Bundessozialgericht Beschluss, 27. Juni 2012 - B 6 KA 65/11 B

bei uns veröffentlicht am27.06.2012

Tenor

Die Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. April 2011 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 202 727 Euro festgesetzt.

Gründe

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I. Der Rechtsstreit betrifft Ansprüche des Klägers gegen die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) auf (Nach-)Zahlungen sowie deren Verzinsung.

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Nach jahrelangen Streitigkeiten, in deren Verlauf mehrere gerichtliche Vergleiche geschlossen wurden (vom 21.1.1997, 20.7.2004, 9.3.2005 und 28.4./17.5.2005), hat das LSG dem Kläger, einem Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, Honorarnachzahlungen in Höhe von ca 203 000 Euro zugesprochen, ihm aber Verzugs- und Prozesszinsen versagt (Urteil vom 7.4.2011). Das LSG hat sich in seinem Urteil mit zahlreichen Einwänden der Beklagten befasst, so zB damit, dass anderweitige Rechtshängigkeit gegeben sei (Urteil S 20 f), dass durch die gerichtlichen Vergleiche bereits Erledigung eingetreten sei (S 21-24), dass die Forderungen bereits vollständig erfüllt worden (S 26 f) und Verjährung eingetreten sei (S 24-26). Die Höhe der Forderung hat es im Einzelnen dargestellt (S 19 f und S 26 f).

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Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich sowohl der Kläger - wegen der Versagung von Zinsen - als auch die Beklagte - wegen der Zahlungsverurteilung -. Der Kläger ist der Ansicht, die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage nach einem Zinsanspruch habe grundsätzliche Bedeutung; die Beklagte macht sowohl eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als auch eine Rechtsprechungsabweichung sowie Verfahrensmängel geltend.

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Der Senat hat dem Kläger insoweit Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt, als dieser sich gegen das Begehren der Beklagten nach Revisionszulassung verteidigt; der Senat hat hingegen seinen Antrag abgelehnt, ihm auch insoweit PKH zu bewilligen, als er die Revisionszulassung wegen der ihm gegenüber erfolgten Versagung von Verzugs- und Prozesszinsen begehrt hat (Beschluss vom 21.12.2011).

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Die Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision sind erfolglos.

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II. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Mit seinem Vorbringen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu bzw es liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG vor, hat er keinen Erfolg.

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1. Die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben.

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In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Vertrags(zahn)ärzten für Ansprüche gegen ihre K(Z)ÄVen weder Verzugszinsen noch Prozesszinsen zustehen. Die grundlegenden Ausführungen hierzu ergeben sich aus dem Senatsurteil vom 28.9.2005 (B 6 KA 71/04 R, BSGE 95, 141 RdNr 23 ff, 30 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 31 ff, 38 ff). Dies hat der Senat in späteren Entscheidungen weitergeführt (zu Honorarforderungen im Insolvenzverfahren s BSG vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 30 und BSG vom 17.8.2011 - B 6 KA 24/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 64 RdNr 22; vgl ferner - zur Forderung nach Verzinsung rückständiger Honorarzahlungen - zB BSG vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - Juris RdNr 26; ebenso BSG vom 8.2.2012 - B 6 KA 12/11 R - RdNr 52 für Krankenhäuser wegen Honorars für ambulante Notfallbehandlungen, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Anderes gilt nach dem Senatsurteil vom 28.9.2005 (nur) für Ansprüche der K(Z)ÄVen gegen Krankenkassen (KKn) auf Zahlung von Gesamtvergütungen, hier allerdings auch nur für Prozesszinsen, also für Zinsen, die (erst) ab Klageerhebung zu zahlen sind (BSG vom 28.9.2005 aaO RdNr 38 ff, 41 iVm 47 am Ende bzw RdNr 30 ff, 33 iVm 39 am Ende).

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Entgegen der Ansicht des Klägers besteht kein erneuter Klärungsbedarf. Seine Ausführungen, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die vom BSG formulierten Beschränkungen für Verzinsungspflichten eingeschränkt werden müssten - sodass sie im vorliegenden Fall unanwendbar seien -, bzw, ob nicht die im Urteil vom 28.9.2005 herausgestellte Ausnahme für Ansprüche der K(Z)ÄVen gegen KKn auf Zahlung von Gesamtvergütungen auch auf Ansprüche wie die von ihm - dem Kläger - erhobenen gelten müssten, treffen nicht zu.

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Der Kläger führt zur Fortentwicklungsbedürftigkeit aus, dass in einem Fall wie hier nicht ein eigener Honoraranspruch des Zahnarztes gegen die beklagte KZÄV umstritten sei, denn das Honorar sei bereits von den KKn gezahlt worden; streitig sei lediglich die Weiterleitung der Geldbeträge von der KZÄV an ihn. Deshalb seien Entscheidungen, wonach für Honoraransprüche keine Zinsen zuerkannt werden könnten (zB BSG vom 11.3.2009 aaO, vom 17.8.2011 aaO und vom 23.3.2011 aaO), nicht einschlägig. Er fordere von der KZÄV lediglich die Auszahlung der Geldmittel, die diese schon von den KKn erhalten habe und rechtswidrig zurückhalte. Ein solcher Auszahlungsanspruch sei wesensmäßig mit zivilrechtlichen Zahlungsansprüchen wie solchen aus Bankgeschäften vergleichbar, bei denen zweifelsfrei bei Zahlungsverzögerungen Verzugs- und Prozesszinsen zu zahlen seien.

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Mit dieser Sichtweise geht der Kläger davon aus, es gebe einen Honoraranspruch des (Zahn-)Arztes gegen die KKn, und die KZÄV sei lediglich der Zahlungsmittler. Dies trifft indessen nicht zu. Vielmehr hat der Gesetzgeber das System des Vertrags(zahn)arztrechts so ausgestaltet, dass die KKn Gesamtvergütungen mit befreiender Wirkung an die K(Z)ÄVen für die gesamte vertrags(zahn)ärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der K(Z)ÄV einschließlich deren mitversicherten Familienangehörigen entrichten (§ 85 Abs 1 SGB V). Die K(Z)ÄV verteilt diese Gesamtvergütungen nach Maßgabe der bestehenden Honorarverteilungsregelungen (§ 85 Abs 4 SGB V) ; hierbei sind Modifizierungen möglich durch zB die Bildung von sog Honorartöpfen und die Normierung von Fallwert-, Fallzahl- und Punktzahlbegrenzungen (vgl die umfangreiche Rechtsprechung zu § 85 Abs 4 SGB V, zusammengefasst zB in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 34 RdNr 23 ff, 43 ff). Diese Gestaltungsmöglichkeiten verdeutlichen - da eben nicht die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung lediglich durch die Menge der von den Vertrags(zahn)ärzten erbrachten Leistungen dividiert und weitergeleitet wird -, dass die K(Z)ÄV nicht bloße Weiterleitungsinstanz ist. Die K(Z)ÄV hat nicht nur die Aufgabe der Weiterleitung einer Honorarzahlung der KKn an den Vertrags(zahn)arzt, sondern die K(Z)ÄV ist selbst die Schuldnerin des Honorars gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt, und dessen Honoraranspruch besteht (nur) ihr gegenüber. Dem entspricht auch die Terminologie der vom Kläger herangezogenen Entscheidungen des BSG, in denen ein Zinsanspruch für diesen Honoraranspruch gegen die K(Z)ÄV verneint wird.

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Auch die Ansicht des Klägers, jedenfalls seit dem umfassenden Vergleichsabschluss zwischen ihm und der beklagten KZÄV im Jahr 2005 seien nur noch reine Zahlungsansprüche im Streit, die der Verzinsung zugänglich seien (Schriftsatz vom 20.10.2011, insbesondere S 11), trifft nicht zu. Rechtsansprüche verlieren ihre Rechtsnatur nicht durch ihre Einbindung - und Bestätigung - in einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich.

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Auch die Auffassung des Klägers, es sei nicht konsequent - und deshalb erneut klärungsbedürftig -, zwar bei den Ansprüchen der K(Z)ÄV auf Zahlung ausstehender Gesamtvergütungen Prozesszinsen zuzuerkennen (BSG vom 28.9.2005, BSGE 95, 141 RdNr 30 ff, insbesondere RdNr 33 iVm RdNr 39 am Ende = SozR 4-2500 § 83 Nr 2, RdNr 38 ff, insbesondere RdNr 41 iVm RdNr 47 am Ende). nicht aber auch bei Ansprüchen zwischen Vertrags(zahn)arzt und K(Z)ÄV (vgl Beschwerdebegründung vom 6.12.2011, zB S 2, 7), ist nicht zutreffend; denn die Rechtsbeziehungen zwischen K(Z)ÄVen und KKn einerseits und diejenigen zwischen Vertrags(zahn)arzt und K(Z)ÄV andererseits unterscheiden sich grundlegend. Die Gründe für die Zuerkennung von Prozesszinsen bei Ansprüchen auf Gesamtvergütungen bzw Gesamtvergütungsanteilen hat der Senat im Urteil vom 28.9.2005 angesprochen: nämlich die Verpflichtung zur Kooperation zwischen K(Z)ÄV und KKn sowie die wirtschaftlichen Folgen eines erheblichen Finanzierungsbedarfs durch Einbehaltung von Gesamtvergütungsanteilen (vgl hierzu BSG vom 28.9.2005 aaO RdNr 36, 38 f bzw RdNr 44, 46 f). Dass diese Erwägungen auf das Verhältnis zwischen Vertrags(zahn)arzt und K(Z)ÄV nicht in gleicher Weise zutreffen, liegt auf der Hand. Ein Bedarf nach näherer - grundsätzlicher - Klärung in einem Revisionsverfahren besteht insoweit nicht.

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Nichts anderes ergibt sich aus der Neufassung des § 69 SGB V zum 1.1.2000 mit der Klarstellung, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den KKn und den Leistungserbringern sozialversicherungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur sind (BSG aaO RdNr 27 bzw RdNr 35). Hieraus können keine Rückschlüsse dahingehend gezogen werden, dass innerhalb der Leistungsbeziehungen nach dem Vierten Kapitel des SGB V (§§ 69 bis 140h SGB V) Verzugszinsen zu zahlen seien (BSG aaO RdNr 27 bzw RdNr 35 am Ende). Eine Bestimmung, dass die Vertragspartner Zinsregelungen vereinbaren müssten, besteht ebenfalls - anders als im Recht der stationären Versorgung nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Pflegesatzverordnung - nicht (BSG aaO RdNr 28 bzw RdNr 36 in Abgrenzung zu BSG vom 4.3.2004, BSGE 92, 223 RdNr 31 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 30; BSG vom 13.5.2004, SozR 4-2500 § 132a Nr 1 RdNr 19 ff).

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2. Auch die Divergenzrügen, die der Kläger formuliert hat (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, - Schriftsatz vom 6.12.2011, S 1 ff, 2 bis 5), haben keinen Erfolg. Entscheidungserhebliche Abweichungen des Urteils des LSG von einem Urteil des 6. Senats oder des 3. Senats des BSG liegen nicht vor. Die Urteile des LSG und diejenigen des BSG betreffen verschiedene Fallkonstellationen, die unterschiedlich zu beurteilen sind:

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Dies ergibt sich für die gerügte Abweichung von dem Urteil des 6. Senats vom 28.9.2005 (aaO) ohne Weiteres aus den vorstehenden Ausführungen unter 1.b), die die Besonderheiten jenes Urteils deutlich machen.

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Aber auch soweit in der Beschwerdebegründung - zumindest sinngemäß - Abweichungen des LSG von Urteilen des 3. Senats des BSG vom 23.3.2006 (BSGE 96, 133 = SozR 4-7610 § 291 Nr 3, RdNr 10 ff) und vom 3.8.2006 (BSGE 97, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr 3, RdNr 19 ff)gerügt werden (Schriftsatz vom 6.12.2011 S 6 f), sind Divergenzen im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht ersichtlich. Diese Urteile betreffen anders gelagerte Fallkonstellationen, nämlich Vergütungsansprüche einer Rehabilitationsklinik und eines Apothekers gegen eine KK. Einschlägig sind dort Bestimmungen des Krankenhausrechts (§§ 107 ff SGB V, Bundespflegesatzverordnung, Krankenhausentgeltgesetz und Krankenhausfinanzierungsgesetz, vgl dazu schon BSG vom 28.9.2005 aaO RdNr 28 bzw RdNr 36) bzw des Apothekenrechts iVm dem BGB und dem Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag (vgl hierzu BSGE 97, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr 3, RdNr 19 ff, 21, 23). Durch diese spezifische krankenhausrechtliche Prägung unterscheidet sich die dortige Rechtslage von der hier maßgeblichen nach § 85 SGB V für die Vertrags(zahn)ärzte. Für eine entscheidungserhebliche Divergenz bestehen deshalb keine Anhaltspunkte.

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3. Schließlich hat auch die vom Kläger im Schriftsatz vom 20.10.2011 formulierte Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs keine Aussicht auf Erfolg (aaO S 13 iVm S 16 ff - Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Zinsforderungen stellen im Regelfall - wie auch hier - nur sog Nebenforderungen dar. Es ist weder erforderlich noch üblich, solche Nebenforderungen in Gerichtsverhandlungen ausdrücklich zu erörtern, es sei denn, dies würde vom Anspruchsteller ausdrücklich erbeten. Der Kläger ist anwaltlich vertreten gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass sein Bevollmächtigter eine solche Erörterung ausdrücklich erbeten hätte, sind weder ersichtlich noch in der Beschwerdebegründung vom 6.12.2011 geltend gemacht worden.

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III. Die Beschwerde der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Mit ihrem Vorbringen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, es lägen eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG und Verfahrensmängel vor, hat sie keinen Erfolg.

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1. Eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht gegeben. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte eine Rechtsfrage aufgeworfen hat, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Die Bedeutung über den Einzelfall hinaus ist nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11).

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Umstritten ist nur, ob dem Kläger noch Honorar zusteht oder ob bzw inwieweit seine Honoraransprüche bereits durch Zahlung und/oder Verrechnung und/oder Verjährung erfüllt bzw erloschen sind und/oder ob bzw inwieweit Honoraransprüche durch wirksame sachlich-rechnerische Richtigstellungen bzw Honorarkürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen reduziert worden sind. Zentrale Bedeutung hat bei alledem die Frage, ob bzw inwieweit Honoraransprüche von einem der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich erfasst und damit erledigt worden sind. Gerade auch über deren Reichweite ist gestritten worden. Vor dem Hintergrund dieser Vielzahl von Verwaltungsverfahren und von gerichtlichen Vergleichen ist der Rechtsstreit von vornherein in erheblichem Ausmaß von den besonderen Aspekten des Einzelfalls geprägt. Diese sind vom LSG umfassend gewürdigt worden und haben es zu dem Ergebnis kommen lassen, dass die Beklagte dem Kläger noch ca 203 000 Euro zu zahlen hat.

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Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Rügen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, greifen allesamt nicht durch, betreffen vielmehr sämtlich die Rechtsanwendung im Einzelfall, ohne dass in diesem Rahmen zugleich entscheidungserhebliche, grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen ersichtlich wären.

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a) Dies gilt zunächst ohne Weiteres insoweit, als die Beklagte das LSG-Urteil nur als schlicht fehlerhaft beanstandet, so zB mit ihrem Einwand, das LSG hätte bei der Berechnung der Höhe der festgestellten Forderungen nicht auch "Forderungen aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung" einbeziehen dürfen. Hiermit beanstandet die Beklagte nur Fehler in der Rechtsanwendung im hier vorliegenden konkreten Einzelfall; aus solchen Rügen kann sich eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht ergeben(ebenso zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 5/09 B - RdNr 13; BSG vom 17.8.2011 - B 6 KA 20/11 B - RdNr 17). Die Untauglichkeit der Beanstandung von Rechtsanwendungsfehlern im Einzelfall für eine Grundsatzrüge - und ebenso für eine Divergenzrüge - entspricht der Konzentration der Revisionsgerichte auf die ihnen vorrangig zugewiesene Aufgabe, das Recht zu vereinheitlichen und fortzubilden sowie sich mit grundsätzlichen Rechtsfragen zu befassen: Aufgabe der Revisionsgerichte ist es nicht, jede inhaltlich fehlerhafte Subsumtion eines Berufungsgerichts zu korrigieren.

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Das Vorbringen der Beklagten, das LSG habe nichts Näheres zu den Vorschriften über die Erfüllung in den §§ 362 ff BGB und insbesondere zu § 366 BGB ausgeführt, kann ebenfalls nicht zur Revisionszulassung führen. Auch insoweit zeigt die Beklagte keine über eine Subsumtionsfrage hinausgehende grundsätzliche Bedeutung auf. Sie macht geltend, insoweit stehe eine vom LSG "ursprünglich als sehr bedeutend bewertete Rechtsfrage" an; nähere Ausführungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.

25

Ebenso wenig wird eine grundsätzliche Bedeutung durch die Frage deutlich,
ob für die K(Z)ÄV eine "Erfüllungswirkung" eintritt, "wenn auf dem Abrechnungskonto des Vertragszahnarztes eine entsprechende Gutschrift erfolgt ist bzw. ob einzelne Vergütungsforderungen eines Zahnarztes aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit fortbestehen können, wenn das Abrechnungskonto nach Auszahlung aller gebuchten Forderungen und Auflösung ausgebrachter Einbehalte keinen Saldo mehr aufweist" (Beschwerdebegründung S 3).

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Auch in diesem Zusammenhang zeigt die Beklagte nicht in der erforderlichen Klarheit auf, inwiefern eine Befassung mit dieser Frage auf grundsätzlich bedeutsame Klärungen hinführen könnte. Sie räumt selbst ein, dass diese Frage mit dem Einzelfallaspekt verbunden ist, ob bzw dass die Forderungen des Klägers aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den gerichtlichen Vergleich vom 17.5.2005 abgegolten sind. Eine von dieser Prägung des Einzelfalls ausreichend losgelöste, allgemeinere Bedeutung wird aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich. Diese lässt nicht ausreichend erkennen, inwiefern der abstrakt formulierten Rechtsfrage nach der "Erfüllungswirkung" mehr als die Frage richtiger Rechtanwendung im Einzelfall - ob bestimmte Gutschriften erfolgten und dadurch alle ausstehenden Forderungen erfüllt wurden - zugrunde liegen könnte.

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b) Nichts anderes gilt für die Frage,
ob ein Honorareinbehalt der K(Z)ÄV zu einer Hemmung der Verjährung für einzelne Vergütungsforderungen führen kann.

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Mit ihrer Beanstandung, das LSG habe eine Hemmung der Verjährung entsprechend § 202 Abs 1 BGB aF, § 205 Abs 1 BGB nF nicht ohne Vorliegen einer Vereinbarung oÄ zwischen ihr und dem Kläger annehmen dürfen, rügt sie zunächst nur die Ablehnung des Eintritts von Verjährung in ihrem konkreten Fall. Für eine vom BSG zu entscheidende Frage grundsätzlicher Art hätte die Beklagte sich mit der Rechtsprechung des Senats zur Hemmung von Verjährungsfristen auseinandersetzen müssen (vgl dazu etwa BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 13 ff).

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Dasselbe gilt für die von der Beklagten in diesem Zusammenhang formulierte weitere Frage,

        

welche verjährungsrechtlichen Auswirkungen einem Honorareinbehalt einer K(Z)ÄV zukommen.

