Bundessozialgericht Urteil, 06. Sept. 2017 - B 13 R 20/14 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:060917UB13R2014R0
bei uns veröffentlicht am06.09.2017

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. Juni 2014 geändert.

Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 1. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 und des Bescheides vom 21. August 2014 verurteilt, dem Kläger für die Dauer seiner Teilnahme an dem ab 30. Mai 2011 absolvierten Reha-Vorbereitungslehrgang Übergangsgeld unter Zugrundelegung des Tariflohns eines Sicherheitsmitarbeiters im Revierdienst und unter Berücksichtigung der vom Träger der Grundsicherung in diesem Zeitraum bereits erbrachten Leistungen zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger für alle Rechtszüge ein Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten besteht Streit, in welcher Höhe dem Kläger während der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation im Jahr 2011 Übergangsgeld (Übg) zusteht.

2

Der 1972 geborene Kläger absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Backwarenteilfacharbeiter. Von 1995 bis 1997 schulte er zum Fliesenleger um und war anschließend in diesem Beruf tätig. Bei einem Verkehrsunfall am 1.11.2000 erlitt er schwere Verletzungen, die ua die Implantation einer Hüft-Totalendoprothese zur Folge hatten. Seither kann er die Tätigkeit eines Fliesenlegers nicht mehr ausüben.

3

Der beklagte RV-Träger gewährte dem Kläger zunächst mehrere Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und anschließend diverse Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Von März bis Juni 2003 besuchte er einen Reha-Vorbereitungslehrgang; anschließend bewilligte ihm die Beklagte eine berufliche Integrationsmaßnahme in Gestalt mehrerer Praktika. Das Übg für diese Maßnahmen berechnete sie unter Zugrundelegung der Tätigkeit eines Fliesenlegers. Am 20.5.2004 schloss der Kläger mit seinem letzten Praktikumsbetrieb, der Firma N. Niedersachsen GmbH & Co KG (im Folgenden: N.), einen unbefristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst. Vom 5.7. bis zum 2.8.2006 bewilligte die Beklagte eine weitere Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Bei deren Abschluss wurde festgehalten, dass der Kläger auf Dauer mit der Tätigkeit als Wachmann nicht zurechtkomme. Daraufhin löste er sein Arbeitsverhältnis bei der Firma N. Ende August 2006 auf.

4

Die Beklagte bewilligte ab 1.3.2007 eine erneute berufspraktische Erprobung und berechnete das Übg für diese Maßnahme unter Heranziehung des Tariflohns eines Sicherheitsmitarbeiters im Revierdienst, da sich der Kläger vom Beruf des Fliesenlegers mittlerweile gelöst habe. Die Bewilligung wurde aufgrund gesundheitlicher Probleme des Klägers während der Beschäftigung bei einem Sicherheitsdienst zum 30.9.2007 aufgehoben. Der Kläger war sodann vom 1.8.2008 bis zum 10.10.2008 als Wachmann in einem Parkhaus versicherungspflichtig beschäftigt. Er musste diese Tätigkeit nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen wieder aufgeben. An einer von der Beklagten im September 2009 bewilligten Weiterbildung zur Schutz- und Sicherheitskraft konnte der Kläger aus familiären Gründen nicht teilnehmen.

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Nach erneuten Hüftoperationen im Mai 2009, Februar und April 2010 stellte die Orthopädin K. in einem Gutachten vom 24.11.2010 fest, dass der Kläger in seiner letzten beruflichen Tätigkeit als Parkhauswache nicht mehr einsetzbar sei, da für ihn längere Wegstrecken und häufiges Treppensteigen ausgeschlossen seien; weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben würden dringend empfohlen. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger vom 30.5. bis zum 29.7.2011 die Teilnahme an einem Reha-Vorbereitungslehrgang (Bescheid vom 16.5.2011) und anschließend ab 1.8.2011 eine zweijährige Weiterbildung zum Immobilienkaufmann (Bescheid vom 26.7.2011).

6

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 1.6.2011 das Übg für die Dauer des Reha-Vorbereitungslehrgangs auf kalendertäglich 20,86 Euro fest. Dabei zog sie das tarifliche Entgelt eines Sicherheitsmitarbeiters im Objektschutzdienst im April 2011 iHv kalendertäglich 26,81 Euro heran. Da aber das vom Kläger zuletzt vom 1. bis zum 10.10.2008 tatsächlich erzielte Entgelt mit 27,15 Euro bzw - nach Anpassung - 27,81 Euro höher war, wurde der zuletzt genannte kalendertägliche Betrag als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt und im Hinblick auf die damals zwei Kinder des Klägers mit 75 vH vervielfältigt. Die Beklagte behielt das Übg für die Zeit vom 30.5. bis zum 30.6.2011 vorsorglich ein. Das Jobcenter des Landkreises P. machte für diesen Zeitraum einen Erstattungsanspruch iHv 607,52 Euro geltend, da der Kläger während des Bezugs von Übg im Jahr 2011 für sich und seine Familie auch Leistungen nach dem SGB II erhalten hatte.

7

Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 1.6.2011 forderte der Kläger, bei der Ermittlung des tariflichen Entgelts die vor dem Unfall von ihm ausgeübte Tätigkeit eines Fliesenlegers zugrunde zu legen; das lehnte die Beklagte ab (Widerspruchsbescheid vom 20.7.2011).

8

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.5.2012). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG die Beklagte verpflichtet, das Übg für die mit Bescheid vom 16.5.2011 bewilligte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben "unter Zugrundelegung eines kalendertäglichen Übg-Betrags von 23,40 Euro neu zu berechnen"; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 4.6.2014).

9

Im LSG-Urteil ist ausgeführt, dass nur die Berechnung des Übg-Anspruchs für den Reha-Vorbereitungslehrgang streitgegenständlich sei. Die Beklagte habe bei der Ermittlung des fiktiven tariflichen Arbeitsentgelts des Klägers zutreffend auf dessen Beschäftigung als Sicherheitsmitarbeiter abgestellt; seine frühere Tätigkeit als Fliesenleger sei nicht mehr maßgeblich. Bei der Frage, welche Behinderung bei Ermittlung des fiktiven Einkommens nach § 48 S 2 SGB IX außer Betracht zu bleiben habe, sei hier allein die seit 2010 verstärkt aufgetretene Hüftgelenkserkrankung zugrunde zu legen. Diese habe den konkreten Rehabilitationsanlass gebildet, während die Folgen des Unfalls im Jahr 2000 nicht mehr entscheidend seien. Das ergebe sich bereits aus der Lohnersatzfunktion des Übg. Auch der Drei-Jahres-Zeitraum in § 48 S 1 Nr 3 SGB IX zeige, dass das Gesetz einen konkreten zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Behinderung und der Rehabilitationsmaßnahme verlange. Das Übg habe sich an dem Verdienst zu orientieren, der bei Hinwegdenken des Anlasses für die konkrete Rehabilitationsmaßnahme zu erwarten gewesen wäre. Der Kläger sei nach seinem Unfall erfolgreich als Sicherheitsmitarbeiter in das Arbeitsleben integriert worden; diese Tätigkeit habe er bis 2006 und nochmals 2008 regelmäßig ausüben können. Eine Änderung sei erst durch die weitere Verschlechterung und die Operationen an der Hüfte im Jahr 2010 eingetreten; nur diese Verschlechterung weise den erforderlichen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der hier streitigen Rehabilitationsmaßnahme auf. Als Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutzdienst hätte der Kläger nach dem Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Niedersachsen entsprechend der von ihm zuletzt 2008 ausgeübten Tätigkeit einen Stundenlohn von 7,14 Euro erzielt. Daraus ergebe sich kein höheres als das von der Beklagten bewilligte Übg.

10

Jedoch sei im Bescheid vom 1.6.2011 die Bemessungsgrundlage aus dem zuletzt vor Beginn der Leistung tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt fehlerhaft ermittelt worden, weil ein Bemessungszeitraum von lediglich 10 Tagen zugrunde gelegt worden sei. Auf Basis der Lohnabrechnung für September 2008, die zumindest vier Wochen umfasse, errechne sich eine Bemessungsgrundlage von täglich 31,20 Euro zuzüglich des von der Beklagten zutreffend ermittelten Nettohinzurechnungsbetrags für Einmalzahlungen von 0,52 Euro, insgesamt also 31,72 Euro. Das dem Kläger zu gewährende Übg betrage daher 75 % dieses Betrags, "mithin 23,40 Euro".

11

Die Beklagte hat daraufhin durch Bescheid vom 21.8.2014 das Übg des Klägers für die Teilnahme am Reha-Vorbereitungslehrgang ab 30.5.2011 unter zusätzlicher Berücksichtigung der in § 50 SGB IX vorgeschriebenen Anpassung auf kalendertäglich 24,40 Euro festgesetzt.

12

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung von § 38 S 2 und von § 48 S 2 SGB IX. Ferner macht er Verfahrensfehler geltend. Das LSG habe die Amtsermittlungspflicht missachtet, weil es nicht weiter aufgeklärt habe, ob er als Sicherheitsmitarbeiter integriert oder aber von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, diese Tätigkeit auszuüben. Insoweit habe das LSG auch das rechtliche Gehör verletzt, denn es habe sich mit seinem mehrfachen Vortrag, er sei zu den Tätigkeiten im Wach- und Sicherheitsdienst von Anfang an gesundheitlich nicht in der Lage und somit in diesen Beruf auch niemals "integriert" gewesen, nicht befasst.

13

In der Sache habe das LSG verkannt, dass sich seine beruflichen Fähigkeiten, auf die es nach § 48 S 2 SGB IX ebenfalls ankomme, auf die Berufe Bäcker und Fliesenleger beschränkten; im Bereich Wachmann bzw Sicherheitsdienst sei er ungelernt gewesen. Maßgebliche Behinderung im Sinne dieser Vorschrift seien seine Verletzungen aus November 2000. Die Gesundheitsstörungen, die Grundlage der Bewilligung von Leistungen zur beruflichen Teilhabe im Jahr 2011 waren, seien eine unmittelbare Folge des Unfalls im Jahr 2000 gewesen, der zur Aufgabe des erlernten Berufs geführt habe. Die Hüftprobleme im Jahr 2010 folgten aus dieser Behinderung. Die Tätigkeiten im Wach- und Sicherheitsdienst seien sowohl in den Jahren 2004 bis 2006 als auch 2008 nicht leidensgerecht gewesen und auf Kosten seiner Restgesundheit erfolgt. Es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er diese "überobligatorisch" ausgeübt und dabei weniger als die Hälfte des im erlernten Beruf erzielten Einkommens verdient habe. Insoweit müsse auch bei § 48 S 2 SGB IX in systematischer Hinsicht die Rechtsprechung des BSG berücksichtigt werden, nach der es für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung unschädlich sei, wenn der Versicherte eine Erwerbstätigkeit tatsächlich ausübe, die er nur unter unzumutbaren Schmerzen oder sonst auf Kosten seiner Gesundheit verrichten könne(Hinweis auf BSG Urteil vom 30.10.1968 - 4 RJ 177/64 - BSGE 28, 271 = SozR Nr 17 zu § 1247 RVO; BSG Urteil vom 27.1.1981 - 5b/5 RJ 58/79 - BSGE 51, 133 = SozR 2200 § 1247 Nr 31).

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Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. Juni 2014 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 29. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 1. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 und des Bescheides vom 21. August 2014 zu verurteilen, dem Kläger für die Dauer des mit Bescheid vom 16. Mai 2011 bewilligten Reha-Vorbereitungslehrgangs höheres Übergangsgeld unter Zugrundelegung des im April 2011 an seinem Wohnsitz für seine Beschäftigung als Fliesenleger erzielbaren tariflichen Arbeitsentgelts zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Behinderung iS von § 48 S 2 SGB IX sei nicht jedwede vorhandene Behinderung, sondern nur diejenige Behinderung, die den konkreten Rehabilitationsanlass gebildet habe.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist teilweise erfolgreich (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und beschweren den Kläger, als sie für die Bemessung des Übg im Rahmen der Bestimmung des einschlägigen tariflichen Arbeitsentgelts die nur kurzzeitig ausgeübte Tätigkeit eines Sicherheitsmitarbeiters im Objektschutzdienst heranziehen (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Der Kläger hat vielmehr für die Dauer seiner Teilnahme an dem Reha-Vorbereitungslehrgang dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 S 1 SGG)Anspruch auf Übg unter Zugrundelegung des tariflichen Entgelts für eine Beschäftigung als Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst. Sein weitergehendes Begehren, das Übg für die ab Mai 2011 absolvierte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben noch auf der Grundlage der von ihm (nach den Feststellungen des LSG) zuletzt im Oktober 2000 ausgeübten Tätigkeit eines Fliesenlegers zu ermitteln, ist unbegründet.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die vorinstanzlichen Urteile des LSG und des SG sowie der Bescheid der Beklagten vom 1.6.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.7.2011. Zum anderen ist auch der während des Revisionsverfahrens erlassene Bescheid vom 21.8.2014 einzubeziehen. Mit diesem Bescheid setzte die Beklagte die von ihr akzeptierten Vorgaben des LSG-Urteils vorbehaltlos um, berücksichtigte zusätzlich aber auch noch die in § 50 SGB IX vorgeschriebene Anpassung der Bemessungsgrundlage und bewilligte deshalb Übg iHv kalendertäglich 24,40 Euro (statt - wie vom LSG ausgeurteilt - 23,40 Euro). Der Bescheid vom 21.8.2014 änderte damit den Bescheid vom 1.6.2011 zugunsten des Klägers und verminderte dessen Beschwer. Das betraf aber lediglich die Bemessung des Übg auf der Basis des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts (§§ 46, 47 SGB IX); bei der im Bescheid vom 1.6.2011 enthaltenen und vom Kläger primär angegriffenen Ablehnung einer Bemessung auf der Grundlage eines höheren fiktiven tariflichen Arbeitsentgelts (§ 48 SGB IX) verblieb es. Im Bescheid vom 21.8.2014 wurde auch kein neuer oder abweichender Sachverhalt zugrunde gelegt. Die Änderung gegenüber der im LSG-Urteil ausgesprochenen Verpflichtung beruhte vielmehr auf einer umfassenden Subsumtion unter Einbeziehung auch des § 50 SGB IX. In einer solchen Konstellation findet die Sonderregelung in § 171 SGG(hier idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057; zuvor: § 171 Abs 2 SGG aF) keine Anwendung. Vielmehr verbleibt es bei der Befugnis des BSG zur Entscheidung über das Revisionsbegehren im Hinblick auf den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt, und zwar nunmehr in der Gestalt, den dieser durch den ändernden Verwaltungsakt erhalten hat (BSG Urteil vom 8.9.2011 - B 3 P 2/11 R - BSGE 109, 96 = SozR 4-3300 § 82 Nr 7, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 19/11 R - BSGE 112, 201 = SozR 4-2500 § 36 Nr 3, RdNr 33; s auch BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 255 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 14 - zur Nichtanwendung des § 171 Abs 2 SGG aF bei teilweiser Klaglosstellung).

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2. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

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a) Die Berufung des Klägers war ohne vorherige Zulassung durch das SG oder das LSG statthaft (s hierzu zB Senatsurteil vom 10.7.2012 - B 13 R 26/10 R - SozR 4-2600 § 210 Nr 3 RdNr 12). Seine Klage betrifft einen Verwaltungsakt über eine Geldleistung, welche die Berufungssumme von 750 Euro übersteigt (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG).

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aa) Das LSG hat insoweit einen Betrag von 1835 Euro errechnet. Allerdings eignet sich die Heranziehung der im Informationsdienst "Berufenet" für das Jahr 2014 beispielhaft angeführten tariflichen Bruttogrundvergütung eines Fliesenlegers von 18,19 Euro je Stunde und deren Rückrechnung auf 16,54 Euro (unter der Annahme geschätzter Lohnsteigerungen von 2011 bis 2014 im Umfang von 10 %) allenfalls für eine grobe Abschätzung. Näher liegt es, auf die für Fliesenleger am Wohnsitz des Klägers im Bemessungszeitraum konkret geltenden tariflichen Regelungen zurückzugreifen (vgl § 48 S 1 SGB IX). Diese sind zB über die Tarifdatenbank des Statistischen Bundesamtes (unter www.destatis.de) abrufbar (die Texte der Tarifverträge sind zumeist auch über die Datenbank beck-online zugänglich). Insoweit weist der ab 1.4.2010 bis 30.4.2011 in Niedersachsen anwendbare Lohntarifvertrag für das Baugewerbe bei selbstständiger Ausführung der Facharbeiten des jeweiligen Berufsbilds einen Stundenlohn von 16,20 Euro aus (mit 25 % zusätzlichem Urlaubsgeld und einer Jahressonderzahlung von 93 Gesamttarifstundenlöhnen). Daraus errechnet sich ein Übg auf tariflicher Grundlage von 48,99 Euro (Stundenlohn 16,20 Euro x 40 Wochenstunden x 52 Wochen = 33 696 Euro; zuzüglich Einmalzahlungen: Urlaubsgeld 972 Euro + Jahressonderzahlung 1506,60 Euro = Jahresentgelt 36 174,60 Euro : 360 = 100,49 Euro; 65 % hiervon = Berechnungsgrundlage 65,32 Euro; 75 % hiervon = kalendertägliches Übg). Selbst wenn zugrunde gelegt wird, dass das Übg für den Reha-Vorbereitungslehrgang gemäß dem hier angefochtenen Bescheid vom 1.6.2011 nur bis zum 29.7.2011 - somit nur für 61 Kalendertage - zu zahlen war, ergibt sich ein Unterschiedsbetrag von (48,99 - 20,86 = 28,13 Euro x 61 =) 1715,93 Euro.

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bb) Der Differenzbetrag von 1715,93 Euro ist hier nicht um die gesamten vom Grundsicherungsträger in diesem Zeitraum an den Kläger gezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu vermindern. Zwar kommt ein Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers nach § 34b SGB II(in der ab 1.4.2011 bis zum 31.7.2016 geltenden Fassung; nunmehr: § 34c SGB II nF) von insgesamt 1550 Euro in Betracht, bei dessen Abzug die Berufungssumme von 750 Euro nicht mehr überschritten würde. Denn die Bedarfsgemeinschaft des Klägers hat entgegen der Annahme des LSG im Juni 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iHv 1072,90 Euro und im Juli 2011 iHv 477,10 Euro erhalten (s dazu die Anlagen zu dem vom LSG in Bezug genommenen Bescheid des Jobcenters vom 2.8.2011).

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Dennoch beträgt die Berufungssumme hier mehr als 750 Euro. Die Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstands des Berufungsverfahrens nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt(Senatsbeschluss vom 13.6.2013 - B 13 R 437/12 B - Juris RdNr 11). Auf die Rechtsansicht des LSG zur materiell-rechtlichen Begründetheit des Verlangens kommt es dabei nicht an (noch offengelassen von BSG Urteil vom 23.2.2011 - B 11 AL 15/10 R - SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 14; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 144 RdNr 15: rechtliche Folgewirkungen bleiben bei der Berechnung außer Ansatz). Der Kläger begehrte im Berufungsverfahren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Übg auf der Grundlage des Tariflohns für Fliesenleger. Eine Absetzung bereits gezahlter Grundsicherungsleistungen von diesem Betrag nahm er in seinen Berufungsantrag nicht auf. Selbst wenn berücksichtigt wird, dass sich der Kläger weder mit seinem Widerspruch noch im sozialgerichtlichen Verfahren gegen den im Bescheid vom 1.6.2011 verfügten Einbehalt des bis zum 30.6.2011 bewilligten Übg im Hinblick auf Erstattungsansprüche anderer Träger wandte (vgl § 123 SGG), könnte dieser Umstand lediglich einen Abzug der bis zum 30.6.2011 erbrachten Leistungen des Grundsicherungsträgers rechtfertigen. Es verbleibt dann immer noch ein vom Kläger im Berufungsverfahren für den Monat Juli 2011 geltend gemachter Betrag von wenigstens (29 x 28,13 =) 815,77 Euro.

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b) Einer Sachentscheidung des Senats steht auch nicht entgegen, dass das LSG von einer Beiladung des Grundsicherungsträgers zu dem Verfahren abgesehen hat, obwohl dieser von der Entscheidung des Rechtsstreits im Hinblick auf den Umfang des ihm gegen den RV-Träger ggf zustehenden Erstattungsanspruchs aus § 104 SGB X ebenfalls betroffen sein kann. Ein Fall der echten notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, dessen Missachtung durch die Vorinstanz im Revisionsverfahren grundsätzlich von Amts wegen zu beachten wäre(stRspr, zuletzt BSG Beschluss vom 14.4.2017 - B 6 KA 22/17 B - Juris RdNr 6), ist hier nicht gegeben.

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Gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zu dem Verfahren beizuladen. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor (insoweit offengelassen von BSG Urteil vom 23.2.2011 - B 11 AL 15/10 R - SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 15). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung ist stets dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über das strittige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 18). Notwendig ist die Identität des Streitgegenstands im Verhältnis beider Hauptbeteiligter zu dem Dritten; nicht ausreichend ist hingegen, wenn lediglich die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Entscheidung erfordern (Senatsurteil vom 24.10.2013 - B 13 R 35/12 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 12 RdNr 17). Eine Identität des Streitgegenstands besteht jedoch nicht, wenn einerseits ein Leistungsanspruch des Versicherten gegen den vorrangig verpflichteten RV-Träger und andererseits - bei Bejahung dieses Anspruchs - ein Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Grundsicherungsträgers gegen den RV-Träger im Raum stehen. Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff SGB X sind nicht von der Rechtsposition des Versicherten abgeleitete, sondern eigenständige Ansprüche(BSG Urteil vom 9.12.1986 - 8 RK 12/85 - BSGE 61, 66, 68 = SozR 2200 § 182 Nr 104 S 222, Juris RdNr 10). Daran ändert auch die Erfüllungsfiktion in § 107 Abs 1 SGB X nichts. Sie macht das tatsächliche Bestehen eines Erstattungsanspruchs im Verhältnis zwischen Grundsicherungsträger und RV-Träger lediglich zur materiell-rechtlichen Vorfrage im Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem RV-Träger (vgl auch Senatsurteil vom 24.2.2016 - B 13 R 25/15 R - Juris RdNr 13). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass in der umgekehrten Konstellation, also im Erstattungsstreit zwischen RV-Träger und Sozialhilfeträger, gerade wegen § 107 Abs 1 SGB X die Beiladung des Versicherten für notwendig erachtet wird(vgl BSG Urteil vom 6.9.1989 - 5 RJ 32/88 - Juris RdNr 15; s hierzu P. Becker, SGb 2011, 84, 86).

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3. Der Kläger hat für die Dauer seiner Teilnahme an dem von ihm ab dem 30.5.2011 besuchten Reha-Vorbereitungslehrgang Anspruch auf höheres Übg unter Zugrundelegung des Tariflohns eines Sicherheitsmitarbeiters im Revierdienst.

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a) Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Übg ist § 20 Nr 1 SGB VI(in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2007 bis 13.12.2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl I 926; nunmehr: § 20 Abs 1 Nr 1 SGB VI in der ab 30.12.2016 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016, BGBl I 3234). Danach haben Versicherte, die von einem Träger der RV (ua) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, Anspruch auf Übg als ergänzende Leistung zum Lebensunterhalt (§ 44 Abs 1 Nr 1 iVm § 45 Abs 2 Nr 2 SGB IX). Weitere Voraussetzungen als der tatsächliche Erhalt von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS von § 16 SGB VI iVm §§ 33 bis 38 SGB IX, also die Teilnahme an einer bewilligten Leistung zur Teilhabe, bestehen nicht(anders bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, vgl Senatsurteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - SozR 4-4200 § 25 Nr 2 RdNr 18 ff). Nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllte der Kläger diese Voraussetzung während der Dauer des am 30.5.2011 begonnenen Reha-Vorbereitungslehrgangs.

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b) Die Höhe und Berechnung des während der Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu zahlenden Übg richtet sich gemäß § 21 Abs 1 SGB VI(in der ab 1.7.2001 geltenden Fassung des SGB IX vom 19.6.2001, BGBl I 1046) nach den Bestimmungen in Teil 1 Kap 6 des SGB IX, soweit die Regelungen in § 21 Abs 2 bis 4 SGB VI nichts Abweichendes bestimmen. Da abweichende Vorschriften im Fall des Klägers nicht einschlägig sind, ist das Übg hier nach Maßgabe der §§ 46 ff SGB IX zu ermitteln. Hingegen ist die vom Kläger ebenfalls als verletzt gerügte Vorschrift des § 38 S 2 SGB IX für die Bemessung der Höhe des Übg ohne Bedeutung(vgl Luik in juris-PK SGB IX, 2. Aufl 2015, § 38 RdNr 15 ff, 22).

