klage. Mit nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes geändertem Bescheid vom 4. Juli 2008 setzte das FA die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 11. Mai 2007 bis 22. Oktober 2007 auf 183 € fest. Der Änderungsbescheid war, ebenso wie der Bescheid vom 28. August 2007 und die Einspruchsentscheidung, an den Kläger als Treuhänder über das Vermögen des Schuldners adressiert.

3

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Kraftfahrzeugsteuer sei keine Masseverbindlichkeit, weil das betreffende Fahrzeug nicht zur Insolvenzmasse gehört habe.

4

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung in der bis 30. Juni 2007 geltenden Fassung (InsO). Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Kraftfahrzeugsteuer für ein gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) unpfändbares Fahrzeug keine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 InsO sei.

5

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur teilweisen Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst, soweit das FG den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 28. August 2007 aufgehoben hat (vgl. 1.). Soweit sich die Revision des FA gegen die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. April 2008 sowie des Änderungsbescheids vom 4. Juli 2008 durch das FG richtet, ist diese unbegründet (vgl. 2.).

8

1. Zu Unrecht hat das FG den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 28. August 2007 aufgehoben. Mangels Prozessführungsbefugnis des Klägers war die Klage insoweit unzulässig.

9

a) Nach § 80 Abs. 1 InsO verliert der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Gleichzeitig geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Im Prozess hat der Insolvenzverwalter kraft gesetzlicher Prozessstandschaft die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis unter Ausschluss des Schuldners. Der Schuldner ist nicht prozessführungsbefugt (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juli 2004 X R 30/04, BFH/NV 2004, 1547, m.w.N.). Im vereinfachten Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) nimmt nach § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO der Treuhänder (§ 292 InsO) die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahr (vgl. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 20. März 2003 IX ZB 388/02, Wertpapier-Mitteilungen 2003, 980, unter V.2.d).

10

b) Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens entfällt neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zugleich die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters (vgl. BGH-Urteil vom 10. Dezember 2009 IX ZR 206/08, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis --ZIP-- 2010, 102; s. auch BFH-Beschluss vom 23. August 1993 V B 135/91, BFH/NV 1994, 186, zur Rechtslage nach der Konkursordnung --KO--). Die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters entfällt auch dann, wenn er Adressat des angefochtenen Steuerbescheids war. Zwar sind als Masseverbindlichkeiten zu behandelnde Steuerforderungen durch einen an den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid geltend zu machen. Dies betrifft aber lediglich die Geltendmachung der Steuerforderung; Steuerschuldner ist auch in diesen Fällen der Insolvenzschuldner als Rechtsträger der Insolvenzmasse (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 186, zur Rechtslage nach der KO).

11

c) Wird das Insolvenzverfahren nach der Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 Abs. 1 InsO), jedoch eine Nachtragsverteilung angeordnet (§ 203 Abs. 1, 2 InsO), bleibt der Insolvenzverwalter ausnahmsweise befugt, anhängige Prozesse fortzusetzen und neue einzuleiten, mit denen die der Nachtragsverteilung vorbehaltenen Masseaktiva realisiert werden sollen (BGH-Urteil in ZIP 2010, 102). Denn mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein (vgl. BGH-Beschluss vom 12. Januar 2006 IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340, unter III.3.). Die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren möglich (BGH-Beschlüsse vom 1. Dezember 2005 IX ZB 17/04, ZIP 2006, 143; vom 2. Dezember 2010 IX ZB 184/09, ZIP 2011, 135; MünchKommInsO/Hintzen, § 203 Rz 2).

12

d) Im Streitfall war der Kläger hinsichtlich des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 28. August 2007 nicht prozessführungsbefugt, weil das Insolvenzverfahren bereits am 23. Oktober 2007 aufgehoben wurde. Anhaltspunkte dafür, dass eine Nachtragsverteilung angeordnet und die Prozessführungsbefugnis des Klägers deshalb ausnahmsweise fortbestanden hat, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus den dem Senat vorliegenden Akten oder dem Vorbringen der Beteiligten.

13

Da das FG eine andere Auffassung zugrunde gelegt hat, war die Vorentscheidung, soweit sie den Bescheid vom 28. August 2007 betrifft, aufzuheben. Die Sache ist --soweit das FG-Urteil keinen Bestand hat-- spruchreif. Die Klage ist insoweit unzulässig und daher abzuweisen.

14

2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG der Klage bezüglich des Änderungsbescheids vom 4. Juli 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 3. April 2008 stattgegeben und diese Verwaltungsakte aufgehoben. Die Einspruchsentscheidung und der Änderungsbescheid vom 4. Juli 2008 sind nichtig.

15

Nach § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung war das Insolvenzverfahren bereits seit mehr als fünf Monaten aufgehoben. Der Kläger war deshalb nicht mehr Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und kam daher deshalb als richtiger Bekanntgabe- oder Inhaltsadressat dieser Verwaltungsakte nicht mehr in Betracht (vgl. auch BFH-Urteil vom 16. Dezember 1997 VIII R 32/90, BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 125 AO Rz 14). Der durch die Einspruchsentscheidung und den Änderungsbescheid erzeugte Rechtsschein einer wirksamen Regelung ist durch deren formale Aufhebung zu beseitigen (vgl. BFH-Urteile vom 17. Mai 1995 II R 96/93, BFH/NV 1996, 69; vom 19. August 1999 IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409, m.w.N.).

16

3. Die Beteiligten werden hinsichtlich des weiteren Verfahrensablaufs darauf hingewiesen, dass mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 23. Oktober 2007 das Einspruchsverfahren analog § 239 ZPO unterbrochen wurde. Danach tritt bei einer "Rechtsnachfolge" im weitesten Sinne, wozu auch das Erlöschen der Prozessstandschaft zählt, eine Unterbrechung des Einspruchsverfahrens bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den vormaligen Insolvenzschuldner ein (hierzu vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1986 V R 37/77, BFH/NV 1987, 111; Pahlke in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 363 Rz 66). Während der Verfahrensunterbrechung konnte die Einspruchsentscheidung dem Insolvenzschuldner nicht wirksam bekanntgegeben werden (Pahlke in Pahlke/Koenig, a.a.O., § 363 Rz 28; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 363 AO Rz 342) und die Klagefrist nicht zu laufen beginnen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.


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(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlußtermin

1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

(3) Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. Es kann die Anordnung davon abhängig machen, daß ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen oder elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlußtermin

1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

(3) Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. Es kann die Anordnung davon abhängig machen, daß ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt.

Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob ein Vorsteuerabzug nach einer Rechnungsberichtigung rückgängig zu machen ist.

2

1. a) Die Antragstellerin wurde am ... 2007 gegründet und am ... 2007 in das Handelsregister eingetragen. Komplementärin ist die A Verwaltungsgesellschaft mbH ..., deren Geschäftsführer Frau B, die alleinige Kommanditistin der Antragstellerin, und Herr C sind.

3

b) Frau B und Herr C sind ebenfalls Geschäftsführer der D ... GmbH (im Folgenden: D), die am ... 1984 gegründet wurde und deren Alleingesellschafter seit dem 31.12.1985 Herr C war. Am ... 2007 trat Herr C den Geschäftsanteil an der D an die Antragstellerin ab (Akte Allgemeines Bl. ...). Die D wurde im Jahr 1984 gegründet, verfügt über ein Stammkapital von 127.850,00 € und betreibt ein Hafenumschlagsunternehmen für ... in der X-Straße ... in Hamburg-1. Dieses Areal besteht aus ... Grundstücken und einem Erbbaurecht an einem Grundstück. Auf diesen Grundstücken befinden sich Gebäude und sonstige Anlagen (einschließlich Kai- und Gleisanlagen) für einen Umschlagsbetrieb für Seeschiffe.

4

c) Eigentümerin der Grundstücke war zunächst die E ... (GmbH & Co.) (im Folgenden: E). Diese hatte die Grundstücke an die F-Gesellschaft ... (im Folgenden: GbR), bestehend aus den Gesellschaftern G und H GmbH, vermietet. Zwischen der GbR als Klägerin und der D als Beklagter wurde vor dem Landgericht Hamburg ein Rechtsstreit über Ansprüche auf Mietzahlung und Räumung geführt (Az. ... und ...), bei dem die Existenz eines (Unter-) Mietverhältnisses zwischen den Parteien streitig war. Die GbR kündigte das aus ihrer Sicht bestehende (Unter-) Mietverhältnis mit Schriftsatz vom 10.04.2007 (Anlage 3 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 07.11.2013, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband) "erneut". Mit Schreiben vom 27.07.2007 (Betriebsprüfungsakten des Finanzamts Hamburg-2 - BpA FA-2 - Band I Bl. ...) erkannte die D die Ansprüche auf Zahlung rückständiger "Mieten bzw. Nutzungsentgelte" und Räumung gegenüber der GbR an.

5

d) Die Antragstellerin schloss als Käuferin am ... 2007 mit der E als Verkäuferin einen notariell beurkundeten Kaufvertrag (Akte Allgemeines Bl. ...) über die ... Grundstücke und das Erbbaurecht nebst Zubehör sowie eine Forderung. Als Kaufpreis wurde der Betrag von insgesamt 4,5 Mio. € vereinbart, wovon ein Teilbetrag von 2.000.000,00 € auf das mitverkaufte Zubehör (u. a. ...) entfallen sollte.

6

Der Kaufvertrag enthielt u. a. folgende Regelungen:

7

§ 1
Kaufgegenstand

8

(...)
(4) Der vorbezeichnete Kaufgegenstand wird von der GmbH in Firma D ... GmbH (...) genutzt. Aus diesem Nutzungsverhältnis bestehen Zahlungsrückstände gegenüber dem ursprünglichen Vermieter, der F- Gesellschaft ..., ... Die F-Gesellschaft ... hat ihre Ansprüche auf Begleichung dieser Zahlungsrückstände an den Veräußerer abgetreten. (...) Der Veräußerer veräußert hiermit diese Ansprüche auf Begleichung der Zahlungsrückstände (...) an den Erwerber (...).

9

§ 2
Kaufpreis

10

(...)
(5) Die Vertragsparteien gehen gemeinsam davon aus, daß es sich bei dem Verkauf um keine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1 a UStG handelt, sondern der Verkauf als umsatzsteuerbarer Umsatz behandelt ist.

11

Dies vorausgeschickt, verzichtet der Veräußerer hiermit gemäß § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 9 a UStG und optiert zur Umsatzsteuer. Im Hinblick auf § 13 b UStG, wonach nur der Erwerber Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist, wird der Veräußerer die Umsatzsteuer für den Kaufgegenstand nicht in Rechnung stellen. Er ist jedoch verpflichtet, eine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen, die sämtliche Pflichtangaben gemäß § 14 Abs. 4 UStG enthält sowie die Vorgaben des § 13 b UStG berücksichtigt.

12

Die Pflicht des Erwerbers zur Anmeldung und Zahlung anfallender Umsatzsteuer richtet sich allein nach den für den Erwerber einschlägigen steuerlichen Regelungen und ist gegenüber dem Veräußerer nicht geschuldet.

13

Sollte die Veräußerung von der Finanzverwaltung entgegen der gemeinsamen Annahme der Vertragsparteien als nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1 a UStG behandelt werden, werden damit etwa verbundene Zinsvor- oder nachteile zwischen den Parteien hälftig geteilt. Im übrigen ist der Vertrag dann so anzupassen, daß das mit diesem Vertrag beiderseitig Gewollte möglichst unverändert erreicht werden kann."

14

§ 4
Nutzungsverhältnisse

15

(1) Das Mietverhältnis mit der GmbH in Firma D ... GmbH ist gekündigt. Der Erwerber tritt gemäß den gesetzlichen Bestimmungen in das mit der GmbH in Firma D ... GmbH weiter bestehende Nutzungsverhältnis ein. Dieses Nutzungsverhältnis ist dem Erwerber vollen Umfanges bekannt.

16

e) Nach den von der Antragstellerin eingereichten, nicht datierten Exemplaren eines Kauf- und eines Mietvertrages (Anlagen zum Schriftsatz vom 21.01.2014, FGA Anlagenband) kaufte die Antragstellerin von der D diverse Maschinen und Anlagen und vermietete diese und die erworbenen Grundstücke ab dem 01.07.2007 an die D für deren Betrieb eines ... Diese Vermietung ist seitdem der Geschäftsgegenstand der Antragstellerin.

17

2. a) Die E reichte am 30.12.2008 bei dem für sie zuständigen Finanzamt Hamburg-2 (im Folgenden: FA-2) die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2007 ein, in der sie in Bezug auf die Grundstücksveräußerung keinen steuerpflichtigen Umsatz erklärte. Das FA-2 führte ab Juni 2012 bei der E eine Umsatzsteuersonderprüfung durch und kam dabei zu dem Ergebnis, dass der Verkauf des Zubehörs nicht unter den Anwendungsbereich des § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) falle, sodass die Steuerschuldnerschaft insoweit nicht auf die Antragstellerin übergegangen sei (Tz. 14 des Prüfungsberichtes vom 25.01.2013, BpA FA-2 Bd. II Bl. 90). Das FA-2 erließ am 08.03.2013 gegenüber der E einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007, in dem es die Umsatzsteuer entsprechend erhöhte.

18

b) Die E erteilte der Antragstellerin daraufhin mit Datum vom 15.08.2007/25.03.2013 eine Rechnung über 2.000.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 380.000,00 € für das Zubehör (Umsatzsteuerakten -UStA- Bl. ...).

19

c) Mit Schreiben vom 02.04.2013 zeigte die Antragstellerin dem Antragsgegner die Abtretung des Vorsteuererstattungsanspruchs aus der Lieferung des Zubehörs gemäß der Voranmeldung für August 2007 in Höhe von 380.000,00 € an die E zur Verrechnung mit deren Umsatzsteuerschuld in derselben Höhe und für denselben Zeitraum an. Der Antragsgegner teilte daraufhin mit Schreiben vom 17.05.2013 mit, dass die Abtretung unwirksam sei, da für diesen Zeitraum kein Vorsteuererstattungsanspruch bestehe, weil die Rechnung erst im März 2013 erteilt worden sei.

20

d) In der für März 2013 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung erklärte die Antragstellerin umsatzsteuerpflichtige Umsätze in Höhe von 55.700,00 € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 380.148,66 €, wovon 380.000,00 € auf das erworbene Zubehör entfielen. Hieraus ergab sich ein Vorsteuererstattungsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 369.565,66 €.

21

e) Auf Antrag der Antragstellerin vom 14.05.2013 zahlte der Antragsgegner dieses Umsatzsteuerguthaben für März 2013 an den Steuerberater der Antragstellerin aus.

22

f) Am 22.07.2013 erhob die E gegen die Antragstellerin vor dem Landgericht Hamburg Klage auf Zahlung der festgesetzten Umsatzsteuer von 380.000,00 € nebst Zinsen (Az. ...).

23

3. a) Die E legte gegen den ihr gegenüber geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 08.03.2013 (oben 2. a)) mit Schreiben vom 10.04.2013 Einspruch ein und beantragte am 19.07.2013 beim Finanzgericht Hamburg die Aussetzung der Vollziehung (AdV) dieses Bescheides (Az. 2 V 184/13). Das FA-2 kam im Rahmen dieses Verfahrens zu der Auffassung, dass es sich bei der Grundstücksveräußerung um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen handele, und gewährte die AdV.

24

b) Die E übersandte der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 17.09.2013 eine berichtigte Rechnung für das Zubehör (UStA Bl. ...) über 2.000.000,00 € ohne Umsatzsteuerausweis. Die Rechnung enthielt den Zusatz:

25

"Diese Rechnung ersetzt die Ihnen unter dem Datum vom 25. März 2013 übersandte Rechnung, die wir storniert haben. Wir bitten um Rückgabe der stornierten Rechnung."

26

c) Mit Bescheid vom 01.10.2013 hob das FA-2 den geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 08.03.2013 gegenüber der E auf.