Diese Frage ist zudem so sehr allgemein gehalten, dass sie schon nicht als "konkrete Rechtsfrage" angesehen werden kann (zu diesem Erfordernis vgl zB BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 21/10 B - Juris RdNr 12-14; vom 20.10.2010 - B 6 KA 26/10 B - Juris RdNr 7, 14; vom 3.11.2010 - B 6 KA 35/10 B - Juris RdNr 9, 11; vom 23.8.2011 - B 6 KA 37/11 B - Juris RdNr 7). Honorareinbehalte können in unterschiedlichster Art erfolgen - zB im Wege eines schlichten Realakts, gegründet auf eine entsprechende öffentlich-rechtliche Willenserklärung oder gegründet auf einen Verwaltungsakt -, ohne dass diese Fälle alle gleich behandelt werden müssten. Gerade in einem so komplexen Fall, wie er hier zu entscheiden gewesen ist, bedürfte es substantiierter Darlegungen in der Beschwerdebegründung, dass nicht nur eine Problematik der Rechtsanwendung und der Subsumtion im Einzelfall betroffen, sondern darüber hinausgehend eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist. Dafür reichen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht aus.

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c) Soweit die Beklagte schließlich noch anführt, "entgegen der Behauptung des LSG" habe sie "sehr wohl die Einrede der Verjährung erhoben und dies auch begründet" (Beschwerdebegründung S 6 unter c), betrifft dies ebenfalls erkennbar nur die Rechtsanwendung im Einzelfall.

31

2. Auch die Rüge der Beklagten, das LSG weiche von der Rechtsprechung des BSG ab, hat keinen Erfolg. Die Beklagte führt hierzu an, das BSG sehe Honorarzahlungen an Vertrags(zahn)ärzte nicht als "Sozialleistungen" an, das LSG habe dagegen die Honorarzahlungen - mittelbar - als Sozialleistungen und die K(Z)ÄV als Sozialleistungsträger bezeichnet (LSG-Urteil S 25 f), indem es im Zusammenhang mit vertrags(zahn)ärztlichen Vergütungen auf die "Grundsätze des § 39 SGB I" Bezug nehme, der Ermessensentscheidungen bei Sozialleistungen und deren Gewährung als möglich bezeichne, und den Begriff des Leistungsträgers verwende, während das BSG in einem Urteil vom 20.12.1983 (BSGE 56, 116, 117 f = SozR 1200 § 44 Nr 10 S 33 f) die Zuordnung zu Sozialleistungen und Leistungsträgern ausdrücklich ablehne (Beschwerdebegründung S 5 f unter b).

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Mit dieser Divergenzrüge kann die Beklagte indessen keinen Erfolg haben, denn sie macht in ihrer Beschwerdebegründung nicht deutlich, inwiefern über eine evtl unzutreffende begriffliche Zuordnung hinaus auch das Urteilsergebnis des LSG davon beeinflusst sein könnte. Dies wäre aber erforderlich, denn eine Divergenzrüge kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nur Erfolg haben, "wenn das Urteil (des LSG) von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts … abweicht und auf dieser Abweichung beruht". Daher kann die Rüge, das LSG habe terminologisch in unzulässiger Weise eine Zuordnung zu den Begriffen Sozialleistungen und Leistungsträger vorgenommen, nicht zur Zulassung der Revision führen.

33

3. Ohne Erfolg ist schließlich auch die von der Beklagten erhobene Rüge, das Verfahren des LSG leide an Verfahrensmängeln, auf denen das Urteilsergebnis beruhen könne (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Die Beklagte beanstandet insofern, dass das LSG den Prozessbevollmächtigten des Klägers als Zeugen vernommen und anschließend bei der Vernehmung anderer Zeugen akzeptiert hat, dass er diese befragt. Eine derartige Verfahrensweise sei weder im SGG noch in der ZPO vorgesehen; sie sei auch damit unvereinbar, dass die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht selbst obliege (Beschwerdebegründung S 6-8). Dieses Vorbringen lässt indessen keinen Verfahrensmangel erkennen:

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a) Daraus, dass das LSG den Prozessbevollmächtigten des Klägers als Zeugen vernommen hat, ergibt sich kein Verfahrensmangel; denn es ist anerkannt, dass auch Prozessbevollmächtigte als Zeugen vernommen werden können.

35

Ein gesetzlicher Ausschluss solcher Zeugenvernehmung ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht benannt. Dementsprechend hat der BFH in einer Entscheidung vom 22.11.2008 ausgeführt, dass der "Prozessbevollmächtigte als Zeuge benannt" werden kann, "was … zulässig ist" (BFH vom 22.11.2008 - X B 205/07 - Juris RdNr 14). Auch das OLG Hamm hat ausgeführt, dass die Stellungen als Prozessbevollmächtigter und als Zeuge miteinander vereinbar sind; Hinderungsgründe, den Prozessbevollmächtigten einer Partei als Zeugen zu vernehmen, bestehen nicht (OLG Hamm MDR 1977, 142). Davon geht auch das OLG München aus: Es hat erörtert, ob ein "Prozessbevollmächtigter … während der Zeit, in der er als Zeuge einvernommen wird", weiter das Mandat als Rechtsanwalt wahrnehmen kann; mit dieser Fragestellung hat das OLG den Ausgangspunkt, ob ein Prozessbevollmächtigter überhaupt als Zeuge vernommen werden kann, implizit bejaht (OLG München MDR 1989, 830). Gegenläufige Entscheidungen, die die Einvernahme eines Prozessbevollmächtigten als Zeugen für unzulässig halten, sind nicht ersichtlich; auch die Beklagte hat keine solchen Entscheidungen benannt. Dementsprechend vermag auch der Senat keinen rechtlichen Ansatzpunkt für die Annahme zu erkennen, Prozessbevollmächtigte könnten nicht als Zeugen vernommen werden.

36

b) Soweit die Beklagte darüber hinaus beanstandet, das LSG hätte bei der anschließenden Vernehmung anderer Zeugen nicht akzeptieren dürfen, dass der Prozessbevollmächtigte diese befragt, ist ebenfalls kein Verfahrensmangel feststellbar. Das Recht der Zeugenbefragung ergibt sich aus der Position als Prozessbevollmächtigter. Diese Rolle hatte der Rechtsanwalt nach der Beendigung seiner Vernehmung wieder voll wahrgenommen, ohne dass die Beklagte sich mit einer Rüge hiergegen gewandt hatte.

37

Die Befragung hätte allenfalls unter hier nicht gegebenen besonderen Umständen als unzulässig angesehen werden können, etwa dann, wenn der Prozessbevollmächtigte im Zeitpunkt der Befragung noch nicht aus dem Zeugenstand entlassen worden wäre. Er war aber ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 7.4.2011 aus seiner Zeugenstellung bereits erlassen worden. Auch besteht keine gesetzliche Regelung des Inhalts, dass die Befragung eines Zeugen nur auf (förmlichen) Antrag hin gestattet werden dürfte (insoweit unzutreffend Beschwerdebegründung S 8 unter b).

38

Das LSG hat keinen Verfahrensfehler dadurch begangen, dass es im Rahmen der von ihm geleiteten Zeugenvernehmung dem zuvor als Zeugen vernommenen Prozessbevollmächtigten die Befragung anschließend vernommener Zeugen gestattet hat. Ob dadurch die Gefahr entstanden ist, dass der zuvor als Zeuge Vernommene durch seine Befragung versuchen könnte, seine eigenen Aussagen zu verstärken, kann offenbleiben. Es gibt weder eine Vorschrift, dass das Gericht wegen einer derartigen Gefahr eine solche Zeugenbefragung nicht zulassen dürfte, noch Anhaltspunkte, dass eine solche Gefahr bestanden oder sich gar realisiert habe. Hätte eine solche Gefahr bestanden, so hätte sich daraus zudem ohnehin nicht die Fehlerhaftigkeit der Verfahrensweise ableiten lassen. Vielmehr wäre es Sache des Gerichts, auf eine unparteiliche Befragung der Zeugen hinzuwirken bzw im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu erwägen, ob sich die Gefahr realisiert haben könnte, und daraus Schlussfolgerungen für seine Bewertung der Zeugenaussagen und seine Entscheidung zu ziehen.

39

c) Die Beklagte hätte ihre Rügen im Zusammenhang mit der Zeugenvernehmung im Übrigen bereits in der mündlichen Verhandlung des LSG vorbringen müssen. In § 295 Abs 1 ZPO ist bestimmt, dass eine Partei, der ein Verfahrensmangel bekannt wird, diesen spätestens bei der nächsten mündlichen Verhandlung rügen muss, andernfalls sie ihn nicht mehr rügen kann. Diese Vorschrift ist gemäß § 173 VwGO, § 202 SGG im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren entsprechend anwendbar(vgl zB BVerwGE 50, 344 ff = MDR 1976, 781 f; BSG SozR 3-1500 § 61 Nr 1 S 4 ff, 6). Bei der "entsprechenden Anwendung" ist zu beachten, dass "nächste mündliche Verhandlung" nicht notwendigerweise ein neuer Termin ist, sondern auch eine Verhandlung sein kann, die sich an eine Beweisaufnahme anschließt (BVerwGE 50, 344, 346 = MDR 1976, 781, 782; in der Sache ebenso BSG SozR 3-1500 § 61 Nr 1 S 4 ff, 6: "nächsten Verhandlungsabschnitt"). Bei Beachtung dieser Grundsätze hätte der Prozessvertreter der Beklagten den erkennbar gewordenen vermeintlichen Verfahrensmangel in der an die Zeugenvernehmungen anschließenden fortgesetzten Verhandlung rügen müssen.

40

d) Schließlich zeigt die Beklagte in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht auf, inwiefern sich die von ihr beanstandete Verfahrensweise konkret auf das Urteilsergebnis ausgewirkt haben könnte. Hierfür müsste aus der Beschwerdebegründung der Beklagten zu entnehmen sein, welches abweichende Verwertungsergebnis sich nach ihrer Ansicht bei einem Vorgehen ohne die von ihr als fehlerhaft beanstandeten Vorgänge ergeben hätte. Daran fehlt es. Somit ist auch nicht erkennbar, dass das Urteil des LSG auf einem etwaigen Verfahrensmangel im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG "beruhen" könnte.

41

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach sind die Kosten des Verfahrens bei teilweisem Obsiegen und teilweisem Unterliegen verhältnismäßig zu teilen, es sei denn, der eine ist nur zu einem geringen Teil unterlegen (§ 155 Abs 1 Satz 1 und 3 VwGO). Hier ist der Kläger im Verhältnis zur Beklagten lediglich wegen des Zinsanspruchs unterlegen, das betrifft nur einen "geringen Teil" im Sinne des § 155 Abs 1 Satz 3 VwGO(ebenso schon BSG vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R - Juris RdNr 42, insoweit weder in BSGE noch in SozR abgedruckt).

42

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 GKG. Die Bemessung erfolgt entsprechend dem Betrag der LSG-Verurteilung. Ein zusätzlicher Betrag wegen der Zinsen ist nicht anzusetzen, weil diese nur als Nebenforderung im Sinne des § 43 Abs 1 GKG geltend gemacht werden; dies gilt auch im vorliegenden Fall, ungeachtet dessen, dass hier vom Kläger und von der Beklagten gegenläufig eingelegte Rechtsmittel verfolgt werden; denn die Grundlage für die Zinsforderung ist durch die nach wie vor bestehende Rechtshängigkeit auch des Zahlungsbegehrens noch in der Schwebe. Der Abs 2 des § 43 GKG wäre nur anzuwenden, wenn bzw soweit der Hauptanspruch nicht mehr im Streit wäre und dadurch die Grundlage für das Zinsbegehren außer Frage stünde und somit der Zinsanspruch zum Hauptanspruch geworden wäre(vgl grundlegend BGHZ 26, 174, 175 ff = NJW 1958, 342; vgl auch OLG München, NJW-RR 1994, 1484, 1485; OLG Koblenz JurBüro 1999, 197; zu unselbstständigen Nebenforderungen als bloßem Annex vgl ferner BGH NJW 1968, 1275; OLG München MDR 1988, 1060).

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Bundessozialgericht Beschluss, 27. Juni 2012 - B 6 KA 65/11 B zitiert 23 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 362 Erlöschen durch Leistung


(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. (2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 295 Verfahrensrügen


(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 85 Gesamtvergütung


(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärzt

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 366 Anrechnung der Leistung auf mehrere Forderungen


(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung be

Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze


Bundespflegesatzverordnung - BPflV

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 69 Anwendungsbereich


(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der B

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 43 Nebenforderungen


(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt. (2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 107 Krankenhäuser, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen


(1) Krankenhäuser im Sinne dieses Gesetzbuchs sind Einrichtungen, die 1. der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende d

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 39 Ermessensleistungen


(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf p

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 202 Unzulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung


(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. (2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 205 Hemmung der Verjährung bei Leistungsverweigerungsrecht


Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.

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Bundessozialgericht Beschluss, 27. Juni 2012 - B 6 KA 65/11 B zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 08. Feb. 2012 - B 6 KA 12/11 R

bei uns veröffentlicht am 08.02.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. November 2010 geändert, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 48 300 Eu

Bundessozialgericht Urteil, 17. Aug. 2011 - B 6 KA 24/10 R

bei uns veröffentlicht am 17.08.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und des Sozialgerichts Marburg vom 22. Oktober 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verpf

Bundessozialgericht Urteil, 23. März 2011 - B 6 KA 14/10 R

bei uns veröffentlicht am 23.03.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. November 2009 sowie des Sozialgerichts München vom 9. Oktober 2007 geändert. Die Beklagte wird ver

Bundessozialgericht Beschluss, 20. Okt. 2010 - B 6 KA 26/10 B

bei uns veröffentlicht am 20.10.2010

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 wird verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 18. Aug. 2010 - B 6 KA 21/10 B

bei uns veröffentlicht am 18.08.2010

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
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Sozialgericht München Urteil, 11. Okt. 2016 - S 38 KA 1611/14

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

Tenor I. Die Klage wird im Hauptantrag abgewiesen. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 16.12.2011 und 22.03.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2014 verurteilt, die Klägerin unter Beachtung d

Sozialgericht München Urteil, 12. Apr. 2018 - S 38 KA 2033/14

bei uns veröffentlicht am 12.04.2018

Tenor I. Der Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin Euro 11.256,27 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Tatbestand Gegenstand der zum S

Sozialgericht München Urteil, 12. Dez. 2017 - S 38 KA 2001/14

bei uns veröffentlicht am 12.12.2017

Tenor I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.484,81 Euro zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Klägerin trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens, der Beklagte trägt 1/4 der Kosten des Verfahrens.

Bundessozialgericht Urteil, 15. Juni 2016 - B 6 KA 22/15 R

bei uns veröffentlicht am 15.06.2016

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. Mai 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Juli 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,

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Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. November 2009 sowie des Sozialgerichts München vom 9. Oktober 2007 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 51 405,80 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Zahlung von 51 405,80 Euro zur Insolvenzmasse.

2

Über das Vermögen des mittlerweile verstorbenen Insolvenzschuldners Dr. R., der als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war, wurde auf Antrag vom 7.3.2005 mit Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 1.5.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte hatte aufgrund einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Leistung Nr 439 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen gegen Dr. R. nach bestandskräftigem Bescheid vom 25.6.2003 Rückforderungsansprüche in Höhe von 53 657,78 Euro. Auf ein Schreiben von Dr. R. vom 26.8.2003, in dem er eine Rückzahlung der Summe in Raten von 3000 Euro pro Quartal vorschlug, erklärte sich die Beklagte mit Schreiben vom 23.2.2005 mit einer ratenweisen Tilgung der Rückforderung einverstanden und kündigte eine Verrechnung in 37 Raten an. Bereits von der Restzahlung für das Quartal III/2004 hatte die Beklagte 851,98 Euro einbehalten. Beginnend mit der 2. Abschlagszahlung für das Quartal I/2005 am 15.3.2005 (2. Abschlagszahlung 15.4.2005, Honorarbescheid für I/2005 am 6.7.2005) behielt die Beklagte von den Honoraransprüchen des Insolvenzschuldners Beträge zwischen 1200 und 7700 Euro ein, bis die Rückforderungssumme getilgt war. Am 14.3.2005 teilte der Kläger der Beklagten die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen von Dr. R. durch Beschluss vom 10.3.2005 mit. In einem Telefonat am 14.4.2005 kündigte der Kläger die voraussichtliche Insolvenzeröffnung am 1.5.2005 an. Mit Schreiben vom 30.6.2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Verrechnung des Rückforderungsanspruchs mit den Zahlungsansprüchen des Insolvenzschuldners für die Zukunft zu unterlassen. In weiteren Schreiben vom 11.7.2006, 22.8.2006 und 24.8.2006 verlangte er von der Beklagten, die bislang durch Verrechnungen einbehaltenen Beträge in Höhe von 30 100 Euro bis zum 4.9.2006 auf das Insolvenzanderkonto des Klägers auszukehren. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

3

Mit Schriftsatz vom 6.11.2006 hat der Kläger Klage beim SG München erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn die bis dahin einbehaltene Summe von 30 100 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2005 zu zahlen und die Unzulässigkeit der Verrechnung der Rückforderungsansprüche mit Zahlungsansprüchen des Insolvenzschuldners festzustellen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9.10.2007 abgewiesen.

4

Das LSG hat mit Urteil vom 25.11.2009 die Berufung zurückgewiesen. Die Forderung des Klägers sei durch die von der Beklagten durchgeführten Verrechnungen im Zeitraum vom Quartal III/2004 bis zum Quartal l/2007 getilgt worden. Die Berechtigung zur Verrechnung ergebe sich aus § 5 Abs 9 der ab dem 1.4.2005 geltenden Abrechnungsbestimmungen der Beklagten bzw für den Zeitraum vor dem 1.4.2005 aus dem wortgleichen § 7 Abs 8 ihres Honorarverteilungsmaßstabes. Die Beklagte könne danach bei Überzahlungen, Rückforderungen und Schadensersatzforderungen den festgestellten Betrag sofort mit Ansprüchen des Vertragsarztes verrechnen oder zum unverzüglichen Ausgleich zurückverlangen. Die Verrechnung meine die Einstellung der vorgenannten festgestellten Forderungen in das Abrechnungskonto des Arztes als unselbstständige Abrechnungsposten und deren Verrechnung mit Zahlungen an den Vertragsarzt. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften, zum anderen entspreche dieses Vorgehen der jahrzehntelangen Praxis der Beklagten.

5

Die Rechtmäßigkeit der Verrechnung des geltend gemachten Betrages ergebe sich jedenfalls aus dem Verfahrensablauf im konkreten Fall. Die Forderung der Beklagte gegen Dr. R. sei schon seit dem Jahr 2003 bestandskräftig festgestellt; die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach §§ 387 ff BGB hätten lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen. Die Beklagte habe die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungslage auch nicht durch eine anfechtbare Handlung nach § 130 Insolvenzordnung (InsO) erlangt. Der Beklagten komme nämlich bereits in dem Moment eine insolvenzrechtlich schützenswerte Aufrechnungslage zu, in dem der Vertragsarzt seine Leistungen erbracht und die Abrechnung eingereicht habe und nicht erst mit Wirksamwerden des entsprechenden Honorarbescheides. Anstelle der sofortigen Aufrechnung habe die Beklagte mit Dr. R. eine Verrechnung im Sinne einer Anrechnung mit den Abschlags- und Restzahlungen vereinbart.

