Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2018 - B 13 R 63/18 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:101018BB13R6318B0
10.10.2018

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. März 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Frage, ob es die Beklagte im Überprüfungsverfahren zu Recht abgelehnt hat, weitere vier persönliche Entgeltpunkte wegen Kindererziehung bei der Regelaltersrente der Klägerin zu berücksichtigen.

2

Die 1946 geborene Klägerin ist Mutter von vier Kindern (geboren 1970, 1974, 1981 und 1982), die sie jeweils im ersten Lebensjahr erzogen hat. Ab 1.5.2011 bezieht sie Regelaltersrente. Bei deren Berechnung wurden jeweils Kindererziehungszeiten (KEZ) für die ersten zwölf Monate nach der Geburt (§ 249 SGB VI idF bis 30.6.2014) berücksichtigt. Mit Bescheid vom 15.8.2014 wurde die Regelaltersrente neu berechnet, wobei ab 1.7.2014 ein Zuschlag von vier persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt wurde (§ 307d SGB VI). Den im Februar 2016 gestellten, auf die Gleichbehandlung mit Müttern von ab 1992 geborenen Kindern gerichteten Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte ab. Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben.

3

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.2.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.6.2016 sowie der Bescheid vom 15.8.2014 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines weiteren Zuschlags in Höhe von vier persönlichen Entgeltpunkten ab 1.7.2014. Denn die Beklagte sei bei Erlass des Bescheides vom 15.8.2014 von den zutreffenden Tatsachen ausgegangen und habe das geltende Recht richtig angewandt. Eine Überprüfung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen auf eine mögliche Unvereinbarkeit mit dem GG habe im Verfahren nach § 44 SGB X zu unterbleiben, sofern diese nicht bereits durch das BVerfG festgestellt worden sei. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wolle, so sei bereits im (vom selben Prozessbevollmächtigten vor dem erkennenden LSG-Senat betriebenen) Verfahren L 19 R 218/16 (dieses war Gegenstand des Urteils des 5. Senats des BSG vom 28.6.2018 - B 5 R 12/17 R) festgestellt worden, dass § 307d SGB VI nicht gegen die Verfassung verstoße(Urteil vom 14.3.2018). Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

4

Mit ihrer am 4.4.2018 beim BSG eingegangenen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Die Frage, ob § 307d SGB VI gegen die Verfassung verstoße, habe grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen wichen die Erwägungen des LSG zu § 44 SGB X von zwei Urteilen des BSG ab.

5

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

6

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

-       

das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

-       

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

7

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

8

Es kann dahinstehen, ob die umfangreiche Beschwerdebegründung der Klägerin den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügt und die erhobenen Rügen zumindest teilweise zulässig sind(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 17a). Die Beschwerde ist jedenfalls schon deshalb unbegründet, weil die Frage, ob § 307d SGB VI gegen die Verfassung verstößt, aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des BSG höchstrichterlich geklärt ist(hierzu 1.). Auf die Unzulässigkeit der Divergenzrüge (hierzu 2.), die sich ausschließlich gegen die Erwägungen des LSG zu § 44 SGB X wendet, kommt es deshalb nicht mehr entscheidend an. Denn ist ein LSG-Urteil - wie vorliegend - auf mehrere Erwägungen gestützt, die es jeweils selbstständig tragen, so kann die Beschwerde nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn Rügen bezüglich aller dieser Erwägungen durchgreifen (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 18 mwN).

9

1. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sich die Klägerin mit der Grundsatzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG)gegen die allein tragenden Erwägungen des LSG wendet, wonach § 307d SGB VI nicht gegen die Verfassung verstoße. Die von ihr formulierte Frage, ob § 307d SGB VI in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes (RVLG) vom 23.6.2014 (BGBl I 787) "über die Berücksichtigung eines Zuschlages an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für Geburten vor dem 1.1.1992 gegen Verfassungsrecht verstößt", ist nicht (mehr) klärungsbedürftig. Dies ist aber Voraussetzung für die Zulassung der Revision (stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - RdNr 12 mwN).

10

Regelmäßig nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die bereits höchstrichterlich entschieden ist (stRspr, zB BSG Beschluss vom 16.4.2013 - B 14 AS 206/12 B - RdNr 6 mwN; zu den - hier nicht in Betracht kommenden - Ausnahmen vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 8b f). Aber auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 Juris RdNr 6). Letztendlich kann dahinstehen, ob die von der Klägerin formulierte Frage möglicherweise bereits bei Beschwerdeeinlegung durch die Rechtsprechung zu § 249 SGB VI idF des RRG 1992 im vorstehenden Sinne geklärt war(vgl BVerfG Beschluss vom 29.3.1996 - 1 BvR 1238/95 - FamRZ 1996, 789; BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - SozR 4-5761 Allg Nr 1; BSG Urteil vom 18.10.2005 - B 4 RA 56/04 R- Juris RdNr 14). Denn die formulierte Frage ist spätestens durch das Urteil des 5. Senats des BSG vom 28.6.2018 (B 5 R 12/17 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) geklärt. Der 5. Senat hat sie dahingehend beantwortet, dass § 307d Abs 2 S 1 SGB VI in der - im vorliegenden Fall wie auch dort maßgeblichen - Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 nicht gegen die Verfassung verstößt (BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 12/17 R - Juris RdNr 10, 14 ff). Dem schließt sich der erkennende 13. Senat des BSG an.

11

2. Der Klägerin ist kein Nachteil daraus erwachsen, dass ihre Rechtsfrage ggf erst nach Eingang ihrer Beschwerde durch das BSG (sicher) geklärt worden ist. Ihre Beschwerde konnte jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil auch ihre Divergenzrüge nicht durchgreift.

12

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21).

13

Die Klägerin rügt die Abweichung des LSG von zwei Urteilen des BSG (Urteil vom 8.9.1988 - 11/7 RAr 61/87 - BSGE 64, 62 = SozR 4100 § 152 Nr 18, Juris RdNr 21, sowie Urteil vom 8.2.2007 - B 7a AL 2/06 R - SozR 4-4300 § 330 Nr 4 RdNr 15). Die Beschwerdebegründung genügt jedoch nicht den vorstehend genannten Anforderungen, denn die Klägerin versäumt es schon, aus den von ihr wörtlich zitierten Auszügen der beiden BSG-Urteile Rechtssätze, also fallübergreifende Aussagen zur Auslegung revisiblen Rechts (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 13 mwN), herauszuarbeiten. Darüber hinaus legt sie nicht dar, dass der dem LSG zugeschriebene Rechtssatz sowie die zitierten Passagen der BSG-Urteile tatsächlich Aussagen zum selben Gegenstand enthalten. Dies wäre jedoch deutlich aufzuzeigen gewesen, denn der dem LSG zugeschriebene Rechtssatz hat - wohlwollend interpretiert - die Frage zum Gegenstand, ob im Verfahren nach § 44 SGB X eine den zur Überprüfung gestellten Verwaltungsakt tragende - noch nicht für verfassungswidrig erklärte - Norm auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht zu untersuchen ist. Demgegenüber ist Gegenstand des Urteils vom 8.9.1988 (11/7 RAr 61/87 - BSGE 64, 62 = SozR 4100 § 152 Nr 18, Juris RdNr 21) die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 44 SGB X nach einer Nichtigkeitserklärung durch das BVerfG. Zugleich betrifft die zitierte Passage des BSG-Urteils vom 8.2.2007 (B 7a AL 2/06 R - SozR 4-4300 § 330 Nr 4 RdNr 15) nicht die Auslegung des § 44 SGB X, sondern des "§ 330 Abs 1 SGB III(idF, die § 330 durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10. Dezember 2001 - BGBl I 3443 - erhalten hat)", wie in RdNr 13 dieses Urteils ausgeführt.

14

3. Die Beschwerde kann auch nicht deshalb erfolgreich sein, weil die im angegriffenen Urteil zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des LSG im Widerspruch zur Praxis des BSG steht, in Verfahren aus Anlass eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X auch die Frage der Vereinbarkeit der dem Ausgangsverwaltungsakt zugrunde liegenden Normen mit dem GG zu untersuchen(vgl zB BSG Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R - SozR 4-2600 § 249b Nr 1; BSG Urteil vom 23.10.2013 - B 5 RS 6/12 R - Juris; BSG Vorlagebeschluss vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - Juris). Eine Divergenz gegenüber einer dieser Entscheidungen hat die Klägerin nicht gerügt. Allein die von der Klägerin jedenfalls sinngemäß auch geltend gemachte inhaltliche Unrichtigkeit des angegriffenen LSG-Urteils kann - wie oben bereits ausgeführt - nicht zur Zulassung der Revision führen.

15

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. (2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Gelt

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(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn1.in der Rente eine Kindererziehungszeit

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Tatbestand 1 Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei Laboruntersuchungen auf Borreliose (Quartal I/2004).

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(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.03.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin höhere Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten zuzuerkennen sind und in der Folge daraus eine höhere Altersrente wegen Schwerbehinderung ab dem 01.07.2014.

Die 1951 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten nachfolgend zu ihrer Erwerbsminderungsrente mit Antrag vom 08.03.2012 die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2012 ab Juni 2012 in Höhe von 871,92 EUR monatlich bewilligte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.09.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.07.2014 eine monatlich laufende Rente in Höhe von 932,77 EUR, weil ab diesem Zeitpunkt ein Zuschlag für Kindererziehung zusätzlich zu berücksichtigen sei (sogenannte Mütterrente). Die Einzelheiten hinsichtlich der Rentenhöhe würden in Anlage 6 des Bescheides dargestellt. Danach betrugen die persönlichen Entgeltpunkte der Klägerin 35,3263 Punkte, hiervon entfielen auf Kindererziehungszeiten 0,9829. Diese waren im bisherigen Bescheid vom 05.04.2012 berücksichtigt. Mit Wirkung ab dem 01.07.2014 wurde ein weiterer Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung pro Kind von 1,0000 zuerkannt, so dass nunmehr persönliche Entgeltpunkte in Höhe von 36,3263 der Rentenberechnung zugrunde gelegt wurden. Der hiergegen am 19.09.2014 eingelegte Widerspruch, der mit Schriftsatz vom 22.12.2014 begründet wurde, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Der Zuschlag sei gemäß § 307d Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - nur in Höhe eines Entgeltpunktes möglich gewesen, da die Klägerin am 30.06.2014 einen Anspruch auf eine Rente gehabt habe und in dieser Rente eine Kindererziehungszeit für den 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt eines vor dem 01.01.1992 geborenen Kindes angerechnet worden sei. Über die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelung habe der Rentenversicherungsträger nicht zu entscheiden.

Zur Begründung der hiergegen am 27.02.2015 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Ungleichbehandlung geltend gemacht. Die Lebensverhältnisse der Mütter, die im Jahr 1981 ein Kind auf die Welt gebracht hätten, seien im Verhältnis zu den nachfolgenden Geburtenjahrgängen fast gleich gewesen. Ein Differenzierungsgrund bestehe deshalb nicht mehr. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb den vor 1992 geborenen Kindern weniger als drei Jahre an Kindererziehungszeiten zuerkannt werden könnten. Des Weiteren hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Verstoß gegen Artikel 44 Abs. 2 Verordnung EG Nr. 987/2009 geltend gemacht. Mit Beschluss vom 11.09.2015 hat das SG den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt. Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Beschwerde, die unter dem Az. L 20 R 772/15 B PKH geführt wurde, führte zur Aufhebung des Beschlusses und Gewährung von Prozesskostenhilfe, da die Verfassungsmäßigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Norm noch nicht abschließend geklärt sei (Beschluss des 20. Senats des BayLSG vom 13.01.2016).

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG sodann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte habe § 307d SGB VI zutreffend angewandt. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Regelung bestünden nicht. Bei der Schaffung von Gesetzestatbeständen, die ausschließlich Vergünstigungen ohne Gegenleistung der Versicherten in Form von Versicherungsbeiträgen zum Gegenstand hätten, sei der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besonders weit. Dies gelte im vorliegenden Fall insbesondere deshalb, weil der neu geschaffene § 307d SGB VI von der gesetzlichen Grundregel des § 306 SGB VI abweiche, nach welcher grundsätzlich Gesetzesänderungen nicht zur Neuberechnung von bereits laufenden Leistungen führen würden (unter Bezugnahme auf ein Urteil des SG Berlin vom 29.06.2015 - S 17 R 473/15, veröffentlicht in juris). Die Überprüfung einer gesetzlichen Norm durch die Gerichte habe sich im Übrigen nicht an möglichen anderen Alternativen zu der vorhandenen Regelung zu orientieren, sondern lediglich an deren Verfassungsgemäßheit. Ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht liege offensichtlich nicht vor. Soweit die Klägerin eine Vereinbarkeit mit Artikel 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 rügt, gehe dies offensichtlich fehl. Diese Vorschrift regle nur die Konditionen bei der Zuständigkeit unterschiedlicher Mitgliedsstaaten für die Gewährung von Kindererziehungszeiten. Die Klägerin sei jedoch in Deutschland geboren und habe auch ausschließlich in Deutschland gelebt, so dass kein Fall einer konkurrierenden sozialen Sicherung verschiedener Mitgliedsstaaten vorläge. Einschlägig sei ausschließlich deutsches Recht. Aus Artikel 44 der Verordnung gehe geradezu hervor, dass die EU unterschiedliche Regelungen von Kindererziehungszeiten akzeptiere.

Zur Begründung der hiergegen am 29.03.2016 beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 04.07.2016 seine bisherige Begründung wiederholt. Konkret hat er nochmals darauf hingewiesen, dass es nicht darum ginge, dass der vom Gesetzgeber gewählte Stichtag 01.01.1992 für die Trennung von Geburten davor und danach maßgebend sei, sondern die Kontroverse darin bestehe, warum nach dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.06.2014 die Kindererziehungszeiten für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt und nicht auch 36 Kalendermonate betragen würde. Es bestünden deshalb begründete Zweifel an der Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung und des Schutzes der Familie nach Artikel 3 und Artikel 6 des Grundgesetzes (GG).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.03.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2015 zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten ab dem 01.07.2014 eine höhere Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.03.2016 zurückzuweisen.

Die Beklagte weist mit Schriftsatz vom 13.07.2016 darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die bis zum 30.06.2014 geltende Regelung zu Beitragszeiten für Kindererziehung bei Geburten vor dem 01.01.1992 im Umfang von lediglich 12 Kalendermonaten als mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt habe (Urteil des BVerfG vom 07.07.1992, Az. 1 BvL 51/86). Alle danach eingelegten Beschwerden wegen Ungleichbehandlung von Kindererziehungszeiten seien wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 144, 153 SGG).

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 21.03.2016 festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Zuerkennung weiterer Kindererziehungszeiten oder auf Zuerkennung einer höheren Altersrente hat.

Nach § 56 SGB VI werden in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtbeitragszeiten für die Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren anerkannt. Diese Regelung wurde im Zuge der Rentenreform im Jahr 1992 neu geschaffen. Für Kinder, die vor dem Inkrafttreten des SGB VI und damit vor dem 01.01.1992 geboren wurden, hat § 249 SGB VI in der bis zum 30.06.2014 geltenden Fassung eine Kindererziehungszeit von 12 Monaten vorgesehen. Mit der Neuregelung zum 01.07.2014 durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-LeistungsverbesserungG vom 23.06.2014, BGBl I 2014, 787) wurde der Zeitraum von 12 Monaten in § 249 SGB VI auf 24 Monate erhöht. Diese 24 Monate Kindererziehungszeiten sind für alle Versicherten zu berücksichtigten, die ein Kind erzogen haben, das vor dem 01.01.1992 geboren wurde und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zum 01.07.2014 noch nicht im Rentenbezug standen. Bei einer laufenden Rente am Stichtag 01.07.2014 wird hingegen die Rentenhöhe unter Zugrundelegung eines weiteren pauschalen Entgeltpunkts neu berechnet (§ 307d SGB VI). Die Umsetzung erfolgte bei den laufenden Renten automatisch, eines gesonderten Antrags der Versicherten bedurfte es nicht.

Der Klägerin wurden nach der bis zum 30.06.2014 geltenden Fassung des § 249 Abs. 1 SGB VI im Rahmen ihrer versicherungsrechtlichen Zeiten Zeiten der Kindererziehung vom 01.07.1981 bis 30.06.1982 zuerkannt, nachdem ihr Sohn F. am 10.06.1981 geboren wurde. Weitere Kinder, für die Kindererziehungszeiten zu beachten wären, hat die Klägerin nicht. Unter Berücksichtigung dieser Kindererziehungszeiten wurde der Klägerin mit Bescheid vom 05.04.2012 eine Rente in Höhe von 871,92 EUR ab Juni 2012 bestandskräftig zuerkannt. Eine Neuberechnung der Rente erfolgte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2015 durch Zuerkennung eines weiteren (pauschalen) Entgeltpunktes, was zu einer Erhöhung der laufenden Rente der Klägerin auf monatlich 932,77 EUR führte.

Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Erhöhung der Altersrente durch Zuerkennung weiterer Beitragszeiten wegen Kindererziehung oder weiterer Entgeltpunkte hat die Klägerin nicht. Zwar liegt weiterhin eine Differenzierung hinsichtlich des Geburtsjahrgangs der Kinder vor. Diese ist aber unter Berücksichtigung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze in dem Urteil vom 07.07.1992 und der zwischenzeitlich erfolgten weiteren sozialpolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Familien mit Kindern durch den Gesetzgeber in dem vom Gericht zu überprüfenden Maße hinzunehmen.

Das SG hat in seinem Urteil bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 306 SGB VI bei einer Neuregelung der einer laufenden Rente bereits zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte grundsätzlich die Rentenhöhe nicht neu bestimmt wird, sofern nicht eine entsprechende Ausnahmevorschrift existiert. Hinsichtlich der Kindererziehungszeiten ist in § 307d SGB VI eine entsprechende Regelung vorhanden. Die Beklagte hat diese Regelung auf die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 08.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2015 in rechtmäßiger Weise umgesetzt.

Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit dieser Neuregelungen sieht der Senat insbesondere im Hinblick auf die wesentlichen Entscheidungsgrundsätze des BVerfG in seinem Urteil vom 07.07.1992 nicht. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 07.07.1992 zutreffend ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der zum 01.01.1992 umgesetzten Rentenreform in § 56 SGB VI einen ersten Schritt zur Verbesserung der Alterssicherung von Familien mit Kindern in der gesetzlichen Rentenversicherung unternommen hat. Bei der Festlegung der Reformschritte gebühre dem Gesetzgeber eine ausreichende Anpassungszeit und er dürfe hierbei die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen. Unabhängig davon, auf welche Weise die Mittel für den Ausgleich aufgebracht würden, habe der an den Verfassungsauftrag gebundene Gesetzgeber erkennbar sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringere. Das BVerfG hat dabei in seinen Entscheidungsgründen aber auch darauf hingewiesen, dass ein „Familienlastenausgleich“ nicht ausschließlich im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfolgen habe, sondern dass es sich hierbei um ein gesamtgesellschaftliches Problem handele, das ein Tätigwerden des Gesetzgebers auf unterschiedlichen Feldern erfordere (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 130 ff.). Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber zahlreiche Regelungen geschaffen, die die gleichzeitige Erziehung von Kindern und Erwerbstätigkeit der Eltern verbessert haben, so dass größere Lücken in den Rentenbiographien der Eltern vermieden werden können und sich insoweit das Problem nicht allein im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung manifestieren muss und auch nicht allein überwiegend bei Frauen als erziehendem und auf eine Erwerbstätigkeit verzichtendem Elternteil.

Das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung auch mit der Frage der Zulässigkeit von Stichtagsregelungen auseinandergesetzt, die vornehmlich die vor dem Jahr 1921 geborenen Mütter betroffen hatten. Ein finanzieller Mehraufwand im Allgemeinen rechtfertigt dabei grundsätzlich keine Differenzierung nach Stichtagen. Bestehen aber anderweitige Möglichkeiten der Absicherung, z. B. durch private Vorsorge oder freiwillige Beiträge und stellt die Umsetzung einer gesetzlichen Neuregelung neben der Frage der Finanzierbarkeit auch eine nicht zu bewältigende verwaltungstechnische Aufgabe dar, die letztlich die Funktionsfähigkeit des Systems in Frage stellen würde, kann in einer Stichtagsregelung kein grundsätzliches verfassungsrechtliches Problem gesehen werden. Entscheidend ist dabei nach Ansicht des Senats aber, dass es sich bei den Kindererziehungszeiten nach §§ 56, 249, 307d SGB VI zwar um Pflichtbeitragszeiten handelt, denen aber mangels eigener Beitragsleistung des Versicherten in diesen Zeiten kein eigentumsrechtlicher Schutz im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG zukommt. Der Gesetzgeber hatte erstmals mit der großen Reform des Rentenrechts im Jahr 1992 entsprechende Zeiten zuerkannt, die den Versicherten zugutekommen sollten, die noch nicht im Bezug von Altersrenten standen und deren Erwerbsbiografien insoweit noch nicht abgeschlossen waren, deren Absicherung im Alter durch das zwischenzeitlich geänderte Rollenverständnis und die soziale Wirklichkeit aber nicht mehr ausschließlich über den Ehepartner oder die eigenen Kinder erfolgen konnte oder musste. Mit der Einbeziehung der früher geborenen Kinder über die Regelung des § 249 SGB VI hat der Gesetzgeber insoweit einen gewissen Ausgleich und eine Abmilderung der Stichtagsregelung schaffen wollen. Auf die Begründung des BVerfG in seinen Entscheidungsgründen wird insoweit verwiesen (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 150 ff.).

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weist allerdings zutreffend auf den Umstand hin, dass die im Jahr 1992 getroffene Stichtagsregelung nicht das Problem darstellt, sondern die jetzt vorgenommene Neuregelung durch das RV-LeistungsverbesserungsG vom 23.06.2014, bei der der Gesetzgeber selbst die Notwendigkeit einer weiteren Angleichung der Kindererziehungszeiten gesehen hatte, die bestehende Regelung selbst als ungerecht bezeichnet hatte, aber eben auch weiterhin am Stichtag 01.01.1992 festgehalten und lediglich eine Anhebung der Zeiten, aber eben gerade keine Gleichstellung der Kinder vorgenommen hat. Der gesetzgeberischen Begründung ist aber zu entnehmen, dass für die Differenzierung weitere Gründe gesehen wurden, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierbarkeit dieser Leistungen generell bei Einbeziehung auch der laufenden Renten ohne Begrenzung und im Hinblick auf die verwaltungstechnische Umsetzung, die mit der pauschalen Zuerkennung eines Entgeltpunktes für machbar erachtet wurde. Insoweit wird auf die BT-Drs. 18/909, die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage mit Drs. 18/3700 vom 07.01.2015 und die Stellungnahme des Sozialverbands Deutschland vom 29.04.2014 verwiesen.

Hinsichtlich der getroffenen Neuregelung zum 01.07.2014 hat der Senat den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu berücksichtigen und lediglich zu überprüfen, ob Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung bestehen. Derartige Anhaltspunkte sieht der Senat nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiteren Schritt zum Familienlastenausgleich unternommen und mit der pauschalen Zuerkennung eines weiteren Entgeltpunktes auch die laufenden Rentenbezieher entsprechend effektiv in die Leistungsverbesserung einbezogen.

Der Senat sieht auch keinen Verstoß gegen europarechtliche Normen. Ein europarechtlich relevanter Sachverhalt kann nicht gesehen werden. Die Ausgestaltung beitragsunabhängiger Sozialleistungen, zu denen in diesem Fall auch die Bewertung von Kindererziehungszeiten gehört, obliegt nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich der Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers (vgl. hierzu Fuchs, Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Sozialrecht im Jahr 2016, NZS 2017, 81 ff. m. w. N.; ECLI:EU:C:2016:436, Urteil vom 14.06.2016). Im Übrigen hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht isoliert gesehen werden kann, sondern der Umsetzung der sog. Grundverordnung dient, also der VO Nr. 883/2004, die sich mit der sozialen Sicherheit von Arbeitnehmern im Rahmen der Freizügigkeit in der EU beschäftigt. Die Klägerin hat aber keinerlei Versicherungszeiten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt. Eine einheitliche Ausgestaltung von Ansprüchen wegen Kindererziehung in den Mitgliedsstaaten der EU ist dem europäischen Recht bislang nicht zu entnehmen.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.03.2016 als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die hier streitige Rechtsfrage der Differenzierung nach dem Stichtag 01.01.1992 trotz gesetzlicher Neuregelung der Kindererziehungszeiten mit dem RV-LeistungsverbesserungsG zum 01.07.2014 noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Das bereits beim Bundessozialgericht anhängige Verfahren B 13 R 2/17 R betrifft einen anderen Lebenssachverhalt.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin ab 1.7.2014 ein Anspruch auf weitergehende Berücksichtigung ihrer Kindererziehung und damit auch auf eine höhere Altersrente wegen Schwerbehinderung zusteht.

2

Auf Antrag vom März 2012 bewilligte die Beklagte der am 7.6.1951 geborenen Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1.2.2012 (Bescheid vom 5.4.2012). Dabei berücksichtigte sie Kindererziehungszeiten (KEZ) vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 für das am 10.6.1981 geborene Kind. Mit Bescheid vom 8.9.2014 setzte die Beklagte den Wert der Rente mit Wirkung vom 1.7.2014 neu fest, weil ab diesem Zeitpunkt ein Zuschlag für Kindererziehung in Höhe eines EP zusätzlich zu berücksichtigen sei. Aus Anlage 6 ergebe sich, dass ein weiterer persönlicher EP für Kindererziehung als Zuschlag und damit 36,3263 EP (bisher: 35,3263 EP) der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden sei. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015).

3

Mit Urteil vom 21.3.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Bayerische LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15.3.2017). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für ab 1.1.1992 geborene Kinder habe § 56 SGB VI drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung ab diesem Zeitpunkt anerkannt, für davor geborene Kinder eine KEZ von 12 Monaten. Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.2014, BGBl I 787) sei der Zeitraum von 12 auf 24 Monate erhöht worden. Bei laufender Rente werde die Rentenhöhe unter Zugrundelegung eines weiteren pauschalen EP von Amts wegen - wie bei der Klägerin erfolgt - neu bestimmt. Auf eine weitere Erhöhung der Rente unter Zuerkennung weiterer KEZ bestehe kein Anspruch. Zwar liege weiterhin eine Differenzierung hinsichtlich des Geburtsjahrgangs der Kinder vor. Diese sei aber unter Berücksichtigung der vom BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - entwickelten Grundsätze und der zwischenzeitlich erfolgten weiteren sozialpolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Familien mit Kindern in dem vom Gericht zu überprüfenden Maße hinzunehmen. Diese Neuregelungen seien nicht verfassungswidrig. Insbesondere gebühre dem Gesetzgeber bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit, die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung dürfe er berücksichtigen. Das BVerfG habe auch darauf hingewiesen, dass der "Familienlastenausgleich" ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, der Gesetzgeber müsse auf unterschiedlichen Feldern tätig werden, was auch erfolgt sei. Zwar seien die KEZ Pflichtbeitragszeiten, mangels eigener Beitragsleistung komme ihnen aber kein eigentumsrechtlicher Schutz nach Art 14 Abs 1 GG zu. Der Gesetzgeber habe weiterhin am Stichtag 1.1.1992 festgehalten und vor und nach diesem Zeitpunkt geborene Kinder nicht vollständig gleichgestellt. Als Gründe für die Differenzierung habe er die Einbeziehung auch der laufenden Renten ohne Begrenzung und deren Finanzierung sowie die verwaltungstechnische Umsetzung mit einer pauschalen Zuerkennung eines EP für machbar erachtet. Im Hinblick auf die Neuregelung zum 1.7.2014 müsse der Senat aber den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers berücksichtigen. Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung seien nicht ersichtlich.

4

Mit der Revision rügt die Klägerin, § 307d SGB VI verstoße gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art 6 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 und 2 GG sowie Art 20 Abs 1 und 3 GG. Die KEZ für vor 1992 geborene und ab 1992 geborene Kinder müssten gleichgestellt werden, sodass ihr zusätzlich ein EP und damit eine höhere Altersrente zustehe. Der vom Gesetzgeber aufgeführte "Verwaltungsaufwand" sowie die Finanzierbarkeit der geforderten Leistung könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. So sei bei Zuerkennung eines "pauschalen" EP die Rente nicht kompliziert neu zu berechnen, die Leistungsverbesserung werde im Wesentlichen aus dem Beitragsaufkommen finanziert. Dass der Gesetzgeber selbst die Notwendigkeit einer weiteren Angleichung der KEZ sehe, dennoch am Stichtag 1.1.1992 festhalte und nur eine Anhebung der Zeiten, aber keine Gleichstellung der Kinder vornehme, sei in sich widersprüchlich.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. März 2017 und das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21. März 2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 2014 höhere Altersrente unter weitergehender Berücksichtigung ihrer Kindererziehung zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision (vgl § 160 Abs 1 und 3 SGG) ist zulässig und insbesondere formgerecht begründet. Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (BSG Urteile vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7).

9

Die Klägerin setzt sich - ebenso wie das LSG - mit der Rechtsprechung des BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - auseinander und geht insoweit - zumindest punktuell - auf die Entscheidungsgründe des LSG ein. § 307d SGB VI verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, weil weder der Verwaltungsaufwand noch die Finanzierbarkeit eines weiteren EP die unterschiedliche Anrechnung von KEZ für vor dem 1.1.1992 bzw nach ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder rechtfertigten. Da auch das LSG nicht weiter begründet, warum über die Rechtsprechung des BVerfG zum alten Recht hinaus § 307d SGB VI nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, erweist sich die Revisionsbegründung der Klägerin hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen als ausreichend. Dies gilt unabhängig von dem beim Großen Senat des BSG anhängigen Verfahren - GS 1/17 - auch nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach sich Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen nach deren eigener Qualität richten (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - vorgesehen in BSGE sowie SozR 4-2600 § 51 Nr 1 RdNr 12).

10

B. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Erhöhung des Werts ihrer Altersrente wegen Schwerbehinderung unter Berücksichtigung ihres vor dem 1.1.1992 geborenen Kindes. Ein Anspruch auf eine höhere Rente ergibt sich nicht aus § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI(dazu 2.). Auch verstößt § 307d Abs 2 S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 nicht gegen die Verfassung (dazu 3.).

11

1. Die Regelung des § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI beschränkt sich auf die Verpflichtung der Beklagten, unter den dort genannten Voraussetzungen den Höchstwert am Stichtag 30.6.2014 vorhandener Bestandsrenten durch zusätzliche Berücksichtigung eines Zuschlags von einem persönlichen EP pro Kind zu erhöhen. Im Einzelfall liegt darin eine teilweise Änderung der rechtlichen Verhältnisse gegenüber der ursprünglichen Rentenbewilligung iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, der durch eine Teilaufhebung der ursprünglichen Festsetzung des Rentenwerts und deren Ersetzung durch einen höheren Rentenwert Rechnung zu tragen ist. Die mögliche Beschwer der Klägerin liegt dabei darin, dass sie zwar einen Zuschlag von einem persönlichen EP erhält, ihre Rente jedoch anders als im Regelfall des § 56 Abs 1, 5 SGB VI unverändert nicht unter Berücksichtigung von drei Jahren KEZ oder einer vergleichbaren Begünstigung festgesetzt wird. Nicht anders als bei einem Angriff auf Mitteilungen über die Rentenanpassung (grundlegend BSG Urteil vom 23.3.1999 - B 4 RA 41/98 R - SozR 3-1300 § 31 Nr 13 S 23 f, 28; vgl auch BSG Beschlüsse vom 26.10.2017 - B 13 R 54/17 B - Juris RdNr 9 und - B 13 R 102/17 B - Juris RdNr 8) oder gegen die zusätzliche Berücksichtigung von EP für Ghetto-Zeiten (BSG Urteil vom 3.5.2005 - B 13 RJ 34/04 R - BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1, RdNr 5) kann daher auch vorliegend mit der kombinierten (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage nur die einfachgesetzliche Umsetzung gerade von § 307d SGB VI, und die Verfassungswidrigkeit (nur) dieser Norm geltend gemacht werden.