27

d) Die E nahm daraufhin am 14.11.2013 die gegen die Antragstellerin erhobene Zahlungsklage (oben 2. f)) zurück.

28

4. a) Der Antragsgegner erließ gegenüber der Antragstellerin am 28.10.2013 einen geänderten Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung für März 2013, in dem er die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung abziehbarer Vorsteuerbeträge von nur noch 148,66 € auf 10.434,34 € festsetzte und den Differenzbetrag von 380.000,00 € von der Antragstellerin zurückforderte.

29

b) Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 04.11.2013 Einspruch ein und beantragte die AdV. Die Feststellung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen entgegen der notariellen Vereinbarung und ohne ihre, der Antragstellerin, Beteiligung im Wege der Beiladung sei verfahrensrechtlich bedenklich und materiell-rechtlich falsch. Denn die veräußerten Grundstücke mit den darauf befindlichen Betriebsvorrichtungen und die Forderung bildeten keinen Teilbetrieb. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sei ausgeschlossen, wenn die Vermietung eines Grundstücks vor der Veräußerung eingestellt werde, wie es vorliegend der Fall gewesen sei. Sie, die Antragstellerin, sei auch noch im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung mit Steuerausweis. Diese Rechnung dürfe nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG nur berichtigt werden, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt sei, was hier jedoch gerade nicht der Fall sei. Die Vorsteuer dürfe nicht zurückgefordert werden, bevor die E diese Rechnung auf zivilrechtlichem Wege zurückerhalten habe. Zur Herausgabe sei sie, die Antragstellerin, jedoch weder bereit noch verpflichtet.

30

c) Mit Bescheid vom 06.11.2013 lehnte der Antragsgegner die Gewährung der AdV ab. Aufgrund einer verwaltungsinternen Regelung sei für die Beurteilung, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliege, das Finanzamt des Veräußerers zuständig. Das danach zuständige FA-2 habe in Kenntnis aller Fakten den Veräußerungsvorgang zwischen der E und der Antragstellerin als insgesamt nicht steuerbar beurteilt. Da die E die Umsatzsteuer daher nicht schulde, lägen die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG aus der inzwischen berichtigten Rechnung nicht vor.

31

5. Die Antragstellerin hat am 08.11.2013 bei Gericht die AdV beantragt, hilfsweise bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung in der Hauptsache.

32

Sie trägt vor, die von der E vor dem Landgericht Hamburg erhobene Klage auf Zahlung der Umsatzsteuer sei von Anfang an aussichtslos gewesen, da die Kaufpreisforderung jedenfalls verjährt gewesen sei. Wegen des weiteren Vortrags der Antragstellerin im Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg wird auf ihren Schriftsatz vom 23.09.2013 Bezug genommen (UStA Bl. ...).

33

Der Streit über die Steuerbarkeit eines Umsatzes berühre die steuerrechtlichen Interessen des Leistungsempfängers, da die Steuerbarkeit Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sei. Der Leistungsempfänger könne daher zu dem Rechtsstreit zwischen dem Leistenden und dem Finanzamt über die Steuerbarkeit und Steuerpflicht des Umsatzes beigeladen werden; anderenfalls werde er durch die Entscheidung nicht gebunden. Die Erforderlichkeit einer Beiladung gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sämtliche beteiligten Parteien (die E, das FA-2, sie, die Antragstellerin, und der Antragsgegner) zunächst von einer Steuerpflicht des Umsatzes ausgegangen seien. Dies sei im Kaufvertrag auch so festgehalten worden, woran die Steuerverwaltung im Zweifel gebunden sei (BMF-Schreiben vom 24.10.2012).

34

Es sei für sie, die Antragstellerin, nicht ersichtlich, auf welcher Tatsachengrundlage das FA-2 die Nichtsteuerbarkeit des Vorgangs angenommen habe. Die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sei tatsächlich materiell-rechtlich ausgeschlossen. Wären die für die Beurteilung einer Geschäftsveräußerung maßgeblichen Verhältnisse beim Leistungsempfänger erkundet worden, wäre man zu einem anderen Ergebnis gekommen. Ihr, der Antragstellerin, als Leistungsempfängerin sei jedoch kein rechtliches Gehör gewährt worden, obwohl das Unionsrecht die Einhaltung des Neutralitätsgebotes der Umsatzsteuer durch verfahrensrechtliche Regelungen gebiete. Da der Vorsteuererstattungsanspruch bereits durch einen Steuerbescheid festgestellt worden sei, komme sogar eine notwendige Beiladung in Betracht.

35

Die unterbliebene Hinzuziehung bzw. Beiladung könne im hiesigen Verfahren, noch dazu einem Eilverfahren, nicht geheilt werden. Wegen der fehlenden Rechtsbindung aufgrund der unterbliebenen Hinzuziehung gelte die ursprüngliche Feststellung der Umsatzsteuerbarkeit fort. Der Antragsgegner sei demzufolge verpflichtet, die Rechnung mit Umsatzsteuerausweis als ordnungsgemäß anzuerkennen. Würden für Verkäufer und Käufer aufgrund noch nicht geheilter Verfahrensfehler unterschiedliche Feststellungen zur Umsatzsteuerbarkeit getroffen, dürfe es auf Seiten der E nicht zu einer Haftung nach § 14c Abs. 2 UStG kommen. Andererseits müsse der Vorsteuerabzug für sie, die Antragstellerin, gewährt werden; anderenfalls werde der Rechtsschutz in unzulässiger Weise verkürzt.

36

Die Rechnung sei nicht berichtigt worden. Dies sei auch nicht möglich, da der Steuerausweis zutreffend sei. Ihr, der Antragstellerin, stehe gegen die E ein zivilrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis zu. Es gebe für die E keinen Weg, die Originalrechnung herauszuverlangen.

37

Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vorliege. Die Existenz eines Mietverhältnisses mit der D vor der Veräußerung sei strittig und Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gewesen (vgl. Sitzungsniederschrift des LG Hamburg vom ... 2007, Anlage zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 07.11.2013, FGA Anlagenband), ungeachtet der Frage, ob man die E als Vermietungsunternehmen betrachten dürfe. Allenfalls unstrittig sei die Existenz eines Nutzungsverhältnisses, weil die D ein der E gehörendes Grundstück genutzt habe. Die Rechtsgrundlage für etwaige Ansprüche aus diesem Nutzungsverhältnis sei allerdings ebenfalls streitig gewesen. Aus § 1 Abs. 4 des Kaufvertrages vom... 2007 ergebe sich aber jedenfalls, dass die Vermietung auch nach Ansicht der E eine Unternehmung der GbR gewesen sei. Die Abtretung unbestimmter rückständiger Forderungen aus dem Nutzungsverhältnis habe dem Rechtsfrieden zwischen der D und der GbR gedient und nicht der Übertragung eines Unternehmens auf die Käuferin.

38

Selbst wenn ein Mietverhältnis bestanden hätte, wäre es jedenfalls vor der Veräußerung gekündigt worden (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Kaufvertrages). Was mit dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages vereinbarten Eintritt in ein Nutzungsverhältnis gemeint sein könnte, sei nicht erklärlich; Grundlage für eine Geschäftsveräußerung könne diese Regelung nicht sein. Ein Mietvertrag sei daher nicht übernommen worden. Der von der D gegenüber der GbR anerkannte Räumungsanspruch impliziere die Beendigung eines wie auch immer gearteten Rechtsverhältnisses. Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks sei aber keine Geschäftsveräußerung.

39

Sie, die Antragstellerin, habe im Anschluss an den Grundstückskaufvertrag diverse Maschinen und Anlagen von der D erworben (Anlage 4 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 21.01.2014, FGA Anlagenband) und einen neuen Mietvertrag mit der D abgeschlossen, der auch die Vermietung der erworbenen Gegenstände umfasst habe (vgl. Anlage 5 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 21.01.2014, FGA Anlagenband). Die Verträge beruhten auf Vorgaben der finanzierenden Bank. Es sei folglich kein bestehendes Mietverhältnis übertragen, sondern ein neues Mietverhältnis begründet worden.

40

Schließlich sei von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aber auch deshalb nicht auszugehen, weil zwischen ihr, der Antragstellerin, und der D eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe und die Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks auf den Organträger dazu führe, dass dieser umsatzsteuerrechtlich keine Vermietungstätigkeit ausübe, sondern das Grundstück im Rahmen seines Unternehmens selbst nutze. Die D sei ihre, der Antragstellerin, 100-prozentige Tochter und die Geschäftsführung sei identisch. Damit liege eine organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Eingliederung vor.

41

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

42

die Vollziehung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für März 2013 vom 28.10.2013 auszusetzen.

43

Der Antragsgegner beantragt,

44

den Antrag abzulehnen.

45

Der Antragsgegner nimmt zur Begründung auf den Bescheid vom 06.11.2013 Bezug und führt ergänzend aus, dass aufgrund der Rechnungsberichtigung durch die E die Grundlage für den Vorsteuerabzug entfallen sei.

46

Der Rechnungsaussteller sei jederzeit berechtigt, den Steuerausweis gegenüber dem Rechnungsempfänger zu berichtigen. Von dieser Möglichkeit habe die D mit der berichtigten Rechnung vom 17.09.2013, die die Rechnung vom 25.03.2013 ersetzt habe, Gebrauch gemacht. Die berichtigte Rechnung sei der Antragstellerin unstreitig zugegangen. Ob der Rechnungsaussteller die stornierte Rechnung zurückerlange oder herausverlangen könne, sei dabei unbeachtlich.

47

Die stornierte Rechnung sei unrichtig und ihre Berichtigung daher geboten gewesen. Das FA-2 als das für die Besteuerung der E zuständige FA habe im Einvernehmen mit der E die fehlende Steuerbarkeit des Umsatzes festgestellt; diese Wertung sei für ihn, den Antragsgegner, maßgeblich. Es sei davon auszugehen, dass der Sachverhalt, den die Antragstellerin vortrage, durch das FA-2 gewürdigt und für nicht erheblich befunden worden sei. Denn die Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ergäben sich bereits aus den Vertragsunterlagen, die dem FA-2 unzweifelhaft vorgelegen hätten. So sei die Kündigung des Mietverhältnisses ebenso wie das weiterbestehende Nutzungsverhältnis und der Vertragseintritt der Antragstellerin in § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages vereinbart worden. Die für die Vertragsparteien offenbar naheliegende Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sei in § 2 Abs. 5 des Vertrages behandelt worden.

48

Eine umsatzsteuerliche Organschaft setze ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen der Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem Organträger voraus, das zu einer Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen führe, die es ausschließe, dass weiterhin getrennt Umsatzsteuererklärungen abgegeben würden. Ein derartiges Organschaftsverhältnis zwischen der Antragstellerin als Organträgerin und der D als Organgesellschaft bestehe im Streitfall nicht. Beide Gesellschaften hätten - zuletzt für den Veranlagungszeitraum 2010 - getrennte Umsatzsteuerjahreserklärungen eingereicht. Außerdem habe im Innenverhältnis die D als Mieterin die wirtschaftlich beherrschende Stellung inne. Die Antragstellerin sei eigens zu dem Zweck gegründet worden, die Anteile an der D und die Betriebsgrundstücke zu erwerben und diese an die D zu vermieten. Die Gründung der Antragstellerin habe folglich allein dem Zweck gedient, das Fortbestehen der D auch in einer für sie wirtschaftlich schwierigen Zeit abzusichern. Die Belange und der generationenübergreifende Fortbestand der D hätten im besonderen Interesse ihres Gründungsgesellschafters C gestanden.

49

Die Antragstellerin stelle sich außerhalb des vertraglichen Regelwerks und der umsatzsteuerlichen Grundprinzipien, wenn sie sich weigere, den von ihr unberechtigt gezogenen Vorteil aus dem Vorsteuerabzug trotz Nichtzahlung der Umsatzsteuer an die E zurückzuerstatten. Denn der Veräußerer schulde die Umsatzsteuer entweder nach § 13b UStG oder nach § 1 Abs. 1a UStG nicht, während der Erwerber, hier die Antragstellerin, die Umsatzsteuerschuld mit dem Vorsteuerabzug saldiere bzw. die Lieferung ohne Umsatzsteuer erhalte. Auch habe die Antragstellerin ihre steuerlichen Pflichten von Anfang an nicht erfüllt, da sie zur Besteuerung nach § 13b UStG keine Angaben gegenüber ihm, dem Antragsgegner, gemacht habe.

50

Der daher rechtswidrige Vorsteuerabzug sei zutreffend für den Monat März 2013 korrigiert worden, denn die Berichtigung sei in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der Vorsteuerabzug durchgeführt worden sei.

51

Dem Gericht haben ein Band Akten Allgemeines, zwei Bände Umsatzsteuerakten, und ein Band Rechtsbehelfsakten des Antragsgegners für die Antragstellerin (St.-Nr.-1) vorgelegen sowie zwei Bände Betriebsprüfungsakten des FA-2 für die E (St.-Nr.-2) und je ein Band Akten Allgemeines, Betriebsprüfungs-, Bilanz- und Bilanzberichts- und Umsatzsteuerakten des Antragsgegners für die D (St.-Nr.-3). Ferner hat das Gericht die Gerichtsakte des Verfahrens 2 V 184/13 beigezogen.

II.

52

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

53

1. Der Antrag ist zulässig. Der Antragsgegner hat die vom Antragsteller mit Schreiben vom 04.11.2013 begehrte AdV mit Bescheid vom 06.11.2013 abgelehnt (oben I. 4. c)), sodass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.

54

2. Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

55

a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (BFH-Beschluss vom 21.11.2013 II B 46/13, DStR 2013, 2686). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 03.04.2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973).

56

a) An der Rechtmäßigkeit des geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für März 2013 bestehen keine ernstlichen Zweifel. Der Antragsgegner hat den Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Rechnung vom 25.03.2013 in Höhe von 380.000,00 € in dem angefochtenen Änderungsbescheid bei summarischer Prüfung zu Recht versagt.

57

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i. S. der §§ 14, 14a UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

58

Zwar handelt es sich bei summarischer Prüfung bei dem Erwerb des Zubehörs um einen steuerbaren und steuerpflichtigen Vorgang, weil eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vorliegt (aa)). Jedoch ist die Antragstellerin nicht im Besitz einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis (bb)).

59

aa) Der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer gesetzlich geschuldet wird, und ist nicht zu gewähren, wenn die Steuer in der Rechnung zu Unrecht ausgewiesen wird. Daher kann ein Vorsteuerabzug unabhängig vom Vorliegen einer Rechnung bei einer nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht in Anspruch genommen werden (BFH-Urteil vom 14.03.2012 XI R 2/10, BFHE 237, 391, BStBl II 2012, 653). Eine derartige Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt im Streitfall jedoch nicht vor.

60

aaa) Der Antragstellerin ist zunächst darin beizupflichten, dass ohne ihre Hinzuziehung gemäß § 360 Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren gegenüber der E die dort vertretene Rechtsauffassung des FA-2 bzgl. der Geschäftsveräußerung im Ganzen ihr, der Antragstellerin, gegenüber nicht bindend ist (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 29.12.2011 1 K 3828/05, juris).

61

Andersherum kommt eine Hinzuziehung oder Beiladung der E im Einspruchsverfahren der Antragstellerin oder in einem eventuellen Klageverfahren in der Hauptsache im Hinblick auf einen etwaigen, erneuten Erlass eines Umsatzsteuerbescheides für 2007 gegenüber der E nicht in Betracht. Im Rechtsstreit des leistenden Unternehmers über die Steuerpflicht seiner Umsätze kann der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger gemäß § 60 Abs. 1 FGO beigeladen werden (BFH-Beschluss vom 09.04.2008 V B 143/07, BFH/NV 2008, 1339). Hat die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid Erfolg, kann der den Vorsteuerabzug gewährende Umsatzsteuerbescheid gegenüber dem beigeladenen Leistungsempfänger ggf. nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO geändert werden (BFH-Beschluss vom 09.04.2008 V B 143/07, BFH/NV 2008, 1339). Entsprechendes gilt in dem - hier vorliegenden - umgekehrten Fall. Eine derartige Änderung setzt allerdings voraus, dass im Hinblick auf den Steueranspruch gegenüber dem Beizuladenden nicht bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist (BFH-Beschluss vom 15.10.2010 III B 149/09, BFH/NV 2011, 404).