6

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Er trägt zur Begründung vor, das Schreiben der Beklagten vom 23.2.2005 enthalte vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet eine Aufrechnungserklärung. Im allgemeinen Sprachgebrauch würden die Begriffe "Aufrechnung" und "Verrechnung" identisch verwendet. Mit den Honoraransprüchen des Insolvenzschuldners und den Rückforderungsansprüchen der Beklagten hätten sich zwei selbstständige Forderungen gegenübergestanden, es seien nicht etwa von einem Anspruch unselbstständige Rechnungsposten in Abzug gebracht worden. Honoraransprüche, die erst nach Zugang des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Erbringung und Abrechnung vergütungspflichtiger Leistungen gegen die KÄV entstünden, unterlägen insolvenzrechtlich der Anfechtbarkeit. Außer den Vergütungsansprüchen für das Quartal III/2004 in Höhe von 851,98 Euro seien alle den Verrechnungen zugrunde liegenden Vergütungsansprüche innerhalb der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw nach diesem Antrag entstanden und damit gemäß § 130 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 InsO anfechtbar. Daraus folge, dass die von der Beklagten ab dem Quartal IV/2004 vorgenommenen Verrechnungen in Höhe von insgesamt 52 805,80 Euro gemäß § 96 Abs 1 Nr 1 und 3 InsO unzulässig und die Beträge zur Insolvenzmasse herauszugeben seien.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. November 2009 sowie des Sozialgerichts München vom 9. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 51 405,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2005 zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie trägt vor, es sei durch das Einstellen der Regressforderung in das Abrechnungskonto eine einer Kontokorrentabrede nach § 355 Handelsgesetzbuch gleichstehende Rechtslage geschaffen worden. Eine solche Abrede, die die Selbstständigkeit der einzelnen Forderungen aufhebe, könne auch stillschweigend und zB durch ständige Übung getroffen werden. Sie - die Beklagte - habe diese Einstellung ihrer Forderung in das Abrechnungssystem durch Honorarbescheid für das Quartal III/2004 mitgeteilt. Der Honoraranspruch entstehe von vornherein nur in der Höhe, die er nach der Verrechnung aufweise. Selbst wenn man davon ausgehe, dass eine dem Regime der §§ 94 ff InsO unterliegende Aufrechnung vorliege, sei die Aufrechnungslage nicht in anfechtbarer Weise erlangt worden. Weder der Erlass des Honorarbescheides noch die Erbringung ärztlicher Leistungen noch die Einreichung der Abrechnungsunterlagen stellten anfechtbare Handlungen dar. Darüber hinaus sei nach § 95 InsO eine Aufrechnungslage geschützt, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden solle, bereits im Kern angelegt gewesen sei. Dies sei hier der Fall, weil der Vertragsarzt einen Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung habe. Schließlich sprächen Gesichtspunkte der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der Systemerhaltung für das vom LSG gefundene Ergebnis.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet, soweit die Beklagte gegen Honorarforderungen für die Quartale I/2005 bis I/2007 aufgerechnet hat. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bestehen für diese streitbefangenen Quartale noch Honoraransprüche des Insolvenzschuldners, denn sie sind durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit ihr gegen den Insolvenzschuldner zustehenden Forderungen nicht erloschen. Soweit die Aufrechnung gegen Honorarforderungen für das Quartal IV/2004 erklärt worden ist, ist die Revision hingegen zurückzuweisen.

11

1. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter berechtigt, die Honoraransprüche des Insolvenzschuldners aus vertragsärztlicher Tätigkeit geltend zu machen. Nach § 80 Abs 1 InsO geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Zur Insolvenzmasse rechnet das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 InsO), mithin auch Forderungen auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars.

12

2. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist für die Quartale II/2005 bis I/2007 nicht erloschen. Die Aufrechnungen der Beklagten sind gemäß § 96 Abs 1 Nr 1 InsO unzulässig und damit unwirksam.

13

a) Die Beklagte hat in den jeweiligen Honorarbescheiden ihre Rückforderung aus dem bestandskräftigen Berichtigungsbescheid vom 25.6.2003 in Teilbeträgen von unterschiedlicher Höhe gegen die Honorarforderungen des Schuldners für diese Quartale aufgerechnet. Für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des Vertragsarztrechts sind die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts über die Aufrechnung in §§ 387 ff BGB im Wege der Lückenfüllung entsprechend anwendbar(BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 17; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 11 S 55 f mwN). Demgegenüber finden die für Aufrechnungen und Verrechnungen geltenden Vorschriften der §§ 51, 52 SGB I nach ständiger Rechtsprechung des Senats(vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 16 mwN) auf Honorarzahlungen an Vertragsärzte auf der Grundlage von § 85 Abs 4 Satz 1 SGB V schon deswegen keine Anwendung, weil solche Zahlungen keine Sozialleistungen darstellen, die dem Vertragsarzt zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte zukommen sollen.

14

Nach § 387 BGB kann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Diese Voraussetzungen lagen bezüglich der aus sachlich-rechnerischer Richtigstellung resultierenden öffentlich-rechtlichen Rückforderungen der Beklagten einerseits und der Honorarforderungen des Insolvenzschuldners andererseits vor.

15

Die Erstattungsforderung der Beklagten sowie die konkretisierten Honorarforderungen des Insolvenzschuldners waren, da jeweils auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet, gleichartig im Sinne des § 387 BGB. Zudem war die Erstattungsforderung zum Zeitpunkt der Aufrechnungen auch fällig. Die Honorarforderungen des Insolvenzschuldners waren jedenfalls mit ihrer Konkretisierung nach Abschluss und Abrechnung des jeweiligen Quartals erfüllbar. Während die Gegenforderung vollwirksam und fällig sein muss (Grüneberg in Palandt, BGB-Kommentar, 70. Aufl 2011, § 387 RdNr 11 mwN), muss die Hauptforderung lediglich erfüllbar, nicht aber vollwirksam und fällig sein (Grüneberg, aaO, RdNr 12).

16

Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde die Erstattungsforderung nicht lediglich als Rechnungsposten in ein Kontokorrentkonto eingestellt. Der Anspruch der KÄV auf Erstattung von überzahltem Honorar als Folge einer Abrechnungsberichtigung stellt eine eigenständige Forderung dar. Zwar wird bei einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung für ein noch nicht abgerechnetes Quartal das Honorar von vornherein gemindert, weil ein Anspruch auf die Vergütung zu Unrecht abgerechneter Leistungen nicht besteht. Ist aber bereits ein Honorarbescheid ergangen und wird dieser aufgrund einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung korrigiert, entsteht eine eigenständige Erstattungsforderung. Dementsprechend reicht bei einer quartalsversetzten Richtigstellung, wie sie hier erfolgt ist, die Anfechtung der Berichtigung, während bei der quartalsgleichen Berichtigung gerichtlicher Rechtsschutz im Wege einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Honorarbescheid gesucht werden muss (vgl Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 23 RdNr 17, 18).

17

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs 9 der ab dem 1.4.2005 geltenden "Abrechnungsbestimmungen der KVB", auf die die Beklagte sich beruft. Danach kann die KÄV bei Überzahlungen, Rückforderungen und Schadensersatzforderungen den festgestellten Betrag sofort mit Ansprüchen des Vertragsarztes verrechnen oder zum unverzüglichen Ausgleich zurückverlangen. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass bereits der Wortlaut der Bestimmung die von der Beklagten daraus abgeleiteten rechtlichen Folgerungen nicht stützt. Der Begriff der "Verrechnung" im Zusammenhang mit "Rückforderungen" legt vielmehr nahe, dass rechtstechnisch eine Aufrechnung gemeint ist. Der Annahme eines unselbstständigen Rechnungspostens steht aber vor allem entgegen, dass Honorarforderungen, wie dies auch in § 2 der Abrechnungsbestimmungen der Beklagten ausdrücklich vorgeschrieben ist, quartalsweise gesondert geltend zu machen und abzurechnen sind(vgl dazu BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 37). Anders als etwa bei einem Vorteilsausgleich, bei dem ersparte Aufwendungen auf einen Anspruch angerechnet werden, besteht kein Zusammenhang zwischen der Erstattungsforderung der KÄV als Folge von Abrechnungskorrekturen zurückliegender Quartale und den später entstandenen Honorarforderungen. Die vom LSG zitierte Entscheidung des BGH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren betraf die Bezahlung von Gesellschafter-Rechnungen im Rahmen der Kontenangleichung und damit eine nicht vergleichbare Konstellation (BGHZ 170, 206).

18

b) Die Aufrechnungen mit Honorarforderungen für die Quartale II/2005 bis I/2007 sind, weil sie nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 1.5.2005 erfolgt sind, nach § 96 Abs 1 Nr 1 InsO unwirksam. Danach ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, die Aufrechnungslage mithin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Das war hier der Fall. Die Honorarforderungen für das Quartal II/2005 und die Folgequartale konnte die beklagte KÄV erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllen.

19

Der Senat hat im Hinblick auf die Anwendung der Anfechtungsvorschriften der InsO entschieden, dass mit dem Abschluss eines Quartals, in dem der Vertragsarzt vertragsärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung bereits ein "genereller" Anspruch des Arztes auf Teilhabe an der Honorarverteilung und insofern schon dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch des Arztes entsteht. Höhe und Fälligkeit dieses Anspruchs hängen aber von Inhalt und Zeitpunkt des Erlasses des Honorarbescheides ab; dessen Erlass steht insoweit dem Eintritt einer Bedingung iS des § 140 Abs 3 InsO gleich(BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 38).

20

c) Aus diesem Grund ist die Aufrechnung auch nicht nach § 95 Abs 1 Satz 1 InsO zulässig. Danach kann, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet sind, die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Damit wird auch eine "Aufrechnungsanwartschaft", dh das schutzwürdige Vertrauen auf den Eintritt einer Aufrechnungslage geschützt (Hofmann in Graf-Schlicker, InsO, 2. Aufl 2010, § 95 RdNr 1). Der Insolvenzgläubiger soll darauf vertrauen dürfen, dass er sich dann, wenn seine Forderung bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht, nach Fälligkeit bzw Eintritt der Bedingung durch Aufrechnung befriedigen kann (Kroth in Braun, InsO, 4. Aufl 2010, § 95 RdNr 1). Das setzt aber voraus, dass die Forderungen bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls im rechtlichen Kern begründet waren (vgl Kroth, aaO, RdNr 2 mwN). Die Honoraransprüche von Dr. R. für die Quartale ab II/2005 waren jedoch nach der Rechtsprechung des Senats auch dem Grunde nach am 1.5.2005 noch nicht entstanden.

21

d) Auch § 114 Abs 2 InsO ist nicht einschlägig. Danach kann der Verpflichtete gegen die Forderung auf Bezüge für den Zeitraum von zwei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats eine Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Schuldner zusteht. Zwar ist der Begriff der Bezüge aus einem Dienstverhältnis weit zu fassen (Pöhlmann in Graf-Schlicker, aaO, § 114 RdNr 7 mit zahlreichen Beispielen). Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 167, 363 RdNr 13 ff), der sich der Senat anschließt, stellen aber Honoraransprüche eines Vertragsarztes gegen die für ihn zuständige KÄV keine Forderungen auf "Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge" iS des § 114 Abs 1 InsO dar. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass diese Entscheidung sich ausdrücklich nur zu § 114 Abs 1 InsO verhält, verkennt sie, dass die Qualifizierung von Leistungen als "Bezüge" in allen Regelungen des § 114 InsO im selben Sinn zu verstehen ist. Die Vorschrift erfasst nach der Rechtsprechung des BGH nur Vergütungsansprüche, die ausschließlich als Ertrag der Arbeitskraft anzusehen sind. Der Honoraranspruch des Vertragsarztes resultiert aber nicht allein aus der Verwertung seiner Arbeitskraft, sondern aus dem Betrieb der Praxis (BGHZ, aaO, RdNr 16). Der BGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass bei einer Anwendung des § 114 Abs 1 InsO auf die Honoraransprüche eines Kassenarztes gegen die KÄV der Verwalter bei seiner Entscheidung über die Fortsetzung von Verträgen die Abtretung dieser Ansprüche für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen hätte. Um Masseminderungen zu vermeiden, müsste er sämtliche Verträge beenden, was notwendig zur Einstellung des Praxisbetriebes führe, womit auch dem Abtretungsgläubiger nicht gedient sei.

22

Ähnliche Erwägungen stehen auch der Auffassung der Beklagten entgegen, aus Gründen der Sicherung der Stabilität des vertragsärztlichen Vergütungssystems müsse ihr die privilegierte Durchsetzung von Rückforderungsansprüchen auch in der Insolvenz eines Vertragsarztes möglich sein. Wenn die Honoraransprüche, die ein Vertragsarzt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erarbeitet, nicht dem Insolvenzverwalter für die Fortführung der Praxis zur Verfügung stehen, könnte je nach Höhe der Aufrechnung durch die KÄV mit Rückforderungsansprüchen aus früheren Quartalen die wirtschaftliche Basis für eine Weiterführung der Praxis fehlen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass für die KÄV bei der Durchsetzung von Rückforderungsansprüchen gegen ein in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenes Mitglied ein Dilemma entstehen kann. Lässt sie sich auf eine lang gestreckte Ratenzahlung ein, läuft sie Gefahr, bei Eintritt der Insolvenz mit ihrer Forderung teilweise auszufallen. Verweigert sie eine ratenweise Tilgung, könnte sie sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, ihr Mitglied in eine vielleicht noch vermeidbare Insolvenz zu treiben. Nachdem aber mit der Entscheidung des Senats in diesem Verfahren feststeht, dass sich die KÄV durch sog Verrechnungen keine privilegierte Zugriffsmöglichkeit auf Honoraransprüche im Insolvenzverfahren verschaffen kann, steht die KÄV insoweit ungeachtet ihres mitgliedschaftlichen Verhältnisses zum Vertragsarzt nicht anders da als andere Gläubiger. Die Risiken ihrer Entscheidung, Dr. R. trotz der seit 2003 bekannten Überschuldung ab Februar 2005 eine ratenweise Tilgung zu gewähren, hätten sich im Übrigen auch dann realisiert, wenn der Kläger die Praxis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen und nicht fortgeführt hätte.

23

3. Die Aufrechnung gegen den Honoraranspruch des Gemeinschuldners für das Quartal I/2005 in Höhe von 4200 Euro ist ebenfalls unwirksam. Der Wirksamkeit der Aufrechnung steht § 96 Abs 1 Nr 3 InsO entgegen, wonach die Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Eine solche Konstellation ist hier gegeben.

24

Nach § 130 Abs 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte (Nr 1) oder wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte (Nr 2).

25

Als Rechtshandlung wird grundsätzlich jede bewusste Willensbetätigung verstanden, die eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (BGHZ 170, 196 RdNr 10; BFHE 208, 296, 299). Der Senat hat im Hinblick auf die Verpflichtung der KÄV zur Erteilung eines Honorarbescheides Zweifel geäußert, ob im Erlass eines Honorarbescheides eine anfechtbare Rechtshandlung gesehen werden kann (BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 23 f), weil das Anfechtungsrecht in erster Linie auf die Konstellation zugeschnitten ist, dass sich der Gläubiger in der "kritischen" Zeit vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Forderung gegen den Schuldner beschafft, mit der oder gegen die er aufrechnen kann.

26

Dem Erlass eines Honorarbescheides kommt nach der Entscheidung des Senats vom 3.2.2010 insolvenzrechtlich letztlich aber auch keine entscheidende Bedeutung zu. Der Senat hat vielmehr bereits unter der Prämisse, dass der Honorarbescheid als anfechtbare Rechtshandlung anzusehen ist, entschieden, dass es für die Anfechtbarkeit des "Erwerbs" der Aufrechnungslage gemäß § 140 Abs 1 und 3 InsO darauf ankommt, wann die Forderung entstand und damit das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet wurde(BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 30 f). Die Rechtshandlung, die die Aufrechnungslage begründete und der Beklagten hier eine Befriedigung ermöglichte, war die Vorlage der Abrechnung durch Dr. R. am 6.4.2005. Damit entstand sein Anspruch auf Honorar dem Grunde nach. Da die Wirkung dieser Handlung, mit der die Hauptforderung begründet wurde, innerhalb des von § 130 Abs 1 Satz 1 Nr 1 InsO festgelegten Dreimonatszeitraums vor der Verfahrenseröffnung eintrat, hat die Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung insoweit durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt.

27

Das entspricht im Ergebnis der neueren Rechtsprechung des BGH und des BFH, wonach Leistungen, die zur Entstehung einer Steuerforderung führen, eine Rechtshandlung iS des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO darstellen(BGH, ZIP 2010, 90; BFHE 231, 488). Dabei ist es ohne Belang, ob die anfechtbare Rechtshandlung die Begründung der Hauptforderung oder der Gegenforderung zur Folge hat. Der BFH führt aus, dass § 96 Abs 1 Nr 3 InsO nicht voraussetze, dass die Rechtshandlung unmittelbar und unabhängig vom Hinzutreten weiterer Umstände eine Aufrechnungslage zum Entstehen bringen müsse. § 96 Abs 1 Nr 3 InsO verlange lediglich, dass die Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sei, dass sie eine Voraussetzung für die Aufrechnungsmöglichkeit geschaffen habe und dass die Rechtshandlung den Insolvenzgläubiger benachteilige.

28

Der vom Senat als maßgeblich für die Anfechtbarkeit angesehene Zeitpunkt des Abschlusses des jeweiligen Quartals der Leistungserbringung und der Vorlage der Abrechnung ist auch maßgeblich für die erforderliche Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit (vgl BGH, NJW 2008, 2190, 2191). Zum Abschluss des Quartals I/2005 am 31.3.2005 war der Insolvenzantrag bereits gestellt, und die Beklagte hatte durch die Mitteilung des Klägers vom 14.3.2005 über die vorläufige Insolvenzverwaltung auch Kenntnis vom Eröffnungsantrag, so dass die Voraussetzungen des § 130 Abs 1 Satz 1 Nr 2 InsO vorlagen.

29

4. Die Aufrechnung in Höhe von 1400 Euro gegen die Honorarforderung aus dem Quartal IV/2004 war hingegen wirksam. Der Zeitpunkt des Quartalsabschlusses und der Abrechnung lag hier mehr als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit außerhalb des in § 130 Abs 1 Satz 1 Nr 1 InsO bestimmten Zeitraums. Überdies war der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit von Dr. R. noch nicht bekannt. Der Schuldner ist nach § 17 Abs 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach § 17 Abs 2 Satz 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit setzt für sicher gehaltenes Wissen voraus (BGH, aaO). Zwar war der Beklagten durch das Schreiben von Dr. R. vom 26.8.2003 und der anliegenden Vermögensaufstellung bekannt, dass er überschuldet war. Das allein ließ aber noch nicht zwingend auf seine Zahlungsunfähigkeit schließen, zumal Dr. R. selbst eine Ratenzahlung in Höhe von 3000 Euro pro Quartal vorschlug und dieser Vorschlag zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt bereits mehr als 1½ Jahre zurücklag. Positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erhielt die Beklagte erst durch die Mitteilung des Klägers vom 14.3.2005 über die vorläufige Insolvenzverwaltung.

30

5. Ein Zinsanspruch des Klägers besteht nicht. Eine Verzinsung von Honorarforderungen eines Vertragsarztes kommt nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (vgl BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 11). Etwas anderes gilt auch nicht für das Insolvenzverfahren. Der Kläger als Insolvenzverwalter kann insofern keine weitergehenden Ansprüche stellen als der Schuldner selbst.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Der Senat hat von einer Kostenquotelung abgesehen, weil der Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 155 Abs 1 Satz 3 VwGO).

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und des Sozialgerichts Marburg vom 22. Oktober 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 5001,12 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Auszahlung vertragsärztlichen Honorars.

2

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Diplom-Psychologen Klaus K (nachfolgend als "Schuldner" bezeichnet), der als Psychologischer Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zugelassen und vertragspsychotherapeutisch tätig ist. Am 28.12.2005 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachfolgend rechnete die Beklagte gegen Honoraransprüche des Schuldners mit Überzahlungen aus zu hohen Abschlagzahlungen in den Quartalen IV/2004 bis III/2005 in Höhe von 5001,12 Euro auf. Hiergegen erhob der Kläger nach erfolglosem Schriftwechsel mit der Beklagten Klage mit der Begründung, die Beklagte sei nicht zur Aufrechnung berechtigt; die Aufrechnung sei nach § 96 Abs 1 Nr 1 der Insolvenzordnung (InsO) unwirksam, da die Beklagte gegen Vergütungsansprüche - nämlich solche für das Quartal I/2006 - aufgerechnet habe, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien. Die - vom Landgericht an das SG verwiesene - Klage und die Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 22.10.2008, Urteil des LSG vom 26.8.2009).