29

Ausgangspunkt für die Berechnung sind danach 80 % des vom Versicherten zuletzt vor Beginn der Teilhabeleistung tatsächlich erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens (brutto), soweit es - bis zur Bemessungsgrenze - der Beitragsberechnung unterliegt (sog Regelentgelt - § 46 Abs 1 S 1 SGB IX - mit weiteren Berechnungsvorgaben in § 47 SGB IX). Dem Regelentgelt wird das vom Versicherten zuletzt erzielte, unter entsprechender Anwendung des § 47 SGB IX ermittelte Nettoarbeitsentgelt gegenübergestellt; das Nettoarbeitsentgelt bildet die Obergrenze des zu berücksichtigenden Regelentgelts (§ 46 Abs 1 S 1 Teils 2 SGB IX). Zudem ist - insoweit ausschließlich für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - in einer weiteren Vergleichsbetrachtung zu untersuchen, ob sich eine höhere Bemessungsgrundlage für das Übg ergibt, wenn anstelle des Regelentgelts aus tatsächlich erzieltem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen 65 % des auf ein Jahr bezogenen tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelts herangezogen werden, also ein "fiktives" bzw "normatives" Arbeitsentgelt (§ 48 S 1 Nr 1 SGB IX). Bei der Ermittlung des Vergleichswerts auf Grundlage des tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelts ist in zeitlicher Hinsicht auf die Verhältnisse im letzten Kalendermonat vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben abzustellen (§ 48 S 2 Teils 1 SGB IX). In der Sache ist das tarifliche Arbeitsentgelt (bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze) für diejenige Beschäftigung maßgebend, "für die Leistungsempfänger ohne die Behinderung nach ihren beruflichen Fähigkeiten, ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit und nach ihrem Lebensalter in Betracht kämen" (§ 48 S 2 Teils 2 SGB IX).

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Geht es - wie hier - um die Ermittlung des fiktiven Arbeitsentgelts gemäß § 48 S 2 SGB IX bei länger andauernden Rehabilitationsprozessen, die letztlich mit einer Verschlimmerung der gesundheitlichen Einschränkungen einhergehen, ist danach grundsätzlich von der Beschäftigung auszugehen, die bei Bewilligung der konkreten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zuletzt tatsächlich ausgeübt wurde. Außer Acht zu lassen sind jedoch Tätigkeiten, die nur kurze Zeit verrichtet oder die in allzu lange zurückliegender Zeit ausgeübt wurden, und solche, die nur mit Rücksicht auf diejenige Behinderung ausgeübt wurden, die Grund für die Bewilligung der konkreten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ist, also den konkreten Rehabilitationsanlass bildet. Dies folgt aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck des § 48 S 2 SGB IX sowie dem systematischen Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht.

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aa) Der Wortlaut des § 48 S 2 SGB IX gibt allerdings keinen eindeutigen Hinweis darauf, welche Ausprägung der Behinderung für den Ausschluss einer ansonsten für die Ermittlung des Tariflohns in Frage kommenden Beschäftigung maßgeblich sein soll. Die Wendung "für die Leistungsempfänger ohne die Behinderung (…) in Betracht kämen" ließe es zu, nur die dem Leistungsempfänger (fiktiv) ohne jegliche Behinderungen möglichen Beschäftigungen heranzuziehen. Der Wortsinn schließt es aber auch nicht aus, die maßgebliche Behinderung nach den konkret bei der jeweiligen Rehabilitationsmaßnahme vorherrschenden Verhältnissen zu bestimmen. In diese Richtung weist jedenfalls, dass nicht Leistungsempfänger "ohne Behinderung" als Maßstab dienen sollen, sondern Leistungsempfänger ohne "die" Behinderung.

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bb) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt die letztgenannte Auslegung.

33

§ 48 S 2 SGB IX entspricht im Kern den Regelungen, die erstmals durch das Gesetz über die Angleichung von Leistungen zur Rehabilitation(RehaAnglG - vom 7.8.1974, BGBl I 1881) nach dem Modell des § 14 RehaAnglG in den einzelnen Sozialleistungsbereichen eingeführt wurden(vgl § 568 Abs 4 S 2 RVO, § 1241a Abs 2 S 2 RVO, § 18a Abs 2 S 2 AVG, § 40a Abs 2 S 2 RKG, § 26a Abs 4 S 2 BVG und § 59a S 2 AFG). Nach den genannten Bestimmungen war das Übg in Sonderfällen zwar noch nicht auf der Grundlage eines tariflichen oder ortsüblichen "fiktiven" Arbeitsentgelts, sondern unter Heranziehung der Anlagen zum FRG "normativ" zu bestimmen. Hierzu wurde - mit an das jeweilige Rechtsgebiet angepassten Bezeichnungen - angeordnet: "Bei der Zuordnung zu einer Leistungsgruppe nach Anlage 1 des Fremdrentengesetzes ist von der Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen, die für den Behinderten nach seinen beruflichen Fähigkeiten und seinem Lebensalter ohne die Behinderung in Betracht käme." Dabei sollte das Übg für berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation nur dann "normativ" ermittelt werden, wenn (1) der letzte Tag des Bemessungszeitraums länger als drei Jahre zurücklag, (2) kein Entgelt erzielt wurde oder (3) es "unbillig hart" wäre, das zuvor erzielte Entgelt der Bemessung des Übg zugrunde zu legen.

34

Mit dem Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG - vom 22.12.1981, BGBl I 1497) wurde die Anwendung der Anlagen zum FRG zur "normativen" Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Übg in Sonderfällen aufgegeben. Stattdessen sollte durch die Bezugnahme auf das maßgebliche tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt eine "gleichwertige Sicherstellung des Lebensunterhalts" erreicht werden. Die Heranziehung der Tarifentgelte sei aktueller und ermögliche eine bessere Behandlung des Einzelfalls (Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und FDP, BT-Drucks 9/799 S 50 - zu Nr 4 <§ 14 RehaAnglG>). § 14 S 2 RehaAnglG lautete nunmehr: "Maßgebend ist das Arbeitsentgelt in dem letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Maßnahme (Bemessungszeitraum) für diejenige Beschäftigung, für die der Behinderte ohne die Behinderung nach seinen beruflichen Fähigkeiten und seinem Lebensalter in Betracht käme". Nur in den rentenrechtlichen Vorschriften ersetzte das AFKG die "unbillige Härte" als Voraussetzung für eine fiktive Ermittlung des Arbeitsentgelts durch die Regelung in § 1241a Abs 1 S 2 RVO(bzw § 18a Abs 1 S 2 AVG, § 40a Abs 1 S 2 RKG), nach der mindestens die Bemessungsgrundlage nach Abs 2, also auf Grundlage einer fiktiven Ermittlung, heranzuziehen und deshalb stets eine solche Vergleichsberechnung vorzunehmen war. Das sollte sicherstellen, dass ein Betreuter, der innerhalb des maßgeblichen Berechnungszeitraums nur geringe Entgelte erzielt hat, nicht schlechter gestellt wird als ein Betreuter, der in dieser Zeit überhaupt nicht gearbeitet bzw keine Beiträge entrichtet hat (Gesetzentwurf BT-Drucks 9/799 S 53 - zu Nr 24 <§ 1241a RVO>).

35

Zum 1.1.1992 führte das RRG 1992 (vom 18.12.1989, BGBl I 2261) die rentenrechtlichen Vorschriften in § 22 Abs 2 SGB VI inhaltsgleich zusammen (jetzt mit der Bezeichnung "Versicherte" statt "Betreuten"). Das SGB IX (vom 19.6.2001, BGBl I 1046) hob diese Norm sowie die Parallelvorschriften in den anderen Sozialleistungsbereichen (§ 165 SGB III, § 51 Abs 3 SGB VII und § 26a Abs 4 BVG) mWv 1.7.2001 auf und ersetzte sie durch § 48 SGB IX. Der Wortlaut dieser Vorschrift verwendete nunmehr die Begriffe "Leistungsempfänger" bzw "Behinderung". Zudem wurde die bisherige Regelung, die nur auf die "beruflichen Fähigkeiten" und das "Lebensalter" abstellte, um das Merkmal "bisherige berufliche Tätigkeit" ergänzt. Mit § 48 SGB IX sollten - einheitlich für alle Rehabilitationsträger - Regelungen zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage für das Übg in den Fällen geschaffen werden, "in denen eine Orientierung an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen des Betroffenen vor Beginn der Leistung zu einer nicht angemessenen Höhe des Übg führt"(Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 14/5074 S 110 - zu § 48).

36

Diese Entstehungsgeschichte des § 48 SGB IX verdeutlicht, dass bei der Bestimmung der tarifvertraglich maßgebenden Beschäftigung die konkrete Behinderung in den Blick zu nehmen ist, welche Anlass für die Erbringung der jeweiligen "Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben" ist. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass die Regelung - ohne sachliche Änderung - auch für die Ermittlung des Übg in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht heranzuziehen ist. In den genannten Leistungsbereichen war zuvor durch das Abstellen auf die "Verletzung" (§ 568 Abs 4 S 2 RVO), den "Versicherungsfall" (§ 51 Abs 3 SGB VII) bzw die "Schädigung" (§ 26a Abs 4 S 2 BVG) anstelle des nunmehr verwendeten Begriffs der "Behinderung" offenkundig, dass nicht von einem Leistungsempfänger ohne jede Behinderung ausgegangen werden darf. Zudem kann die Ergänzung der Merkmale "berufliche Fähigkeiten" und "Lebensalter" um das Merkmal "bisherige berufliche Tätigkeit" nur so verstanden werden, dass es bei der Auswahl der in Frage kommenden Beschäftigung nicht mehr nur auf die vom Leistungsempfänger in der Vergangenheit erworbenen beruflichen Fähigkeiten ankommen soll, sondern gerade auch darauf, inwieweit diese zuletzt in einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt wurden.

37

cc) Auch der Sinn und Zweck des § 48 SGB IX streitet dafür, dass bei der Bestimmung der maßgebenden Beschäftigung im Grundsatz von der zuletzt tatsächlich ausgeübten, die Einkommensverhältnisse prägenden Beschäftigung auszugehen ist, dabei jedoch eine Tätigkeit unberücksichtigt bleibt, die nur wegen derjenigen Behinderung ausgeübt wurde, welche den Anlass und Grund für die Bewilligung der konkreten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bildet. Ausgangspunkt ist insoweit - wie bereits dargelegt - der Zweck der Vorschrift, eine nicht angemessene Höhe des Übg zu vermeiden (BT-Drucks 14/5074 S 110 - zu § 48). Was als unangemessene Höhe anzusehen wäre, ergibt sich wiederum aus dem allgemeinen Zweck des Übg, als Einkommensersatz während der gesamten Rehabilitationsmaßnahme die wirtschaftliche Sicherung des Leistungsempfängers und seiner Familie zu gewährleisten. Deshalb ist das Übg an den bisherigen Einkommensverhältnissen ausgerichtet (BT-Drucks 7/1237 S 58 - zu § 13; s auch Welti, Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat, 2005, S 170). Das Ziel einer Absicherung des real vorhandenen Lebensstandards gebietet es aber, grundsätzlich auf die zuletzt ausgeübte Beschäftigung abzustellen und diese nur dann auszusondern, wenn sie nicht geeignet war, den für die konkrete Teilhabeleistung maßgebenden Lebensstandard zu prägen. Das kann etwa bei nur kurzzeitig ausgeübten Beschäftigungen oder auch bei Tätigkeiten außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarkts der Fall sein (vgl zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die verbindliche Entscheidung des Vorstands der DRV Bund vom Januar 2008, RVaktuell 2008, 139). Vor allem aber sind solche - geringer vergüteten - Beschäftigungen auszuklammern, die nur mit Rücksicht auf diejenige Behinderung aufgenommen wurden, deren Auswirkungen im Bereich der Erwerbstätigkeit gerade mit Hilfe der bewilligten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zukunft neutralisiert oder wenigstens minimiert werden sollen (s hierzu Welti, aaO, S 74). Denn es soll mit dem Abstellen auf eine Beschäftigung "ohne die Behinderung" bzw "unabhängig von der Behinderung" vermieden werden, dass die soziale Stellung des Behinderten schon während der Rehabilitationsmaßnahme zu seinem Nachteil verändert wird (BT-Drucks 7/1237 S 59 - zu § 14).

38

dd) Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn die systematischen Zusammenhänge der Regelung in § 48 S 2 SGB IX betrachtet werden. Die genannte Vorschrift zur Ermittlung der Höhe des Übg setzt die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben voraus. Diese sind (anders als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) vielfach auf eine längere Dauer angelegt (vgl § 33 Abs 8 S 2 SGB IX: bis zu drei Jahren). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen (§ 33 Abs 1 SGB IX; s auch § 9 Abs 1 S 1 SGB VI - nunmehr in der ab 14.12.2016 geltenden Fassung des Flexirentengesetzes vom 8.12.2016, BGBl I 2838 ). Ein RV-Träger erbringt diese Leistungen, wenn die versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) und die persönlichen Voraussetzungen (§ 10 SGB VI) erfüllt sind (§ 9 Abs 2 SGB VI). Zu den persönlichen Voraussetzungen gehört, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (§ 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI). Besteht bereits eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, muss die in Anspruch genommene Reha-Maßnahme voraussichtlich dazu führen, dass die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann (§ 10 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB VI). Ist aber schon eine teilweise Erwerbsminderung ohne Aussicht auf wesentliche Besserung eingetreten, muss die begehrte Maßnahme voraussichtlich dazu führen, dass der bisherige Arbeitsplatz erhalten oder ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann (§ 10 Abs 1 Nr 2 Buchst c SGB VI nF).

39

Die Regelung der persönlichen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gibt somit je nach Ausprägung der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unterschiedliche Teilhabeziele vor. Sie ermöglicht und verlangt eine der jeweiligen Situation angepasste Ausgestaltung länger dauernder Rehabilitationsprozesse (s auch § 10 Abs 1 S 2 SGB IX). Wenn aber je nach Art der aktuellen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unterschiedliche Anforderungen an die Bewilligung einer konkreten Rehabilitationsmaßnahme (Hauptleistung) gestellt werden, liegt es nahe, die diese Leistung rechtfertigende spezifische Ausprägung der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (= Behinderung) im Grundsatz auch zum Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe des Übg (als ergänzender Leistung zum Lebensunterhalt: § 44 Abs 1 Nr 1 iVm § 45 Abs 1 Nr 3 SGB IX)zu machen.

40

Allerdings können die Bestimmungen in § 10 SGB VI zur Konkretisierung des § 48 S 2 SGB IX nicht unmittelbar herangezogen werden. Auch wenn es sinnvoll erscheint, bei der Ermittlung der maßgeblichen Beschäftigung sowohl im Rahmen der Leistungsvoraussetzungen für die Reha-Maßnahme als auch bei der Bestimmung der Höhe des für diese Maßnahme zu zahlenden Übg dieselben Kriterien anzuwenden, ist doch zu beachten, dass der Gesetzgeber die Regelungen zum Übg in Teil 1 Kap 6 (§§ 44 bis 54) des SGB IX bereichsübergreifend und einheitlich für alle Rehabilitationsträger normieren wollte(vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 14/5074 S 94 , 100 ; 109 , 110). Das Gebot einer einheitlichen Anwendung des § 48 SGB IX für alle Rehabilitationsträger schließt es aus, die Vorschrift für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unter Heranziehung spezifisch rentenrechtlicher Voraussetzungen zu interpretieren. Vielmehr sind - umgekehrt - die Vorschriften des SGB VI zur beruflichen Rehabilitation im Lichte der Bestimmungen des SGB IX auszulegen und anzuwenden (Welti, NJW 2001, 2210, 2211; Luik in juris-PK SGB IX, 2. Aufl 2015, § 33 RdNr 17).

41

Ausgehend von dieser Gesetzessystematik ist es daher geboten, § 48 S 2 SGB IX in Übereinstimmung mit den in § 33 SGB IX für alle Leistungsbereiche nach Gegenstand, Umfang und Ausführung einheitlich und abschließend normierten Vorgaben für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben(vgl BT-Drucks 14/5074 S 97 - Teil 1 Kap 5) zu interpretieren. Eine solche Auslegung bestätigt jedoch das eingangs dargelegte Ergebnis. Denn nach § 33 Abs 1 SGB IX werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen, um ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Bei der Auswahl der konkreten Teilhabeleistung ist gemäß § 33 Abs 4 SGB IX neben der Eignung, Neigung sowie der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auch die "bisherige Tätigkeit" angemessen zu berücksichtigen. Hiernach ist sowohl bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung, nämlich ob die Erwerbsfähigkeit bedroht oder beeinträchtigt ist, als auch bei der Auswahl einer konkreten Leistung grundsätzlich von dem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz auszugehen (Luik in juris-PK SGB IX, 2. Aufl 2015, § 33 RdNr 85; Götze in Hauck/Noftz, SGB IX, K § 33 RdNr 9 - Stand der Einzelkommentierung November 2015; Hohmann in Wiegand , SGB IX Teil 1, § 33 RdNr 96 - Stand der Einzelkommentierung März 2007; Wendt in Gemeinschaftskommentar zum SGB IX, § 33 RdNr 16, 87 - Stand der Einzelkommentierung Dezember 2014; Vogt in Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 4. Aufl 2015, § 33 RdNr 29; Bieritz-Harder in Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, 3. Aufl 2010, § 33 RdNr 10, 42; Knittel, SGB IX, 10. Aufl 2017, § 33 RdNr 109 f; s auch Kater in Kasseler Kommentar, § 10 SGB VI RdNr 3a, 3b - Stand Einzelkommentierung März 2017). In die Betrachtung können jedoch, soweit erforderlich, auch alle weiteren beruflichen Tätigkeiten in den letzten Jahren einbezogen werden, sofern sie nicht in allzu lange zurückliegender Zeit ausgeübt wurden (so zu § 14a Abs 2 S 2 AVG: BSG Urteil vom 31.1.1980 - 11 RA 8/79 - BSGE 49, 263, 267 = SozR 2200 § 1237a Nr 10 S 18 - Juris RdNr 20). Nicht maßgeblich sind aber Tätigkeiten, die nur verhältnismäßig kurze Zeit verrichtet wurden (BSG aaO). Ungeachtet dieser teilweisen Deckungsgleichheit der Tatbestandsmerkmale in § 33 SGB IX und in § 48 S 2 SGB IX, was die bisherige berufliche Tätigkeit als Ausgangspunkt anbelangt, sind im jeweiligen Regelungszusammenhang allerdings noch weitere Merkmale zu beachten. Hierzu gehört insbesondere im Rahmen des § 48 S 2 SGB IX das nur dort erwähnte Merkmal "ohne die Behinderung", das den Kreis der berücksichtigungsfähigen bisherigen Tätigkeiten weiter begrenzen kann.

42

c) Nach diesen Maßstäben kann der Kläger für die Dauer seiner Teilnahme an dem Reha-Vorbereitungslehrgang ein höheres kalendertägliches Übg als die von der Beklagten im Bescheid vom 1.6.2011 in Gestalt des Bescheids vom 21.8.2014 bewilligten 24,40 Euro verlangen. Für den ab 30.5.2011 absolvierten Reha-Vorbereitungslehrgang ist als maßgebende "Beschäftigung ohne die Behinderung" iS von § 48 S 2 SGB IX die von Mai 2004 bis August 2006 ausgeübte Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst zugrunde zu legen (dazu unter cc). Insoweit kann weder auf die im Jahr 2008 lediglich kurzzeitig verrichtete Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter im Objektdienst - Aufsicht im Parkhaus - (aa) noch auf die mehr als 10 Jahre zurückliegende Tätigkeit als Fliesenleger abgestellt werden (bb). Auf der Basis des Tariflohns eines Sicherheitsmitarbeiters im Revierdienst errechnet sich ein höheres kalendertägliches Übg (dd).

43

aa) Nicht statthaft ist es, der fiktiven Berechnung des Übg die vom Kläger im Jahr 2008 nur zweieinhalb Monate lang ausgeübte Tätigkeit eines Sicherheitsmitarbeiters im Objektdienst (Aufsicht im Parkhaus) zugrunde zu legen. Zwar handelt es sich dabei um die vom Kläger zuletzt vor Bewilligung der Teilhabeleistung versicherungspflichtig verrichtete Tätigkeit. Die lediglich kurzzeitig ausgeübte Tätigkeit ist aber von vornherein nicht geeignet, maßgebende Beschäftigung iS des § 48 S 2 SGB IX zu sein. Sie erstreckte sich nicht einmal über die nach § 622 Abs 3 BGB für ein Arbeitsverhältnis längstmögliche Probezeit von sechs Monaten hinaus. Die soziale Stellung und die Lebensgrundlage des Klägers vor Beginn der Maßnahme zur Teilhabe (s hierzu BSG Urteil vom 9.5.1984 - 4 RJ 65/83 - Juris RdNr 11 am Ende; BSG Urteil vom 28.2.1991 - 4/1 RA 71/90 - SozR 3-2200 § 182 Nr 7 S 28 - Juris RdNr 32; BSG Urteil vom 26.8.1992 - 9b RAr 19/91 - Juris RdNr 11 am Ende) vermochte sie nicht nachhaltig zu prägen. Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger diese Beschäftigung - was das LSG nicht ausdrücklich festgestellt hat, wofür aber manches spricht - aus denselben gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, deren Auswirkungen auf seine Erwerbsfähigkeit auch zur Bewilligung der weiteren Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Mai 2011 geführt haben (zu solchen Fallgestaltungen s auch BSG Urteil vom 31.1.1980 - 11 RA 8/79 - BSGE 49, 263, 267 = SozR 2200 § 1237a Nr 10 S 19; BSG Urteil vom 15.3.1988 - 4/11a RA 18/87 - SozR 2200 § 1241 Nr 32 S 112).

44

bb) Ausgeschlossen ist es zugleich, zur Ermittlung des Übg für die im Mai 2011 bewilligte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die vom Kläger zuletzt vor mehr als zehn Jahren ausgeübte Beschäftigung als Fliesenleger abzustellen. Bislang nicht näher konkretisiert ist allerdings, welche Zeitspanne "in den letzten Jahren, wenn auch nicht aus allzu lange zurückliegender Zeit" umfassen kann (vgl BSG Urteil vom 31.1.1980 - 11 RA 8/79 - BSGE 49, 263, 267 = SozR 2200 § 1237a Nr 10 S 18, Juris RdNr 20; s auch Götze in Hauck/Noftz, SGB IX, K § 33 RdNr 9, Stand Einzelkommentierung November 2015; Bieritz-Harder in Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, 3. Aufl 2010, § 33 RdNr 10; Knittel, SGB IX, 10. Aufl 2017, § 33 RdNr 110). Soweit das LSG - anknüpfend an § 48 S 1 Nr 3 SGB IX - nur einen "noch überschaubaren Zeitraum von bis zu drei Jahren" berücksichtigen will, lässt es außer Acht, dass die genannte Vorschrift die Ermittlung eines fiktiven Arbeitsentgelts auf tariflicher Grundlage gerade auch für Fallgestaltungen vorsieht, bei denen in den letzten drei Jahren keinerlei Beschäftigung vorlag. Deshalb muss, wenn die Norm in einer solchen Konstellation nicht leerlaufen soll, eine berufliche Tätigkeit auch dann berücksichtigungsfähig sein, wenn sie mehr als drei Jahre zurückliegt. Unter Beachtung des aufgezeigten Sinns und Zwecks des § 48 S 2 SGB IX, den realen Lebensstandard während der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erhalten, ist es nach Auffassung des erkennenden Senats aber jedenfalls für die Berechnung des Übg in der Regel ausgeschlossen, auf solche Beschäftigungen zurückzugreifen, die mehr als das Doppelte des im Gesetz erwähnten Zeitraums, mithin schon länger als sechs Jahre zurückliegen.