62

Im Streitfall ist bezüglich des gegenüber der E ergangenen Umsatzsteuerbescheides für 2007 indes Festsetzungsverjährung eingetreten. Wegen der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung am 30.12.2008 (oben I. 2. a)) endete die Verjährungsfrist regulär mit Ablauf des 31.12.2012 (§ 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 AO). Der Ablauf der Verjährung war zunächst wegen der Umsatzsteuersonderprüfung (§ 171 Abs. 4 AO) und anschließend wegen des eingelegten Einspruchs (§ 171 Abs. 3a AO) gehemmt. Mit Abschluss des Einspruchsverfahrens durch Erlass des Abhilfe (Aufhebungs-) Bescheides am 01.10.2013 (oben I. 3. c)) trat dann aber die Festsetzungsverjährung ein. Eine Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber der E ist folglich nicht mehr möglich.

63

bbb) Die Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sind nicht erfüllt.

64

(1) Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG). § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen (BFH-Urteil vom 18.01.2005 V R 53/02, BFHE 208, 491, BStBl II 2007, 730). Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-) können die Mitgliedstaaten die entgeltliche Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.

65

(2) Die Bestimmung bezweckt, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen, und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-444/10 "Schriever", DStR 2011, 2196; BFH-Urteil vom 18.01.2012 XI R 27/08, BFHE 235, 571, BFH/NV 2012, 677). Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil C-497/01 "Zita Modes", Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128; BFH-Urteil vom 30.04.2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863).

66

(3) Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, da durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird (BFH-Urteile vom 06.05.2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114; vom 22.11.2007 V R 5/06, BFHE 219, 442, BStBl II 2008, 448). Geht der Mietvertrag mit der Veräußerung des Grundstücks hingegen nicht auf den Erwerber über, kann der Erwerber die Vermietungstätigkeit des Veräußerers grundsätzlich nicht fortführen (BFH-Urteil vom 04.09.2008 V R 23/06, BFH/NV 2009, 426; zu einer Ausnahmegestaltung BFH-Urteil vom 06.05.2010 V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873).

67

(4) Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt vor, wenn ein Organträger ein an die Organgesellschaft vermietetes Grundstück erwirbt. Bei der Übertragung eines Vermietungsunternehmens setzt die Annahme einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung voraus, dass der Erwerber die Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht nur zivilrechtlich, sondern auch umsatzsteuerrechtlich unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG fortführt. Denn für die Geschäftsveräußerung kommt es auf die Fortsetzung einer Unternehmenstätigkeit und damit auf umsatzsteuerrechtliche Kriterien an, die sich nach § 2 UStG richten. Liegt eine Organschaft vor, sind die Unternehmensteile des Organkreises nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG aber als ein Unternehmen zu behandeln, d. h. der erwerbende Organträger vermietet das übertragene Gebäude umsatzsteuerrechtlich nicht, sondern nutzt es durch die Organgesellschaft als Teil seines Unternehmens eigenunternehmerisch (BFH-Urteil vom 06.05.2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114).

68

(5) Ob vor der Grundstücksveräußerung ein Mietverhältnis zwischen der E und der D bestand, das anschließend von der Antragstellerin als Vermieterin fortgeführt wurde, kann offen bleiben. Denn bei summarischer Prüfung liegen die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der Antragstellerin als Organträgerin und der D als Organgesellschaft vor.

69

Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 11 MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

70

(a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 01.12.2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, für eine Personengesellschaft als Organträgerin). Eine finanzielle Eingliederung liegt hier vor, weil die Antragstellerin als alleinige Gesellschafterin der D bei dieser ihren Willen durchsetzen kann.

71

(b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (BFH-Beschluss 08.08.2013 V R 18/13, BFH/NV 2013, 1747, m. w. N.). Die organisatorische Eingliederung besteht insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften (BFH-Urteil vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218). Im Streitfall sind beide Geschäftsführer der D gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementärin der Antragstellerin (oben I. 1. a) und b)).

72

(c) Für die wirtschaftliche Eingliederung i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträgers) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen eine für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (BFH-Urteil vom 06.05.2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114). Es ist dann im Regelfall davon auszugehen, dass der Organträger aufgrund derartiger Leistungen auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann und für ihn auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine "beherrschende Stellung" besteht (BFH-Urteil vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218). Die Vermietung eines Betriebsgrundstücks genügt, wenn es für die Organgesellschaft von nicht nur geringfügiger Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 06.05.2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114), etwa weil es als Firmensitz vermietet wird und beispielsweise für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft besonders gestaltet, ihrem Betriebsablauf angepasst und dafür nach Lage, Größe, Bauart und Gliederung besonders zugeschnitten ist (BFH-Urteil vom 09.09.1993 V R 124/89, BFHE 172, 541, BStBl II 1994, 129; FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.05.2013 6 K 1146/12, juris).

73

Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben, weil die D die von der Antragstellerin gemieteten Grundstücke als Firmensitz und - zusammen mit den auf dem Grundstück befindlichen Anlagen und dem an sie vermieteten Anlagevermögen (oben I. 1. b) und e)) - für ihren Seegüterumschlagsbetrieb ... nutzt.

74

(d) Auch wenn der D im Verhältnis zur Antragstellerin die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wie der Antragsgegner vorträgt, weil die Antragstellerin eigens zu dem Zweck gegründet wurde, die Betriebsgrundstücke zu erwerben und an die D zu vermieten, ändert dies nichts an der Möglichkeit der Antragstellerin, über das Mietverhältnis auf die D Einfluss zu nehmen, und damit an der wirtschaftlichen Eingliederung der D. Ein über die genannten Eingliederungsvoraussetzungen hinausgehendes Über-/Unterordnungsverhältnis wird auch nach dem vom Antragsgegner zitierten BFH-Urteil (vom 07.07.2011 BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218) nicht gefordert; die Eingliederungsvoraussetzungen sind auch danach in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (abschließend) definiert.

75

(e) Ebenso wenig kommt es auf den Umstand an, dass die D und die Antragstellerin bisher getrennte Umsatzsteuererklärungen abgegeben haben. Die gemeinsame Erklärungsabgabe ist Rechtsfolge und nicht Voraussetzung des Organschaftsverhältnisses.

76

bb) Der Vorsteuerabzug der Antragstellerin scheitert jedoch daran, dass die Antragstellerin nicht mehr im Besitz einer gültigen Rechnung mit Umsatzsteuerausweis ist, nachdem die E die ursprüngliche Rechnung vom 25.03.2013 mit Rechnung vom 17.09.2013 berichtigt hat (oben I. 2. b) und I. 3. b)).

77

(1) Der Besitz einer nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung ist materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug (BFH-Urteil vom 02.09.2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235).

78

(2) Eine ausgestellte Rechnung kann vom Aussteller nachträglich berichtigt werden.

79

Voraussetzung für eine derartige Berichtigung ist lediglich, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht. Die Rückgabe der ursprünglichen Rechnung durch den Leistungsempfänger ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 11.10.2007 V R 27/05, BFHE 219, 266, BStBl II 2008, 438). Notwendig ist ferner eine "Berichtigung" der Rechnung, und zwar durch den Leistenden. Aus ihr muss - notfalls durch Auslegung - hervorgehen, dass der leistende Unternehmer über seine Leistung, statt wie bisher unter Ansatz des ursprünglich ausgewiesenen Steuerbetrags, nunmehr nur noch ohne Umsatzsteuer abrechnen will (BFH-Urteil vom 11.10.2007 V R 27/05, BFHE 219, 266, BStBl II 2008, 438). Auf die zivilrechtliche Befugnis des Leistenden zur Rechnungsberichtigung kommt es umsatzsteuerrechtlich nicht an (BFH-Urteil vom 10.12.2009 XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497).

80

Die E hat der Antragstellerin am 17.09.2013 eine derartige berichtigte Rechnung zukommen lassen, in der die Umsatzsteuer nicht mehr ausgewiesen war.

81

(3) Zwar entfällt der Vorsteuerabzug nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.11.2010 6 K 2114/08, EFG 2011, 746) nicht rückwirkend, wenn der Geschäftspartner die ursprünglich richtige Rechnung mit Steuerausweis später "berichtigt", indem er die Steuer niedriger oder überhaupt nicht mehr ausweist, und diese "Berichtigung" dazu führt, dass die "berichtigte" Rechnung unrichtig ist (zustimmend Hessisches FG, Gerichtsbescheid vom 29.11.2011 1 K 3828/05, juris; FG Nürnberg, Urteil vom 22.11.2011 2 K 1408/2008, juris). Das FG Rheinland-Pfalz stützt diese Auffassung maßgeblich darauf, dass wenn beide Geschäftspartner von der Steuerpflicht des Umsatzes ausgehen und sich diese Annahme letztendlich als zutreffend erweist, es ein übermäßiges Erschwernis der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs wäre, wenn man den Leistungsempfänger bei späterer (nunmehr unrichtiger) "Rechnungsberichtigung" nach vollständiger Abwicklung des Geschäfts darauf verwiese, gegen den Leistenden zivilrechtlich vorzugehen. Der Unternehmer, der im Zeitpunkt der Abwicklung des Geschäfts auf den Vorsteuerabzug vertraue, diesen bei der Preisbildung berücksichtige und daraufhin den vereinbarten Preis bezahle, sei bei einer unberechtigten "Rechnungsberichtigung" nach vollständiger Abwicklung des Geschäfts schutzwürdig.

82

Der vorliegende Fall ist hiermit jedoch nicht vergleichbar.

83

(a) Zum einen gingen die Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrages vom ... 2007 zunächst übereinstimmend davon aus, dass der Vorgang zwar umsatzsteuerpflichtig sei, die Antragstellerin die Umsatzsteuer nach § 13b UStG aber selbst schulde, ihrer diesbezüglichen Umsatzsteuerschuld ein entsprechend hoher Vorsteuerabzug gegenüberstehe und daher im Ergebnis von ihr keine über den Kaufpreis hinausgehende (Umsatzsteuer-) Zahlung zu leisten sei (vgl. § 2 Abs. 5 des Kaufvertrages, oben I. 1. d)). Die E erteilte die Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erst fünfeinhalb Jahre nach der im Übrigen vollständigen Abwicklung des Kaufvertrages, ohne dass die Antragstellerin dies gefordert oder auch nur damit gerechnet hätte. Die Antragstellerin nahm den Vorsteuerabzug hieraus in Anspruch, wehrte sich jedoch gleichzeitig - und aufgrund der Klagerücknahme (oben I. 3. d)) erfolgreich - gegen die zusätzliche Zahlung der ausgewiesenen Umsatzsteuer. Sie hat daher, anders als die Klägerin in dem vom FG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall, nicht von Anfang an auf die Berechtigung des Vorsteuerabzuges vertraut, diesen bei ihrer Preisgestaltung berücksichtigt und die Umsatzsteuer bezahlt.

84

(b) Zum anderen ist es im Streitfall nicht nur zumutbar, die Antragstellerin auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, sondern es besteht kein zivilrechtlicher Anspruch der Antragstellerin gegenüber der E auf Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis, sodass dieses Ergebnis eines Zivilprozesses hier vorweggenommen werden kann.

85

(aa) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG ist ein Unternehmer, der einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen, die nach § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG das Entgelt, den Steuersatz und den Steuerbetrag ausweisen muss, um dem Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Der Anspruch des Leistungsempfängers auf Erteilung einer Rechnung ist eine Nebenpflicht aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis und damit ein zivilrechtlicher Anspruch, für dessen Geltendmachung der Zivilrechtsweg eröffnet ist (Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 14 Rz. 25; Korn in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 14 Rz. 24).

86

(bb) Eine Rechnung setzt voraus, dass der Leistungsempfänger das in Rechnung gestellte Entgelt nebst Umsatzsteuer auch schuldet, dass die Zahlung des Steuerbetrages also ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart war (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Rz. 179 f.). Dem Leistungsempfänger steht bzgl. des vereinbarten Entgelts ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu, bis der Leistende (Zug um Zug) eine ordnungsgemäße Rechnung erteilt (Korn in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 14 Rz. 31; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Rz. 186). Das gilt auch umgekehrt. Die Verpflichtung zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erlischt schließlich, wenn der Leistungserbringer die Steuer wegen Verjährung nicht mehr schuldet und der Leistungsempfänger den Umsatzsteuerbetrag als zivilrechtlich nicht mehr geschuldet zurückerhalten hat (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Rz. 167).

87

(cc) Im Streitfall steht der Antragstellerin kein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung für das Zubehör über 2 Mio € zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 380.000,00 € zu, weil sie auch nicht (mehr) zur zusätzlichen Zahlung der Umsatzsteuer verpflichtet ist.

88

Letzteres ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung. Gehen die Parteien eines Kaufvertrages übereinstimmend von einer bestimmten umsatzsteuerlichen Behandlung des Kaufes aus und stellt sich später heraus, dass die gemeinsamen Annahme unzutreffend ist, kann die Frage, ob und durch wen die Umsatzsteuer zu zahlen ist, einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich sein. Es liegt dann kein in die Risikosphäre einer Partei fallender einseitiger Kalkulationsirrtum vor, sondern eine Regelungslücke, die nach den Grundsätzen der Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (BGH-Urteil vom 14.01.2000 V ZR 416/97, DStR 2000, 834; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2012 16 U 159/11, juris).

89

Im Streitfall gingen die Vertragsparteien nach der eindeutigen Regelung in § 2 Abs. 5 des Kaufvertrages (oben I. 1. d)) übereinstimmend davon aus, dass der Vorgang zwar der Umsatzsteuer unterliegt, die Antragstellerin aber Steuerschuldnerin und gleichzeitig Vorsteuerabzugsberechtigte sei, sodass es sich bei dem vereinbarten Preis für das Zubehör um einen Nettopreis handelte. Dass die Antragstellerin, wie sie im Zivilverfahren vorgetragen hat (UStA Bl. ...), vor Vertragsschluss auf eine etwaige Nichtanwendbarkeit des § 13b UStG auf den Erwerb des Zubehörs hingewiesen habe, ändert daran nichts. In Anbetracht der eindeutigen vertraglichen Regelung kann sie sich auf einseitige, nicht vereinbarte und beurkundete Vorbehalte nicht berufen.

90

Die Vertragsparteien haben lediglich eine Vereinbarung für den Fall getroffen, dass der Vorgang entgegen der gemeinsamen Erwartung als eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen anzusehen wäre. Nicht geregelt wurde der dann eingetretene Fall, dass der Vorgang zwar der Umsatzsteuerpflicht unterliegt, die Vorschrift des § 13b UStG aber nicht einschlägig ist, sodass die E die Umsatzsteuer schuldet, der entsprechende Umsatzsteuerbescheid aber verfahrensrechtlich irreversibel aufgehoben wird. Die Bestimmung in § 2 Abs. 5 Satz 5 des Vertrages, dass die Anmeldung und Zahlung der Umsatzsteuer durch den Erwerber dem Veräußerer gegenüber nicht geschuldet sei, hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine allgemeine Bedeutung im Sinne einer Bruttopreisvereinbarung; sie kann sich vielmehr nur auf die Regelung in § 13b UStG beziehen, weil nur danach die Umsatzsteuer vom Erwerber anzumelden und an das Finanzamt zu zahlen ist.