3

Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, da die Voraussetzungen des § 95 Abs 1 InsO erfüllt seien. Zwar habe der Vertragsarzt auch noch mit Vorlage seiner Abrechnung keinen fälligen Anspruch auf ein betrags- oder punktemäßig beziffertes Honorarvolumen, jedoch habe die Hauptforderung (Honorarforderung) in ihrem rechtlichen Kern im Sinne des Insolvenzrechts bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden. Nichts anderes gelte auch für die Gegenforderung, den aufschiebend bedingten Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Überzahlung aus den geleisteten Abschlagzahlungen, die sich spätestens mit der Festsetzung des konkreten Honorars ergeben habe. Der rechtliche Kern für die Honoraransprüche sei - ebenso wie der rechtliche Kern des Rückzahlungsanspruchs - durch die Teilnahme des Schuldners an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung und die Erbringung von Leistungen in den Quartalen II/2005 bis IV/2005 gelegt worden. § 95 Abs 1 Satz 3 InsO stehe dem nicht entgegen, da die Honorarforderungen des Schuldners für die Quartale II/2005 bis IV/2005 nicht fällig geworden seien, bevor auch der Erstattungsanspruch der Beklagten aus Überzahlung fällig geworden sei.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die Rechtserwägungen der Vorinstanzen seien in sich widersprüchlich und verstießen gegen die grundlegenden Bestimmungen des BGB. Wenn sich die Aufrechnung zweifelsfrei nach den Grundsätzen des § 387 BGB richte, dann sei dabei zwingend die volle Wirksamkeit der Gegenforderung bei der Aufrechnung erforderlich. § 387 BGB setze nicht nur den Kern eines Anspruchs voraus, sondern die volle Durchsetzbarkeit der Gegenforderung. Da zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht sicher gewesen sei, ob überhaupt eine Gegenforderung der Beklagten entstehen werde, könne eine Aufrechnungsberechtigung auch nicht aus einem lediglich im Kern angelegten Anspruch hergeleitet werden.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und des Sozialgerichts Marburg vom 22. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5001,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.5.2007 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Der Zahlungsanspruch des Klägers sei durch die von ihr erklärte Aufrechnung erloschen. Ihr - der Beklagten - komme eine Aufrechnungsbefugnis zu, die ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestanden habe. Ihre Gegenforderung sei zum Zeitpunkt der Aufrechnung fällig gewesen. Der Kläger verkenne, dass die allgemeinen Aufrechnungsregeln der §§ 387 ff BGB durch die Normen der §§ 94 ff InsO ergänzt würden. § 95 InsO schütze das Vertrauen auf eine entstehende Aufrechnungslage; dem Gläubiger sei eine Aufrechnung auch dann gestattet, wenn die Fälligkeit zwar erst nach der Verfahrenseröffnung, aber vor der Fälligkeit der Forderung des Schuldners eintrete.

8

So liege der Fall auch hier. Der Schuldner habe Kraft seiner Zulassung ein Recht zur Teilnahme an der Honorarverteilung. Die Honoraransprüche für die Quartale II/2005 ff seien zwar erst mit Erlass der Honorarbescheide und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden, doch sei entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sowohl die Honoraransprüche des Klägers für die Quartale II/2005 bis IV/2005 als auch ihre Rückzahlungsansprüche für zu viel geleistete Abschlagzahlungen für diese Quartale bereits dem Grunde nach bestanden hätten. Insolvenzrechtlich sei allein maßgeblich, dass die Hauptforderung dem Grunde nach entstanden und erfüllbar sei. Aufgrund der regelmäßig gezahlten Abschlagzahlungen sei sie - die Beklagte - stets Inhaberin eines Rückzahlungsanspruchs unter der aufschiebenden Bedingung, dass das nach Durchführung der Honorarverteilung dem jeweiligen Arzt gegenüber geschuldete Honorar geringer sei als die geleisteten Vorauszahlungen. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sei der maßgebliche Rechtsgrund für die Entstehung des Anspruchs gelegt gewesen. Maßgebend sei dafür allein, dass das Rechtsverhältnis, das die Grundlage des Anspruchs darstelle, bestehe; auf die Entstehung des Anspruchs selbst komme es nicht an. Selbst wenn man auf die Entstehung des Anspruchs abstelle, sei dieser bereits - unter einer aufschiebenden Bedingung - mit dem Leisten der ersten Abschlagzahlung entstanden.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bestehen für das streitbefangene Quartal I/2006 noch Honoraransprüche des Klägers (in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners), denn sie sind durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit ihr gegen den Schuldner zustehenden Forderungen nicht erloschen.

10

1. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist nicht erloschen, denn die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist gemäß § 96 Abs 1 Nr 1 InsO unzulässig und damit unwirksam.

11

a. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, sind für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des Vertragsarztrechts die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts über die Aufrechnung in §§ 387 ff BGB im Wege der Lückenfüllung entsprechend anwendbar(BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 17; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 11 S 55 f mwN; zuletzt BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Nach § 387 BGB kann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

12

Die Erstattungsforderung der Beklagten (Gegenforderung) sowie die Honorarforderung des Klägers (Hauptforderung) waren, da jeweils auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet, gleichartig im Sinne des § 387 BGB. Die Honorarforderung des Klägers war im Zeitpunkt der Aufrechnung auch erfüllbar. Erfüllbarkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem ab der Schuldner leisten darf (Grüneberg in: Palandt, BGB-Kommentar, 70. Aufl 2011, § 271 RdNr 1). Dies ist bezogen auf vertragsärztliche Honorarforderungen mit ihrer Konkretisierung nach Abschluss und Abrechnung des jeweiligen Quartals (vgl BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) - erst recht mit ihrer Konkretisierung durch den Honorarbescheid (BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 16) - der Fall. Während die Gegenforderung vollwirksam und fällig sein muss (Grüneberg in: Palandt aaO, § 387 RdNr 11 mwN), muss die Hauptforderung lediglich erfüllbar, nicht aber vollwirksam und fällig sein (Grüneberg aaO RdNr 12).

13

Ob die Erstattungsforderung der Beklagten im Zeitpunkt der Aufrechnung auch fällig war, kann hingegen dahingestellt bleiben. Eine Erstattungsforderung, die - wie vorliegend - auf überhöhten Abschlagzahlungen beruht, wird (erst) in dem Zeitpunkt fällig, in dem der Honorarbescheid für das Quartal, für das überhöhte Abschlagzahlungen geleistet wurden, erlassen wird. Denn ob die Abschlagzahlungen überhöht waren - und insbesondere in welcher Höhe dies der Fall ist -, steht erst in dem Moment fest, in dem die Höhe des dem Vertragsarzt tatsächlich zustehenden Honorars festgestellt ist. Zudem ist auch logisch ausgeschlossen, dass ein Rückzahlungsanspruch wegen überzahlten Honorars vor dem Honoraranspruch für das nämliche Quartal fällig wird; vertragsärztliche Honoraransprüche werden erst mit Erlass des jeweiligen Honorarbescheides fällig (vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 35). Da die Honorarbescheide für die Quartale II/2005 und III/2005 nach den Feststellungen des LSG erst am 29.6.2006 bzw am 12.8.2006 erlassen wurden, wäre eine Erstattungsforderung, die auf überhöhten Abschlagzahlungen für diese Quartale beruht, somit noch nicht fällig gewesen, sofern die Aufrechnung bereits im Quartal I/2006 erklärt worden wäre. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte die Aufrechnung erklärt bzw tatsächlich vorgenommen hat. Die Fälligkeit der Erstattungsforderung kann aber offenbleiben, da die Aufrechnung bereits aus anderen - insolvenzrechtlichen - Gründen unwirksam ist.

14

b. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist nach § 96 Abs 1 Nr 1 InsO unwirksam, da die Beklagte - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - gegen Honorarforderungen des Klägers für das Quartal I/2006 aufgerechnet hat, mithin gegen Forderungen, die erst nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 28.12.2005 entstanden sind. Nach § 96 Abs 1 Nr 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, die Aufrechnungslage mithin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Das war hier der Fall.

15

Der Senat hat im Hinblick auf die Anwendung der Anfechtungsvorschriften der InsO entschieden, dass mit dem Abschluss eines Quartals, in dem der Vertragsarzt vertragsärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung bereits ein "genereller" Anspruch des Arztes auf Teilhabe an der Honorarverteilung und insofern schon dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch des Arztes entsteht; Höhe und Fälligkeit dieses Anspruchs hängen aber von Inhalt und Zeitpunkt des Erlasses des Honorarbescheides ab (BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 38; zuletzt BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Da das maßgebliche Quartal I/2006 bei Insolvenzeröffnung am 28.12.2005 noch nicht einmal begonnen hatte, waren auch noch keine Leistungen erbracht und erst recht nicht zur Abrechnung gebracht worden, so dass zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ein "genereller" Anspruch auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars und entsprechend keine diesbezügliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten entstanden war.

16

Aus diesem Grund ist die Aufrechnung auch nicht nach § 95 Abs 1 Satz 1 InsO zulässig. Danach kann, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet sind, die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Damit wird auch eine "Aufrechnungsanwartschaft", dh das schutzwürdige Vertrauen auf den Eintritt einer Aufrechnungslage geschützt (BSG Urteil vom 23.3.2011- B 6 KA 14/10 R - RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, unter Hinweis auf Hofmann in: Graf-Schlicker, InsO, 2. Aufl 2010, § 95 RdNr 1). Der Insolvenzgläubiger soll darauf vertrauen dürfen, dass er sich dann, wenn seine Forderung bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens - jedenfalls dem Grunde nach - besteht, nach Fälligkeit bzw Eintritt der Bedingung durch Aufrechnung befriedigen kann (Kroth in: Braun, InsO, 4. Aufl 2010, § 95 RdNr 1). Das setzt aber voraus, dass beide Forderungen bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls im rechtlichen Kern begründet waren (BSG aaO unter Hinweis auf Kroth aaO RdNr 2 mwN).

17

Ob diese Anforderungen bezüglich des Rückforderungsanspruchs der Beklagten erfüllt waren, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls war der Honoraranspruch des Klägers für das Quartal I/2006, gegen den die Beklagte aufgerechnet hat, nach der Rechtsprechung des Senats bei Insolvenzeröffnung auch dem Grunde nach noch nicht entstanden. Wie bereits dargelegt, setzt die Annahme eines zumindest dem Grunde nach entstandenen - in der Rechtsprechung des Senats einem bedingten Anspruch iS des § 140 Abs 3 InsO gleichgestellten(vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 31) - Honoraranspruchs voraus, dass der Vertragsarzt Leistungen erbracht und diese nach Abschluss des Quartals der Beklagten zur Abrechnung vorgelegt hat. Das vorliegend maßgebliche Quartal I/2006 hatte bei Insolvenzeröffnung jedoch noch nicht einmal begonnen.

18

Es liegt auch eher fern, vertragsärztliche Honoraransprüche als befristete Ansprüche anzusehen, wie dies der BGH für Mietzinsansprüche angenommen hat (vgl Urteil vom 21.12.2006 - IX ZR 7/06 - ZIP 2007, 239). Bei der Befristung (Zeitbestimmung) ist die Entstehung eines Rechts gewiss, aber von dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts abhängig (Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Aufl 2010, "Zeitbestimmung"). Mietzinsansprüche entstehen gemäß § 163 BGB befristet mit Beginn des jeweiligen Zahlungsabschnitt, für den der Mietzins zu zahlen ist, und werden deshalb aufschiebend bedingten Forderungen gleichgestellt(BGH aaO). Eine vergleichbare Situation besteht bei vertragsärztlichen Honoraransprüchen jedoch nicht. Während bei einem Mietvertrag die Entstehung des Rechts auf Mietzinszahlung vom Verhalten des Gläubigers unabhängig ist, ist ein Honorar- bzw Teilhabeanspruch des Arztes sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach davon abhängig, dass bzw in welchem Umfang dieser vertragsärztliche Leistungen erbringt. Zudem ist die Höhe des zu beanspruchenden Mietzinses im Voraus vertraglich festgelegt, während dies beim vertragsärztlichen Honorar gerade nicht der Fall ist. Mit der Vertragsarztzulassung wird dem Vertragsarzt lediglich eine mehr oder weniger starke tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs eingeräumt; die Entstehung eines Rechts auf Honorar bzw Teilhabe an der Honorarverteilung liegt zwar nahe, ist aber nicht gewiss.

19

c. Soweit danach die KÄV gegen Honoraransprüche, die der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erarbeitet, nicht mit Erstattungsforderungen aus früheren Quartalen aufrechnen kann, stellt das keine unzumutbare Gefährdung des Sicherstellungsauftrags dar.

20

aa. Klarzustellen ist, dass entgegen der Auffassung des SG eine KÄV im Insolvenzfall das Honorar nicht "annähernd doppelt" auszahlen muss. Honoraransprüche, die nach Insolvenzeröffnung fällig werden, sind nicht in der im Honorarbescheid ausgewiesenen Höhe als Masseforderung zu erfüllen. Vielmehr müssen bereits für dasselbe Quartal geleistete Abschlagzahlungen derart Berücksichtigung finden, dass sie bei der Feststellung des noch ausstehenden Honoraranspruchs anzurechnen sind (so schon BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 45). Im Rahmen von Dienstverträgen gezahlte Abschläge und Vorschüsse mindern ohne Aufrechnung oder sonstige Erklärung die Vergütung, weil sie als vorzeitige Erfüllung (§ 362 Abs 1 BGB) gewertet werden (vgl Weidenkaff in: Palandt, BGB-Kommentar, 70. Aufl 2011, § 614 RdNr 3). Für Abschlagzahlungen, die auf (zukünftige) vertragsärztliche Honorarforderungen geleistet werden, gilt im Ergebnis nichts anderes, auch wenn sie keine "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" iS des § 114 InsO darstellen(s hierzu BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - RdNr 21, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Insofern besteht eine vergleichbare Lage wie bei einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung für ein noch nicht abgerechnetes Quartal, welche das Honorar von vornherein mindert (s hierzu Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - RdNr 16).

21

bb. Dass demgegenüber eine Erstattungsforderung der KÄV, die aus überhöhten Abschlagzahlungen resultiert, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arztes nur in Höhe der Insolvenzquote erfüllt wird, ist unvermeidliche Folge der gesetzlichen Regelung. Es gibt keinen rechtlichen Ansatz dafür, die KÄVen gegenüber anderen Insolvenzgläubigern dadurch zu privilegieren, dass ihr gestattet wird, überhöhte Abschlagzahlungen ungeachtet der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufrechnung gegen neu entstehende Honorarforderungen des Schuldners bzw des Insolvenzverwalters auszugleichen. Zu dem ggf für die KÄVen entstehenden Dilemma hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 23.3.2011 (- B 6 KA 14/10 R - RdNr 22, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) Stellung genommen und dort nicht zuletzt darauf verwiesen, dass sich die Risiken für die Beklagte auch dann realisiert hätten, wenn der Schuldner die Praxis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen und nicht fortgeführt hätte. Dass die insolvenzbedingten Forderungsausfälle von der Gesamtheit der Vertragsärzte zu tragen sind, ist notwendige Folge ihres auf Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütungen beschränkten Anspruchs. Im Übrigen liegt hierin keine Besonderheit des Vertragsarztrechts, denn auch die Forderungsausfälle, die Sozialversicherungsträgern oder dem Fiskus infolge der Insolvenz eines Beitrags- bzw Steuerpflichtigen entstehen, sind letztlich von allen Beitrags- bzw Steuerzahler zu tragen.

22

2. Ein Zinsanspruch des Klägers besteht hingegen nicht. Eine Verzinsung von Honorarforderungen eines Vertragsarztes kommt nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (vgl BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 11). Etwas anderes gilt auch nicht für das Insolvenzverfahren (vgl BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - RdNr 30, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Kläger als Insolvenzverwalter kann insofern keine weitergehenden Ansprüche stellen als der Schuldner selbst.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Der Senat hat von einer Kostenquotelung abgesehen, weil der Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 155 Abs 1 Satz 3 VwGO).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. November 2010 geändert, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 48 300 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat über die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts der Höhe nach unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte 2/3 und die Klägerin 1/3.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Berechtigung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), Honorarzahlungen wegen des unterbliebenen Einzugs der von den Versicherten nach § 28 Abs 4 SGB V zu entrichtenden Zuzahlung (sogenannte "Praxisgebühr") in den Quartalen I/2005 bis III/2005 zurückzuhalten.

2

Die Klägerin betreibt als Krankenhausträger in Berlin ua das vorliegend betroffene Klinikum S., welches in einer Notfallambulanz (örtlich als "Rettungsstelle" bzw "Erste-Hilfe-Stelle" bezeichnet) ambulante vertragsärztliche Leistungen erbringt. Mit undatierten, den jeweiligen Honorarbescheiden beigefügten Bescheiden machte die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der der Klägerin für erbrachte Notfallleistungen in den streitigen Quartalen zustehenden Honorare in Höhe der nicht einbehaltenen Zuzahlungen nach § 28 Abs 4 SGB V geltend und hielt insgesamt (nach Teilabhilfe) 48 350 Euro zurück. Die Nichteinzugs- bzw Nichtzahlerquote im Klinikum S. betrug nach den Feststellungen des LSG im Quartal I/2005 59,55 % (1628 Fälle bei einer Gesamtfallzahl von 2734 zahlungspflichtigen Patienten), im Quartal II/2005 68,80 % (1912 Fälle bei einer Gesamtfallzahl von 2779) und im Quartal III/2005 55,60 % (1652 Fälle bei einer Gesamtfallzahl von 2971).

3

Widersprüche und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 13.6.2006, Urteil des SG vom 13.5.2009). Im Laufe des Klageverfahrens hat die von der Beklagten angerufene Schlichtungsstelle nach § 49 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte( bzw § 45 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen) mit Bescheiden vom 13.5.2008 festgestellt, dass die Klägerin wegen des Nichteinzugs der "Praxisgebühr" in ihren Notfallambulanzen in den Quartalen I/2005 bis II/2007 zum Ersatz des hieraus resultierenden Schadens in Höhe der nicht eingezogenen Zuzahlungen verpflichtet sei; die Widersprüche der Klägerin wurden mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2008 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Klage beim SG Berlin erhoben; das unter dem Az S 79 KA 18/09 anhängige Verfahren ruht.

4

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG vom 13.5.2009 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 48 350 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen (Urteil vom 17.11.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der Beklagten vorgenommene Zurückbehaltung von Honorar habe in § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) eine als solche nicht zu beanstandende Rechtsgrundlage; diese wiederum beruhe auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage in § 43b Abs 2 Satz 4 SGB V aF und § 43b Abs 2 Satz 8 SGB V nF. Das zwischenzeitliche Außerkrafttreten von § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Zurückbehaltung. Die Vertragsparteien hätten eine Verlängerung der - ursprünglich bis zum 31.12.2006 bestimmten - Befristung der Vorschriften bis zum 30.6.2007 vereinbart und die Befristung am 30.8.2010 mit Wirkung ab 1.7.2007 vollständig aufgehoben. Die rückwirkende Entfristung sei statthaft. Zudem seien die streitigen Widerspruchsbescheide noch während des ursprünglichen Geltungszeitraums ergangen. Der Tatbestand des § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) sei erfüllt.