45

cc) Abzustellen ist vielmehr auf die letzte vor Bewilligung der Teilhabeleistung nicht nur kurzfristig ausgeübte oder aus sonstigen Gründen auszusondernde Beschäftigung. Das ist hier die vom Kläger ab Mai 2004 bis August 2006, also mehr als zwei Jahre lang verrichtete Tätigkeit eines Sicherheitsmitarbeiters im Revierdienst. Ihr ging der Kläger auch noch ab Mai 2005 und damit innerhalb des zeitlichen Rahmens von sechs Jahren vor Bewilligung der konkreten Teilhabeleistung (s oben bb) nach. Die Heranziehung dieser Tätigkeit im Rahmen der fiktiven Vergleichsberechnung hat auch nicht zu unterbleiben, weil der Kläger diese Tätigkeit nur wegen der - bzw mit Rücksicht auf die - Behinderung aufgenommen und ausgeübt hatte, die auch Anlass und Grund für die im Mai 2011 bewilligte Teilhabeleistung war. Dafür ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG, die mangels durchgreifender Verfahrensrügen (s unter 4.) für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), kein Anhaltspunkt ersichtlich.

46

Maßgeblich ist insoweit - wie bereits dargelegt - diejenige körperliche, geistige oder seelische Behinderung, welche zu einer erheblichen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Mai 2011 führte und unter diesem Aspekt seine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigte (§ 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI iVm § 33 Abs 1, § 2 Abs 1 SGB IX). Insoweit sind nicht einzelne Krankheiten im medizinischen Sinne, sondern ist ein Gesamtzustand der Behinderung mit dessen konkreten Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit von Bedeutung (vgl BSG Urteil vom 10.9.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50, 53 = SozR 3-3870 § 3 Nr 7 S 16; s auch Masuch, Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 216; Welti, Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat, 2005, S 59). Hierzu hat das LSG unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Gutachten der Sachverständigen K. vom 28.9.2010 festgestellt, dass nur die Folgen der beim Kläger "zeitlich erst nach erfolgreicher Integration in den Beruf des Sicherheitsmitarbeiters" aufgetretenen Verschlechterung der Hüftgelenkserkrankung den erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit der streitbetroffenen Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Vorbereitungslehrgang) aufwiesen. Als "erfolgreiche Integration" hat das LSG dabei die Beschäftigung des Klägers als Sicherheitsmitarbeiter "bis August 2006" - also in der Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst von Mai 2004 bis August 2006 - angesehen. Es hat damit zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Überzeugung die Verschlimmerung der Hüftgelenkserkrankung, deren negative Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers zur Bewilligung der weiteren Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Mai 2011 geführt haben, als Behinderung in zeitlicher Hinsicht erst nach dem Ende der Beschäftigung des Klägers als Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst (bis August 2006) Bedeutung erlangt hat. Daraus ergibt sich zugleich, dass diese Ausprägung der Behinderung jedenfalls für die Aufnahme der Beschäftigung als Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst im Mai 2004 und ihre weitere Ausübung über das Jahr 2005 hinaus noch keine Rolle gespielt haben kann.

47

dd) Für eine Beschäftigung als Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst hätte der Kläger nach den Verhältnissen im letzten Kalendermonat vor Beginn der Leistung (April 2011) fiktiv ein tarifliches Arbeitsentgelt - bezogen auf ein Jahr - von ca 19 300 Euro erzielt (vgl Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Land Niedersachsen vom 9.3.2010: Stundenlohn 9,10 Euro bei 40 Stunden/Woche und je 1 % des Bruttojahreslohns als Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld). Hieraus errechnet sich ein Übg iHv (19 300 Euro x 65 % = 12 545 Euro: 360 = 34,85 Euro x 75 % =) kalendertäglich ca 26 Euro, was günstiger ist als das bislang gemäß §§ 46, 47 SGB IX bewilligte Übg iHv 24,40 Euro(§ 48 S 1 Nr 1 SGB IX). Die Zahlung eines höheren Betrags kann der Kläger allerdings von der Beklagten nur verlangen, soweit der Anspruch nicht aufgrund eines Erstattungsanspruchs des Grundsicherungsträgers für die von ihm in dieser Zeit erbrachten Leistungen nach dem SGB II bereits als erfüllt gilt (§ 107 Abs 1 SGB X; s dazu BSG Urteil vom 30.3.2004 - B 1 KR 30/02 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 1 RdNr 5; BSG Urteil vom 12.3.2013 - B 1 KR 7/12 R - Juris RdNr 12).

48

4. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen gebieten keine andere Entscheidung.

49

a) Mit dem Vorbringen, das LSG habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung (§ 103 SGG)verletzt, weil es nicht aufgeklärt habe, ob er "als Sicherheitsmitarbeiter integriert war oder nicht oder ob er vielmehr von Anfang an nicht in der Lage gewesen war, diese Tätigkeit auszuüben", hat der Kläger einen Verfahrensmangel nicht ausreichend bezeichnet (§ 164 Abs 2 S 3 Teils 3 SGG). Insbesondere hat er nicht aufgezeigt, weshalb sich das LSG auf der Grundlage seiner Rechtsansicht zu den von ihm geforderten weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und welcher Beweismittel es sich dabei hätte bedienen sollen (s hierzu Senatsurteil vom 17.2.1998 - B 13 RJ 73/97 R - Juris RdNr 16; BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 25).

50

b) Die Rüge, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, greift ebenfalls nicht durch. Der Kläger beanstandet insoweit, das LSG habe den von ihm im Verlauf des Verfahrens mehrfach angebrachten Vortrag, er sei von Anfang an für die Tätigkeiten im Wach- und Sicherheitsdienst gesundheitlich nicht in der Lage und niemals in den Beruf des Sicherheitsmitarbeiters integriert gewesen, nicht zur Kenntnis genommen und auch nicht in die Urteilsgründe aufgenommen. Aus der ausdrücklichen Wiedergabe dieses Vortrags im Tatbestand des LSG-Urteils (Urteilsumdruck S 6, 2. Abs) ergibt sich jedoch, dass der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet keinen Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (stRspr, vgl BVerfG Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - SozR 4-1100 Art 103 Nr 4 RdNr 14).

51

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 S 1 iVm § 193 SGG.

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Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauft

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 9 Aufgabe der Leistungen zur Teilhabe


(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um 1. den Auswirkungen einer Krankh

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 10 Persönliche Voraussetzungen


(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und2. bei denen vora

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 11 Versicherungsrechtliche Voraussetzungen


(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung1.die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder2.eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen. (2) Für die L

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 165 Anspruch


(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als I

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 20 Anspruch


(1) Anspruch auf Übergangsgeld haben Versicherte, die1.von einem Träger der Rentenversicherung Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge oder sonstige Lei

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 44 Stufenweise Wiedereingliederung


Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise ausüben und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert w

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 46 Früherkennung und Frühförderung


(1) Die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 umfassen auch1.die medizinischen Leistungen der fachübergreifend arbeitenden Dienste und

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 21 Höhe und Berechnung


(1) Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes bestimmen sich nach Teil 1 Kapitel 11 des Neunten Buches, soweit die Absätze 2 bis 4 nichts Abweichendes bestimmen. (2) Die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld wird für Versicherte, die Arbeitsei

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 16 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben


Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erbringen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 49 bis 54 des Neunten Buches, im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 57 des Neu

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 26a


(1) Der Anspruch auf Übergangsgeld sowie die Höhe und Berechnung bestimmen sich nach Teil 1 Kapitel 11 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch; im Übrigen gelten für die Berechnung des Übergangsgelds die §§ 16a, 16b und 16f entsprechend. (2) Hat der

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 171


Wird während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so gilt der neue Verwaltungsakt als mit der Klage beim Sozialgericht angefochten, es sei denn, daß der Kläger durch den neuen Verwaltungsa

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 10 Sicherung der Erwerbsfähigkeit


(1) Soweit es im Einzelfall geboten ist, prüft der zuständige Rehabilitationsträger gleichzeitig mit der Einleitung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation, während ihrer Ausführung und nach ihrem Abschluss, ob durch geeignete Leistungen zur

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 47 Hilfsmittel


(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 42 Absatz 2 Nummer 6 umfassen die Hilfen, die von den Leistungsberechtigten getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und u

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 45 Förderung der Selbsthilfe


Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung, Beratung, Behandlung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, sollen nach einheitlic

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 38 Verträge mit Leistungserbringern


(1) Verträge mit Leistungserbringern müssen insbesondere folgende Regelungen über die Ausführung von Leistungen durch Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, die nicht in der Trägerschaft eines Rehabilitationsträgers stehen, enthalten:1.Qualitätsa

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 48 Verordnungsermächtigungen


Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln1.zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der w

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 34b Erstattungsanspruch bei Doppelleistungen


(1) Hat ein vorrangig verpflichteter Leistungsträger in Unkenntnis der Leistung durch Träger nach diesem Buch an eine leistungsberechtigte Person geleistet, ist diese zur Erstattung der Leistung des vorrangigen Trägers an die Träger nach diesem Buch

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 50 Leistungen an Arbeitgeber


(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als1.Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,2.Eingliederungszu

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 34c Ersatzansprüche nach sonstigen Vorschriften


Bestimmt sich das Recht des Trägers nach diesem Buch, Ersatz seiner Aufwendungen von einem anderen zu verlangen, gegen den die Leistungsberechtigten einen Anspruch haben, nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften, die dem § 33 vorgehen, gelten als Auf

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Bundessozialgericht Urteil, 12. März 2013 - B 1 KR 7/12 R

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. April 2017 wird zurückgewiesen.

Referenzen

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als

1.
Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,
2.
Eingliederungszuschüsse,
3.
Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb und
4.
teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung.

(2) Die Leistungen können unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden.

(3) Ausbildungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 1 können für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden. Die Ausbildungszuschüsse sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen, die von den Arbeitgebern im letzten Ausbildungsjahr gezahlt wurden.

(4) Eingliederungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 2 betragen höchstens 50 Prozent der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen. Die Eingliederungszuschüsse sollen im Regelfall für höchstens ein Jahr gezahlt werden. Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Eingliederungszuschüsse um bis zu 20 Prozentpunkte höher festgelegt und bis zu einer Förderungshöchstdauer von zwei Jahren gezahlt werden. Werden die Eingliederungszuschüsse länger als ein Jahr gezahlt, sind sie um mindestens 10 Prozentpunkte zu vermindern, entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderungshöhe. Bei der Berechnung der Eingliederungszuschüsse nach Satz 1 wird auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. Eingliederungszuschüsse sind zurückzuzahlen, wenn die Arbeitsverhältnisse während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden. Der Eingliederungszuschuss muss nicht zurückgezahlt werden, wenn

1.
die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben oder
2.
die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen.
Die Rückzahlung ist auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den im letzten Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt; nicht geförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.

(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als

1.
Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,
2.
Eingliederungszuschüsse,
3.
Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb und
4.
teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung.

(2) Die Leistungen können unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden.

(3) Ausbildungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 1 können für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden. Die Ausbildungszuschüsse sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen, die von den Arbeitgebern im letzten Ausbildungsjahr gezahlt wurden.

(4) Eingliederungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 2 betragen höchstens 50 Prozent der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen. Die Eingliederungszuschüsse sollen im Regelfall für höchstens ein Jahr gezahlt werden. Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Eingliederungszuschüsse um bis zu 20 Prozentpunkte höher festgelegt und bis zu einer Förderungshöchstdauer von zwei Jahren gezahlt werden. Werden die Eingliederungszuschüsse länger als ein Jahr gezahlt, sind sie um mindestens 10 Prozentpunkte zu vermindern, entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderungshöhe. Bei der Berechnung der Eingliederungszuschüsse nach Satz 1 wird auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. Eingliederungszuschüsse sind zurückzuzahlen, wenn die Arbeitsverhältnisse während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden. Der Eingliederungszuschuss muss nicht zurückgezahlt werden, wenn

1.
die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben oder
2.
die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen.
Die Rückzahlung ist auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den im letzten Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt; nicht geförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt.

(1) Die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 umfassen auch

1.
die medizinischen Leistungen der fachübergreifend arbeitenden Dienste und Einrichtungen sowie
2.
nichtärztliche sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, auch in fachübergreifend arbeitenden Diensten und Einrichtungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen.

(2) Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder umfassen weiterhin nichtärztliche therapeutische, psychologische, heilpädagogische, sonderpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten durch interdisziplinäre Frühförderstellen oder nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum. Die Leistungen sind erforderlich, wenn sie eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennen helfen oder die eingetretene Behinderung durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen ausgleichen oder mildern.

(3) Leistungen nach Absatz 1 werden in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen nach § 79 als Komplexleistung erbracht. Die Komplexleistung umfasst auch Leistungen zur Sicherung der Interdisziplinarität. Maßnahmen zur Komplexleistung können gleichzeitig oder nacheinander sowie in unterschiedlicher und gegebenenfalls wechselnder Intensität ab Geburt bis zur Einschulung eines Kindes mit Behinderungen oder drohender Behinderung erfolgen.

(4) In den Landesrahmenvereinbarungen zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern und den Verbänden der Leistungserbringer wird Folgendes geregelt:

1.
die Anforderungen an interdisziplinäre Frühförderstellen, nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum und sozialpädiatrische Zentren zu Mindeststandards, Berufsgruppen, Personalausstattung, sachlicher und räumlicher Ausstattung,
2.
die Dokumentation und Qualitätssicherung,
3.
der Ort der Leistungserbringung sowie
4.
die Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte für die als Komplexleistung nach Absatz 3 erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der Zuwendungen Dritter, insbesondere der Länder, für Leistungen nach der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung.

(5) Die Rehabilitationsträger schließen Vereinbarungen über die pauschalierte Aufteilung der nach Absatz 4 Nummer 4 vereinbarten Entgelte für Komplexleistungen auf der Grundlage der Leistungszuständigkeit nach Spezialisierung und Leistungsprofil des Dienstes oder der Einrichtung, insbesondere den vertretenen Fachdisziplinen und dem Diagnosespektrum der leistungsberechtigten Kinder. Regionale Gegebenheiten werden berücksichtigt. Der Anteil der Entgelte, der auf die für die Leistungen nach § 6 der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung jeweils zuständigen Träger entfällt, darf für Leistungen in interdisziplinären Frühförderstellen oder in nach Landesrecht zugelassenen Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum 65 Prozent und in sozialpädiatrischen Zentren 20 Prozent nicht überschreiten. Landesrecht kann andere als pauschale Abrechnungen vorsehen.

(6) Kommen Landesrahmenvereinbarungen nach Absatz 4 bis zum 31. Juli 2019 nicht zustande, sollen die Landesregierungen Regelungen durch Rechtsverordnung entsprechend Absatz 4 Nummer 1 bis 3 treffen.

(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 42 Absatz 2 Nummer 6 umfassen die Hilfen, die von den Leistungsberechtigten getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um

1.
einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
2.
den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder
3.
eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.

(2) Der Anspruch auf Hilfsmittel umfasst auch die notwendige Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Der Rehabilitationsträger soll

1.
vor einer Ersatzbeschaffung prüfen, ob eine Änderung oder Instandsetzung von bisher benutzten Hilfsmitteln wirtschaftlicher und gleich wirksam ist und
2.
die Bewilligung der Hilfsmittel davon abhängig machen, dass die Leistungsberechtigten sich die Hilfsmittel anpassen oder sich in ihrem Gebrauch ausbilden lassen.

(3) Wählen Leistungsberechtigte ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwendigeren Ausführung als notwendig, tragen sie die Mehrkosten selbst.

(4) Hilfsmittel können auch leihweise überlassen werden. In diesem Fall gelten die Absätze 2 und 3 entsprechend.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als

1.
Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,
2.
Eingliederungszuschüsse,
3.
Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb und
4.
teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung.

(2) Die Leistungen können unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden.

(3) Ausbildungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 1 können für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden. Die Ausbildungszuschüsse sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen, die von den Arbeitgebern im letzten Ausbildungsjahr gezahlt wurden.

(4) Eingliederungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 2 betragen höchstens 50 Prozent der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen. Die Eingliederungszuschüsse sollen im Regelfall für höchstens ein Jahr gezahlt werden. Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Eingliederungszuschüsse um bis zu 20 Prozentpunkte höher festgelegt und bis zu einer Förderungshöchstdauer von zwei Jahren gezahlt werden. Werden die Eingliederungszuschüsse länger als ein Jahr gezahlt, sind sie um mindestens 10 Prozentpunkte zu vermindern, entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderungshöhe. Bei der Berechnung der Eingliederungszuschüsse nach Satz 1 wird auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. Eingliederungszuschüsse sind zurückzuzahlen, wenn die Arbeitsverhältnisse während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden. Der Eingliederungszuschuss muss nicht zurückgezahlt werden, wenn

1.
die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben oder
2.
die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen.
Die Rückzahlung ist auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den im letzten Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt; nicht geförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt.

Wird während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so gilt der neue Verwaltungsakt als mit der Klage beim Sozialgericht angefochten, es sei denn, daß der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. März 2011 - L 4 P 12/07 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 620 417,88 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Zustimmung des beklagten Landes zur gesonderten Berechnung von Fremd- und fiktiven Eigenkapitalzinsen, von Rückstellungen für spätere Investitionen, Pauschalen für Instandhaltungsmaßnahmen sowie von Abschreibungen für einen zweiten Pkw zu Lasten der Bewohner eines Pflegeheims der Klägerin.

2

Die Klägerin betreibt in freigemeinnütziger Trägerschaft als gGmbH in mehreren Bundesländern Einrichtungen ua der stationären Altenpflege. In Sachsen-Anhalt erhielt sie für das "Seniorenzentrum B." mit 70 vollstationären Pflegeplätzen einen Zuschuss von 100 % der vom Land als zuwendungsfähig angesehenen Kosten in Höhe von 9,996 Millionen DM. Die nicht als zuwendungsfähig anerkannten Kosten für das Grundstück sowie für dessen Erschließung und Herrichtung waren von ihr selbst zu tragen und sollten auch den Heimbewohnern nicht in Rechnung gestellt werden (Zuwendungsbescheid vom 20.12.2000 idF hierzu ergangener Änderungsbescheide).

3

Nach Abschluss des 1. Bauabschnitts beantragte die Klägerin am 1.12.2003 die Zustimmung des Beklagten zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen gemäß § 82 Abs 3 SGB XI für 50 Pflegeplätze in Höhe von 6,76 Euro pro Tag und Bewohner. Nach Inbetriebnahme der vollständig hergestellten Einrichtung begehrte sie am 28.1.2005 mit Rückwirkung zum 28.9.2004 die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen für 70 Pflegeplätze unter Zugrundelegung einer 95 %igen Auslastung in Höhe von 9,26 Euro. Der Beklagte stimmte einer gesonderten Berechnung ab dem 28.9.2004 in Höhe von 0,74 Euro pro Pflegetag und Heimplatz zu, wobei er den Umlagebetrag aus einer 96 %igen Auslastung errechnete und die geltend gemachten Abschreibungen für EDV, Gebäude, sonstige Betriebsausstattung und Fahrzeuge teilweise sowie die veranschlagten Eigenkapitalzinsen, die Instandhaltungskosten und die Abschreibungen für die Außenanlage und die technische Betriebsanlage sowie Zinsen für Fremdkapital insgesamt nicht in die Umlage einbezog (Bescheid vom 13.5.2005; Korrekturbescheid vom 31.5.2005).

4

Das SG hat die Klage auf Erteilung der Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs 3 SGB XI in Höhe von 9,26 Euro pro Pflegetag und Heimplatz abgewiesen(Urteil vom 30.5.2007). Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit dem Ziel der Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Rückstellungsbeträgen für vollständig mit öffentlichen Mitteln geförderte Investitionsgüter, von Beträgen für einen zweiten PKW, von Zinsen für fremdfinanzierte Aufwendungen und auf Eigenkapital unter Berücksichtigung einer Belegungsquote von 95 % für den gesamten Zeitraum ab dem 28.9.2004 nach einem Teilvergleich über einzelne Abschreibungspositionen zurückgewiesen (Urteil vom 16.3.2011): Hinsichtlich der gesonderten Berechnung von Fremdkapitalzinsen sei schon die Klage unzulässig, weil hierüber der Beklagte noch nicht entschieden habe und es deshalb an einem der Anfechtung unterliegenden Ausgangsbescheid fehle. Der Umlage von fiktiven Eigenkapitalzinsen für die Grundstückserschließung stehe die Wertung des § 82 Abs 2 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 1 SGB XI entgegen, weshalb sie allenfalls in die Pflegevergütung oder das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung einbezogen werden könnten. Kalkulierte Wiederbeschaffungskosten sowie pauschalierte Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten seien ebenfalls nicht umlagefähig, weil insoweit keine tatsächlichen Kosten angefallen seien und die Berücksichtigung von Ansparungen für künftige Investitionen mit dem Wortlaut und der Zweckbestimmung des § 82 SGB XI unvereinbar sei. Ohne konkreten Nachweis könnten Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten erst nach Ablauf des dritten Jahres nach Inbetriebnahme der Einrichtung berücksichtigt werden. Die Kosten für einen zweiten Pkw könnten nicht gesondert berechnet werden, weil er nicht betriebsnotwendig sei. Im Übrigen begehre die Klägerin auch zu Unrecht die gesonderte Berechnung ihrer Investitionsaufwendungen nach einem Auslastungsgrad von lediglich 95 %, weil die tatsächliche Auslastung in der Zeit von 2004 bis zum 1. Halbjahr 2010 jeweils deutlich darüber gelegen habe.

5

Mit der vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 82 Abs 3 SGB XI, Art 52 Pflege-Versicherungsgesetz). Bei verfassungskonformer und die Wertentscheidung des Art 52 Abs 1 PflegeVG berücksichtigender Auslegung des § 82 Abs 3 SGB XI habe sie Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen unter Einbeziehung der im Klageverfahren geltend gemachten Abschreibungspositionen. Im Einzelnen: Die Fremdkapitalzinsen seien tatsächlich entstanden und auch schon im Antragsverfahren geltend gemacht worden. Die fiktive Eigenkapitalverzinsung sei nicht identisch mit den von der Umlage ausgeschlossenen Erschließungskosten (§ 82 Abs 3 iVm Abs 2 Nr 2 SGB XI), so dass deren Nichtberücksichtigung gegen Art 14 GG verstoße. Auch die kalkulatorischen Wiederbeschaffungs- sowie Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten seien auf die Bewohner der Pflegeeinrichtung umzulegen, weil nur auf diese Weise eine wirtschaftliche Betriebsführung ermöglicht werde. Das Verbot der Doppelfinanzierung werde dabei nicht tangiert, weil durch die Umlage lediglich der Wertverzehr ausgeglichen werde. Die geltend gemachte Abschreibung für einen zweiten Pkw sei ebenfalls umlagefähig, da ein Fahrzeug regelmäßig für Bewohnerfahrten (zB zum Arzt) benötigt werde, während der zweite Pkw zur Erledigung von verwaltungstechnischen Angelegenheiten erforderlich sei. Auch müsse der Berechnung der wissenschaftlich belegte und eine wirtschaftliche Betriebsführung ermöglichende Auslastungsgrad von 95 % zugrunde gelegt werden.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16.3.2011 und das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 30.5.2007 sowie die Bescheide des Beklagten vom 13. und 31.5.2005 in der Fassung der Bescheide vom 13.6.2009 und 6.6.2011 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen gegenüber den Pflegebedürftigen der von ihr betriebenen Pflegeeinrichtung "Seniorenzentrum B." für die Zeit ab 28.9.2004 in Höhe von 9,26 Euro pro Pflegetag und Heimplatz zu erteilen.

7

Der Beklagte hat in Ausführung des vor dem LSG geschlossenen Teilvergleichs durch Bescheid vom 6.6.2011 "gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X" verfügt, er hebe den Bescheid vom 13.5.2005 in der Fassung des Korrekturbescheids vom 31.5.2005 auf; gleichzeitig hat er mit Wirkung vom 28.9.2004 einer Umlage von betriebsnotwendigen Investitionskosten in Höhe von 0,94 Euro pro Pflegetag und Heimplatz zugestimmt. Im Übrigen verteidigt er die angefochtenen Urteile und beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

9

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

10

a) Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren der Klägerin, anstelle der mit Bescheid vom 13.5.2005 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.5.2005, 13.6.2009 und 6.6.2011 zugebilligten Umlagebeträge in Höhe von 0,94 Euro für die Zeit vom 28.9.2004 bis 30.4.2009, von 1,24 Euro für die Zeit vom 1.5.2009 bis 30.9.2009 sowie von 1,74 Euro ab dem 1.10.2009 rückwirkend seit dem 28.9.2004 einen Betrag von 9,26 Euro täglich auf die Bewohner ihrer Pflegeeinrichtung umlegen zu dürfen. Damit sollen zusätzlich zu den bereits genehmigten Umlagepositionen auch Zinsen für Fremd- und Eigenkapital, Rückstellungen für künftige Investitionen, Pauschalen für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sowie der Aufwand für ein zweites Kraftfahrzeug der gesonderten Berechnung unterworfen werden können, wobei von einer Belegungsquote von nur 95 % und nicht - wie von dem Beklagten zugrunde gelegt - von 96 % ausgegangen werden soll.