12

2. Die Beklagte hat das einfache Recht zutreffend angewandt. Nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VI sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren KEZ. Sie sind Pflichtbeitragszeiten nach § 55 Abs 1 S 1 und 2 SGB VI, für die Beiträge als gezahlt gelten. Nach § 177 Abs 1 SGB VI werden die Beiträge für die KEZ vom Bund gezahlt. Die Regelungen der §§ 55 und 56 SGB VI sind am 1.1.1992 in Kraft getreten (Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 - vom 18.12.1989, BGBl I 2261). Für Kinder, die vor dem Inkrafttreten des SGB VI und damit vor dem 1.1.1992 geboren wurden, hat § 249 Abs 1 SGB VI in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) eine KEZ von 12 Monaten vorgesehen. Mit der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurde der Zeitraum von 12 Monaten auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI). Diese 24 Monate KEZ sind für alle Versicherten zu berücksichtigen, die ein Kind erzogen haben, das vor dem 1.1.1992 geboren wurde und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zum 1.7.2014 noch nicht im Rentenbezug standen. Bei einer laufenden Rente am Stichtag 30.6.2014 - wie vorliegend - wird hingegen die Rentenhöhe unter zusätzlicher pauschaler Berücksichtigung eines weiteren persönlichen EP neu bestimmt (§ 307d SGB VI: sog Zuschlag zu den persönlichen EP). Die Umsetzung erfolgt bei den laufenden Renten automatisch. Eines gesonderten Antrags der Versicherten bedarf es ebenso wenig wie einer vollständigen Neubestimmung des Rentenwerts und - auf der Ebene der verwaltungstechnischen Umsetzung - der Einschaltung der Sachbearbeitung.

13

Nach den Feststellungen des LSG sind der Klägerin für ihren am 10.6.1981 geborenen Sohn Zeiten der Kindererziehung vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 zuerkannt und im Bescheid vom 5.4.2012 berücksichtigt worden. Aufgrund der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat die Beklagte pauschal einen weiteren (persönlichen) EP zuerkannt und die Rente neu festgesetzt (Bescheid vom 8.9.2014, Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015). Dass die Festsetzung der Rentenhöhe durch die Beklagte aus anderen einfachrechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnte, ist weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch ist dies ersichtlich.

14

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Festsetzung eines höheren Rentenwerts ergibt sich auch nicht aus materiellem Verfassungsrecht. § 307d Abs 2 S 1 SGB VI steht mit der Verfassung im Einklang.

15

a) Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

16

aa) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass der § 307d SGB VI unterfallende Personenkreis, dem die Klägerin angehört (Bestandsrentner mit Geburt eines Kindes vor dem 1.1.1992) gegenüber dem Regelfall einer Berücksichtigung von drei Jahren KEZ (§ 56 Abs 1, 5 SGB VI) ab dem 1.7.2014 noch weiterhin insofern anders behandelt wird, als bei ihr nur der 1. bis 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt als KEZ berücksichtigt wird und zusätzlich pauschal ein persönlicher EP Berücksichtigung findet. Damit teilen die Betroffenen im Wesentlichen das Schicksal der von § 249 Abs 1 SGB VI erfassten Zugangsrentner mit ebenfalls vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern, bei denen die KEZ 24 Kalendermonate nach Ablauf der Geburt endet.

17

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl BVerfGE 98, 365, 385). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; 126, 400, 416). Dabei verwehrt Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl BVerfGE 124, 199, 220). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 110, 412, 432).

18

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfGE 117, 1, 30; 126, 400, 416). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfGE 124, 199, 220; 130, 240, 252 ff).

19

Nach diesen Maßstäben ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei vor 1992 geborenen Kindern von Bestandsrentnern 12 Monate und einen pauschalen Zuschlag, bei ab 1.1.1992 geborenen Kindern 36 Monate zugrunde legt. Diese Differenzierung wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber durfte insofern insbesondere unverändert die Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung sowie das Inkrafttreten zahlreicher Regelungen berücksichtigen, die die leistungsrechtliche Position von Eltern in der gesetzlichen Rentenversicherung verbessert haben.

20

Ausgangspunkt ist weiterhin die Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 (1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Das BVerfG hat dort (BVerfGE 87, 1, 40) ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Anerkennung von KEZ als rentenbegründendem und rentensteigerndem Tatbestand im Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG vom 11.7.1985, BGBl I 1450) bereits einen ersten Schritt zur Verbesserung der Alterssicherung kindererziehender Personen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung getan habe. Ein zusätzlicher Schritt bestehe in der Verlängerung der anrechnungsfähigen KEZ, die das Rentenreformgesetz 1992 gebracht habe. So wurden ab 1.1.1992 für ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder drei Jahre Pflichtbeitragszeit für die Erziehung eines Kindes anerkannt (§ 56 Abs 1 S 1 SGB VI). Für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder wurde eine KEZ von 12 Monaten zuerkannt (§ 249 SGB VI). Das BVerfG hat weiter ausgeführt, dem Gesetzgeber gebühre bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit und er dürfe hierbei die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen (BVerfGE 87, 1, 40 f).

21

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber in der gesetzlichen Rentenversicherung zahlreiche Regelungen geschaffen, die die gleichzeitige Erziehung von Kindern und Erwerbstätigkeit der Eltern verbessert haben. Seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 werden für Eltern, die ihre (iS der §§ 14, 15 SGB XI) pflegebedürftigen Kinder betreuen, nach Maßgabe der § 44 SGB XI, §§ 3, 166 SGB VI(wie auch für sonstige Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI) Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. Durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 71 Abs 3 SGB VI werden im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung besser bewertet. In Ausführung der Entscheidung des BVerfG vom 12.3.1996 (1 BvR 609/90 und 692/90 - BVerfGE 94, 241 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5) sind die Bewertungen der KEZ durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 70 Abs 2 SGB VI verbessert worden. Mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde für Erziehungszeiten ab 1992 die Regelung des § 70 Abs 3a SGB VI eingeführt, die unter den dort im Einzelnen normierten Voraussetzungen die Anrechnung zusätzlicher EP für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorsieht(vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 47 f mwN).

22

Um den durch die Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung weiter abzubauen, hat der Gesetzgeber zum 1.7.2014 die KEZ für die vor dem 1.1.1992 geborenen Kinder durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz um 12 Monate auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI) und diese Verbesserung durch den Zuschlag an persönlichen EP für Kindererziehung (§ 307d SGB VI) auf die Bestandsrenten übertragen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde nach der Auffassung des BVerfG unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von KEZ bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen (BVerfG Beschluss vom 29.3.1996 - 1 BvR 1238/95 - Juris RdNr 8). Mit der Anhebung der Beitragszeit für Zugangsrentner mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung nicht vertieft, sondern vermindert (so auch Koop, Die "Mütterrente" im verfassungsrechtlichen Kontext, NZS 2015, S 650 ff, 652). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (vgl BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

23

Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9). Auch darf der Gesetzgeber nach Einschätzung des BVerfG berücksichtigen, inwieweit die Rentenversicherungsträger überhaupt personell in der Lage sind, erforderlichenfalls auch eine große Zahl von bereits abgeschlossenen Rentenvorgängen wieder aufzugreifen, um eine Rentenneuberechnung unter (weitergehender) Berücksichtigung der KEZ durchzuführen. Zudem hat das BVerfG den Gesetzgeber auch dazu berechtigt angesehen, sich mit einer auf den Rentenzugang beschränkten Regelung zu begnügen, wenn eine Einbeziehung der Bestandsrentner mit besonders großem finanziellen Aufwand verbunden wäre (vgl BVerfGE 87, 1, 44 f).

24

Vorliegend war der Gesetzgeber berechtigt, bezüglich der Anerkennung von KEZ zwischen vor dem 1.1.1992 und ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern zu unterscheiden. In der Begründung der Entwurfsverfasser des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes ist ausgeführt, das BVerfG habe nicht beanstandet, dass nur für Geburten ab 1992 die anzurechnende KEZ von einem Jahr auf drei Jahre verlängert worden sei, für die vor 1992 geborenen Kinder es bei der Anrechnung von einem Jahr KEZ verblieben. Da jedoch in früheren Zeiten noch nicht in dem Maße Kinderbetreuungsmöglichkeiten bestanden hätten, hätten gerade Mütter und Väter von vor 1992 geborenen Kindern Nachteile in ihrer Alterssicherung hinnehmen müssen. Obwohl das BVerfG nicht beanstandet habe, dass nur Geburten ab 1992 in die Begünstigung einbezogen worden seien, werde diese ungleiche Honorierung von Kindererziehung je nach Geburtsdatum des Kindes mit dem vorliegenden Gesetz verringert. In Zukunft werde die Erziehungsleistung für alle Mütter und Väter, deren Kinder vor 1992 geboren worden seien, durch Ausweitung der KEZ (um 12 Monate) in der Rente anerkannt. Bei völliger Gleichstellung würden sich die Kosten hierfür verdoppeln, was nicht finanzierbar sei (vgl BT-Drucks 18/909, S 14 sowie S 3).

25

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber den Bedürfnissen der Massenverwaltung durch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen Rechnung tragen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl BVerfGE 100, 138, 174; BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 ua - BVerfGE 112, 368, 404 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 62). Hinzu kommt, dass die Gruppe der Klägerin zunächst gegenüber der generellen Behandlung von Bestandsrentnern in § 306 Abs 1 SGB VI ausnahmsweise begünstigt wird, als insofern das neue Recht überhaupt Berücksichtigung findet. Grundsätzlich ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, bei einer Neuregelung einer laufenden Rente die bereits zugrunde gelegten persönlichen EP neu zu bestimmen (§ 306 SGB VI). Der Gesetzgeber hat hier eine spezialgesetzliche Ausnahme gemacht und die Bestandsrentner über § 307d SGB VI einbezogen.

26

Gleichermaßen gegenüber dem Regelfall der (maximal) dreijährigen wie der (maximal) zweijährigen Anrechnung von KEZ bei Zugangsrentnern mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern ergeben sich durch die pauschalierende Vorgehensweise des Gesetzgebers zusätzliche Vorteile. Für den 13. bis 24. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes kommt es für Personen wie die Klägerin auf die tatsächlichen Verhältnisse nicht an. Vielmehr wird für jedes Kind unter den Voraussetzungen des § 307d SGB VI pauschal ein voller persönlicher EP angerechnet. Damit ist der individuelle Zugangsfaktor (§ 77 SGB VI) unerheblich. Zudem ist der Wert der Anrechnung von KEZ - anders als in § 70 Abs 2 S 2 SGB VI - nicht auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Keineswegs immer ist daher der faktische Vergleichsfall die wertsteigernde Berücksichtigung einer dreijährigen KEZ mit etwa einem EP pro Jahr. Es erscheint insofern auch im Lichte des Art 3 Abs 1 GG sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber - welcher bei Schaffung der Regelung des § 307d SGB VI von rund 9,5 Millionen Bestandsrenten ausging(vgl BT-Drucks 18/909 S 15) - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und zur Vermeidung umfangreicher Neuberechnungen eine pauschalierende Regelung getroffen hat.

27

Im Bereich des sozialen Ausgleichs und damit auch hinsichtlich der getroffenen Neuregelung zum 1.7.2014 hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfGE 130, 240, 254). Der Senat hat dies zu berücksichtigen und lediglich zu überprüfen, ob Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung bestehen. Derartige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiteren Schritt zum Familienlastenausgleich unternommen und mit der pauschalen Zuerkennung eines weiteren EP auch die laufenden Rentenbezieher entsprechend effektiv in die Leistungsverbesserung einbezogen.

28

bb) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG vor zwischen Personen, die wegen Kindererziehung keine oder eine weitgehend unterbrochene Erwerbsbiografie haben, und solchen, die lückenlos erwerbstätig waren. Es ergibt sich daraus keine Pflicht des Gesetzgebers, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen, zuletzt mit der grundsätzlichen Anhebung der Beitragszeit von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG aus 1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

29

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Das BVerfG (Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) hat es für mit dem GG vereinbar erachtet, dass Familien auf der Leistungsseite der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht begünstigt würden. Jedoch sei Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Entlastung nicht auf der Beitragsseite erfolge. Das BSG hat eine verfassungsrechtlich gebotene Entlastung wegen Betreuung und Erziehung von Kindern auf der Beitragsseite der gesetzlichen Rentenversicherung verneint (vgl BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77; sowie BSG Urteile vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1, und vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - vorgesehen: BSGE und SozR 4-1100 Art 3 Nr 84). Zum einen sei die in der sozialen Pflegeversicherung zu bejahende Prämisse einer Mindestgeschlossenheit des Sozialversicherungssystems in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gegeben (vgl BSGE 120, 23, RdNr 36 ff). Zum anderen habe der Gesetzgeber auch auf der Leistungsseite die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (vgl BVerfGE 87, 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der gesetzlichen Rentenversicherung eingefügt habe und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so systemgerecht bereits im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen habe (vgl BSGE 120, 23, RdNr 43, 46). Diese Auffassung hat das BVerfG jedenfalls für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt. Demnach sei ein Ausgleich nicht nur im Beitragsrecht möglich. Vielmehr wirkten sich Zeiten der Kindererziehung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend aus (§ 17 Abs 1 S 2 Nr 1 ALG iVm § 56 Abs 1 SGB VI). Diese Argumentation lasse darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen habe und mache deutlich, dass auch das BVerfG für die gesetzliche Rentenversicherung von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgehe. Die Anerkennung von KEZ füge sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BSGE 120, 23 RdNr 49; BVerfG Beschluss vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 - BVerfGK 12, 81, 83).

30

b) Die angegriffene Regelung des § 307d SGB VI verstößt auch nicht gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art 3 Abs 2 GG.

31

Art 3 Abs 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern (vgl BVerfGE 87, 1, 42 = SozR 3-5761 Allg Nr 1; BVerfGE 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). Durch die Anfügung von S 2 in Art 3 Abs 2 GG ist ausdrücklich klargestellt worden, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl BVerfGE 92, 91, 109; 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral formuliert sind, im Ergebnis aber aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen (vgl BVerfGE 97, 35, 43; 104, 373, 393; 113, 1, 15). Demnach ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Über eine solche unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art 3 Abs 2 GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung für Frauen und Männer ebenfalls Bedeutung.

32

Es kann dahinstehen, ob trotz des Anstiegs der Zahl berufstätiger Frauen im allgemeinen noch immer Frauen die Kindererziehung übernehmen und aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit verzichten (vgl BVerfGE 113, 1, 19). Denn die Rechtfertigung einer faktischen Benachteiligung kommt dann in Betracht, wenn die diskriminierende Regelung auf hinreichenden sachlichen Gründen beruht. Dies ist - wie ausgeführt - der Fall. Ein Verstoß von § 307d SGB VI gegen Art 3 Abs 2 GG kommt daher nicht in Betracht.

33

c) Ein Verstoß von § 307d Abs 2 S 1 SGB VI gegen Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip liegt ebenfalls nicht vor.

34

Art 6 Abs 1 GG enthält eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl BVerfGE 80, 81, 92 f; 105, 313, 346; 131, 239, 259). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Der Gesetzgeber ist aufgrund des Schutzauftrags aus Art 6 Abs 1 GG dazu verpflichtet, durch die Kindererziehung entstehende Benachteiligungen in der Alterssicherung von kindererziehenden Familienmitgliedern auszugleichen. Allerdings verfügt er dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen (vgl BVerfGE 87, 1, 39). Der Gesetzgeber darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BVerfGE 87, 1, 41), sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen. Das BVerfG ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass durch Kindererziehung entstehende Nachteile innerhalb der Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen werden (vgl BVerfGE 94, 241, 263 f) und sich die Anerkennung von KEZ in die Struktur der Rentenversicherung einfügt (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f).

35

Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber bei seinen Maßnahmen zur erweiterten Anerkennung der Kindererziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung seit der Einführung der Anrechnung von KEZ durch das am 1.1.1986 in Kraft getretene HEZG regelmäßig innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geblieben ist. KEZ erhalten für die ersten drei Lebensjahre von ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern EP. Berücksichtigungszeiten bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres eines Kindes wurden durch das Rentenreformgesetz 1992 systemkonform eingeführt. Die Bewertung der KEZ hat der Gesetzgeber bis zu einem Wert an EP entsprechend der Beitragsleistung eines Durchschnittsverdieners in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) angehoben.

36

Aus der in Art 6 Abs 1 GG enthaltenen Verpflichtung des Staats zur Förderung der Familie ergibt sich kein gesetzliches Gebot, die Erziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung stärker leistungssteigernd zu berücksichtigen. Dies hat das BSG bereits mehrfach im Zusammenhang mit der Begrenzung der Bewertung zeitgleich zurückgelegter KEZ und sonstiger Beitragszeiten auf die Höchstwerte der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze entschieden (vgl BSG Urteile vom 17.12.2002 - B 4 RA 46/01 R - SozR 3-2600 § 70 Nr 6 S 12 ff; und vom 18.5.2006 - B 4 RA 36/05 R - BSGE 96, 218 = SozR 4-2600 § 70 Nr 1 RdNr 18 f). Aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staats zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, oder konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445).

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Oktober 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 13 016,26 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich das klagende Pharmaunternehmen - eine GmbH - gegen die Nachforderung von Rentenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum 1.9.2003 bis 30.9.2004, in dem der Beigeladene bei ihr als sog Wissenschaftlicher Fachreferent im Außendienst beschäftigt war. Der Beigeladene ist approbierter Arzt und war nach Aufnahme einer zuvor ausgeübten Tätigkeit an einem Forschungsinstitut Mitglied des Versorgungswerks der Ärztekammer Berlin. Aus diesem Grunde war er durch die Beklagte 1991 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden. Aufgrund einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 28.10.2004 von der Klägerin Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 13 016,26 Euro für den Beigeladenen nach, da die erteilte Befreiung nicht die in der streitigen Zeit vom Kläger ausgeübte Beschäftigung umfasse. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 8.10.2010.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist unzulässig, denn die Klägerin hat in ihrer Begründung keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet. Sie ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist demgegenüber kein Zulassungsgrund.

5

Die Klägerin beruft sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6

           

Die Klägerin hält folgende Frage für klärungsbedürftig:

        

"Ist die Tätigkeit eines Arztes als Wissenschaftlicher Fachreferent oder Pharmareferent, bei der Kenntnisse vorausgesetzt und angewendet werden, die aufgrund einer medizinischen Hochschulausbildung mit Prüfung sowie praktizierter ärztlicher Tätigkeit und Behandlung erworben wurden, eine berufsfremde Tätigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI?"

7

Mit dieser Frage hat die Klägerin bereits keine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung formuliert. Vielmehr verdeutlicht die Benennung der vertraglichen Bezeichnung der Beschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin und die Einbeziehung konkreter Umstände dieser Beschäftigung in die Fragestellung, dass diese in erster Linie nicht auf die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage, sondern auf eine Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalls gerichtet ist.

8

Soweit sich die Fragestellung sowie die diesbezügliche Beschwerdebegründung generell auf die Klärung der für die Abgrenzung einer zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führenden Beschäftigung oder Tätigkeit maßgeblichen Kriterien, insbesondere der Bedeutung landesrechtlicher Berufsordnungen hierfür, beziehen und insoweit über den Einzelfall hinausweisen soll, werden Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht ordnungsgemäß dargelegt.

9

Zur Klärungsfähigkeit hätte die Klägerin darlegen müssen, dass das BSG auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG im Falle der Zulassung der Revision über die aufgeworfene Rechtsfrage entscheiden könnte. Insbesondere hätte es Darlegungen zu den Feststellungen des LSG über den Inhalt landesrechtlicher Berufs-, Kammer- und Versorgungsordnungen oder zu deren Revisibilität (vgl § 162 SGG) bedurft. Die einzige in der Beschwerdebegründung enthaltene Passage zur Klärungsfähigkeit beschränkt sich jedoch auf die Behauptung, dass im Falle der Beantwortung der formulierten Frage im Sinne der Klägerin zu ihren Gunsten zu entscheiden sei. Damit greift die Klägerin nur einen einzelnen Aspekt der Klärungsfähigkeit auf, der allein jedoch nicht zu deren anforderungsgerechter Darlegung ausreicht.

10

Ausgehend von der durch die Klägerin formulierten Frage, genügt zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht allein die Behauptung, das BSG habe im Zusammenhang mit der streitentscheidenden Norm noch nicht zu einer bestimmten Berufsgruppe entschieden und es gebe insoweit abweichende Entscheidungen der Instanzgerichte. Dies betrifft regelmäßig allein die Subsumtion konkreter Umstände unter diese Norm und keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, selbst wenn der Einzelfall beispielgebend für eine Vielzahl von Angehörigen dieser Berufsgruppe wäre. Vielmehr wäre zur Klärungsbedürftigkeit einer sich im Zusammenhang hiermit möglicherweise ergebenden abstrakten Rechtsfrage darzulegen, dass diese anhand der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten abstrakten Grundsätze nicht zu beantworten ist. Konkret hätte dies vorliegend eine Auseinandersetzung jedenfalls mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI sowie dessen Vorgängernorm § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz - insbesondere dem vom LSG zitierten Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R (BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12) sowie den hierin zu Umfang und Grenzen der nach diesen Vorschriften erteilten Befreiung enthaltenen abstrakten Aussagen erfordert. Darlegungen hierzu sind in der Beschwerdebegründung nicht enthalten.

11

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

12

Die Kostenentscheidung folgt, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

13

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG auf 13 016,26 Euro festzusetzen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tatbestand

1

Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei Laboruntersuchungen auf Borreliose (Quartal I/2004).

2

Die Klägerin ist eine Labor-Gemeinschaftspraxis, die in den 1990er Jahren bis 2006 aus den zwei Laborärzten Dres. R. und K. bestand. Gegen Dr. R. wurde im Jahr 1998 ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren - mit sechswöchiger Untersuchungshaft - und in 1999/2000 ein Verfahren auf Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung eingeleitet. Im Jahr 2005 verurteilte das Landgericht M. ihn wegen mehrfachen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, die es zur Bewährung aussetzte, und zu einer Gesamtgeldstrafe von 1 Mio Euro. Dem lag der Vorwurf der Falschabrechnung zugrunde; unter anderem habe er im Zusammenwirken mit überweisenden Ärzten den Anschein zusätzlicher Untersuchungsaufträge erweckt. Zum 30.6.2006 verzichtete er auf seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Er verstarb im Dezember 2008, seine Ehefrau ist als Rechtsnachfolgerin eingetreten.

3

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) versagte der Klägerin für das Quartal I/2004 das von ihr geltend gemachte Honorar für Lymphozyten-Transformations-Tests (Nr 4468 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen in der bis zum 31.3.2005 geltenden Fassung , bewertet mit 153,40 Euro) . Im Revisionsverfahren sind noch 1.723 solcher Streichungen streitig geblieben 264.308,20 Euro> (Bescheid vom 12.5.2004 und Widerspruchsbescheid vom 8.9.2004) . Die Beklagte nahm sachlich-rechnerische Richtigstellungen der Ansätze der Nr 4468 auch rückwirkend hinsichtlich der Quartale I/2000 bis IV/2003 vor (Bescheid vom 14.4.2004, der Gegenstand des zur Zeit ruhenden Verfahrens beim Sozialgericht Stuttgart - S 11 KA 7627/05 - ist) . Sie begründete im Bescheid vom 8.9.2004 ihre Maßnahmen unter anderem damit, für den Nachweis der Antikörper gebe es die vorrangigen Spezialbestimmungen über die Untersuchungen gemäß Nr 4551 EBM-Ä aF (Borrelia burgdorferi-Antikörper, bewertet mit 7,70 Euro) und/oder gemäß Nr 4635 EBM-Ä aF (Untersuchung auf Antikörper gegen Krankheitserreger mittels Immunreaktion mit elektrophoretisch aufgetrennten … mikrobiellen … Antigenen …. Borrelia-Antikörper, bewertet mit 24 Euro) .

4

Die Klägerin ist mit ihrer Klage und ihrer Berufung erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 9.8.2007 und des Landessozialgerichts vom 29.4.2009) . Das LSG hat zur Begründung der Zurückweisung der Berufung auf die Ausführungen des SG Bezug genommen und zusätzlich unter anderem ausgeführt: Ein ausdrücklicher Ausschluss des Borreliose-LTT nach Nr 4468 EBM-Ä aF bestehe zwar nicht; aber die Gesamtschau der Regelungen des Kapitels O III zum EBM-Ä aF ergebe, dass bei Verdacht auf Borreliose im Regelfall zunächst die Untersuchungen nach Nr 4551 und/oder 4635 EBM-Ä aF, und jedenfalls nicht standardmäßig oder routinemäßig sogleich ein LTT, durchzuführen sei. Erst wenn durch die übliche Diagnostik Antikörper nachgewiesen worden seien, komme eine Erregerdiagnostik durch einen LTT in Betracht. Dies zu überprüfen, sei auch Aufgabe der Laborärzte, die die einsendenden Ärzte sachgerecht beraten müssten; sie dürften sich nicht darauf beschränken, lediglich die Aufträge der einsendenden Ärzte auszuführen. Insgesamt gesehen stehe die Abrechnungsweise in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft, was zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen berechtige, wie das Bundessozialgericht (BSG) dies im Urteil vom 5.2.2003 (SozR 4-2500 § 95 Nr 1) ausgeführt habe. Angesichts der Unvereinbarkeit mit den medizinischen Erkenntnissen, die sich aus zahlreichen Studien und Gutachten ergebe, sei kein Raum für Vertrauensschutz. Im Übrigen sei seit dem 1.7.2007 das LTT ausdrücklich nicht mehr für die Erregerdiagnostik abrechenbar.

5

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht die Klägerin Abweichungen von der Rechtsprechung des BSG und Verfahrensmängel sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Entscheidungsgründe

6

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

7

Die Parteistellung als Klägerin und Beschwerdeführerin kommt im vorliegenden Verfahren weiterhin der Gemeinschaftspraxis zu. Denn die Gesellschaft gilt für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten als fortbestehend (§ 730 Abs 2 Satz 1 BGB, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14 und BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31; RdNr 11) . In dieser Weise hat der Senat, entsprechend dem ausdrücklichen Begehren der Klägerseite, das Rubrum neu gefasst.

8

Die von der Klägerin erhobenen Rügen genügen aufgrund ihrer eingehenden Ausführungen den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Die Beschwerde ist mithin zulässig. Sie ist aber unbegründet, denn keine der Rügen greift in der Sache durch.

9

1. Die von der Klägerin geltend gemachten Abweichungen von der Rechtsprechung des BSG (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG - Beschwerdebegründung S 8-30 iVm Schriftsatz vom 22.1.2010 S 1-7) vermögen nicht zur Revisionszulassung zu führen. Für die Zulassung der Revision wegen Divergenz ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht miteinander vereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Dabei muss es sich um Abweichungen in den Obersätzen handeln. Hat das LSG den Obersatz zutreffend - in Übereinstimmung mit dem des BSG - zugrunde gelegt und hat es ihn lediglich nicht zutreffend angewendet, dh fehlerhaft unter ihn subsumiert, so reicht das nicht aus. Dann ist nur die Subsumtion fehlerhaft und somit keine Divergenz im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG gegeben (stRspr, vgl zB BSG, Beschluss vom 28.1.2009 - B 6 KA 53/07 B - MedR 2010, S 343 R dNr 25 f; dazu ausführlich BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f) .

10

Als Divergenzen rügt die Klägerin die Ausführungen des LSG - hier verkürzt wiedergegeben -,

        

dass eine Leistung dann nicht abrechenbar sei, wenn sie zwar dem Leistungstatbestand entspreche, aber nicht für die Routine- bzw Standarddiagnostik geeignet sei (Gegenüberstellung zu BSG, Urteil vom 20.3.1996 - SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1) ,

        

dass auch dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes unzweifelhaft sei, Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau vergleichbarer oder ähnlicher Leistungstatbestände sei (Gegenüberstellung zu zahlreichen BSG-Urteilen) .

11

a) Keine Divergenz ergibt sich aus der erstgenannten Rüge der Klägerin, das LSG lasse mit seinen Ausführungen, dass eine Leistung dann nicht abrechenbar sei, wenn sie zwar dem Leistungstatbestand entspreche, aber nicht für die Routine- bzw Standarddiagnostik geeignet sei, eine Divergenz zum BSG-Urteil vom 20.3.1996 erkennen (SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1) . Das LSG hat den Obersatz des BSG zutreffend dahin wiedergegeben, dass eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung dann nicht besteht, wenn Leistungen im konkreten Behandlungszusammenhang im offenkundigen Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft erbracht werden (LSG-Urteil S 34) . Es hat diesem Obersatz auch den Fall zugeordnet, dass eine Leistung nicht für die Routine- bzw Standarddiagnostik geeignet ist (siehe LSG-Urteil S 34: "für die Routinediagnostik ungeeignetes Verfahren … Eine Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung besteht nicht … Diese Rechtsprechung rechtfertigt auch vorliegend die Streichung der Borreliose LTT …") . In diesen Ausführungen des LSG kann allenfalls ein Subsumtionsfehler liegen, eine Divergenz von Obersätzen im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG besteht aber nicht (hierzu vgl oben BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f) .

12

Der Senat folgt nicht der Ansicht der Klägerin, das LSG habe mit dieser Subsumtion zugleich einen erweiterten Obersatz gebildet, obgleich das BSG seinen Obersatz als nicht erweiterbar formuliert habe (BSG SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1 S 3 unten: … von der Honorierung auszunehmen … gilt nur, wenn …) , und damit liege eine Divergenz von Obersätzen vor. Diese Argumentation der Klägerin wird der Diktion des LSG nicht gerecht. Dieses hat den Obersatz des BSG übernommen, wonach Leistungen, die sich im konkreten Behandlungszusammenhang im offenkundigen Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft befinden, nicht abrechenbar sind. Das LSG hat diesen Obersatz nicht erweitert, sondern lediglich auf der Subsumtionsebene dem Obersatz auch den Fall zugeordnet, dass eine Leistung nicht für die Routine- bzw Standarddiagnostik geeignet ist (so deutlich LSG-Urteil S 34, wie zuvor zitiert) .

13

b) Eine Divergenz auf der Ebene der Rechtssätze besteht auch nicht im Verhältnis zu den zahlreichen Urteilen des BSG, die sich mit der Auslegung von Leistungstatbeständen im EBM-Ä befassen. Das BSG hat wiederholt formuliert, dass nur insoweit, als der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist, zu seiner Klarstellung Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden ähnlichen oder vergleichbaren Leistungstatbestände ist (stRspr, s zB BSG vom 11.10.2006 - SozR 4-5533 Nr 40 Nr 2 RdNr 13) . Die Klägerin macht geltend, das LSG habe indessen in ihrem Fall trotz un zweifelhaften Wortlauts eine systematische Interpretation vorgenommen und mit deren Hilfe den Wortlaut relativiert, was nach der BSG-Rechtsprechung unzulässig sei.

14

Mit dieser Beschreibung hat die Klägerin die Ausführungen des LSG aber nicht vollständig wiedergegeben. Das LSG hat vielmehr den zitierten Rechtssatz des BSG durchaus zutreffend erfasst (LSG-Urteil S 29 unten) . Es hat aus dem Nichtvorliegen einer ausdrücklichen Regelung des Verhältnisses von Nr 4468 zu den Nr 4551 und 4635 EBM-Ä aF gefolgert, dass eine Gesamtschau der Regelungen im Kapitel O III zum EBM-Ä vorzunehmen sei (s hierzu LSG-Urteil S 31 unter b und aa) . Diese Argumentation des LSG zeigt, dass es angenommen hat, die Anwendbarkeit des Leistungstatbestandes der Nr 4468 EBM-Ä aF sei ohne ausdrückliche Regelung des Verhältnisses zu den anderen Leistungstatbeständen zweifelhaft. Die Klägerin stellt diese Auffassung des LSG in Frage, das betrifft aber jedenfalls nur die Ebene der Subsumtion. Eine Divergenz von Obersätzen im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG besteht nicht.

15

c) Eine Divergenz besteht auch nicht im Verhältnis des Urteils des LSG zu demjenigen des BSG vom 1.7.1998. Die Klägerin macht insoweit geltend, das LSG habe ausgeführt,

        

eine sachlich-rechnerische Richtigstellung dürfe auch ohne entsprechende ausdrückliche Regelung dann erfolgen, wenn eine Leistung dem Leistungstatbestand entspreche, aber nicht routinemäßig, sondern nur im Einzelfall erbracht werden dürfe (Gegenüberstellung zu BSG, Urteil vom 1.7.1998 - SozR 3-2500 § 75 Nr 10 S 43 f) .

16

Auch diese Divergenzrüge greift nicht durch. Die Klägerin gibt das Urteil des BSG vom 1.7.1998 nicht zutreffend wieder. Nach diesem Urteil darf eine KÄV eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nur dann auf das Fehlen einer Begründung für eine Leistung stützen, wenn sich eine Begründungspflicht entweder aus dem Leistungstatbestand oder aus sonstigen Abrechnungsvorschriften herleiten lässt (so BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 10 S 43 f) . Daraus kann wohl, wie es die Klägerin geltend macht, gefolgert werden, dass eine routinemäßige Erbringung von Leistungen nur dann eine sachlich-rechnerische Richtigstellung rechtfertigen kann, wenn sich die Unzulässigkeit routinemäßiger Erbringung aus dem Leistungstatbestand oder aus sonstigen Abrechnungsvorschriften herleiten lässt. - Entgegen der Darstellung der Klägerin findet sich in dem BSG-Urteil aber nicht das Erfordernis, dass der Leistungstatbestand oder die sonstigen Abrechnungsvorschriften eine entsprechende ausdrückliche Regelung enthalten müssten.