5

Jedoch habe die Beklagte das Ermessen, das ihr bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich der Entschließung, nicht aber in Bezug auf die Höhe des Einbehalts zustehe, nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt. Das in § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) normierte Zurückbehaltungsrecht der KÄV diene nur der Sicherung eines im Schlichtungsverfahren nach § 49 BMV-Ä(bzw § 45 EKV-Ä) festzustellenden Schadensersatzanspruchs wegen nicht einbehaltener Zuzahlungen und habe keinen eigenen Sanktionscharakter. Der zeitnahe Weg der Zurückbehaltung der mutmaßlichen Schadenssumme biete Schutz gegen die Insolvenz des betroffenen Leistungserbringers. Notwendig sei die Sicherung einer Schadensersatzforderung nur dann, wenn fraglich erscheine, ob sie in Zukunft realisiert werden könne. Hierbei sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des potentiellen Schuldners in den Blick zu nehmen. Daneben habe die Ermessensentscheidung zu prognostizieren, wie erfolgreich das Regressverfahren nach § 49 BMV-Ä(bzw § 45 EKV-Ä) voraussichtlich sein werde. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei nur zulässig, wenn eine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten im Zusammenhang mit der Nichteinbehaltung der Zuzahlung wahrscheinlich sei.

6

Die Beklagte habe keine Erwägungen zum Sicherungszweck der Zurückbehaltung von Honorar sowie zur Notwendigkeit der Einbehaltung angestellt. Der Sicherungszweck hätte ganz besonders der Erwägung bedurft, weil es sich bei der Klägerin um Deutschlands größten kommunalen Krankenhauskonzern handele. Entscheidend sei, dass die Besonderheiten von Erste-Hilfe- bzw Rettungsstellen in einem Krankenhaus nicht hinreichend erwogen worden seien; diese unterschieden sich maßgeblich von einer herkömmlichen vertragsärztlichen Praxis. Nach den Vorgaben in § 18 Abs 3 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 3 EKV-Ä) könne die Zuzahlung bei akuter Behandlungsbedürftigkeit auch nach der Inanspruchnahme erhoben werden; in diesem Fall ziehe der Leistungserbringer den Betrag nachträglich ein und quittiere die geleisteten Zuzahlungen. Die Beklagte verkenne, dass bei Versicherten, die Erste-Hilfe- bzw Rettungsstellen aufsuchten, dem ersten Anschein nach zumeist "akute Behandlungsbedürftigkeit" in diesem Sinne bestehen dürfte. Deshalb spreche einiges für das Vorbringen der Klägerin, dass die Besonderheiten der Notfallbehandlung eine Einziehung der Praxisgebühr vor der Behandlung im Regelfall nicht zuließen. Schließlich komme auch den von der Beklagten angeführten Nichteinzugsquoten nur dann eine "Indizwirkung" zu, wenn die Beklagte die tatsächlichen Nichteinzugsquoten der Klägerin zu denen vergleichbarer Rettungsstellen ins Verhältnis gesetzt und plausibel gemacht hätte, dass und warum die Klägerin den Begriff der akuten Behandlungsbedürftigkeit fehlinterpretiert habe. Der Anspruch auf Prozesszinsen ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung der § 288 Abs 1, § 291 BGB.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Das Berufungsgericht habe die Entstehungsgeschichte der bundesmantelvertraglichen Bestimmungen (§ 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) nicht berücksichtigt und deren Sinn und Zweck weitgehend verkannt. In der vom LSG vorgenommenen Auslegung seien die Bestimmungen praktisch obsolet, da kaum ein Fall denkbar sei, in dem diese noch zur Anwendung gelangen könnten. Grund für die Einführung der Bestimmungen sei eine Ende des Jahres 2004 durchgeführte Bestandsaufnahme der Bundesmantelvertragspartner gewesen, die ergeben habe, dass die Nichtzahlerquote in den Praxen niedergelassener Ärzte bei rund 1 %, in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser jedoch weitaus höher gelegen habe. Das Zurückbehaltungsrecht sei keine Sanktion, aber auch kein reines Sicherungsmittel. Durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts solle Druck auf den Leistungserbringer ausgeübt werden, seiner Verpflichtung zum Einzug der Praxisgebühr nachzukommen und sich an dem nachfolgenden Verfahren vor der Schlichtungsstelle aktiv zu beteiligen. Die Vertragspartner der Bundesmantelverträge hätten unterstellt, dass eine Nichteinzugsquote von mehr als 10 % - dem zehnfachen des Durchschnitts in Arztpraxen - ein Indiz dafür sei, dass ein Leistungserbringer seiner Verpflichtung zum ordnungsgemäßen Einzug der Praxisgebühr nicht nachgekommen sei.

8

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts setze nicht notwendiger Weise den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, denn sie lasse die Honorarfestsetzung unberührt und setze beim banktechnischen Vorgang der Überweisung an; zudem handele es sich um eine vorbereitende Maßnahme für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens. Auch bei der Ausübung des Ermessens seien nur die für schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln geltenden Anforderungen zu beachten. Weder sei eine Prognose hinsichtlich des Ausgangs des Schlichtungsverfahrens zu stellen noch sei die Bonität der Klägerin zu berücksichtigen gewesen. Maßgeblich sei vielmehr die besonders hohe Nichteinzugsquote in den von dieser betriebenen Erste-Hilfe-Stellen gewesen. So habe im Jahr 2005 die durchschnittliche Nichtzahlerquote bei Krankenhäusern, die die 10 %-Marke überschritten hätten, bei ca 30 % gelegen; in den Erste-Hilfe-Stellen der Klägerin habe sie deutlich darüber und berlinweit (mit) an der Spitze gelegen. Insofern habe eine Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen; hätte sie - die Beklagte - das Zurückbehaltungsrecht im Falle der Klägerin nicht ausgeübt, hätte sie es in keinem Fall ausüben können. Fehlerhaft sei auch die vom LSG ausgesprochene Zahlungsverpflichtung. Da die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts in ihrem - der Beklagten - Ermessen gestanden habe, hätte eine Verurteilung zur Auszahlung nur erfolgen dürfen, wenn eine ermessensfehlerfreie Ausübung des Zurückbehaltungsrechts schlechterdings ausgeschlossen gewesen sei; dies sei jedoch nicht der Fall.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.11.2010 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Berlin vom 13.5.2009 zurückzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.11.2010 insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 48 300 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und insoweit die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie - die Klägerin - sei der größte Anbieter von Notfallmedizin in Berlin und versorge - zusammen mit der Charité - rund 50 % aller Notfallpatienten. Die Krankenhausambulanzen seien insbesondere an Wochenenden, nachts und an Feiertagen "erste Anlaufstelle" für Patienten, die ihren Hausarzt dann nicht erreichen könnten. Notfallambulanzen seien außerdem Anlaufstellen der Polizei- und Ordnungsbehörden; häufig würden bewusstlose, alkoholisierte oder aus anderen Gründen nicht ansprechbare Patienten in die Rettungsstellen verbracht. Die Erledigung der Formalitäten könne in diesen Fällen häufig aus tatsächlichen Gründen erst nach Erstellung der Diagnose und der medizinischen Erstbehandlung erfolgen. Viele Patienten - gerade Unfallopfer - führten weder Papiere noch Zahlungsmittel bei sich. Rein technisch sei die Begleichung der Praxisgebühr in bar oder an ec-Zahlungsautomaten in den Krankenhäusern möglich. Bargeldautomaten seien bis 2007 nach und nach flächendeckend eingeführt worden; zuvor sei die Barzahlung an den zentralen Kassen des Krankenhauses möglich gewesen, dies aber nur zu den (eingeschränkten) Öffnungszeiten der Kassen. Die Patienten seien immer auf ihre Verpflichtung zur Zahlung hingewiesen worden. In den Notfallambulanzen der Krankenhäuser seien bis heute auffallend hohe Nichtzahlerquoten feststellbar; sie betrügen noch heute in den meisten großen Rettungsambulanzen jedenfalls mehr als 20 %.

12

Die Beklagte handele bereits seit dem 1.1.2007 ohne Rechtsgrundlage, denn die maßgeblichen Vorschriften der Bundesmantelverträge seien zum 31.12.2006 außer Kraft getreten; anschließende Verlängerungen bzw mit Rückwirkung erlassene Änderungen seien nicht wirksam geworden. Die rückwirkend in Kraft getretene Änderung sei als "echte Rückwirkung" aus verfassungsrechtlichen Gründen unwirksam gewesen. Auch während des Geltungszeitraums der Ermächtigungsgrundlage seien die Zurückbehaltungen rechtswidrig gewesen. Das Zurückbehaltungsrecht sei ein Sicherungsmittel; es solle einen fälligen Anspruch dagegen absichern, infolge der Zahlungsunfähigkeit eines Vertragspartners nicht mehr durchsetzbar zu sein. Es gestatte nicht, quasi "vorsorglich" Beträge einzubehalten, um so das Risiko des fehlgeschlagenen Zahlungseinzugs auf die Leistungserbringer zu verlagern.

13

Die Beklagte dürfe das Zurückbehaltungsrecht nicht pauschal bei jedem Überschreiten der mehr oder weniger zufällig festgesetzten Quote von 10 % ausüben, sondern nur in den Fällen, in denen offensichtlich sei, dass der Leistungserbringer schuldhaft gehandelt und möglicherweise sogar mutwillig die Eintreibung der Praxisgebühr bei seinen Patienten boykottiert habe. Die hohen Nichtzahlerquoten in Notfallambulanzen seien jedoch den Notfallbehandlungen immanent. Diese unterschieden sich ganz erheblich von Behandlungen in den Praxen niedergelassener Ärzte. Es fehle die enge Arzt-Patienten-Beziehung. Zudem würden Patienten, die Notfallambulanzen aufsuchten, von einem unerwarteten, unvorhersehbaren Krankheitsverlauf überrascht und seien deshalb nicht imstande, den Arztbesuch "vorzubereiten". Soweit ein Einzug der Praxisgebühr nicht vor der Behandlung erfolge, liege dies daran, dass die Patienten entweder akut behandlungsbedürftig oder nicht kommunikationsfähig seien. Die ärztliche Verpflichtung, die Patienten zu untersuchen und überhaupt festzustellen, ob ein Notfall vorliegt, gehe der Verpflichtung zum Einzug der Zuzahlung stets vor. Der Leistungserbringer schulde im Verfahren der Einziehung der Praxisgebühr das ordnungsgemäße Bemühen der Einziehung, nicht aber deren Erfolg. Die besonderen Umstände der Notfallbehandlung verböten eine pauschale Übertragung von Vorgaben, die ursprünglich für den vertragsärztlichen Bereich konzipiert worden seien. Die Quote von 10 % Nichtzahlern würde im Bereich der niedergelassenen Ärzte nur selten erreicht oder überschritten, sodass ihr Überschreiten dort den Verdacht eines schadensersatzpflichtigen Verschuldens des Arztes nahelege. Demgegenüber stelle der Einzug der Praxisgebühr in Notfallambulanzen ein systemimmanentes Problem dar. Somit hätte der Normgeber den besonderen Gegebenheiten durch eine den Besonderheiten dieses Bereichs angepasste Quote entsprechen müssen.

14

Die Beigeladenen zu 6. und zu 7. schließen sich - ohne Anträge zu stellen - den Ausführungen der Beklagten an. Die Beigeladene zu 7. führt ergänzend aus, es bleibe unerklärlich, warum die Praxisgebühr nicht während der Wartezeiten bzw bei Erledigung der Formalitäten von begleitenden Angehörigen erhoben worden sei. Soweit die Patienten sich nicht in Begleitung befänden und nicht ansprechbar seien, schließe sich in der Regel eine stationäre Behandlung an. Die übrigen Beigeladenen haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten hat nur teilweise Erfolg. Das vorinstanzliche Urteil ist zu ändern, soweit die Beklagte zur Auszahlung des einbehaltenen Betrages nebst Zinsen verurteilt worden ist. Die Beklagte ist vielmehr nur verpflichtet, über die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts der Höhe nach unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Soweit die Beklagte weitergehend die vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin begehrt, bleibt ihre Revision ohne Erfolg.

16

Das LSG hat zutreffend angenommen, dass für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch die Beklagte eine den rechtlichen Anforderungen entsprechende Rechtsgrundlage besteht, diese auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht und deren tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ebenso hat es im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Allerdings hat das LSG die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung statt zur Neubescheidung verurteilt.

17

1. Gemäß § 28 Abs 4 SGB V(idF des GKV-Modernisierungsgesetzes ) leisten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme eines an der ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers, die nicht auf Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt, als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 2 SGB V ergebenden Betrag an den Leistungserbringer. Die durch § 28 Abs 4 SGB V normierte Verpflichtung, Zuzahlungen zur ambulanten ärztlichen Behandlung zu leisten, ist verfassungsgemäß(vgl BSGE 103, 275 = SozR 4-2500 § 28 Nr 3, RdNr 18 ff). Sie gilt auch für ambulante ärztliche Behandlungen, die auf der Grundlage des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V in Notfällen von "anderen Ärzten" - vorliegend von der Notfallambulanz eines Krankenhauses - erbracht werden, da diese an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer iS des § 28 Abs 4 SGB V sind(vgl § 18 Abs 1 Satz 3 letzter Spiegelstrich BMV-Ä; s auch Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juli 2011, K § 43b RdNr 24).

18

Der für den Einzug der "Praxisgebühr" maßgebliche Zahlungsweg wird durch § 43b SGB V(idF des GMG) bestimmt. Danach hat der Leistungserbringer Zuzahlungen, die Versicherte nach § 28 Abs 4 SGB V zu entrichten haben, einzubehalten; sein Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse, der KÄV oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) verringert sich entsprechend (Abs 2 Satz 1 aaO). Die nach § 83 SGB V von der Krankenkasse zu entrichtenden Vergütungen verringern sich in Höhe der Summe der von den mit der KÄV oder KZÄV abrechnenden Leistungserbringern nach Satz 1 einbehaltenen Zuzahlungen(Abs 2 Satz 2 aaO). Absatz 1 Satz 2 - dh die dort normierte Verpflichtung der Krankenkasse zum Zahlungseinzug, wenn der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahlt - gilt nicht im Falle der Leistungserbringung und Abrechnung im Rahmen von Gesamtverträgen nach den §§ 82 und 83 SGB V(Abs 2 Satz 3 aaO). Mit Wirkung vom 1.1.2007 (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006, BGBl I S 3439) wurde die Vorschrift dahingehend ergänzt, dass in den Fällen des § 43b Abs 2 Satz 3 SGB V die KÄV (oder KZÄV) im Auftrag der Krankenkasse die Einziehung der Zuzahlung zu übernehmen hat, wenn der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahlt(Abs 2 Satz 4 aaO nF). Sie kann hierzu Verwaltungsakte gegenüber den Versicherten erlassen (Abs 2 Satz 5 aaO nF). Klagen gegen Verwaltungsakte nach Satz 5 haben keine aufschiebende Wirkung (Abs 2 Satz 6 aaO nF). Ein Vorverfahren findet nicht statt (Abs 2 Satz 7 aaO nF). Das Nähere zum Verfahren nach den Sätzen 1 und 2 - ab 1.1.2007: nach den Sätzen 1, 2 und 4 bis 7 - ist in den Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (§ 43b Abs 2 Satz 4 SGB V aF, § 43b Abs 2 Satz 8 Halbsatz 2 SGB V nF). In den Bundesmantelverträgen kann ein von Satz 4 abweichendes Verfahren vereinbart werden (§ 43b Abs 2 Satz 8 Halbsatz 1 SGB V nF).

19

Gläubigerin des Anspruchs auf Zuzahlung ist damit die Krankenkasse, während die Vertragsärzte lediglich als Einzugs- bzw Inkassostelle fungieren (BSGE 103, 275 = SozR 4-2500 § 28 Nr 3, RdNr 16); für sonstige Leistungserbringer und für die an der Einziehung beteiligten KÄVen gilt dies entsprechend. Ausfälle gehen somit letztlich zu Lasten der Krankenkasse (BSG aaO RdNr 17). Der Vertragsarzt hat einen Versicherten, der die Praxisgebühr anlässlich einer ärztlichen Behandlung nicht zahlt, lediglich schriftlich zur Nachentrichtung aufzufordern (§ 43b Abs 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB V nF; s auch BSG aaO RdNr 17); bleibt diese Mahnung erfolglos, hat die KÄV im Auftrag der Krankenkasse die Einziehung der Zuzahlung zu übernehmen (§ 43b Abs 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB V nF).

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2. Da die Leistungserbringer an der Einziehung der Praxisgebühr nicht notwendig ein eigenes wirtschaftliches Interesse haben, haben die Vertragspartner der Bundesmantelverträge vereinbart, dass die KÄVen unter bestimmten Voraussetzungen Teile der geschuldeten Vergütung zurückbehalten dürfen. Dieses Zurückbehaltungsrecht findet seine Rechtsgrundlage in § 18 Abs 7a BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a EKV-Ä). Diese Normen beruhen ihrerseits auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und sind auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

21

a. Nach § 18 Abs 7a BMV-Ä (bzw § 21 Abs 7a EKV-Ä) kann die KÄV die Differenz zwischen einzubehaltender und einbehaltener Zuzahlung zurückbehalten, wenn sich aus der Abrechnung ergibt, dass ein Leistungserbringer in einem Quartal in 10 von Hundert oder einem höheren Anteil der Behandlungsfälle, in denen die Zuzahlung nach § 28 Abs 4 SGB V zu erheben ist, die Zuzahlung nicht erhoben hat(jeweils Satz 1 aaO). In den Fällen, in denen die KÄV von dem Zurückbehaltungsrecht nach Satz 1 Gebrauch macht, informiert sie die betroffenen Landesverbände der Krankenkassen bzw die Landesvertretungen der "Ersatzkassenverbände" (jeweils Satz 2 aaO). Gleichzeitig leitet die KÄV in Abstimmung mit der zuständigen Krankenkasse ein Verfahren nach § 49 BMV-Ä (bzw § 45 EKV-Ä) ein(jeweils Satz 3 aaO).

22

b. Die zitierten bundesmantelvertraglichen Regelungen haben in § 43b Abs 2 Satz 4 SGB V aF bzw in § 43b Abs 2 Satz 8 SGB V nF eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Die dort geregelte Ermächtigung, das "Nähere zum Verfahren" zu regeln, umfasst auch die Berechtigung, Bestimmungen für den Fall zu treffen, dass die Leistungserbringer ihren Verpflichtungen nicht in ausreichendem Umfang nachkommen (vgl auch Sichert in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 43b RdNr 14). Nach der Gesetzesbegründung soll durch die den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge übertragene Aufgabe, "die Einzelheiten" bundeseinheitlich zu regeln, ein reibungsloses Verfahren zum Einzug der Praxisgebühr gewährleistet werden (Ausschussbericht zum GMG, BT-Drucks 15/1600 S 13 zu § 43b Abs 2 Satz 4 SGB V aF). Zu diesem Zweck bedarf es auch rechtlicher bzw tatsächlicher Möglichkeiten der Vertragspartner zur Durchsetzung der die Leistungserbringer treffenden Einzugsverpflichtung.

23

c. Die bundesmantelvertraglichen Regelungen über das Zurückbehaltungsrecht sind nicht allein für Vertragsärzte verbindlich, sondern gelten auch für andere Leistungserbringer, die vertragsärztliche Leistungen erbringen. Hierzu zählen nach der Rechtsprechung des Senats auch Krankenhäuser, die Versicherte gemäß § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V in Notfällen wie Vertragsärzte ambulant behandeln. Krankenhäuser sind bei der Durchführung von Notfallbehandlungen nicht allein hinsichtlich der Honorierung den Vertragsärzten gleichgestellt (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37 f; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18), sondern unterliegen insoweit auch im Übrigen den für die ambulante vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften. Ungeachtet ihrer Erbringung durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte sind auch die in Notfällen ambulant ausgeführten ärztlichen Leistungen Teil der vertragsärztlichen Versorgung (so ausdrücklich § 2 Abs 2 Nr 4 BMV-Ä und § 2 Abs 2 Nr 4 EKV-Ä). Zu den für die ambulante vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften gehören auch die Bundesmantelverträge nach § 82 Abs 1 SGB V, die die gesetzliche Verpflichtung umsetzen, die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung aus Ärzten und Krankenkassen zu regeln(§ 72 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 1 SGB V).