11

b) Statthafte Klageart für Klagen auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung nach § 82 Abs 3 SGB XI ist entgegen der vom LSG im Anschluss an die Senatsentscheidung vom 6.9.2007 (BSGE 99, 57 = SozR 4-3300 § 82 Nr 4, RdNr 10) vertretenen Auffassung die - bezifferte - kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Klageziel ist nicht die Gewährung einer Leistung, sondern die Zustimmung zur Umlage von (Investitions-)Aufwendungen auf Dritte. Begehrt wird damit der Erlass eines Verwaltungsaktes iS des § 31 SGB X. Mit der erstrebten Entscheidung nach § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 1 SGB XI legt eine oberste Landesbehörde aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften in Bezug auf eine konkrete Pflegeeinrichtung - also im Einzelfall - verbindlich fest, in welchem Umfang die öffentlich-rechtlichen Vergütungsvorschriften die Umlage nicht geförderter Investitionsaufwendungen durch gesonderte Berechnung erlauben. Geregelt werden hierdurch Rechtsbeziehungen in verschiedener Hinsicht. Im Verhältnis zwischen Pflegeeinrichtung und Aufsichtsbehörde wird die präventive Sperre des § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 1 SGB XI aufgehoben und der Einrichtung die Befugnis verliehen, Investitionskosten in bestimmter Höhe auf ihre Bewohner umzulegen; insoweit ist die Zustimmung einem statusbegründenden Verwaltungsakt vergleichbar (zu solchen Verwaltungsakten vgl BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 - Genehmigung des Zulassungsausschusses bei der vertragsärztlichen Versorgung; BSGE 78, 243 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2 - Krankenhausversorgungsvertrag; BSGE 61, 235 = SozR 2200 § 355 Nr 8 - Klage auf aufsichtsbehördliche Genehmigung). Im Verhältnis zwischen Pflegeeinrichtung und Heimbewohnern betrifft die Zustimmung deren privatrechtliches Vertragsverhältnis mit der verbindlichen Festlegung, in welcher Höhe zusätzlich zur Pflegevergütung und zu den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung Kosten nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Prüfung auf die Heimbewohner umgelegt werden dürfen. Gegenstand des beantragten Bescheides ist in beiden Richtungen die Berechtigung zur Umlage und somit ein Verwaltungsakt, nicht jedoch eine Leistung. Da sich das Rechtsschutzziel der Klägerin in dem Erlass dieses Verwaltungsaktes erschöpft, ist die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b). Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 6.9.2007 (BSGE 99, 57 = SozR 4-3300 § 82 Nr 4, RdNr 10 unter Verweis auf BSGE 91, 182 = SozR 4-3300 § 82 Nr 1, RdNr 3) in einer vergleichbaren Fallkonstellation eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage angenommen hat, wird diese Rechtsprechung nicht fortgeführt. Bereits seinerzeit hatte der Senat die (teilweise) Ablehnung der Zustimmung nach § 82 Abs 3 SGB XI als Verwaltungsakt angesehen, der mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist. In Ermangelung einer auf eine Leistung in Geld gerichteten Klage kommt demgemäß der Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 SGG)vorliegend nicht in Betracht.

12

c) Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch die von der Klägerin begehrte Umlage von Fremdkapitalzinsen. Dem steht - anders als es das LSG gesehen hat - nicht entgegen, dass der Beklagte hiermit im Verwaltungsverfahren angeblich noch nicht befasst gewesen sei und demzufolge insoweit keine der Anfechtung unterliegende Entscheidung getroffen habe. Diese Sichtweise des LSG ist unzutreffend. Schon im Antrag vom 1.12.2003 sowie im Änderungsantrag vom 28.1.2005 enthielt der zur Prüfung gestellte Umlagebetrag Zinsen in Höhe von 1,87 bzw 1,34 Euro. Zum Beleg hatte die Klägerin ihrem Antrag eine Zinsberechnung, einen Zins- und Tilgungsplan sowie einen Darlehensvertrag beigefügt. In den Bescheiden vom 13. und 31.5.2005 hat der Beklagte sodann auch über "Zinsen" entschieden, offensichtlich den Antrag dabei fehlerhaft interpretiert und nur die Geltendmachung von Eigenkapitalzinsen gesehen. Die Klägerin hat diesen Teil ihres Begehrens im Klageverfahren anfänglich ebenfalls zu Unrecht als Eigenkapitalverzinsung bewertet. Diese Fehlinterpretation ist indes unerheblich; der Beklagte hat nach der Begründung des Ausgangsbescheids vom 13.5.2005 objektiv über den Umlagebetrag entschieden, den die Klägerin ausweislich ihres im Verwaltungsverfahren gestellten Antrags insgesamt auf die Heimbewohner umlegen wollte und den sie auch mit Angaben über Fremdkapitalzinsen unterlegt hatte. Dass der Beklagte dieses Begehren falsch verstanden und die Zinsforderung auch insoweit der Eigenkapitalverzinsung zugeschrieben hat, ändert daran nichts; dies kann die angefochtene Verwaltungsentscheidung in ihrer Richtigkeit, nicht aber in ihrem Gegenstand berühren. Das LSG hätte deshalb die Klage insoweit nicht als unzulässig ansehen dürfen.

13

d) Einer im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigenden notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG) der in der Einrichtung lebenden Heimbewohner und des für sie ggf eintrittspflichtigen Sozialhilfeträgers bedurfte es mangels deren unmittelbarer Beteiligung an dem hier zu beurteilenden Rechtsverhältnis nicht (zum fehlenden drittschützenden Charakter der Zustimmung vgl Hübsch, NZS 2004, 462, 463 f). Zwar kann sich die begehrte Entscheidung im weiteren Verlauf auch auf die Rechtssphäre von Heimbewohnern und Sozialhilfeträger auswirken; jedenfalls im Hinblick auf die Heimbewohner ist das mit dem Zustimmungsantrag und der Klage ausdrücklich intendiert. Jedoch führt die zu treffende Entscheidung nicht ohne Weiteres und notwendig zu deren unmittelbarer Belastung. Vielmehr ist die Zustimmung des Landes schon im Verhältnis zu den Heimbewohnern lediglich eine von mehreren Voraussetzungen, die der zwischen Pflegeeinrichtung und ihnen bestehende privatrechtliche Vertrag (Heimvertrag nach dem Heimgesetz in der bis 30.9.2009 gültigen Fassung bzw ab 1.10.2009 Vertrag nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz vom 29.7.2009 - BGBl I 2319) an die Erhöhung des Entgelts wegen betriebsnotwendiger Investitionen knüpft (zur fehlenden privatrechtsgestaltenden Wirkung der Zustimmung: Hübsch aaO; Gürtner in: Kasseler Komm zum Sozialversicherungsrecht, Stand September 2007, § 82 SGB XI RdNr 13). Das gilt umso mehr für den Sozialhilfeträger und die von ihm unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen zu treffende Entscheidung.

14

e) Einer Entscheidung in der Sache steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Ausgangsbescheid vom 13.5.2005 durch Bescheid vom 6.6.2011 und damit während des Revisionsverfahrens geändert, insoweit die Bescheide vom 13. und 31.5.2005 nach dem Verfügungssatz "gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X" aufgehoben und über die Zustimmung zur Umlage von betriebsnotwendigen Investitionskosten neu entschieden hat. Vom objektiven Empfängerhorizont her (zu diesem Auslegungsmaßstab vgl BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1; BSG SozR 4-1500 § 77 Nr 1 - jeweils mwN) ist hiermit im Hinblick auf den vor dem LSG geschlossenen Teilvergleich nur eine Änderung der zuvor ergangenen Bescheide und nicht deren tatsächliche Aufhebung beabsichtigt. Letzterem steht schon entgegen, dass auch aus Sicht des beklagten Landes dem anhängigen Revisionsverfahren durch die Umsetzung der Teileinigung nicht die Grundlage entzogen werden sollte. In den Grenzen des § 171 Abs 2 SGG ist demgemäß über den Ausgangsbescheid vom 13.5.2005 in der Fassung des Bescheides vom 6.6.2011 zu befinden. Hiernach gilt ein neuer Verwaltungsakt, der während des Revisionsverfahrens den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt, als mit der Klage beim SG angefochten, es sei denn, dass der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird. Folglich fällt der Rechtsstreit insoweit nicht zwangsläufig in die 1. Instanz zurück. § 171 Abs 2 SGG bezweckt ebenso wie der hierdurch modifizierte § 96 SGG primär den Schutz des Rechtssuchenden(in diesem Sinne auch BSG Vorlagebeschluss vom 16.5.2006 - B 4 RA 5/05 R). In dessen Interesse soll verhindert werden, dass während des Revisionsverfahrens ergehende und den bisherigen Streitgegenstand ändernde oder ersetzende Verwaltungsakte ohne weitere Rügemöglichkeit zu seinem Nachteil bindend werden (BSG aaO). Das bedeutet indes nicht, dass dem BSG die Entscheidungsbefugnis über die anhängige Revision - in den Grenzen, die sich aus der fehlenden Sachaufklärungskompetenz (§ 163 SGG) ergeben - durch den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes entzogen werden könnte. Vielmehr verbleibt es - außer in den Fällen der vollständigen Klaglosstellung iS der 1. Alternative von § 171 Abs 2 Halbs 2 SGG - bei der Zuständigkeit des BSG zur Entscheidung über das Revisionsbegehren im Hinblick auf den "ersten Verwaltungsakt", und zwar in der Gestalt, den dieser durch den "neuen" Verwaltungsakt erhalten hat. Der Revisionsentscheidung entzogen sind ersetzende oder ändernde Verwaltungsakte ausschließlich insoweit, als sie entweder auf einer im Verhältnis zu dem ursprünglichen Bescheid neuen Grundlage beruhen (so die Konstellation bei BSG Urteil vom 29.8.2007 - B 6 KA 31/06 R - Die Leistungen Beilage 2009, 28 ff - Änderung der Honorarverteilung während des Revisionsverfahrens) oder weitergehende Regelungen treffen, wie hier mit dem Ausführungsbescheid zu dem Teilvergleich in Bezug auf Umlagepositionen, die von dem ursprünglichen Antrag der Klägerin nicht gedeckt waren. Hierüber ist nach Abschluss des Revisionsverfahrens im Verfahren vor dem Sozialgericht oder - wie hier - im Fall der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG von diesem zu befinden (vgl BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 13 R 118/08 R - juris RdNr 23 mwN).

15

2. Rechtsgrundlage des Zustimmungsbegehrens ist § 82 Abs 3 SGB XI, hier in der Fassung des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes (PQsG) vom 9.9.2001 (BGBl I 2320). Danach gilt: "Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen, wird durch Landesrecht bestimmt". Hierdurch wird zu Gunsten der Pflegeeinrichtungen ein Ausgleichsanspruch zur Umlage solcher betriebsnotwendiger Aufwendungen begründet, die sie nach dem Ausnahmetatbestand des § 82 Abs 2 SGB XI nicht in die Vergütung der allgemeinen Pflegeleistungen und von Unterkunft und Verpflegung nach § 82 Abs 1 SGB XI einbeziehen dürfen und die auch nicht gemäß § 82 Abs 2 Nr 2, 4 und 5 SGB XI iVm § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI abschließend von ihnen selbst getragen werden sollen. Danach kann die Klägerin zwar die Umlage von Fremdkapitalzinsen beanspruchen, soweit sie - was der Senat anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden kann - nicht der Grundstücksfinanzierung dienen (dazu unter 11.). Erfolglos ist das Klagebegehren dagegen, soweit sie die Zustimmung zur Erhebung fiktiver Zinsen auf das von ihr eingesetzte Eigenkapital (dazu unter 6.), zu pauschalierten Reparaturkosten und zur Bildung von Rückstellungen für erst in Zukunft anfallende Investitionen (dazu unter 7.) sowie zur Umlage von Kosten für das zweite Kraftfahrzeug (dazu unter 10.) beansprucht und der gesonderten Berechnung insgesamt eine Belegungsquote von lediglich 95 % zugrunde legen möchte (dazu unter 9.).

16

3. § 82 Abs 3 SGB XI bezweckt einen Ausgleich dafür, dass der von einem Träger selbst aufgebrachte Investitionsaufwand im Rahmen der sog dualen Finanzierung von Pflegeeinrichtungen weder durch die Vergütung der allgemeinen Pflegeleistungen noch von Unterkunft und Verpflegung zu decken ist(vgl dazu schon BSGE 99, 57 = SozR 4-3300 § 82 Nr 4, RdNr 16).

17

a) Anders als ursprünglich vorgesehen ist die Finanzierung von Pflegebetrieb und Pflegeinfrastruktur nach dem SGB XI nicht in einer Hand konzentriert (sog monistische Finanzierung, vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum PflegeVG, BT-Drucks 12/5262 S 35 f zu § 91), sondern auf mehrere Säulen aufgeteilt (vgl Schütze in: Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 82 RdNr 3). Danach obliegt die Zuständigkeit für die Finanzierung des Pflegebetriebs und der betrieblichen Kosten von Unterkunft und Verpflegung auf der abschließenden bundesrechtlichen Grundlage des § 82 Abs 1 Satz 2 und 4 SGB XI den Pflegekassen sowie den Heimbewohnern bzw - soweit sie die Lasten nicht tragen können - deren Angehörigen oder dem zuständigen Sozialhilfeträger, die dazu Pflegevergütungen und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung zu tragen haben. Dagegen sollen die Mittel für die Pflegeinfrastruktur auf landesgesetzlicher Grundlage grundsätzlich von den Ländern aufgebracht werden, wie in § 9 SGB XI klarstellend zum Ausdruck gebracht ist(vgl BSGE 88, 215, 223 = SozR 3-3300 § 9 Nr 1 S 10). Demgemäß obliegt die Verantwortung "für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur" den Ländern, die dazu "das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen" durch Landesrecht bestimmen und zur Förderung Einsparungen einsetzen sollen, "die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen" (§ 9 Satz 1, 2 und 3 SGB XI in der bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung des PflegeVG vom 26.5.1994, BGBl I 1014).

18

b) Diese Trennung von verschiedenen Finanzverantwortlichkeiten und Gesetzgebungszuständigkeiten setzt auf bundesrechtlicher Ebene Regelungen erstens zur Abgrenzung der Infrastrukturverantwortung der Länder von den auf Pflegekassen und Heimbewohner entfallenden betriebsbezogenen Aufwendungen und zweitens für den Fall voraus, dass die Mittel für die Errichtung und Erhaltung einer Pflegeeinrichtung mangels ausreichender Landesförderung von dem Einrichtungsträger teilweise oder ganz selbst bereitgestellt werden müssen. Dem trägt § 82 SGB XI durch gestufte Grund- und Ausnahmetatbestände Rechnung. Danach können die zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste nach dem Grundtatbestand des § 82 Abs 1 SGB XI zunächst eine an ihren Gestehungskosten orientierte(vgl § 85 Abs 3 Satz 2 SGB XI), aber durch die Grenze der Angemessenheit beschränkte (vgl § 84 Abs 2 Satz 1 und Satz 7 SGB XI) Vergütung erstens "für die allgemeinen Pflegeleistungen" und bei stationärer Pflege zweitens "für Unterkunft und Verpflegung" beanspruchen (vgl zu den Bemessungsgrundsätzen grundlegend BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1 mwN). Das gilt allerdings nach dem Ausnahmetatbestand des § 82 Abs 2 SGB XI nicht für Aufwendungen, die entweder unmittelbar dem nach § 9 SGB XI grundsätzlich in die Länderverantwortung fallenden Aufbau der Pflegeinfrastruktur zuzurechnen sind oder die so mit der Aufnahme oder der Beendigung des Pflegebetriebs zusammenhängen, dass den Einrichtungen insoweit aus diesem Grund keine Vergütungsansprüche gegenüber Pflegekassen und Heimbewohnern zustehen sollen. Danach gilt:

19

"In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für

1.    

Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind,

2.    

den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken,

3.    

Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern,

4.    

den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen,

5.    

die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben"
(§ 82 Abs 2 SGB XI, hier in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung von Art 7 Abs 40 des Mietrechtsreformgesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1149 sowie von Art 1 Nr 10a des PQsG vom 9.9.2001, BGBl I 2320).

20

c) Hieran anknüpfend begründen schließlich die Absätze 3 und 4 des § 82 SGB XI mit einer weiteren Ausnahme zusätzliche Ansprüche im Verhältnis zwischen Heimträger und Bewohnern, die dann Platz greifen sollen, wenn eine nach § 82 Abs 2 SGB XI aus dem Vergütungsanspruch nach § 82 Abs 1 SGB XI ausgeschiedene Kostenposition entgegen § 9 SGB XI nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert worden ist und diese Kostenlast auch nicht endgültig bei der Einrichtung selbst verbleiben soll. Wie der Senat bereits dargelegt hat, ist damit dem Umstand Rechnung getragen, dass den Pflegeeinrichtungen durch das SGB XI anders als den Krankenhäusern nach § 8 Krankenhausfinanzierungsgesetz kein Rechtsanspruch auf Förderung ihrer Pflegeinfrastruktur eingeräumt worden ist, den sie den Ländern gegenüber auf bundesrechtlicher Grundlage geltend machen könnten. Stattdessen sind vielmehr auf Initiative des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages Vorschriften über die gesonderte Berechnung von Investitionskosten in § 82 Abs 3 und 4 SGB XI eingeführt worden, die den Pflegeeinrichtungen Ansprüche gegen die Heimbewohner einräumen, soweit ihre Investitionen aufgrund einer Entscheidung der nach Landesrecht zuständigen Behörden überhaupt nicht(§ 82 Abs 4 SGB XI)oder nur teilweise (§ 82 Abs 3 SGB XI) durch öffentliche Mittel gefördert worden sind. Damit ist ihnen im Wege der Rückausnahme von dem Ausschlusstatbestand des § 82 Abs 2 SGB XI ein subsidiärer Zahlungsanspruch unmittelbar gegen die Heimbewohner eingeräumt, über den sie diejenigen betriebsnotwendigen Investitionen auf Heimbewohner und ggf Sozialhilfeträger umlegen können sollen, für die ihnen öffentliche Mittel nicht zur Verfügung gestellt worden und die auch nicht endgültig von ihnen selbst zu tragen sind(vgl hierzu bereits BSGE 99, 57 = SozR 4-3300 § 82 Nr 4, RdNr 13).

21

4. Bundesrechtlich umlagefähig sind dem Grunde nach nur tatsächlich bereits angefallene und wegen § 82 Abs 2 SGB XI nicht durch die Vergütung nach § 82 Abs 1 SGB XI gedeckte pflegeinfrastrukturbezogene Aufwendungen, die der Einrichtungsträger nicht nach § 82 Abs 2 Nr 2, 4 oder 5 SGB XI dauerhaft selbst tragen soll. Das bedingt die Regelungssystematik des § 82 SGB XI und wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift belegt.

22

a) Systematisch ist die Auslegung von § 82 Abs 3 SGB XI - und ebenso von § 82 Abs 4 SGB XI - durch die Stellung in dem Regel-/Ausnahmeverhältnis von Grundvergütungsanspruch nach § 82 Abs 1 SGB XI und Ausschlusstatbestand des § 82 Abs 2 SGB XI bestimmt. Grundnorm für die Pflegevergütung ist § 82 Abs 1 SGB XI. Danach müssen die Vergütungssätze so beschaffen sein, dass sie es dem Einrichtungsträger "bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen" (so für die Bemessung der Pflegesätze bei stationärer Pflege und die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen § 84 Abs 2 Satz 4 und § 89 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB XI). Das schließt grundsätzlich auch das Interesse ein, "Überschüsse" (vgl § 84 Abs 2 Satz 5 Halbs 1 SGB XI) erzielen zu können. Daraus hat der erkennende Senat abgeleitet, dass die Vergütung für stationäre Pflegeleistungen grundsätzlich die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals zu decken hat, soweit ihr Aufwand den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht (BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 24 und 32 ff). Im Verhältnis dazu hat der Umlagetatbestand des § 82 Abs 3 SGB XI - und des § 82 Abs 4 SGB XI - eine nachgeordnete Funktion. Er dient lediglich als Ausgleich für den Fall, dass einer Einrichtung entgegen der mit § 9 SGB XI verbundenen Erwartung keine ausreichenden Mittel für die Pflegeinfrastruktur zur Verfügung gestellt worden sind und deshalb der von ihr selbst aufzubringende Aufwand wegen der Ausschlussnorm des § 82 Abs 2 SGB XI nicht durch den Vergütungsanspruch nach § 82 Abs 1 SGB XI abgegolten werden kann. Ansprüche nach § 82 Abs 3 und 4 SGB XI können daher schon im Ansatz nur hinsichtlich solcher Aufwendungen bestehen, die durch § 82 Abs 2 SGB XI aus den Entgelten nach § 82 Abs 1 SGB XI ausgeschieden sind.

23

b) Das begrenzt den Kreis der nach § 82 Abs 3 und 4 SGB XI dem Grunde nach umlagefähigen Aufwendungen auf die Positionen, die im Rahmen des in § 9 SGB XI umschriebenen Infrastrukturauftrages auch von den Ländern bereitgestellt werden könnten. Umlagefähig können danach nur solche Beträge sein, die ein Heimträger für einen der in § 82 Abs 2 Nr 1 und 3 SGB XI aufgeführten Zwecke tatsächlich schon aufgewandt hat und für die er - aus bundesrechtlicher Sicht(zur Unbeachtlichkeit des Landesrechts als begrenzender Faktor für die Ansprüche nach § 82 Abs 3 SGB XI vgl BSGE 99, 57 = SozR 4-3300 § 82 Nr 4, RdNr 16 und 19) - grundsätzlich auch öffentliche Haushaltsmittel hätte erhalten können. Das schließt im Ansatz schon jede Rechnungsposition aus, die auf die Erzielung von Betriebsüberschüssen und/oder die Bildung von Kapitalrücklagen durch den Einrichtungsträger gerichtet sind. Solche Zwecke zählen nicht zu den Maßnahmen, für die ein Land im Rahmen seiner Verantwortung für die Pflegeinfrastruktur öffentliche Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen hätte. Verfolgt ein Träger mit einem Pflegebetrieb solche Ziele, so ist er zu deren Realisierung auf den Vergütungsanspruch nach § 82 Abs 1 SGB XI verwiesen. Das belegt schon die Regelung des § 84 Abs 2 Satz 5 Halbs 1 SGB XI, die mögliche Betriebsüberschüsse im Bereich der stationären Pflegevergütung dem Pflegesatz und damit der Vergütung nach § 82 Abs 1 SGB XI zuordnet. Dafür spricht systematisch auch die unterschiedliche Umschreibung der Ansprüche in § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI einerseits und § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XI andererseits. Denn während die Einrichtung nach § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI "Aufwendungen … gesondert berechnen" kann, erwirbt sie nach § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XI Ansprüche "auf eine leistungsgerechte Vergütung" bzw "ein angemessenes Entgelt". In Letzterem kommt zum Ausdruck, dass das Interesse an einer nicht nur auf die Deckung der Betriebskosten gerichteten Honorierung ausschließlich im Rahmen der Ansprüche nach § 82 Abs 1 SGB XI zu berücksichtigen ist. Hingegen verweist die Formulierung "berechnen" auf eine bloß rechnerische Umlage der als betriebsnotwendig anzuerkennenden und tatsächlich angefallenen Kosten grundsätzlich ohne weitere Bewertung ihrer Angemessenheit, vergleichbar einer Nebenkostenumlage im Mietrecht.