17

Eine Abweichung von dem so richtig wiedergegebenen BSG-Urteil ergibt sich aus dem Urteil des LSG nicht. Dieses hat seiner Auffassung, dass die Leistung gemäß Nr 4468 EBM-Ä aF nicht routinemäßig, sondern nur im Einzelfall erbracht werden darf, eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der Regelungen des EBM-Ä zugrunde gelegt. Damit hat das LSG seine Auffassung aus den Rechtsvorschriften des EBM-Ä abgeleitet. Dies steht in Übereinstimmung mit dem BSG-Urteil vom 1.7.1998 (SozR 3-2500 § 75 Nr 10 S 43 f) . Eine Divergenz besteht also nicht.

18

d) Im Übrigen liegen dem Urteil des LSG insgesamt mehrere, die Klageabweisung je selbstständig tragende Erwägungen zu Grunde. Das LSG hat seine Auslegung des Leistungstatbestandes der Nr 4468 EBM-Ä aF - dass diese Leistung für die Routine- bzw Standarddiagnostik ungeeignet ist - nicht nur aus der systematischen Interpretation im Sinne einer Gesamtschau den Leistungstatbeständen der Nr 4551 und Nr 4635 EBM-Ä aF abgeleitet. Vielmehr hat das LSG außerdem darauf abgestellt, dass die Durchführung von Borrelien-LTTs im Rahmen der Routine- bzw Standarddiagnostik in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft stehe (s LSG-Urteil S 31 ff, 34) . Ist ein LSG-Urteil in dieser Weise auf mehrere Erwägungen, die es je selbstständig tragen, gestützt, so kann das Vorliegen nur einer durchgreifenden Rüge nicht zur Revisionszulassung führen (vgl dazu zB BSG, Beschluss vom 7.2.2006 - B 6 KA 66/05 B - RdNr 6 f mwN) .

19

2. Erfolglos sind auch die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) .

20

a) Dies betrifft zunächst die Rüge der Klägerin, das LSG habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es ihr Tatsachenvorbringen zur Frage der wissenschaftlichen Eignung von Borrelien-LTTs nahezu vollständig ignoriert habe. Sie habe substantiiert dargelegt, dass der Borrelien-LTT nicht in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft stehe, vielmehr sogar Vorteile gegenüber den herkömmlichen Verfahren aufweise. Im LSG-Urteil finde sich dazu lediglich die Bemerkung, der Senat verkenne nicht, dass die Klägerin auch wissenschaftliche Publikationen vorgelegt habe, die die Durchführung von Borrelien-LTT weniger kritisch sähen (Hinweis auf LSG-Urteil S 35) . Dieser Satz zeige zwar, dass das LSG ihre Ausführungen zwar möglicherweise zur Kenntnis genommen, sich aber nicht näher mit ihnen auseinandergesetzt habe. Die Bezugnahme des LSG (S 34 aaO) auf die Ausführungen des SG ändere nichts an der Gehörsverletzung, denn dieses habe das Gutachten von Prof. Dr. R., das den Borrelien-LTT positiv bewerte, auch nur lapidar erwähnt (SG-Urteil S 16: "… die von diesem … angeführten 'unverzichtbaren Vorteile' des LTT … erachtet die Kammer angesichts der … Stellungnahme des Nationalen Referenzzentrums , des Robert-Koch-Instituts, … wie auch des Bewertungsausschusses, für widerlegt") . Die Ausführungen des LSG (S 32 aaO) zum Gutachten von Prof. Dr. Roßner beträfen nicht die Frage, ob das Borrelien-LTT im offenkundigen Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft stehe, sondern nur die Frage der Vorrangigkeit der Untersuchungen gemäß Nr 4551 und/oder 4635 EBM-Ä aF.

Dieses Vorbringen vermag indessen die Annahme einer Gehörsverletzung nicht zu begründen.

21

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung erwägt, auch wenn sich dies nicht ausdrücklich aus dessen Urteil ergibt. Die gegenteilige Annahme - des Versäumnisses eines Gerichts, eine bestimmte Argumentation der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sie in Erwägung zu ziehen - bedarf greifbarer Anhaltspunkte, die der Beschwerdeführer aufzuzeigen hat (vgl dazu zB BSGE 88, 193, 204 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 13; BVerfGE 79, 51, 61 mwN; 86, 133, 145 f mwN; 87, 1, 33; 96, 205, 216 f; BSG, Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 44/08 R - RdNr 20 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) .

22

Greifbare Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme werden in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Vorliegend ist kein Fall vollständiger Nichterwähnung gegeben, wie er der zitierten Rechtsprechung zugrunde lag. Das LSG hat vielmehr das Vorbringen der Klägerin ausdrücklich, wenn auch knapp, erwähnt. Deshalb fehlen ausreichende Umstände für die Annahme einer Gehörsverletzung.

23

b) Ohne Erfolg ist auch die Rüge der Klägerin, das LSG habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es sie weder über die an den Bewertungsausschuss gerichtete Anfrage vom 23.4.2008 noch über die daraufhin erteilte Auskunft vom 20.5.2008 informiert habe; sie habe diese erst im Juni 2009 erhalten.

24

Unterstellt, das Vorbringen der Klägerin träfe zu (s dazu allerdings den Absendevermerk in den LSG-Akten Bl 203 f iVm Bl 205 Rückseite; vgl ferner BSG, Urteil vom 1.10.2009 - B 3 P 13/09 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 12 RdNr 7 f) , so kann dennoch die Verfahrensrüge nicht durchgreifen. Es ist nicht erkennbar, inwiefern das Berufungsurteil auf dem geltend gemachten Verstoß "beruhen" kann (s § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) . Hierfür muss der Beschwerdeführer aufzeigen, dass sein vermeintlich unzureichend berücksichtigtes Vorbringen bzw seine ergänzenden Ausführungen, die er bei Gewährung der vermissten Gelegenheit zur Stellungnahme zusätzlich vorgebracht haben würde, zu einem anderen Urteilsspruch hätten führen können (vgl BSGE 69, 280, 284 = SozR 3-4100 § 128a Nr 5 S 35 mwN; s zB auch BSG, Beschlüsse vom 7.7.2000 - B 6 KA 78/99 B - und vom 28.4.2004 - B 6 KA 75/03 B -; vgl ferner BVerfGE 105, 279, 311/312) .

25

Die Klägerin trägt dazu vor, sie hätte geltend gemacht, dass die Auskunft keine Information des Gremiums Bewertungsausschuss darstelle, sondern dass sie lediglich die rechtlich wertlose Erläuterung eines Dezernatsreferenten aus dessen heutiger Sicht darstelle, und dass angesichts des unzweifelhaften Wortlauts der Nr 4468 EBM-Ä aF bzw Nr 32532 EBM-Ä in der ab 1.4.2005 geltenden Fassung ohnehin kein Raum für die Heranziehung der Auskunft sei. Sie trägt weiter vor, dass sie bei Kenntnis weitere Gutachten vorgelegt hätte, die den Borrelien-LTT positiv bewerten. Ferner hätte sie geltend gemacht, dass die Auskunft auch deshalb wertlos sei, weil sie sich auf Publikationen und Stellungnahmen aus der Zeit erst nach dem hier betroffenen Quartal I/2004 stütze.

26

Dieses Vorbringen der Klägerin zeigt nicht ausreichend deutlich auf, dass das Urteil des LSG hätte anders ausfallen können, falls sie Kenntnis von der an den Bewertungsausschuss gerichteten Anfrage vom 23.4.2008 und von der daraufhin erteilten Auskunft vom 20.5.2008 erhalten hätte. Es ist nicht ersichtlich, dass das dann von ihr gebrachte Vorbringen gegen die Verwertbarkeit der Auskunft des Bewertungsausschusses die Grundlagen des LSG-Urteils hätte erschüttern können, denn dieses ist nicht maßgeblich auf die Auskunft des Bewertungsausschusses gestützt. Zwar wird der Inhalt dieser Auskunft mehrfach im Urteil des LSG erwähnt, aber nur zusätzlich zu anderen Gesichtspunkten, die die eigentliche Grundlage des Urteils darstellen (Erwähnung im LSG-Urteil auf S 30 Mitte, hier aber nur in anderem nicht einschlägigem Zusammenhang, und auf S 35) . Soweit das LSG in seinem Urteil auf S 35 auf den Inhalt der Auskunft Bezug nimmt, betont es, dass diese keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse enthalte, sondern nur zusammenfassend auf die schon bislang vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die fehlende Eignung des Erreger-LTT bei Borreliose-Erkrankungen hinweise im Sinne einer Klarstellung für die dies ignorierenden Laboratorien. Angesichts dieser Umstände ist nicht ersichtlich, inwiefern der Auskunft urteils-tragende Bedeutung beizumessen sein könnte, in dem Sinne, dass ein ergänzendes Vorbringen der Klägerin gegen die Verwertbarkeit der Auskunft des Bewertungsausschusses die Grundlagen des LSG-Urteils hätte erschüttern können.

27

c) Erfolglos ist ferner die Verfahrensrüge der Klägerin, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es ihrem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung von Borrelien-LTTs durch die medizinische Wissenschaft nicht nachgekommen sei.

28

Wird im Rahmen einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 103 SGG gerügt, so sind die in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG normierten Voraussetzungen zu beachten: Das Erfordernis, einen Beweisantrag zu benennen, hat die Klägerin erfüllt; auch hat sie ihren Beweisantrag im Berufungsverfahren - wenigstens hilfsweise - noch zuletzt zusammen mit den Sachanträgen gestellt (zu diesem Erfordernis s zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5) . Dem Urteil des LSG lässt sich jedoch für die Nichtbefolgung des Beweisantrags eine hinreichende Begründung entnehmen (s hierzu § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG) :

29

Bei der Prüfung, ob das LSG eine hinreichende Begründung dafür gegeben hat, aus welchem Grund es einem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachkommt, sind Besonderheiten zu beachten. Es liegt im Ermessen des Gerichts, ob es dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens oder eines weiteren Gutachtens nachkommt. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung weiterer Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Gutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichende eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorlägen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB Bundesverwaltungsgericht NVwZ 1993, 268; BVerwG NVwZ 2009, 320 RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 7b) .

30

Angesichts der dem LSG schon vorliegenden zahlreichen sachverständigen Stellungnahmen (s die Aufzählung im LSG-Urteil S 34: Stellungnahmen vom NRZ Borreliose, vom Robert-Koch-Institut und vom Fachverband der Neurologen, Studie von K. ; Stellungnahme von D. ; - s zudem die Aufzählungen im SG-Urteil S 16 und 17, pauschal in Bezug genommen im LSG-Urteil S 34 unten) liegt in den Ausführungen des LSG zur Ablehnung der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens eine hinreichende Begründung im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG. Das LSG hat dafür zunächst angeführt, durch die Änderung des Leistungstatbestandes des Borrelien-LTT seit 1.7.2007 sei inzwischen klargestellt worden, dass der LTT zur Erregerdiagnostik bei Borrelien-Verdacht nicht geeignet sei (LSG-Urteil S 35) . Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen hat das LSG aber auch zum Ausdruck gebracht, dass schon länger - auch schon zum Zeitpunkt des hier betroffenen Quartals - zahlreiche negative Stellungnahmen zur Eignung des Borrelien-LTT vorlagen und sich daraus das Fehlen der Eignung ergebe.

31

3. Die von der Klägerin erhobenen Rügen des Vorliegens grundsätzlicher Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) sind unbegründet. Denn ein Bedarf nach grundsätzlicher Klärung besteht nicht, weil nur bereits außer Kraft getretenes Recht (sog ausgelaufenes Recht) betroffen ist.

32

Eine grundsätzliche Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN) . Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht muss für eine grundsätzliche Bedeutung entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen bzw auslaufenden Rechts zu entscheiden sein, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung muss aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung haben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; ebenso zB Senatsbeschlüsse vom 5.11.2003 - B 6 KA 69/03 B - mwN, vom 20.7.2006 - B 6 KA 32/06 B - mwN, vom 23.5.2007 - B 6 KA 5/07 B - und vom 29.8.2007 - B 6 KA B 6 KA 26/07 B - RdNr 9 mwN) .

33

a) An diesen Voraussetzungen fehlt es bei den folgenden von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam angeführten Rechtsfragen (hier verkürzt wiedergegeben),

        

ob eine im EBM-Ä definierte ärztliche Untersuchung ohne ausdrückliche Einschränkung in der Leistungslegende oder in sonstigen Abrechnungsvorschriften als nur ausnahmsweise im Einzelfall zulässig angesehen werden kann,

        

ob die Beurteilung, dass die Leistung in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft stehe, auf eine erst lange nach der Leistungserbringung erteilte Auskunft des Bewertungsausschusses und/oder auf eine erst Jahre nach der Leistungserbringung erfolgte Neufassung der Leistungslegende einer EBM-Ä-Nr gestützt werden darf (vgl hierzu den Zusatz "nicht zur Erregerdiagnostik" in Nr 32532 EBM-Ä 2005, womit eine Punktwertabsenkung von 153,40 Euro auf 40 Euro einherging, DÄ 2007, A 376) .

34

Diese Fragen betreffen speziell nur die eine bereits außer Kraft getretene Leistungsposition Nr 4468 EBM-Ä aF, die von der Beklagten und den Vorinstanzen dahin ausgelegt worden ist, dass ihre routinemäßige Erbringung - insbesondere zur Erregerdiagnostik - nicht zulässig sei.

35

Für die deshalb zu prüfende Voraussetzung, ob noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des bereits außer Kraft getretenen Rechts zu entscheiden ist, reichen die von der Klägerin angeführten Fälle nicht aus. Das dort genannte beim SG Stuttgart anhängige Verfahren (S 11 KA 7627/05) betrifft ebenfalls nur den Einzelfall der Klägerin, nämlich die ihr gegenüber vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen hinsichtlich der Quartale I/2000 bis IV/2003 (s obigen Tatbestand S 2 RdNr 3) . Das von der Klägerin benannte weitere Verfahren (S 83 KA 224/08) allein, das nach ihren Angaben beim SG Berlin anhängig ist, belegt nicht das Erfordernis, dass noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage desselben außer Kraft getretenen Rechts zu entscheiden ist.

36

Auch die Überprüfung, ob eine Entscheidung über Nr 4468 EBM-Ä aF aus sonstigen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat, hilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Diese macht geltend, die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen hätten Bedeutung für eine Vielzahl nach wie vor in Kraft befindlicher EBM-Ä-Leistungstatbestände. Dies ist bei den oben wiedergegebenen Rechtsfragen aber nicht erkennbar. Denn diese sind eng mit der Nr 4468 EBM-Ä aF und der hierin geregelten Untersuchung verknüpft. Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Fragen bei anderen Leistungstatbeständen ebenso stellen könnten, sind weder offensichtlich noch aus der Beschwerdebegründung erkennbar.

37

Die Berufung der Klägerin auf eine fortwirkende allgemeine Bedeutung für eine Vielzahl nach wie vor in Kraft befindlicher EBM-Ä-Leistungstatbestände ist auch bei den weiteren, von ihr aufgeworfenen Fragen erfolglos. Diese hat sie darauf gerichtet (hier verkürzt wiedergegeben),

        

ob ein nur auf Überweisung tätiger Arzt bei Erhalt eines Definitionsauftrags aufklären muss, ob der Einsender ein angeblich vorrangiges anderes Untersuchungsverfahren durchgeführt habe, und ihn ggf auf dieses hinweisen muss,

        

ob die Beurteilung, dass eine Leistung in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft stehe, auf Publikationen gestützt werden darf, die erst nach der Leistungserbringung veröffentlicht worden sind,

        

ob eine sachlich-rechnerische Richtigstellung mit der Therapiefreiheit des Arztes vereinbar ist, wenn die erbrachte Leistung alle Tatbestandsmerkmale einer Leistungslegende erfüllt und lediglich als für die Routinediagnostik nicht geeignet angesehen wird.

38

Eine etwaige Bedeutung für eine Vielzahl nach wie vor in Kraft befindlicher EBM-Ä-Leistungstatbestände hätte die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung unter konkreter Benennung solcher noch heute im EBM-Ä aufgeführter Untersuchungsverfahren erläutern müssen. Sie hätte aufzeigen müssen, bei welchen EBM-Ä-Leistungstatbeständen ein vergleichbares Konkurrenzverhältnis zu anderen schlichteren Untersuchungsverfahren besteht und dass diese entweder vom Tatbestand her oder in medizinisch-wissenschaftlichen Publikationen als vorrangig angesehen werden. Solche Erläuterungen finden sich in der Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin benennt zwar eine EBM-Ä-Leistungsposition, nämlich Nr 32314 EBM-Ä, aber aus ihren Ausführungen wird nicht deutlich, dass und inwiefern hier ein Vorrang-Nachrang-Problem zu (welchen?) anderen Leistungen besteht und dass die medizinische Wissenschaft deren routinemäßigen Einsatz als verfehlt ansieht.

39

b) Die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung besteht schließlich auch deshalb nicht, weil die Bedeutung der vorliegenden Rechtssache nicht über den Einzelfall hinausreicht. Im Rahmen des vorliegenden Falles können keine grundsätzlichen Fragen generalisierend beantwortet werden, denn der vorliegende Fall ist von vielen ihn prägenden Besonderheiten gekennzeichnet.

40

Mehrere den Einzelfall prägende Gesichtspunkte, legen jeder selbsttragend, aber zumindest alle zusammen tragend, die Annahme nahe, die Klägerin habe den Leistungstatbestand der Nr 4468 EBM-Ä aF in krasser Weise verfehlt: Die Berechtigung zu sachlich-rechnerischer Richtigstellung besteht zunächst dann, wenn die Auslegung des Leistungstatbestandes der Nr 4468 EBM-Ä ergibt, dass die routinemäßige Erbringung von ihm nicht gedeckt ist (so die Auslegung des SG und des LSG) . Eine Richtigstellungsberechtigung kann aber auch dann in Betracht kommen, wenn aufgrund der Gesamtumstände ersichtlich ist, dass für einige Leistungen die medizinische Rechtfertigung fehlt und sich die Schlussfolgerung aufdrängt, dass dem zumindest grob fahrlässiges Verhalten zugrunde liegt (vgl dazu BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6 RdNr 28 mwN) . Hierfür können die Ausführungen im Urteil des SG sprechen: Danach lag eine stetige Zunahme der Ansätze eines gut dotierten Leistungstatbestandes vor. Die Steigerung der Zahl der Ansätze erfolgte ungeachtet zahlreicher skeptischer Stellungnahmen der medizinischen Wissenschaft (vgl dazu SG-Urteil S 10 f, das daraus den Verdacht planmäßig gesteuerter Leistungsanforderungen der überweisenden Ärzte ableitet; s auch LSG-Urteil S 33 unten, allerdings die Schlussfolgerung offenlassend) . Vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Aussicht besteht, eine allgemeingültige Antwort auf eine der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zu geben.

41

c) Die Klärungsbedürftigkeit fehlt schließlich auch bei der von der Klägerin formulierten Rechtsfrage (hier verkürzt wiedergegeben),

        

ob die KÄV berechtigt ist, den gesamten Honorarumsatz ohne Rücksicht auf die entstandenen Kosten zurückzufordern.

42

Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, das BSG hat sie bereits beantwortet. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung Gegenrechnungen oder den Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung nicht akzeptiert. Hierzu sind in der Beschwerdebegründung verschiedene BSG-Urteile benannt worden. Darüber hinaus sei beispielhaft noch auf die weiteren Entscheidungen BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6 S 35 f und BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 (insbes RdNr 14) hingewiesen. Die Ansicht der Klägerin, die von ihr benannten Urteile zu dieser Frage hätten nur bestimmte Fallkonstellationen betroffen, sie ließen keine allgemeine Schlussfolgerung zu, entbehrt der Grundlage.

43

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO) .

45

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3, § 40 Gerichtskostengesetz.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. August 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 1920,93 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die klagende Krankenhausträgerin ist mit ihrem Begehren, die beklagte Krankenkasse (KK) zur Zahlung weiterer 1920,93 Euro Vergütung für die Behandlung der bei der Beklagten versicherten K. und R. zu verurteilen, bei dem SG erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die bei den beiden Versicherten durchgeführten Biopsien seien nach dem 2008 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) nicht mit OPS (2008) 1-563.0 (Biopsie an Prostata und periprostatischem Gewebe durch Inzision - Prostata) zu kodieren. Dieser OPS steuere innerhalb der Diagnosis Related Groups (DRG; diagnosebezogene Fallgruppen) die höher vergütete, von der Klägerin geltend gemachte DRG M09B an. Die Biopsien seien in beiden Fällen mit OPS (2008) 1-465.1 zu kodieren (Perkutane Biopsie an Harnorganen und männlichen Geschlechtsorganen mit Steuerung durch bildgebende Verfahren - Prostata), der zu der niedriger vergüteten, von der Beklagten auch bezahlten DRG M61Z führe. Bei systematischer Auslegung des OPS erfasse die Inzision im Sinne des OPS (2008) 1-563.0 nur einen solchen Schnitt, der den Zugang durch eine operative Freilegung des Biopsiegebietes eröffne. Die Klägerin habe in beiden Fällen jeweils nur einen Hautschnitt ausgeführt, um die Biopsienadel besser einführen zu können (Urteil vom 4.8.2011).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und des Verfahrensfehlers(§ 160 Abs 2 SGG).

4

1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

5

a) Die Klägerin formuliert zunächst die Rechtsfrage:

"Hat der strikte Wortlaut eines OPS-Kodes Vorrang vor einer Auslegung aus dem systematischen Zusammenhang heraus?"

Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit der Frage jedoch nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN; BSG Beschluss vom 27.1.2012 - B 1 KR 47/11 B - juris RdNr 4), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Daran fehlt es hier.

6

Die Klägerin, die die Rechtsfrage bejahen möchte, zitiert in der Beschwerdebegründung ausdrücklich das BSG (SozR 3-5565 § 15 Nr 1 S 6) wie folgt: "Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut, ergänzend auch noch nach systematischem Zusammenhang auszulegen …". An dieser Rechtsprechung hat das BSG seither festgehalten (vgl nur BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17; SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; s ferner zuletzt BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Klägerin legt nicht dar, wieso mit Blick auf diese ständige Rechtsprechung noch Klärungsbedarf verblieben oder neu entstanden ist.

7

b) Die Klägerin formuliert zudem die Frage, ob

der OPS 1-563.0 (2008) nur dann zu kodieren ist, wenn die Inzision nicht allein der Einführung des Biopsiewerkzeuges dient, sondern der weitergehenden (operativen) Öffnung eines Zugangs zum Biopsiegebiet dient oder die Biopsie im Rahmen eines aus anderen Gründen operativ (durch Inzision) eröffneten Zugangs zum Biopsiegebiet vorgenommen wird.

8

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insoweit nicht um eine medizinische Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage. Die Beteiligten streiten nicht über den tatsächlichen Vorgang der vom LSG unangegriffen festgestellten Gewebeentnahme - Durchtrennung der Haut am Damm zur Positionierung der Biopsienadel -, sondern darüber, ob die in die Fallpauschalenvereinbarung 2008 normenvertraglich (näher dazu unten, II. 1. b aa) eingebundene Regelung OPS (2008) 1-563.0 (1-563: Biopsie an Prostata und periprostatischem Gewebe durch Inzision, 1-563.0: Prostata) diese Vorgehensweise erfasst, namentlich was unter "Inzision" zu verstehen ist.

9

Die Klägerin legt indes weder die grundsätzliche Bedeutung (dazu aa) noch die Klärungsbedürftigkeit der Frage schlüssig dar (dazu bb).

10

aa) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage erwächst daraus, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 7 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Rechtsnorm, bei der es sich um ausgelaufenes Recht handelt, deshalb regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung (vgl BSG Beschluss vom 21.6.2011 - B 4 AS 14/11 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 26.4.2007 - B 12 R 15/06 B - juris RdNr 9; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; vgl auch BSG Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - juris RdNr 17, dort zu § 41 Abs 4 SGG). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht muss für eine grundsätzliche Bedeutung entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden sein, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung muss aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung haben (vgl BSG Beschluss vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - juris RdNr 32; BSG Beschluss vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.3.2006 - B 6 KA 46/05 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 20.6.2001 - B 10/14 KG 1/00 B - juris RdNr 1; BSG Beschluss vom 31.3.1999 - B 7 AL 170/98 B - juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Eine Fortwirkung kann insbesondere dann vorliegen, wenn an die Stelle der bisherigen Regelung eine inhaltsgleiche getreten ist (vgl BSG Beschluss vom 11.5.1993 - 12 BK 1/93 - juris RdNr 2) oder sogar die bisherige Regelung im Wortlaut beibehalten und nur formal neu geschaffen wurde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn dies nicht offensichtlich ist, in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG; vgl BSG Beschluss vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - juris RdNr 7).

11

Im Falle des DRG-basierten Vergütungssystems kommt hinzu, dass es vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz; s ferner § 17 Abs 7 S 1 Nr 1 und 2 KHG) und damit als ein "lernendes" System angelegt ist, und deswegen bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; s ferner zuletzt BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Kommt eine Einigung nicht zustande oder besteht ein Fortentwicklungsbedarf, ist das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Regelungen zu treffen (§ 17 Abs 7 S 1 KHG).

12

Dieser Anpassungsmechanismus betrifft auch die Begriffsbestimmungen im OPS. Der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene OPS - und damit auch OPS (2008) 1- 563.0 - wird erst durch die jährlich abgeschlossene Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Vergütungssystem verbindlich (vgl dazu BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 23 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Namentlich durch die in die FPV einbezogenen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) ist es den Vertragsparteien möglich, die erlöswirksame Kodierung des OPS zu steuern (zur Einbeziehung der DKR in die FPV und ihrer normativen Wirkung vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 17 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Die aufgezeigten Eigenarten der Krankenhausvergütung verdeutlichen zugleich, dass die in der Rechtsprechung des BSG zu scheinbaren Parallelbereichen wie dem Vertragsarztrecht ausgeformten Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht unbesehen auf die Darlegungsanforderungen bei Rechtsfragen der Krankenhausvergütung übertragen werden können. Denn die Ausgestaltung des Vergütungssystems für Krankenhäuser unterscheidet sich insoweit von anderen normenvertraglich gesteuerten Systemen wie etwa demjenigen des Vertragsarztrechts, die - ungeachtet ihrer ebenfalls bestehenden Anpassungsmechanismen - nicht in gleicher Weise auf ständige kurzfristige Überarbeitung angelegt sind. Gleiches gilt für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (vgl dazu im Übrigen unten, bb).

14

Dementsprechend entbehren Rechtsfragen der grundsätzlichen Bedeutung, wenn die Tatbestandsmerkmale einer Einzelvergütungsvorschrift mit einer normativ vorgegebenen kurzen Geltungsdauer einer rechtstatsächlich stattfindenden fortlaufenden Überprüfung und eventuellen Anpassung mit der Folge unterliegen, dass im Zeitpunkt der Befassung des Revisionsgerichts mit der Norm eine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung nicht mehr erkennbar ist. Bezogen auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des ausgelaufenen Rechts bedeutet dies, dass im Streit über die Anwendbarkeit einer bestimmten DRG darzulegen ist: (1) Die betroffene Einzelvorschrift (bzw das dort betroffene Tatbestandsmerkmal) hat im konkreten Fall auf die zur Ermittlung der DRG durchzuführende Groupierung Einfluss. (2) Die in der kalenderjahresbezogen anzuwendenden FPV mitgeregelte betroffene Einzelvorschrift gilt in späteren FPV im Wortlaut unverändert erlöswirksam für die Groupierung fort. (3) Ein sich daraus in einer Vielzahl von Behandlungsfällen bereits ergebender und zukünftig zu erwartender Streit konnte von den am Abschluss des FPV mitwirkenden Vertragsparteien bislang nicht einvernehmlich gelöst werden.

15

Alternativ zu den quantitativ zu verstehenden Voraussetzungen (2) und (3) kann sich auch eine "qualitative" Fortwirkung ergeben. Hierzu ist (4) darzulegen, dass der Auslegungsstreit über eine Einzelvorschrift eine strukturelle Frage des Vergütungssystems betrifft, deren Beantwortung - ungeachtet der Fortgeltung der konkret betroffenen Vorschrift - über die inhaltliche Bestimmung der Einzelvorschrift hinaus für das Vergütungssystem als Ganzes oder für einzelne Teile zukünftig von struktureller Bedeutung ist. Letzteres impliziert die Darlegung, dass die Vertragsparteien das näher zu bezeichnende Strukturproblem noch nicht gelöst haben.

16

An entsprechenden Darlegungen fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin verweist lediglich darauf, dass das BSG die Rechtsfrage noch nicht entschieden habe und die Auslegung von OPS (2008) 1-563.0 für eine Vielzahl von Krankenhäusern von grundsätzlicher Bedeutung sei.

17

bb) Die Klägerin legt auch einen Klärungsbedarf nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, obwohl das BSG sie noch nicht ausdrücklich behandelt hat, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, so dass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl zB BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - juris RdNr 7 mwN). Insbesondere wenn Beschwerdeführer nicht Rechtsfragen von struktureller Bedeutung für die Abrechnungsbestimmungen im dargelegten Sinne aufzeigen, sondern bloß die quantitative Bedeutung der Fortwirkung einer in der Vergangenheit normenvertraglich geltenden Vergütungsvorschrift darlegen, müssen sie regelmäßig besondere Sorgfalt darauf verwenden, den Klärungsbedarf darzulegen. Die gebotene substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit von im OPS verwendeten, streitigen Begriffen erfordert, dass der Beschwerdeführer ausführt, warum ausnahmsweise noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch das Tatsachengericht hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl die Auslegung von Vergütungsvorschriften lediglich nach Wortlaut und - ergänzend - Systematik erfolgt. Die Auslegung einer der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift hat nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen Auslegungsprobleme aufwirft sowie die hierfür anzuwendenden Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind.

18

So liegt es regelmäßig bei der Auslegung des OPS. Der vom DIMDI herausgegebene OPS ist dadurch charakterisiert, dass er Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe definiert und strukturiert. Die Inkorporierung dieser Klassifikation in die Vergütungsvorschriften bedeutet - soweit die Vertragsparteien nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmen -, dass den medizinischen Begriffen des OPS der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird. Dieser den Regelungsgehalt determinierende Sprachgebrauch kann - wortlautorientiert - wie eine Tatsache als Vorfrage für die Auslegung im gerichtlichen Verfahren durch Beweiserhebung ermittelt werden. Insofern gilt hier nichts anderes als bei Fragen (rein) tatsächlicher Art, die nicht zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden können (BSG Beschluss vom 20.11.2007 - B 1 KR 118/07 B - juris RdNr 5 mwN).

19

Die Klägerin trägt nichts dazu vor, warum die Feststellung des Sinngehalts der "Inzision" im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch über die korrekte Ermittlung des Sprachgebrauchs hinaus durch das Revisionsgericht klärungsbedürftig ist.

20

Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf einer Rechtssache kann etwa auch daraus erwachsen, dass eine Vergütungsvorschrift existenzgefährdende Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen bewirkt, deren Folgen eine zukünftige Korrektur nicht mehr hinreichend beseitigen kann (vgl dazu auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 26 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Hieran anknüpfend können sich beispielsweise Fragen nach dem Verhältnis zwischen dem Normenvertragsrecht und höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten ergeben, die allein durch eine eng am Wortlaut orientierte und ergänzende systematische Auslegung nicht zu beantworten sind. Die Darlegungen der Klägerin bieten keinen Anlass zur Annahme einer derartigen Situation.

21

2. Die Klägerin legt auch eine Rechtsprechungsdivergenz nicht hinreichend dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatzes fehlt es. Die Klägerin bezieht sich auf den abstrakten Rechtssatz des BSG (SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18), dass Vergütungsregelungen, um ihren Zweck zu erfüllen, für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind und keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen zulassen. Hiervon ausgehend legt die Klägerin keine Divergenz dar. Denn sie stellt dem Rechtssatz des BSG den von ihr formulierten Rechtssatz des LSG gegenüber, dass eine Biopsie durch Inzision nur dann vorliege, wenn die Inzision nicht allein der Einführung des Biopsiewerkzeugs, sondern der weitergehenden (operativen) Öffnung eines Zugangs zum Biopsiegebiet diene oder die Biopsie im Rahmen eines aus anderen Gründen operativ (durch Inzision) eröffneten Zugangs zum Biopsiegebiet vorgenommen werde. Soweit die Klägerin damit inhaltlich zutreffend die Auslegung des LSG zu OPS (2008) 1-563.0 wiedergibt, legt sie nicht schlüssig dar, dass dieser Rechtssatz in Widerspruch zu dem vom BSG formulierten Auslegungsmaßstab steht. Vielmehr macht die Klägerin geltend, dass das LSG dann, wenn es den Auslegungsmaßstab des BSG herangezogen hätte, zu der von der Klägerin vertretenen Auslegung des OPS (2008) 1-563.0 hätte gelangen müssen. Hingegen habe das LSG den OPS (2008) 1-563.0 nicht streng nach seinem Wortlaut und deswegen falsch interpretiert. Damit legt die Klägerin keine Divergenz dar, sondern rügt im Kern nur die - ihrer Auffassung nach - fehlerhafte Anwendung des Auslegungsmaßstabs des BSG durch das LSG. Sie setzt sich zudem nicht hinreichend damit auseinander, dass das LSG in Einklang mit dem von der Klägerin genannten Rechtssatz des BSG ausdrücklich unter Bezugnahme auf andere Urteile des BSG (BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14) davon ausgeht, dass Abrechnungsbestimmungen streng nach dem Wortlaut, den dazu vereinbarten Anwendungsregeln und allenfalls ergänzend nach dem systematischen Zusammenhang auszulegen sind.