24

Einer Beteiligung der Krankenhäuser an der Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechts bedurfte es insoweit nicht. Der Gesetzgeber hat die Ausgestaltung des Verfahrens zum Einzug der Zuzahlungen nach § 28 Abs 4 SGB V ausdrücklich den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge übertragen(vgl § 43b Abs 2 Satz 4 aF, Satz 8 nF SGB V). Dabei hat er in Kenntnis des Umstandes, dass auch Krankenhausambulanzen - in begrenztem Umfang - an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, keine Beteiligung der Krankenhäuser an der Normsetzung vorgesehen (zur Zulässigkeit der Geltungserstreckung auf Dritte zur Abrundung eines Normanwendungsbereichs vgl BSG SozR 3-2500 § 88 Nr 3 S 24 mwN). Dass die Partner der Bundesmantelverträge gehindert wären, ein Zurückbehaltungsrecht der KÄVen auch zu Lasten der Krankenhäuser zu vereinbaren, ergibt sich auch nicht aus der von den (damaligen) Spitzenverbänden der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geschlossenen "Rahmenempfehlung zum Erheben der Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V (Praxisgebühr) bei ambulanten Leistungen im Krankenhaus" vom 18.12.2003, welche nach ihrem § 1 Abs 2 auf alle Fälle ambulanter Behandlung im Krankenhaus - einschließlich der ausdrücklich genannten ambulanten Notfallbehandlungen gemäß § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V - Anwendung findet. Wie die ausdrückliche Inbezugnahme der Bundesmantelverträge in § 1 Abs 2 Satz 1 der Rahmenempfehlung verdeutlicht, wollten die Vertragspartner der dreiseitigen Rahmenempfehlungen keine hiervon abweichenden Regelungen für den Einzug der Zuzahlungen nach § 28 Abs 4 SGB V treffen.

25

d. Der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht auch nicht entgegen, dass der Geltungszeitraum der Regelungen in § 18 Abs 7a BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a EKV-Ä) zunächst begrenzt war und erst nachträglich auf unbestimmte Zeit verlängert wurde.

26

§ 18 Abs 7a BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a EKV-Ä) wurde mit Wirkung vom 1.1.2005 in die Bundesmantelverträge eingefügt (vgl Teil I Nr 4 und 8 der Vereinbarung vom 29.6.2005, DÄ 2005, A 2117). Die Regelung galt zunächst bis zum 31.12.2006 (vgl Teil I Nr 8 der Vereinbarung aaO). Durch die - am 1.1.2007 in Kraft getretene - Vereinbarung vom 13.12.2006 wurde "die Befristung" sodann bis zum 30.6.2007 verlängert (DÄ 2007, A 73). Durch die rückwirkend zum 1.7.2007 in Kraft getretene Vereinbarung vom 30.8.2010 wurden "die Befristungen" in den Vereinbarungen vom 29.6.2005 und vom 13.12.2006 aufgehoben (DÄ 2010, A 1828).

27

Der Einwand der Klägerin, die rückwirkende Aufhebung der Befristung stelle eine verfassungsrechtlich unzulässige "echte" Rückwirkung dar, greift nicht durch. Das grundsätzliche Verbot einer rückwirkenden - bereits für einen Zeitpunkt vor ihrer Bekanntgabe Wirksamkeit beanspruchenden - Änderung von Normen gilt prinzipiell auch für die Bundesmantelverträge als untergesetzliche Normsetzungsverträge. Zu unterscheiden ist zwischen einer echten (retroaktiven) Rückwirkung, die nur in Ausnahmefällen zulässig ist, und einer unechten Rückwirkung, die rechtmäßig ist, wenn ausreichende Gemeinwohlgründe sie erfordern und das schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht überwiegt (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 30 RdNr 19 mwN). Ein echte Rückwirkung liegt (nur dann) vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift, eine unechte Rückwirkung dann, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, indem sie Rechtspositionen nachträglich entwertet (BSGE 81, 86, 89 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 18, S 84 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 4 RdNr 10; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 46; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 30 RdNr 14; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 22). Bei dieser Abgrenzung ist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Norm abzustellen (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 46; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 46; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 30 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 22).

28

Ob die rückwirkende Aufhebung der "Befristung" bezüglich der Quartale ab III/2007 in abgeschlossene Sachverhalte eingreift, kann vorliegend ebenso dahingestellt bleiben wie der Einwand der Klägerin, dass die ursprüngliche Regelung mit Ende ihres vorgegebenen Geltungszeitraums am 31.12.2006 um 24 Uhr außer Kraft getreten und daher eine Verlängerung der "Befristung" - präzise: des Geltungszeitraums - ab dem 1.1.2007 um null Uhr nicht mehr in Betracht gekommen sei. Denn die hier allein strittigen Einbehalte für die Quartale I bis III/2005 sind auf der Grundlage der seinerzeit geltenden Ermächtigung erfolgt. Ein (Zurückbehaltungs-)Recht, welches auf der Grundlage einer gültigen Rechtsgrundlage ausgeübt wurde, entfällt nicht nachträglich, wenn die Rechtsgrundlage später - mit Wirkung für die Zukunft - ihre Geltung verliert. Das Zurückbehaltungsrecht stellt ein Leistungsverweigerungsrecht dar, welches dem Schuldner, der seinerseits einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat, bis zur Erbringung der ihm gebührenden Leistung eine aufschiebende Einrede verschafft (vgl Kerwer in jurisPK-BGB, 5. Aufl 2010, § 273 RdNr 1). Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hat rechtsgestaltende Wirkung (BGH NJW-RR 1986, 991 mwN; Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl 2012, § 273 RdNr 20). Ein Zurückbehaltungsrecht entfaltet Rechtswirkungen bereits mit seiner (erstmaligen) Ausübung und muss nicht für jeden Tag der Zurückbehaltung neu ausgeübt werden.

29

e. Die bundesmantelvertraglichen Regelungen sind auch im Übrigen rechtmäßig. Der Rechtmäßigkeit des § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) steht insbesondere nicht entgegen, dass die Normen sowohl auf der Tatbestandsseite als auch auf der Rechtsfolgenseite sehr weit gefasst sind. So besteht auf der Tatbestandsseite ein Zurückbehaltungsrecht bereits dann, wenn die Zuzahlungen - aus welchen Gründen auch immer - in einem bestimmten Prozentsatz der Behandlungsfälle nicht eingezogen werden. Die gesetzlich normierten Zurückbehaltungsrechte (§ 75 Abs 1 Satz 3 SGB V aF, in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, jetzt Satz 5; § 85 Abs 4f Satz 1 SGB V) setzen hingegen voraus, dass die K(Z)ÄV "ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nach(kommt)" (§ 75 Abs 1 Satz 3 SGB V aF) bzw "ihren Pflichten … nicht nachkommt" (§ 85 Abs 4f Satz 1 SGB V). Erforderlich ist also das Vorliegen einer Pflichtverletzung, im Falle des § 75 Abs 1 Satz 3 SGB V aF darüber hinaus auch ein Verschulden. Demgegenüber setzen die hier in Rede stehenden bundesmantelvertraglichen Regelungen keine (nachgewiesene) Pflichtverletzung voraus, sondern lassen ein bestimmtes Ausmaß an nicht eingezogenen Zuzahlungen genügen. Auch auf der Rechtsfolgenseite lassen die bundesmantelvertraglichen Regelungen den KÄVen einen weiten Spielraum. Während § 75 Abs 1 Satz 3 SGB V aF eine "teilweise" Zurückbehaltung der vereinbarten Gesamtvergütungen und § 85 Abs 4f Satz 1 SGB V ein auf 10 % der Forderungen begrenztes Zurückbehaltungsrecht normieren, erlauben § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä (maximal) die Zurückhaltung der vollen Differenz zwischen den einzubehaltenden und den tatsächlich einbehaltenen Zuzahlungen. Der tatbestandlichen Weite der Norm kann jedoch durch die gebotene Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung getragen werden (s dazu unter 4.a. und 4.b.cc.).

30

3. Die Tatbestandsvoraussetzungen der bundesmantelvertraglichen Regelungen sind erfüllt. In der Notfallambulanz der Klägerin wurden die Zuzahlungen unstrittig in weitaus mehr als 10 % der Behandlungsfälle - nach den Feststellungen des LSG lag die Nichteinzugsquote im Klinikum S. in den strittigen Quartalen zwischen 55,60 % und 68,80 % - "nicht erhoben". Mit "Erheben" ist hier das erfolgreiche Einziehen iS der tatsächlichen Realisierung der Praxisgebühr durch Zahlung gemeint (so auch Sichert in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 43b RdNr 14). Weitere Tatbestandsvoraussetzungen bestehen nicht.

31

Insbesondere setzt § 18 Abs 7a BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a EKV-Ä) weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Zwar ist die Beklagte bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zugleich verpflichtet, das - auf Feststellung des Anspruchs auf Ersatz eines durch schuldhafte Pflichtverletzung verursachten Schadens gerichtete - Schlichtungsverfahren nach § 49 BMV-Ä(bzw § 45 EKV-Ä) einzuleiten (§ 18 Abs 7a Satz 3 BMV-Ä bzw § 21 Abs 7a Satz 3 EKV-Ä); jedoch dient das Zurückbehaltungsrecht nicht der Sicherung dieses Verfahrens, sondern dazu, die Leistungserbringer zur Erfüllung ihrer hinsichtlich des Einzugs der Praxisgebühr bestehenden Pflichten anzuhalten (s hierzu unter 4. b.bb). Ob diesen ein Verschulden zur Last fällt, soll gerade in dem sich an die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts anschließenden Schlichtungsverfahren geklärt werden.

32

4. Die Beklagte hat jedoch das ihr bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt, wie das LSG im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.

33

a. Der Beklagten steht bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ein Ermessen zu ("kann … zurückbehalten"), dh es wird ihr die Freiheit eingeräumt, zwischen mehreren vom Normgeber als rechtmäßig angesehenen Entscheidungen zu wählen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 25 - zu Ermessensentscheidungen). Entgegen der Auffassung des LSG beinhaltet § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) nicht allein ein Entschließungsermessen dahingehend, ob die KÄV ihr Zurückbehaltungsrecht überhaupt ausübt, sondern das Ermessen der KÄV umfasst auch die Entscheidung darüber, in welchem Umfang sie von diesem Recht Gebrauch macht. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung.

34

Einer Ermessenausübung gerade auch in Bezug auf den Umfang der zurückbehaltenen Honorare bedarf es - wie bereits unter 2.e. dargelegt - schon deswegen, weil die Rechtsgrundlage (auch) auf der Rechtsfolgenseite sehr weit gefasst ist. § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) gestattet es dem Grunde nach, die Differenz zwischen einzubehaltender und einbehaltener Zuzahlung in vollem Umfang zurückzubehalten. Damit erfasst das Zurückbehaltungsrecht auch Fälle, in denen die Nichtzahlung der Praxisgebühr nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Leistungserbringers fällt und in denen sich - sofern auch eine Vollstreckung erfolglos bleibt - das Inkassorisiko der Krankenkassen realisiert. Das Gesetz sieht nicht vor, dass die Leistungserbringer die Zuzahlung "erfolgreich" einziehen müssen, sondern ihre Verpflichtung besteht lediglich darin, die Zuzahlung vom Versicherten einzufordern; sie endet, wenn der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahlt (§ 43b Abs 2 Satz 4 SGB V nF). Die Regelungen (insbesondere § 43b Abs 2 Satz 4 bis 7 SGB V nF)belegen, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ein gewisser Teil der Patienten seiner Zahlungspflicht nicht freiwillig nachkommt. Zu diesem Personenkreis gehören schon diejenigen Patienten, die - selbst bei pflichtgemäßen Einzugsversuchen durch den Leistungserbringer - weder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behandlung noch nach schriftlicher Aufforderung durch den Leistungserbringer zu einer Zahlung bereit sind. Ein undifferenziert ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht würde dazu führen, dass Honorarzahlungen auch in Fällen zurückgehalten werden dürften, in denen (auch) einen korrekt handelnden Leistungserbringer nach erfolgloser Mahnung keine weiteren Pflichten träfen.

35

Hinzu kommt, dass die bundesmantelvertragliche Regelung erkennbar auf die Leistungserbringung bei niedergelassenen Vertragsärzten zugeschnitten ist. Sie unterstellt, dass eine Überschreitung der 10 %-Grenze ohne Weiteres eine Zurückbehaltung rechtfertigt, weil ein Nichteinzug in dieser Höhe nur in extremen Ausnahmefällen zu erwarten ist. Dies trifft jedoch für die Leistungserbringung in Notfallambulanzen (s hierzu unter 4.b.cc.) nicht zu.

36

Die Notwendigkeit einer differenzierten Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bzw einer pflichtgemäßen Ermessensausübung auch in Bezug auf die Höhe des Einbehalts zeigt sich schließlich daran, dass andernfalls die Gefahr besteht, dass die KÄVen sich auf die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts beschränken und von der ihnen obliegenden Aufgabe der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gegen säumige Zahler absehen. Auch die Beklagte hat es offenbar dabei bewenden lassen, Honorare im Umfang der nicht von der Klägerin eingezogenen Zuzahlungen zurückzuhalten und in dieser Höhe einen Schaden bei der Schlichtungsstelle geltend zu machen, wobei die Anrufung der Schlichtungsstelle bezüglich der vorliegend relevanten Quartale erst Ende 2007/Anfang 2008 erfolgt ist. Die Anwendung des § 18 Abs 7a Satz 1 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a Satz 1 EKV-Ä) darf jedoch die gesetzlich vorgegebene Aufgaben- und Risikoverteilung (§ 28 Abs 4, § 43b Abs 2 SGB V)nicht unterlaufen. Eine KÄV ist daher nicht berechtigt, unter Hinweis auf einen ggf insuffizienten Einzug der Praxisgebühr durch den Leistungserbringer die gesetzlich vorgegebenen Maßnahmen zu unterlassen und stattdessen ohne Weiteres die (volle) Differenz als Schaden geltend zu machen.

37

b. Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

38

aa. Nach § 39 Abs 1 SGB I haben Leistungsträger, die ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Satz 1 aaO). Auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch (Satz 2 aaO). § 39 SGB I gilt zwar unmittelbar nur für Sozialleistungen, findet aber auf Ermessensentscheidungen im Vertragsarztrecht entsprechende Anwendung(zur entsprechenden Anwendung leistungsrechtlicher Bestimmungen des SGB I vgl BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 48 mwN).

39

Dabei kann es vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts in Form eines Verwaltungsakts erfolgt. Denn § 39 SGB I enthält allgemeine Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts für jegliche Ermessensbetätigung(Seewald in Kasseler Komm, Stand März 2005, § 39 SGB I RdNr 20)und findet daher unabhängig von der Rechtsnatur der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts Anwendung. Dem entspricht auch die ganz herrschende Meinung im Verwaltungsrecht, die die Parallelvorschrift des § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens versteht und auch auf das Verwaltungshandeln außerhalb konkreter Verwaltungsverfahren anwendet(Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl 2011, § 40 RdNr 4a; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 40 RdNr 47), nicht zuletzt auf die Entscheidung, ob ein öffentlich-rechtliches Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden soll (OVG NRW, DVBl 1983, 1074; Ramsauer aaO; vgl auch Hamburgisches OVG, NJW 2007, 3513).

40

bb. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des LSG, die Beklagte habe von ihrem Ermessen, ob sie § 18 Abs 7a BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a EKV-Ä) anwenden will, schon dem Grunde nach unzureichend Gebrauch gemacht, weil in deren Entscheidung keine Erwägungen zum Sicherungszweck des Honorareinbehalts eingeflossen seien und ihre Prognose hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Schadensersatzverfahrens einem Abwägungsmangel unterliege. Entgegen der Auffassung des LSG (in diesem Sinne auch Sichert in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 43b RdNr 14) dient das bundesmantelvertragliche Zurückbehaltungsrecht weder ausschließlich noch vorrangig der Sicherung von Schadensersatzansprüchen der Krankenkassen, die aus einem von der Schlichtungsstelle nach § 49 BMV-Ä(bzw § 45 EKV-Ä) festgestellten schuldhaften Nichteinbehalt der Zuzahlungen durch den Leistungserbringer resultieren, sondern dem Ziel, Druck auf die Leistungserbringer auszuüben, auf eine möglichst vollständige Zahlung der Zuzahlungen durch die Versicherten hinzuwirken und ggf anschließend den Weg für ein Schlichtungsverfahren nach § 49 BMV-Ä(bzw § 45 EKV-Ä) zu öffnen. Es besteht ein sachliches Bedürfnis für Regelungen, welche die den Leistungserbringern gesetzlich auferlegte Verpflichtung zur Einziehung der Praxisgebühr absichern. Denn es steht außer Frage, dass die Leistungserbringer kein originäres Interesse an der Einziehung haben, weil sich ihre Vergütungsansprüche nur im Umfang der tatsächlich eingezogenen Zuzahlungen verringern (vgl § 43b Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Daher liegt die Annahme nahe, dass es gewisser "Druckmittel" bedarf, um der gesetzlichen Verpflichtung Nachdruck zu verleihen. Dient das Zurückbehaltungsrecht aber als Druckmittel, besteht daher keine Notwendigkeit, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des potentiellen Schuldners in die Ermessenserwägungen einzubeziehen.

41

Für die Annahme, dass Sicherungsaspekte für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ohne Bedeutung sind, spricht bereits die inhaltliche Nähe zu den gesetzlichen Regelungen in § 85 Abs 4f Satz 1 SGB V und § 75 Abs 1 SGB V. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 85 Abs 4f Satz 1 SGB V stellt eine Sanktionsmöglichkeit zur Sicherung der Durchführung des Degressionsverfahrens und zur Weitergabe der Einsparungen an die Krankenkassen dar(BSG Urteil vom 28.8.1996 - 6 RKa 41/95 - USK 96150); das Zurückbehaltungsrecht nach § 75 Abs 1 Satz 3 SGB V aF wird als Druckmittel verstanden, um eine KÄV dazu zu zwingen, ihrem Sicherstellungsauftrag nachzukommen(Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand September 2010, § 75 RdNr 17). Vergleichbar geht der Wille der Vertragspartner der Bundesmantelverträge bei der Regelung des Zurückbehaltungsrechts dahin, Druck auf die Leistungserbringer auszuüben, damit diese ihren Pflichten zur Einziehung der Praxisgebühr nachkommen. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Vertragspartner die Gefahr eines Forderungsausfalls in den Blick genommen haben. Hierfür bestand angesichts der grundsätzlich zu unterstellenden Solvenz der Leistungserbringer auch keine Veranlassung. Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass das Zurückbehaltungsrecht weitestgehend ins Leere ginge, wenn seine Ausübung nur im Falle einer zu besorgenden Insolvenz des Leistungserbringers in Betracht käme. Dient das Zurückbehaltungsrecht keinem Sicherungszweck, nimmt es also entgegen der Auffassung des LSG die Folge des Schadensregresses nicht zeitweise vorweg, bedarf es für seine rechtmäßige Ausübung auch keiner Prognose, ob ein Schadensregress Erfolg haben wird.

42

cc. Ungeachtet dessen hat die Beklagte jedoch deswegen fehlerhaft gehandelt, weil sie das ihr auch hinsichtlich der Höhe des vorgenommenen Einbehalts zustehende Ermessen weder erkannt noch dieses Ermessen entsprechend dem Zweck der bundesmantelvertraglichen Regelungen ausgeübt hat.