24

c) Dieses aus der Regelungssystematik gewonnene Verständnis wird bekräftigt durch die Entstehungsgeschichte von § 82 SGB XI. Ihre heutige Fassung hat die Norm auf Initiative des Vermittlungsausschusses erhalten (vgl die Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit - PflegeVG -, BT-Drucks 12/6424 S 3 f und 12/7323 S 5 - jeweils zu § 91), nachdem sich die Länder gegen die ursprünglich vorgesehene monistische Finanzierung gewandt hatten (vgl dazu Reimer in: Hauck/Noftz, SGB XI, Stand August 2009, K § 82 RdNr 3 ff; Schütze in: Udsching, aaO, Vor §§ 82 bis 92 RdNr 4). In diesem Zusammenhang erfuhren auch die investitionsbezogenen Vorschriften eine Änderung. Zwar war schon im 1. Entwurf des PflegeVG eine Zweiteilung von betriebsbezogener Vergütung und Investitionsfinanzierung vorgesehen (vgl § 91 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 des Gesetzentwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und FDP, BT-Drucks 12/5262 S 35 f - im Folgenden: FraktE PflegeVG); dies belegt, dass von Anfang an zwischen dem Vergütungsinteresse der Einrichtung und dem Refinanzierungsbedarf für die Pflegeinfrastruktur unterschieden worden ist. Jedoch ist die Investitionsfinanzierung im Laufe des Vermittlungsverfahrens anders ausgestaltet worden. Ursprünglich sollte sich der Zahlungsanspruch der Einrichtung aus der Pflegevergütung wie nunmehr nach § 82 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI(vgl § 91 Abs 1 Satz 1 Nr 1 FraktE PflegeVG) sowie weiterhin einem Investitionszuschlag zusammensetzen, der als gesondert ausgewiesener "Zuschlag auf die Pflegevergütung zur Finanzierung der für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Investitionen einschließlich der Instandhaltung und Instandsetzung der notwendigen Anlagegüter" vorgesehen war und dessen Umfang im Rahmen einer enumerativen Legaldefinition näher ausgestaltet sein sollte (vgl § 91 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und § 100 FraktE PflegeVG). Schon damals war die Umlage solcher Kosten ausgeschlossen, für die der Einrichtung öffentliche Mittel gewährt worden sind oder die sie dafür beanspruchen konnte. Anders als heute war jedoch der Investitionszuschlag nicht als ein abgeleiteter Ausgleich für den Fall gedacht, dass die an sich vom Land zu übernehmende Förderung ausgeblieben ist. Vielmehr war er als eigenständiger Anspruch vorgesehen, der durch das Verbot der Umlage von öffentlich förderungsfähigen oder bereits geförderten Aufwendungen lediglich dem Umfang nach begrenzt werden sollte (vgl § 91 Abs 2 Satz 1 FraktE PflegeVG). Demzufolge war der Investitionszuschlag in seinem Grundbestand von den öffentlichen Fördermitteln unabhängiger und konnte mit der - allerdings begrenzten - Einbeziehung etwa von Rückstellungen für künftige investive Maßnahmen und von Zinsen für Eigenkapital (vgl § 100 Abs 2 Satz 2 Nr 5 und 2 FraktE PflegeVG)auch Berechnungsgrößen enthalten, mit denen nicht an in der Vergangenheit tatsächlich schon aufgewendete Aufwendungen der Einrichtung angeknüpft worden ist. Solche Möglichkeiten sind heute in § 82 SGB XI gerade nicht mehr vorgesehen. Auch dies verdeutlicht, dass die Umlage nach § 82 Abs 3 bzw Abs 4 SGB XI in ihrer Ausgleichsfunktion für entgegen der in § 9 SGB XI zum Ausdruck gebrachten Erwartung nicht öffentlich geförderte Aufwendungen allein auf die von der Einrichtung tatsächlich bereits aufgewandten Mittel ausgerichtet ist, anders als dies noch in dem Entwurf zur Einrichtungsfinanzierung ursprünglich vorgesehen war.

25

d) Der Beschränkung der durch gesonderte Berechnung umlagefähigen Aufwendungen auf die von der Einrichtung tatsächlich bereits getätigten Investitionen steht nicht entgegen, dass gemäß Senatsurteil vom 24.7.2003 bei der Bemessung der Umlage - im entschiedenen Fall von Kosten für die Grundstücksmiete - "nicht die tatsächlich anfallenden, sondern nur die angemessenen Kosten zu berücksichtigen" sind (BSGE 91, 182 RdNr 20 = SozR 4-3300 § 82 Nr 1 RdNr 25). Damit ist nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Einrichtungsträger auch unabhängig von seinen tatsächlichen Aufwendungen Beträge zu Investitionszwecken umlegen dürfte. Vielmehr ist nur festgestellt, dass die tatsächlichen Aufwendungen allein im Rahmen des Angemessenen zu berücksichtigen sind. Daran hält der Senat weiter fest.

26

5. Diese bundesrechtlichen Grenzen sind maßgeblich auch für die landesrechtliche Anspruchskonkretisierung nach § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 2 SGB XI; reicht sie über den bundesrechtlichen Rahmen hinaus, so ist dies grundsätzlich unwirksam, kann aber aus Gründen der Rechtssicherheit allenfalls noch bis Ende 2012 als mit Bundesrecht vereinbar angesehen werden.

27

a) Vorrangig zuständig für die Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Vergütungsbeziehungen zwischen Einrichtungen und Heimbewohnern ist auf der Grundlage seiner Gesetzgebungszuständigkeit aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG (BVerfGE 103, 197, 215 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4 S 21) der Bundesgesetzgeber. In deren Wahrnehmung hat er über Grund und Gegenstand der Ansprüche zur Finanzierung von Pflegeeinrichtungen durch § 82 SGB XI abschließend selbst entschieden. Soweit diese Regelungen reichen, sind die Länder zu eigener Gesetzgebung nach Art 72 Abs 1 GG nicht befugt. Eigene Gesetze dürfen die Länder danach im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nur erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht hat. Das sperrt die Befugnis zu eigener landesrechtlicher Gesetzgebung auf allen Gebieten, zu denen der Bundesgesetzgeber selbst abschließende Regelungen getroffen hat (vgl nur BVerfGE 102, 99, 115; BVerfGE 109, 190, 230 - jeweils mwN). Hierzu rechnet auch die Grundstruktur der Ansprüche nach § 82 SGB XI. Soweit darin die Finanzierung der Pflegeeinrichtungen abschließend festgelegt und dadurch auch gegenständlich beschränkt worden ist, bleibt im Rahmen der landesrechtlichen Befugnis zur näheren Ausgestaltung der Umlage nach § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 2 SGB XI insbesondere im Hinblick auf "Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen" kein Raum für abweichende Regelungen.

28

b) Soweit solche Regelungen in einzelnen Bundesländern auf der Grundlage einer nach der Rechtsprechung des Senats mit Bundesrecht nicht zu vereinbarenden Auslegung von § 82 SGB XI gleichwohl getroffen sind, wird dies innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zu korrigieren sein. Das gilt etwa für die Umlage fiktiver Zinsen auf das von den Trägern eingesetzte Eigenkapital, die nach Wortlaut, Regelungssystematik und Entstehungsgeschichte dem Vergütungsanspruch nach § 82 Abs 1 SGB XI zuzurechnen und in einigen Bundesländern gleichwohl der Umlage nach § 82 Abs 3 SGB XI zugewiesen worden sind(so etwa in Bayern, vgl dazu das Urteil vom heutigen Tage - B 3 P 6/10 R -, oder in Niedersachen, vgl Senatsurteil vom 10.3.2011 - B 3 P 3/10 R - BSGE 108, 14 = SozR 4-3300 § 82 Nr 5). In Abwägung der berührten Interessen erscheint es dem erkennenden Senat ausreichend, aber auch geboten, solche Änderungen spätestens bis Ende 2012 vorzunehmen.

29

6. Schon im Ansatz nicht nach § 82 Abs 3 SGB XI umlagefähig ist nach dem Vorstehenden das Vergütungsinteresse einer Einrichtung, das nicht der Sperrwirkung des § 82 Abs 2 SGB XI unterliegt und mithin ausschließlich über die Vergütung nach § 82 Abs 1 SGB XI zu decken ist. Mangels anderweitiger - und ggf vorübergehend noch gültiger - landesrechtlicher Regelung hat das LSG daher zutreffend entschieden, dass fiktive Zinsen auf das in ihrem Eigentum stehende Betriebskapital einer Einrichtung nicht nach § 82 Abs 3 SGB XI umgelegt werden können.

30

a) Allerdings scheitert die gesonderte Berechnung fiktiver Zinsen auf die von der Klägerin selbst getragenen Erschließungskosten ihres Betriebsgrundstücks nicht bereits an § 82 Abs 2 Nr 2 SGB XI. Zwar dürfen hiernach "Aufwendungen" ua für den "Erwerb und die Erschließung von Grundstücken" nicht in der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung berücksichtigt und gemäß der insoweit eindeutigen Regelung auch nicht nach § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI auf die Heimbewohner umgelegt werden. Rechtfertigung dieses Umlageverbots ist, dass der Einrichtung insoweit ein Vermögenswert zur Verfügung steht, der nicht dem Wertverzehr unterliegt und den sie zu einem späteren Zeitpunkt realisieren kann. Das ändert aber nichts daran, dass die Einrichtung auch insoweit zu Zwecken des Pflegebetriebs Eigenkapital einsetzt und ihr deshalb im Rahmen des Zulässigen wie bei jedem anderen Kapitalwert ein schützenswertes Interesse an dessen angemessener Verzinsung zustehen kann.

31

b) Nicht zu entscheiden ist zudem, ob und inwieweit von Einrichtungen in gemeinnütziger Trägerschaft wie hier der Klägerin eine Verzinsung von eingesetztem Eigenkapital überhaupt beansprucht werden kann. Insoweit sind hier vergleichbare Fragen aufgeworfen wie in dem vom Senat entschiedenen Fall der Verzinsung von Mitteln aus Konzessionsabgaben von Lotterie- und Wettunternehmen durch eine Kirchengemeinde (Urteil vom 10.3.2011 - B 3 P 3/10 R - BSGE 108, 14 = SozR 4-3300 § 82 Nr 5). In diesem Zusammenhang hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit, Zinsen auf eingesetztes Eigenkapital in Ansatz zu bringen, die Freiheit der Wohlfahrtsverbände bzw deren Mitglieder voraussetze, die Finanzhilfen aus den Konzessionsabgaben bei Banken oder Sparkassen als Kapital anlegen zu dürfen (BSG aaO RdNr 39). Entsprechend könnte hier zu fragen sein, inwieweit die Gemeinnützigkeit eines Trägers seiner Gewinnerzielungsabsicht Grenzen setzt.

32

c) Dies kann indes offenbleiben, weil fiktive Zinsen auf das eingesetzte Eigenkapital keine nach § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI bundesrechtlich umlagefähigen "Aufwendungen" darstellen. Aufwendungen iS dieser Vorschrift sind nach dem Dargelegten ausschließlich die tatsächlichen Kosten einer Einrichtung, die wegen des Berücksichtigungsverbots des § 82 Abs 2 SGB XI nicht durch die Pflegevergütung und/oder die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung nach § 82 Abs 1 SGB XI refinanziert werden können. Darunter fällt das Interesse an einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals nicht. Es ist vielmehr dem allgemeinen Vergütungsinteresse der Einrichtung zuzurechnen und wäre deshalb im Rahmen der Ansprüche nach § 82 Abs 1 SGB XI zu verfolgen. Dieses Interesse ist in der Rechtsprechung des Senats auch als schützenswert anerkannt, soweit die Einrichtung ihrem Status nach mit Gewinnerzielungsabsicht tätig werden kann. Insoweit ist zunächst mit Urteil vom 23.3.2006 entschieden worden, dass das Verbot einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 GG verstößt und - soweit das Landesrecht eine Refinanzierung nach § 82 Abs 3 SGB XI ausschließt - in die Kosten für Unterkunft und Verpflegung einkalkuliert werden kann(BSGE 96, 126 = SozR 4-3300 § 82 Nr 2, RdNr 27). Sodann hat der Senat - beginnend mit Urteil vom 29.1.2009 - allgemein ausgeführt, dass das von einer Pflegeeinrichtung zu beanspruchende Entgelt Zuschläge für die angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals umfasst, soweit es den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht (BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 24 und 32 ff).

33

d) Daran hält der Senat weiter fest, soweit es - jedenfalls für Einrichtungen in gewerblicher Trägerschaft - die Berechtigung zur Geltendmachung einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung und ihre prinzipielle Zuordnung zu den Ansprüchen nach § 82 Abs 1 SGB XI betrifft. Nicht mehr weiter verfolgt wird der in der Entscheidung vom 23.3.2006 (BSGE 96, 126 = SozR 4-3300 § 82 Nr 2) gewählte Ansatz, die Eigenkapitalverzinsung der Position "Unterkunft und Verpflegung" (§ 82 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI) zuzurechnen. Dies erscheint gerechtfertigt nur, soweit eingesetzte Betriebsmittel ausschließlich diesem Bereich zuzuordnen sind. Soweit Mittel dagegen auch dem Pflegebetrieb zu dienen bestimmt sind, erscheint eine anteilige Zurechnung zur allgemeinen Pflegevergütung als angemessen und geboten. Soweit in dem oa Urteil vom 23.3.2006 ebenfalls noch eine Präferenz für die Geltendmachung von fiktiven Eigenkapitalzinsen im Rahmen der Umlage nach § 82 Abs 3 SGB XI zum Ausdruck kommt, hält der Senat aus den oben dargelegten Gründen daran nicht weiter fest(vgl oben unter 5.).

34

7. Ebenfalls keine bundesrechtlich umlagefähigen Aufwendungen iS von § 82 Abs 3 SGB XI bilden nach der dargelegten Regelungssystematik solche Kosten, die der Einrichtung noch nicht entstanden sind und auch in der Umlageperiode nicht sicher entstehen werden. § 82 Abs 3 SGB XI bezweckt allein einen Ausgleich dafür, dass der von den Trägern selbst aufgebrachte Investitionsaufwand weder durch die Vergütung der allgemeinen Pflegeleistungen noch von Unterkunft und Verpflegung zu decken ist. "Aufgebracht" in diesem Sinne sind ausschließlich solche Kosten, die bei Inanspruchnahme der Heimbewohner tatsächlich bereits angefallen sind oder - wie laufende Mietkosten uä - bis zum Ende des Zustimmungszeitraums nach § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XI(vgl dazu unter 8.) sicher anfallen werden. Zu Recht hat das LSG deshalb entschieden, dass die Klägerin die Heimbewohner nicht zu Zahlungen für nur pauschal bemessene Kosten der laufenden Instandhaltung bzw Instandsetzung und auch nicht zur Bildung von Rücklagen für künftige Sanierungsmaßnahmen heranziehen darf.

35

a) Allerdings steht dem nicht schon der Vorrang des Vergütungsanspruchs nach § 82 Abs 1 SGB XI entgegen. Im Gegenteil schließt § 82 Abs 2 Nr 1 SGB XI insoweit ausdrücklich aus, dass im Rahmen der Pflegevergütung Rechnungspositionen für künftige Instandhaltungsmaßnahmen gebildet werden. Unbeachtlich für die Pflegevergütung sind danach ua Aufwendungen für solche "Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter … wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen". Damit scheiden zunächst alle tatsächlichen Investitionen für die Wiederbeschaffung, Instandsetzung oder Instandhaltung der Pflegeinfrastruktur als Kostenfaktor bei der Pflegevergütung aus; sie stehen den anfänglichen Aufwendungen der Pflegeeinrichtung in jeder Hinsicht gleich und können deshalb wie diese schon im Ansatz keine Ansprüche nach § 82 Abs 1 SGB XI vermitteln. Dasselbe gilt für erst in Zukunft möglicherweise anfallende Kosten für Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten. Bildet der Träger Rücklagen hierfür, so ist das pflegeversicherungsrechtlich eine zur Erhaltung der Pflegeinfrastruktur bestimmte Maßnahme iS von § 82 Abs 2 Nr 1 SGB XI, die wie tatsächliche Investitionen in die Pflegeinfrastruktur keine Ansprüche nach § 82 Abs 1 SGB XI begründen können.

36

b) Einen Anspruch auf Umlage solcher Rücklagen vermittelt aber auch § 82 Abs 3 SGB XI nicht. Dem steht schon der Wortlaut des Gesetzes "gesondert berechnen" entgegen, der deutlich macht, dass der Anspruch nach § 82 Abs 3 SGB XI ausschließlich auf die Abwälzung bereits angefallener Kosten und nicht auch auf die Bildung eines Kapitalstocks für künftige Investitionen zielt. Auch "Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3" (§ 82 Abs 3 Satz 1, 2. Alt SGB XI) können sich offensichtlich nur auf bereits eingegangene Verbindlichkeiten und nicht auf in Zukunft möglicherweise anfallende Verpflichtungen beziehen. Das gilt vergleichbar auch für "Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1" gemäß § 82 Abs 3 Satz 1, 1. Alt SGB XI, weil als betriebsnotwendig nur bereits durchgeführte Maßnahmen qualifiziert werden können. Ebenso bezieht sich die Formulierung "durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt" allein auf bereits durchgeführte Investitionen, weil ansonsten eine Entscheidung über eine öffentliche Förderung noch nicht getroffen wäre.

37

c) Ausschließlich in diese Richtung weist nach Sinn und Zweck auch der Zustimmungsvorbehalt nach § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 1 SGB XI. Er unterwirft die Träger ebenso wie die Anzeigepflicht nach § 82 Abs 4 Satz 2 SGB XI einer besonderen Aufsicht und gesteigerten Nachweispflichten, sobald sie die Heimbewohner unter Verweis auf Kosten der Pflegeinfrastruktur zu zusätzlichen Zahlungen heranziehen möchten. Damit ist ein mit der Bestimmung der Pflegevergütung vergleichbarer Schutzzweck verbunden, weil auch zum Beleg der prospektiven Einrichtungskosten nach § 85 Abs 3 Satz 2 Halbs 1 SGB XI "Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen... durch Pflegedokumentationen und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen" sind und auf Grundlage von § 85 Abs 3 Satz 4 SGB XI im Einzelfall selbst betriebswirtschaftliche Berechnungsgrundlagen offenzulegen sein können(vgl im Einzelnen BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 26 f). Hierdurch hat der Gesetzgeber den Einrichtungen Nachweislasten aufgegeben, die über das im allgemeinen Geschäftsverkehr Übliche weit hinausreichen und sicherstellen sollen, dass Heimbewohner, Pflegekassen oder andere Kostenträger nur hinreichend plausibel gemachten Vergütungsforderungen ausgesetzt sind (vgl dazu grundlegend BSG aaO RdNr 27). Dies gilt ebenso für das Umlageverfahren nach § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XI. Zum einen ist nicht anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber das Schutzbedürfnis der Betroffenen insoweit anders eingeschätzt haben könnte. Zum anderen ist der Schutz vor überhöhten Pflegevergütungen selbst nur dann vollständig, wenn auch die Umlage nach § 82 Abs 3 SGB XI von versteckten Vergütungselementen frei ist und sie dementsprechend geprüft wird. Deshalb ist es nach dem Zweck des Zustimmungsverfahrens - und anders als die Klägerin meint - ausgeschlossen, dass eine Einrichtung die Heimbewohner ohne Belege für tatsächliche Aufwendungen zu lediglich pauschal bemessenen Kosten oder für Maßnahmen heranziehen kann, die noch nicht ausgeführt sind und deren spätere Durchführung allein in ihrem freien Belieben steht.

38

d) Dem Rechnung tragend haben die Länder bei der näheren Ausgestaltung des Zustimmungsverfahrens gemäß § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 2 SGB XI sicherzustellen, dass die Heimbewohner ausschließlich mit tatsächlich anfallenden Kosten belastet werden. Dieses Verfahren kann zwar auf einen für alle Beteiligte möglichst geringen Verwaltungsaufwand ausgerichtet werden. Gleichwohl muss gewährleistet sein, dass einerseits die Einrichtungen ihre anders nicht gedeckten Kosten der Pflegeinfrastruktur refinanzieren können, andererseits die Heimbewohner aber auch nur zu tatsächlich anfallenden Kosten herangezogen werden. Soweit davon abweichend derzeit noch durch Ausführungsbestimmungen nach § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 2 SGB XI oder de facto auf der Grundlage von Rahmen- bzw sonstigen Vereinbarungen insbesondere durch Pauschalen oder andere Weise die Umlage auch nicht tatsächlich angefallener Aufwendungen vorgesehen ist, ist dies rechtswidrig; eine entgegenstehende Praxis in den Ländern kann aber aus den oa Gründen der Rechts- und Planungssicherheit insbesondere für die betroffenen Pflegeeinrichtungen ebenfalls noch vorübergehend bis Ende 2012 als mit Bundesrecht vereinbar hingenommen werden (vgl dazu oben unter 5.).

39

8. Folgen für die Zustimmung zur gesonderten Berechnung ergeben sich aus der Beschränkung auf die tatsächlichen Infrastrukturkosten auch in zeitlicher Hinsicht. Können die Heimbewohner nur zu bereits angefallenen oder sicher anfallenden Kosten herangezogen werden, so darf die Zustimmung nur erteilt werden, soweit sich die Zustimmungsbehörde von der Höhe der umzulegenden Kosten eine hinreichend sichere Überzeugung verschaffen kann. Unbefristet - wie hier beansprucht - kann die Zustimmung zur gesonderten Berechnung daher allenfalls dann erteilt werden, wenn ausschließlich dauerhaft feststehende Kosten umgelegt werden sollen. Enthalten die Aufwendungen dagegen auch variable Anteile (wie hier schon der Aufwand für Fremdkapitalzinsen), kann die Zustimmung nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum beansprucht und erteilt werden. Das im Einzelnen festzulegen, ist wiederum Sache der Länder im Rahmen der näheren Ausgestaltung des Zustimmungsverfahrens nach § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 2 SGB XI, wobei Bestrebungen, den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten, durchaus akzeptabel sind. Vorrang muss indes das Interesse von Heimbewohnern und Einrichtungen haben, nur mit den tatsächlichen Infrastrukturkosten belastet zu werden bzw für diese Kosten eine Refinanzierung zu erhalten. Gewährleistet sein muss auch, dass die Berechnung der umzulegenden Beträge für alle Beteiligten, vor allem für die Heimbewohner und ihre Vertretungen, hinreichend nachvollziehbar ist; es muss für Außenstehende unproblematisch ersichtlich sein, welche Kosten für welchen Zeitraum umgelegt werden sollen und welche nicht. Daran mangelt es zB auch in diesem Verfahren, wie die Unsicherheit der Klägerin selbst im Hinblick auf die für ihren Antrag maßgebenden Rechnungspositionen deutlich zeigt. Daher wird es im Regelfall naheliegen, die Abrechnungsperiode an dem Geschäftsjahr der Einrichtungen auszurichten, das nach der - noch gültigen (vgl § 75 Abs 7 SGB XI) -Pflege-Buchführungsverordnung vom 22.11.1995 (PBV - BGBl I 1528, zuletzt geändert durch Art 6 der Verordnung zur Änderung von Rechnungslegungsverordnungen vom 9.6.2011, BGBl I 1041) dem Kalenderjahr entspricht. Im vorliegenden Fall könnte sich deshalb wegen der begehrten Zustimmung für die Zeit ab 28.9.2004 eine Beschränkung des anfänglichen Umlagebegehrens bis Ende 2005 anbieten; ausgeschlossen ist jedoch, dass der auf das Jahr 2004 bezogene Antrag eine vollständig unbefristete Zustimmung auslösen kann, wie sie der Beklagte hier erteilt hat und die Klägerin es noch weitergehend begehrt.