22

3. Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

23

Die Klägerin stützt sich - ohne eine Rechtsnorm zu benennen - sinngemäß lediglich auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht. Sie führt aus, das LSG habe nicht aufgrund eigener Internet-Recherche, sondern nur aufgrund eines medizinischen Gutachtens zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass bei jeder Biopsie ein Hautschnitt gemacht werde. Damit legt sie jedoch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend dar. Sie bezeichnet schon keinen Beweisantrag, zumal sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG keinen solchen gestellt hat.

24

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

25

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 8.12.2015 einen Anspruch des Klägers auf eine höhere Regelaltersrente verneint. Der zum Personenkreis des § 1 FRG gehörende Kläger habe zwar einen Anspruch auf die Berücksichtigung der von ihm in der UdSSR zurückgelegten Versicherungs- und Beitragszeiten. Die begehrte Anwendung der Werte der Anlage 15 zum FRG auf "knappschaftliche Zeiten" sei in dem seit 1.1.1992 geltenden, auf den erst am 7.8.1992 in die Bundesrepublik eingereisten Kläger anzuwendenden Recht nicht mehr vorgesehen. Danach habe auch eine Absenkung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zu erfolgen, was das BVerfG als mit dem GG vereinbar angesehen habe. Eine Zuordnung der Tätigkeit im Tuffsteinabbau zur knappschaftlichen Versicherung sei nicht möglich, da der Abbau nicht überwiegend unterirdisch betrieben worden sei. Zudem sei die Kürzung der ermittelten Entgeltpunkte für in einem Arbeitsbuch der UdSSR bescheinigte Beschäftigungszeiten in den Jahren 1972 bis 1992 rechtens, da diese Zeiten mangels Unterlagen, aus denen die tatsächlichen Arbeitstage und Fehlzeiten hervorgingen, nur glaubhaft gemacht aber nicht nachgewiesen seien. Darüber hinaus könne der Kläger weder die Zuordnung bestimmter Zeiten zur Angestellten- statt zur Arbeiterrentenversicherung noch die Aufnahme seines Dienstgrades bei den sowjetischen Streitkräften in den Versicherungsverlauf verlangen; beides habe keine Auswirkungen auf die Rentenhöhe.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf einen Verfahrensmangel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 8.12.2015 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

-       

das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

-       

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

5

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN; BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

6

1. Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 11.3.2016 zunächst auf einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

7

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur ordnungsgemäßen Bezeichnung(§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist regelmäßig die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

8

Der Kläger macht geltend, das LSG habe in unzulässiger Weise durch Beschluss nach § 154 Abs 4 SGG und daher in unvorschriftsmäßiger Besetzung nur durch die Berufsrichter entschieden. Die Entscheidung, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, habe im pflichtgemäßen Ermessen des LSG gelegen. Vorliegend sei zwischen den Beteiligten streitig, ob Beschäftigungszeiten des Klägers in der UdSSR nachgewiesen oder nur glaubhaft gemacht worden seien. In den Entscheidungsgründen habe sich das LSG darauf bezogen, dass der Kläger vor dem SG eingeräumt habe, dass in den Zeiten, die sich aus dem von ihm vorgelegten Arbeitsbuch ergäben, auch Fehltage enthalten gewesen seien. Daher habe es diese Zeiten nur als glaubhaft gemacht angesehen. Diese Erwägungen seien jedoch ermessensfehlerhaft. Nach den in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäben seien im Heimatstaat der Beitragspflicht unterliegende Beschäftigungszeiten bereits dann nachgewiesen, wenn nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und Einbeziehung der allgemeinen Lebenserfahrung im Einzelfall eine Unterbrechung der Beitragsentrichtung von mehr als einem Monat nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden könne. Daher habe das SG nicht nur nach dem Vorhandensein von Arbeitsunfähigkeitszeiten fragen dürfen, sondern hätte auch deren Dauer erfragen müssen. Allein aufgrund seiner (des Klägers) Angaben vor dem SG habe das LSG nicht die volle richterliche Überzeugung gewinnen können, dass der Nachweis von Beschäftigungszeiten nicht vorliege. Dies habe das LSG erkennen und - bei sachgerechter Ausübung richterlichen Ermessens - zu seiner (des Klägers) erneuten persönlichen Befragung zwingend eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Der hierdurch begründete Verstoß des LSG gegen § 153 Abs 4 SGG führe nicht nur zu einer falschen Besetzung der Richterbank, einem absoluten Revisionsgrund, sondern gleichzeitig zu einer entscheidungserheblichen Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG). Hätte das LSG ihn (den Kläger) in der mündlichen Verhandlung nach längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten befragt, hätte er das Fehlen solcher Zeiten geltend machen sowie mitteilen können, dass er als Gewerkschaftsmitglied auch während Arbeitsunfähigkeitszeiten Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt habe.

9

Damit werden die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügend dargelegt und bezeichnet. Dies gilt zunächst, wenn der Kläger sein Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) verletzt sieht, weil das LSG bei seiner Ermessensentscheidung, auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten und über den Rechtsstreit ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entschieden, die von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Anforderungen an den Nachweis von Beschäftigungszeiten iS von § 22 Abs 3 FRG verkannt habe. Anders als erforderlich legt er nicht dar, dass es nach der für die Frage des Vorliegens eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiellen Rechtsansicht des LSG auf den unterbliebenen weiteren Tatsachenvortrag des Klägers ankam. Dies war bereits deshalb geboten, weil das LSG die Rechtsauffassung vertritt, der vom Kläger geltend gemachte Nachweis (ununterbrochener) Beitragszeiten könne nur durch "Unterlagen" geführt werden, "aus denen die tatsächlichen Arbeitstage und die Fehlzeiten hervorgehen".

10

Soweit der Kläger eine Gehörsverletzung daraus herleiten will, dass das LSG die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht durch seine persönliche Anhörung in einer mündlichen Verhandlung weiter aufgeklärt hat, rügt er tatsächlich eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) durch das LSG. Den Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht genügen die Ausführungen des Klägers jedoch nicht. Er hätte - wie oben ausgeführt - zumindest einen vor dem LSG gestellten Beweisantrag benennen müssen, dem dieses nicht gefolgt ist. Dies hat der Kläger nicht getan. Im Übrigen gilt, dass die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG oder des § 103 SGG auch nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung der Ansprüche auf den gesetzlichen Richter und auf rechtliches Gehör umgangen werden können(vgl BSG Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - Juris RdNr 8 mwN; zuletzt BSG Beschluss vom 5.7.2017 - B 13 R 145/17 B - Juris RdNr 7).

11

2. Die Beschwerdebegründung genügt auch nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes, soweit sich der Kläger auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft.

12

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst Senatsbeschluss vom 29.9.2017 - B 13 R 365/15 B - Juris RdNr 6).

13

Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,

        

"ob ein Nachweis von Versicherungszeiten i.S.d. § 22, Abs. 3 FRG durch die Vorlage des Arbeitsbuches der früheren UdSSR, in dem Beginn und Ende der Beschäftigungszeiten enthalten sind, möglich ist".

14

Zwar habe das BSG in einem Urteil vom 21.4.1982 (4 RJ 33/81 - DAngVers 1982, 355) bereits entschieden, dass Beschäftigungszeiten aufgrund von Arbeitsbüchern der Sowjetunion wegen des danach nicht möglichen Nachweises krankheitsbedingter Unterbrechungen einzelner Arbeitsverhältnisse bzw der Lohnfortzahlung nur als glaubhaft gemacht angesehen werden können. Jedoch sei § 26 S 2 FRG zum 1.1.1992 geändert worden, sodass nunmehr Kalendermonate, die zum Teil mit Anrechnungszeiten nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI - also auch Zeiten, in denen der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig war - belegt seien, als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen zu berücksichtigen seien. Demzufolge führten - ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl BT-Drucks 11/4124, S 220 zu Art 10 Nr 11 Buchst b des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992) - zumindest kurzfristige Arbeitsunfähigkeitszeiten von weniger als einem Kalendermonat nicht mehr zu einer Lücke im Versicherungsverlauf. Aus diesem Grunde sei die formulierte Frage erneut klärungsbedürftig geworden.

15

Im Kern handelt es sich bei der formulierten Frage um keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern um eine Frage zur Bewertung der tatsächlichen Grundlagen des angefochtenen Urteils. Denn die Beantwortung der Frage zielt darauf ab, ob und inwieweit der Tatbestand des § 22 Abs 3 FRG (nicht nachgewiesene Beitrags- oder Beschäftigungszeiten) im Einzelfall als erfüllt angesehen werden kann. Dass das LSG die Eintragungen im Arbeitsbuch nicht als Vollbeweis einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit gewertet hat, betrifft grundsätzlich die richterliche Überzeugungsbildung iS des § 128 Abs 1 S 1 SGG. Hierauf kann jedoch nach der ausdrücklichen Regelung von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

16

Davon abgesehen hat der Kläger jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der von ihm formulierten Frage nicht den nach § 160a Abs 2 S 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt. So räumt er selbst ein, dass die formulierte Frage bereits durch das BSG-Urteil vom 21.4.1982 (4 RJ 33/81 - DAngVers 1982, 355) abschlägig beantwortet ist. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl schon BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13). Der Kläger macht schon nicht geltend, dass der Rechtsprechung des BSG zur ausschließlichen Glaubhaftmachung von Beschäftigungszeiten durch Arbeitsbücher der Sowjetunion in Rechtsprechung oder Literatur widersprochen worden wäre. Allerdings ist er der Auffassung, die Ergänzung des § 26 FRG zunächst durch Art 15 Abschn B Nr 5 des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992(vom 18.12.1989, BGBl I 2261 mWv 1.7.1990) mache eine andere Beurteilung der formulierten Frage notwendig. Insoweit hätte er aber zur Begründung der Klärungsbedürftigkeit näher darlegen müssen, wieso die durch den neuen Satz 2 angeordnete Gleichstellung von Kalendermonaten, die (nur) zum Teil mit Ausfall- bzw Anrechnungszeiten belegt sind, mit vollwertigen Beitragszeiten, die genannte Rechtsprechung des BSG in Frage stellt. Denn Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als einem Kalendermonat gelten danach weiterhin nicht als Beitrags- und Beschäftigungszeiten. An dem Umstand, dass die in dem vorgelegten Arbeitsbuch der Sowjetunion bescheinigten Zeiten auch solche einer Arbeitsunfähigkeit - egal ob von weniger oder mehr als einem Kalendermonat Dauer - nicht erkennbar mit einschließen, ändert § 26 S 2 FRG nichts. Somit kann auch weiterhin der Nachweis einer nicht durch kürzere oder längere Arbeitsunfähigkeit unterbrochenen Beschäftigung allein aufgrund des Arbeitsbuches nicht geführt werden. Gesichtspunkte dafür, dass die behauptete begrenzte Unschädlichkeit kürzerer Arbeitsunfähigkeitszeiten nach § 26 S 2 FRG längere Unterbrechungen der Beschäftigungszeiten so unwahrscheinlich machte, dass nunmehr mangels entgegenstehender konkreter Anhaltspunkte für solche Zeiten von einem vollständigen Nachweis (und nicht nur Glaubhaftmachung) einer ununterbrochenen Beschäftigung ausgegangen werden könne, hat der Kläger - anders als erforderlich - nicht aufgezeigt. Ohnehin hätte der Kläger auch darlegen müssen, warum § 26 S 2 FRG nicht nur die Bewertung im Einzelfall tatsächlich nachgewiesener rentenrechtlicher Zeiten, sondern auch die Anforderungen an die Nachweisführung von Beschäftigungs- und Anrechnungszeiten selbst verändern könnte. Der Kläger setzt sich in seiner Begründung insoweit weder - wie erforderlich - mit dem Wortlaut des § 26 S 2 FRG, der sich auf Satz 1 ("dabei") und damit auf die Anwendung des § 22 Abs 1 FRG für den Fall einer nur zeitanteiligen Belegung des Kalenderjahres mit Beitrags- oder Beschäftigungszeiten bezieht, noch mit der Rechtsprechung des BSG hinreichend auseinander, wonach § 26 S 2 FRG "in diesem Zusammenhang" das Monatsprinzip regele(vgl BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 39/06 R - BSGE 102, 248 = SozR 4-5050 § 15 Nr 6 - Juris RdNr 24). Er hätte sich auch mit der Entscheidung des Senats vom 19.11.2009 (B 13 R 145/08 R - Juris RdNr 28) auseinandersetzen müssen, wonach die in § 26, § 15 Abs 1, Abs 3 FRG enthaltenen Regelungen zur Prüfung zwingen, in welchen Zeiten ein Versicherter im Lauf des jeweiligen Kalenderjahres in welchem Umfang Arbeitsleistungen erbracht hat, damit diesen Zeiten Entgeltpunkte zugeordnet werden können. Da in § 26 S 1 und S 2 FRG das Kalenderjahr zum maßgeblichen Bezugszeitraum erklärt werde, könne erst die Betrachtung des gesamten Kalenderjahres ergeben, für welche Monate vollwertige Entgeltpunkte(S 1 und 2), anteilige Entgeltpunkte wegen Teilzeitarbeit oder unständiger Beschäftigung (S 3) oder gar keine Entgeltpunkte wegen "geringfügiger" oder fehlender Beschäftigung (S 4) zu berücksichtigen seien.

17

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

18

4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

19

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 2. August 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Kläger wenden sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 20.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.8.2010 über Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und rügen insbesondere, der Bescheid sei unbestimmt. Das Sozialgericht hat ihre Klage abgewiesen (Urteil vom 14.2.2012), das Landessozialgericht (LSG) hat ihre Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 2.8.2012). In ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG gerichteten Beschwerde rügen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

2

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde der Kläger ist als unbegründet zurückzuweisen.

3

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden.

4

Die Voraussetzungen des von den Klägern allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung sind nicht gegeben. Dessen Voraussetzungen sind ua die Formulierung einer klaren Rechtsfrage und deren Klärungsbedürftigkeit.

5

Die Kläger haben die Rechtsfrage formuliert: "Ist das Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X verletzt, wenn mehrere Erstattungsforderungen aus § 50 SGB X, die gegen unterschiedliche Personen bestehen, gegen einzelne dieser Personen oder gegen alle gemeinsam ausdrücklich als 'Gesamtforderung' geltend gemacht werden?"

6

Diese Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage ist ua zu verneinen, wenn die Antwort höchstrichterlich bereits geklärt ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) über die Nichtzulassungsbeschwerde, sodass die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, die zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde gegeben war, durch zwischenzeitliche Entscheidungen des BSG entfallen kann (BSG SozR 1500 § 160 Nr 25, 61; BSG SozR 1500 § 160a Nr 65).

7

Davon ausgehend ist die von den Klägern formulierte Rechtsfrage zumindest nicht mehr klärungsbedürftig. Denn bei der Prüfung des Bestimmtheitsgebots des § 33 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kommt es nicht auf einzelne Formulierungen oder die Bezeichnung einer "Gesamtforderung" an, sondern auf eine Auslegung des Bescheids oder der Bescheide insgesamt.

8

In dem vom LSG angeführten Urteil des Senats vom 7.7.2011 (B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 33) wird ausgeführt: "Entscheidend ist allerdings, dass sich aus dem Bescheid mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt drei Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidungen ist, die sich jeweils an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft richten." Bestätigt wird dies durch die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Senats vom 29.11.2012 (B 14 AS 6/12 R), in der ergänzend ausgeführt wird: "Die Aufhebungsverfügungen im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid werden aber mit dem Änderungsbescheid vom selben Tag aus Sicht des Empfängers ausreichend konkretisiert. … Dieser Änderungsbescheid bildet mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eine rechtliche Einheit für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum (vgl …). … Die Verfügungssätze der beiden Bescheide korrespondieren miteinander. Bei einem Vergleich der sich aus den jeweiligen Berechnungsbögen ergebenden Individualansprüche ergibt sich, dass sowohl die Leistungsbewilligungen der Klägerin als auch die Leistungsbewilligungen ihrer Tochter jeweils zum Teil aufgehoben werden. … Nach alledem ergibt die Auslegung der Bescheide, dass die Aufhebungsverfügungen vom … sowohl an die Klägerin als auch an ihre Tochter - gesetzlich vertreten durch die Klägerin - gerichtet sind."

9

Mehr könnte im vorliegenden Verfahren hinsichtlich des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 20.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2010 auch nicht ausgeführt werden.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin ab 1.7.2014 ein Anspruch auf weitergehende Berücksichtigung ihrer Kindererziehung und damit auch auf eine höhere Altersrente wegen Schwerbehinderung zusteht.

2

Auf Antrag vom März 2012 bewilligte die Beklagte der am 7.6.1951 geborenen Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1.2.2012 (Bescheid vom 5.4.2012). Dabei berücksichtigte sie Kindererziehungszeiten (KEZ) vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 für das am 10.6.1981 geborene Kind. Mit Bescheid vom 8.9.2014 setzte die Beklagte den Wert der Rente mit Wirkung vom 1.7.2014 neu fest, weil ab diesem Zeitpunkt ein Zuschlag für Kindererziehung in Höhe eines EP zusätzlich zu berücksichtigen sei. Aus Anlage 6 ergebe sich, dass ein weiterer persönlicher EP für Kindererziehung als Zuschlag und damit 36,3263 EP (bisher: 35,3263 EP) der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden sei. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015).

3

Mit Urteil vom 21.3.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Bayerische LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15.3.2017). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für ab 1.1.1992 geborene Kinder habe § 56 SGB VI drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung ab diesem Zeitpunkt anerkannt, für davor geborene Kinder eine KEZ von 12 Monaten. Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.2014, BGBl I 787) sei der Zeitraum von 12 auf 24 Monate erhöht worden. Bei laufender Rente werde die Rentenhöhe unter Zugrundelegung eines weiteren pauschalen EP von Amts wegen - wie bei der Klägerin erfolgt - neu bestimmt. Auf eine weitere Erhöhung der Rente unter Zuerkennung weiterer KEZ bestehe kein Anspruch. Zwar liege weiterhin eine Differenzierung hinsichtlich des Geburtsjahrgangs der Kinder vor. Diese sei aber unter Berücksichtigung der vom BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - entwickelten Grundsätze und der zwischenzeitlich erfolgten weiteren sozialpolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Familien mit Kindern in dem vom Gericht zu überprüfenden Maße hinzunehmen. Diese Neuregelungen seien nicht verfassungswidrig. Insbesondere gebühre dem Gesetzgeber bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit, die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung dürfe er berücksichtigen. Das BVerfG habe auch darauf hingewiesen, dass der "Familienlastenausgleich" ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, der Gesetzgeber müsse auf unterschiedlichen Feldern tätig werden, was auch erfolgt sei. Zwar seien die KEZ Pflichtbeitragszeiten, mangels eigener Beitragsleistung komme ihnen aber kein eigentumsrechtlicher Schutz nach Art 14 Abs 1 GG zu. Der Gesetzgeber habe weiterhin am Stichtag 1.1.1992 festgehalten und vor und nach diesem Zeitpunkt geborene Kinder nicht vollständig gleichgestellt. Als Gründe für die Differenzierung habe er die Einbeziehung auch der laufenden Renten ohne Begrenzung und deren Finanzierung sowie die verwaltungstechnische Umsetzung mit einer pauschalen Zuerkennung eines EP für machbar erachtet. Im Hinblick auf die Neuregelung zum 1.7.2014 müsse der Senat aber den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers berücksichtigen. Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung seien nicht ersichtlich.

4

Mit der Revision rügt die Klägerin, § 307d SGB VI verstoße gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art 6 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 und 2 GG sowie Art 20 Abs 1 und 3 GG. Die KEZ für vor 1992 geborene und ab 1992 geborene Kinder müssten gleichgestellt werden, sodass ihr zusätzlich ein EP und damit eine höhere Altersrente zustehe. Der vom Gesetzgeber aufgeführte "Verwaltungsaufwand" sowie die Finanzierbarkeit der geforderten Leistung könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. So sei bei Zuerkennung eines "pauschalen" EP die Rente nicht kompliziert neu zu berechnen, die Leistungsverbesserung werde im Wesentlichen aus dem Beitragsaufkommen finanziert. Dass der Gesetzgeber selbst die Notwendigkeit einer weiteren Angleichung der KEZ sehe, dennoch am Stichtag 1.1.1992 festhalte und nur eine Anhebung der Zeiten, aber keine Gleichstellung der Kinder vornehme, sei in sich widersprüchlich.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. März 2017 und das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21. März 2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 2014 höhere Altersrente unter weitergehender Berücksichtigung ihrer Kindererziehung zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision (vgl § 160 Abs 1 und 3 SGG) ist zulässig und insbesondere formgerecht begründet. Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (BSG Urteile vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7).

9

Die Klägerin setzt sich - ebenso wie das LSG - mit der Rechtsprechung des BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - auseinander und geht insoweit - zumindest punktuell - auf die Entscheidungsgründe des LSG ein. § 307d SGB VI verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, weil weder der Verwaltungsaufwand noch die Finanzierbarkeit eines weiteren EP die unterschiedliche Anrechnung von KEZ für vor dem 1.1.1992 bzw nach ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder rechtfertigten. Da auch das LSG nicht weiter begründet, warum über die Rechtsprechung des BVerfG zum alten Recht hinaus § 307d SGB VI nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, erweist sich die Revisionsbegründung der Klägerin hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen als ausreichend. Dies gilt unabhängig von dem beim Großen Senat des BSG anhängigen Verfahren - GS 1/17 - auch nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach sich Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen nach deren eigener Qualität richten (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - vorgesehen in BSGE sowie SozR 4-2600 § 51 Nr 1 RdNr 12).

10

B. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Erhöhung des Werts ihrer Altersrente wegen Schwerbehinderung unter Berücksichtigung ihres vor dem 1.1.1992 geborenen Kindes. Ein Anspruch auf eine höhere Rente ergibt sich nicht aus § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI(dazu 2.). Auch verstößt § 307d Abs 2 S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 nicht gegen die Verfassung (dazu 3.).

11

1. Die Regelung des § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI beschränkt sich auf die Verpflichtung der Beklagten, unter den dort genannten Voraussetzungen den Höchstwert am Stichtag 30.6.2014 vorhandener Bestandsrenten durch zusätzliche Berücksichtigung eines Zuschlags von einem persönlichen EP pro Kind zu erhöhen. Im Einzelfall liegt darin eine teilweise Änderung der rechtlichen Verhältnisse gegenüber der ursprünglichen Rentenbewilligung iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, der durch eine Teilaufhebung der ursprünglichen Festsetzung des Rentenwerts und deren Ersetzung durch einen höheren Rentenwert Rechnung zu tragen ist. Die mögliche Beschwer der Klägerin liegt dabei darin, dass sie zwar einen Zuschlag von einem persönlichen EP erhält, ihre Rente jedoch anders als im Regelfall des § 56 Abs 1, 5 SGB VI unverändert nicht unter Berücksichtigung von drei Jahren KEZ oder einer vergleichbaren Begünstigung festgesetzt wird. Nicht anders als bei einem Angriff auf Mitteilungen über die Rentenanpassung (grundlegend BSG Urteil vom 23.3.1999 - B 4 RA 41/98 R - SozR 3-1300 § 31 Nr 13 S 23 f, 28; vgl auch BSG Beschlüsse vom 26.10.2017 - B 13 R 54/17 B - Juris RdNr 9 und - B 13 R 102/17 B - Juris RdNr 8) oder gegen die zusätzliche Berücksichtigung von EP für Ghetto-Zeiten (BSG Urteil vom 3.5.2005 - B 13 RJ 34/04 R - BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1, RdNr 5) kann daher auch vorliegend mit der kombinierten (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage nur die einfachgesetzliche Umsetzung gerade von § 307d SGB VI, und die Verfassungswidrigkeit (nur) dieser Norm geltend gemacht werden.

12

2. Die Beklagte hat das einfache Recht zutreffend angewandt. Nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VI sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren KEZ. Sie sind Pflichtbeitragszeiten nach § 55 Abs 1 S 1 und 2 SGB VI, für die Beiträge als gezahlt gelten. Nach § 177 Abs 1 SGB VI werden die Beiträge für die KEZ vom Bund gezahlt. Die Regelungen der §§ 55 und 56 SGB VI sind am 1.1.1992 in Kraft getreten (Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 - vom 18.12.1989, BGBl I 2261). Für Kinder, die vor dem Inkrafttreten des SGB VI und damit vor dem 1.1.1992 geboren wurden, hat § 249 Abs 1 SGB VI in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) eine KEZ von 12 Monaten vorgesehen. Mit der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurde der Zeitraum von 12 Monaten auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI). Diese 24 Monate KEZ sind für alle Versicherten zu berücksichtigen, die ein Kind erzogen haben, das vor dem 1.1.1992 geboren wurde und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zum 1.7.2014 noch nicht im Rentenbezug standen. Bei einer laufenden Rente am Stichtag 30.6.2014 - wie vorliegend - wird hingegen die Rentenhöhe unter zusätzlicher pauschaler Berücksichtigung eines weiteren persönlichen EP neu bestimmt (§ 307d SGB VI: sog Zuschlag zu den persönlichen EP). Die Umsetzung erfolgt bei den laufenden Renten automatisch. Eines gesonderten Antrags der Versicherten bedarf es ebenso wenig wie einer vollständigen Neubestimmung des Rentenwerts und - auf der Ebene der verwaltungstechnischen Umsetzung - der Einschaltung der Sachbearbeitung.

13

Nach den Feststellungen des LSG sind der Klägerin für ihren am 10.6.1981 geborenen Sohn Zeiten der Kindererziehung vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 zuerkannt und im Bescheid vom 5.4.2012 berücksichtigt worden. Aufgrund der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat die Beklagte pauschal einen weiteren (persönlichen) EP zuerkannt und die Rente neu festgesetzt (Bescheid vom 8.9.2014, Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015). Dass die Festsetzung der Rentenhöhe durch die Beklagte aus anderen einfachrechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnte, ist weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch ist dies ersichtlich.

14

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Festsetzung eines höheren Rentenwerts ergibt sich auch nicht aus materiellem Verfassungsrecht. § 307d Abs 2 S 1 SGB VI steht mit der Verfassung im Einklang.

15

a) Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

16

aa) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass der § 307d SGB VI unterfallende Personenkreis, dem die Klägerin angehört (Bestandsrentner mit Geburt eines Kindes vor dem 1.1.1992) gegenüber dem Regelfall einer Berücksichtigung von drei Jahren KEZ (§ 56 Abs 1, 5 SGB VI) ab dem 1.7.2014 noch weiterhin insofern anders behandelt wird, als bei ihr nur der 1. bis 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt als KEZ berücksichtigt wird und zusätzlich pauschal ein persönlicher EP Berücksichtigung findet. Damit teilen die Betroffenen im Wesentlichen das Schicksal der von § 249 Abs 1 SGB VI erfassten Zugangsrentner mit ebenfalls vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern, bei denen die KEZ 24 Kalendermonate nach Ablauf der Geburt endet.

17

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl BVerfGE 98, 365, 385). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; 126, 400, 416). Dabei verwehrt Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl BVerfGE 124, 199, 220). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 110, 412, 432).

18

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfGE 117, 1, 30; 126, 400, 416). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfGE 124, 199, 220; 130, 240, 252 ff).

19

Nach diesen Maßstäben ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei vor 1992 geborenen Kindern von Bestandsrentnern 12 Monate und einen pauschalen Zuschlag, bei ab 1.1.1992 geborenen Kindern 36 Monate zugrunde legt. Diese Differenzierung wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber durfte insofern insbesondere unverändert die Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung sowie das Inkrafttreten zahlreicher Regelungen berücksichtigen, die die leistungsrechtliche Position von Eltern in der gesetzlichen Rentenversicherung verbessert haben.

20

Ausgangspunkt ist weiterhin die Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 (1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Das BVerfG hat dort (BVerfGE 87, 1, 40) ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Anerkennung von KEZ als rentenbegründendem und rentensteigerndem Tatbestand im Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG vom 11.7.1985, BGBl I 1450) bereits einen ersten Schritt zur Verbesserung der Alterssicherung kindererziehender Personen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung getan habe. Ein zusätzlicher Schritt bestehe in der Verlängerung der anrechnungsfähigen KEZ, die das Rentenreformgesetz 1992 gebracht habe. So wurden ab 1.1.1992 für ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder drei Jahre Pflichtbeitragszeit für die Erziehung eines Kindes anerkannt (§ 56 Abs 1 S 1 SGB VI). Für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder wurde eine KEZ von 12 Monaten zuerkannt (§ 249 SGB VI). Das BVerfG hat weiter ausgeführt, dem Gesetzgeber gebühre bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit und er dürfe hierbei die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen (BVerfGE 87, 1, 40 f).

21

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber in der gesetzlichen Rentenversicherung zahlreiche Regelungen geschaffen, die die gleichzeitige Erziehung von Kindern und Erwerbstätigkeit der Eltern verbessert haben. Seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 werden für Eltern, die ihre (iS der §§ 14, 15 SGB XI) pflegebedürftigen Kinder betreuen, nach Maßgabe der § 44 SGB XI, §§ 3, 166 SGB VI(wie auch für sonstige Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI) Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. Durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 71 Abs 3 SGB VI werden im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung besser bewertet. In Ausführung der Entscheidung des BVerfG vom 12.3.1996 (1 BvR 609/90 und 692/90 - BVerfGE 94, 241 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5) sind die Bewertungen der KEZ durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 70 Abs 2 SGB VI verbessert worden. Mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde für Erziehungszeiten ab 1992 die Regelung des § 70 Abs 3a SGB VI eingeführt, die unter den dort im Einzelnen normierten Voraussetzungen die Anrechnung zusätzlicher EP für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorsieht(vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 47 f mwN).

22

Um den durch die Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung weiter abzubauen, hat der Gesetzgeber zum 1.7.2014 die KEZ für die vor dem 1.1.1992 geborenen Kinder durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz um 12 Monate auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI) und diese Verbesserung durch den Zuschlag an persönlichen EP für Kindererziehung (§ 307d SGB VI) auf die Bestandsrenten übertragen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde nach der Auffassung des BVerfG unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von KEZ bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen (BVerfG Beschluss vom 29.3.1996 - 1 BvR 1238/95 - Juris RdNr 8). Mit der Anhebung der Beitragszeit für Zugangsrentner mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung nicht vertieft, sondern vermindert (so auch Koop, Die "Mütterrente" im verfassungsrechtlichen Kontext, NZS 2015, S 650 ff, 652). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (vgl BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

23

Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9). Auch darf der Gesetzgeber nach Einschätzung des BVerfG berücksichtigen, inwieweit die Rentenversicherungsträger überhaupt personell in der Lage sind, erforderlichenfalls auch eine große Zahl von bereits abgeschlossenen Rentenvorgängen wieder aufzugreifen, um eine Rentenneuberechnung unter (weitergehender) Berücksichtigung der KEZ durchzuführen. Zudem hat das BVerfG den Gesetzgeber auch dazu berechtigt angesehen, sich mit einer auf den Rentenzugang beschränkten Regelung zu begnügen, wenn eine Einbeziehung der Bestandsrentner mit besonders großem finanziellen Aufwand verbunden wäre (vgl BVerfGE 87, 1, 44 f).

24

Vorliegend war der Gesetzgeber berechtigt, bezüglich der Anerkennung von KEZ zwischen vor dem 1.1.1992 und ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern zu unterscheiden. In der Begründung der Entwurfsverfasser des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes ist ausgeführt, das BVerfG habe nicht beanstandet, dass nur für Geburten ab 1992 die anzurechnende KEZ von einem Jahr auf drei Jahre verlängert worden sei, für die vor 1992 geborenen Kinder es bei der Anrechnung von einem Jahr KEZ verblieben. Da jedoch in früheren Zeiten noch nicht in dem Maße Kinderbetreuungsmöglichkeiten bestanden hätten, hätten gerade Mütter und Väter von vor 1992 geborenen Kindern Nachteile in ihrer Alterssicherung hinnehmen müssen. Obwohl das BVerfG nicht beanstandet habe, dass nur Geburten ab 1992 in die Begünstigung einbezogen worden seien, werde diese ungleiche Honorierung von Kindererziehung je nach Geburtsdatum des Kindes mit dem vorliegenden Gesetz verringert. In Zukunft werde die Erziehungsleistung für alle Mütter und Väter, deren Kinder vor 1992 geboren worden seien, durch Ausweitung der KEZ (um 12 Monate) in der Rente anerkannt. Bei völliger Gleichstellung würden sich die Kosten hierfür verdoppeln, was nicht finanzierbar sei (vgl BT-Drucks 18/909, S 14 sowie S 3).