91

Da der eingetretene und nicht geregelte Fall indes wirtschaftlich dem vertraglich geregelten entspricht, weil weder die E noch die Antragstellerin im Ergebnis durch die Umsatzsteuer belastet ist, ist die Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass die Antragstellerin aufgrund der nicht mehr änderbaren Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber der E nicht (mehr) verpflichtet ist, die auf das Zubehör entfallende Umsatzsteuer an die E zu bezahlen.

92

Dass diese Zahlungspflicht nicht besteht, ist zwischen den Vertragsparteien im Ergebnis auch unstreitig; die Antragstellerin ist der entsprechenden Zahlungsklage der E entgegengetreten und die E hat die Klage schließlich zurückgenommen.

93

Im Gegenzug steht der Antragstellerin dann aber auch kein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis zu.

94

(c) Jedenfalls in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der die Umsatzsteuer zivilrechtlich nicht geschuldet wird und auch nicht gezahlt wurde, folgt der beschließende Senat daher nicht der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (oben (3)), sondern der Auffassung des BFH, der zufolge der Vorsteuerabzug eine gültige Rechnung mit Umsatzsteuerausweis voraussetzt und es auf die einer Rechnungsberichtigung zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen und die Frage, ob die berichtigte Rechnung die Umsatzsteuer zutreffend ausweist oder die Berichtigung auf rechtlichen Fehlvorstellungen beruht, nicht ankommt (BFH-Beschluss vom 03.04.2013 V B 64/12, BFH/NV 2013, 1135; BFH-Urteil vom 23.01.2013 XI R 25/11, BFHE 239, 547, BStBl II 2013, 417; ähnlich Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 561.1, der den Widerruf des eigentlich zutreffenden Steuerausweises (nur) dann als wirksam und zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges verpflichtend ansieht, wenn der Rechnungsaussteller zugleich einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer an den Rechnungsempfänger zurückzahlt; kritisch gegenüber der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 15 Rz. 87, Fn. 383).

95

(4) Die Rechnungsberichtigung durch die E hat zur Folge, dass die Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug, im Besitz einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis zu sein, rückwirkend entfiel, sodass der Antragsgegner zu Recht den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für März 2013 geändert hat.

96

(a) Hat ein Unternehmer in einer Rechnung zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen und berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, entfällt die Umsatzsteuerschuld gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG zwar erst in dem Besteuerungszeitraum der wirksamen Berichtigung, also ex nunc (FG Hamburg, Beschluss vom 06.12.2012 3 K 96/12, EFG 2013, 1537). Diese Vorschrift richtet sich jedoch nicht an den Leistungsempfänger. Der Vorsteuerabzug für eine nicht umsatzsteuerpflichtige Leistung ist nach den §§ 172 ff. AO im Abzugsjahr zu korrigieren (BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 3/06, BFHE 221, 67, BStBl II 2009, 203).

97

(b) Ebenso wenig einschlägig ist die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG, wonach der Vorsteuerabzug bei einer nachträglichen Änderung der Bemessungsgrundlage erst in dem Besteuerungszeitraum der Änderung (ex nunc) zu berichtigen ist. Denn eine Änderung der Bemessungsgrundlage liegt im Streitfall nicht vor. Nachträglich entfallen ist allenfalls die Pflicht der Antragstellerin zur zusätzlichen Zahlung des Umsatzsteuerbetrages, der nicht zum Entgelt und damit zur Bemessungsgrundlage zählt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

98

(c) Da im Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung (März 2013) die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorlagen (umsatzsteuerpflichtige Leistung und Rechnung mit Umsatzsteuerausweis) und eine dieser Voraussetzungen durch die Rechnungsberichtigung entfallen ist, liegen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Änderung des Vorsteuerabzugs gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Nach Auffassung des BFH (Urteil vom 11.10.2007 V R 27/05, BFHE 219, 266, BStBl II 2008, 438) verdrängt § 17 Abs. 1 UStG die sonst gebotene Anwendung des § 175 AO. Da § 17 Abs. 1 UStG hier nicht einschlägig ist, gelangt § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zur Anwendung.

99

b) Dass die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, hat die Antragstellerin nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

100

3. a) Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

101

b) Gründe für die Zulassung der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die oben angesprochene Rückwirkungsfrage (oben 2. a) bb) (4)) wird sich zeitnah durch den Erlass des Umsatzsteuerbescheides für 2013 erledigen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf festgesetzte Nachzahlungszinsen darum, ob ein Vorsteuerabzug statt --wie bisher-- (erst) im Besteuerungszeitraum 2007 zuzulassen ist, in dem über Leistungen Rechnungen erteilt wurden, oder ob der Vorsteuerabzug aus Gründen der Billigkeit bereits in den Streitjahren 1999 bis 2005 zu gewähren ist, in denen die Leistungen erbracht wurden, mit der Folge, dass die Grundlage für die Festsetzung von Nachzahlungszinsen entfällt.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Verlagsgesellschaft, die u.a. Tageszeitungen herstellt und vertreibt. Am 12. Februar 1999 schloss sie mit der X-AG eine Vereinbarung, deren § 1 ihr das ausschließliche Recht einräumte, regelmäßig erscheinende kostenlose Printprodukte in von der X-AG im Linienverkehr eingesetzten Straßenbahnen und Bussen sowie an Stationen und Haltestellen zu vertreiben.

3

Die Klägerin hatte gemäß § 3 der Vereinbarung hierfür u.a. folgende Gegenleistungen zu erbringen:

        

Gemäß § 3 Ziff. 1 und 2 verpflichtet sich die Klägerin, "jeweils wöchentlich dienstags eine 1/1 Seite in der ... und in der ... vierfarbig mit 'Nahverkehrs-news', Mitteilungen, Geschäftsberichten und/oder Anzeigen" von der X-AG zu veröffentlichen.
Die sog. Nahverkehrs-news sollten "in Zusammenarbeit von ...-Redaktion und den für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mitarbeitern" der X-AG "unter der publizistischen Verantwortung der ...-Redaktion" erstellt werden.

        

Nach § 3 Ziff. 6 wird sich die Klägerin an den durch die X-AG "zu erbringenden Redaktions- und Gestaltungsleistungen für die 1/1 Seite (vgl. Ziff. 1 Abs. 2 S. 1) mit ... DM jährlich beteiligen. Der Betrag ist in vier gleichen Raten jeweils zur Mitte eines Kalendervierteljahres zu zahlen ...".

                 

§ 5 der Vereinbarung bewertete die Leistungen wie folgt:

        

"1. Die als Gegenleistung für die Einräumung des alleinigen Vertriebsrechts" seitens der X-AG von der Klägerin "zu erbringenden Leistungen (§ 3) werden wie folgt jährlich bewertet:

Media-Leistungen gem. § 3 Ziff. 1 u. 2

... DM

Abgeltung der Redaktionsleistungen von [X-AG] gem. § 3 Ziff. 6

... DM

Besondere Hinweise gem. § 3 Ziff. 7

... DM

Interne Kosten [der Klägerin]

... DM

        

... DM

        


Die Media-Leistungen gem. § 3 Ziff. 1 und 2 sowie die Hinweise gem. § 3 Ziff. 7 sind zu Netto-Listenpreisen ohne Rabattierung errechnet. Die internen Kosten entsprechen der Kostenstruktur bei der [Klägerin]. ...

        

2. Es besteht Einigkeit darüber, dass keine der von [der Klägerin] zu erbringenden Gegenleistungen zusätzlich vergütungspflichtig ist, und zwar auch nicht bei einem Steigen oder Fallen der Anzeigenpreise."

4

Die Vertragsparteien sahen die gegenseitigen Leistungen als gleichwertig an, so dass sie darüber keine Rechnungen ausstellten. Im Juni 2007 --so das FG-- "stellten die Vertragsparteien die Steuerbarkeit und Steuerpflicht des Leistungsaustausches ... übereinstimmend fest", erteilten sich daraufhin über die in den Jahren 1999 bis 2006 erbrachten gegenseitigen Leistungen Rechnungen, verrechneten den jeweils offenen Betrag mit dem jeweiligen Gegenanspruch und wiesen dabei Umsatzsteuer offen aus. In den Rechnungen der X-AG an die Klägerin wird mit der "Referenz: Lt. Vereinbarung vom 12.2.1999 Vertriebsrecht § 1" jeweils unter dem Datum 4. Juni 2007 wie folgt abgerechnet:

5

           

Bezeichnung

        

Preis in €

Umsatzsteuer in €

Gesamt in €

1999   

Vertriebsrecht § 1

...     

...     

...

2000   

Vertriebsrecht § 1

...     

...     

...

2001   

Vertriebsrecht § 1

...     

...     

...

2002   

Vertriebsrecht § 1

...     

...     

...

2003   

Vertriebsrecht § 1

...     

...     

...

2004   

Vertriebsrecht § 1

...     

...     

...

2005   

Vertriebsrecht § 1

...     

...     

...

6

Sämtliche Rechnungen enthalten die Hinweise "Diese Rechnung wird mit Gegenrechnung verrechnet" und "Fällig: am 04.06.07".

7

Die Klägerin gab für die Jahre 1999 bis 2006 berichtigte Umsatzsteuererklärungen ab und brachte die ihr von der X-AG in den Rechnungen vom 4. Juni 2007 in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Juli 2007 als Vorsteuer in Abzug.

8

Mit Schreiben vom 25. Juli 2007 beantragte die Klägerin, Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO nicht festzusetzen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 27. August 2007 ab und setzte die Umsatzsteuer entsprechend den von der Klägerin berichtigten Umsatzsteuererklärungen fest. Ferner setzte das FA jeweils mit Bescheiden vom 13. September 2007 Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1999 bis 2005 fest; die Nachzahlungszinsen beliefen sich auf insgesamt ... €.

9

Gegen den ablehnenden Bescheid vom 27. August 2007 legte die Klägerin unter dem 24. September 2007 Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29. Februar 2008 als unbegründet zurückwies. Die hiergegen erhobene Klage nahm die Klägerin mit Schreiben vom 28. Juli 2008 zurück. Unter dem gleichen Datum nahm sie ferner ihren Einspruch vom 27. September 2007 gegen die Zinsbescheide vom 13. September 2007 zurück.

10

Mit Schreiben vom 10. September 2008 beantragte die Klägerin, nach § 163 AO i.V.m. Abschn. 202 Abs. 7 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) den Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen aus sachlichen Billigkeitsgründen rückwirkend in den Jahren des Leistungsbezugs, d.h. 1999 bis 2005, zuzulassen. Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 ab. Den Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 25. November 2008 zurück. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mehrfach entschieden, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer auch dann nicht sachlich unbillig sei, wenn sie bei ordnungsgemäßer Inrechnungstellung vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden könne. Nach der Systematik des Umsatzsteuergesetzes komme es für die Entstehung der Steuerschuld nicht darauf an, ob der Fiskus bei "korrekter Gestaltung" die Umsatzsteuer erhalten hätte. Das umsatzsteuerrechtliche Neutralitätsprinzip fordere nicht zwingend, dass sich der Vorsteuerabzug bereits bei Zahlung der vereinbarten Gegenleistung und damit bei Abführung der Vorsteuer auswirken müsse. Im vorliegenden Fall stehe der Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1999 bis 2006 ein Vorsteuerabzug in gleicher Höhe für den Voranmeldungszeitraum Juni 2007 gegenüber. Wirtschaftlich sei der Unternehmer durch die Umsatzsteuer somit im Ergebnis nicht belastet. Eine abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen komme daher nicht in Betracht.

11

Die Klägerin erhob hierauf Klage. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2010 ergänzte sie den Sachverhalt nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) dahingehend, man habe nunmehr festgestellt, dass die X-AG auf der Grundlage von § 3 Ziff. 6 des Vertrages vom 12. Februar 1999 in den Streitjahren Teilrechnungen an die Klägerin erteilt habe. Diese Abrechnungen bezögen sich auf die durch die X-AG zu erbringenden Gestaltungsleistungen. Aus dem Leistungsspektrum der in § 5 Ziff. 1 bewerteten Leistungen von insgesamt ... DM seien mithin ... DM über Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis abgerechnet worden. In den hierzu vorgelegten und vom FG in Bezug genommenen Rechnungen der X-AG heißt es unter Verweis auf die Vereinbarung bspw. für das Jahr 2001:

12
        

"Wir berechnen Ihnen – abgeleitet aus dem o.a. Vertrag – die jeweils zur Mitte eines Quartals fälligen Zahlungsraten wie nachstehend:

        
                 

1. Zahlung: fällig: 15.02.2001

... DM

16 % MWSt.

... DM

        

... DM

                 

2. Zahlung: fällig: 15.05.2001

... DM

16 % MWSt.

... DM

        

... DM

                 

3. Zahlung: fällig: 15.08.2001

... DM

16 % MWSt.

... DM

        

... DM

                 

4. Zahlung: fällig: 15.11.2001

... DM

16 % MWSt

... DM

        

... DM

                 
        

... DM

                 

Rechnung ist zahlbar rein netto

Zahlung erbitten wir in Deutsche Mark"

13

Ferner wies die Klägerin darauf hin, die Steuerfestsetzungen hätten zum Zeitpunkt des Antrags vom 10. September 2008, den Vorsteuerabzug in den Jahren des Leistungsbezugs 1999 bis 2005 zuzulassen, noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden. Der Sachverhalt sei daher mit dem in dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 15. Juli 2010 C-368/09 --Pannon Gép-- (Slg. 2010, I-7467, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 693) vergleichbar.

14

Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Die Entscheidung ist abgedruckt in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2011, 1337.

15

Die Festsetzung der streitigen Umsatzsteuerbeträge für die Jahre 1999 bis 2005 sei nicht sachlich unbillig. Dabei ließ das FG die Frage, ob es sich bei den Rechnungen der X-AG vom 4. Juni 2007 überhaupt um Rechnungsberichtigungen handeln könne, im Ergebnis mit der Begründung offen, die Klage sei jedenfalls wegen der fehlenden Rückwirkung einer etwaigen Rechnungsberichtigung auf die Streitjahre abzuweisen.

16

Mit ihrer Revision macht die Klägerin fehlerhafte Tatsachenfeststellungen und Verletzung materiellen Rechts geltend.

17

(1) Im Streitfall handele es sich um einen tauschähnlichen Umsatz i.S. des § 3 Abs. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit Baraufgabe. Die X-AG habe aufgrund ihrer Ansprüche aus § 3 Ziff. 6 in den jeweiligen Jahren Rechnungen erteilt und die darin ausgewiesene Umsatzsteuer abgeführt, und sie, die Klägerin, habe die Steuer insoweit als Vorsteuer abgezogen. Das in diesen Rechnungen ausgewiesene Entgelt habe jedoch nicht die getauschten gegenseitigen (sonstigen) Leistungen insgesamt umfasst. Diesen Mangel hätten die Vertragsparteien erst im Juni 2007 erkannt und sich die Rechnungen vom 4. Juni 2007 gegenseitig ausgestellt, den jeweils offenen Betrag mit dem Gegenanspruch verrechnet und die Umsatzsteuer offen ausgewiesen.

18

(2) Entgegen der Auffassung des FG seien die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre nicht bestandskräftig. Insoweit werde unzutreffende Tatsachenfeststellung gerügt. Als offenkundig unzutreffend und verfahrensfehlerhaft werde ferner die Vertragsauslegung von § 3 Ziff. 6 durch das FG gerügt, sowie die daraus abgeleitete Schlussfolgerung des FG, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechnungen würden nicht von dem in § 5 bewerteten tauschähnlichen Umsatz umfasst, sondern rechneten über zusätzliche Leistungen der X-AG ab. Hier habe das FG offenbar die Vertragsparteien verwechselt, denn die Regelung in § 5 Ziff. 2, auf die sich das FG bei seiner Auslegung berufe, beziehe sich nur auf ihre Leistungen, nicht aber auf solche der X-AG, über die in den Rechnungen abgerechnet werde.

19

(3) Bei unionsrechtskonformer Auslegung sei der Vorsteuerabzug im Falle einer Rechnungsberichtigung rückwirkend auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zu gewähren. Dies ergebe sich aus dem EuGH-Urteil --Pannon Gép-- (Slg. 2010, I-7467, UR 2010, 693).