40

9. Grundsätzlich sind die tatsächlichen Verhältnisse auch für die Aufteilung der gesondert zu berechnenden Aufwendungen auf die Heimbewohner maßgebend (Belegungsquote). Sind über die gesonderte Berechnung ausschließlich die von der Einrichtung tatsächlich selbst zu tragenden Infrastrukturkosten zu decken, dann hat sich deren Verteilung auf die Heimbewohner allein an der tatsächlichen Belegungsquote zu orientieren. Keine Rechtsgrundlage bietet § 82 Abs 3 SGB XI hingegen für das Begehren der Klägerin, durch den Ansatz einer fiktiven Belegungsquote von 95 % deutlich unter dem vom LSG festgestellten und daher mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen auch für das Revisionsverfahren maßgeblichen(§ 163 SGG) Auslastungsgrad von nahezu 100 % zumindest bis zum 1. Halbjahr 2010 zu bleiben, um hierdurch zusätzliche Überschüsse über die Pflegevergütung nach § 82 Abs 1 SGB XI hinaus erzielen zu können. Überschüsse können nach der ausdrücklichen Regelung in § 84 Abs 2 Satz 5 Halbs 1 SGB XI und der oa Regelungssystematik ausschließlich über die Pflegevergütung erzielt werden. Eine solche Funktionen kommt der Umlage nach § 82 Abs 3 SGB XI gerade nicht zu. Deshalb ist es nicht zulässig, die gesondert zu berechnenden Kosten der Pflegeinfrastruktur nach einer niedrigeren Belegungsquote auf die Heimbewohner zu verteilen, als in der maßgeblichen Umlageperiode tatsächlich im Pflegeheim wohnen. Angezeigt ist eine fiktive Belegungsquote als Verteilungsmaßstab der gesonderten Berechnung allerdings dann, wenn die Heimbewohner bei einer unterdurchschnittlichen Auslastung der Einrichtung - etwa in der Anlaufphase, wegen Kapazitätsüberschüssen oder wegen Mängeln der Einrichtung - vor einer übermäßigen Heranziehung zu den Kosten der Pflegeinfrastruktur zu bewahren sind.

41

Auch insoweit obliegt die Ausgestaltung im Einzelnen gemäß § 82 Abs 3 Satz 3 Halbs 2 SGB XI den Ländern. Soweit dabei - wie hier von dem Beklagten nach seiner bisherigen Verwaltungspraxis - auf durchschnittliche Belegungsquoten abgestellt wird, wird das nach den aufgezeigten Maßstäben allerdings nur zulässig sein, wenn sich die Ausrichtung grundsätzlich an der typischen Vollauslastung einer wirtschaftlich geführten Einrichtung orientiert, die eher bei knapp unter 100 % als bei 96 % liegen dürfte, wie es von dem Beklagten derzeit praktiziert wird. Jedoch wird den Einrichtungen ebenfalls die Möglichkeit des Nachweises einzuräumen sein, dass die tatsächliche Belegungsquote etwa zu Beginn des Umlagezeitraums unter dem Höchstwert liegt und die Heimbewohner deshalb mit einem höheren Anteil an den nach § 82 Abs 3 SGB XI umzulegenden Kosten zu beteiligen sind. Jedenfalls wird aber zur Abgrenzung der nach § 82 Abs 2 Nr 4 und 5 SGB XI ausdrücklich von den Einrichtungen selbst zu tragenden Anlauf-, Umstellungs- und Schließungskosten sowie zum Schutz der Bewohner vor den wirtschaftlichen Folgen einer unzureichenden Auslastung der Pflegeinrichtung aus sonstigen Gründen durch Festsetzung eines unteren Auslastungsgrades und damit einer Mindestbelegungsquote sicherzustellen sein, dass das wirtschaftliche Risiko einer ungewöhnlich niedrigen Heimbelegung nicht von den Bewohnern zu tragen ist, sondern bei den Einrichtungen verbleibt.

42

10. Ohne Erfolg beansprucht die Klägerin auch eine Beteiligung der Heimbewohner an den Kosten eines zweiten Kraftfahrzeugs; hierfür hat sich nach den mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen auch für das Revisionsverfahren maßgeblichen (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG keine betriebliche Notwendigkeit ergeben. Betriebsnotwendig iS von § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI sind nur solche Investitionen in die Pflegeinfrastruktur, die für die Aufrechterhaltung des Pflegebetriebs unter Berücksichtigung der Grundsätze wirtschaftlicher Betriebsführung als sachlich erforderlich und der Höhe nach als angemessen angesehen werden können. Diesem Maßstab genügt die Vorhaltung von zwei Kraftfahrzeugen nach den Feststellungen des LSG hier offenkundig nicht. Dass bei einer Jahresfahrleistung des einen Fahrzeugs von rund 10 500 km und des anderen von 5500 km und bei einer nur seltenen Benutzung beider Fahrzeuge gleichzeitig der Betrieb bei sparsamer Mittelverwendung und vorausschauender Organisation nicht auch mit einem Kraftfahrzeug ohne Einbußen hätte aufrechterhalten werden können, erschließt sich dem Senat nicht. Jedenfalls liegt es auf der Hand, dass eine Pflegeeinrichtung nicht nur wegen ihrer Lage im Außenbereich - wie die Revision geltend macht - auf zwei Kraftfahrzeuge betriebsnotwendig angewiesen sein kann. Bedarf dafür kann sich vielmehr nur aus den Erfordernissen des konkreten Betriebsablaufs im Einzelfall ergeben, der substantiiert nachzuweisen gewesen wäre, woran es hier fehlt.

43

11. Nicht selbst entscheiden kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG, ob und ggf inwieweit die Klägerin Anspruch auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Fremdkapitalzinsen hat.

44

a) Allerdings steht der Geltendmachung nicht entgegen, dass nach dem Förderbescheid des Landes die nicht durch öffentliche Förderung gedeckten Aufwendungen den Heimbewohnern nicht in Rechnung gestellt werden dürfen. Wie der Senat bereits entschieden hat, entfaltet die Bewilligung der nach Landesrecht zu gewährenden Investitionsförderung keine Bindungswirkung für die auf bundesrechtlicher Grundlage zu erteilende Zustimmung zur Umlage ungedeckter Investitionskosten nach § 82 Abs 3 SGB XI. Insoweit steht die bundesrechtlich begründete Befugnis des Betreibers der Pflegeeinrichtung, seine durch öffentliche Förderung nicht gedeckten Investitionsaufwendungen durch anteilige Umlage auf die Heimbewohner zu refinanzieren, nicht zur Disposition des Landesrechts (vgl BSGE 99, 57 = SozR 4-3300 § 82 Nr 4, RdNr 17 ff).

45

b) Im rechtlichen Ausgangspunkt rechnen auch Fremdkapitalzinsen zu dem nach § 82 Abs 3 SGB XI gesondert berechnungsfähigen Aufwand, soweit sie einer der nach dieser Vorschrift berücksichtigungsfähigen Infrastrukturaufwendungen zuzurechnen sind. Sie bilden Aufwendungen, die iS von § 82 Abs 2 Nr 1 SGB XI dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen. Das steht zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit.

46

c) Ausgeschlossen hiervon sind aber alle Zinsaufwendungen, die dem Grundstückserwerb und der -erschließung zuzurechnen sind. Das folgt aus § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI iVm § 82 Abs 2 Nr 2 SGB XI. Hiernach sind aus der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung ua ausgeschieden die Zahlungen für den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken. Hieran anknüpfend sind in dem Umlagetatbestand des § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XI als umlagefähige Aufwendungen nur genannt erstens "betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1" und zweitens "Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3". Nicht zu den umlagefähigen Kosten zählen mithin alle Aufwendungen, die iS von § 82 Abs 2 Nr 2 SGB XI "den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken" betreffen. Auch wenn wegen der besonderen Eigenart des Vermittlungsverfahrens Gesetzgebungsmaterialien insoweit nicht verfügbar sind, spricht dieser klare Wortlaut dafür, dass grundstücksbezogene Kosten grundsätzlich von einer Refinanzierung durch Umlagen nach § 82 Abs 3 SGB XI ausgeschlossen sind. Dies deckt sich mit der ursprünglich für den Investitionszuschlag (s oben unter 4. c) vorgesehenen Regelung, wonach zu den Investitionsaufwendungen ausdrücklich nicht gehören sollten "die Kosten des Grundstücks, des Grundstückserwerbs, der Grundstückserschließung sowie ihrer Finanzierung" (vgl § 100 Abs 1 Satz 2 FraktE PflegeVG, BT-Drucks 12/5262 S 38 f). Diese Werte sollten von den Trägern - von Ausnahmefällen abgesehen - als Eigenleistung einzubringen sein (vgl BT-Drucks 12/5262 S 149 zu § 100 Abs 1).

47

d) Das Refinanzierungsverbot für grundstücksbezogene Aufwendungen ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil den Trägern hierdurch regelmäßig kein Wertverlust erwächst, der durch einen Umlagebeitrag der Heimbewohner auszugleichen wäre. Rechtsrahmen für das Gewinnerzielungsinteresse von Heimträgern ist ausschließlich der Vergütungstatbestand des § 82 Abs 1 SGB XI. Insoweit ist in den Grenzen dieses Anspruchs auch Raum dafür, aus getätigten Investitionen Erträge zu erwirtschaften und deshalb für eingesetztes Kapital eine angemessene Verzinsung erzielen zu können. Anders liegt es dagegen bei dem Interesse, auch das von dem Pflegeheimträger für Infrastrukturmaßnahmen aufgebrachte Kapital selbst refinanzieren zu können. Das ist im Rahmen des Betriebsnotwendigen und Angemessenen auf der Grundlage von § 82 Abs 3 SGB XI durch anteilige Umlage auf die Heimbewohner unproblematisch möglich, soweit die getätigten Investitionen einen Wertverlust erleiden und dem Träger deshalb ein auch handelsrechtlich beachtlicher Aufwand entsteht. Das liegt bei Grundstückswerten anders. Sie unterliegen keinem Wertverzehr durch Benutzung und verbleiben dem Heimträger regelmäßig als ungeschmälerter Wertgegenstand, der im Fall einer Betriebsaufgabe oder -verlagerung vollständig zur Verwertung zur Verfügung steht. Würde der Träger über die angemessene Verzinsung hinaus auch diesen eingesetzten Kapitalwert selbst durch Umlage refinanzieren wollen, liefe das auf eine Vermögensmehrung hinaus, deren Tragung weder den Heimbewohnern noch den Sozialhilfeträgern zuzumuten wäre. Darauf ist sinngemäß auch schon in den Materialien zu dem ursprünglichen Entwurf des PflegeVG hingewiesen worden (vgl BT-Drucks 12/5262 aaO).

48

e) Diese Zuordnung des Grundstücksaufwands zum ausschließlichen Verantwortungsbereich des Einrichtungsträgers bewirkt, dass auch die Neben- und Folgekosten des Grundstückserwerbs von der Einrichtung selbst zu tragen sind und nicht durch gesonderte Berechnung auf die Heimbewohner umgelegt werden können. Das schließt es aus, die Heimbewohner mit Fremdkapitalaufwand zu belasten, soweit er der Grundstücksfinanzierung zuzurechnen ist. Ob und mit welchem Anteil das ggf hier der Fall ist, kann der Senat mangels näherer Feststellungen des LSG hierzu nicht selbst entscheiden.

49

12. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren bleibt dem LSG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Januar 2011 und des Sozialgerichts Berlin vom 1. August 2007 sowie der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2007 geändert.

Die Festbetragsfestsetzung für Einlagen vom 1. Dezember 2004 in der Fassung des Beschlusses des Beklagten vom 12. Dezember 2011 wird aufgehoben, soweit es in den "Allgemeinen Erläuterungen" heißt: "Bei der Abgabe von Kopieeinlagen (08.03.01) ist ein Gipsabdruck nicht erforderlich" … "Ein Trittspurabdruck reicht für die korrekte Erstellung der Kopieeinlagen aus."

Es wird festgestellt, dass die Festbetragsfestsetzungen vom 1. Dezember 2004 für Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie und Stomaartikel rechtswidrig waren, soweit es in den "Allgemeinen Erläuterungen" heißt: "Bei den Festbeträgen handelt es sich um Bruttopreise, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden Höhe umfassen."

Es wird ferner festgestellt, dass die Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 für Einlagen rechtswidrig war, soweit es in den "Allgemeinen Erläuterungen" heißt: "Bei den Festbeträgen der Positionen 08.03.01 (Kopieeinlagen) bis 08.03.06.0 (Stoßabsorber/Fersenkissen) handelt es sich um Paarpreise. Die weiteren Festbeträge (08.03.06.1 'herausnehmbarer Verkürzungsausgleich' bis 08.99.99.0010 'Formabdruck aus eigener Werkstatt') sind als Stückpreise ausgewiesen."

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger zu zwei Dritteln und die Beigeladenen zu einem Drittel. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter und dritter Instanz tragen die Kläger zu zwei Dritteln und der Beklagte zu einem Drittel; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 200 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Am 1.12.2004 haben die Beigeladenen bzw deren Rechtsvorgänger in ihrer damaligen Funktion als Spitzenverbände der Krankenkassen bundesweite Festbeträge für Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie und Stomaartikel mit Wirkung ab 1.1.2005 erstmals festgesetzt (BAnz vom 10.12.2004 Nr 235a). Der Beschluss zu den Festbeträgen für Einlagen enthält ua folgende Regelungen:

2

"Die Spitzenverbände der Krankenkassen bestimmen gemäß § 36 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit (i.V.m.) § 213 SGB V gemeinsam und einheitlich Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen setzen auf dieser Basis die nachfolgenden Festbeträge für Einlagen fest. Die Festbeträge treten am 1. Januar 2005 in Kraft und gelten bundesweit.
Bei den Festbeträgen für Einlagen handelt es sich um Bruttopreise, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden Höhe enthalten. Eine ggf. notwendige Anpassung wird im Rahmen der nach § 36 i.V.m. § 35 SGB V vorgeschriebenen Überprüfung vorgenommen.
Nach neueren Erkenntnissen ist bei der Abgabe von Kopieeinlagen (08.03.01) ein Gipsabdruck nicht erforderlich. Deshalb werden die abrechenbaren Zusatzoptionen (08.99.99.0009 und 08.99.99.0010) im Festbetragsgruppensystem gestrichen. Ein Trittspurabdruck reicht für die korrekte Erstellung von Kopieeinlagen aus. Die Kosten für den Trittspurabdruck sind in dem Festbetrag enthalten.
Mit dem Festbetrag sind sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen (z.B. die Materialkosten, der Trittspurabdruck, die Einweisung in die Handhabung der Produkte, ggf. notwendige Nacharbeiten und andere Dienstleistungen), abgegolten. Die Einlagen haben mindestens den Qualitätsstandards des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V i.V.m. § 139 SGB V zu entsprechen.
Bei den Festbeträgen der Positionen 08.03.01 (Kopieeinlagen) bis 08.03.06.0 (Stoßabsorber/Fersenkissen) handelt es sich um Paarpreise. Die weiteren Festbeträge (08.03.06.1 'herausnehmbarer Verkürzungsausgleich' bis 08.99.99.0010 'Formabdruck aus eigener Werkstatt') sind als Stückpreise ausgewiesen."

3

Unter der Positionsnummer 08.03.01 "Kopieeinlagen (¾-lang)" hieß es:

"Bei Ledereinlagen mit Längsgewölbestütze (08.03.01.0) ist eine ¾-lange Lederdecke im Festbetrag enthalten. Die Zusätze 09.99.99.001 bis 0005 und 0007 bis 0008 sind nach gesonderter ärztlicher Begründung zusätzlich abrechenbar.
Bei Kopieeinlagen aus thermoplastisch verformbaren Kunststoffen (08.03.01.1) sind die Zusätze 08.99.99.0001 bis 0008 nach gesonderter ärztlicher Begründung zusätzlich abrechenbar.
Bei Leichtmetalleinlagen (08.03.01.2) sind die Zusätze 08.99.99.0001 bis 0008 nach gesonderter ärztlicher Begründung zusätzlich abrechenbar.
Bei Edelstahleinlagen (08.03.01.3) sind die Zusätze 08.99.99.0001 bis 0008 nach gesonderter ärztlicher Begründung zusätzlich abrechenbar."

4

Zur Positionsnummer 08.99.99.0007 ist ein Betrag von 3,22 Euro als "Mehrpreis" für langsohlige Lederdecken ausgewiesen.

5

Ähnliche Regelungen finden sich zu den Produktgruppen Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie sowie Stomaartikel. Teilweise stimmen diese Regelungen sogar wörtlich überein.

6

Der Bundesinnungsverband für Orthopädietechnik - Kläger zu 1) - sowie die Innungen für Orthopädietechnik aus den fünf Regierungsbezirken des Landes Nordrhein-Westfalen - Kläger zu 2) bis 6) - halten die Festsetzungsbeschlüsse für rechtswidrig und machen die Verletzung eigener Rechte sowie der Rechte ihrer Mitglieder (Sanitätshäuser und andere Leistungserbringer aus dem Bereich der Orthopädietechnik) geltend. Die Spitzenverbände hätten nicht lediglich Festbeträge, also Obergrenzen der Sachleistungsverpflichtung der Krankenkassen im Verhältnis zu ihren Versicherten, sondern Abgabepreise festgesetzt und darüber hinaus zahlreiche Abrechnungsregelungen getroffen, die aber einer vertraglichen Vereinbarung mit den Leistungserbringern bzw deren Verbänden nach § 127 SGB V in seiner bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung (aF) bedurft hätten. Damit sei die Festsetzungsermächtigung nach § 36 SGB V überschritten und in die Preisbildungsfreiheit der Leistungserbringer(Art 12 Abs 1 GG) sowie in die Vertragsabschlusskompetenz und Berufsausübungsfreiheit der Innungen und Innungsverbände (§ 127 SGB V aF, Art 12 Abs 1 GG)eingegriffen worden.

7

Während des erstinstanzlichen Klageverfahrens (S 86 KR 64/05, später S 112 KR 244/07 SG Berlin) haben die Spitzenverbände durch Beschlüsse vom 11.5.2006 mit Wirkung ab 1.7.2006 neue Festbeträge für Einlagen und Hilfsmittel zur Kompressionstherapie festgesetzt (BAnz vom 20.6.2006 Nr 112 S 4524-4526, berichtigt BAnz vom 4.7.2006 Nr 122, S 4815). Das von den Klägern daraufhin eingeleitete Klageverfahren (S 28 KR 1901/06 SG Berlin) ruht.

8

Neue Festbeträge für alle vier Hilfsmittelgruppen sind durch Beschlüsse der Spitzenverbände vom 23.10.2006 mit Wirkung ab 1.1.2007 festgesetzt worden (BAnz vom 17.11.2006 Nr 216a). Diese Festbetragsfestsetzungen vom 23.10.2006 orientieren sich weitestgehend an den Vorbildern vom 1.12.2004; sie sind von den Klägern ebenfalls angefochten worden (S 81 KR 3481/06 SG Berlin). Hinsichtlich der Inkontinenzhilfen und Stomaartikel sind die Festbetragsfestsetzungen vom 23.10.2006 bis heute in Kraft.

9

Durch Beschluss vom 17.9.2007 haben die Spitzenverbände mit Wirkung ab 1.1.2008 neue Festbeträge für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie festgesetzt (BAnz vom 16.11.2007 Nr 214, S 8032). Mit weiterem Beschluss vom 3.12.2007 folgten dann zum 1.3.2008 neue Festbeträge für Einlagen (BAnz vom 12.2.2008 Nr 23, S 452-458). Diese Festsetzungen sind gleichfalls von den Klägern angefochten worden (S 73 KR 3215/07 SG Berlin). Alle Klagen beruhen auf derselben Argumentation der Kläger.

10

Ab 1.7.2008 ist die Zuständigkeit für die Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel nach § 36 SGB V auf den neu gebildeten Spitzenverband Bund der Krankenkassen übergegangen. Er hat zu diesem Zeitpunkt als Funktionsnachfolger die Stellung als Beklagter eingenommen; die bis dahin beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen sind zu Beigeladenen geworden (Beschluss des LSG vom 23.7.2010). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat erstmals durch Beschlüsse vom 12.12.2011 mit Wirkung ab 1.3.2012 neue Festbeträge für Einlagen und Hilfsmittel zur Kompressionstherapie festgesetzt (BAnz vom 1.2.2012 Nr 18, S 379-382). Diese Beschlüsse haben die Kläger nicht gesondert angefochten; sie sind auch derzeit noch gültig.

11

Das SG hat die Klagen gegen die vier Beschlüsse vom 1.12.2004 als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 1.8.2007 - S 112 KR 244/07), weil den Klägern die Anfechtungsbefugnis fehle. Die Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel in Form von Allgemeinverfügungen verletze nicht die Rechte der Leistungserbringer und ihrer Verbände. Die Spitzenverbände hätten bei sachgerechter Auslegung der Beschlüsse keine Abgabepreise geregelt und auch keine Vertragsbedingungen festgelegt. Die nachfolgenden Festsetzungen vom 11.5.2006 und 23.10.2006 seien nicht gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil die ursprünglichen Festsetzungen vom 1.12.2004 weder geändert noch ersetzt worden seien. Daher sei über diese Festsetzungen nicht zu entscheiden gewesen.

12

Eine andere Kammer des SG hatte am Tag zuvor bereits die Klagen gegen die vier Beschlüsse vom 23.10.2006 als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 31.7.2007 - S 81 KR 3481/06), allerdings mit einer anderen Begründung. Diese Kammer war nämlich der Auffassung, dass die Festsetzungen vom 23.10.2006 schon mit ihrer Bekanntmachung von Gesetzes wegen (§ 96 Abs 1 SGG) als im Ausgangsverfahren S 112 KR 244/07 angefochten gelten und daher wegen anderweitiger Rechtshängigkeit nicht mit einer separaten Klage nochmals hätten angefochten werden können.

13

Die Kläger haben beide Entscheidungen des SG mit der Berufung angegriffen. Das LSG hat die Berufungsverfahren L 9 KR 530/07 (zum Urteil vom 1.8.2007) und L 9 KR 534/07 (zum Gerichtsbescheid vom 31.7.2007) nach § 153 Abs 1 iVm § 113 Abs 1 SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden(Beschluss vom 19.1.2011) und sodann die Berufungen im Wesentlichen zurückgewiesen (Urteil vom 19.1.2011). Die erstinstanzlichen Entscheidungen sind lediglich insoweit geändert worden, als das LSG nunmehr festgestellt hat, dass die Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 rechtswidrig waren, soweit sie bezüglich der Produktgruppe der Hilfsmittel zur Kompressionstherapie folgende Regelung enthielten: "Die Körpermaße sind auf der Basis des vorgenannten Maßschemas vollständig bei der Abrechnung anzugeben."

14

Das LSG hat die Klagen gegen die Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 als Fortsetzungsfeststellungsklagen (§ 131 Abs 1 S 3 SGG) betrachtet, soweit die Festbeträge abgeschlossene Zeiträume aus der Vergangenheit betreffen, und als reine Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 SGG)angesehen, soweit sie im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (19.1.2011) noch aktuell waren, was auf die Festsetzungen vom 23.10.2006 für Inkontinenzhilfen und Stomaartikel bis heute zutrifft. Die Festsetzungen vom 11.5.2006, 17.9.2007 und 3.12.2007 waren nicht Gegenstand der Berufungsentscheidung, nachdem die Kläger mit Blick auf die von den Kammern des SG unterschiedlich beantwortete Frage der Einbeziehung späterer Festsetzungen in die laufenden Klageverfahren nach § 96 SGG auf Anregung des LSG übereinstimmend erklärt hatten, sie teilten die Ansicht, dass eine Einbeziehung hier ausscheide; weil aber das gegenteilige Ergebnis nicht auszuschließen sei, machten sie von ihrer Dispositionsbefugnis Gebrauch und beschränkten den Streitstoff ausdrücklich auf die Festsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006, zumal die Festsetzungen vom 11.5.2006 im Verfahren S 28 KR 1901/06 und die Festsetzungen vom 17.9.2007 und 3.12.2007 im Verfahren S 73 KR 3215/07 gesondert angefochten worden seien. Die ebenfalls streitige Frage, ob schon die Festsetzung vom 23.10.2006 über § 96 SGG Gegenstand des Ausgangsverfahrens zur ersten Festsetzung vom 1.12.2004 geworden war, hatte sich durch die Verbindung beider Berufungsverfahren erledigt.