25

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber den Bedürfnissen der Massenverwaltung durch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen Rechnung tragen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl BVerfGE 100, 138, 174; BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 ua - BVerfGE 112, 368, 404 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 62). Hinzu kommt, dass die Gruppe der Klägerin zunächst gegenüber der generellen Behandlung von Bestandsrentnern in § 306 Abs 1 SGB VI ausnahmsweise begünstigt wird, als insofern das neue Recht überhaupt Berücksichtigung findet. Grundsätzlich ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, bei einer Neuregelung einer laufenden Rente die bereits zugrunde gelegten persönlichen EP neu zu bestimmen (§ 306 SGB VI). Der Gesetzgeber hat hier eine spezialgesetzliche Ausnahme gemacht und die Bestandsrentner über § 307d SGB VI einbezogen.

26

Gleichermaßen gegenüber dem Regelfall der (maximal) dreijährigen wie der (maximal) zweijährigen Anrechnung von KEZ bei Zugangsrentnern mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern ergeben sich durch die pauschalierende Vorgehensweise des Gesetzgebers zusätzliche Vorteile. Für den 13. bis 24. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes kommt es für Personen wie die Klägerin auf die tatsächlichen Verhältnisse nicht an. Vielmehr wird für jedes Kind unter den Voraussetzungen des § 307d SGB VI pauschal ein voller persönlicher EP angerechnet. Damit ist der individuelle Zugangsfaktor (§ 77 SGB VI) unerheblich. Zudem ist der Wert der Anrechnung von KEZ - anders als in § 70 Abs 2 S 2 SGB VI - nicht auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Keineswegs immer ist daher der faktische Vergleichsfall die wertsteigernde Berücksichtigung einer dreijährigen KEZ mit etwa einem EP pro Jahr. Es erscheint insofern auch im Lichte des Art 3 Abs 1 GG sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber - welcher bei Schaffung der Regelung des § 307d SGB VI von rund 9,5 Millionen Bestandsrenten ausging(vgl BT-Drucks 18/909 S 15) - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und zur Vermeidung umfangreicher Neuberechnungen eine pauschalierende Regelung getroffen hat.

27

Im Bereich des sozialen Ausgleichs und damit auch hinsichtlich der getroffenen Neuregelung zum 1.7.2014 hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfGE 130, 240, 254). Der Senat hat dies zu berücksichtigen und lediglich zu überprüfen, ob Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung bestehen. Derartige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiteren Schritt zum Familienlastenausgleich unternommen und mit der pauschalen Zuerkennung eines weiteren EP auch die laufenden Rentenbezieher entsprechend effektiv in die Leistungsverbesserung einbezogen.

28

bb) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG vor zwischen Personen, die wegen Kindererziehung keine oder eine weitgehend unterbrochene Erwerbsbiografie haben, und solchen, die lückenlos erwerbstätig waren. Es ergibt sich daraus keine Pflicht des Gesetzgebers, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen, zuletzt mit der grundsätzlichen Anhebung der Beitragszeit von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG aus 1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

29

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Das BVerfG (Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) hat es für mit dem GG vereinbar erachtet, dass Familien auf der Leistungsseite der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht begünstigt würden. Jedoch sei Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Entlastung nicht auf der Beitragsseite erfolge. Das BSG hat eine verfassungsrechtlich gebotene Entlastung wegen Betreuung und Erziehung von Kindern auf der Beitragsseite der gesetzlichen Rentenversicherung verneint (vgl BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77; sowie BSG Urteile vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1, und vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - vorgesehen: BSGE und SozR 4-1100 Art 3 Nr 84). Zum einen sei die in der sozialen Pflegeversicherung zu bejahende Prämisse einer Mindestgeschlossenheit des Sozialversicherungssystems in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gegeben (vgl BSGE 120, 23, RdNr 36 ff). Zum anderen habe der Gesetzgeber auch auf der Leistungsseite die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (vgl BVerfGE 87, 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der gesetzlichen Rentenversicherung eingefügt habe und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so systemgerecht bereits im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen habe (vgl BSGE 120, 23, RdNr 43, 46). Diese Auffassung hat das BVerfG jedenfalls für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt. Demnach sei ein Ausgleich nicht nur im Beitragsrecht möglich. Vielmehr wirkten sich Zeiten der Kindererziehung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend aus (§ 17 Abs 1 S 2 Nr 1 ALG iVm § 56 Abs 1 SGB VI). Diese Argumentation lasse darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen habe und mache deutlich, dass auch das BVerfG für die gesetzliche Rentenversicherung von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgehe. Die Anerkennung von KEZ füge sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BSGE 120, 23 RdNr 49; BVerfG Beschluss vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 - BVerfGK 12, 81, 83).

30

b) Die angegriffene Regelung des § 307d SGB VI verstößt auch nicht gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art 3 Abs 2 GG.

31

Art 3 Abs 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern (vgl BVerfGE 87, 1, 42 = SozR 3-5761 Allg Nr 1; BVerfGE 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). Durch die Anfügung von S 2 in Art 3 Abs 2 GG ist ausdrücklich klargestellt worden, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl BVerfGE 92, 91, 109; 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral formuliert sind, im Ergebnis aber aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen (vgl BVerfGE 97, 35, 43; 104, 373, 393; 113, 1, 15). Demnach ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Über eine solche unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art 3 Abs 2 GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung für Frauen und Männer ebenfalls Bedeutung.

32

Es kann dahinstehen, ob trotz des Anstiegs der Zahl berufstätiger Frauen im allgemeinen noch immer Frauen die Kindererziehung übernehmen und aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit verzichten (vgl BVerfGE 113, 1, 19). Denn die Rechtfertigung einer faktischen Benachteiligung kommt dann in Betracht, wenn die diskriminierende Regelung auf hinreichenden sachlichen Gründen beruht. Dies ist - wie ausgeführt - der Fall. Ein Verstoß von § 307d SGB VI gegen Art 3 Abs 2 GG kommt daher nicht in Betracht.

33

c) Ein Verstoß von § 307d Abs 2 S 1 SGB VI gegen Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip liegt ebenfalls nicht vor.

34

Art 6 Abs 1 GG enthält eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl BVerfGE 80, 81, 92 f; 105, 313, 346; 131, 239, 259). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Der Gesetzgeber ist aufgrund des Schutzauftrags aus Art 6 Abs 1 GG dazu verpflichtet, durch die Kindererziehung entstehende Benachteiligungen in der Alterssicherung von kindererziehenden Familienmitgliedern auszugleichen. Allerdings verfügt er dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen (vgl BVerfGE 87, 1, 39). Der Gesetzgeber darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BVerfGE 87, 1, 41), sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen. Das BVerfG ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass durch Kindererziehung entstehende Nachteile innerhalb der Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen werden (vgl BVerfGE 94, 241, 263 f) und sich die Anerkennung von KEZ in die Struktur der Rentenversicherung einfügt (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f).

35

Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber bei seinen Maßnahmen zur erweiterten Anerkennung der Kindererziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung seit der Einführung der Anrechnung von KEZ durch das am 1.1.1986 in Kraft getretene HEZG regelmäßig innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geblieben ist. KEZ erhalten für die ersten drei Lebensjahre von ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern EP. Berücksichtigungszeiten bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres eines Kindes wurden durch das Rentenreformgesetz 1992 systemkonform eingeführt. Die Bewertung der KEZ hat der Gesetzgeber bis zu einem Wert an EP entsprechend der Beitragsleistung eines Durchschnittsverdieners in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) angehoben.

36

Aus der in Art 6 Abs 1 GG enthaltenen Verpflichtung des Staats zur Förderung der Familie ergibt sich kein gesetzliches Gebot, die Erziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung stärker leistungssteigernd zu berücksichtigen. Dies hat das BSG bereits mehrfach im Zusammenhang mit der Begrenzung der Bewertung zeitgleich zurückgelegter KEZ und sonstiger Beitragszeiten auf die Höchstwerte der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze entschieden (vgl BSG Urteile vom 17.12.2002 - B 4 RA 46/01 R - SozR 3-2600 § 70 Nr 6 S 12 ff; und vom 18.5.2006 - B 4 RA 36/05 R - BSGE 96, 218 = SozR 4-2600 § 70 Nr 1 RdNr 18 f). Aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staats zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, oder konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445).

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin ab 1.7.2014 ein Anspruch auf weitergehende Berücksichtigung ihrer Kindererziehung und damit auch auf eine höhere Altersrente wegen Schwerbehinderung zusteht.

2

Auf Antrag vom März 2012 bewilligte die Beklagte der am 7.6.1951 geborenen Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1.2.2012 (Bescheid vom 5.4.2012). Dabei berücksichtigte sie Kindererziehungszeiten (KEZ) vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 für das am 10.6.1981 geborene Kind. Mit Bescheid vom 8.9.2014 setzte die Beklagte den Wert der Rente mit Wirkung vom 1.7.2014 neu fest, weil ab diesem Zeitpunkt ein Zuschlag für Kindererziehung in Höhe eines EP zusätzlich zu berücksichtigen sei. Aus Anlage 6 ergebe sich, dass ein weiterer persönlicher EP für Kindererziehung als Zuschlag und damit 36,3263 EP (bisher: 35,3263 EP) der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden sei. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015).

3

Mit Urteil vom 21.3.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Bayerische LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15.3.2017). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für ab 1.1.1992 geborene Kinder habe § 56 SGB VI drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung ab diesem Zeitpunkt anerkannt, für davor geborene Kinder eine KEZ von 12 Monaten. Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.2014, BGBl I 787) sei der Zeitraum von 12 auf 24 Monate erhöht worden. Bei laufender Rente werde die Rentenhöhe unter Zugrundelegung eines weiteren pauschalen EP von Amts wegen - wie bei der Klägerin erfolgt - neu bestimmt. Auf eine weitere Erhöhung der Rente unter Zuerkennung weiterer KEZ bestehe kein Anspruch. Zwar liege weiterhin eine Differenzierung hinsichtlich des Geburtsjahrgangs der Kinder vor. Diese sei aber unter Berücksichtigung der vom BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - entwickelten Grundsätze und der zwischenzeitlich erfolgten weiteren sozialpolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Familien mit Kindern in dem vom Gericht zu überprüfenden Maße hinzunehmen. Diese Neuregelungen seien nicht verfassungswidrig. Insbesondere gebühre dem Gesetzgeber bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit, die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung dürfe er berücksichtigen. Das BVerfG habe auch darauf hingewiesen, dass der "Familienlastenausgleich" ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, der Gesetzgeber müsse auf unterschiedlichen Feldern tätig werden, was auch erfolgt sei. Zwar seien die KEZ Pflichtbeitragszeiten, mangels eigener Beitragsleistung komme ihnen aber kein eigentumsrechtlicher Schutz nach Art 14 Abs 1 GG zu. Der Gesetzgeber habe weiterhin am Stichtag 1.1.1992 festgehalten und vor und nach diesem Zeitpunkt geborene Kinder nicht vollständig gleichgestellt. Als Gründe für die Differenzierung habe er die Einbeziehung auch der laufenden Renten ohne Begrenzung und deren Finanzierung sowie die verwaltungstechnische Umsetzung mit einer pauschalen Zuerkennung eines EP für machbar erachtet. Im Hinblick auf die Neuregelung zum 1.7.2014 müsse der Senat aber den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers berücksichtigen. Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung seien nicht ersichtlich.

4

Mit der Revision rügt die Klägerin, § 307d SGB VI verstoße gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art 6 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 und 2 GG sowie Art 20 Abs 1 und 3 GG. Die KEZ für vor 1992 geborene und ab 1992 geborene Kinder müssten gleichgestellt werden, sodass ihr zusätzlich ein EP und damit eine höhere Altersrente zustehe. Der vom Gesetzgeber aufgeführte "Verwaltungsaufwand" sowie die Finanzierbarkeit der geforderten Leistung könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. So sei bei Zuerkennung eines "pauschalen" EP die Rente nicht kompliziert neu zu berechnen, die Leistungsverbesserung werde im Wesentlichen aus dem Beitragsaufkommen finanziert. Dass der Gesetzgeber selbst die Notwendigkeit einer weiteren Angleichung der KEZ sehe, dennoch am Stichtag 1.1.1992 festhalte und nur eine Anhebung der Zeiten, aber keine Gleichstellung der Kinder vornehme, sei in sich widersprüchlich.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. März 2017 und das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21. März 2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 2014 höhere Altersrente unter weitergehender Berücksichtigung ihrer Kindererziehung zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision (vgl § 160 Abs 1 und 3 SGG) ist zulässig und insbesondere formgerecht begründet. Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (BSG Urteile vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7).

9

Die Klägerin setzt sich - ebenso wie das LSG - mit der Rechtsprechung des BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - auseinander und geht insoweit - zumindest punktuell - auf die Entscheidungsgründe des LSG ein. § 307d SGB VI verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, weil weder der Verwaltungsaufwand noch die Finanzierbarkeit eines weiteren EP die unterschiedliche Anrechnung von KEZ für vor dem 1.1.1992 bzw nach ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder rechtfertigten. Da auch das LSG nicht weiter begründet, warum über die Rechtsprechung des BVerfG zum alten Recht hinaus § 307d SGB VI nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, erweist sich die Revisionsbegründung der Klägerin hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen als ausreichend. Dies gilt unabhängig von dem beim Großen Senat des BSG anhängigen Verfahren - GS 1/17 - auch nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach sich Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen nach deren eigener Qualität richten (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - vorgesehen in BSGE sowie SozR 4-2600 § 51 Nr 1 RdNr 12).

10

B. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Erhöhung des Werts ihrer Altersrente wegen Schwerbehinderung unter Berücksichtigung ihres vor dem 1.1.1992 geborenen Kindes. Ein Anspruch auf eine höhere Rente ergibt sich nicht aus § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI(dazu 2.). Auch verstößt § 307d Abs 2 S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 nicht gegen die Verfassung (dazu 3.).

11

1. Die Regelung des § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI beschränkt sich auf die Verpflichtung der Beklagten, unter den dort genannten Voraussetzungen den Höchstwert am Stichtag 30.6.2014 vorhandener Bestandsrenten durch zusätzliche Berücksichtigung eines Zuschlags von einem persönlichen EP pro Kind zu erhöhen. Im Einzelfall liegt darin eine teilweise Änderung der rechtlichen Verhältnisse gegenüber der ursprünglichen Rentenbewilligung iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, der durch eine Teilaufhebung der ursprünglichen Festsetzung des Rentenwerts und deren Ersetzung durch einen höheren Rentenwert Rechnung zu tragen ist. Die mögliche Beschwer der Klägerin liegt dabei darin, dass sie zwar einen Zuschlag von einem persönlichen EP erhält, ihre Rente jedoch anders als im Regelfall des § 56 Abs 1, 5 SGB VI unverändert nicht unter Berücksichtigung von drei Jahren KEZ oder einer vergleichbaren Begünstigung festgesetzt wird. Nicht anders als bei einem Angriff auf Mitteilungen über die Rentenanpassung (grundlegend BSG Urteil vom 23.3.1999 - B 4 RA 41/98 R - SozR 3-1300 § 31 Nr 13 S 23 f, 28; vgl auch BSG Beschlüsse vom 26.10.2017 - B 13 R 54/17 B - Juris RdNr 9 und - B 13 R 102/17 B - Juris RdNr 8) oder gegen die zusätzliche Berücksichtigung von EP für Ghetto-Zeiten (BSG Urteil vom 3.5.2005 - B 13 RJ 34/04 R - BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1, RdNr 5) kann daher auch vorliegend mit der kombinierten (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage nur die einfachgesetzliche Umsetzung gerade von § 307d SGB VI, und die Verfassungswidrigkeit (nur) dieser Norm geltend gemacht werden.

12

2. Die Beklagte hat das einfache Recht zutreffend angewandt. Nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VI sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren KEZ. Sie sind Pflichtbeitragszeiten nach § 55 Abs 1 S 1 und 2 SGB VI, für die Beiträge als gezahlt gelten. Nach § 177 Abs 1 SGB VI werden die Beiträge für die KEZ vom Bund gezahlt. Die Regelungen der §§ 55 und 56 SGB VI sind am 1.1.1992 in Kraft getreten (Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 - vom 18.12.1989, BGBl I 2261). Für Kinder, die vor dem Inkrafttreten des SGB VI und damit vor dem 1.1.1992 geboren wurden, hat § 249 Abs 1 SGB VI in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) eine KEZ von 12 Monaten vorgesehen. Mit der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurde der Zeitraum von 12 Monaten auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI). Diese 24 Monate KEZ sind für alle Versicherten zu berücksichtigen, die ein Kind erzogen haben, das vor dem 1.1.1992 geboren wurde und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zum 1.7.2014 noch nicht im Rentenbezug standen. Bei einer laufenden Rente am Stichtag 30.6.2014 - wie vorliegend - wird hingegen die Rentenhöhe unter zusätzlicher pauschaler Berücksichtigung eines weiteren persönlichen EP neu bestimmt (§ 307d SGB VI: sog Zuschlag zu den persönlichen EP). Die Umsetzung erfolgt bei den laufenden Renten automatisch. Eines gesonderten Antrags der Versicherten bedarf es ebenso wenig wie einer vollständigen Neubestimmung des Rentenwerts und - auf der Ebene der verwaltungstechnischen Umsetzung - der Einschaltung der Sachbearbeitung.

13

Nach den Feststellungen des LSG sind der Klägerin für ihren am 10.6.1981 geborenen Sohn Zeiten der Kindererziehung vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 zuerkannt und im Bescheid vom 5.4.2012 berücksichtigt worden. Aufgrund der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat die Beklagte pauschal einen weiteren (persönlichen) EP zuerkannt und die Rente neu festgesetzt (Bescheid vom 8.9.2014, Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015). Dass die Festsetzung der Rentenhöhe durch die Beklagte aus anderen einfachrechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnte, ist weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch ist dies ersichtlich.

14

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Festsetzung eines höheren Rentenwerts ergibt sich auch nicht aus materiellem Verfassungsrecht. § 307d Abs 2 S 1 SGB VI steht mit der Verfassung im Einklang.

15

a) Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

16

aa) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass der § 307d SGB VI unterfallende Personenkreis, dem die Klägerin angehört (Bestandsrentner mit Geburt eines Kindes vor dem 1.1.1992) gegenüber dem Regelfall einer Berücksichtigung von drei Jahren KEZ (§ 56 Abs 1, 5 SGB VI) ab dem 1.7.2014 noch weiterhin insofern anders behandelt wird, als bei ihr nur der 1. bis 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt als KEZ berücksichtigt wird und zusätzlich pauschal ein persönlicher EP Berücksichtigung findet. Damit teilen die Betroffenen im Wesentlichen das Schicksal der von § 249 Abs 1 SGB VI erfassten Zugangsrentner mit ebenfalls vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern, bei denen die KEZ 24 Kalendermonate nach Ablauf der Geburt endet.

17

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl BVerfGE 98, 365, 385). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; 126, 400, 416). Dabei verwehrt Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl BVerfGE 124, 199, 220). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 110, 412, 432).

18

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfGE 117, 1, 30; 126, 400, 416). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfGE 124, 199, 220; 130, 240, 252 ff).

19

Nach diesen Maßstäben ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei vor 1992 geborenen Kindern von Bestandsrentnern 12 Monate und einen pauschalen Zuschlag, bei ab 1.1.1992 geborenen Kindern 36 Monate zugrunde legt. Diese Differenzierung wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber durfte insofern insbesondere unverändert die Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung sowie das Inkrafttreten zahlreicher Regelungen berücksichtigen, die die leistungsrechtliche Position von Eltern in der gesetzlichen Rentenversicherung verbessert haben.

20

Ausgangspunkt ist weiterhin die Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 (1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Das BVerfG hat dort (BVerfGE 87, 1, 40) ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Anerkennung von KEZ als rentenbegründendem und rentensteigerndem Tatbestand im Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG vom 11.7.1985, BGBl I 1450) bereits einen ersten Schritt zur Verbesserung der Alterssicherung kindererziehender Personen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung getan habe. Ein zusätzlicher Schritt bestehe in der Verlängerung der anrechnungsfähigen KEZ, die das Rentenreformgesetz 1992 gebracht habe. So wurden ab 1.1.1992 für ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder drei Jahre Pflichtbeitragszeit für die Erziehung eines Kindes anerkannt (§ 56 Abs 1 S 1 SGB VI). Für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder wurde eine KEZ von 12 Monaten zuerkannt (§ 249 SGB VI). Das BVerfG hat weiter ausgeführt, dem Gesetzgeber gebühre bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit und er dürfe hierbei die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen (BVerfGE 87, 1, 40 f).

21

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber in der gesetzlichen Rentenversicherung zahlreiche Regelungen geschaffen, die die gleichzeitige Erziehung von Kindern und Erwerbstätigkeit der Eltern verbessert haben. Seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 werden für Eltern, die ihre (iS der §§ 14, 15 SGB XI) pflegebedürftigen Kinder betreuen, nach Maßgabe der § 44 SGB XI, §§ 3, 166 SGB VI(wie auch für sonstige Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI) Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. Durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 71 Abs 3 SGB VI werden im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung besser bewertet. In Ausführung der Entscheidung des BVerfG vom 12.3.1996 (1 BvR 609/90 und 692/90 - BVerfGE 94, 241 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5) sind die Bewertungen der KEZ durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 70 Abs 2 SGB VI verbessert worden. Mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde für Erziehungszeiten ab 1992 die Regelung des § 70 Abs 3a SGB VI eingeführt, die unter den dort im Einzelnen normierten Voraussetzungen die Anrechnung zusätzlicher EP für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorsieht(vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 47 f mwN).

22

Um den durch die Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung weiter abzubauen, hat der Gesetzgeber zum 1.7.2014 die KEZ für die vor dem 1.1.1992 geborenen Kinder durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz um 12 Monate auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI) und diese Verbesserung durch den Zuschlag an persönlichen EP für Kindererziehung (§ 307d SGB VI) auf die Bestandsrenten übertragen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde nach der Auffassung des BVerfG unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von KEZ bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen (BVerfG Beschluss vom 29.3.1996 - 1 BvR 1238/95 - Juris RdNr 8). Mit der Anhebung der Beitragszeit für Zugangsrentner mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung nicht vertieft, sondern vermindert (so auch Koop, Die "Mütterrente" im verfassungsrechtlichen Kontext, NZS 2015, S 650 ff, 652). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (vgl BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

23

Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9). Auch darf der Gesetzgeber nach Einschätzung des BVerfG berücksichtigen, inwieweit die Rentenversicherungsträger überhaupt personell in der Lage sind, erforderlichenfalls auch eine große Zahl von bereits abgeschlossenen Rentenvorgängen wieder aufzugreifen, um eine Rentenneuberechnung unter (weitergehender) Berücksichtigung der KEZ durchzuführen. Zudem hat das BVerfG den Gesetzgeber auch dazu berechtigt angesehen, sich mit einer auf den Rentenzugang beschränkten Regelung zu begnügen, wenn eine Einbeziehung der Bestandsrentner mit besonders großem finanziellen Aufwand verbunden wäre (vgl BVerfGE 87, 1, 44 f).

24

Vorliegend war der Gesetzgeber berechtigt, bezüglich der Anerkennung von KEZ zwischen vor dem 1.1.1992 und ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern zu unterscheiden. In der Begründung der Entwurfsverfasser des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes ist ausgeführt, das BVerfG habe nicht beanstandet, dass nur für Geburten ab 1992 die anzurechnende KEZ von einem Jahr auf drei Jahre verlängert worden sei, für die vor 1992 geborenen Kinder es bei der Anrechnung von einem Jahr KEZ verblieben. Da jedoch in früheren Zeiten noch nicht in dem Maße Kinderbetreuungsmöglichkeiten bestanden hätten, hätten gerade Mütter und Väter von vor 1992 geborenen Kindern Nachteile in ihrer Alterssicherung hinnehmen müssen. Obwohl das BVerfG nicht beanstandet habe, dass nur Geburten ab 1992 in die Begünstigung einbezogen worden seien, werde diese ungleiche Honorierung von Kindererziehung je nach Geburtsdatum des Kindes mit dem vorliegenden Gesetz verringert. In Zukunft werde die Erziehungsleistung für alle Mütter und Väter, deren Kinder vor 1992 geboren worden seien, durch Ausweitung der KEZ (um 12 Monate) in der Rente anerkannt. Bei völliger Gleichstellung würden sich die Kosten hierfür verdoppeln, was nicht finanzierbar sei (vgl BT-Drucks 18/909, S 14 sowie S 3).

25

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber den Bedürfnissen der Massenverwaltung durch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen Rechnung tragen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl BVerfGE 100, 138, 174; BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 ua - BVerfGE 112, 368, 404 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 62). Hinzu kommt, dass die Gruppe der Klägerin zunächst gegenüber der generellen Behandlung von Bestandsrentnern in § 306 Abs 1 SGB VI ausnahmsweise begünstigt wird, als insofern das neue Recht überhaupt Berücksichtigung findet. Grundsätzlich ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, bei einer Neuregelung einer laufenden Rente die bereits zugrunde gelegten persönlichen EP neu zu bestimmen (§ 306 SGB VI). Der Gesetzgeber hat hier eine spezialgesetzliche Ausnahme gemacht und die Bestandsrentner über § 307d SGB VI einbezogen.

26

Gleichermaßen gegenüber dem Regelfall der (maximal) dreijährigen wie der (maximal) zweijährigen Anrechnung von KEZ bei Zugangsrentnern mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern ergeben sich durch die pauschalierende Vorgehensweise des Gesetzgebers zusätzliche Vorteile. Für den 13. bis 24. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes kommt es für Personen wie die Klägerin auf die tatsächlichen Verhältnisse nicht an. Vielmehr wird für jedes Kind unter den Voraussetzungen des § 307d SGB VI pauschal ein voller persönlicher EP angerechnet. Damit ist der individuelle Zugangsfaktor (§ 77 SGB VI) unerheblich. Zudem ist der Wert der Anrechnung von KEZ - anders als in § 70 Abs 2 S 2 SGB VI - nicht auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Keineswegs immer ist daher der faktische Vergleichsfall die wertsteigernde Berücksichtigung einer dreijährigen KEZ mit etwa einem EP pro Jahr. Es erscheint insofern auch im Lichte des Art 3 Abs 1 GG sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber - welcher bei Schaffung der Regelung des § 307d SGB VI von rund 9,5 Millionen Bestandsrenten ausging(vgl BT-Drucks 18/909 S 15) - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und zur Vermeidung umfangreicher Neuberechnungen eine pauschalierende Regelung getroffen hat.

27

Im Bereich des sozialen Ausgleichs und damit auch hinsichtlich der getroffenen Neuregelung zum 1.7.2014 hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfGE 130, 240, 254). Der Senat hat dies zu berücksichtigen und lediglich zu überprüfen, ob Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung bestehen. Derartige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiteren Schritt zum Familienlastenausgleich unternommen und mit der pauschalen Zuerkennung eines weiteren EP auch die laufenden Rentenbezieher entsprechend effektiv in die Leistungsverbesserung einbezogen.

28

bb) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG vor zwischen Personen, die wegen Kindererziehung keine oder eine weitgehend unterbrochene Erwerbsbiografie haben, und solchen, die lückenlos erwerbstätig waren. Es ergibt sich daraus keine Pflicht des Gesetzgebers, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen, zuletzt mit der grundsätzlichen Anhebung der Beitragszeit von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG aus 1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

29

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Das BVerfG (Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) hat es für mit dem GG vereinbar erachtet, dass Familien auf der Leistungsseite der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht begünstigt würden. Jedoch sei Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Entlastung nicht auf der Beitragsseite erfolge. Das BSG hat eine verfassungsrechtlich gebotene Entlastung wegen Betreuung und Erziehung von Kindern auf der Beitragsseite der gesetzlichen Rentenversicherung verneint (vgl BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77; sowie BSG Urteile vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1, und vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - vorgesehen: BSGE und SozR 4-1100 Art 3 Nr 84). Zum einen sei die in der sozialen Pflegeversicherung zu bejahende Prämisse einer Mindestgeschlossenheit des Sozialversicherungssystems in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gegeben (vgl BSGE 120, 23, RdNr 36 ff). Zum anderen habe der Gesetzgeber auch auf der Leistungsseite die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (vgl BVerfGE 87, 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der gesetzlichen Rentenversicherung eingefügt habe und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so systemgerecht bereits im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen habe (vgl BSGE 120, 23, RdNr 43, 46). Diese Auffassung hat das BVerfG jedenfalls für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt. Demnach sei ein Ausgleich nicht nur im Beitragsrecht möglich. Vielmehr wirkten sich Zeiten der Kindererziehung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend aus (§ 17 Abs 1 S 2 Nr 1 ALG iVm § 56 Abs 1 SGB VI). Diese Argumentation lasse darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen habe und mache deutlich, dass auch das BVerfG für die gesetzliche Rentenversicherung von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgehe. Die Anerkennung von KEZ füge sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BSGE 120, 23 RdNr 49; BVerfG Beschluss vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 - BVerfGK 12, 81, 83).

30

b) Die angegriffene Regelung des § 307d SGB VI verstößt auch nicht gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art 3 Abs 2 GG.

31

Art 3 Abs 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern (vgl BVerfGE 87, 1, 42 = SozR 3-5761 Allg Nr 1; BVerfGE 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). Durch die Anfügung von S 2 in Art 3 Abs 2 GG ist ausdrücklich klargestellt worden, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl BVerfGE 92, 91, 109; 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral formuliert sind, im Ergebnis aber aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen (vgl BVerfGE 97, 35, 43; 104, 373, 393; 113, 1, 15). Demnach ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Über eine solche unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art 3 Abs 2 GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung für Frauen und Männer ebenfalls Bedeutung.

32

Es kann dahinstehen, ob trotz des Anstiegs der Zahl berufstätiger Frauen im allgemeinen noch immer Frauen die Kindererziehung übernehmen und aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit verzichten (vgl BVerfGE 113, 1, 19). Denn die Rechtfertigung einer faktischen Benachteiligung kommt dann in Betracht, wenn die diskriminierende Regelung auf hinreichenden sachlichen Gründen beruht. Dies ist - wie ausgeführt - der Fall. Ein Verstoß von § 307d SGB VI gegen Art 3 Abs 2 GG kommt daher nicht in Betracht.

33

c) Ein Verstoß von § 307d Abs 2 S 1 SGB VI gegen Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip liegt ebenfalls nicht vor.

34

Art 6 Abs 1 GG enthält eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl BVerfGE 80, 81, 92 f; 105, 313, 346; 131, 239, 259). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Der Gesetzgeber ist aufgrund des Schutzauftrags aus Art 6 Abs 1 GG dazu verpflichtet, durch die Kindererziehung entstehende Benachteiligungen in der Alterssicherung von kindererziehenden Familienmitgliedern auszugleichen. Allerdings verfügt er dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen (vgl BVerfGE 87, 1, 39). Der Gesetzgeber darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BVerfGE 87, 1, 41), sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen. Das BVerfG ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass durch Kindererziehung entstehende Nachteile innerhalb der Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen werden (vgl BVerfGE 94, 241, 263 f) und sich die Anerkennung von KEZ in die Struktur der Rentenversicherung einfügt (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f).

35

Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber bei seinen Maßnahmen zur erweiterten Anerkennung der Kindererziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung seit der Einführung der Anrechnung von KEZ durch das am 1.1.1986 in Kraft getretene HEZG regelmäßig innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geblieben ist. KEZ erhalten für die ersten drei Lebensjahre von ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern EP. Berücksichtigungszeiten bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres eines Kindes wurden durch das Rentenreformgesetz 1992 systemkonform eingeführt. Die Bewertung der KEZ hat der Gesetzgeber bis zu einem Wert an EP entsprechend der Beitragsleistung eines Durchschnittsverdieners in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) angehoben.

36

Aus der in Art 6 Abs 1 GG enthaltenen Verpflichtung des Staats zur Förderung der Familie ergibt sich kein gesetzliches Gebot, die Erziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung stärker leistungssteigernd zu berücksichtigen. Dies hat das BSG bereits mehrfach im Zusammenhang mit der Begrenzung der Bewertung zeitgleich zurückgelegter KEZ und sonstiger Beitragszeiten auf die Höchstwerte der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze entschieden (vgl BSG Urteile vom 17.12.2002 - B 4 RA 46/01 R - SozR 3-2600 § 70 Nr 6 S 12 ff; und vom 18.5.2006 - B 4 RA 36/05 R - BSGE 96, 218 = SozR 4-2600 § 70 Nr 1 RdNr 18 f). Aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staats zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, oder konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445).