20

Es könne dahinstehen, ob bereits die Vereinbarung vom 12. Februar 1999 als (unvollständige) Rechnung anzusehen sei, denn jedenfalls bezögen sich die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechnungen auf einen Teil des in der Vereinbarung beschriebenen Leistungsaustausches, nämlich auf § 3 Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Ziff. 6, der das in § 5 Ziff. 1 bezeichnete Baraufgabe-Element darstelle. Es handele sich somit um Teilrechnungen. Die Gesamtheit, bestehend aus diesen Teilrechnungen, den Abrechnungsdokumenten vom 4. Juni 2007 und der Vereinbarung vom 12. Februar 1999, erfülle alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG; sie stelle eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung i.S. von Abschn. 183 Abs. 1 Satz 1 UStR dar.

21

Im Falle der Berichtigung einer Rechnung gelte nach dem Urteil des EuGH --Pannon Gép-- (Slg. 2010, I-7467, UR 2010, 693) nicht mehr uneingeschränkt, dass die Vorsteuer erst in dem Besteuerungszeitraum abgezogen werden könne, in dem eine ordnungsgemäße Rechnung vorliege. Vielmehr könnten bspw. falsche oder fehlende Angaben zum Entgelt und zum Steuerbetrag korrigiert bzw. ergänzt werden - und zwar rückwirkend auf das Jahr der ersten Rechnungsstellung; und zwar jedenfalls dann, wenn alle materiell- und formell-rechtlichen Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug erfüllt und die berichtigten Rechnungen alle vorgeschriebenen Angaben enthalten. Der Streitfall sei nicht mit der vom EuGH und vom BFH entschiedenen Rs. --Terra Baubedarf-- (vgl. EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-152/02, Slg. 2004, I-5583, BFH/NV Beilage 2004, 229; BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 V R 33/01, BFHE 206, 463, BStBl II 2004, 861) vergleichbar, denn dort sei es nicht um eine Rechnungsberichtigung gegangen, sondern um einen erstmalig geltend gemachten Vorsteuerabzug.

22

Der rückwirkende Vorsteuerabzug sei jedenfalls im Billigkeitswege zu gewähren, weil es ihr, der Klägerin, im Zeitpunkt der Antragstellung angesichts der seinerzeitigen Rechtsprechung nicht zumutbar gewesen sei, ihre Rechtsauffassung im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zu verfolgen. Die Ausübung des in § 163 AO vorgesehenen Ermessens sei vorliegend auf Null reduziert, weil das Unionsrecht die Anwendung einer Billigkeitsmaßnahme erfordere. Auch begehre sie nicht die Korrektur eines bestandskräftigen Steuerbescheides.

23

(4) Selbst wenn die Voraussetzungen einer Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der erstmaligen Rechnungserteilung nicht vorliegen sollten, könne ausnahmsweise im Billigkeitsverfahren nach den allgemeinen Grundsätzen der Belastungsneutralität und der Verhältnismäßigkeit ein Vorsteuerabzug mit Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Abführung der Vorsteuer zu gewähren sein. Ein solcher Ausnahmefall liege vor, weil sie, die Klägerin, die Vorsteuer bereits in den Streitjahren (im Wege der Verrechnung) an die leistende X-AG bezahlt und diese sie abgeführt habe, in gutem Glauben auf die Ordnungsmäßigkeit der erteilten (Teil-)Rechnungen gehandelt habe und das Steueraufkommen nicht gefährdet gewesen sei.

24

Der Streitfall sei auch insoweit nicht mit der Rs. --Terra Baubedarf-- (Slg. 2004, I-5583, BFH/NV Beilage 2004, 229) vergleichbar, weil dort der Steuerpflichtige die Zahlung der Rechnung an den Leistenden erst nach Erhalt der Rechnung vorgenommen habe. Hier aber verlange das Neutralitätsgebot der "vollständigen und sofortigen" Entlastung nicht nur die betragsmäßige, sondern auch die zeitliche Korrespondenz von Steuerabführung und Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger. Die Entscheidung --Terra Baubedarf-- (Slg. 2004, I-5583, BFH/NV Beilage 2004, 229) gelte nur für den dort in Rz 35 des EuGH-Urteils dargestellten Normalfall. Denn dort heiße es: "dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Steuerpflichtigen grundsätzlich keine Zahlungen vornehmen und daher keine Vorsteuer abführen, bevor sie eine Rechnung oder ein anderes, als Rechnung zu betrachtendes Dokument erhalten haben, und dass nicht von der Belastung eines Umsatzes mit der Mehrwertsteuer ausgegangen werden kann, bevor diese abgeführt wurde."

25

Die erhobenen Nachzahlungs- und Erstattungszinsen seien unter dem Gesichtspunkt der Be- und Entlastung des Steuerpflichtigen in materieller Hinsicht "Zuschläge zur Steuer". Das ergebe sich auch aus dem BFH-Urteil vom 17. April 2008 V R 41/06 (BFHE 221, 498, BStBl II 2009, 2), demzufolge der Steuervergütungsanspruch nach § 18 Abs. 9 UStG 1993 i.V.m. §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 auf einer "Festsetzung der Umsatzsteuer" i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO beruht und deshalb nach näherer Maßgabe des § 233a AO zu verzinsen ist.

26

Der Zinsnachteil für sie, die Klägerin, sei offenkundig. Obwohl sie lediglich als Steuereinnehmerin für den Fiskus tätig werde und das Steueraufkommen zu keiner Zeit gemindert oder auch nur gefährdet gewesen sei, habe das FA Nachzahlungszinsen festgesetzt. In einem solchen Fall gebiete der Grundsatz der Steuerneutralität, den Vorsteuerabzug rückwirkend für den Besteuerungszeitraum zuzulassen, in dem die Vorsteuer an den leistenden Unternehmer bezahlt worden sei. Sie verweist hierzu auch auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 1. Dezember 2008 IV B 8 - S 7203/07/10002 (BStBl I 2008, 992), das eine Billigkeitsregelung bei Umsätzen im Rahmen der Abgabe werthaltiger Abfälle vorsehe.

27

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom 25. November 2008 sowie des Bescheides vom 9. Oktober 2008 das FA zu verpflichten, "den Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt ... € aus sachlichen Billigkeitsgründen statt im Besteuerungszeitraum 2007 rückwirkend in den Besteuerungszeiträumen der erstmaligen Rechnungserteilung" wie folgt vorzunehmen:

Veranlagungszeitraum

    Vorsteuer in €

        

1999   

...

        

2000   

...

        

2001   

...

        

2002   

...

        

2003   

...

        

2004   

...

        

2005   

...

        


hilfsweise,
den Vorsteuerabzug aus sachlichen Billigkeitsgründen "rückwirkend in den Besteuerungszeiträumen zuzulassen, in denen die Vorsteuer an den leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe entrichtet wurde",
weiter hilfsweise "die Rechtsfrage des rückwirkenden Vorsteuerabzuges" dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

28

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

29

Es verweist auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 25. November 2008 sowie auf das FG-Urteil. Im Übrigen handele es sich vorliegend nicht um eine Rechnungsberichtigung, die Beteiligten hätten vielmehr aus den vorliegenden tauschähnlichen Umsätzen nicht die gebotenen umsatzsteuerrechtlichen Folgerungen gezogen. In seiner Entscheidung --Pannon Gép-- (Slg. 2010, I-7467, UR 2010, 693) habe der EuGH weder zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs Stellung genommen noch den Begriff der Rückwirkung oder der rückwirkenden Kraft einer Berichtigung benutzt. Auch eine Billigkeitsmaßnahme nach Abschn. 202 Abs. 7 UStR komme nicht in Betracht (Hinweis auf Abschn. 202 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 Satz 9 UStR).

Entscheidungsgründe

30

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Klage auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu Recht abgewiesen.

31

1. Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

32

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269; vom 14. März 2012XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1493).

33

2. Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865, m.w.N.). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1493, m.w.N.).

34

3. Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden sachlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat.

35

a) Die Klägerin hat unter dem Gesichtspunkt einer Rechnungsberichtigung keinen Anspruch darauf, den aus den Rechnungen vom 4. Juni 2007 geltend gemachten Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt ... € aus sachlichen Billigkeitsgründen statt im Veranlagungszeitraum 2007 rückwirkend in den Besteuerungszeiträumen 1999 bis 2005 vornehmen zu können.

36

aa) Sie trägt hierzu zwar vor, diese Möglichkeit habe sich erst aufgrund des EuGH-Urteils --Pannon Gép-- (Slg. 2010, I-7467, UR 2010, 693) ergeben und es sei ihr daher im Zeitpunkt der Antragstellung nicht zumutbar gewesen, ihre Rechtsauffassung im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zu verfolgen.

37

bb) Sie kann den Vorsteuerabzug aber unter dem Gesichtspunkt einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung bereits deshalb nicht --auch nicht im Wege einer Billigkeitsmaßnahme-- in den Streitjahren 1999 bis 2005 geltend machen, weil die in diesen Jahren laufend ausgestellten Rechnungen keine falschen oder unvollständigen Angaben enthalten, die einer Berichtigung zugänglich wären.

38

Der Sachverhalt unterscheidet sich insoweit von dem in dem EuGH-Urteil --Pannon Gép-- (Slg. 2010, I-7467, UR 2010, 693), in dem die zunächst ausgestellten Rechnungen unrichtige Daten des Abschlusses der Dienstleistungen aufwiesen. Der EuGH hat dazu entschieden, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehe, "nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (...), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen".

39

cc) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass sie gegenüber der X-AG eine einheitliche Leistung erbracht und von dieser eine ebensolche empfangen habe, und dass die in den Streitjahren von der X-AG ausgestellten Rechnungen über jährlich insgesamt ... DM zuzüglich Umsatzsteuer sich auf die Redaktions- und Gestaltungsleistungeni.S. des § 3 Ziff. 6 der Vereinbarung bezogen haben und somit Teilrechnungen bzgl. der Gesamtleistungen der X-AG darstellen, können die am 4. Juni 2007 ausgestellten Rechnungen nicht als (ggf. rückwirkende) Berichtigungen hinsichtlich der für die Redaktions- und Gestaltungsleistungen ausgestellten Rechnungen anerkannt werden.

40

Nach dem Vortrag der Klägerin beziehen sich die Teilabrechnungen ausschließlich auf die in der Vereinbarung benannten Redaktions- und Gestaltungsleistungen der X-AG und stellen das dort angegebene Entgelt "in Rechnung". Mit ihnen wird somit zutreffend über einen Teilaspekt der von der X-AG erbrachten Hauptleistung abgerechnet. Da die Rechnungen als solche weder falsch noch lückenhaft sind, besteht kein Anlass, sie zu berichtigen. Ebenso wenig sind die Rechnungen vom 4. Juni 2007 als Berichtigungen der zuvor erstellten Rechnungen anzusehen. Weder verweisen sie auf die bereits erteilten Rechnungen, noch ergibt sich aus ihnen in anderer Weise, dass sie diese berichtigen sollen. Vielmehr handelt es sich um weitere, das eingeräumte Vertriebsrecht betreffende Teilrechnungen. Über eine einheitliche Leistung muss nicht in einer Gesamtrechnung abgerechnet werden, vielmehr können auch mehrere Teilrechnungen erstellt werden, mit denen über die Gesamtleistung insgesamt abgerechnet wird.

41

dd) Mangels einer Rechnungsberichtigung bedarf es keiner Erörterung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine solche umsatzsteuerrechtlich rückwirkend zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch EuGH-Urteil vom 8. Mai 2013 C-271/12 --Petroma Transports SA--, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2013, 272, UR 2013, 591, und Slapio, MwStR 2013, 333).

42

b) Desgleichen hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, die geltend gemachte Vorsteuer in Höhe von insgesamt ... € deshalb aus sachlichen Billigkeitsgründen rückwirkend in den Besteuerungszeiträumen 1999 bis 2005 abzuziehen, weil sie die Umsatzsteuer in diesen Jahren an die X-AG --im Wege der Verrechnung mit den von ihr an die X-AG erbrachten Leistungen-- entrichtet hat.

43

aa) Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (Eingangsleistungen), als Vorsteuerbetrag abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach § 14 UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Die Vorsteuerbeträge können erst in dem Besteuerungszeitraum abgezogen werden, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG insgesamt vorliegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 206, 463, BStBl II 2004, 861, und vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, jeweils m.w.N.).

44

bb) Auch nach dem EuGH-Urteil --Terra Baubedarf-- (Slg. 2004, I-5583, BFH/NV Beilage 2004, 229) ist für den Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann.

45

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus Rz 35 dieses Urteils sowie aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Belastungsneutralität der Mehrwertsteuer nicht "die zeitliche Korrespondenz von Abführung der Vorsteuer an den leistenden Unternehmer und Vorsteuerabzug des empfangenden Unternehmers". Dies ergibt sich eindeutig aus einer Gesamtschau der vom EuGH für seine Auffassung in den Rz 34 bis 37 des Urteils gegebenen Begründung und aus der Verwendung des Wortes "grundsätzlich" in Rz 35 des Urteils.

46

cc) Daraus ergibt sich, dass die Klägerin den streitigen Vorsteuerabzug in den Streitjahren 1999 bis 2005, in denen ihr die dazugehörigen Rechnungen noch nicht vorlagen, nicht (auch nicht rückwirkend) geltend machen kann; ob sie die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem Leistungserbringer --hier im Wege der Verrechnung mit eigenen Leistungen-- bezahlt hat, ist nach dem Gesetz unerheblich.

47

Die für die Klägerin ungünstige Rechtsfolge, dass die Vorsteuer erst in dem Veranlagungszeitraum abgezogen werden kann, in dem ihr auch die Rechnung vorliegt, beruht auf einer bewussten Anordnung des Gesetzgebers, die nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme unterlaufen werden darf. Aus Abschn. 202 Abs. 7 UStR und aus dem ferner von der Klägerin genannten BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 992 ergibt sich nichts anderes.

48

c) Zu keinem anderen Ergebnis führt der Hinweis der Klägerin auf die erhobenen Nachzahlungszinsen, die ihrer Ansicht nach in materieller Hinsicht "Zuschläge zur Steuer" darstellen. Denn der geltend gemachte Zinsnachteil ergibt sich aus der Technik der Umsatzsteuererhebung einerseits und der nationalen Regelung der sog. Vollverzinsung in § 233a AO andererseits.

49

aa) Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG ist der Besteuerungszeitraum das Kalenderjahr; gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 UStG ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 UStG auszugehen. Danach waren aufgrund der im Jahre 2007 erteilten Rechnungen die Umsatzsteuerbescheide der Klägerin für die Jahre 1999 bis 2005 abzuändern und die in diesen Jahren geschuldete Umsatzsteuer entsprechend der von ihr an die X-AG erbrachten Leistungen zu erhöhen. Wird die Umsatzsteuerfestsetzung --wie im Streitfall-- geändert, ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgebend für die Zinsberechnung (§ 233a Abs. 5 Sätze 1 und 2 AO). Die sich daraus ergebenden Nachzahlungszinsen belasten die Klägerin im Streitfall mit einem Betrag in Höhe von insgesamt ... €.

50

Eine Festsetzung vergleichbarer Nachzahlungszinsen zugunsten der Klägerin wegen des unterlassenen Abzugs der korrespondierenden Vorsteuern in den Jahren 1999 bis 2005 scheidet demgegenüber mangels zu verzinsender Steuerforderungen aus. Zwar ergibt sich hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen vom 4. Juni 2007 aus § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG, dass von der nach § 16 Abs. 1 UStG berechneten Steuer die in den Besteuerungszeitraum fallenden,nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen sind. Diese Vorsteuerbeträge sind aber erst in dem Besteuerungszeitraum abziehbar, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG insgesamt vorliegen, d.h. in dem der Steuerpflichtige auch über eine entsprechende Rechnung verfügt. Mangels verfügbarer Rechnungen war die geltend gemachte Vorsteuer somit nicht in den Streitjahren 1999 bis 2005 abziehbar.