43

Die Entscheidung der Beklagten lässt bereits nicht erkennen, dass sie sich ihres auch in Bezug auf den Umfang der Zurückbehaltung zustehenden Ermessens bewusst gewesen ist; sie ist bereits aus diesem Grunde fehlerhaft. Darüber hinaus hat die Beklagte ihr Ermessen nicht - bzw nicht in vollem Umfang - dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt. Ausgehend von der Zielsetzung des in den Bundesmantelverträgen normierten Zurückbehaltungsrechts als Druckmittel hat die KÄV im Rahmen ihrer Ermessenentscheidung zu prüfen, ob und in welchem Umfang es in Bezug auf den konkret betroffenen Leistungserbringer dieses Drucks auch tatsächlich bedarf. § 18 Abs 7a BMV-Ä(bzw § 21 Abs 7a EKV-Ä) berechtigt die KÄV zur Einbehaltung von Honorar maximal in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlich einbehaltenen Zuzahlungen der Versicherten und der vollen Summe der angefallenen Zuzahlungen. Ob die KÄV diesen Rahmen ausschöpft, liegt in ihrem Ermessen, von dem sie sachgerechten Gebrauch machen muss. Das hat zur Folge, dass sie sich je nach Art der Leistungserbringung daran orientieren muss, welche Ausfallquote tatsächlich unvermeidbar ist.

44

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein vollständiger Einbehalt des Differenzbetrages nur in Extremfällen in Betracht kommt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Einzug der Zuzahlung grundsätzlich verweigert wird. Dasselbe gilt, wenn die Nichteinzugsquote auch nach Ablauf einer gewissen Eingewöhnungszeit nach Einführung der "Praxisgebühr" unverändert hoch bleibt, obwohl in einem Schiedsverfahren nach § 49 BMV-Ä(bzw § 45 EKV-Ä) bestandskräftig festgestellt worden ist, dass die Höhe des Nichteinbehalts ganz wesentlich auf eine schuldhafte Verletzung der dem Leistungserbringer obliegenden Pflichten zurückzuführen ist. Liegen derartige Fälle hingegen nicht vor, verstößt ein über das Maß des Erforderlichen hinausgehender Einbehalt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

45

Bei der Ermessensausübung ist zunächst in Betracht zu ziehen, dass es eine gewisse Quote von Patienten geben wird, die bei der Inanspruchnahme des Notfalldienstes die Zahlung der Praxisgebühr generell verweigern und für deren Verhalten die Leistungserbringer keine Verantwortung trifft. Hinzu kommen die Fälle, in denen eine unmittelbare Zahlung an den Leistungserbringer an tatsächlichen Gegebenheiten scheitert. Um entscheiden zu können, ob es bzw - hiervon nicht zu trennen - in welchem Umfang es der Ausübung des Druckmittels gegenüber einem Leistungserbringer bedarf, ist daher vorab zu klären, inwieweit die konkreten Umstände der Leistungserbringung Einfluss auf den "erfolgreichen" Einzug der Zuzahlung durch den Leistungserbringer haben.

46

Wie dargelegt, wurde die einen "Verdacht" begründende 10 %-Grenze offenbar anhand der im Bereich der niedergelassenen Vertragsärzte gesammelten Erfahrungen entwickelt und unterstellt, dass jeder korrekt handelnde Vertragsarzt diese Grenze unterschreitet. Im Umkehrschluss mag man für diesen Bereich angenommen haben, dass eine Überschreitung des Werts gröbliches Fehlverhalten und zugleich die Notwendigkeit maximalen Drucks indiziert. Dies ist auf den Bereich der Notfallambulanzen aber nicht ohne Weiteres übertragbar, da nach allen vorliegenden Daten signifikante Unterschiede zwischen Arztpraxen und Notfallambulanzen von Krankenhäusern bestehen. So wird - mit einer Ausnahme - in keiner von der Klägerin betriebenen Notfallambulanzen eine Zahlungsquote von 50 % erreicht. Ob dazu das Verhalten der Klägerin beigetragen hat, zumindest bis Ende 2006 nicht einmal die technische Möglichkeit der Entrichtung der Zuzahlung in bar in unmittelbarem Zusammenhang mit der Notfallbehandlung zu schaffen - wofür manches spricht -, wird abschließend im Schlichtungsverfahren zu klären sein.

47

Schon die Lebenserfahrung spricht allerdings dafür, dass die Nichtzahlerquote in Arztpraxen angesichts einer mehr oder weniger starken Arzt-Patienten-Bindung gering ist, während sie in Notfallambulanzen aus einer Vielzahl von Gründen typischerweise größer sein wird. Eine Arzt--Patienten-Bindung wird dort in aller Regel fehlen. Es liegt weiter nahe, dass ein größerer Anteil an Patienten "unvorbereitet" in die Notfallambulanz kommt; dies gilt zumindest für die "echten" Notfälle. Ein gewisser Teil der Patienten wird also ggf keine Zahlungsmittel dabei haben. Zu berücksichtigen ist auch, dass ein gewisser Teil der Patienten nicht ansprechbar ist und den Patienten auch keine Angehörigen begleiten.

48

Bei der Prüfung, in welchem Umfang ein Einzug der Zuzahlung auch bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt überhaupt möglich bzw realistisch ist, ist zudem zu berücksichtigen, dass nach § 18 Abs 3 BMV-Ä(bzw § 21 Abs 3 EKV-Ä) der Einzug der Praxisgebühr bei "akuter Behandlungsbedürftigkeit" auch nachträglich - dh nach der Behandlung bzw Diagnosestellung - erhoben werden kann. Mit "akuter Behandlungsbedürftigkeit" sind Konstellationen gemeint, die eine sofortige, "von Zuzahlungsbemühungen nicht verzögerte", Behandlung erforderlich machen (Rixen, SGb 2004, 2, 6; ebenso Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juli 2011, K § 43b RdNr 33). Dass sich an die Erstbehandlung eine stationäre Aufnahme anschließt, ist nicht erforderlich und auch keineswegs regelhaft zu erwarten. Hierbei ist ausnahmslos auf die Person des Versicherten abzustellen; ob Begleitpersonen die Zuzahlung erbringen können, ist ohne Bedeutung (Rixen aaO S 6/7). Damit ist der Begriff weitgehend deckungsgleich mit dem Begriff des "Notfalls" in § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V. "Akute Behandlungsbedürftigkeit" in diesem Sinne dürfte in Notfallambulanzen in deutlich höherem Ausmaß gegeben sein als in den Praxen niedergelassener Ärzte, auch wenn anzunehmen ist, dass die Notfallambulanzen der Krankenhäuser abends und am Wochenende auch von zahlreichen Patienten aufgesucht werden, die die Voraussetzungen für einen "Notfall" nicht erfüllen. Zwar hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass auch in Fällen akuter Behandlungsbedürftigkeit die Möglichkeit zur Einziehung jedenfalls nach Durchführung der Behandlung besteht; jedoch dürfte sich der Druck auf den Patienten, die Praxisgebühr zu entrichten, nach Durchführung der Behandlung deutlich vermindert haben. Dies exkulpiert zwar den Leistungserbringer nicht, der unzureichende Versuche zur Einziehung der Praxisgebühr unternommen hat, stützt aber die Annahme, dass die Zahl der Nichtzahler in Notfallambulanzen naturgemäß deutlich höher ist als in Arztpraxen.

49

Es liegt nach alledem nahe, dass die 10 %-Grenze in Notfallambulanzen regelhaft überschritten wird, ohne dass dies den Leistungserbringern angelastet werden kann. Diese Annahme wird auch durch das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten gestützt, wonach - jedenfalls im streitigen Zeitraum - keine der Notfallambulanzen an Berliner Krankenhäusern auch nur annähernd 90 % der an sich anfallenden Zuzahlungen eingezogen hat, sondern vielmehr die Nichteinzugsquoten in allen Notfallambulanzen ein erhebliches Ausmaß - nach den Angaben der Beklagten im Durchschnitt rund 30 % - erreicht haben. Sofern keine Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Notfallambulanzen aller Berliner Krankenhäuser systematisch und flächendeckend den Einzug der Zuzahlungen unterlaufen, ist davon auszugehen, dass die durchschnittliche Nichteinzugsquote aus den speziellen Umständen der Leistungserbringung resultiert.

50

Zumindest bis ein erstes Schlichtungsverfahren nach § 49 BMV-Ä (bzw § 45 EKV-Ä) bestandskräftig abgeschlossen ist, muss sich die Höhe der Ausfallquote, auf die eine KÄV ihr Zurückbehaltungsrecht bei pflichtgemäßer Ermessensausübung erstreckt, daher an dem orientieren, was in Notfallambulanzen von Krankenhäusern leistbar ist. Die Beklagte muss den Umfang der typischerweise "unvermeidbaren" Nichtzahlungen nicht exakt ermitteln, aber doch der Größenordnung nach berücksichtigen. Sie hat daher vor der Zurückbehaltung einer bestimmten Summe die Frage zu klären, welche Ausfall- bzw Nichteinzugsquoten sich in vergleichbaren Einrichtungen ergeben. Es ist insoweit sachgerecht, wenn die Beklagte ermittelt, wie hoch die Ausfallquote in vertragsärztlichen Notfalleinrichtungen ist, also bei Patienten, die einen ihnen fremden Arzt im Quartal nur wegen einer Notfallversorgung aufgesucht haben.Aussagekräftig können auch die Werte von anderen Klinikträgern im Bereich der Beklagten (zB Universitätsmedizin Berlin, kirchliche Krankenhäuser) sowie aus anderen KÄV-Bezirken sein. Wenn diese Ermittlungen ergeben, dass die Nichteinzugsquote auch bei sachgerechter Organisation generell im Notfalldienst wegen der Besonderheiten des Patientenklientels und der Art der Behandlungen Werte von zB 30 % oder 35 % erreicht, darf die Beklagte (jedenfalls vor bestandskräftigem Abschluss des ersten Schlichtungsverfahrens) nicht einfach unterstellen, die Klägerin hätte eine Ausfallquote von mehr als 10 % verhindern können und müssen. Als Druck für Eigenbemühungen und als Voraussetzung für die Einleitung der Schlichtung reicht es aus, lediglich Honorarzahlungen im Umfang der die durchschnittlichen Werte übersteigenden Nichtzahlungen zurückzubehalten; dann kann auch nicht der Eindruck entstehen, die KÄV verlagere faktisch das Einzugsrisiko auf die Leistungserbringer.

51

5. Das LSG hat die Beklagte jedoch zu Unrecht weitergehend zur Auskehrung der zurückbehaltenen Vergütungen verpflichtet. Das Berufungsgericht hat mit seiner Entscheidung in das der Beklagten bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zustehende Ermessen eingegriffen. Dies wäre nur dann zulässig, wenn keine andere Entscheidung als ein Absehen von der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts - iS einer Ermessensreduzierung auf Null - in Betracht kommt; dass ein derartiger Fall gegeben ist, ist jedoch weder vom Berufungsgericht festgestellt worden noch sonst erkennbar. Daher war das Urteil entsprechend - wie tenoriert - zu ändern. Die Beklagte wird nach alledem erneut entscheiden müssen, in welcher Höhe sie von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, und in diesem Zusammenhang die unterlassenen Ermessenserwägungen und die hierzu erforderlichen Feststellungen nachholen. Eventuell zu viel einbehaltene Beträge sind auch schon vor rechtskräftigem Abschluss des Schlichtungsverfahrens an die Klägerin auszukehren.

52

Klarzustellen ist, dass eine eventuelle Rückzahlung nicht zu verzinsen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats haben Vertragsärzte keinen Anspruch auf Verzinsung rückständiger Honorarzahlungen (BSGE 56, 116 = SozR 1200 § 44 Nr 10; BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2, RdNr 32 ff; BSG Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - juris RdNr 26; BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 30; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 64 RdNr 22). Auch ein Anspruch (zumindest) auf Prozesszinsen steht nach der Senatsrechtsprechung nur einer KÄV im Falle verspäteter Zahlung von Gesamtvergütungen zu (BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2, RdNr 30 ff); diese Rechtsprechung ist auf die Nachzahlung vertragsärztlichen Honorars nicht übertragbar. Soweit Krankenhäuser gemäß § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V in Notfällen wie Vertragsärzte in Anspruch genommen werden, sind sie bei der Honorierung dieser Leistungen den Vertragsärzten gleichgestellt(vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37 f; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18)und somit auch hinsichtlich der Verzinsung ihrer Vergütungsansprüche wie Vertragsärzte zu behandeln.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Beklagte und die Klägerin die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens entsprechend dem Umfang ihres Unterliegens zu 2/3 bzw 1/3 zu tragen (§ 154 Abs 1 und 2, § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass das Obsiegen der Klägerin überwiegt, obwohl diese nur hinsichtlich der Höhe erfolgreich war, in der die Beklagte Honorar einbehalten darf; dass sie im Ergebnis keine oder nur eine ganz unbedeutende Rückzahlung erreichen wird, scheint nach dem jetzigen Sachstand auf der anderen Seite wenig wahrscheinlich.Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3 RdNr 16).

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.

(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.

(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

(2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden.

Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 83 789,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise.

2

Die Klägerin ist Trägerin einer nach § 117 Abs 1 SGB V zur ambulanten Versorgung von Versicherten ermächtigten Hochschulambulanz. Seitens der Klägerin wurden für zwei Mitglieder der Beigeladenen, die sich wegen eines metastasierenden Nierenzellkarzinoms in ihrer ambulanten Behandlung befanden, ua die Arzneimittel Roaccutan verordnet sowie Proleukin (Interleukin-2), das - statt intravenös als Dauerinfusion - in kombinierter subkutan-inhalativer Anwendung verabreicht wurde. Auf Antrag der Beigeladenen setzte der Prüfungsausschuss wegen dieser Verordnungen Arzneikostenregresse in Höhe von 25 817,09 Euro (Quartal III/1999), 22 471,72 Euro (Quartal IV/2000) und 35 500,50 Euro (Quartal I/2001) fest. Die hiergegen erhobenen Widersprüche der Klägerin wies der beklagte Beschwerdeausschuss zurück.

3

Die Klagen der Klägerin sind ebenso erfolglos geblieben wie ihre Berufung, mit der sie im Wesentlichen geltend gemacht hat, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es eine arzneimittelrechtlich zugelassene Behandlungsalternative gegeben habe. Das LSG hat ausgeführt, die Klägerin habe Proleukin, Roaccutan und Tamoxifen zu Lasten der beigeladenen Krankenkasse außerhalb des durch deren arzneimittelrechtliche Zulassung gesteckten Rahmens verordnet. Auch ausnahmsweise sei eine zulassungsüberschreitende Verordnung nicht zulässig gewesen. Weder habe ein dafür erforderlicher unabweisbarer und nicht anders zu befriedigender Bedarf bestanden noch sei die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung belegt. Zwar hätten die betroffenen Patienten an einer schwerwiegenden, weil lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten, doch habe es an der für einen Off-Label-Use erforderlichen Erfolgsaussicht gefehlt. Denn auch für den Fall, dass - wie vorliegend - ein Zulassungsantrag für das betroffene Arzneimittel noch nicht gestellt worden sei, sei gleichwohl ein "Stadium der arzneimittelrechtlichen Zulassungsreife" zu fordern. Eine die Qualität einer Phase-III-Studie erreichende Untersuchung zur Wirksamkeit der kombinierten subkutan-inhalativen Anwendung oder der ausschließlich inhalativen Anwendung von Proleukin habe jedoch zum Verordnungszeitpunkt nicht vorgelegen und liege bis heute nicht vor. Vielmehr bewegten sich alle Studien auf dem Niveau der Phasen I und II, wie die vom Senat vorgenommene Auswertung der zugänglichen medizinischen Fachliteratur ergeben habe. Eine den zulassungsüberschreitenden Einsatz von Roaccutan rechtfertigende Studienlage liege ebenfalls nicht vor; der Hinweis auf zu beobachtende synergistische Effekte im Zusammenhang mit der Immuntherapie reiche hierfür nicht. Weder bei einem metastasierten Nierenzellkarzinom noch bei einem malignen Melanom handele es sich nicht um einen Seltenheitsfall in dem Sinne, dass sich die Erkrankung einer systematischen Forschung entzöge.

4

Die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der Krankenkassen sei auch unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts nicht anders zu beurteilen. Einer verfassungskonformen Auslegung des Leistungsrechts habe es nicht bedurft, da für die vertragsärztliche Versorgung der Patienten andere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Statt der kombinierten subkutan-inhalativen Interleukin-2-Therapie hätte Roferon (interferon-alpha) innerhalb der Zulassung subkutan verordnet werden können. Dieses Mittel könne durch unterschiedliche Dosierung und auch durch eine Verlängerung des Behandlungsintervalls an die Reaktion des Patienten mit Blick auf die Nebenwirkungen angepasst verabreicht werden, wie der entsprechenden Fachinformation zu entnehmen sei. Tatsächlich habe ein Patient dieses Mittel bekommen, für den anderen sei eine Kontraindikation nach dem Vorbringen der Klägerin nicht erkennbar. Als weiteres Mittel zur subkutanen Verabreichung habe überdies Proleukin zur Verfügung gestanden. Eine weitere Aufklärung in diesem Punkt halte der Senat nicht für angezeigt. Insbesondere sei nicht veranlasst, die Krankenunterlagen der Patienten beizuziehen, ein Sachverständigengutachten einzuholen oder den Hausarzt der Patienten anzuhören. Dem entsprechenden Beweisantrag brauche das Gericht schon deswegen nicht zu folgen, weil in dem Antrag keine Tatsachen behauptet würden, die für die Entscheidung erheblich sein könnten, und so dem Gericht keine Möglichkeit gegeben werde, die Tauglichkeit des Beweismittels zu überprüfen.

5

Verfassungsrecht habe die Verordnung von Interleukin-2 zur kombinierten subkutan-inhalativen oder zur ausschließlich inhalativen Anwendung auch für den Fall nicht geboten, dass der Einsatz aller zur Behandlung des in der Lunge metastasierten Nierenzellkarzinoms oder des malignen Melanoms ohne Erfolg geblieben sei und der Patient nur noch palliativ habe versorgt werden können. Diese offenbar als Sterbebegleitung gemeinte Behandlung erfülle schon deswegen nicht die vom BVerfG und vom BSG geforderten Voraussetzungen, weil sich eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht feststellen lasse. Zur Interleukin-2-Inhalation hätten im Verordnungszeitraum nur ganz vereinzelte kasuistische Schilderungen bestanden, wobei nach Auffassung der Off-Label-Expertengruppe die Kasuistiken nicht im Detail überprüfbar und die Selektionskriterien für die Auswahl der Patienten nicht abgesichert seien (Urteil vom 2.12.2009).

6

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.

7

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

8

1. Die Rüge, das Berufungsgericht habe ihr rechtliches Gehör (§ 62 SGG) verletzt, ist nicht ausreichend dargetan und damit unzulässig. Wer die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargestellt und es muss - sofern nicht ein absoluter Revisionsgrund iS von § 547 ZPO geltend gemacht wird - darüber hinaus dargelegt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann(vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN).

9

Soweit die Klägerin eine Gehörsverletzung (offenbar iS einer "Überraschungsentscheidung") darin sieht, dass das LSG sich "in dieser Frage" auf die Sachkunde eines Richters gestützt habe und aus diesem Grunde die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens verneint habe, ohne ihr zuvor einen Hinweis zu erteilen, dass es so zu verfahren gedenke, ist ein Verfahrensmangel bereits nicht ausreichend dargelegt. Denn es ist anhand der Beschwerdebegründung nicht erkennbar, hinsichtlich welchen Umstandes bzw welcher Beweistatsache sich das LSG auf die Sachkunde eines Richters gestützt und "aus diesem Grunde" von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen haben soll. Ausführungen hierzu wären schon deshalb geboten, weil die Klägerin den Beweis durch Sachverständigengutachten für eine Vielzahl von Beweisthemen angeboten hat. Nähere Darlegungen wären umso mehr erforderlich gewesen, als sich das LSG zum einen lediglich an einer Stelle in den Entscheidungsgründen auf seine Sachkunde beruft, indem es - ausschließlich zur fehlenden Vergleichbarkeit der Anwendungsarten - darauf verweist, mit einem Arzt fachkundig besetzt zu sein (Bl 35 des Urteils). Zum anderen hat das Berufungsgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mit dem Argument ausreichender eigener Sachkunde abgesehen, sondern die Ablehnung mit anderen Erwägungen begründet (s hierzu Bl 42 des Urteils).