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. August 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 1920,93 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die klagende Krankenhausträgerin ist mit ihrem Begehren, die beklagte Krankenkasse (KK) zur Zahlung weiterer 1920,93 Euro Vergütung für die Behandlung der bei der Beklagten versicherten K. und R. zu verurteilen, bei dem SG erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die bei den beiden Versicherten durchgeführten Biopsien seien nach dem 2008 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) nicht mit OPS (2008) 1-563.0 (Biopsie an Prostata und periprostatischem Gewebe durch Inzision - Prostata) zu kodieren. Dieser OPS steuere innerhalb der Diagnosis Related Groups (DRG; diagnosebezogene Fallgruppen) die höher vergütete, von der Klägerin geltend gemachte DRG M09B an. Die Biopsien seien in beiden Fällen mit OPS (2008) 1-465.1 zu kodieren (Perkutane Biopsie an Harnorganen und männlichen Geschlechtsorganen mit Steuerung durch bildgebende Verfahren - Prostata), der zu der niedriger vergüteten, von der Beklagten auch bezahlten DRG M61Z führe. Bei systematischer Auslegung des OPS erfasse die Inzision im Sinne des OPS (2008) 1-563.0 nur einen solchen Schnitt, der den Zugang durch eine operative Freilegung des Biopsiegebietes eröffne. Die Klägerin habe in beiden Fällen jeweils nur einen Hautschnitt ausgeführt, um die Biopsienadel besser einführen zu können (Urteil vom 4.8.2011).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und des Verfahrensfehlers(§ 160 Abs 2 SGG).

4

1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

5

a) Die Klägerin formuliert zunächst die Rechtsfrage:

"Hat der strikte Wortlaut eines OPS-Kodes Vorrang vor einer Auslegung aus dem systematischen Zusammenhang heraus?"

Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit der Frage jedoch nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN; BSG Beschluss vom 27.1.2012 - B 1 KR 47/11 B - juris RdNr 4), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Daran fehlt es hier.

6

Die Klägerin, die die Rechtsfrage bejahen möchte, zitiert in der Beschwerdebegründung ausdrücklich das BSG (SozR 3-5565 § 15 Nr 1 S 6) wie folgt: "Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut, ergänzend auch noch nach systematischem Zusammenhang auszulegen …". An dieser Rechtsprechung hat das BSG seither festgehalten (vgl nur BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17; SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; s ferner zuletzt BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Klägerin legt nicht dar, wieso mit Blick auf diese ständige Rechtsprechung noch Klärungsbedarf verblieben oder neu entstanden ist.

7

b) Die Klägerin formuliert zudem die Frage, ob

der OPS 1-563.0 (2008) nur dann zu kodieren ist, wenn die Inzision nicht allein der Einführung des Biopsiewerkzeuges dient, sondern der weitergehenden (operativen) Öffnung eines Zugangs zum Biopsiegebiet dient oder die Biopsie im Rahmen eines aus anderen Gründen operativ (durch Inzision) eröffneten Zugangs zum Biopsiegebiet vorgenommen wird.

8

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insoweit nicht um eine medizinische Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage. Die Beteiligten streiten nicht über den tatsächlichen Vorgang der vom LSG unangegriffen festgestellten Gewebeentnahme - Durchtrennung der Haut am Damm zur Positionierung der Biopsienadel -, sondern darüber, ob die in die Fallpauschalenvereinbarung 2008 normenvertraglich (näher dazu unten, II. 1. b aa) eingebundene Regelung OPS (2008) 1-563.0 (1-563: Biopsie an Prostata und periprostatischem Gewebe durch Inzision, 1-563.0: Prostata) diese Vorgehensweise erfasst, namentlich was unter "Inzision" zu verstehen ist.

9

Die Klägerin legt indes weder die grundsätzliche Bedeutung (dazu aa) noch die Klärungsbedürftigkeit der Frage schlüssig dar (dazu bb).

10

aa) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage erwächst daraus, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 7 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Rechtsnorm, bei der es sich um ausgelaufenes Recht handelt, deshalb regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung (vgl BSG Beschluss vom 21.6.2011 - B 4 AS 14/11 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 26.4.2007 - B 12 R 15/06 B - juris RdNr 9; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; vgl auch BSG Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - juris RdNr 17, dort zu § 41 Abs 4 SGG). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht muss für eine grundsätzliche Bedeutung entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden sein, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung muss aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung haben (vgl BSG Beschluss vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - juris RdNr 32; BSG Beschluss vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.3.2006 - B 6 KA 46/05 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 20.6.2001 - B 10/14 KG 1/00 B - juris RdNr 1; BSG Beschluss vom 31.3.1999 - B 7 AL 170/98 B - juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Eine Fortwirkung kann insbesondere dann vorliegen, wenn an die Stelle der bisherigen Regelung eine inhaltsgleiche getreten ist (vgl BSG Beschluss vom 11.5.1993 - 12 BK 1/93 - juris RdNr 2) oder sogar die bisherige Regelung im Wortlaut beibehalten und nur formal neu geschaffen wurde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn dies nicht offensichtlich ist, in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG; vgl BSG Beschluss vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - juris RdNr 7).

11

Im Falle des DRG-basierten Vergütungssystems kommt hinzu, dass es vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz; s ferner § 17 Abs 7 S 1 Nr 1 und 2 KHG) und damit als ein "lernendes" System angelegt ist, und deswegen bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; s ferner zuletzt BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Kommt eine Einigung nicht zustande oder besteht ein Fortentwicklungsbedarf, ist das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Regelungen zu treffen (§ 17 Abs 7 S 1 KHG).

12

Dieser Anpassungsmechanismus betrifft auch die Begriffsbestimmungen im OPS. Der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene OPS - und damit auch OPS (2008) 1- 563.0 - wird erst durch die jährlich abgeschlossene Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Vergütungssystem verbindlich (vgl dazu BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 23 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Namentlich durch die in die FPV einbezogenen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) ist es den Vertragsparteien möglich, die erlöswirksame Kodierung des OPS zu steuern (zur Einbeziehung der DKR in die FPV und ihrer normativen Wirkung vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 17 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Die aufgezeigten Eigenarten der Krankenhausvergütung verdeutlichen zugleich, dass die in der Rechtsprechung des BSG zu scheinbaren Parallelbereichen wie dem Vertragsarztrecht ausgeformten Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht unbesehen auf die Darlegungsanforderungen bei Rechtsfragen der Krankenhausvergütung übertragen werden können. Denn die Ausgestaltung des Vergütungssystems für Krankenhäuser unterscheidet sich insoweit von anderen normenvertraglich gesteuerten Systemen wie etwa demjenigen des Vertragsarztrechts, die - ungeachtet ihrer ebenfalls bestehenden Anpassungsmechanismen - nicht in gleicher Weise auf ständige kurzfristige Überarbeitung angelegt sind. Gleiches gilt für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (vgl dazu im Übrigen unten, bb).

14

Dementsprechend entbehren Rechtsfragen der grundsätzlichen Bedeutung, wenn die Tatbestandsmerkmale einer Einzelvergütungsvorschrift mit einer normativ vorgegebenen kurzen Geltungsdauer einer rechtstatsächlich stattfindenden fortlaufenden Überprüfung und eventuellen Anpassung mit der Folge unterliegen, dass im Zeitpunkt der Befassung des Revisionsgerichts mit der Norm eine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung nicht mehr erkennbar ist. Bezogen auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des ausgelaufenen Rechts bedeutet dies, dass im Streit über die Anwendbarkeit einer bestimmten DRG darzulegen ist: (1) Die betroffene Einzelvorschrift (bzw das dort betroffene Tatbestandsmerkmal) hat im konkreten Fall auf die zur Ermittlung der DRG durchzuführende Groupierung Einfluss. (2) Die in der kalenderjahresbezogen anzuwendenden FPV mitgeregelte betroffene Einzelvorschrift gilt in späteren FPV im Wortlaut unverändert erlöswirksam für die Groupierung fort. (3) Ein sich daraus in einer Vielzahl von Behandlungsfällen bereits ergebender und zukünftig zu erwartender Streit konnte von den am Abschluss des FPV mitwirkenden Vertragsparteien bislang nicht einvernehmlich gelöst werden.

15

Alternativ zu den quantitativ zu verstehenden Voraussetzungen (2) und (3) kann sich auch eine "qualitative" Fortwirkung ergeben. Hierzu ist (4) darzulegen, dass der Auslegungsstreit über eine Einzelvorschrift eine strukturelle Frage des Vergütungssystems betrifft, deren Beantwortung - ungeachtet der Fortgeltung der konkret betroffenen Vorschrift - über die inhaltliche Bestimmung der Einzelvorschrift hinaus für das Vergütungssystem als Ganzes oder für einzelne Teile zukünftig von struktureller Bedeutung ist. Letzteres impliziert die Darlegung, dass die Vertragsparteien das näher zu bezeichnende Strukturproblem noch nicht gelöst haben.

16

An entsprechenden Darlegungen fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin verweist lediglich darauf, dass das BSG die Rechtsfrage noch nicht entschieden habe und die Auslegung von OPS (2008) 1-563.0 für eine Vielzahl von Krankenhäusern von grundsätzlicher Bedeutung sei.

17

bb) Die Klägerin legt auch einen Klärungsbedarf nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, obwohl das BSG sie noch nicht ausdrücklich behandelt hat, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, so dass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl zB BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - juris RdNr 7 mwN). Insbesondere wenn Beschwerdeführer nicht Rechtsfragen von struktureller Bedeutung für die Abrechnungsbestimmungen im dargelegten Sinne aufzeigen, sondern bloß die quantitative Bedeutung der Fortwirkung einer in der Vergangenheit normenvertraglich geltenden Vergütungsvorschrift darlegen, müssen sie regelmäßig besondere Sorgfalt darauf verwenden, den Klärungsbedarf darzulegen. Die gebotene substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit von im OPS verwendeten, streitigen Begriffen erfordert, dass der Beschwerdeführer ausführt, warum ausnahmsweise noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch das Tatsachengericht hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl die Auslegung von Vergütungsvorschriften lediglich nach Wortlaut und - ergänzend - Systematik erfolgt. Die Auslegung einer der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift hat nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen Auslegungsprobleme aufwirft sowie die hierfür anzuwendenden Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind.

18

So liegt es regelmäßig bei der Auslegung des OPS. Der vom DIMDI herausgegebene OPS ist dadurch charakterisiert, dass er Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe definiert und strukturiert. Die Inkorporierung dieser Klassifikation in die Vergütungsvorschriften bedeutet - soweit die Vertragsparteien nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmen -, dass den medizinischen Begriffen des OPS der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird. Dieser den Regelungsgehalt determinierende Sprachgebrauch kann - wortlautorientiert - wie eine Tatsache als Vorfrage für die Auslegung im gerichtlichen Verfahren durch Beweiserhebung ermittelt werden. Insofern gilt hier nichts anderes als bei Fragen (rein) tatsächlicher Art, die nicht zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden können (BSG Beschluss vom 20.11.2007 - B 1 KR 118/07 B - juris RdNr 5 mwN).

19

Die Klägerin trägt nichts dazu vor, warum die Feststellung des Sinngehalts der "Inzision" im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch über die korrekte Ermittlung des Sprachgebrauchs hinaus durch das Revisionsgericht klärungsbedürftig ist.

20

Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf einer Rechtssache kann etwa auch daraus erwachsen, dass eine Vergütungsvorschrift existenzgefährdende Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen bewirkt, deren Folgen eine zukünftige Korrektur nicht mehr hinreichend beseitigen kann (vgl dazu auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 26 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Hieran anknüpfend können sich beispielsweise Fragen nach dem Verhältnis zwischen dem Normenvertragsrecht und höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten ergeben, die allein durch eine eng am Wortlaut orientierte und ergänzende systematische Auslegung nicht zu beantworten sind. Die Darlegungen der Klägerin bieten keinen Anlass zur Annahme einer derartigen Situation.

21

2. Die Klägerin legt auch eine Rechtsprechungsdivergenz nicht hinreichend dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatzes fehlt es. Die Klägerin bezieht sich auf den abstrakten Rechtssatz des BSG (SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18), dass Vergütungsregelungen, um ihren Zweck zu erfüllen, für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind und keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen zulassen. Hiervon ausgehend legt die Klägerin keine Divergenz dar. Denn sie stellt dem Rechtssatz des BSG den von ihr formulierten Rechtssatz des LSG gegenüber, dass eine Biopsie durch Inzision nur dann vorliege, wenn die Inzision nicht allein der Einführung des Biopsiewerkzeugs, sondern der weitergehenden (operativen) Öffnung eines Zugangs zum Biopsiegebiet diene oder die Biopsie im Rahmen eines aus anderen Gründen operativ (durch Inzision) eröffneten Zugangs zum Biopsiegebiet vorgenommen werde. Soweit die Klägerin damit inhaltlich zutreffend die Auslegung des LSG zu OPS (2008) 1-563.0 wiedergibt, legt sie nicht schlüssig dar, dass dieser Rechtssatz in Widerspruch zu dem vom BSG formulierten Auslegungsmaßstab steht. Vielmehr macht die Klägerin geltend, dass das LSG dann, wenn es den Auslegungsmaßstab des BSG herangezogen hätte, zu der von der Klägerin vertretenen Auslegung des OPS (2008) 1-563.0 hätte gelangen müssen. Hingegen habe das LSG den OPS (2008) 1-563.0 nicht streng nach seinem Wortlaut und deswegen falsch interpretiert. Damit legt die Klägerin keine Divergenz dar, sondern rügt im Kern nur die - ihrer Auffassung nach - fehlerhafte Anwendung des Auslegungsmaßstabs des BSG durch das LSG. Sie setzt sich zudem nicht hinreichend damit auseinander, dass das LSG in Einklang mit dem von der Klägerin genannten Rechtssatz des BSG ausdrücklich unter Bezugnahme auf andere Urteile des BSG (BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14) davon ausgeht, dass Abrechnungsbestimmungen streng nach dem Wortlaut, den dazu vereinbarten Anwendungsregeln und allenfalls ergänzend nach dem systematischen Zusammenhang auszulegen sind.

22

3. Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

23

Die Klägerin stützt sich - ohne eine Rechtsnorm zu benennen - sinngemäß lediglich auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht. Sie führt aus, das LSG habe nicht aufgrund eigener Internet-Recherche, sondern nur aufgrund eines medizinischen Gutachtens zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass bei jeder Biopsie ein Hautschnitt gemacht werde. Damit legt sie jedoch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend dar. Sie bezeichnet schon keinen Beweisantrag, zumal sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG keinen solchen gestellt hat.

24

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

25

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist vorrangig ein Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte und dabei insbesondere, ob sie die Wartezeit von 35 Jahren aufgrund zusätzlich anzuerkennender Berücksichtigungszeiten wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege erfüllt hat.

2

Die 1939 geborene Klägerin bezog für ihren 1972 geborenen, im Januar 2002 verstorbenen schwerbehinderten Sohn seit November 1979 Hilfe zur Pflege (Pflegegeld); die Sozialhilfeleistung wurde Ende der 1980er Jahre wegen Überschreitens der Einkommensgrenze eingestellt. Anlässlich der Übersendung eines Versicherungsverlaufs bat die Klägerin nach einem von ihr vorgelegten Schreiben vom 15.3.1989 die LVA Hannover (deren Rechtsnachfolge im Jahr 2005 die DRV Braunschweig-Hannover antrat - im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) um Auskunft, ob für ihren pflegebedürftigen Sohn weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten; eine Antwort hat sie nach ihren Angaben nicht erhalten. Nach Inkrafttreten des SGB XI übersandte ihr die beigeladene Pflegekasse am 6.3.1995 ein Antragsformular zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen samt Beratungsblatt. Die Klägerin reichte den Antrag vom 25.3.1995 an die Beigeladene zurück und gab dabei an, ihren Sohn seit 1979 im Umfang von derzeit 17,5 Stunden pro Woche zu pflegen. Ihren am 5.7.1996 gestellten Antrag auf rückwirkende Anerkennung ihrer Pflegetätigkeit ab 1.11.1979 als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.2.1997 ab, weil die Klägerin weder den erforderlichen Antrag für eine - ohnehin erst ab 1.1.1992 in Frage kommende - Vormerkung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gestellt noch in dieser Zeit freiwillige Beiträge, die in Pflichtbeiträge umgewandelt werden könnten, entrichtet habe. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Im März 2002 beantragte die Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da lediglich 31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten auf die hierfür erforderliche Wartezeit von 35 Jahren anzurechnen seien (Bescheid vom 28.3.2002, Widerspruchsbescheid vom 17.12.2002). Ab 1.7.2004 bewilligte sie Regelaltersrente auf der Grundlage von 14,8049 persönlichen Entgeltpunkten iHv monatlich - einschließlich Zuschuss zur privaten Krankenversicherung - 414,51 Euro (Rentenbescheid vom 23.6.2004).

4

Die ursprünglich gegen die ablehnenden Bescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002 gerichtete Klage nahm die Klägerin - nach Sachverhaltsaufklärung auch zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen Beratungsmangels - in der mündlichen Verhandlung am 22.4.2004 zurück, widerrief diese Erklärung aber mit Schreiben vom selben Tag. Das SG wies mit Urteil vom 25.8.2005 die Klage als in der Sache unbegründet ab, wobei es offenließ, ob eine Anfechtung der Klagerücknahme überhaupt möglich sei. Ihre Berufung gegen diese Entscheidung nahm die Klägerin im März 2006 zurück.

5

Mit Schreiben vom 13.7.2006 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der ablehnenden Rentenbescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002 sowie des Bewilligungsbescheids über Regelaltersrente vom 23.6.2004, da das Erfordernis eines Antrags für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege zu einer Ungleichbehandlung führe und daher verfassungswidrig sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 31.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006).

6

Das SG hat die auf Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte sowie einer höheren Regelaltersrente gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2008). Es hat sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit dem Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte auseinandergesetzt und ausgeführt, ein gewichtiges Indiz für die Verfassungsmäßigkeit der bis zum 31.3.1995 geltenden Regelung in § 57 Abs 2 SGB VI sei ihre quasi wortgleiche Wiederholung in § 249b SGB VI. In Bezug auf Art 14 GG sei fraglich, ob der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts überhaupt eröffnet sei; jedenfalls aber sei das Grundrecht aufgrund zulässiger Gemeinwohlerwägungen nicht verletzt. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sei eine Fristsetzung zweckmäßig, da sowohl für den Versicherten als auch für den Versicherungsträger Gewissheit bestehen müsse, dass nach Ablauf eines bestimmten Datums keine Anträge und ggf Neuberechnungen hinsichtlich Rentenanträgen oder bestehender Renten mehr erfolgen könnten. Zudem lasse sich im Nachhinein in der Regel nur mit größten Schwierigkeiten oder gar nicht mehr aufklären, ob und in welchem Umfang Pflege geleistet worden sei. Ebenso wenig sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, da der Versicherte es selbst in der Hand habe, durch sein Verhalten die Berücksichtigungszeiten zu erlangen. Aus denselben Gründen stehe auch der Gleichheitsgrundsatz der Regelung nicht entgegen.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2010). Im Berufungsurteil, das sich lediglich mit dem Anspruch auf höhere Regelaltersrente befasst, ist im Wesentlichen ausgeführt, die zur Überprüfung gestellten Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig, da die Klägerin mit ihrem Antrag vom "5.6.1996" (gemäß Tatbestand zutreffend: 5.7.1996) die Antragsfrist nach § 249b S 1 SGB VI - bis 30.6.1995 - versäumt habe. Eine Wiedereinsetzung nach § 27 Abs 1 SGB X scheitere daran, dass die Jahresfrist gemäß Abs 3 der Vorschrift abgelaufen sei. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, weil der Beklagten gegenüber der Klägerin keine Pflicht zur Spontanberatung oblegen habe; seit Inkrafttreten der Vorschrift zu den Pflege-Berücksichtigungszeiten am 1.1.1992 habe diese weder Kontakt mit der Klägerin noch Kenntnis davon gehabt, dass sie Pflegetätigkeiten ausführe. Eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zugunsten der Klägerin habe sich der Beklagten auch angesichts der schon Jahre zurückliegenden Anfrage vom 15.3.1989 nicht aufdrängen müssen. Zudem fehle es daran, dass eine Pflichtverletzung zumindest gleichwertig einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen Nachteil verursacht habe; insoweit hat das LSG auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

8

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin in erster Linie, das fristgebundene Antragserfordernis für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 gemäß § 57 Abs 2 SGB VI aF bzw § 249b S 2 SGB VI sei mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar. Denn das Gesetz behandele die Gruppe der Pflegepersonen hinsichtlich der Anerkennung von Pflegezeiten als Berücksichtigungszeiten anders als die Gruppe der Kinder erziehenden Versicherten, die für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 Abs 1 SGB VI aF keine Ausschlussfristen beachten müssten, diese vielmehr auch noch im Rahmen späterer Kontenklärungsverfahren erstmals geltend machen könnten. Es bestünden keine hinreichend gewichtigen Sachgründe zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Das Interesse der Rentenversicherungsträger an einer möglichst zeitnahen Feststellung der maßgeblichen Umstände genüge hierfür nicht, weil nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast es ohnehin zu Lasten der Pflegeperson gehe, wenn später diese Umstände nicht mehr nachweisbar seien. Die Ausschlussfrist erschwere daher die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege in unnötiger Weise. Auch der laut Gesetzesbegründung angestrebte Gleichklang mit den Voraussetzungen für eine freiwillige Beitragszahlung von Pflegepersonen (§ 177 SGB VI aF bzw § 279e SGB VI - letztgenannte Norm zum 31.12.2011 aufgehoben) könne die Antragsfrist nicht rechtfertigen: Was im Beitragsrecht zur Vermeidung der nachträglichen Veränderung einer bereits durchgeführten Versicherung sachgerecht sei, lasse sich auf die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit nicht übertragen, da diese keine Beitragszahlung voraussetze.

9

Eine Ungleichbehandlung ergebe sich aber auch im Vergleich zu anderen beitragsfreien Zeiten (Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten), bei denen allesamt kein fristgebundenes Antragserfordernis normiert sei. Auch hierfür seien sachlich rechtfertigende Gründe nicht ersichtlich. Vielmehr indiziere die singuläre Behandlung der Pflege-Berücksichtigungszeiten einen Systembruch und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Da wegen des klaren Wortlauts keine verfassungskonforme Auslegung möglich sei, bedürfe es einer Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung.

10

Ungeachtet dessen habe das LSG zu Unrecht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, sie - die Klägerin - anlässlich ihres Auskunftsersuchens vom 15.3.1989 und weiterer Kontakte in den Jahren 1992, 1993 und 1994 über die Ausschlussfrist zu beraten. Wegen des "Meistbegünstigungsprinzips" hätte ihre Anfrage nach weiteren "Beitragszeiten" für den pflegebedürftigen Sohn umfassend - auch mit einem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung beitragsloser Berücksichtigungszeiten - beantwortet werden müssen, zumal die zum 1.1.1992 erfolgte Einführung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege damals bereits in Kraft getreten gewesen sei. Es sei der Sozialverwaltung zumutbar, eine aktuell bearbeitete Akte auf noch unerledigte Anträge und Auskunftsersuchen zu überprüfen. Dass die Akte zwischenzeitlich "verlegt" gewesen sei, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Aufgrund des unterbliebenen Hinweises auf einen möglichen Antrag nach § 57 Abs 2 SGB VI aF sei ihr ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden. Denn bei Kenntnis dieses Erfordernisses hätte sie einen solchen Antrag in jedem Fall gestellt. Da nur dessen Fehlen zur Nichterfüllung der Wartezeit für eine Altersrente für langjährig Versicherte geführt habe, sei sie im Wege des Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie rechtzeitig die Anerkennung der Zeit vom 1.1.1992 bis 31.3.1995 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege beantragt habe.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010, das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 16. Dezember 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2006 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Ablehnungsbescheid vom 28. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 zurückzunehmen und ab 1. Juli 2002 Altersrente für langjährig Versicherte zu gewähren,

hilfsweise, die genannten Urteile und Bescheide aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 23. Juni 2004 zurückzunehmen und höhere Regelaltersrente unter Anrechnung des Zeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 31. März 1995 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege zu gewähren.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, ein möglicher Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Antragserfordernisses von Zeiten der Pflege und Zeiten der Kindererziehung könne darin liegen, dass die Erziehung eines Kindes durch einen Elternteil im Regelfall unterstellt werden könne, während der Nachweis der Pflege eines Angehörigen für lange zurückliegende Zeiträume schwierig sei. Im Übrigen sei vorrangig das Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu prüfen. Sie - die Beklagte - habe jedoch keine Beratungspflichten verletzt. Sie könne auch nach Auswertung bereits mikroverfilmter Aktenbestandteile nicht feststellen, dass das von der Klägerin angeführte Schreiben vom 15.3.1989 überhaupt bei ihr eingegangen sei. Der Rechtsmeinung, dass der Rentenversicherungsträger bei jedem neuen "Geschäftsvorfall" den bisherigen Vorgang ohne konkreten Anlass vollständig darauf zu überprüfen habe, ob durch zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderungen alte Aktenbestandteile eine neue Relevanz erhalten hätten, sei aus zeitlichen und arbeitstechnischen Gründen nicht zu folgen.

14

Die Beigeladene verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden vorinstanzlichen Entscheidungen, sieht aber von einer eigenen Antragstellung ab.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen, denn der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31.7.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2006 ist rechtmäßig (§ 170 Abs 1 S 1 iVm § 54 Abs 2 S 1 SGG). Die Klägerin kann von der Beklagten weder die Rücknahme des eine Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 und Gewährung entsprechender Leistungen ab 1.7.2002 beanspruchen noch (im Sinne des Hilfsantrags) die Zahlung höherer Regelaltersrente ab 1.7.2004 unter Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es abgelehnt hat, den Zeitraum vom 1.1.1992 bis 31.3.1995, in dem die Klägerin ihren behinderten Sohn pflegte, oder Teile davon als Berücksichtigungszeit wegen Pflege iS des § 249b SGB VI anzuerkennen.

16

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der eine Rücknahme vorangegangener Entscheidungen ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31.7.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2006), und zwar sowohl hinsichtlich einer Korrektur des Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 als auch in Bezug auf eine Änderung des Regelaltersrente bewilligenden Bescheids vom 31.7.2006. Die Klägerin hat von Anfang an stets eine Überprüfung beider Bescheide verlangt. Bei sachgemäßer Auslegung (vgl § 123 SGG) war ihr Begehren von vornherein als - ihr Ziel weitestgehend verwirklichender - Hauptantrag auf Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte unter Einbeziehung des Zeitraums 1.1.1992 bis 31.3.1995 (39 Monate) als Berücksichtigungszeit wegen Pflege zu behandeln. Nur für den Fall von dessen Ablehnung sollte höhere Regelaltersrente unter Einbeziehung möglichst vieler Monate einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege eingefordert werden. Die Beklagte hat zumindest im Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006 auch über dieses umfassende Begehren entschieden (vgl § 95 SGG). Wenn sich - wie hier - das SG nur mit dem Hauptantrag befasst und den Hilfsantrag übergangen hat, war das Berufungsgericht ohne vorheriges Urteilsergänzungsverfahren (vgl § 140 SGG) verpflichtet, auch über den Hilfsantrag zu entscheiden (§ 157 S 1 SGG - s hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 157 RdNr 2a). Auch wenn sich das LSG in seinem Urteil ausschließlich mit dem (Hilfs-)Antrag auf höhere Regelaltersrente auseinandergesetzt hat, muss bei sachgerechter Zusammenschau davon ausgegangen werden, dass es den im Tatbestand seines Urteils wiedergegebenen Hauptantrag nicht übergangen, sondern - zumindest konkludent - ebenfalls als nicht begründet beurteilt hat. Denn mit der Ablehnung jeglicher Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mussten notwendigerweise sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag der Klägerin scheitern. Damit ist aber auch der Hauptantrag Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren (zur vereinzelt bejahten Möglichkeit des "Heraufholens" vom LSG versehentlich übergangener Verfahrensgegenstände in die Revisionsinstanz vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 27).

17

2. Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 oder für eine Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 kommt nur § 44 Abs 1 S 1 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ua zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

18

Ihrer Anwendung steht auch in Bezug auf den Bescheid vom 28.3.2002 nicht entgegen, dass dessen Rechtmäßigkeit bereits Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens war, das rechtskräftig mit einer Abweisung der Klage als unbegründet endete (Urteil des SG Lüneburg vom 25.8.2005 zum Az S 4 RJ 86/04 WA - zuvor S 4 RJ 8/03). Zwar ist dadurch der genannte Bescheid für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Eine Bindung besteht jedoch nur, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". In diesem Sinne ist § 44 SGB X eine gesetzliche Bestimmung, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung zulässt(vgl BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 91, 94). Sie vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 96, 227 = SozR 4-2600 § 315a Nr 3, RdNr 14; BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12 - jeweils mwN). Aus dem Urteil des 9. Senats vom 3.2.1988 (BSGE 63, 33, 35 = SozR 1300 § 44 Nr 33 S 89) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

19

3. Die Beklagte hat mit der Ablehnung eines Anspruchs auf Altersrente für langjährig Versicherte im Bescheid vom 28.3.2002 iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig - was hier allein in Betracht kommt -, sondern zutreffend angewandt.

20

a) Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte ist § 236 Abs 1 SGB VI(gemäß § 300 Abs 2 SGB VI hier noch anzuwenden in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung des RRG 1999 vom 16.12.1997, BGBl I 2998; ab 1.1.2002 s auch Neubekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754). Vor dem 1.1.1948 geborene Versicherte haben nach S 1 der Vorschrift frühestens Anspruch auf eine solche Rente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Nach S 2 bis 4 (aaO) wird diese Altersgrenze für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte nach Maßgabe der Anlage 21 zum SGB VI angehoben, wobei eine vorzeitige Inanspruchnahme möglich ist (mit entsprechenden Abschlägen gemäß § 77 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a SGB VI). Anlage 21 zum SGB VI enthält für Versicherte, die zwischen Januar 1939 und Dezember 1947 geboren sind, nach dem Gesamtzusammenhang der Regelung - ebenso wie für im Dezember 1938 und im Januar 1948 Geborene - eine Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre sowie die Möglichkeit zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente ab dem 63. Lebensjahr.

21

Die 1939 geborene Klägerin hatte am 1.7.2002 ihr 63. Lebensjahr vollendet und erfüllte somit die altersmäßige Voraussetzung für eine (vorzeitige) Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte. Sie hatte jedoch, wie das SG festgestellt und worauf das LSG Bezug genommen hat, zu diesem Zeitpunkt ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ihres Sohnes im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 lediglich 31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten (§ 51 Abs 3 SGB VI)aufzuweisen, die auf die Wartezeit von 35 Jahren angerechnet werden können. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.7.2002 besteht somit nur, wenn bis dahin wenigstens weitere 37 Monate an rentenrechtlichen Zeiten, zu denen gemäß § 54 Abs 1 Nr 3 SGB VI auch Berücksichtigungszeiten gehören, anzurechnen wären. Das ist jedoch nicht der Fall.

22

b) Eine Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 (= 39 Monate) kommt nicht in Betracht.

23

Nach § 249b S 1 SGB VI(in der ab 1.4.1995 und bis heute unverändert geltenden Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014; zuvor weitgehend inhaltsgleich mWv 1.1.1992 § 57 Abs 2 SGB VI idF des RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) sind Berücksichtigungszeiten "auf Antrag" auch Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen in der Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.3.1995, solange die Pflegeperson (1.) wegen der Pflege berechtigt war, Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen, und (2.) nicht zu den in § 56 Abs 4 SGB VI genannten Personen gehört, die von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen sind. Gemäß S 2 der Vorschrift wird die Zeit der Pflegetätigkeit von der Aufnahme der Pflegetätigkeit an als Berücksichtigungszeit angerechnet, wenn der Antrag bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit gestellt wird.