51

bb) § 233a AO bezweckt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern den einzelnen Steuerpflichtigen gegenüber zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass (bzw. der Änderung) eines Steuerbescheids typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 10. März 2006 V B 82/05, BFH/NV 2006, 1433, m.w.N.). Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer vorerst --wegen unzutreffender Steuerfestsetzung-- "freigestellt" war (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434).

52

Der ungleiche Lauf der Verzinsung entspricht nach ständiger Rechtsprechung der Gesetzeskonzeption, die dem § 233a AO zugrunde liegt. Deren Korrektur unter dem Gesichtspunkt einer sachlichen Härte kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht.

53

d) Im Übrigen hätte die Klägerin eine abweichende Festsetzung der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO im Klageverfahren gegen die Bescheide vom 13. September 2007, mit denen die Umsatzsteuer und Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1999 bis 2005 jeweils festgesetzt wurden, geltend machen können und müssen.

54

4. Unionsrechtlichen Klärungsbedarf, der ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH rechtfertigen könnte, sieht der Senat --im Gegensatz zur Klägerin-- im Streitfall nicht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) --eine im Dezember 2007 gegründete GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer A ist-- handelte im Streitjahr 2008 mit Kraftfahrzeugen. Sie hat nach Angaben ihres Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14. Juli 2014 inzwischen ihren Sitz von … nach … verlegt.

2

Anlässlich einer die Voranmeldezeiträume Januar bis Juni 2008 umfassenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, dass bisher als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an eine Firma "…" (B) in Mallorca behandelte Umsätze steuerpflichtig seien, was zu Mehrsteuern in Höhe von … € führe. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung C seien die betroffenen Fahrzeuge tatsächlich nicht nach Spanien verbracht, sondern im Inland weiter vermarktet worden. Zudem seien Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von … € nicht abziehbar, weil es sich bei dieser Firma um eine "Scheinfirma" handele, die unter ihrer Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe.

3

Im Rahmen einer weiteren, nunmehr die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2008 umfassenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, dass die Antragstellerin auch in diesem Zeitraum Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von … € geltend gemacht hatte, die ebenfalls nicht abziehbar seien.

4

Im Januar 2010 reichte die Antragstellerin ihre Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr ein, in der sie steuerpflichtige Lieferungen in Höhe von … € und steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe in Höhe von … € sowie --entgegen den Prüfungsfeststellungen-- steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen in Höhe von … € und Vorsteuerbeträge in Höhe von … € erklärte. Insgesamt ergab sich eine Umsatzsteuer von ./. … €.

5

Das vormals zuständige Finanzamt (FA) … (I) folgte den Angaben der Antragstellerin nicht und setzte die Umsatzsteuer für 2008 mit Bescheid vom 31. August 2010 entsprechend den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen auf ./. … € fest.

6

Der Einspruch blieb ohne Erfolg; das FA I wies ihn mit Einspruchsentscheidung vom 19. November 2011 als unbegründet zurück.

7

Für das anschließende Klageverfahren gewährte das FA I mit Verfügung vom 8. Januar 2011 die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids ohne Sicherheitsleistung und unter Widerrufsvorbehalt.

8

Während des Klageverfahrens wurde der Beklagte und Antragsgegner (das FA) mit Wirkung vom 1. April 2011 für die Besteuerung der Antragstellerin zuständig.

9

Das FA widerrief mit Verfügung vom 21. November 2012 die bisher gewährte AdV, nachdem es zuvor die Antragstellerin fruchtlos aufgefordert hatte, Sicherheit zu leisten. Zur Begründung führte das FA aus, eine AdV ohne Sicherheitsleistung komme nicht in Betracht, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Vermögenslage der Antragstellerin erheblich verschlechtert hätten.

10

Das Finanzgericht (FG) setzte mit Beschluss vom 11. Juli 2013  1 V 4617/12 A(U) die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für das Streitjahr bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung im Verfahren 1 K 4566/10 U unter der Bedingung aus, dass die Antragstellerin bis zum 15. August 2013 Sicherheit in Höhe von … € leiste, und wies im Übrigen den Antrag, die Vollziehung des betreffenden Bescheids ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, ab. Es ließ die Beschwerde gegen seinen Beschluss nicht zu.

11

Die Klage hatte zu einem geringen Teil Erfolg. Das FG gab mit Urteil vom 14. März 2014  1 K 4566/10 U (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 1526) der Klage statt, soweit die Lieferung eines Porsche 997 an die B (Rechnung vom 19. Februar 2008) besteuert worden war, und minderte dementsprechend die festgesetzte Umsatzsteuer für das Streitjahr um … €. Im Übrigen wies es die Klage als unbegründet ab.

12

Zur Begründung führte das FG aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D sei zu versagen, weil deren Rechnungen nicht die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten hätten. Bei der in den Rechnungen angegebenen Anschrift habe es sich um einen Briefkastensitz gehandelt, dessen Angabe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfülle. Unter der betreffenden Anschrift, unter der die D lediglich postalisch erreichbar gewesen sei, habe sich eine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins und ein Buchhaltungsbüro, das die Post der D entgegengenommen und für sie Buchhaltungsarbeiten erledigt habe, befunden. Eigene geschäftliche Aktivitäten der D hätten dort nicht stattgefunden. Es könne letztlich offenbleiben, ob ein Briefkastensitz als hinreichende Anschrift des leistenden Unternehmers in Ausnahmefällen in Betracht kommen könne. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reiche die Angabe eines Briefkastensitzes jedenfalls bei einer GmbH, die --wie hier die D-- im großen Umfang mit Fahrzeugen handele, nicht aus (BFH-Beschluss vom 14. März 2000 V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252). Hinzu komme, dass die D ab dem 1. Oktober 2007 zwei Büroräume, eine Einbauküche, zwei Toiletten und Lagerfläche unter einer anderen Anschrift angemietet habe, und einiges dafür spreche, dass sich dort auch die von der D gehandelten Fahrzeuge befunden hätten.

13

Es komme auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin auf die Richtigkeit der in den Rechnungen der D angegebenen Anschrift habe vertrauen dürfen. Denn § 15 UStG sehe den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor, weshalb Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht bei der Steuerfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften des UStG, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163, § 227 der Abgabenordnung (AO) berücksichtigt werden könnten. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sei nicht zu entnehmen, dass im Steuerfestsetzungsverfahren ein Vorsteuerabzug auch bei Angabe eines Scheinsitzes des Leistenden in Betracht kommen könne. Der Senat folge damit nicht der vom FG Münster mit Beschluss vom 12. Dezember 2013  5 V 1934/13 U (EFG 2014, 395) vertretenen Ansicht, wonach die Angabe eines Scheinsitzes in der Rechnung dem Vorsteuerabzug nicht entgegenstehe, wenn sich für den Leistungsempfänger nach den Gesamtumständen im Vorfeld der Lieferung keine Zweifel an der in der Rechnung angegebenen Anschrift hätten ergeben müssen.

14

Das FA I sei --mit Ausnahme des Porsche, wozu das FG eine Lieferung durch die Antragstellerin nicht feststellen konnte-- zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den in den Rechnungen an die B abgerechneten Umsätzen um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt habe. Die Antragstellerin habe die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen. Die Angaben in den Verbringenserklärungen "Das Fahrzeug wird am ... von mir in das Zielland Spanien verbracht" seien insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift der B gleichgesetzt werden könne. Zwar könne sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gelte jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen sei, dass --was nicht vorliege-- der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert werde. An welchen Ort die streitgegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich verbracht worden seien, sei völlig unklar. Daher stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Lieferungen seien schließlich auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich nur, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen sei. Vorliegend fehle es an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts der streitigen Lieferungen.

15

Das FG hat die Revision gegen sein Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

16

Die Antragstellerin hat die Revision fristgerecht eingelegt und begründet. Über die Revision ist noch nicht entschieden worden.

17

Das FA hat einen weiteren Antrag der Antragstellerin auf AdV des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids mit Verfügung vom 8. Juli 2014 abgelehnt.

18

Zur Begründung des vorliegenden Antrags auf AdV bringt die Antragstellerin vor, selbst wenn die Steuerforderung bestünde, wäre sie aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Die Vollziehung sei ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, weil die Vorentscheidung rechtsfehlerhaft sei und für sie, die Antragstellerin, ein günstiger Prozessausgang zu erwarten sei. Zudem sei sie wirtschaftlich nicht in der Lage, Sicherheiten zu stellen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids seien nicht deshalb ausgeschlossen, weil das FG (zum überwiegenden Teil) die Klage abgewiesen habe.

19

Das FA gehe unzutreffend davon aus, der EuGH habe mit Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06 --Planzer Luxembourg-- (Slg. 2007, I-5655, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 654) entschieden, dass an eine Anschrift i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG dieselben Anforderungen wie an einen "Sitz" im Sinne der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige zu stellen seien. Eine Anschrift erfordere nur die postalische Erreichbarkeit an der angegebenen Adresse. Die Voraussetzung der Anschrift i.S. des Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem diene der Identifikation des Rechnungsausstellers. Es wäre für einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer unzumutbar, hätte er zu prüfen, inwieweit an der Anschrift über die postalische Erreichbarkeit hinaus Aktivitäten des leistenden Unternehmers stattfänden. Die D habe existiert, sei leistender Unternehmer i.S. des § 2 UStG und unter der angegebenen Anschrift auch postalisch erreichbar gewesen. Zudem seien dort die Buchhaltungsarbeiten der D vorgenommen und ihre Steuererklärungen gefertigt worden. Die in der Rechnung angegebene Anschrift werde nicht deshalb unzutreffend, weil ein Unternehmer unter weiteren Adressen erreichbar sei oder betriebliche Aktivitäten entfalte.

20

Auf die Angabe des Zielorts in den Verbringungsnachweisen komme es nicht an, weil sich dieser bereits aus den Ausgangsrechnungen ergebe, die Teile des Buch- und Belegnachweises seien.

21

Die Steuerforderung sei jedenfalls aus Billigkeitsgründen zu erlassen, weil sie, die Antragstellerin, durch Erklärungen der Finanzämter dazu bestimmt worden sei, sowohl von der betreffenden Anschrift der D als auch davon auszugehen, dass die Angabe des Ziellandes im Verbringungsnachweis unter den gegebenen Umständen ausreichend sei. Durch den Vollzug von Bescheiden über Steuerforderungen, die im Billigkeitswege zu erlassen seien, würde sie, die Antragstellerin, in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.

22

Die Antragstellerin bringt zudem --unter Vorlage verschiedener Unterlagen-- vor, dass sie keine Möglichkeit habe, einen Geldbetrag zu zahlen oder eine Bürgschaft zu stellen, und über keine Vermögenswerte verfüge, die als Sicherheit dem FA oder einer Bank zur Erlangung eines Kredites gestellt werden könnten. Es sei unverhältnismäßig und verstoße gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes i.S. des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, dem Steuerpflichtigen die AdV eines angefochtenen Steuerbescheids zu versagen, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse die Leistung einer Sicherheit nicht zuließen.

23

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids vom 31. August 2010 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

24

Das FA beantragt,
den Antrag auf AdV abzulehnen, hilfsweise die AdV nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.

25

Das angefochtene Urteil der Vorinstanz, das der Rechtsprechung des EuGH und BFH entspreche, enthalte keine Rechtsfehler. Ein Erlass der streitgegenständlichen Umsatzsteuerschulden sei vorliegend nicht zu prüfen, weil diesbezüglich ein eigenes Verfahren zu führen sei. Zudem bestünden für die Annahme eines Erlasses keine Anhaltspunkte.

26

Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin keine Sicherheitsleistung erbringen könne oder sie ihre Kreditlinie bereits ausgeschöpft habe. Die Vermögenslage der Antragstellerin verschlechtere sich jährlich. Es sei daher zu befürchten, dass nach Abschluss des Revisionsverfahrens die Steuerforderungen nicht mehr durchgesetzt werden könnten.

27

Dem Senat lagen die folgenden Unterlagen, die die Antragstellerin mit ihrem Antragschreiben vom 14. Juli 2014 zu den Akten gereicht hat, vor: Jahresabschluss 2013, Finanzstatus zum 31. Mai 2014, Schreiben der Sparkasse … vom 26. Juni 2014.

Entscheidungsgründe

28

II. Dem Antrag auf AdV des Umsatzsteuerbescheids für 2008 war teilweise zu entsprechen.

29

1. Der Antrag ist zulässig.

30

a) Da die Antragstellerin gegen das Urteil des FG wirksam Revision eingelegt und begründet hat, ist der BFH nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Gericht der Hauptsache für den Antrag auf AdV zuständig (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 I S 7/11, BFH/NV 2012, 583, Rz 8; vom 18. Juli 2012 X S 19/12, BFH/NV 2012, 2008, Rz 12; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, Rz 22).

31

b) Zudem hat das FA den erneuten Antrag auf AdV mit Verfügung vom 8. Juli 2014 abgelehnt. Die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO, die auch für Anträge auf AdV gilt, die --wie hier-- beim BFH als Gericht der Hauptsache gestellt werden (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 18. August 1998 XI S 7/98, BFH/NV 1999, 210; vom 27. März 2000 III S 6/99, BFH/NV 2000, 1129, jeweils m.w.N.), liegt damit vor.

32

2. Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

33

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Juli 2013 XI B 41/13, BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, n.v., juris, Rz 24, jeweils m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; in BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, n.v., juris, Rz 24, jeweils m.w.N.).

34

Ist der angegriffene Steuerbescheid --wie im Streitfall-- bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens, bestehen ernstliche Zweifel, wenn unter Berücksichtigung der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Steuerbescheids zu rechnen ist. Das bedeutet, dass bei vermutlichem Durcherkennen des BFH auf die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens, bei voraussichtlicher Zurückverweisung auf die Erfolgsaussichten des dann fortgesetzten Klageverfahrens abzustellen ist. Im Fall einer Zurückverweisung bestehen ernstliche Zweifel allerdings auch dann, wenn sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht absehen lässt, ob die Klage letztlich Erfolg haben wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. März 2014 III S 22/13, BFH/NV 2014, 856, Rz 17, m.w.N.).

35

b) Nach diesen Maßgaben bestehen im Streitfall insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids, als das FA darin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der D versagt hat.

36

aa) Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung (grundsätzlich) nicht aus (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.C.1.a; vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, unter II.3.c, und vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, unter II.1.d; BFH-Beschluss vom 5. November 2009 V B 5/09, BFH/NV 2010, 478). Gleichwohl kann nach den Umständen des Einzelfalls auch die Angabe eines "Briefkastensitzes" mit postalischer Erreichbarkeit als Anschrift, die die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllt, genügen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, m.w.N.). Unter welchen besonderen Umständen die Angabe einer Anschrift mit nur postalischer Erreichbarkeit als zutreffende Anschrift für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung ausreichend sein könnte, ist höchstrichterlich nur insoweit geklärt, dass es jedenfalls bei einer GmbH, die --wie hier die D-- in großem Umfang mit Kraftfahrzeugen handelt, nicht ausreicht, wenn sich unter der in der Rechnung angegebenen Anschrift keine eigenen Geschäftsräume, sondern lediglich eine nicht in Anspruch genommene Telefonleitung und eine Briefempfangsstelle finden (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 1252).

37

bb) Unentschiedenheit oder Unsicherheit besteht dagegen in der Beurteilung der Rechtsfrage, ob mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. Urteile vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 --Mahagebén und Dávid--, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591; vom 13. Februar 2014 C-18/13 --Maks Pen EOOD--, Mehrwertsteuerrecht 2014, 197, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2014, 380) der Leistungsempfänger zum Abzug der Vorsteuerbeträge berechtigt ist, wenn er auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 16. April 2014 V B 48/13, BFH/NV 2014, 1243, Rz 6).