15

Das LSG hat die Klagebefugnis der Kläger und deren Rechtsschutzinteresse an den Fortsetzungsfeststellungsklagen bejaht, die Klagen in der Sache aber als im Wesentlichen unbegründet erachtet. Es seien entsprechend dem gesetzlichen Auftrag (§ 36 SGB V)nur Festbeträge für die vier Hilfsmittelgruppen, jedoch keine Abgabepreise festgesetzt worden. Die vereinzelt verwendeten Begriffe Bruttopreis, Paarpreis und Stückpreis dienten lediglich der Erläuterung, wie die festgesetzten Festbeträge zu verstehen seien, nämlich als die gesetzliche Mehrwertsteuer in ihrer jeweils geltenden Höhe umfassend, und worauf sie sich bezögen, nämlich auf Einzelstücke oder Paare (wie zB bei den Einlagen und Kompressionsstrümpfen). Die Spitzenverbände der Krankenkassen seien auch befugt gewesen, im Rahmen der Festbetragsfestsetzung Regelungen zu treffen, welche sächlichen Leistungen und persönlichen Dienstleistungen mit dem Festbetrag jeweils abgegolten sein sollten. Es verstoße auch nicht gegen geltendes Recht, dass in den Allgemeinverfügungen zu den Einlagen angeordnet worden sei, der Festbetrag für Kopieeinlagen umfasse den Trittspurabdruck; ein Gipsabdruck sei nicht erforderlich, sodass die bis dahin abrechenbaren Zusatzoptionen (08.99.99.0009 und 08.99.99.0010) mit Wirkung ab 1.1.2005 im Festbetragsgruppensystem gestrichen seien. Hierbei gehe es lediglich um eine Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 2 Abs 4, § 12 SGB V), die den Versicherten vor Augen führe, dass sie die Mehrkosten eines von ihnen gewünschten Gipsabdrucks künftig selbst zu tragen hätten (§ 33 Abs 1 S 6 SGB V). Die Spitzenverbände seien auch befugt gewesen, die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen von einer gesonderten ärztlichen Verordnung abhängig zu machen, weil es dabei lediglich um die Umsetzung einer schon in den Hilfsmittel-Richtlinien enthaltenen allgemeinen Regelung gegangen sei. Von der Ermächtigungsgrundlage des § 36 SGB V nicht gedeckt sei lediglich die Anordnung, dass die Abrechenbarkeit maßgefertigter Hilfsmittel zur Kompressionstherapie von der Angabe der Körpermaße des Versicherten auf der Grundlage eines Maßschemas oder einer Maßtabelle abhängig sei.

16

Mit den vom erkennenden Senat wegen eines Verfahrensfehlers und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revisionen rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§§ 36, 127 SGB V aF, Art 12 Abs 1 GG) sowie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG). Sie wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen und beantragen,

        

die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.1.2011 und des SG Berlin vom 1.8.2007 sowie den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 31.7.2007 zu ändern und

1) hinsichtlich der Festsetzung von Festbeträgen für Einlagen

a) den Beschluss vom 1.12.2004 in der Fassung des Beschlusses des Beklagten vom 12.12.2011 aufzuheben, soweit folgende Regelungen getroffen worden sind:
aa) "Bei der Abgabe von Kopieeinlagen (08.03.01) ist ein Gipsabdruck nicht erforderlich. Ein Trittspurabdruck reicht für die korrekte Erstellung der Kopieeinlagen aus. Die Kosten für den Trittspurabdruck sind in dem Festbetrag enthalten und können nicht zusätzlich abgerechnet werden; dies gilt auch, wenn Verfahren wie Trittschaum oder Scan-Technik zum Einsatz kommen."
bb) … soweit Zusätze (08.99.99 ff) jeweils nur nach gesonderter ärztlicher Verordnung für abrechenbar erklärt werden.
cc) "Sofern ein Lederbezug notwendig ist, so ist dieser im Festbetrag enthalten."

b) festzustellen, dass die Festbetragsfestsetzung vom 1.12.2004 für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2006 rechtswidrig war, soweit Bruttopreise, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden Höhe umfassen, Paarpreise oder Stückpreise festgesetzt worden sind und soweit die Abrechenbarkeit von Hilfsmitteln von einer besonderen ärztlichen Begründung abhängig gemacht worden ist.

2) hinsichtlich der Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie festzustellen, dass die Festbetragsfestsetzung vom 1.12.2004 für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2006 rechtswidrig war, soweit Bruttopreise festgesetzt worden sind, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden Höhe enthalten.

3) hinsichtlich der Festsetzung von Festbeträgen für Inkontinenzhilfen

a) den Beschluss vom 1.12.2004 in der Fassung des Beschlusses vom 23.10.2006 aufzuheben, soweit Bruttopreise festgesetzt worden sind, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden Höhe enthalten;

b) festzustellen, dass die Festbetragsfestsetzung vom 1.12.2004 für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2006 insoweit rechtswidrig war, als mit dem Festbetrag nicht nur sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen, abgegolten sein sollten, sondern auch "andere Dienstleistungen".

4) hinsichtlich der Festsetzung von Festbeträgen für Stomaartikel

a) den Beschluss vom 1.12.2004 in der Fassung des Beschlusses vom 23.10.2006 aufzuheben,
aa) soweit von dem Festbetrag nicht nur sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen, umfasst werden, sondern auch "andere Serviceleistungen";
bb) soweit geregelt ist: "Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei den Produkten "geschlossener Beutel" (29.26.01) und den Stoma-Kappen/Minibeuteln (29.26.04) ein (ggf. integrierter) Filter vom Festbetrag umfasst wird. Bei den Ausstreifbeuteln sind der Verschluss und ein (ggf. integrierter) Filter vom Festbetrag umfasst. Filter, die zusätzlich benötigt werden, können weiterhin unter der Position 29.26.11.1 abgerechnet werden, sofern sie verordnet wurden. Zur Verdeutlichung wurde diese Position in der Festbetragsstruktur in "Zusatzfilter" umbenannt. Von dem Festbetrag für Urostomie-Beutel (29.26.03) sind Abflussventil/-adapter und Verschluss umfasst. Bei Beuteln mit Hautschutzring (…) wird dieser vom Festbetrag umfasst. Nur Hautschutzringe, die zusätzlich benötigt werden, können bei Verordnung weiterhin unter der Position 29.26.11.2. abgerechnet werden. Zusätzliche Beutelüberzüge aus Vlies sind nicht abrechenbar bei Beuteln mit Vlies."

b) festzustellen, dass die Festbetragsfestsetzung vom 1.12.2004 für den Zeitraum 1.1.2005 bis 31.12.2006 insoweit rechtswidrig war,
aa) als Bruttopreise festgesetzt worden sind, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden Höhe enthalten sollten;
bb) als mit dem Festbetrag nicht nur sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen, abgegolten sein sollten, sondern auch "andere Dienstleistungen".

17

Die Beklagte verteidigt das Urteil des LSG und beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

18

Die Beigeladenen haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

19

Die Revisionen der Kläger sind zulässig und zum Teil begründet, überwiegend jedoch unbegründet. Das LSG hat die Berufungen gegen die beiden klageabweisenden Entscheidungen des SG nur mit den aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringfügigen Einschränkungen zu den Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 bezüglich der Hilfsmittel zur Kompressionstherapie zurückgewiesen. Soweit das LSG diese Festsetzungen hinsichtlich der Anordnung "Die Körpermaße sind auf der Basis der vorgenannten Maßschemas vollständig bei der Abrechnung anzugeben" aufgehoben (Festsetzungs-Beschluss vom 23.10.2006) bzw dessen Rechtswidrigkeit festgestellt hat (Festsetzungs-Beschluss vom 1.12.2004), ist das Berufungsurteil rechtskräftig geworden, weil weder der Beklagte noch die Beigeladenen dagegen Revision eingelegt haben. Die allein von den Klägern eingelegten Revisionen sind jedoch in weiterem Umfang als vom LSG angenommen begründet, weil die Festbetragsfestsetzungen einige weitere rechtswidrige Passagen aufweisen.

20

A. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind sämtliche Beschlüsse der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen über die Festsetzung von Festbeträgen für die Produktgruppen Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie und Stomaartikel für die Zeit ab 1.1.2005, und zwar unabhängig davon, ob sie sich zwischenzeitlich durch Neufestsetzungen und Zeitablauf erledigt haben oder - wie die Beschlüsse vom 23.10.2006 zu den Festbeträgen für Inkontinenzhilfen und Stomaartikel - bis heute in Kraft sind. Ferner sind Streitgegenstand des Revisionsverfahrens die Beschlüsse des Beklagten vom 12.12.2011 über die Neufestsetzung von Festbeträgen für Einlagen und Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, die seit dem 1.3.2012 in Kraft und bis heute gültig sind. Es geht damit um insgesamt 14 Festbetragsfestsetzungen, und zwar

- um 5 Festbetragsfestsetzungen für Einlagen:
 (1) Beschluss vom 1.12.2004, Gültigkeitsdauer 1.1.2005 bis 30.6.2006,
(2) Beschluss vom 11.5.2006, Gültigkeitsdauer 1.7.2006 bis 31.12.2006,
(3) Beschluss vom 23.10.2006, Gültigkeitsdauer 1.1.2007 bis 29.2.2008,
(4) Beschluss vom 3.12.2007, Gültigkeitsdauer 1.3.2008 bis 29.2.2012,
(5) Beschluss vom 12.12.2011, gültig ab 1.3.2012;
- um 2 Festbetragsfestsetzungen für Inkontinenzhilfen:
 (1) Beschluss vom 1.12.2004, Gültigkeitsdauer 1.1.2005 bis 31.12.2006,
(2) Beschluss vom 23.10.2006, gültig ab 1.1.2007;
- um 5 Festbetragsfestsetzungen für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie:
(1) Beschluss vom 1.12.2004, Gültigkeitsdauer 1.1.2005 bis 30.6.2006,
(2) Beschluss vom 11.5.2006, Gültigkeitsdauer 1.7.2006 bis 31.12.2006,
(3) Beschluss vom 23.10.2006, Gültigkeitsdauer 1.1.2007 bis 31.12.2007,
(4) Beschluss vom 17.9.2007, Gültigkeitsdauer 1.1.2008 bis 29.2.2012,
(5) Beschluss vom 12.12.2011, gültig ab 1.3.2012;
- um 2 Festbetragsfestsetzungen für Stomaartikel:
(1) Beschluss vom 1.12.2004, Gültigkeitsdauer 1.1.2005 bis 31.12.2006,
(2) Beschluss vom 23.10.2006, gültig ab 1.1.2007.

21

1. Sämtliche Beschlüsse der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen sowie die beiden Beschlüsse des Beklagten zu den Festbetragsfestsetzungen für die vier Hilfsmittelgruppen (§ 36 SGB V) sind als Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen (§ 31 S 2 SGB X) erlassen (vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 15) und im Bundesanzeiger bekannt gemacht (§ 37 Abs 3 S 2 und Abs 4 SGB X) worden. Die Frage der Einbeziehung späterer Neufestsetzungen in das Klageverfahren über die Anfechtung der vier ursprünglichen Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 richtet sich damit nach § 96 SGG, der grundsätzlich auch für ändernde und ersetzende Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen gilt(BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 18); nichts anderes gilt für die Einbeziehung erst während des Berufungsverfahrens beschlossener Neufestsetzungen in den Rechtsstreit (§ 153 Abs 1 iVm § 96 SGG).

22

2. Die Anwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG auf die hier betroffenen Allgemeinverfügungen beruht auf deren spezieller Ausgestaltung, und zwar im Hinblick auf ihre Wirkungsdauer. Nach § 36 Abs 2 S 1 SGB V setzt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30.6.2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) für die nach § 36 Abs 1 S 1 SGB V bestimmten Hilfsmittel - bisher sind dies Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, Stomaartikel sowie Seh- und Hörhilfen - einheitliche Festbeträge fest. Gemäß § 36 Abs 3 iVm § 35 Abs 5 S 3 SGB V sind diese Festbeträge mindestens einmal im Jahr zu überprüfen und in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Dieser gesetzliche Auftrag kann in der Weise erfüllt werden, dass der Festbetrag für ein Hilfsmittel von vornherein nur für eine bestimmte Zeit - zB ein Jahr - festgesetzt wird und nach Fristablauf je nach dem Ergebnis der Überprüfung entweder ein neuer, der geänderten Marktlage angepasster Festbetrag festgesetzt oder die vorhandene Festsetzung um einen weiteren Zeitraum - zB wiederum ein Jahr - verlängert wird. In diesen Fällen ist eine Festsetzung von vornherein befristet, sodass eine sich zeitlich anschließende Festsetzung von § 96 Abs 1 SGG nicht erfasst werden kann; denn ein befristeter Verwaltungsakt wird durch einen sich zeitlich anschließenden Verwaltungsakt weder geändert noch ersetzt, wie es aber für die Einbeziehung des neuen Verwaltungsakts in das Klageverfahren zum vorhergehenden Verwaltungsakt erforderlich ist. Der gesetzliche Auftrag kann aber auch durch eine unbefristete Festsetzung eines Festbetrages erfüllt werden. Deren Wirksamkeit wird im Zuge der Neufestsetzung des Festbetrages nachträglich auf den Tag vor Inkrafttreten der neuen Festsetzung begrenzt. Mit der neuen Allgemeinverfügung wird dann stets die zeitlich vorhergehende Allgemeinverfügung für die Zeit ab Inkrafttreten der neuen Festsetzung aufgehoben. Diesen Weg haben die Beigeladenen und ab 1.7.2008 der Beklagte in allen bisherigen Festbetragsfestsetzungen gewählt. Die Festsetzung unbefristeter Festbeträge führt aber dazu, dass Verwaltungsakte mit unbegrenzter Dauerwirkung vorliegen, die durch die nachfolgenden Verwaltungsakte jeweils für die Zukunft, nämlich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Festsetzung, aufgehoben werden. Eine solche Vorgehensweise führt zur Änderung des angefochtenen vorhergehenden Verwaltungsakts gemäß § 96 Abs 1 SGG und damit zur Einbeziehung in das bereits anhängige Klageverfahren zur begehrten Aufhebung der jeweils vorhergehenden Festbetragsfestsetzung.

23

Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - nicht die festgesetzten Geldbeträge selbst umstritten sind, sondern ergänzende Bestimmungen der Allgemeinverfügungen, die aus Sicht der Kläger die angeblichen Festbeträge in Wahrheit zu Abgabepreisen machen und darüber hinaus Abrechnungsregelungen enthalten, die der vertraglichen Vereinbarung nach § 127 SGB V aF vorbehalten waren.

24

a) Die Festsetzung jeweils unbefristeter Festbeträge führt dazu, dass bei der Aufhebung einer als rechtswidrig erkannten späteren Allgemeinverfügung notwendigerweise die vorhergehende wieder wirksam wird, weil die aufhebende Regelung entfallen ist und deshalb die vorhergehende Festsetzung unbefristet weitergilt. Wird dann auch diese vorhergehende Allgemeinverfügung aufgehoben, tritt wiederum deren Vorgängerregelung in Kraft. Wegen dieser Rechtswirkungen muss die gesamte Kette von unbefristeten Allgemeinverfügungen in das zur Anfechtung der ersten Festbetragsfestsetzung eingeleitete Klageverfahren nach § 96 Abs 1 SGG einbezogen werden(so auch der 1. Senat des BSG zu aufeinanderfolgenden unbefristeten Festbetragsfestsetzungen nach § 35 SGB V für Arzneimittel, vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 11 und BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 16 - 18).

25

b) Die vom LSG gegen die Anwendbarkeit des § 96 SGG ins Feld geführte Befürchtung der Unübersichtlichkeit des Streitstoffs bei einer Vielzahl von einzubeziehenden Verwaltungsakten und dem daraus resultierenden Widerspruch zur Prozessökonomie teilt der erkennende Senat nicht. Da eine spätere unbefristete Festbetragsfestsetzung immer zur Änderung der vorhergehenden unbefristeten Festsetzung führt, ist § 96 Abs 1 SGG unabhängig davon einschlägig, ob im Einzelfall eine Detailregelung zusätzlich geändert wird. Der Gefahr der Unübersichtlichkeit des Streitstoffs kann insbesondere dadurch begegnet werden, dass über eine Klage zügig entschieden wird, sodass sich die Frage der Einbeziehung einer nachfolgenden Festbetragsfestsetzung nach § 96 Abs 1 SGG möglichst gar nicht oder eventuell nur einmal, aber jedenfalls nicht - wie hier - gleich mehrmals stellt.

26

c) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass sowohl die Kläger als auch das SG und das LSG zur Unübersichtlichkeit des Streitstoffs dadurch beigetragen haben, dass die Festbetragsfestsetzungen gleich für vier Produktgruppen mit nur einer Klage, also nicht getrennt mit vier Klagen, angefochten worden sind und die Gerichte gar nicht die - sich ohne Weiteres anbietende - Möglichkeit der Verfahrenstrennung entsprechend den vier Produktgruppen (§ 202 SGG iVm § 145 Abs 1 ZPO) in Erwägung gezogen haben. So hätte durchaus berücksichtigt werden können, dass die Festbetragsfestsetzungen für die vier Produktgruppen nicht in einer einheitlichen Regelung zusammengefasst, sondern in vier separaten Allgemeinverfügungen getroffen worden sind. Daneben gab es am 1.12.2004, 23.10.2006 und 12.12.2011 noch Festbetragsfestsetzungen für Hörhilfen (BAnz vom 10.12.2004 Nr 235a, vom 17.11.2006 Nr 216a und vom 1.2.2012 Nr 18 S 382) sowie Festbetragsfestsetzungen für Sehhilfen am 1.12.2004, 23.10.2006 und 3.12.2007 (BAnz vom 10.12.2004 Nr 235a, vom 17.11.2006 Nr 216a und vom 12.2.2008 Nr 23 S 454). Die Festbetragsfestsetzungen für Hör- und Sehhilfen sind zu Recht nicht angefochten worden, weil diese Hilfsmittel nicht zum Leistungsbereich der Orthopädietechnik gehören, den die Kläger repräsentieren. Sämtliche jeweils am gleichen Tag erfolgten Festbetragsfestsetzungen für die diversen Produktgruppen sind stets in separaten Allgemeinverfügungen getroffen, aber dann in einer gemeinsamen Bekanntmachung im Bundesanzeiger (§ 36 Abs 3 iVm § 35 Abs 7 S 1 SGB V) veröffentlicht worden. Im Interesse der Übersichtlichkeit des Streitstoffs hätte es sich angeboten, spätestens im Berufungsverfahren eine Verfahrenstrennung entsprechend den vier betroffenen Produktgruppen vorzunehmen. Der Beklagte mag überlegen, ob künftig die einzelnen Festbetragsbeschlüsse nicht nur in getrennten Allgemeinverfügungen erlassen, sondern auch getrennt bekannt gemacht werden, um die Übersichtlichkeit der Materie zu fördern.

27

3. Wegen der von Gesetzes wegen über § 96 Abs 1 SGG bewirkten Einbeziehung aller bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG (19.1.2011) erlassenen Festbetragsfestsetzungen für Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie und Stomaartikel in das Berufungsverfahren war es prozessual rechtswidrig, dass das LSG nur über die Festsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 entschieden hat, nicht aber auch über die weiteren Festbetragsfestsetzungen vom 11.5.2006, 17.9.2007 und 3.12.2007, die nach § 96 Abs 1 SGG ebenfalls Gegenstand des Verfahrens geworden waren. Der Unsicherheit der Beteiligten über die Anwendbarkeit des § 96 SGG sollte zwar dadurch begegnet werden, dass die Kläger "im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis" die Aufhebungsanträge und Feststellungsbegehren ausdrücklich auf die Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 beschränkt haben. Ein solches Vorgehen war jedoch prozessual unzulässig, weil wegen der speziellen Art der inhaltlichen und formalen Verknüpfung der aufeinander folgenden Festbetragsfestsetzungen nur eine Gesamtbetrachtung der jeweiligen Kette von Allgemeinverfügungen möglich war, einzelne Glieder aus der Kette also nicht herausgenommen werden durften. Die fehlende Entscheidung des LSG über die Rechtmäßigkeit der Festbetragsfestsetzungen vom 11.5.2006, 17.9.2007 und 3.12.2007 ist revisionsrechtlich jedoch unschädlich, weil diese Festsetzungen abgelaufene Zeiträume betreffen und durch spätere Festsetzungen ersetzt worden sind. Über die deshalb allein noch denkbare Frage der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Allgemeinverfügungen war im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden, weil die Kläger das Feststellungsbegehren jeweils auf die Zeit der Geltung der vier ursprünglichen Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 beschränkt haben, über die auch das LSG befunden hat.

28

Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die Allgemeinverfügungen vom 11.5.2006, 17.9.2007 und 3.12.2007 durch separate Klagen in den Verfahren S 28 KR 1901/06 und S 73 KR 3215/07 beim SG Berlin angefochten worden sind. Diesen Klagen steht wegen der Einbeziehung der Allgemeinverfügungen in den vorliegenden Rechtsstreit nach § 96 SGG von Anfang an der zur Unzulässigkeit der Klage führende Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit(§ 202 SGG iVm § 17 Abs 1 S 2 GVG) entgegen. Über diese Klagen hat unverändert das SG Berlin zu befinden. Nicht zuständig ist das LSG Berlin-Brandenburg, auf das die erstinstanzliche Zuständigkeit für Klagen gegen die Festsetzung von Festbeträgen gemäß § 29 Abs 4 SGG idF des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (SGG ArbGGÄndG, BGBl I 444) mit Wirkung ab 1.4.2008 übergegangen ist. Dieser Zuständigkeitswechsel erstreckt sich nach § 98 SGG iVm § 17 Abs 1 S 1 GVG indes nicht auf die schon vor dem 1.4.2008 erhobenen und damit rechtshängig (§ 94 SGG) gewordenen Klagen (vgl Keller in Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 29 RdNr 4).

29

4. In das vorliegende Verfahren einbezogen sind ausnahmsweise auch die erst während des laufenden Revisionsverfahrens ergangenen Festbetragsfestsetzungen vom 12.12.2011 für Einlagen und Hilfsmittel zur Kompressionstherapie (BAnz vom 1.2.2012 Nr 18, S 379-381).

30

a) Die Regelung des § 96 SGG wird für ändernde und ersetzende Verwaltungsakte, die erst während des Revisionsverfahrens erlassen werden, durch § 171 Abs 2 SGG modifiziert: "Wird während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so gilt der neue Verwaltungsakt als mit der Klage beim SG angefochten, es sei denn, dass der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird." Diese Vorschrift gilt in entsprechender Anwendung auch für Verwaltungsakte, die mit einer unmittelbar beim LSG anzubringenden Klage angefochten werden müssen. In solchen Fällen gilt ein während des Revisionsverfahrens erlassener ändernder oder ersetzender Verwaltungsakt als mit der Klage beim erstinstanzlich zuständigen LSG angefochten. Für Klagen gegen die Festsetzung von Festbeträgen, die ab 1.4.2008 erhoben werden, ist nach § 29 Abs 4 Nr 3 SGG das LSG Berlin-Brandenburg erstinstanzlich zuständig, sodass gemäß § 171 Abs 2 SGG in analoger Anwendung die Allgemeinverfügung über die Neufestsetzung eines Festbetrages, die während eines laufenden Revisionsverfahrens über die vorangegangene Festsetzung und nach dem 31.3.2008 erlassen wird, grundsätzlich als mit der Klage beim LSG Berlin-Brandenburg angefochten gilt (so bereits BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 19).

31

b) Von diesem Regelfall gibt es jedoch mehrere Ausnahmen: Der ändernde oder ersetzende Verwaltungsakt wird unmittelbar Gegenstand des Revisionsverfahrens, wenn der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt wird (§ 171 Abs 2 letzter Halbs, 1. Alt SGG). Der Kläger ist dann nicht mehr beschwert und muss die Klage oder die Revision zurücknehmen oder die Hauptsache für erledigt erklären (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 171 RdNr 4). Die zunächst eingetretene Rechtshängigkeit einer Anfechtungsklage gegen den ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt beim SG/LSG wird wieder beseitigt, wenn dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird (§ 171 Abs 2 letzter Halbs, 2. Alt SGG); der Kläger kann diesen Effekt nur dadurch vermeiden, dass er den neuen Verwaltungsakt vor dem SG/LSG separat anficht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 171 RdNr 4). Ein neuer Verwaltungsakt gilt schließlich auch dann nicht als durch Klage beim erstinstanzlich zuständigen Gericht angefochten, wenn es sich um einen nur wiederholenden Verwaltungsakt mit neuer Begründung handelt oder wenn eine bereits getroffene rechtliche Regelung durch den neuen Verwaltungsakt lediglich "fortgeschrieben" wird (BSGE 15, 105, 107 = SozR Nr 3 zu § 171 SGG; BSGE 59, 137, 141 = SozR 2200 § 368a Nr 13). Aus prozessökonomischen Gründen kann das BSG in solchen Fällen über den neuen Verwaltungsakt mitentscheiden, wenn es ohne neue Ermittlungen möglich ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, RdNr 3b). Zwei dieser Ausnahmen sind im vorliegenden Falle einschlägig, sodass das BSG über die beiden Festbetragsfestsetzungen vom 12.12.2011 in eigener Zuständigkeit entscheiden konnte.