24

aa) Hiernach ist - ungeachtet weiterer Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit - die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege von einem Antrag der Pflegeperson (nicht: der zu pflegenden Person) abhängig (zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung RdNr 41 ff), zu deren Gunsten die Zeit rentenrechtlich wirksam werden soll (Dankelmann in juris-PK SGB VI, 2. Aufl 2013, § 249b RdNr 44). Die zeitliche Wirkung des Antrags ergibt sich aus § 249b S 2 SGB VI. Um bei einem Beginn der Pflegetätigkeit vor 1992 - wie im vorliegenden Fall - den vollen denkbaren Zeitraum (1.1.1992 bis 31.3.1995) als Berücksichtigungszeit gutgeschrieben zu erhalten, hätte die Klägerin einen entsprechenden Antrag spätestens am 31.3.1992 stellen müssen, da bei einer bereits länger als drei Monate - hier: seit November 1979 - aufgenommenen Pflegetätigkeit die Berücksichtigungszeit erst ab dem Tag des Antragseingangs angerechnet werden kann (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 3, 18, Stand Juni 2012). Eine Antragstellung nach diesem Zeitpunkt hätte nur zu einer entsprechend kürzeren Berücksichtigungszeit führen können; letztmöglicher Antragszeitpunkt (zur Anerkennung einer Berücksichtigungszeit für den Monat März 1995) war demnach der 31.3.1995 (vgl Löschau in ders, SGB VI, Stand August 2013, § 249b RdNr 17; Bergner ua, KomGRV, § 249b SGB VI Anm 3, Stand Oktober 2003; Försterling in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, § 249b RdNr 13, Stand Mai 2005). Das von den Vorinstanzen für maßgeblich gehaltene Datum 30.6.1995 ist hier nicht einschlägig. Vielmehr markiert es lediglich den letzten denkbaren Antragszeitpunkt für den Fall, dass eine Pflegetätigkeit erst im März 1995 begann.

25

Sämtliche möglichen Antragszeitpunkte hat die Klägerin jedoch versäumt. Denn sie hat einen Antrag auf Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege erst am 5.7.1996 bei der Beklagten gestellt.

26

bb) Auch die Regelungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) kommen der Klägerin nicht zugute. Dies gilt schon deshalb, weil bei Einreichung des Antrags auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Juli 1996 die Jahresfrist gemäß § 27 Abs 3 SGB X längst abgelaufen war.

27

cc) Ebenso wenig kann sie auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, so behandelt zu werden, als ob sie den Antrag auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege bereits am 31.3.1992 - dem spätesten Zeitpunkt, um die erforderlichen 37 Monate solcher Zeiten angerechnet zu erhalten - gestellt hätte.

28

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch neben der gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung in § 27 SGB X (soweit einschlägig) anwendbar ist. Der Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies nur durch eine an sich zulässige Amtshandlung geschehen darf (BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 13 RdNr 26 mwN; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 2/12 R - Juris RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR 4-4300 § 28a Nr 5 vorgesehen).

29

Die genannten Voraussetzungen liegen auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG, die von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden und daher für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), nicht vor. Als Pflichtverletzung, die gegebenenfalls einen Herstellungsanspruch auslösen kann, kommt vorliegend nur eine unzureichende Beratung der Klägerin durch die Beklagte über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erlangung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege in Betracht (vgl § 14 SGB I).

30

(1) Die Klägerin macht insoweit geltend, sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 15.3.1989 ua um Auskunft gebeten, ob für ihren Sohn "weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten, da er seit 1979 schwerbehindert und pflegebedürftig ist", hierauf aber keine Antwort erhalten. Bei ordnungsgemäßer Behandlung ihres Auskunftsersuchens wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, auch zu sonstigen anerkennungsfähigen Zeiten im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt umfassend Auskunft zu geben und dabei auf die Möglichkeiten der Beantragung beitragsloser Berücksichtigungszeiten wegen Pflege hinzuweisen. Das LSG-Urteil enthält jedoch keine Feststellungen dazu, dass diese Anfrage die Beklagte überhaupt erreicht hat. Im Tatbestand (S 2 aaO) ist lediglich der oben erwähnte Vortrag der Klägerin wiedergegeben; die Entscheidungsgründe (S 7 aaO) enthalten keine weitergehenden Feststellungen zum Inhalt der Anfrage oder dazu, ob sie bei der Beklagten - was diese ausdrücklich in Frage stellt - eingegangen ist. Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung.

31

Denn selbst wenn die Tatsachenbehauptungen der Klägerin zu ihren Gunsten als wahr unterstellt werden, ergibt sich aus ihnen kein Herstellungsanspruch. Zwar stünde dann ein Beratungsmangel iS von § 14 SGB I - in Gestalt der Nichterteilung einer erbetenen Beratung - fest. Dies hätte jedoch zum damaligen Zeitpunkt im Frühjahr 1989 nicht kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil bei der Klägerin führen können. Bei Durchführung der Beratung hätte die Beklagte der Klägerin damals lediglich mitteilen können, dass nach geltender Rechtslage keine weiteren Beitragszeiten oder sonstige rentenrechtlichen Zeiten wegen der Pflegebedürftigkeit ihres Sohnes anzuerkennen seien. Hieraus hätte sich für die Klägerin kein Erfordernis einer späteren Antragstellung zur Erlangung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege erschlossen, was zur Folge hat, dass ohne die (behauptete) Pflichtverletzung kein für die Klägerin günstigerer Rechtszustand eingetreten wäre, der mit Hilfe des Herstellungsanspruchs nunmehr verwirklicht werden könnte.

32

Die Beklagte war im März 1989 auch nicht dazu verpflichtet, auf eine möglicherweise künftig günstigere, mit dem Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung verbundene Rechtslage hinzuweisen, falls der am 7.3.1989 erstmals in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Entwurf des RRG 1992 (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 7.3.1989, BT-Drucks 11/4124) in Gestalt der dort in § 57 Abs 2 SGB VI neu aufgenommenen Regelung geltendes Recht würde. Denn der Anspruch auf Beratung nach § 14 SGB I umfasst nur die Beratung über die bestehenden "Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch", nicht aber auch über den Inhalt von bloßen Gesetzentwürfen, die weder vom Parlament verabschiedet noch verkündet sind(s BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 9 - zum Fall einer neu eingeführten antragsabhängigen Leistung nach dem LBliGG Sachsen - sowie BSG SozR 3-3200 § 86a Nr 2 S 6 - zum Fall der 1987 neu eingeführten antragsabhängigen Arbeitslosenbeihilfe nach § 86a Abs 1 S 2 SVG iVm § 100 Abs 1 AFG für Soldaten auf Zeit).

33

Nichts anderes ergibt sich, wenn der Zeitraum nach Verkündung des RRG 1992 am 28.12.1989 (vgl BGBl I 1989 Nr 60 S 2261) in den Blick genommen wird. Dann wäre zwar die (unterstellte) Anfrage der Klägerin immer noch unbeantwortet gewesen. Außerdem hätte die Beklagte auf eine zu diesem Zeitpunkt gestellte Anfrage der Klägerin mitteilen müssen, dass nach der gesetzlichen Regelung ab 1992 Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege im Umfang von regelmäßig mindestens 10 Stunden pro Woche auf einen entsprechenden - fristgebundenen - Antrag hin entweder als Pflichtbeitragszeiten oder als Berücksichtigungszeiten (§ 57 Abs 2 iVm § 177 SGB VI aF)angerechnet werden können (vgl BSG SozR 4-3800 § 1 Nr 9 RdNr 35; s hierzu auch Bergner ua, KomGRV, § 14 SGB I RdNr 5 S 8, Stand März 2007). Gleichwohl vermag - jedenfalls in einer Konstellation wie der hier vorliegenden - eine fehlende Antwort der Beklagten auf das Schreiben der Klägerin vom 15.3.1989 einen Herstellungsanspruch nicht zu begründen.

34

Denn wenn ein Betroffener, der auf ein Auskunftsersuchen keine Antwort erhält, nach einer angemessenen Wartefrist die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Aufklärung, ob seine Anfrage bei dem zur Beratung verpflichteten Leistungsträger überhaupt angekommen ist oder welche Gründe für das Ausbleiben einer Antwort bestehen, nicht wahrnimmt, so kann er aus dem Unterbleiben der Beratung keinen Herstellungsanspruch mehr herleiten. Ein Betroffener in solcher Lage hat Kenntnis von seinem Informationsdefizit; ihm kann deshalb zugemutet werden, seine Anfrage in angemessener Frist zu wiederholen, zumal er sein Beratungsbegehren gegenüber der Behörde nötigenfalls prozessual durchsetzen kann (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 24; s auch Schmidt-De Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1992, S 514, der einen Herstellungsanspruch nur bejaht, wenn die versäumte Frist "zwischenzeitlich" - also innerhalb der angemessenen Wartefrist - abgelaufen ist). Eine Nachfrage wegen der bislang unterbliebenen Antwort liegt auch deshalb nahe, weil es hierfür die unterschiedlichsten Gründe geben kann: Neben dem (pflichtwidrigen) Unterlassen einer rechtzeitigen Auskunft kann auch das Auskunftsersuchen oder die Auskunft auf dem Postweg oder behördenintern verloren gegangen sein; denkbar ist ferner, dass die Anfrage von der Klägerin versehentlich nicht abgeschickt oder die Antwort von ihr übersehen oder versehentlich vernichtet wurde.

35

Nicht vertieft zu werden braucht in diesem Zusammenhang, ob die Beschränkung des Herstellungsanspruchs aus dem generellen Vorrang des Primärrechtsschutzes im Verhältnis zwischen Bürger und Staat herzuleiten ist, der es dem Bürger versagt, eine rechtswidrige staatliche Beeinträchtigung freiwillig hinzunehmen und stattdessen hierfür Schadensersatz zu verlangen (vgl BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1, RdNr 17 mwN), ob die Begrenzung des Herstellungsanspruchs aus Nebenpflichten und Obliegenheiten folgt, die sich auch für den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis ergeben (so BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 75/12 R - RdNr 24 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 16 Nr 13 vorgesehen), oder ob es in diesen Fällen bereits an der Kausalität der behördlichen Pflichtverletzung iS einer wesentlichen - zumindest gleichwertigen - Bedingung für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts fehlt (so BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1 - Leitsatz 2 und RdNr 62). Im Ergebnis besteht jedenfalls Übereinstimmung, dass unter den genannten Voraussetzungen kein Herstellungsanspruch wegen unterlassener Beratung besteht.

36

Eine solche Konstellation liegt hier vor, sofern das tatsächliche Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt wird. Diese hat mit ihrer Revision selbst nicht vorgetragen, dass sie ihre (behauptete) Anfrage vom 15.3.1989, die von der Beklagten unbeantwortet geblieben sei, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erneuert oder Informationen zu den Gründen der unterbliebenen Antwort eingeholt habe; auch das LSG hat solches nicht festgestellt. Damit scheidet ein Herstellungsanspruch als Folge einer unterlassenen Beantwortung des Schreibens der Klägerin vom 15.3.1989 durch die Beklagte aus. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Antragsfrist gerade in dem Zeitraum abgelaufen wäre, während dessen die Klägerin mit einer Antwort durch die Beklagte auch ohne Nachfrage hat rechnen dürfen, kann dahinstehen; zum hier maßgeblichen Zeitpunkt Ende März 1992 war dies jedenfalls nicht mehr der Fall.

37

(2) Weiterhin leitet die Klägerin eine Pflicht der Beklagten zur Beratung über das Antragserfordernis hinsichtlich der Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ab 1.1.1992 daraus ab, dass nach Verkündung des RRG 1992 erneut Kontakte in rentenrechtlichen Angelegenheiten stattgefunden hätten, nämlich im Zusammenhang mit einem Antrag vom 2.11.1992 auf Beitragsnachzahlung bei Heiratserstattung und weiteren Vorgängen in den Jahren 1993 und 1994; jedenfalls zu diesen Zeitpunkten hätte die Beklagte sie über die bereits konkret eingetretene Änderung der Rechtslage beraten müssen.

38

Eine Würdigung dieses Sachverhalts durch das Revisionsgericht ist jedoch ausgeschlossen. Denn es handelt sich insoweit um völlig neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (vgl BSGE 9, 266, 271; Lüdtke in ders, SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 3). Im angefochtenen Urteil des LSG finden sich keinerlei Feststellungen zu solchen Kontakten. Dort ist - anders als hinsichtlich der Geltendmachung eines Herstellungsanspruchs aufgrund des Schreibens vom 15.3.1989 - nicht einmal ein entsprechendes Vorbringen der Klägerin in erster oder zweiter Instanz zur Untermauerung ihres Anspruchs erwähnt (vgl § 136 Abs 2 S 2 SGG). Wiederaufnahmegründe in Bezug auf diese tatsächlichen Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich.

39

Im Übrigen könnte ein Herstellungsanspruch aufgrund eines Beratungsfehlers der Beklagten anlässlich des ersten vorgetragenen Kontakts im November 1992 allenfalls dazu führen, dass die Klägerin so zu stellen wäre, als ob sie einen Antrag auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im November 1992 gestellt hätte. Das würde jedoch nicht genügen, um die bei ihr für eine Altersrente für langjährig Versicherte zusätzlich erforderlichen rentenrechtlichen Zeiten im Umfang von mindestens 37 Monaten zu erlangen (s oben 3. a).

40

4. Die Beklagte hat auch im Bescheid über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig, sondern zutreffend angewandt, indem sie bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte(§§ 70 ff SGB VI) für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 keine Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§ 249b SGB VI)einbezog. Auch insoweit fehlt für eine Anrechnung solcher Berücksichtigungszeiten der erforderliche rechtzeitige Antrag; auf die obigen Ausführungen (unter 3. b) wird Bezug genommen.

41

5. Das Antragserfordernis in § 57 Abs 2 SGB VI(in der ab 1.1.1992 bis 31.3.1995 geltenden Fassung des RRG 1992) bzw nunmehr in § 249b SGB VI(in der ab 1.4.1995 geltenden Fassung des PflegeVG) verletzt kein Verfassungsrecht; es ist insbesondere mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

42

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er verlangt vom Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu regeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN).

43

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen über einen stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfGE 132, 179 RdNr 30; BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN). Differenzierungen bedürfen dabei stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Mithin muss eine Differenzierung nicht nur an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpfen, sondern es ist auch ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung erforderlich, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN).

44

Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich dabei nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfGE 131, 239, 256 mwN). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, um den es hier geht, kommt dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 130, 240, 254 mwN). Ihm sind jedoch umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (BVerfGE 122, 39, 52; 130, 131, 142). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist auch anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft (BVerfGE 129, 49, 69); sie ist darüber hinaus umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art 3 Abs 3 GG genannten Merkmalen annähern und je größer die Gefahr ist, dass die Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (BVerfGE 131, 239, 256). Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE 127, 263, 280 = SozR 4-1300 § 116 Nr 2 RdNr 45 mwN). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht besonders weit, wenn er Lebenssachverhalte verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedliche Regelung einstellen können; die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (BVerfGE 97, 271, 291 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 11).

45

b) Nach diesen Grundsätzen ist Prüfungsmaßstab hier allein das Willkürverbot. Das Unterscheidungsmerkmal "Antragserfordernis", das die Klägerin beanstandet, ist nicht personenbezogen, sondern knüpft an den Lebenssachverhalt der Verrichtung nicht erwerbsmäßiger Pflege in einem bestimmten zeitlichen Umfang durch jede beliebige Person an; es weist auch keinerlei Nähe zu einem der in Art 3 Abs 3 GG genannten Merkmale - Alter, Geschlecht, Abstammung usw - auf. Die unterschiedliche Behandlung - Erlangung rentenrechtlicher Zeiten ohne eigenen Beitrag, aber einmal mit und sonst ohne vorherigen Antrag - wirkt sich auch nicht in irgendeiner Weise auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten aus. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung, die lediglich verschiedene Lebenssachverhalte (Pflege in Abgrenzung zu Kindererziehung oder sonstigen Tatbeständen, die eine beitragslose rentenrechtliche Zeit begründen) in Bezug auf die verfahrensrechtliche Verwirklichung ihrer Berücksichtigung beim Erwerb von Rentenrechten in unterschiedlicher Weise ausgestaltet (zum Willkürverbot als Beurteilungsmaßstab für verfahrensrechtliche Ausgestaltungen s BVerfGE 42, 64, 73 f; zur Anlegung eines "zurückgenommenen Prüfungsmaßstabs" bei der Beurteilung des Selbsttitulierungsrechts einiger öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten vgl BVerfGE 132, 372 RdNr 46). Die davon Betroffenen konnten sich zudem durch eigenes Verhalten, nämlich durch eine formlose Antragstellung (§ 9 SGB X - vgl Löschau in ders, SGB VI, Stand August 2013, § 249b SGB VI RdNr 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 15, Stand Juni 2012) und damit ohne besonderen Aufwand auf die unterschiedliche Regelung einstellen.

46

c) Die Gewährung beitragsfreier Berücksichtigungszeiten wegen Pflege als zur Begründung oder Erhöhung von Rentenleistungen beitragendes Element für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 nur nach vorheriger fristgebundener Antragstellung (und damit unter verfahrensrechtlich strengeren Voraussetzungen als bei zahlreichen anderen rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten) ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

47

Das RRG 1992 hat erstmals geregelt, dass nicht erwerbsmäßige häusliche Pflegetätigkeit als rentenrechtlich bedeutsame Zeit berücksichtigt werden kann. Die Begründung des Gesetzentwurfs führt dazu aus, die neue Leistung stehe im Zusammenhang mit dem Ziel, die Versicherungsbedingungen für ehrenamtliche Pflegepersonen zu verbessern; deshalb sollte die Vergünstigung an die gleichen Voraussetzungen gebunden werden, die auch für die in § 177 SGB VI(bis 31.3.1995; anschließend § 279e SGB VI, der bis 31.12.2011 galt) neu geschaffene Möglichkeit einer Umwandlung freiwilliger Beiträge von Pflegepersonen in Pflichtbeiträge vorgesehen waren (BT-Drucks 11/4124 S 142 unter 2. sowie S 167 - zu § 57 Abs 2). Diese beitragsrechtliche Regelung sollte jedoch nur "auf Antrag und bei entsprechendem Nachweis" eröffnet werden (BT-Drucks 11/4124 S 143 unter 3.), denn den Rentenversicherungsträgern sei eine Überprüfung des Vorliegens der Pflegebedürftigkeit und der tatsächlichen Pflegeleistung - gemäß § 177 Abs 1 Nr 2 SGB VI aF regelmäßig wöchentlich mindestens 10 Stunden - selbst nicht möglich(BT-Drucks 11/4124 S 186 - zu § 172, der als § 177 SGB VI Gesetz wurde). Deshalb wurde in § 177 Abs 4 S 2 SGB VI aF ergänzend bestimmt, dass die Versicherten den Umfang der Pflegebedürftigkeit durch eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes(§ 275 SGB V) und den Umfang der Pflegetätigkeit durch die Bescheinigung einer von den Landesregierungen zu bestimmenden Stelle selbst nachzuweisen hatten.

48

Das gesetzgeberische Ziel einer Verknüpfung der neuen beitragsfreien Vergünstigung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (mit zumeist rentenrechtlich nur geringen Auswirkungen) mit der gleichzeitig neu geschaffenen Möglichkeit einer verbesserten Beitragszahlung durch die Pflegepersonen auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nicht zu beanstanden und keinesfalls willkürlich. Die insoweit unterschiedliche Behandlung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gegenüber den - ebenfalls durch das RRG 1992 eingeführten - Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 Abs 1 SGB VI aF, nunmehr § 57 SGB VI) erklärt sich dadurch, dass hinsichtlich des letztgenannten Sachverhalts eine gesonderte Beitrags(umwandlungs)regelung nicht besteht. In Bezug auf Pflegepersonen im Bereich nicht erwerbsmäßiger häuslicher Pflege, die bereits vor Einführung der Pflegeversicherung unter bestimmten Umständen für ihren Einsatz aus der Geldleistung nach § 57 SGB V aF honoriert werden konnten(s die Übersicht in BT-Drucks 12/5262 S 68 ff, insbesondere die Hinweise auf § 55 und § 57 SGB V in der vom 1.1.1989 bis 31.3.1995 geltenden Fassung), lag es nahe, ihnen auch eine eigene Beitragsleistung zur rentenrechtlichen Absicherung zu eröffnen und diese Form der eigenverantwortlichen Vorsorge durch parallele verfahrensrechtliche Regelungen zu befördern. Die Antragsgebundenheit der beitragslosen Berücksichtigungszeit wegen Pflege ermöglichte es den Rentenversicherungsträgern, die Pflegepersonen zeitnah über deren (begrenzte) rentenrechtlichen Wirkungen sowie über die zusätzlich bestehenden beitragsrechtlichen Möglichkeiten für eine verbesserte soziale Absicherung aufzuklären. Im Hinblick darauf trifft der Einwand der Klägerin nicht zu, dass der vom Gesetzgeber hergestellte Sachzusammenhang zwischen den Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§ 57 Abs 2 SGB VI aF)und den Beitragsregelungen wegen Pflege (§ 177 SGB VI aF) einen Regelungsgleichklang in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht rechtfertigen könne, weil die ergänzende Beitragszahlung keine notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Berücksichtigungszeit sei (in diesem Sinne auch Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 16, Stand Juni 2012).

49

Die oben wiedergegebene Begründung zum RRG 1992 zeigt zudem auf, dass der Gesetzgeber die besonderen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen (Antrag, Vorlage bestimmter Nachweise) für die Gewährung von Vergünstigungen für nicht erwerbsmäßige häusliche Pflege geschaffen hat, weil er eine Überprüfung der materiellen Voraussetzungen - insbesondere des Umfangs der tatsächlich erbrachten Pflegetätigkeit - durch den Rentenversicherungsträger selbst für nicht durchführbar hielt. Auch das ist frei von Willkür. Dass dabei die von Anfang an vollumfängliche (rückwirkende) Anrechnung einer Pflegezeit von der Beachtung einer - mit drei Monaten relativ kurz bemessenen - Antragsfrist abhängig gemacht wurde, beruht auf dem Sachgrund, dass die Feststellung des Umfangs einer nicht erwerbsmäßig im häuslichen Bereich ausgeübten Pflegetätigkeit in länger zurückliegenden Zeiträumen nicht zuletzt wegen jederzeit möglicher gesundheitlich bedingter Änderungen des Pflegebedarfs besonders schwierig ist (vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - Bd 3, § 249b SGB VI RdNr 10, Stand Februar 1996). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, eine solche Regelung sei nicht erforderlich, weil die Folgen einer eventuellen Beweislosigkeit nach den Regeln der objektiven Beweislast ohnehin von der Pflegeperson zu tragen seien. Der Gesetzgeber handelt nicht sachwidrig, wenn er die Inanspruchnahme materieller Vergünstigungen an die Beachtung zumutbarer verfahrensrechtlicher Vorkehrungen knüpft und damit das Ziel verfolgt, den Umfang künftiger Streitigkeiten von vornherein zu begrenzen. Die Grundsätze der Beweislast kämen dagegen erst zur Anwendung, wenn alle bestehenden Möglichkeiten der Sachaufklärung von Amts wegen in gegebenenfalls für die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten kostenaufwändigen, für die Pflegeperson aber kostenfreien Verfahren (vgl § 64 Abs 1 SGB X, §§ 183, 184, 193 Abs 4 SGG)ausgeschöpft wären.

50

Der weitere Einwand, es handele sich bei dem fristgebundenen Antragserfordernis für die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege um eine systemwidrige singuläre Ausnahmeregelung, da alle anderen beitragsfreien Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne diese Einschränkung berücksichtigt werden könnten, trifft nicht zu. Auch die Inanspruchnahme von Kindererziehungszeiten ist in bestimmten Konstellationen gleichfalls von einem fristgebundenen Antrag abhängig. Im Falle gemeinsamer Erziehung können sie einem Elternteil durch übereinstimmende Erklärung rückwirkend nur für bis zu zwei Kalendermonate vor deren Abgabe zugeordnet werden (§ 56 Abs 2 S 5 und 6 SGB VI),wobei die Abgabe der Erklärung nach den Regeln über die Antragstellung erfolgt (§ 56 Abs 2 S 7 SGB VI). Zudem sind auch bestimmte Pflichtbeitragszeiten an einen rechtzeitigen Antrag geknüpft (Antragspflichtversicherung nicht nur vorübergehend selbstständig Tätiger gemäß § 4 Abs 2 iVm Abs 4 S 1 Nr 1 SGB VI: frühestens ab Antragstellung; Antragspflichtversicherung nicht oder ohne Krankengeldanspruch in der GKV Versicherter gemäß § 4 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm Abs 4 S 1 Nr 2 SGB VI: Rückwirkung auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit nur bei Antragstellung innerhalb von drei Monaten). Im Übrigen stellt eine Systemwidrigkeit für sich allein keinen Gleichheitsverstoß dar, da der Gesetzgeber bei Vorliegen plausibler Gründe ohne Verletzung des Art 3 Abs 1 GG von sonst verfolgten Regelungsprinzipien abweichen kann (BVerfGE 81, 156, 207 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 19; s hierzu auch Heun in Dreier, GG, Bd 1, 3. Aufl 2013, Art 3 RdNr 37; Axer, SGb 2013, 669, 675).

51

Die zwar bei den meisten rentenrechtlichen Zeiten nicht übliche, als solche aber auch nicht singuläre Verknüpfung der zum 1.1.1992 neu eingeführten Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mit einem fristgebundenen Antragserfordernis entbehrt schließlich auch nicht deshalb einer sachlichen Rechtfertigung, weil - wie die Klägerin vorträgt - die Versicherten mit einer solchen Regelung nicht rechnen konnten. Der damit angesprochene, im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verankerte Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes (s hierzu BVerfG vom 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - Juris RdNr 32, 41) ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber - wie hier - einen Lebensbereich erstmalig einer Regelung zuführt. Dann kann sich schutzwürdiges Vertrauen auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen noch nicht gebildet haben. Vielmehr ist es dem Bürger zuzumuten, sich über die konkreten Bedingungen, unter denen das Gesetz einen neuartigen Vorteil gewährt, kundig zu machen und dabei die Informationsangebote der zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte verpflichteten Leistungsträger (vgl § 13 SGB I) zu nutzen.

52

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG. Der Beigeladenen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten, zumal sie keinen Sachantrag gestellt hat (vgl Senatsurteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - Juris RdNr 44 ; s auch BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 3 S 2 des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet - DbAG - vom 11.11.1996, BGBl I 1674) darüber, ob die Beklagte bestandskräftige Festsetzungen der Höhe des Dienstbeschädigungsausgleichs (DbA) zurücknehmen und der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des am 2.4.2012 verstorbenen Dr. R. B. (Berechtigter) für die Zeit vom 1.1.2000 bis 30.6.2007 einen DbA in Höhe der sog Grundrente (West) ohne Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors für das Beitrittsgebiet gewähren muss.

2

Der 1934 geborene Berechtigte gehörte seit 1953 in der DDR den bewaffneten Organen und später der Nationalen Volksarmee (NVA) sowie dem Sonderversorgungssystem der NVA seit dessen Einführung an. Im Januar 1972 erlitt er einen Unfall, der als Dienstbeschädigung anerkannt wurde. Zum 15.5.1990 wurde er wegen fortdauernder Dienstunfähigkeit aus dem Dienst entlassen und erhielt ab dem 16.5.1990 eine Invalidenrente nach dem Sonderversorgungssystem der NVA sowie wegen der Folgen der Dienstbeschädigung ebenfalls nach dem Sonderversorgungssystem der NVA eine Dienstbeschädigungsteilrente (DBTR) nach einem Körper- bzw Gesundheitsschaden (KS) von 20 vH. Die Beklagte stellte die Zahlung der DBTR mit dem Inkrafttreten des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) ab 1.8.1991 ein.

3

Mit Bescheid vom 29.12.1997 gewährte die Beklagte dem Berechtigten ab 1.1.1997 - nach zunächst erfolgter Bewilligung unter Vorbehalt (Bescheid vom 18.6.1997) - endgültig einen DbA in Höhe von 117 DM, den sie ab 1.7.1999 auf 127 DM (Bescheid vom 24.11.1999), ab 1.7.2000 auf 128 DM (Bescheid vom 11.8.2000), ab 1.7.2001 auf 131 DM (Bescheid vom 16.10.2001) und ab 1.7.2002 auf 69 Euro (Bescheide vom 11.9.2002 und 8.8.2003) erhöhte. Dabei legte sie einen KS von 20 vH zugrunde, setzte ihn einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH iS des BVG gleich, stellte den sich hierfür aus § 2 Abs 1 S 1 und 2 Halbs 2 DbAG iVm § 31 Abs 1 BVG ergebenden Geldbetrag fest und vervielfältigte diesen mit dem "Umrechnungsfaktor im Beitrittsgebiet", der jeweils ab dem 1.7. eines jeden Jahres galt.

4

Mit Schreiben vom 21.2.2004 beantragte der Berechtigte, die Festsetzungen der Höhe seines DbA im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 23.9.2003 (B 4 RA 54/02 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 1) zurückzunehmen und ihm für Bezugszeiten ab 1.1.2000 einen höheren DbA zu gewähren. Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.2.2004 und Widerspruchsbescheid vom 25.6.2004).

5

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Stralsund die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 22.2.2005 unter Aufhebung des Bescheides vom 25.2.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2004 und unter Abänderung der Bescheide vom 24.11.1999, 11.8.2000, 16.10.2001, 11.9.2002 und 8.8.2003 dem Grunde nach verurteilt, dem Berechtigten "ab dem 01. Januar 2000 einen DbA in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG in Verbindung mit der jeweils geltenden KOV-Anpassungsverordnung (sog Grundrente 'West') zu zahlen".

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern den Gerichtsbescheid mit Urteil vom 16.8.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu Recht abgelehnt, weil die "Anpassungsbescheide" zum DbA des Berechtigten rechtmäßig seien. Der DbA sei zutreffend unter Anwendung des "Abschlagfaktors" für das Beitrittsgebiet geleistet worden. Das BVerfG habe in seinem Urteil vom 14.3.2000 (1 BvR 284/96 ua - BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3) § 84a BVG lediglich hinsichtlich originärer Grundrenten für Kriegsopfer ab 1.1.1999 für nichtig erklärt. Deshalb sei diese Vorschrift weiterhin auf alle Versorgungsberechtigten anzuwenden, die am 18.5.1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet gehabt hätten, also aufgrund der Verweisungsvorschrift des § 2 Abs 1 DbAG auch auf den DbA. Das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (SER/DbAG-ÄndG) vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) stelle insoweit lediglich die ohnehin geltende Rechtslage klar. Die Gewährung des DbA nur in Höhe einer abgesenkten Grundrente gemäß § 84a BVG sei nach wie vor verfassungsgemäß.

7

Der Berechtigte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung von § 2 Abs 1 DbAG: Er habe einen Anspruch auf einen DbA in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG ohne Abschläge für Berechtigte im Beitrittsgebiet nach § 84a BVG. Denn das BVerfG habe § 84a BVG mit Urteil vom 14.3.2000 (1 BvR 284/06 ua - BVerfGE 102, 41 = SozR 3-2100 § 84a Nr 3) ab dem 1.1.1999 uneingeschränkt für nichtig erklärt, womit die Nichtgeltung dieser Norm endgültig und irreparabel feststehe. Die einmal für nichtig erklärte Norm könne nicht wieder aufleben und sei auch keiner rückwirkenden Klarstellung zugänglich. Die zum 1.1.1999 durch das SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 erfolgte Neufassung des § 84a BVG und des § 2 Abs 1 S 1 DbAG enthalte eine unzulässige echte Rückwirkung von Rechtsfolgen und sei verfassungswidrig. Eine vom BVerfG anerkannte Fallgruppe für eine zulässige belastende Rückwirkung liege nicht vor, insbesondere keine unklare oder verworrene Rechtslage. Die Gewährung eines DbA lediglich in Höhe einer abgesenkten Grundrente sei darüber hinaus wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG verfassungswidrig. Die Funktion des DbA stimme mit derjenigen der Beschädigtengrundrente für Kriegsopfer überein, sodass eine dauerhafte Ungleichbehandlung der Bezieher einer Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs 1 S 1 BVG in Ost und West über den 31.12.1998 hinaus nicht gerechtfertigt sei. Beide Leistungen dienten überwiegend dem Ausgleich eines immateriellen Schadens, der unabhängig vom jeweiligen Wohnort bestehe.

8

Mit Beschluss vom 5.6.2007 - B 4 RS 1/07 R - hat der ehemalige 4. Senat des BSG das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 GG ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 2 Abs 1 S 1 DbAG idF vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) insofern mit den rechtsstaatlichen Geboten der Normenklarheit und Justiziabilität vereinbar sei, als sich mittels der Verweisung in § 84a S 1 BVG idF vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) der monatliche Wert des DbA aus den Maßgaben des Einigungsvertrages (EinigVtr) in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 S 1 (Regelung 4) und Abs 2 bestimmt. Auf die Anfrage der Berichterstatterin des BVerfG vom 20.2.2009, ob an dem Vorlagebeschluss festgehalten werde, hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 7.9.2010 - B 5 RS 12/09 R - entschieden, die Vorlage aufrechtzuerhalten und hat das Verfahren erneut gemäß Art 100 Abs 1 GG ausgesetzt.

9

Die Beklagte hat mit Bescheiden vom 1.9.2008 und 30.3.2011 den DbA des Berechtigten zum 1.7.2007, 1.7.2008 bzw zum 1.7.2009 unter Anwendung des "Umrechnungsfaktors im Beitrittsgebiet" auf 70 Euro, 71 Euro bzw 73 Euro festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 3.11.2011 hat sie den Betrag zum 1.7.2011 auf 83 Euro erhöht.

10

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88 - die Vorlagen für unzulässig erklärt.