38

Insoweit könnte die Klägerin --obgleich § 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vorsieht und Vertrauensschutzgesichtspunkte deshalb grundsätzlich nicht bei der Steuerfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften des UStG, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163, § 227 AO berücksichtigt werden können (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, m.w.N.; FG Köln, Urteil vom 12. März 2014  4 K 2374/10, EFG 2014, 1442, Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 22/14)-- zum Vorsteuerabzug berechtigt sein (vgl. auch FG Münster in EFG 2014, 395, nach dem --entgegen der Vorentscheidung-- die Angabe eines Scheinsitzes dem Vorsteuerabzug nicht entgegensteht, wenn sich für den Leistungsempfänger keine Zweifel an der in der Rechnung angegeben Anschrift hätten ergeben müssen).

39

Nach Auffassung des Sächsischen FG im Beschluss vom 4. April 2014  4 V 297/13 (juris) bestehen Zweifel daran, ob der Vorsteuerabzug ausschließlich mit der Begründung versagt werden kann, dass es sich bei der angegebenen Rechnungsanschrift um einen sog. "Scheinsitz" handelt, so dass die erforderliche "zutreffende" Anschrift des leistenden Unternehmers in der Rechnung fehlt. Das FG Berlin-Brandenburg hält es für ernstlich zweifelhaft, dass allein wegen einer (objektiv) fehlerhaften Anschrift im Abrechnungsdokument der Vorsteuerabzug versagt werden kann (Beschluss vom 3. April 2014  7 V 7027/14, EFG 2014, 1445).

40

cc) Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage war die beantragte AdV zu gewähren, soweit das FA den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid versagte. Denn ist --wie hier-- die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren zu entscheiden; die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 2002 V B 60/02, BFH/NV 2003, 87, unter II.3.; vom 25. November 2005 V B 75/05, BFHE 212, 176, BStBl II 2006, 484, unter II.3.b; vom 13. März 2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611, Rz 22; vom 12. Dezember 2013 XI B 88/13, BFH/NV 2014, 550, Rz 26; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, n.v., juris, jeweils m.w.N.).

41

Insoweit ist bei summarischer Prüfung ein Erfolg der Antragstellerin im Revisionsverfahren nicht auszuschließen.

42

c) Die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides war ferner auszusetzen, soweit das FA eine Lieferung eines Porsche besteuert hat. Das FG vermochte --was unwidersprochen blieb-- keine entsprechende Lieferung der Klägerin festzustellen. Danach besteht Unklarheit in der Beurteilung einer entscheidungserheblichen Tatfrage.

43

d) Im Übrigen bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids keine ernstlichen Zweifel. Das Revisionsverfahren hat insoweit voraussichtlich keinen Erfolg. Bei den in den Rechnungen an die B abgerechneten Umsätzen hat es sich --mit Ausnahme des vorgenannten Porsche-- um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt.

44

aa) Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung a.F. erforderliche Angabe des Bestimmungsorts --wie die Antragstellerin sinngemäß vorbringt-- unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420; vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407). Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, UR 2011, 779; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407). Das ist hier nicht der Fall. Denn nach den Feststellungen des FG ist der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar".

45

bb) Die betreffenden Lieferungen sind auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich --wovon das FG zutreffend ausgegangen ist-- erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, m.w.N.). Im Streitfall fehlt es an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts, weil dieser --wie vorstehend unter II.2.d aa ausgeführt-- nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift des B gleichgesetzt werden kann.

46

3. Die somit im Umfang des Tenors zu gewährende AdV war nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

47

a) Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der Vermeidung von Steuerausfällen. Solche Ausfälle können vor allem dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. November 2004 V B 78/04, BFHE 208, 93, BStBl II 2005, 535; vom 6. August 2007 VII B 108-109/06, BFH/NV 2007, 2358; vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.). Eine Gefährdung der umstrittenen Umsatzsteueransprüche ergibt sich vorliegend schon aus dem unwidersprochenen Vorbringen des FA, wonach sich die Vermögenslage der Antragstellerin jährlich verschlechtere. Zudem gibt die Antragstellerin selbst an, keine Sicherheitsleistung erbringen zu können.

48

b) Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. August 2011 XI B 39/11, BFH/NV 2011, 2106; in BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

49

c) Die Anforderung einer Sicherheitsleistung darf jedoch --wie hier-- nicht erfolgen, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde, etwa weil der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403; vom 28. Juni 1994 V B 18/94, BFH/NV 1995, 515; in BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.). Lassen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine Sicherheitsleistung nicht zu, darf deshalb der Rechtsvorteil der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids --auch bei fortlaufend veranlagten und festgesetzten Steuern wie Lohn- und Umsatzsteuer-- grundsätzlich nicht versagt werden (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. September 2009  1 BvR 1305/09, HFR 2010, 70, unter IV.1.b; ferner BFH-Beschlüsse vom 19. Februar 2010 II B 122/09, BFH/NV 2010, 1144; in BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.).

50

Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin nach eigenem glaubhaften und substantiiert dargelegten Bekunden weder einen Geldbetrag zahlen noch eine Bürgschaft stellen kann und über keine Vermögenswerte verfügt, die als Sicherheit gestellt werden könnten, wird von der Anordnung einer Sicherheitsleistung abgesehen.

51

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 16 17 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.

2

1. Soweit dem Vortrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) überhaupt eine Rechtsfrage von möglicherweise grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) entnommen werden kann, geht es darum, ob die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes vollständig erfüllt sein müssen und ob im Falle des Fehlens einzelner Voraussetzungen ein Schutz des guten Glaubens des Leistungsempfängers im Festsetzungsverfahren oder in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu gewährleisten ist. Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt. Es sind keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erfordern (ständige Rechtsprechung; z.B. BFH-Beschluss vom 8. November 2012 VI B 86/12, BFH/NV 2013, 371).

3

a) Zum einen ist geklärt, dass das Erlassverfahren grundsätzlich nicht dazu dient, angebliche oder tatsächliche Mängel des Festsetzungsverfahrens zu korrigieren. Ein Erlass bestandskräftig festgesetzter Steuern wegen sachlicher Unbilligkeit kann daher nur gewährt werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich rechtzeitig gegen die angebliche Fehlerhaftigkeit zu wehren (BFH-Beschluss vom 8. April 2010 V B 20/08, BFH/NV 2010, 1616). Im Festsetzungsverfahren 6 K 263/09 hat das Finanzgericht (FG) die Klage durch Urteil vom 27. April 2010 abgewiesen. Durchgreifende Mängel des Festsetzungsverfahrens hat der BFH nicht festgestellt, denn er wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 im Beschwerdeverfahren V B 57/10 als unbegründet zurück.

4

b) Nach der Rechtsprechung des BFH ist außerdem geklärt, dass unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren in Betracht kommt, wenn die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht vorliegen (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 63/07, BFH/NV 2009, 1473). Die Klägerin macht mit der Beschwerde im Wesentlichen geltend, dass das FG in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Billigkeitsverfahren falsch entschieden habe. Die Rüge gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit des Urteils führt nicht zur Zulassung der Revision (BFH-Beschlüsse vom 25. Juni 2013 X B 96/12, BFH/NV 2013, 1802; vom 30. August 2012 X B 97/11, BFH/NV 2013, 13).

5

2. Auch die von der Klägerin erhobene Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Form dargelegt. Zur schlüssigen Darlegung einer Abweichung muss der Beschwerdeführer dartun, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) oder des BFH abgewichen ist, dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, ferner dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. BFH-Beschluss vom 27. September 2010 II B 164/09, BFH/NV 2011, 193). Dabei sind tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der Divergenzentscheidung andererseits einander gegenüberzustellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. BFH-Beschluss vom 8. Mai 2013 III B 140/12, BFH/NV 2013, 1248). An der Darlegung dieser Voraussetzungen fehlt es. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich darauf, zahlreiche EuGH- und BFH-Entscheidungen anzuführen und zum Teil darin aufgestellte Rechtssätze wiederzugeben. Dem widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem FG-Urteil hat die Klägerin nicht herausgearbeitet.

6

3. Es liegen auch keine Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor.

7

a) Die Rüge der Klägerin, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch Verweigerung der Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) verletzt, greift nicht durch. Ein Verstoß gegen § 78 Abs. 1 FGO liegt nur dann vor, wenn der Klägerin Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt wurde. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin begründet der Gehörsanspruch keinen Anspruch auf Einsichtnahme in Akten, die dem Gericht von der Finanzbehörde nicht zur Verfügung gestellt worden sind und ihm folglich nicht vorliegen; vielmehr besteht lediglich das Recht der Beteiligten, in die dem Gericht vorliegenden Gerichtsakten --einschließlich der beigezogenen Akten-- Einsicht zu nehmen (BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 2012 IX B 67/12, BFH/NV 2012, 1637; vom 30. Januar 2007 VII B 3/06, BFH/NV 2007, 1324).

8

b) Aus Rechtsgründen ist es auch nicht zu beanstanden, dass das FG von der beantragten Vernehmung der benannten Zeugen abgesehen hat, denn nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG kam es auf die Zeugenvernehmungen nicht an. Vielmehr hätte das Klagebegehren nach Auffassung des FG auch dann keinen Erfolg gehabt, wenn die mit den Zeugenaussagen unter Beweis gestellten Tatsachen zu Gunsten der Klägerin als wahr unterstellt worden wären (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1637).

9

c) Soweit die Klägerin rügt, das FG sei seiner von Amts wegen bestehenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) nicht nachgekommen, sind die hierfür geltenden Darlegungsanforderungen nicht erfüllt. Die Klägerin hätte vortragen müssen, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben bzw. welche Tatsachen es hätte aufklären müssen, aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 30. August 2013 X B 28, 29/13, BFH/NV 2013, 1800). Zu all dem trägt die Klägerin nichts substantiiert vor. Im Übrigen muss ein fachkundig vertretener Beteiligter gerade bei umstrittener Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Aspekte und prozessualen Möglichkeiten von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag bzw. sein Vorgehen darauf einrichten (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Juli 2011 IX B 39/11, BFH/NV 2011, 1917). Denn ein umsichtiger Prozessvertreter muss stets gewärtigen, dass das Gericht die Beweismittel abweichend würdigt und ist deshalb gehalten, vorsorglich alle von ihm für zweckmäßig erachteten Beweisanträge zu stellen und ihre Ablehnung gegebenenfalls rechtzeitig zu rügen (BFH-Beschluss vom 18. April 2012 I B 123/11, BFH/NV 2012, 1299).

10

d) Soweit sich die Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags auf Tatbestandsberichtigung durch den Beschluss des FG vom 28. Februar 2013 wendet, genügt der Hinweis auf § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO. Danach ist der Beschluss des FG unanfechtbar. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1983  2 BvR 1745/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1983, 226).

11

e) Es liegt auch keine nachträgliche Divergenz vor. Diese kommt in Betracht, wenn die grundsätzliche Bedeutung zwar ordnungsgemäß dargelegt wurde, jedoch durch eine nach Einlegung der Beschwerde ergangene Entscheidung entfallen ist und das Urteil der Vorinstanz in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der neueren Entscheidung des EuGH oder des BFH abweicht (BFH-Beschluss vom 11. November 2011 V B 19/10, BFH/NV 2012, 459). Zum einen hat die Klägerin aus den unter 1. dargelegten Gründen die grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt, zum anderen sind auch im Schriftsatz der Klägerin vom 6. Februar 2014 keine sich widersprechenden Rechtsgrundsätze herausgearbeitet und einander gegenübergestellt worden.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2006 in I einen Handel mit hochwertigen PKW. Im Revisionsverfahren ist noch die Steuerfreiheit von folgenden PKW-Lieferungen an drei Abnehmer streitig:

2

1. Die Klägerin stellte am 1. und 20. Februar 2006 der von X geführten A-Automobile (A) in Ö (Österreich) jeweils die Lieferung eines Ferrari F430 F1 in Rechnung. Der Kaufpreis wurde jeweils mit "Exportpreis netto: € 159.000,--" ausgewiesen; die Rechnungen enthielten ansonsten weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferungen noch auf weitere Dokumente. Ihnen beigefügt war jeweils eine "Anlage zur Rechnung", die auf die jeweilige Rechnungsnummer und das jeweilige Rechnungsdatum verwies und den Hinweis "Bestätigung Innergemeinschaftlicher Lieferung" enthielt. Hierin bestätigte X durch seine Unterschrift die Richtigkeit der von ihm angegebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dass die Lieferung durch die Klägerin stattgefunden habe und dass der PKW in I zur Abholung durch X übergeben worden sei. Zugleich versicherte X darin, die näher bezeichneten PKW ausschließlich für sein Unternehmen zu verwenden sowie die PKW "in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich)" zu befördern. Auf einem weiteren, mit "Verbringungsnachweis" überschriebenen Dokument, das zusammen mit den vorgenannten Dokumenten in der Buchführung der Klägerin aufbewahrt wurde, hatte X mit seiner Unterschrift bestätigt, "ein umsatzsteuerfreies innergemeinschaftliches Warengeschäft" getätigt zu haben sowie die näher bezeichneten PKW "[i]ns Ausland (nach Österreich) zu verbringen und dort der Mehrwertsteuer zuzuführen".

3

Im Rahmen eines später gegen X eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gab dieser jedoch an, die beiden PKW unter Verwendung von roten Fahrzeugkennzeichen eines anderen Händlers ohne Wissen des Geschäftsführers der Klägerin tatsächlich nicht nach Österreich verbracht zu haben.

4

Zu beiden PKW-Lieferungen liegen Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) im Bestätigungsverfahren gemäß § 18e Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), Übernahmeprotokolle, die Kopie eines Gewerberegisterauszugs sowie Kopien des Deutschen Bundespersonalausweises von X vor. Unter den Ausweiskopien hatte dieser jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, als Bevollmächtigter der A zu handeln und am 1. bzw. 20. Februar 2006 einen Betrag von 159.000 € in bar an die Klägerin bezahlt zu haben.

5

2. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr ferner u.a. einen Mercedes-Benz ML 280 CDI an die B S.L. (B) aus Spanien. Für die B trat eine Person auf, die sich als … (G) ausgab. Die Klägerin stellte für die PKW-Lieferung eine Rechnung an die B, in der der Kaufpreis mit "Exportpreis netto: € 51.000,--" ausgewiesen wurde, die ansonsten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielt und der eine Anlage zur Rechnung ebenfalls mit einem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie ein Verbringungsnachweis beigefügt waren.

6

Nach einem von der Klägerin vorgelegten Dokument hatte die B eine Spedition beauftragt, den PKW nach P (Spanien) zu transportieren. Dagegen sind auf dem CMR-Frachtbrief in dem Feld 1 (Absender) die Klägerin und im Feld 2 (Empfänger) "G" mit der Adresse … (O) in Spanien genannt. Das Feld 3 zum Auslieferungsort enthält mit einer eingekreisten "2" einen Hinweis auf das Feld 2 sowie den Zusatz "Espana". Als Adresse der B ist auf dem Rechnungsdokument, der "Anlage zur Rechnung" und dem Verbringungsnachweis jeweils O angegeben. Dagegen liegt die Adresse der B nach einem auf diesen Dokumenten aufgebrachten Stempelaufdruck in S in Spanien.

7

Der Mercedes-Benz ML 280 CDI wurde nach Spanien versandt und nicht auf die B, sondern innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf drei andere spanische Unternehmen zugelassen. In einer Antwort auf das Auskunftsersuchen des BZSt teilten die spanischen Behörden u.a. mit, das Profil der B gleiche einem sog. Missing Trader. Geschäftsführer der B sei Herr G gewesen, der erklärt habe, dass die Gesellschaft zwar "auf seinen Namen laufe", er allerdings im Zusammenhang mit ihr keinerlei Einkünfte habe und ihr derzeitiger "Manager" eine andere Person sei. Die gegenüber den Finanzbehörden angegebene Adresse der B sei die Wohnanschrift des G, an der eine Geschäftsausstattung für den Handel mit Fahrzeugen nicht vorhanden sei.