10

Unzulässig ist die Rüge auch insoweit, als die Klägerin eine "Gehörsverletzung" in Form der "Verweigerung einer gebotenen Erkenntnisquelle" durch Nichtbeiziehung der die Versicherten betreffenden Behandlungsunterlagen geltend macht. Bei einer die Amtsermittlungspflicht des Gerichts betreffenden Beanstandung sind die besonderen Anforderungen an Rügen einer Verletzung des § 103 SGG zu beachten. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muss ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG diesem ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Darzulegen ist ferner, dass der Beweisantrag im Berufungsverfahren noch zusammen mit den Sachanträgen gestellt oder sonst aufrechterhalten worden ist. Für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde genügen die genaue Bezeichnung des Beweisantrags, die schlüssige Darstellung des den Mangel ergebenden Sachverhalts und Ausführungen zur Aufklärungspflicht des LSG (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160 RdNr 18d). Die Beschwerdebegründung enthält jedoch keinerlei Ausführungen dieser Art. Im Übrigen lässt sich dem Urteil des LSG eine hinreichende Begründung entnehmen, warum eine weitere Beweisaufnahme nicht durchgeführt wurde(s hierzu § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).

11

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Auch insoweit ist die Beschwerde der Klägerin unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen.

12

Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss danach in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG , - 2 BvR 2079/93 - DVBl 1995, 35). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage setzt zudem voraus, dass diese über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Daran fehlt es, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des vorliegenden Einzelfalls einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG, Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11; BSG, Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 53/08 B - RdNr 9; BSG, Beschluss vom 2.9.2009 - B 6 KA 14/09 B - RdNr 11). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die zitierte Rspr des BVerfG und zB BVerfG , SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14).

13

           

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob

        

"bei einer angezeigten und üblichen Kombinationstherapie bei Kontraindikation für einen tragenden Teil dieser Kombinationstherapie eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung noch zur Verfügung steht - durch die verbleibenden Teile der Kombinationstherapie, oder nicht",

entspricht bereits nicht den an eine konkrete Rechtsfrage zu stellenden Anforderungen. Es handelt sich nicht um eine "Rechtsfrage", die in einem auf die Klärung von Rechtsfragen beschränkten Revisionsverfahren durch das Revisionsgericht beantwortet werden kann. Vielmehr stellt die Frage nach den verbliebenen Behandlungsmöglichkeiten eine reine "Tatfrage" dar, die dementsprechend allein der tatrichterlichen Beurteilung obliegt. Im Übrigen enthält die Fragestellung bereits eine Wertung, weil sie unterstellt, dass ausschließlich die Kombinationstherapie - bzw allenfalls noch Teile hiervon - als Behandlungsmethode in Betracht kommt.

14

           

Bezüglich der Rechtsfrage,

        

"in welchem Umfang eine Unwirtschaftlichkeit bzw ein Wirtschaftlichkeitsschaden festzustellen ist und inwieweit Einsparungen zu berücksichtigen sind",

ist die Beschwerde der Klägerin ebenfalls unzulässig, weil ihre Begründung nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen entspricht. Die Teilfrage, "in welchem Umfang" eine Unwirtschaftlichkeit bzw ein "Wirtschaftlichkeitsschaden" festzustellen ist, gibt schon zu Zweifeln Anlass, ob damit eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet ist. Unabhängig davon lässt die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde jegliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Arzneikostenregressen vermissen.

15

Diese Auseinandersetzung hätte im Übrigen ergeben, dass die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist. Zu ihrer Klärung bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Denn die Antwort ist nicht zweifelhaft bzw ergibt sich ohne Weiteres aus der vorliegenden Senatsrechtsprechung (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38). Danach steht bereits aufgrund des auch für die Prüfeinrichtungen geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 20 Abs 1 SGB X; s auch § 103 SGG) außer Zweifel, dass diese im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen das Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit festzustellen (bzw ggf zu schätzen) haben (allgemein zur Aufklärungspflicht der Prüfeinrichtungen s BSG SozR 2200 § 368n Nr 31, S 100 f; BSGE 70, 246, 251 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 49; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295; BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, RdNr 19). Bei Arzneikostenregressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies etwa bei einem Off-Label-Use der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit allerdings nur bejaht oder verneint werden (s hierzu BSG, Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 23 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 106 Nr 26 vorgesehen). Mithin entsprechen die der Krankenkasse durch die unzulässige Verordnung entstandenen Aufwendungen dem Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit bzw des "Wirtschaftlichkeitsschadens" iS der Fragestellung. Letztlich dürfte es der Klägerin weniger um die Beantwortung der gestellten Frage als darum gehen, die Einbeziehung der subkutanen, systemischen Gabe von Proleukin in den Regress zu rügen. Da es sich hierbei - wie die Klägerin selbst darlegt - (jedenfalls seinerzeit) ebenfalls um einen Off-Label-Use gehandelt hat, liegt auch insoweit eine unzulässige Verordnung und damit Unwirtschaftlichkeit vor.

16

Auch zur Bedeutung kompensierender Einsparungen liegt umfangreiche Rechtsprechung des Senats vor, welche die gestellte Frage beantwortet (s hierzu schon BSG, Beschluss vom 22.1.2009 - B 6 KA 52/08 B -). Danach setzt die Anerkennung kompensierender Einsparungen voraus, dass zwischen dem Mehraufwand auf der einen und den Kostenunterschreitungen auf der anderen Seite ein kausaler Zusammenhang besteht (stRspr des Senats seit BSGE 17, 79, 86 = SozR Nr 5 zu § 368n RVO, Bl Aa 7; ua BSGE 55, 110, 113 = SozR 2200 § 368n Nr 27 S 84; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 231 ff; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 239; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 325). Die Darlegungs- und Beweislast für die Einwendungen liegt beim Vertragsarzt (ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 59; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 233). Macht er kompensatorische Einsparungen geltend, so muss er das Vorliegen der Einsparungen, den methodischen Zusammenhang mit dem Mehraufwand, die medizinische Gleichwertigkeit und die kostenmäßigen Einsparungen darlegen und gegebenenfalls nachweisen (- 6 RKa 58/94 - USK 95137; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 233). Gelingt der erforderliche Nachweis nicht, so geht das nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Arztes (stRspr des Senats, ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 59; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 234).

17

Schließlich kommt den aufgeworfenen Rechtsfragen auch keine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu. Zur Problematik des Off-Label-Use liegt umfangreiche Rechtsprechung sowohl der für das Vertragsarztrecht wie auch der für das Krankenversicherungsrecht zuständigen Senate des BSG vor (vgl die Senatsurteile vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - juris; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; - B 6 KA 20/09 R - und - B 6 KA 24/09 R -; zum 1. Senat: vgl Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 5/09 R - mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), in denen die maßgeblichen Fragen geklärt worden sind. Es besteht kein Bedürfnis, zu jedem Versicherten und zu jedem Präparat eine Entscheidung durch ein Revisionsverfahren herbeizuführen.

18

3. Die von der Klägerin erhobene Rüge der Rechtsprechungsabweichung entspricht zwar den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Anforderungen und ist daher zulässig; sie ist jedoch unbegründet. Für die Zulassung einer Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Dabei ist der jeweils aktuelle Stand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde maßgebend (vgl dazu zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 61; zB auch BSG, Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 58/08 B - mwN). Zudem darf nicht lediglich isoliert auf einzelne Sätze der bundesgerichtlichen Entscheidungen abgestellt werden, sondern zu berücksichtigen ist der Kontext, in dem die vom Kläger für seine Divergenzrügen herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze jeweils stehen (vgl hierzu zB BSG, Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 58/08 B - mwN). Aus dem Erfordernis, die Aktualität und den Kontext der herangezogenen bundesgerichtlichen Entscheidungen zu berücksichtigen, folgt zugleich die Notwendigkeit, die Entscheidungen daraufhin zu hinterfragen, ob ihre Aussagekraft durch spätere Gesetzesänderungen Einschränkungen erfahren hat.

19

Nach diesen Maßstäben ist die Divergenzrüge der Klägerin unbegründet. Eine Unvereinbarkeit zwischen dem angefochtenen LSG-Urteil und dem von der Klägerin aus einem Urteil des 1. Senats des BSG angeführten Rechtssatz besteht nicht. Die Klägerin verkennt, dass sich die Ausführungen des LSG zur Notwendigkeit einer die Qualität einer Phase-III-Studie besitzenden Untersuchung auf die Voraussetzungen eines Off-Label-Use beziehen - und insofern zutreffend die Vorgaben des BSG wiedergeben (hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 5/09 R - RdNr 31 ff, insbesondere RdNr 34 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) -, während die von ihr aus dem Urteil des BSG vom 4.4.2006 (- B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr 4 RdNr 22)zitierten Ausführungen die Voraussetzungen betreffen, deren Erfüllung nach der Rechtsprechung des BVerfG im Falle einer Leistungsverweigerung einen Verstoß gegen das GG begründen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LSG jedoch nicht unter Bezug auf fehlende Phase-III-Studien verneint, sondern damit, dass eine andere Therapie zur Verfügung gestanden habe (vgl Bl 40 f des LSG-Urteils). Dies entspricht der vom BVerfG (BVerfG SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33) aufgestellten und vom BSG (Urteil vom 4.4.2006, aaO, RdNr 19) übernommenen Anforderung, dass ein Verfassungsverstoß nur dann gegeben ist, wenn eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung steht.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO).

21

Die Festsetzung des Streitwerts entspricht (gerundet) der Festsetzung der Vorinstanz vom 2.12.2009, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 1755 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im Streit steht ein Arzneikostenregress.

2

Die Klägerin nimmt als Ärztin für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Der Prüfungsausschuss stellte bezüglich der in einem Behandlungsfall in den Quartalen I/2001 bis III/2001 und II/2002 erfolgten Verordnungen des Medikaments Wobe-Mugos E mit Bescheid vom 8.6.2004 einen Arzneimittelregress in Höhe von 1755,24 Euro fest. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 7.12.2005), ebenso die hiergegen erhobene Klage (Urteil des SG vom 30.1.2007) sowie die Berufung der Klägerin (Beschluss vom 13.4.2010). Das LSG hat ausgeführt, die von der Klägerin vorgenommenen Verordnungen von Wobe-Mugos E seien nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zulässig und mithin unwirtschaftlich. Einer Beratung vor der Regressfestsetzung habe es nicht bedurft. Ein Verschuldenserfordernis bestehe im Rahmen von Honorarkürzungen und Verordnungsregressen nicht. Für eine Ermessensausübung bestehe kein Raum. Die Klägerin genieße auch keinen Vertrauensschutz. Schließlich sei ein anderes Ergebnis auch nicht wegen der Grundsätze des BVerfG in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5)veranlasst. Es sei nicht erkennbar, dass in dem der Einzelfallprüfung zugrunde liegenden Behandlungsfall die im Beschluss des BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt gewesen seien.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

4

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

5

1. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Sie sind bereits unzulässig. Wer die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargestellt und es muss - sofern nicht ein absoluter Revisionsgrund iS von § 547 ZPO geltend gemacht wird - darüber hinaus dargelegt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann(vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kapitel IX RdNr 202 ff).

6

Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Rechts auf ein zügiges Verfahren geltend macht, ist die Beschwerde unzulässig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieses Recht nur im Verhältnis zu den Gerichten oder auch im Verhältnis zur Verwaltung besteht, also auch ein überlanges Vorverfahren gerügt werden kann. Eine Verletzung dieses Rechts kann nur dann mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn der Verfahrensmangel die Entscheidung des LSG beeinflusst hat, diese also auf dem Mangel beruhen könnte (stRspr des Senats, vgl Beschluss vom 6.2.2008 - B 6 KA 61/07 B - juris RdNr 8; zuletzt Beschlüsse vom 28.1.2009 - B 6 KA 27/07 B - juris RdNr 7 und vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - juris RdNr 47 mwN). Auch der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass von diesem Erfordernis bei der Rüge einer überlangen Verfahrensdauer abzusehen ist (vgl BVerfG Beschluss vom 24.8.2010 - 1 BvR 331/10 -; EGMR Urteil vom 30.3.2010 - 46682/07 -). Darlegungen dazu, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens den Inhalt der Entscheidung des LSG beeinflusst haben könnte, sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Selbst wenn man statt auf die Entscheidung des LSG auf die Entscheidung der Prüfeinrichtungen abstellen wollte, änderte dies nichts, denn die Beschwerdebegründung enthält auch keinerlei Ausführungen dazu, dass die Verfahrensdauer die Entscheidung der Prüfeinrichtungen beeinflusst haben könnte.

7

2. Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist die Beschwerde ebenfalls unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss gemäß den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet(vgl BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG , DVBl 1995, 35). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die zitierte BVerfG-Rspr und zB BVerfG , SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14).

8

           

Hinsichtlich der Frage,

        

ob die überlange Dauer des Vorverfahrens ebenfalls eine Verletzung von Art 6 Abs 1 und Art 13 EMRK, Art 19 Abs 4 GG und des Rechtsstaatsprinzips darstellen kann,

entspricht die Rüge nicht den Darlegungsanforderungen, weil Ausführungen dazu fehlen, dass diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil nicht erkennbar ist, dass die Frage zur Entscheidung des Rechtsstreits notwendigerweise geklärt werden muss. Denn auch wenn sie bejaht würde, wäre dies für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil die Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer nicht Streitgegenstand des Verfahrens ist, und das Vorliegen eines Verfahrensfehlers schon deswegen zu verneinen ist, weil es an Erkenntnissen dazu fehlt, dass die Entscheidung auf einer überlangen Verfahrensdauer beruhen könnte.

9

           

Bezüglich der Frage,

        

ob die überlange Dauer des Vorverfahrens dazu führen kann, dass der Beklagte den Regressanspruch nicht mehr geltend machen kann,

entspricht die Rüge ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen, weil die Klägerin nicht darlegt, aus welchen Gründen diese Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Klärung bedarf und sich die Antwort nicht bereits aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Dazu hätte sich die Klägerin mit der einschlägigen Senatsrechtsprechung auseinandersetzen müssen. Dies hätte im Übrigen zu der Feststellung geführt, dass die Antwort auf die Rechtsfrage bereits der Rechtsprechung des Senats zu entnehmen und sie somit nicht klärungsbedürftig ist.

10

Es ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt, dass ein Vertragsarzt einem Regress wegen unzulässiger - und damit unwirtschaftlicher - Arzneiverordnungen nicht zeitlich unbegrenzt ausgesetzt ist. Wie das BSG bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91 - BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19)entschieden hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens bereits aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art 20 Abs 3 GG). Daher hat es der Senat als sachgerecht angesehen, die in den Büchern des SGB für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist von vier Jahren im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur Festsetzung der vertragsärztlichen Honorare zu übertragen (BSGE aaO S 277 = SozR aaO S 112). Diese Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid des Prüfungsausschusses ergehen muss, gilt für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (s hierzu BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 112; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62) wie auch für Regresse wegen solcher Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der GKV nicht eingehalten haben (BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Mithin kann bereits allein der Ablauf der Ausschlussfrist dazu führen, dass der Beklagte den Regressanspruch nicht mehr geltend machen kann, sofern der Ablauf der Frist nicht unterbrochen bzw gehemmt worden ist (s hierzu BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R -).

11

           

Die Frage,

        

ob Prüfvereinbarungen nach § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V dessen Abs 5 Satz 1 und 2 unterworfen sind,

entspricht schon deswegen nicht den Darlegungsanforderungen, weil mit ihr keine nachvollziehbare abstrakte Rechtsfrage formuliert wird. Soweit sich der Beschwerdebegründung ansatzweise entnehmen lässt, dass es der Klägerin um die Fragen gehen mag, ob es vor der Regressfestsetzung einer vorherigen Beratung bedurft hätte und ob den Prüfgremien bei ihren Entscheidungen ein Ermessen zusteht, entspräche die Rüge nicht den Darlegungsanforderungen, weil die Klägerin nicht darlegt, aus welchen Gründen diese Fragen noch einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen und sich die Antworten nicht bereits aus der bisherigen Rechtsprechung ergeben. Dazu hätte sich die Klägerin mit der einschlägigen Senatsrechtsprechung auseinandersetzen müssen, namentlich mit den zu Arzneimittelregressen wegen der Verordnung von Wobe-Mugos E ergangenen Urteilen vom 5.11.2008 (SozR 4-2500 § 106 Nr 21)und vom 6.5.2009 (B 6 KA 3/08 R = MedR 2010, 276 = USK 2009-14), in denen der Senat zur Frage der vorherigen Beratung sowie der Ausübung von Ermessen Stellung genommen hat.

12

           

Nichts anderes gilt bezüglich der Frage,

        

ob Regresse auch ohne Verschulden verhängt werden können.

Auch diese Rechtsfrage ist bereits durch die Rechtsprechung des Senats beantwortet und somit nicht klärungsbedürftig. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass ein Verschuldenserfordernis im Rahmen von Honorarkürzungen und Verordnungsregressen nicht besteht (vgl SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28 mwN; ebenso Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 42 mwN; Verfassungsbeschwerden jeweils nicht zur Entscheidung angenommen, s BVerfG vom 30.6.2009 - 1 BvR 827/09 und vom 26.7.2010 - 1 BvR 1785/10; zuletzt Urteile des BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, sowie - B 6 KA 5/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

13

           

Auch bezüglich der Frage,

        

ob Krankenkassen Regressanträge stellen und Prüfbehörden Regresse erlassen dürfen, wenn damit de facto die Gefahr besteht, dass in die laufende Behandlung eines lebensgefährlich erkrankten Kassenpatienten eingegriffen wird, ohne dass die Krankenkasse bzw die Prüfeinrichtung vorher die gesundheitliche Lage des lebensgefährlich erkrankten Kassenpatienten dahin überprüft, wie sich eine Änderung der Behandlung auf diesen auswirkt,

entspricht die Rüge nicht den Darlegungsanforderungen. Denn es fehlen nähere Ausführungen dazu, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit dem Beschwerdeverfahren angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist.

14

           

Schließlich entspricht auch die Frage,

        

ob im Kassenarztrecht zulässig ist, ungeklärte Rechtsfragen auf dem Rücken des Kassenarztes auszutragen,

nicht den Darlegungsanforderungen, denn es fehlt bereits an einer konkreten Rechtsfrage. Eine Frage darf nicht derart allgemein gehalten sein, dass sie nicht zur Grundlage der weiteren Prüfung taugt, inwieweit Klärungsbedürftigkeit dargelegt worden ist (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 305 mwN). Welchen rechtlichen Gehalt das "Austragen von Rechtsfragen auf dem Rücken des Kassenarztes" haben soll, wird auch nicht ansatzweise deutlich.

15

3. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beschluss des Berufungsgerichts widerspreche Entscheidungen des BVerfG, dürfte dies nicht als Rüge einer Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des BVerfG zu verstehen sein. Andernfalls entsprächen die Ausführungen schon nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Anforderungen an eine zulässige Rüge. Denn hierfür bedürfte es zunächst einer Gegenüberstellung von Rechtssätzen aus dem LSG-Beschluss und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung. Bereits hieran fehlt es. Im Übrigen rügt die Klägerin die nach ihrer Auffassung falsche Rechtsanwendung im Einzelfall, was die Zulassung der Revision nicht zu begründen vermag.

16

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, da diese keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

17

Die Festsetzung des Streitwerts entspricht den Festsetzungen der Vorinstanz vom 13.4.2010, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.

(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.