11

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2013 die Klage zurückgenommen, soweit Zeiträume ab dem 1.7.2007 betroffen sind.

12

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. August 2006 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stralsund vom 22. Februar 2005 zurückzuweisen.

13

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

        

die Revision zurückzuweisen.

14

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

16

Zu Recht hat das LSG den Gerichtsbescheid des SG vom 22.2.2005 aufgehoben und die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und unechte Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGG) abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Klägerin steht als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I) des Berechtigten kein Anspruch auf einen DbA in Höhe der Grundrente "West" ohne Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors für das Beitrittsgebiet im Zeitraum vom 1.1.2000 bis 30.6.2007 zu.

17

A. Gegenstand des revisionsgerichtlichen Verfahrens sind lediglich der Bescheid vom 25.2.2004 und der Widerspruchsbescheid vom 25.6.2004, soweit sie die Aufhebung der Regelungen zur Höhe des DbA in den Bescheiden vom 24.11.1999, 11.8.2000, 16.10.2001, 11.9.2002 und 8.8.2003 für den vorgenannten Zeitraum betreffen. Mit Wirkung ab 1.7.2007 ist der Bescheid vom 25.2.2004 durch den Bescheid vom 1.9.2008 teilweise ersetzt worden. Insofern hat nämlich die Beklagte neben der im Bescheid vom 1.9.2008 ausdrücklich verlautbarten Aufhebung des (bestandskräftigen) Bescheides vom 8.8.2003 für Zeiten ab 1.7.2007 notwendig gleichzeitig für denselben Zeitraum auch die Ablehnung seiner Aufhebung im angefochtenen Bescheid vom 25.2.2004 beseitigt. Der Bescheid vom 25.2.2004 beansprucht seither Geltung nur noch für die streitigen Zeiten bis zum 30.6.2007. Der Bescheid vom 1.9.2008 ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Er gilt vielmehr gemäß § 171 SGG als mit der Klage beim SG angefochten, weil er während des anhängigen Revisionsverfahrens ergangen ist. Zwar war das Revisionsverfahren seinerzeit ausgesetzt. Durch die Aussetzung eines Verfahrens wird dessen Rechtshängigkeit jedoch nicht beendet (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 4a). Entsprechendes gilt für die weiteren während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheide.

18

1. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ablehnungsentscheidung ist ausgehend von § 44 Abs 1 S 1 SGB X zu beurteilen, der vorliegend gemäß § 3 S 2 DbAG anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift ist ein (iS von § 45 Abs 1 SGB X nicht begünstigender)Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt (1. Alternative) oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (2. Alternative), und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Voraussetzungen der ersten Alternative, um die es hier allein geht, liegen indes nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass der Anpassungsbescheide vom 24.11.1999, 11.8.2000, 16.10.2001, 11.9.2002 und 8.8.2003 das Recht nicht unrichtig angewandt. Eine Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Gewährung eines DbA in Höhe der Grundrente "West" hat seinerzeit nicht bestanden.

19

Bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit des nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zurückzunehmenden Bescheides ist auf den Zeitpunkt seines Erlasses bzw die kurz danach erfolgte Bekanntgabe abzustellen. Spätere, wenn auch rückwirkende Änderungen der Sach- oder Rechtslage berühren die im Rahmen des § 44 SGB X erhebliche ursprüngliche Rechtswidrigkeit nicht(BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN; BSG Vorlagebeschluss vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - Juris RdNr 46 mwN). Ob und unter welchen Voraussetzungen hiervon Ausnahmen zu machen sind (vgl BSG aaO RdNr 47 ff), kann im vorliegenden Fall dahinstehen.

20

Denn sowohl § 2 Abs 1 S 1 DbAG in seiner zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Neufassung durch Art 6 Nr 3 Buchst a SER/DbAG-ÄndG vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) als auch § 2 Abs 1 S 1 DbAG idF vom 11.11.1996 (BGBl I 1674) - jeweils iVm den von ihnen in Bezug genommenen Vorschriften - haben DbA-Berechtigten lediglich einen Anspruch auf einen DbA in Höhe einer abgesenkten Grundrente Ost eingeräumt.

21

2. Nach § 2 Abs 1 S 1 DbAG idF vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) wird der DbA bei einem Körper- oder Gesundheitsschaden, der nach den Regelungen der Sonderversorgungssysteme zu einem Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsrente geführt hat oder führen würde, in Höhe der Grundrente nach § 31 iVm § 84a S 1 BVG geleistet. § 84a S 1 Halbs 1 BVG in dessen Neufassung durch Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) bestimmt, dass Personen, die - wie der Berechtigte - am 18.5.1990 und danach ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Art 3 des EinigVtr genannten Gebiet hatten, vom 1.1.1991 an Versorgung nach dem BVG mit dem für dieses Gebiet nach dem EinigVtr geltenden Maßgaben erhalten.

22

Dieser ordnet in Anlage I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III Nr 1 Buchst a Abs 1 S 1 als Maßgabe für das Inkrafttreten von § 31 Abs 1 und 5 BVG im Beitrittsgebiet an, dass die dort in der jeweils geltenden Fassung genannten DM-Beträge mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren sind, der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente(§ 68 Abs 3 SGB VI) in dem in Art 3 des Vertrages genannten Gebiet zur verfügbaren Standardrente, in dem Gebiet, in dem das BVG schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt.

23

Hinsichtlich des Verständnisses dieser Vorschriften sieht sich der erkennende Senat im Ergebnis mittelbar an die Vorgaben des BVerfG im Beschluss vom 4.6.2012 (2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88) gebunden. Hiernach ist nunmehr davon auszugehen, dass sich der genannten Normenkette ausgehend vom maßgeblichen Verständnishorizont eines Juristen mithilfe herkömmlicher Auslegungsmethoden ausreichende gesetzliche Vorgaben für die Wertbestimmung des DbA entnehmen lassen, die inhaltlich den rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernissen der Regelungsmaterie genügen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

24

Der EinigVtr verweist zur Bestimmung eines Anpassungsfaktors Ost dynamisch auf diejenigen Beträge, die sich auf der Grundlage der jeweiligen Rechtslage im SGB VI jeweils im Verhältnis der verfügbaren Standardrenten in den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet ergeben.

25

Für den Bezugszeitraum 1.1.2000 bis 31.12.2000 galt daher § 68 Abs 3 SGB VI idF vom 10.5.1995 (BGBl I 678), gültig vom 1.1.1997 bis 31.12.2000. Nach S 4 der Vorschrift ergibt sich die verfügbare Standardrente, indem die Bruttostandardrente um den durchschnittlichen Beitragsanteil zur Krankenversicherung iS des § 106 Abs 2 SGB VI, den Beitragsanteil zur Pflegeversicherung und die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich auf sie entfallenden Steuern gemindert wird.

26

Die Bruttostandardrente definiert § 68 Abs 3 S 3 SGB VI als Regelaltersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten mit 45 Entgeltpunkten (EP). Da das SGB VI zwischen EP und zwischen EP (Ost) unterscheidet (vgl § 254b SGB VI), sind bei der Berechnung der Bruttostandardrente West EP und bei der Bruttostandardrente Ost EP (Ost) zugrunde zu legen. Von dem sich auf dieser Grundlage ergebenden Betrag ist im Zähler und Nenner des Bruchs gleichermaßen jeweils allein derjenige Beitragsanteil zur Krankenversicherung in Abzug zu bringen, der sich ausgehend von dem jeweils zum Stichtag 1.1. bundeseinheitlich zu ermittelnden durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz aller Krankenkassen auf die Bruttostandardrente für die Zeit vom 1.7. des jeweiligen Kalenderjahres bis zum 30.6. des Folgejahres ergibt (BVerfGE 131, 88, 126 f). Dagegen kommt es auf den sonstigen Inhalt des § 106 Abs 2 SGB VI nicht an(BVerfGE 131, 88, 126 f). Ebenso ist unerheblich, dass der durchschnittliche allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen noch im Jahr 2000 für die alten und neuen Bundesländer unterschiedlich hoch festgesetzt worden ist (vgl Bekanntmachung des BMG vom 14.3.2000, BAnz Nr 81/2000 S 8014). Denn die verzögerte Umsetzung des Normbefehls durch die Exekutive betrifft nicht die inhaltliche Bestimmtheit der Norm, sondern kann sich nur bei deren Anwendung, dh der Berechnung der Standardrenten auswirken.

27

Des Weiteren ist im Zähler und Nenner des Bruchs jeweils der Beitrag abzuziehen, der sich für pflichtversicherte Rentner in der sozialen Pflegeversicherung ergibt. Dieses Ergebnis entspricht aus der maßgeblichen Sicht des rechtlich Kundigen der typisierten Versicherungsbiografie des Standardrentners. Schließlich ist die Bruttostandardrente West/Ost um den Betrag der Einkommensteuer zu vermindern, der ggf nach Maßgabe der Vorschriften des EStG ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte auf den bei regulärem Rentenalter maßgeblichen Ertragsanteil entfällt.

28

Obwohl der Begriff der verfügbaren Standardrente in der Zeit vom 1.1.2001 bis 31.12.2001 weder in § 68 Abs 3 SGB VI noch in einer anderen Vorschrift dieses Gesetzbuches definiert wird, ist der geschilderte Berechnungsmodus auf der Grundlage einer "bedeutungserhaltenden Auslegung"(BVerfGE 131, 88, 127 f) auch insofern fortzuführen.

29

Ab dem 1.1.2002 findet sich der Begriff der verfügbaren Standardrente - vom EinigVtr weiterhin erfasst und inhaltlich deckungsgleich mit der früheren Definition - in § 154 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VI. Auch dass diese Vorschrift nicht mehr auf § 106 Abs 2 SGB VI verweist, ist in Ermangelung eines erkennbaren gesetzgeberischen Willens, den Begriff der verfügbaren Standardrente zu ändern, ohne Bedeutung.

30

Für Bezugszeiten vom 1.1.2005 bis 30.6.2007 definiert § 154 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VI in der ab dann geltenden neuen Fassung die verfügbare Standardrente als Regelaltersrente aus der allgemeinen Rentenversicherung mit 45 EP ohne Berücksichtigung der auf sie entfallenden Steuern, gemindert um den durchschnittlichen Beitragsanteil zur Krankenversicherung und den Beitrag zur Pflegeversicherung. Über die nunmehr weggefallene Relevanz der Steuerlast hinaus ergeben sich keine inhaltlichen Änderungen. Das Abstellen auf den "Beitrag" zur Pflegeversicherung - statt vorher "Beitragsanteil" - trägt begrifflich und sachlich der vollen Beitragstragung durch den in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Rentner seit dem 1.4.2004 Rechnung (§ 59 Abs 1 S 1 SGB XI). Der zum 1.1.2005 in der sozialen Pflegeversicherung eingeführte Beitrag für Kinderlose bleibt ohne Bedeutung, weil das Modell des Standardrentners individuelle Gegebenheiten wie die Elterneigenschaft unberücksichtigt lässt. Dagegen ist zu beachten, dass ab dem 1.7.2005 der "durchschnittliche Beitragsanteil zur Krankenversicherung" auch den zusätzlichen Beitragsanteil in Höhe von 0,9 vH der Standardrente mit umfasst.

31

B. § 2 Abs 1 S 1 DbAG iVm § 84a BVG idF des Gesetzes vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) ändert nicht rückwirkend zum 1.1.1997 die bis dahin geltende Rechtslage ab, sondern stellt lediglich - in Reaktion auf die Entscheidungen des früheren 4. Senats des BSG vom 7.7.2005 (B 4 RA 58/04 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 2) und 20.10.2005 (B 4 RA 13/05 R ua) - die bisherige Rechtslage klar (vgl auch BT-Drucks 16/754 S 1 = BR-Drucks 39/06 S 2; BT-Drucks 16/1162 S 11 f zu B Nr 1).

32

§ 2 Abs 1 S 1 DbAG iVm § 84a BVG in der oben genannten Fassung bestimmt für vier Personengruppen, dass der DbA lediglich in Höhe der abgesenkten Grundrente "Ost" geleistet wird. Hierzu gehören zum einen Berechtigte, die am 18.5.1990 und danach unverändert ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten (§ 84a S 1 Halbs 1 BVG) sowie Berechtigte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt am Stichtag im Beitrittsgebiet hatten und ihn später in die alten Bundesländer verlegt haben (§ 84a S 1 Halbs 2 BVG - sog Umzügler). Zum anderen gilt diese Regelung entsprechend für Deutsche und deutsche Volkszugehörige aus den in § 1 der Auslandsversorgungsverordnung genannten Staaten, die nach dem 18.5.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet begründet haben (§ 84a S 2 BVG - sog Zuzügler und Zuzügler-Umzügler).

33

Denselben Regelungsgehalt enthielten bereits § 2 Abs 1 S 1 DbAG in seiner alten Fassung (aF) vom 11.11.1996 (BGBl I 1674) und § 84a BVG idF des EinigVtr vom 31.8.1990 (BGBl II 885).

34

Bereits § 2 Abs 1 S 1 DbAG aF bestimmte, dass der DbA in Höhe der für das Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem BVG geleistet wird. Mit dem Bezug auf die "Grundrente nach dem BVG" verweist die Norm auf die Grundrente iS von § 31 BVG. Dagegen ist § 2 Abs 1 S 1 DbAG aF entgegen der Auffassung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23.9.2003 - B 4 RA 54/02 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 1 RdNr 30 und vom 7.7.2005 - B 4 RA 58/04 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 2 RdNr 14) keinem Verständnis dahin zugänglich, dass die Vorschrift auf die Grundrente in § 31 BVG in der jeweiligen Höhe verweist, die für die im Beitrittsgebiet berechtigten Kriegsopfer iS des § 1 BVG maßgeblich ist. Hierfür geben weder Wortlaut der Bestimmung noch deren Entstehungsgeschichte etwas her. So verweist § 2 Abs 1 S 1 DbAG aF nicht generell auf das BVG, sondern nur auf die Grundrente nach dem BVG und bezieht sich damit ausschließlich auf dessen § 31. Dieser gewährt nicht nur Kriegsopfern eine Versorgungsleistung. Vielmehr zählen zu den Anspruchsberechtigten ua auch Soldaten, die eine Wehrdienstbeschädigung iS der §§ 80 ff SVG erlitten haben und Beamte und Polizeivollzugsbeamte, die einen Dienstunfall erlitten haben(§ 35 BeamtVG für Bundesbeamte; § 2 BPolBG iVm § 35 BeamtVG für Polizeivollzugsbeamte des Bundes). An diesen Personengruppen und nicht an den Kriegsopfern hat sich der Gesetzgeber bei der Einführung des DbA orientiert. Dessen Ausgestaltung ist an das Unfallfürsorgerecht im Beamten- und Soldatenrecht angelehnt (BT-Drucks 13/4587, S 9 zu II und S 12 zu § 2 Abs 1).

35

Mit dem Bezug auf die Höhe der für das Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem BVG verweist § 2 Abs 1 S 1 DbAG aF außerdem auf den EinigVtr. Dieser hat - wie bereits oben dargelegt - bestimmt, dass die Grundrente im Beitrittsgebiet mit einem Anpassungsfaktor Ost berechnet wird. Zu dem von dieser Regelung betroffenen Personenkreis bestimmt der EinigVtr in Anlage I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III Nr 1 Buchst l S 1, dass diese Maßgabe für Berechtigte gilt, die am 18.5.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten; S 2 ordnet die entsprechende Geltung für sog Zuzügler an. Zudem wurde durch Anlage I Kap VIII Sachgebiet K Abschn II § 84a aF eingefügt, der zumindest für "Umzügler" und "Zuzügler-Umzügler" gilt. Ob die Vorschrift nur diese beiden Personengruppen erfasst (so der frühere 4. Senat im Urteil vom 7.7.2005 - B 4 RA 58/04 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 2 RdNr 30 sowie vom 20.10.2005 - B 4 RA 27/05 R - BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7, RdNr 47 f und der 13. Senat in BSGE 102, 36 = SozR 4-2600 § 93 Nr 12, RdNr 66), oder sich auch auf Personen erstreckt, die dauerhaft seit dem 18.5.1990 (bzw ab Zuzug nach dem 18.5.1990) im Beitrittsgebiet wohnen (so wohl der 9. Senat im Urteil vom 10.8.1993 - 9 RV 4/93 - BSGE 73, 41, 42 = SozR 3-3100 § 84a Nr 1 und Beschluss vom 12.12.1995 - 9 BV 113/95 sowie BVerfG Urteil vom 14.3.2000 - 1 BvR 284/96 ua - BVerfGE 102, 41 - vgl hierzu Anm des 13. Senats aaO RdNr 65 und 107 sowie BT-Drucks 16/1162, S 11 zu B Nr 1), kann im hier maßgeblichen Zusammenhang dahinstehen. Bei beiden Auslegungsvarianten enthält das alte Recht - entweder durch § 84a BVG allein oder in Verbindung mit Anlage I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III Nr 1 Buchst l des EinigVtr - Regelungen, die für alle vier betroffenen Personengruppen die Geltung einer "abgesenkten" Grundrente Ost anordnen.

36

Das Urteil des BVerfG vom 14.3.2000 (1 BvR 284/96 ua - BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3) hat § 84a BVG iVm Anlage I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III Nr 1 Buchst a des EinigVtr nicht vollständig mit Wirkung ab 1.1.1999 für nichtig erklärt mit der Folge, dass von diesem Zeitpunkt an bis zum Erlass des Gesetzes vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) keine Regelungen über die Festsetzung des DbA nach Maßgabe der Grundrente Ost bestanden hätten (so aber der frühere 4. Senat des BSG, Urteil vom 7.7.2005 - B 4 RA 58/04 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 2 RdNr 13, 19 ff) und die Rechtslage rückwirkend neu gestaltet worden wäre. Vielmehr erfasst die Nichtigerklärung die genannten Vorschriften nur insoweit, als diese die Gewährung einer abgesenkten Beschädigtengrundrente für Kriegsopfer Ost vorsehen.

37

Zwar erklärt die Entscheidungsformel, die gemäß § 31 Abs 2 BVerfGG Gesetzeskraft hat(BVerfGE 69, 92, 103), § 84a BVG iVm den genannten Bestimmungen des EinigVtr hinsichtlich der Berechnung der Beschädigtengrundrente im Beitrittsgebiet ab 1.1.1999 ohne Einschränkung für nichtig. Die Grenzen der Rechtskraft und der Gesetzeskraft bestimmen sich aber nach dem Inhalt der Entscheidung (BVerfGE 69, 92, 103), sodass die Entscheidungsgründe ggf zur Auslegung des Tenors herangezogen werden dürfen bzw müssen (vgl Sturm/Detterbeck in Sachs, GG, 6. Aufl 2011, Art 94 RdNr 12; Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 93 RdNr 65; Meyer in von Münch/Kunig, GG, Bd 2, 6. Aufl 2012, Art 94 RdNr 21). Hingegen sind die für die Veröffentlichung einer Entscheidung gebildeten Leitsätze, auf die die Revisionsbegründung abstellt, zur Bestimmung des Umfangs der Rechts- und Gesetzeskraft unerheblich. Wird eine Rechtsvorschrift, die auf verschiedene Personengruppen Anwendung findet, ohne Einschränkung für ungültig erklärt, während den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, dass die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschrift nur hinsichtlich einer bestimmten Personengruppe geprüft und verneint worden ist, erfasst die Nichtigerklärung auch nur diesen Teil des Anwendungsbereichs der Rechtsvorschrift (vgl auch BVerfGE 69, 92, 104).

38

So verhält es sich hier. Aus den Gründen des Urteils vom 14.3.2000 (1 BvR 284/96 ua - BVerfGE 102, 41, 59 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3)ergibt sich eindeutig, dass das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit einer abgesenkten Grundrente Ost unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Art 3 Abs 1 GG lediglich hinsichtlich der Kriegsopfer geprüft und verneint hat. Dementsprechend erfasst die Nichtigerklärung § 84a BVG iVm den genannten Bestimmungen des EinigVtr nur insoweit, als diese die Gewährung unterschiedlich hoher Beschädigtengrundrenten nach § 31 Abs 1 BVG an Kriegsopfer in den alten und neuen Ländern bei gleicher Beschädigung (über den 31.12.1998 hinaus) regeln. In diesem Sinne hat auch die 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 7.1.2005 - 1 BvR 286/04 - SozR 4-3100 § 84a Nr 5 - Juris RdNr 3) das Urteil vom 14.3.2000 aaO verstanden (ebenso 5a. Senat des BSG, Beschluss vom 30.7.2008 - B 5a R 6/08 S - S 6; 13. Senat des BSG, Urteil vom 13.11.2008 - BSGE 102, 36 = SozR 4-2600 § 93 Nr 12, RdNr 104 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.3.2012 - 2 A 270/10 - Juris RdNr 10).

39

§ 2 Abs 1 S 1 DbAG aF iVm den von ihm in Bezug genommenen Vorschriften bleibt daher schon aus diesem Grund von der Nichtigerklärung unberührt und ist über den 31.12.1998 gültig gewesen.

40

C. § 2 Abs 1 S 1 DbAG aF iVm den von ihm in Bezug genommenen Vorschriften und § 2 Abs 1 S 1 DbAG iVm § 84a BVG idF vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) verstoßen schließlich nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

41

Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht aber, wenn er bei Regelungen, die verschiedene Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 - stRspr). Hierbei ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vorliegend besonders weit, weil es sich um die Bewältigung der Folgen der Herstellung der Deutschen Einheit handelt (vgl BVerfGE 95, 143, 155 ff; 104, 126, 147; 107, 218, 245 f mwN) und es zudem um die steuerfinanzierte Gewährung von Leistungen geht (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 7.1.2005 - 1 BvR 286/04 - SozR 4-3100 § 84a Nr 5 RdNr 12 mwN).

42

Der Berechtigte wird gegenüber allen Versorgungsempfängern benachteiligt, die zum Stichtag 18.5.1990 ihren Wohnsitz in den alten Bundesländern hatten (dazu 1.). Außerdem wird er schlechter behandelt als diejenigen, die zu dem von § 84a S 3 BVG idF vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) begünstigten Personenkreis gehören und eine Versorgung auf "West-Niveau" erhalten (dazu 2.).

43

Die Ungleichbehandlung ist aber hinreichend gerechtfertigt.

44

1. Zum einen ist es iS von Art 3 Abs 1 GG sachlich gerechtfertigt, den DbA an die Höhe der Grundrente zu koppeln. Der DbA ist an die Stelle der Dienstbeschädigungsteilrente getreten, die Anspruchsberechtigten aus einem Sonderversorgungssystem nach der Anlage 2 des AAÜG gewährt wurde. Zu den Berechtigten gehörten ua Angehörige der NVA (Anlage 2 Nr 1 des AAÜG). Die Dienstbeschädigungsrenten aus deren Sonderversorgungssystem dienten dem Ausgleich der Folgen einer Dienstbeschädigung nach dem Ausscheiden aus dem Dienst. Sie hatten damit den gleichen sachlichen und persönlichen Grund wie im Bundesrecht die Soldatenversorgung aufgrund einer Wehrdienstbeschädigung iS der §§ 80 ff SVG. Soldaten erhalten als Ausgleich für eine erlittene Wehrdienstbeschädigung aber ebenfalls eine Versorgungsleistung in Höhe der Grundrente (vgl auch BSG SozR 4-8855 § 2 Nr 1 RdNr 23 ff).

45

Zum anderen ist es unter dem Gesichtspunkt von Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden, dass der DbA lediglich in Höhe der abgesenkten Grundrente Ost gewährt wird.

46

Das BVerfG hat bereits entschieden, dass das vom Gesetzgeber gewählte Angleichungskonzept West-Ost verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfGE 102, 41, 55 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 19). Nach dieser Entscheidung ist es unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG nicht sachwidrig, die Höhe der im Beitrittsgebiet geltenden Grundrente iS von § 31 Abs 1 BVG trotz ihrer besonderen immateriellen Komponente(BVerfGE 102, 41, 59 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 21; BVerfG Kammerbeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 51 BvR 593/08 - Juris RdNr 44) an die Entwicklung der Standardrenten in den alten und neuen Bundesländern zu knüpfen und damit unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Unterschiede in West und Ost zu bestimmen (vgl BVerfGE 102, 41, 55 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 19). Denn der Grundrente iS von § 31 Abs 1 BVG kommt eine einheitliche Entschädigungsfunktion zu, deren immaterielle Komponente von der materiellen Komponente nicht zu trennen ist(vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - SGb 2011, 702, 707; BVerfGE 102, 41, 61 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 23; BSG Urteil vom 24.5.2012 - B 9 V 2/11 R - BSGE 111, 79 = SozR 4-3520 § 7 Nr 1, RdNr 29). Dies gilt gleichermaßen für den DbA, der ebenso wie die Grundrente iS von § 31 Abs 1 BVG nicht nur Ersatz für den materiellen, sondern auch für den immateriellen Schaden gewährt(vgl BT-Drucks 13/4587 S 12).

47

Da der Grund der Ungleichbehandlung für Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigte im Verhältnis zu Versorgungsempfängern, die am Stichtag 18.5.1990 ihren Wohnsitz in den alten Bundesländern hatten, die wirtschaftlichen Unterschiede in West und Ost sind, ist die Ungleichbehandlung grundsätzlich so lange gerechtfertigt, wie diese Unterschiede bestehen.

48

Im hier maßgeblichen Zeitraum Januar 2000 bis Juni 2007 waren die wirtschaftlichen Verhältnisse in den alten und neuen Bundesländern noch unterschiedlich (vgl auch BVerfG Kammerbeschluss vom 9.8.2000 - 1 BvR 514/00 - Juris RdNr 8; BVerfG Beschluss vom 12.2.2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218, 248 ff, 250; BVerfG Kammerbeschluss vom 7.1.2005 - 1 BvR 286/04 - SozR 4-3100 § 84a Nr 5 RdNr 16; BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 13 R 129/08 R - BSGE 102, 36 = SozR 4-2600 § 93 Nr 12, RdNr 82).

49

Nach der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts "20 Jahre Deutsche Einheit - Wunsch oder Wirklichkeit" aus dem Jahr 2010 haben sich die wirtschaftsstrukturellen Unterschiede zwischen Ost und West zwar mehr und mehr angeglichen (S 32). Ausweislich der veröffentlichten Einzelaufstellungen kann jedoch im hier streitigen Zeitraum nicht von einheitlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen werden. So hat etwa das Verdienstniveau in den neuen Ländern im Vergleich zum früheren Bundesgebiet noch im Jahr 2009 bei lediglich 75,5 % des Westniveaus gelegen (S 48) und das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte noch im Jahr 2008 im früheren Bundesgebiet 19 838 Euro betragen, während es sich in den neuen Ländern einschließlich Berlin lediglich auf 15 536 Euro belaufen hat (S 52; siehe auch die Daten zur Erwerbslosigkeit - S 45 -, zu staatlichen Transferleistungen - S 56 f - und Konsumausgaben - S 58).

50

Dieses Bild findet seine Entsprechung in der Situation der Standardrenten in den neuen und alten Ländern. Nach dem Rentenversicherungsbericht 2008 der Bundesregierung (BT-Drucks 16/11060, S 40) betrug der Verhältniswert des aktuellen Rentenwerts in den neuen zu dem in den alten Ländern an den Stichtagen 1.7.2007, 1.7.2008 und 1.7.2009 jeweils 87,9 %.

51

Die wirtschaftlichen Unterschiede in Ost und West sind im hier maßgeblichen Zusammenhang für den streitigen Zeitraum auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 14.3.2000 (1 BvR 284/96 ua - BVerfGE 102, 41, 55 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 18) weiterhin ein taugliches Differenzierungskriterium.

52

Nach dieser Entscheidung genügt es verfassungsrechtlichen Anforderungen, dass die durch § 84a BVG bewirkte Ungleichbehandlung der Kriegsopfer Ost und West nicht auf Dauer angelegt und angesichts der damaligen Unterschiede in den Lebensverhältnissen noch mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung vereinbar gewesen ist. Aufgrund des seit 1997 deutlich verlangsamten Anpassungsprozesses müsse für die Kriegsopfer in den neuen Ländern aber damit gerechnet werden, dass sie gleich hohe Renten wie im Westen nicht erleben würden (BVerfGE 102, 41, 58 f = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 20 f). Damit werde für sie die durch § 84a BVG angestrebte Ungleichbehandlung auf Zeit zu einer Ungleichbehandlung auf Dauer. Dies sei in Bezug auf die Grundrente nach § 31 Abs 1 S 1 BVG aufgrund ihrer rechtlichen Besonderheit, dh ihrer besonderen immateriellen Komponente vor Art 3 Abs 1 GG, nicht zu rechtfertigen(BVerfGE 102, 41, 59 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 21).

53

Entsprechende Erwägungen sind auch im Rahmen der Versorgung Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigter anzustellen.

54

Zwar unterscheidet sich diese Personengruppe in einem wesentlichen Punkt von der Personengruppe der Kriegsopfer. Anders als die Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigten haben die Kriegsopfer Ost und West ein "Opfer im gleichen Krieg für den gleichen Staat" erbracht, was der entscheidende Gesichtspunkt für das BVerfG gewesen ist, eine unterschiedliche Entschädigung der Kriegsopfer über den 31.12.1998 hinaus als gleichheitswidrig zu bewerten (BVerfGE 102, 41, 61 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 23). Dieser Grund trifft auf die Sonderversorgungsberechtigten der NVA, der Deutschen Volkspolizei und die übrigen in Anlage 2 des AAÜG genannten Berechtigten nicht zu.

55

Allerdings sind auch sie im Dienst für eine staatliche Gemeinschaft in ihrer körperlichen Integrität verletzt worden, wofür ihnen durch ein Bundesgesetz eine Entschädigung gewährt wird, der ebenfalls eine immaterielle Komponente zukommt (BT-Drucks 13/4587, S 12). Dementsprechend darf auch für die Gruppe der Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigten die nur auf Zeit angestrebte Ungleichbehandlung nicht zu einer Ungleichbehandlung auf Dauer werden.

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Diese Gefahr ist jedoch nicht gegeben. Zum einen handelt es sich bei der Gruppe der Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigten anders als bei der Gruppe der Kriegsopfer nicht durchweg um hoch betagte Menschen. Die Kläger der beim Senat anhängigen Verfahren sind vielmehr zwischen 1930 und 1952 geboren. Zum anderen erhalten sie seit dem 1.7.2011 eine ungekürzte Versorgungsleistung. Gemäß § 84a BVG idF durch Art 1 Nr 30 des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften vom 20.6.2011 (BGBl I 1114) ist die Maßgabe nach Anlage I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III Nr 1 Buchst a iVm Art 3 des EinigVtr vom 31.8.1990 (BGBl II 885, 1067) seit dem 1.7.2011 nicht mehr anzuwenden. Dementsprechend wurde durch Art 6 Abs 1 dieses Gesetzes auch der in § 2 Abs 1 DbAG enthaltene Verweis auf § 84a BVG gestrichen.

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Dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten gewesen wäre, diese gesetzliche Änderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorzunehmen, ist angesichts seines besonders weiten Gestaltungsspielraums im Zusammenhang mit der Bewältigung der Folgen der Wiederherstellung der Deutschen Einheit und der steuerfinanzierten Gewährung von Leistungen (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 7.1.2005 - 1 BvR 286/04 - SozR 4-3100 § 84a Nr 5 - RdNr 12 mwN) nicht ersichtlich.

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2. Die Ungleichbehandlung der Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigten mit den von § 84a S 3 BVG idF vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) begünstigten Personenkreisen, die eine Versorgung auf "Westniveau" erhalten, ist ebenfalls gerechtfertigt.

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Zu den von der Norm begünstigten Personengruppen gehören neben den Kriegsopfern iS von § 1 BVG, mit denen die Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigten aus den unter 1. dargelegten Gründen nicht vergleichbar sind, die Opfer des SED-Regimes (vgl hierzu BR-Drucks 322/00 S 13 zu Art 6). Zwischen diesen und der Gruppe der Dienstbeschädigungsausgleichsberechtigten bestehen ebenfalls Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass ihre ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Bei letzteren handelt es sich nicht um Opfer des Regimes, sondern um ehemalige Staatsbedienstete der DDR, die für ihren Staat ein Sonderopfer erbracht haben.

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D. Mit seiner Entscheidung weicht der Senat zwar von den Urteilen des früheren 4. Senats vom 23.9.2003 (B 4 RA 54/02 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 1) und vom 7.7.2005 (B 4 RA 58/04 R - SozR 4-8855 § 2 Nr 2) ab. Er kann gleichwohl ohne Entscheidung des Großen Senats des BSG den vorliegenden Rechtsstreit selbst abschließend entscheiden. Eine zur Anrufung des Großen Senats nach § 41 Abs 2 SGG zwingende Divergenzvorlage besteht nicht mehr, weil der erkennende Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG seit dem 1.1.2010 für Streitigkeiten aufgrund § 3 S 1 DbAG ausschließlich zuständig ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.