8

3. Außerdem stellte die Klägerin am 14. September 2006 der C-GmbH (C), … in Z (Österreich) die Lieferung eines Ferrari F430 F1 Coupé mit einem "Exportpreis netto: € 169.900,--" in Rechnung. Die Rechnung enthielt weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung noch einen Hinweis auf weitere Dokumente. In der "Anlage zur Rechnung" bestätigte der Geschäftsführer der C, Herr N, u.a. die am 15. September 2006 durch die Klägerin erfolgte Übergabe in I zur Abholung durch ihn.

9

Auf einem CMR-Frachtbrief, der auf den 15. September 2006 datiert ist, sind als Absenderin sowie als Frachtführerin die Klägerin, als Empfängerin die C und als Auslieferungsort I genannt. Im Rahmen eines Auskunftsersuchens des BZSt teilten die österreichischen Behörden u.a. mit, dass sie die C als Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit identifiziert hätten. Sie habe ihren Sitz bei ihrem Steuerberater, tätige vor allem innergemeinschaftliche Erwerbe aus Deutschland und innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien. Im Streitjahr seien innergemeinschaftliche Erwerbe für 21,7 Mio. € erfolgt. Bis auf eine kleine angemietete Lagerhalle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von Fahrzeugen sowie einem "Büro" in einer abgelegenen Wohnung verfüge die C nicht über die für einen Händler exklusiver PKW übliche Infrastruktur.

10

Hinsichtlich der Lieferung an die C hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung insbesondere angegeben, dass ihm der persönlich am 14. September 2006 in I anwesende Geschäftsführer der C, Herr N, erklärt habe, sein Abnehmer habe auf keinen Fall einen Transport des PKW nach Österreich "auf eigenen Rädern" gewünscht. Deshalb habe der Geschäftsführer der Klägerin den PKW auf einem Hänger nach Z in Österreich befördert und diesen auf dem Gelände einer Tankstelle in der Nähe der Geschäftsadresse der C an Herrn N übergeben.

11

Die Klägerin behandelte die vorgenannten PKW-Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte dies im Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 12. Februar 2008, zuletzt geändert durch Bescheid vom 18. November 2011, nicht an.

12

Daraufhin hat die Klägerin Sprungklage erhoben und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2012 berichtigte Rechnungen vom 16. Januar 2012 zu den streitbefangenen Lieferungen vorgelegt. Hierin ist ein Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG enthalten.

13

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich einer hier nicht streitigen PKW-Lieferung ab und gab der Klage in Bezug auf die im Revisionsverfahren noch streitbefangenen PKW-Lieferungen an die A, die B und an die C statt.

14

Die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A folge aus § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Unter Zugrundelegung der Angaben des X gegenüber der Klägerin seien sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt. Insbesondere scheitere der ordnungsgemäße Belegnachweis nicht daran, dass die ursprünglichen Rechnungen zumindest auf dem eigentlichen Rechnungsdokument keine Hinweise auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielten. Dieser Mangel sei rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch die korrigierten Rechnungen behoben worden. Die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben des X auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können.

15

Hinsichtlich der Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien stehe zur Überzeugung des Gerichts objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen würden. Dass der PKW tatsächlich nach Spanien gelangt sei, stehe wegen der dortigen Zulassung außer Zweifel. Wer Abnehmer der Lieferung gewesen sei, könne dahinstehen, zumal dessen Identifizierung aufgrund der vorliegenden Belege einerseits und der Mitteilung der spanischen Behörden andererseits nicht möglich sei.

16

Auch im Hinblick auf die Lieferung an die C seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben. Angesichts der detaillierten und widerspruchsfreien Schilderung des Geschäftsführers der Klägerin, der den Transport durchgeführt habe, sowie der Übereinstimmung mit den vorgelegten Belegen stehe zur Überzeugung des FG fest, dass der PKW nach Z (Österreich) und damit in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden sei.

17

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

18

Der Belegnachweis sei jeweils nicht ordnungsgemäß erbracht worden, weil in den ursprünglichen Rechnungen ein Hinweis auf die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung fehle. Die berichtigten Rechnungen seien auch nicht geeignet, den Mangel zu heilen, weil keine Anhaltspunkte für deren Zugang bestünden. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern des X, der B und der C seien seit 2006 bzw. seit 2007 ungültig. Auch lägen über die Erreichbarkeit der gesetzlichen Vertreter der Abnehmer keine Informationen vor. Damit habe die Erwerbsbesteuerung zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung nicht mehr nachgeholt werden können. Insoweit greife auch nicht die Vertrauensschutzregelung. Da die Abnehmer der Klägerin jeweils Scheinunternehmer gewesen seien, scheide eine Steuerfreiheit der streitbefangenen PKW-Lieferungen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 2012 XI R 17/12 (BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 23) aus.

19

Die Lieferungen an die A seien auch deshalb keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, weil die PKW tatsächlich nicht nach Österreich transportiert worden seien und damit für den Nachweis des Bestimmungsortes nicht auf die Rechnungsanschrift der A zurückgegriffen werden könne. Mangels Belegnachweises seien die PKW-Lieferungen auch nicht nach § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei.

20

Überdies sei die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien nicht steuerfrei, weil die von der B angegebene Lieferanschrift der Wohnungsanschrift ihres Geschäftsführers entspreche und erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der (hochwertige) PKW tatsächlich dorthin transportiert worden sei. Eine Steuerfreiheit scheide auch deshalb aus, weil die B keine Erwerbe der Klägerin versteuert habe, dies jedoch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 775, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 1145) bei fehlendem Buch- und Belegnachweis Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sei. Dass der PKW in Spanien zugelassen worden sei, genüge nicht zum Nachweis der Steuerfreiheit. Dieser Nachweis erfordere nach dem BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27) sowie nach dem Urteil des Hessischen FG vom 19. Februar 2013  1 K 513/11 (nicht veröffentlicht) eine Zulassung auf den Abnehmer, die im Streitfall nicht vorliege. Die Gewährung von Vertrauensschutz scheide von vornherein aus, weil es schon wegen fehlerhafter Angaben zum Bestimmungsort und mangels Vorliegens eines ordnungsgemäßen Doppels einer Rechnung am erforderlichen Belegnachweis fehle. Hinzu komme, dass eine Identifizierung des Abnehmers nicht möglich sei, sodass auch die Klägerin nicht auf eine Erwerbsbesteuerung durch die B habe vertrauen können.

21

Die Belegnachweise seien für die PKW-Lieferung an die C auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Auslieferung entgegen der Angabe im CMR-Frachtbrief tatsächlich nicht an die Adresse der C, sondern an eine nahegelegene Tankstelle erfolgt sei. Fehle es an einem Belegnachweis, bedürfe es wegen des Beschlusses des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 einer tatsächlichen Erwerbsbesteuerung, deren Vorliegen hier aber unklar sei. Zudem stehe der Bestimmungsort wegen des Widerspruchs zwischen den Belegnachweisen und den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht objektiv zweifelsfrei fest. Da die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht vollständig nachgekommen sei, seien die Lieferungen auch nicht im Rahmen der Vertrauensschutzregelungen steuerfrei.

22

Das FA beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Umsätze aus Fahrzeuglieferungen an die A, die B und die C betrifft, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

23

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

24

Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen und macht u.a. geltend, die berichtigten Rechnungen wirkten nach dem BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03 (BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634) auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zurück.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Revision ist teilweise begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die PKW-Lieferung an die B zu Unrecht als steuerfrei behandelt; das Urteil war aufzuheben und die Klage neben der hier nicht streitigen PKW-Lieferung auch insoweit abzuweisen. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg, weil das FG hinsichtlich der PKW-Lieferungen an die A und an die C zu Recht von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen ist.

26

1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG), wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG).

27

2. Die PKW-Lieferungen an die A sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

28

a) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

29

Diese Voraussetzungen liegen für die PKW-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit --anders als es das FA meint-- den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 1. bzw. 20. Februar 2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, Rz 44, m.w.N.) fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht.

30

aa) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

31

bb) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Hinweis auf die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A jeweils in den Rechnungen enthalten.

32

Das FG hat auf Seite 4 und 21 seines Urteils sowie durch Bezugnahme festgestellt, dass der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Teil der Abrechnung einen Verweis auf die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, die genaue Bezeichnung des gelieferten PKW einschließlich Marke, Fahrzeugtyp und Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie insbesondere neben dem Hinweis "Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung" auch die Versicherung, "dass der gekaufte Gegenstand in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich) befördert wird", enthielt. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit "Rechnung" überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen "Exportpreis netto: € 159.000,--" auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der PKW-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige PKW-Lieferung an die A. Da in dem mit "Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

33

cc) Der Senat weicht dadurch nicht von dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 ab. Denn in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt ließ sich --anders als nach den Feststellungen des FG in dem hier zu entscheidenden Verfahren-- nach den bindenden Feststellungen des FG nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung und nicht etwa um eine Lieferung aus einem Drittland oder um eine Lieferung in ein Drittland handelte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596, Rz 47).

34

dd) Weil die mit "Rechnung" bzw. "Anlage zur Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben.

35

b) Die Erwägungen des FG, die Klägerin habe i.S. von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 V B 126/07, BFH/NV 2009, 234, unter 2.; vom 28. September 2009 XI B 103/08, BFH/NV 2010, 73, unter 1.).

37

bb) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der von X gemachten Angaben zum Bestimmungsort auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin sich durch eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des X versichert habe und dass die Verwendung roter Fahrzeugkennzeichen anderer Händler ein branchenübliches Verhalten gewesen sei, das kein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Abnehmer begründen könne.

38

Diese Würdigung der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34, m.w.N.).

39

3. Für die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI hat das FG die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu Unrecht bejaht.

40

a) Es steht --entgegen der Auffassung des FG-- nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der PKW-Lieferung ungeklärt ist.

41

aa) Zwar ist die Ansicht des FG, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des PKW nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht (BFH-Urteil in BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht möglich ist.

42

bb) Indes geht das FG rechtsfehlerhaft davon aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob tatsächlicher Abnehmer die B oder aber eine namentlich nicht bekannte Person gewesen sei, die im Namen der B, aber ohne Vertretungsmacht aufgetreten sei.

43

Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17; V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15, jeweils m.w.N.).

44

Mithin vermag der Umstand, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die fehlende, zur zutreffenden Verlagerung der Steuereinnahmen jedoch notwendige Feststellung der Identität des Abnehmers nicht zu ersetzen.

45

b) Die Zulassung des PKW im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz 45; ferner BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 27).

46

c) Die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei anzusehen, weil die Klägerin die von ihr für die PKW-Lieferung an die B beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht --wie erforderlich-- entsprechend § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachgewiesen hat.

47

aa) Versendet der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UStDV). CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 23). Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).

48

bb) Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt, weil die Angaben in den Belegen widersprüchlich sind, was begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, BFH/NV 2012, 1006, Leitsatz 2).

49

Zudem fehlen --wie bereits ausgeführt-- Feststellungen dazu, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Die vollständige Erbringung des Beleg- und Buchnachweises verlangt jedoch auch Angaben zur Identität des Abholers (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 37).

50

4. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die PKW-Lieferung an die C aufgrund der Feststellungen des FG objektiv zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllte.

51

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG objektiv zweifelsfrei gegeben sind, obliegt im finanzgerichtlichen Verfahren der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO weitgehend entzogen ist (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 29 bis 31; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 28; in BFH/NV 2013, 596, Rz 56; Treiber in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a, Rz 87; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 108 Rz 90; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. April 1995 V R 2/94, BFH/NV 1996, 184, unter II.1.b, zur Ausfuhrlieferung).

52

b) Demnach ist aufgrund der bindenden Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Klägerin den PKW an die C in das übrige Gemeinschaftsgebiet lieferte und diese den PKW im Rahmen ihres Unternehmens erwarb.

53

aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des FG, die C sei die Abnehmerin des PKW gewesen und der PKW sei nach Z in Österreich gelangt.

54

Das FG ist insoweit nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Geschäftsführer der Klägerin den PKW nach Österreich auf einem Anhänger der Klägerin transportiert habe, weil der Abnehmer der C keine Überführung "auf eigenen Rädern" gewünscht habe. Zudem hat es die von der Klägerin vorgelegten Belege dahingehend gewürdigt, dass die Unterschriften auf der vorliegenden Passkopie und auf anderen im Zusammenhang mit der Lieferung stehenden Dokumenten, die mit einem Stempel der C und einem Namenszug versehen seien, eine Ähnlichkeit aufwiesen, die mit der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin im Einklang stehen würden, Herr N habe als Geschäftsführer der C das gelieferte Fahrzeug selbst in I besichtigt und übernommen.

55

Diese Würdigungen der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, sind möglich und verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Folglich binden sie den Senat.

56

Die gegen diese Feststellungen vom FA vorgebrachten Einwände sind nach § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich. Denn soweit es vorträgt, die Belegangaben würden der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin widersprechen, setzt es lediglich seine Meinung an die Stelle der --im Streitfall möglichen-- Würdigung des FG.

57

bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die --in Bezug auf die Unternehmereigenschaft der C mögliche und weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßende-- Würdigung des FG, für eine Zwischenhändlerin wie die C sei es nicht ungewöhnlich, dass sie über eine kleine, nicht einsehbare Halle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von PKW sowie über ein Büro in einer Wohnung verfüge.

58

cc) Schließlich geht das FG ohne Rechtsfehler davon aus, die C sei aufgrund der umfangreichen innergemeinschaftlichen Erwerbe und innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegen der Einschätzung der österreichischen Behörden wirtschaftlich tätig gewesen.

59

Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung. Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 20, m.w.N.). Sofern die Annahme der österreichischen Behörden, es handele sich bei C um eine Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit, darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Österreich nicht anmeldete, begründet dies allein --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft. Diese Zweifel ergeben sich auch nicht aus den übrigen von den österreichischen Behörden angeführten Umständen, wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt hat (FG-Urteil, S. 26).

60

Entgegen der Auffassung des FA ist daher nicht davon auszugehen, es handele sich bei der C um ein Scheinunternehmen. Damit steht zugleich fest, dass ein Sonderfall, bei dem das Recht des Objektivnachweises einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht besteht --wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Leitsatz)--, im Streitfall nicht vorliegt.

61

dd) Demnach sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a UStG gegeben. Dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines PKW in Österreich --wie es zudem für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG Voraussetzung ist-- den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

62

ee) Dass die Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat tatsächlich besteuert werden, ist --entgegen der Auffassung des FA-- für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erforderlich (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 69 ff.; BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 21/11, BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 18, m.w.N.). Das Erfordernis einer tatsächlichen Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat stünde im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die bewusst auf eine solche innere Verknüpfung verzichtet hat (vgl. EuGH-Urteil --Teleos u.a.-- in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 70). Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht daher der Steuerbefreiung nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 19).

63

ff) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA genannten Beschluss des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145. Der vom FA begehrten Auslegung, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG verlange bei fehlendem Nachweis der Steuerfreiheit die tatsächliche Erwerbsbesteuerung, steht das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung entgegen.

64

Das BVerfG hat in Rz 60 seines Beschlusses in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 lediglich ausgeführt, dass es innerhalb des Rahmens möglicher Wortlautauslegung zu § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG liege, die tatsächliche Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Abnehmer zu verlangen. Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, jedoch das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 42). Da nach dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung --wie ausgeführt-- die tatsächliche Erwerbsbesteuerung keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kann der möglicherweise anders zu interpretierende Wortlaut einer nationalen Vorschrift allein kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen.

65

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

66

Da die Revision des FA teilweise Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. April 2014 XI R 24/13, BFHE 245, 66, BFH/NV 2014, 1289, Rz 38, m.w.N.).