32

c) Erstens sind die Kläger durch die neuen Allgemeinverfügungen vom 12.12.2011 klaglos gestellt worden; der Beklagte hat konsequent auf die Verwendung des Begriffes "Preis" (Abgabepreis, Stückpreis, Paarpreis, Mehrpreis) verzichtet und nur noch den Begriff "Festbetrag" verwendet, sodass der Einwand der Festsetzung von Abgabepreisen schon vom Wortlaut her nicht mehr erhoben werden konnte. Da die Anfechtung der Festbetragsfestsetzung für die Hilfsmittel zur Kompressionstherapie nach dem Teilerfolg im Berufungsverfahren zuletzt auf diesen Einwand beschränkt war, hat der Kläger auch folgerichtig auf einen Aufhebungsantrag zum Beschluss vom 12.12.2011 verzichtet, sodass das BSG hierüber keine Entscheidung in der Sache mehr treffen musste. In der Antragsbeschränkung liegt eine konkludent erklärte Teilrücknahme der Klage nach § 102 Abs 1 SGG(BSG SozR Nr 10 zu § 102 SGG; BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2; BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 7b). Hinsichtlich der Festbetragsfestsetzung für Einlagen sind die Kläger durch die Vermeidung des Begriffes "Preis" jedoch nur teilweise klaglos gestellt worden, weil insoweit auch Einwände gegen Abrechnungsregelungen erhoben worden waren, denen der Beklagte in der Neufestsetzung vom 12.12.2011 nicht Rechnung getragen hat.

33

d) Zweitens greift hier die von der Rechtsprechung für lediglich wiederholende bzw fortschreibende Verwaltungsakte entwickelte Ausnahme vom Regelfall des § 171 Abs 2 SGG. Soweit in der Allgemeinverfügung vom 12.12.2011 zu den Festbeträgen für Einlagen von den Klägern nicht akzeptierte Abrechnungsregelungen enthalten sind, handelt es sich ausnahmslos um wortgleiche Wiederholungen von Regelungen, die bereits in der ersten Festbetragsfestsetzung vom 1.12.2004 enthalten und in die nachfolgenden Festsetzungen ebenfalls aufgenommen worden waren. Die zum 1.1.2005 erstmals getroffenen Regelungen sind also einfach wiederholt bzw fortgeschrieben worden, haben ihren Regelungsgehalt damit nicht verändert und deshalb auch zu keiner erweiterten Beschwer der Kläger geführt. Neue Ermittlungen zum Sachverhalt waren nicht erforderlich. Deshalb konnte der erkennende Senat auch über die Frage der Rechtswidrigkeit der von den Klägern beanstandeten Regelungen in der Allgemeinverfügung vom 12.12.2011 zu den Festbeträgen für Einlagen in eigener Zuständigkeit befinden.

34

B. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

35

1. Die Kläger haben ihre Klagen im Berufungsverfahren auf den Beklagten umgestellt, um nach der Änderung der Zuständigkeit für Festbetragsfestsetzungen in § 36 Abs 2 S 1 iVm § 217f Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) dem mit dieser Funktionsnachfolge verbundenen gesetzlichen Beteiligtenwechsel von den jetzigen Beigeladenen zum Beklagten Rechnung zu tragen (vgl hierzu BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 13; BSGE 102, 248 = SozR 4-5050 § 15 Nr 6, RdNr 14; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 20; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 12).

36

2. Die dem Streitgegenstand entsprechende Klageart ist für die Festbetragsfestsetzung in der aktuell gültigen Fassung die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG); denn bei Festbetragsfestsetzungen für Hilfsmittel handelt es sich um Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen (§ 31 S 2 SGB X). Es findet sich hier für jede der vier Produktgruppen eine ununterbrochene Reihe von jeweils zwei (Inkontinenzhilfen und Stomaartikel) bzw jeweils fünf (Einlagen und Hilfsmittel zur Kompressionstherapie) unbefristeten Allgemeinverfügungen, wobei die neuere Fassung jeweils mit Wirkung für die Zukunft die vorausgegangene Fassung aufhob und ersetzte. Die Ausgestaltung der Allgemeinverfügungen als jeweils unbefristet hat zur Folge, dass im Falle einer vollständigen Aufhebung der aktuell gültigen Fassung die zuvor geltende Fassung und bei deren Aufhebung dann die davor geltende Festbetragsregelung usw wieder in Kraft treten würde (so auch BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 18 für unbefristete Festbetragsfestsetzungen bei Arzneimitteln). Ansonsten aber sind Regelungen aus früheren Fassungen, die sich in einer späteren Fassung so nicht wiederfinden, mit dem Ende der Gültigkeitsdauer der früheren Fassung erledigt. Für die Feststellung der Rechtswidrigkeit in dieser Weise erledigter Regelungen steht die Möglichkeit des Übergangs auf Fortsetzungsfeststellungsklagen (§ 131 Abs 1 S 3 SGG)zur Verfügung. Hiervon haben die Kläger bei allen vier Produktgruppen Gebrauch gemacht.

37

3. Die Kläger sind klagebefugt. Eine Anfechtungsklage ist nach § 54 Abs 1 S 2 SGG nur zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den angefochtenen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Dies setzt voraus, dass die Verletzung der eigenen Rechte oder der in zulässiger Prozessstandschaft vertretenen Rechte eines Dritten geltend gemacht wird und die Verletzung dieser Rechte danach auch möglich erscheint (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 54 RdNr 9 bis 12a mwN). Das ist hier der Fall.

38

a) Zu Recht wenden sich die Kläger hier nicht gegen die gesetzliche Möglichkeit selbst, Festbeträge für Hilfsmittel festzusetzen (§ 36 SGB V). Das insoweit allein in Betracht kommende Grundrecht der Berufsfreiheit der Leistungserbringer (Art 12 Abs 1 GG) ist durch die gesetzliche Einführung von Festbeträgen für Arzneimittel und Hilfsmittel (§§ 35, 36 SGB V) nicht berührt. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 17.12.2002 (1 BvL 28/95, 29/95, 30/95 - BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) entschieden, dass Arzneimittelhersteller und Hilfsmittellieferanten in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht tangiert sind, soweit der Gesetzgeber die (früheren) Spitzenverbände der Krankenkassen zur Festsetzung von Festbeträgen für Arznei- und Hilfsmittel ermächtigt hat. Im vorliegenden Rechtsstreit wird aber gerade die rechtswidrige Überschreitung dieser gesetzlichen Ermächtigung gerügt, weil die Spitzenverbände bei genauer Betrachtung der Bekanntmachungen über die Festbetragsfestsetzungen keine Festbeträge, sondern Abgabepreise festgesetzt und darüber hinaus auch noch der vertraglichen Ebene vorbehaltene Abrechnungsregelungen einseitig eingeführt hätten.

39

b) Mit diesem Vorbringen machen die Kläger die Verletzung eigener Rechte und - in gesetzlicher Prozessstandschaft - die Verletzung der Rechte der von ihnen vertretenen Leistungserbringer geltend, und eine Verletzung dieser Rechte erscheint zumindest denkbar. Damit ist die Klagebefugnis der Kläger zu bejahen.

40

aa) Handwerksinnungen haben ua die Aufgabe, die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern (§ 54 Abs 1 S 1 Handwerksordnung - HwO) und sind daher berechtigt, diese Interessen auch im gerichtlichen Verfahren in Prozessstandschaft zu verfolgen. Sie können daher neben ihren eigenen subjektiven Rechten auch die subjektiven Rechte ihrer Mitglieder, also der als Hilfsmittelerbringer tätigen natürlichen und juristischen Personen (§ 126 SGB V), im Wege der Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt geltend machen. Als verletztes eigenes Recht der Kläger zu 2) bis 6) kommt hier die Vertragsabschlusskompetenz nach § 127 SGB V aF sowie für die Zeit ab 1.4.2007 nach § 127 SGB V idF des GKV-WSG in Betracht. Als verletztes Recht ihrer Mitglieder steht die Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) in Form der Preisbildungsfreiheit zur Diskussion.

41

bb) Der Kläger zu 1) ist aus den gleichen Gründen klagebefugt. Als Bundesinnungsverband für das Orthopädiemechaniker- und Bandagisten-Handwerk ist er eine juristische Person des privaten Rechts (§ 85 Abs 2 S 1 iVm § 80 S 1 HwO). Nach § 85 Abs 2 S 1 iVm § 79 HwO und § 5 seiner Satzung können ihm neben den Landesinnungsverbänden(§ 79 Abs 1 HwO) auch einzelne Handwerksinnungen (§ 52 HwO), die nicht selbst einem Landesinnungsverband angeschlossen sind, sowie selbstständige Handwerker (§ 79 Abs 3 HwO) als Einzelmitglieder angehören. Als verletztes eigenes Recht kommt wiederum die auch ihm zustehende Vertragsabschlusskompetenz nach § 127 SGB V in Betracht. In gesetzlicher Prozessstandschaft kann der Kläger zu 1) zumindest die Rechte der ihm angeschlossenen Einzelmitglieder, hier in Form der Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG), geltend machen, weil er insoweit keine andere Funktion ausfüllt als eine regionale Handwerksinnung.

42

cc) Auf die Frage, ob die Kläger zusätzlich auch die Verletzung der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) aus eigenem Recht geltend machen können, kommt es nach alledem nicht mehr an. Ebenso kann es offenbleiben, ob der Kläger zu 1) befugt ist, die Rechte der ihm angeschlossenen Landesinnungsverbände und Handwerksinnungen im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft geltend zu machen, oder ob er nur als gewillkürter Prozessstandschafter auftreten könnte, was aber im konkreten Fall ausgeschlossen wäre, weil ihm keine entsprechenden Vollmachten für dieses Verfahren erteilt worden sind.

43

4. Die Fortsetzungsfeststellungsklagen sind ebenso zulässig. Das Rechtsschutzinteresse der Kläger an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit früherer Regelungen ist vorhanden, weil die Kläger ernsthaft die Möglichkeit in Betracht ziehen, im Auftrag ihrer Mitglieder die Beigeladenen und den Beklagten auf Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung in Haftung zu nehmen, weil es den Leistungserbringern faktisch unmöglich gemacht worden sei, in der Vergangenheit bei der Preisgestaltung über die Festbeträge hinauszugehen, nachdem diese Beträge in den Allgemeinverfügungen fälschlich bzw missverständlich als "Preise", also im Verhältnis zu den Versicherten maßgebliche Abgabepreise, dargestellt worden seien. Außerdem seien zu Unrecht diverse Zusatzleistungen als gar nicht bzw nicht neben dem Festbetrag abrechenbar deklariert gewesen. Dies reicht zur Bejahung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses der Kläger und ihrer Mitglieder aus.

44

C. Da der Beklagte keine Revision eingelegt hat und auch die Beigeladenen das Berufungsurteil nicht angefochten haben, ist über die Klagen nur im Umfang ihrer Abweisung durch das LSG zu entscheiden. Soweit das LSG festgestellt hat, dass die Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 teilweise rechtswidrig waren und die Festsetzung vom 23.6.2006 insoweit aufgehoben worden ist, ist das Berufungsurteil somit rechtskräftig geworden. Dies betrifft die zur Produktgruppe der Hilfsmittel zur Kompressionstherapie angeordnete Regelung: "Die Körpermaße sind auf der Basis des vorgenannten Maßschemas vollständig bei der Abrechnung anzugeben". Im Übrigen sind die Revisionen der Kläger nur zum Teil begründet.

45

1. Rechtsgrundlage der Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004, 11.5.2006 und 23.10.2006 war § 36 SGB V in der ab 1.1.2004 gültigen Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190). Diese alte Fassung (aF) galt bis zum 31.3.2007. Sie wurde durch die Neufassung der Vorschrift durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) abgelöst, die am 1.4.2007 in Kraft getreten ist (nF). Diese neue Fassung ist für die Festsetzungen vom 17.9.2007, 3.12.2007 und 12.12.2011 einschlägig. Dabei ist hier über die Festsetzungen vom 17.9.2007 (zu den Hilfsmitteln zur Kompressionstherapie) sowie 11.5.2006 und 3.12.2007 (zu den Einlagen) nicht zu entscheiden, weil die Kläger ihre Fortsetzungsfeststellungsklagen zur Feststellung der Rechtswidrigkeit in den aktuellen Fassungen nicht mehr enthaltener Regelungen auf die vier Ursprungsfassungen vom 1.12.2004 und deren jeweilige Geltungsdauer beschränkt haben.

46

Nach § 33 Abs 2 S 1 und 2 SGB V aF trugen die Krankenkassen die Kosten eines Hilfsmittels, für das ein Festbetrag nach § 36 SGB V festgesetzt war, bis zur Höhe dieses Betrages, während sie für andere Hilfsmittel die jeweils vertraglich vereinbarten Preise gemäß § 127 Abs 1 S 1 SGB V aF übernahmen. Mit dem Festbetrag erfüllten die Krankenkassen in diesen Fällen ihre Leistungspflicht (§ 12 Abs 2 SGB V). Nach § 36 Abs 1 und 2 SGB V aF bestimmten die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt wurden (sog Festbetragsgruppen), und setzten gemeinsam und einheitlich erstmals bis zum 31.12.2004 für die nach Abs 1 bestimmten Hilfsmittel einheitliche Festbeträge fest (§ 36 Abs 2 S 1 SGB V aF).

47

Zum 1.4.2008 ist § 33 Abs 2 S 1 und 2 SGB V aF aufgehoben worden, ohne dass sich die Rechtslage geändert hat. Die Regelung war überflüssig, weil sich deren Inhalt ohne Weiteres aus § 33 Abs 6 und 7 SGB V nF und § 12 Abs 2 SGB V ergibt. Danach übernimmt eine Krankenkasse nach wie vor die mit den Leistungserbringern für die Hilfsmittel vereinbarten Preise, im Falle der Festsetzung eines Festbetrages indes nur bis zu dessen Höhe. Zur Festsetzung der Festbeträge ist nach § 36 Abs 1 S 2 SGB V nF jedoch nunmehr der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zuständig. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses (§ 139 SGB V) in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Hilfsmittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden (§ 36 Abs 1 S 2 SGB V nF). Auf dieser Basis sind dann für die Produktgruppen einheitliche Festbeträge festzusetzen (§ 36 Abs 2 S 1 SGB V nF).

48

Diesen gesetzlichen Vorgaben sind die Spitzenverbände mit den Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 sowie der Beklagte mit der Festbetragsfestsetzung vom 12.12.2011 zu den Einlagen nicht in vollem Umfang nachgekommen. Die Einwände der Kläger sind zum Teil begründet.

49

2. Der alle vier Produktgruppen betreffende Vorwurf der Kläger, die Spitzenverbände hätten zum 1.1.2005 Abgabepreise statt Festbeträge festgesetzt und damit rechtswidrig gehandelt, ist insoweit begründet, als jene von den Klägern beanstandeten Klauseln, in denen der Begriff "Preis" (Bruttopreis, Paarpreis, Stückpreis) verwendet worden ist, von der Ermächtigungsnorm des § 36 SGB V aF nicht gedeckt waren; deshalb war die Rechtswidrigkeit dieser Klauseln festzustellen. Das gilt für alle vier Allgemeinverfügungen vom 1.12.2004 gleichermaßen.

50

Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben in den Festsetzungen vom 1.12.2004 nicht nur die Begriffe "Festbetrag" und "Festbeträge" verwendet, sondern an diversen Stellen davon gesprochen, es gehe um einen "Bruttopreis", "Mehrpreis", "Paarpreis" bzw "Stückpreis". Damit waren aus Sicht der Spitzenverbände möglicherweise nur - die jeweilige Mehrwertsteuer einschließende - Bruttobeträge (also keine Nettobeträge), Mehrbeträge für extra zu vergütende Zusatzleistungen sowie Beträge für Paare bzw Einzelstücke gemeint. Dieser Sinn der "Preis"-Begriffe ist allerdings den veröffentlichten Texten der Allgemeinverfügungen nicht eindeutig zu entnehmen. Objektiv stellt der "Preis" einer Ware jenen Geldbetrag dar, den der Anbieter (Verkäufer) für die Veräußerung der Ware verlangt und den der Interessent (Käufer) zu zahlen hat, um das Eigentum übertragen zu bekommen ("Kaufpreis", vgl § 433 Abs 2 BGB). Die mit den Festbetragsregelungen (§§ 35, 36 SGB V) nicht vertrauten Beteiligten, also insbesondere die Versicherten, aber auch Leistungserbringer und Krankenkassenmitarbeiter, konnten ohne detaillierte Kenntnis des rechtlichen Hintergrundes den Eindruck gewinnen, es gehe bei den festgesetzten Beträgen um "Abgabepreise" für die Hilfsmittel, was zur Folge gehabt hätte, dass der Hilfsmittellieferant verpflichtet gewesen wäre, das Hilfsmittel zum angegebenen Betrag (Kaufpreis) an den Versicherten abzugeben, sodass also ein aus wirtschaftlichen Gründen erforderlicher höherer Preis gar nicht verlangt werden durfte und sich die finanzielle Beteiligung des Versicherten auf die übliche Zuzahlung (§ 33 Abs 8 SGB V) beschränkte. Die Hilfsmittelerbringer standen in dieser Situation stets vor der Frage, ob sie sich im Einzelfall mit dem - von der Krankenkasse geschuldeten - Festbetrag begnügen wollten oder andernfalls Gefahr liefen, dass der von der Vorstellung eines "Abgabepreises" (Kaufpreis) ausgehende Versicherte den geforderten höheren Preis nicht akzeptieren und sich an einen anderen Lieferanten wenden würde, der möglicherweise zum Festbetrag zu liefern bereit war. Die Verwendung der Begriffe "Bruttopreis", "Mehrpreis", "Stückpreis" und "Paarpreis" war also objektiv geeignet, der Festbetragsfestsetzung den Sinn einer Preisfestsetzung zu verleihen. Dies ist für die Frage der Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung nach § 36 SGB V maßgeblich. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes, auch in der Form einer Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB X, richtet sich nämlich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen(§§ 133, 157 BGB). Der objektive Sinngehalt einer Erklärung bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Dritten und nicht etwa danach, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 26; BSGE 76, 184, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 8; BSGE 89, 90, 100 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3). Es war deshalb nicht entscheidend, dass die Spitzenverbände in den Überschriften ihrer Bekanntmachungen jeweils den Begriff "Festbetrag" verwandt haben und nach den einleitenden Bemerkungen mit ihren Beschlüssen ausdrücklich die Umsetzung der ihnen in § 36 SGB V aF auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen, dh die Festsetzung von Festbeträgen, beabsichtigten. Die mehrfache Verwendung des nicht nur missverständlichen, sondern sachlich regelrecht unrichtigen Begriffes "Preis" vermittelte objektiv den Eindruck, dass die Spitzenverbände in den Allgemeinverfügungen vom 1.12.2004 über die ihnen gesetzlich übertragene Aufgabe hinaus allgemeine Abgabehöchstpreise festgelegt haben, sie also nicht nur den Umfang des Sachleistungsanspruchs der Versicherten gegenüber ihrer Krankenkassen begrenzen (§ 12 Abs 2 SGB V), sondern darüber hinaus ähnlich wie bei einer staatlichen Gebührenordnung einen Höchstpreis für alle Fälle bestimmen wollten, in denen zugelassene Leistungserbringer die erfassten Hilfsmittel an Käufer aller Art, also zB auch Privat- oder Nichtversicherte, abgeben. Daher waren diejenigen Klauseln der die Allgemeinverfügungen vom 1.12.2004 jeweils einleitenden "Allgemeinen Erläuterungen" rechtswidrig, in denen die Spitzenverbände von "Bruttopreisen", "Stückpreisen" und "Paarpreisen" gesprochen haben. Die Kläger haben nach § 131 Abs 1 S 3 SGG einen Anspruch darauf, dass die Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügungen vom 1.12.2004 insoweit festgestellt wird.

51

Die Verwendung des Begriffs "Mehrpreis" war nach alledem zwar auch fehlerhaft (vgl die Festbetragsfestsetzung für Einlagen vom 1.12.2004 zu Positionsnummer 08.99.99.0007, Mehrpreis für langsohlige Lederdecke: 3,22 Euro); insoweit schied die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung jedoch aus, weil die Kläger diese Klausel - offenbar irrtümlich - nicht gesondert gerügt und in ihren Feststellungsantrag nicht aufgenommen haben. An diese eingeschränkte Antragstellung war der erkennende Senat nach § 202 SGG iVm § 308 Abs 1 S 1 ZPO gebunden.

52

3. Unbegründet war hingegen der Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 23.10.2006 für Inkontinenzhilfen, soweit dort wiederum "Bruttopreise" festgesetzt worden sind.

53

Anders als in den Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 haben die Spitzenverbände in den Allgemeinverfügungen vom 23.10.2006 auf die Verwendung des Begriffs "Preis" bzw des Wortteils "…preis" durchgängig verzichtet. Stattdessen ist von "Bruttobeträgen" (statt Bruttopreis) und von Festbeträgen für ein Paar (statt Paarpreis) bzw für einzelne Einlagen (statt Stückpreis) die Rede. Der frühere "Mehrpreis" einer Einlage mit langsohliger Lederdecke wird hier als "Aufschlag" zum Festbetrag bezeichnet. Lediglich in den Allgemeinen Erläuterungen zu den Festbeträgen für Inkontinenzhilfen ist an einer Stelle noch von "Bruttopreisen" die Rede. Damit steht fest, dass die Spitzenverbände am 23.10.2006 tatsächlich nur, wie in § 36 SGB V angeordnet, Festbeträge für die vier Produktgruppen festgelegt haben und die einmalige Verwendung des fehlerhaften Begriffes "Bruttopreis" ein reines Redaktionsversehen darstellt. Für die Beteiligten war offensichtlich, dass auch hier nicht weiter von der Festsetzung eines Bruttoabgabepreises die Rede sein konnte, sondern - wie in den anderen Festsetzungen auch - nur von einem Bruttobetrag. Es ging also auch hier lediglich um die Klarstellung, dass der festgesetzte Festbetrag die gesetzliche Mehrwertsteuer bereits enthielt, es sich also nicht um einen Nettobetrag handelte, auf den zusätzlich noch Mehrwertsteuer entfiel.

54

Ergänzend ist anzumerken, dass der Beklagte in den Festbetragsfestsetzungen vom 12.12.2011 durchgängig nur noch von "Beträgen" spricht und die - missverständliche - Verwendung des Begriffes "Preis" vollständig vermeidet. Außerdem ist klargestellt, dass nunmehr die Festbeträge Nettobeträge sind, die jeweilige Mehrwertsteuer also noch hinzukommt.

55

4. Die Spitzenverbände der Krankenkassen waren auch berechtigt, im Rahmen der Festbetragsfestsetzung Regelungen zu treffen, welche sächlichen Leistungen und Dienstleistungen mit dem jeweiligen Festbetrag abgegolten sein sollten.

56

a) Im Zuge der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln durch die Leistungserbringer ist vielfach nicht nur die bloße Übergabe eines Hilfsmittels erforderlich, sondern es sind auch vorbereitende, begleitende und nachgehende Dienstleistungen unerlässlich, die ihrerseits mit Materialverbrauch und somit zusätzlichen Sachkosten verbunden sein können. Das betrifft bei den hier interessierenden Produktgruppen zB die Abnahme eines Fußabdrucks für die Herstellung einer Einlage, die Einweisung in die Handhabung und Pflege eines Kompressionsstrumpfes sowie eine nachträglich erforderliche Anpassung eines maßgefertigten Hilfsmittels. Bei der Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel ist daher zwangsläufig eine Regelung zu treffen, welche der erforderlichen Begleitleistungen vom Festbetrag umfasst sein und somit den Sachleistungsanspruch des Versicherten iS des § 12 Abs 2 SGB V konkretisieren und begrenzen sollen. Die Einbeziehung derartiger Begleitleistungen ist notwendiger Bestandteil einer Festbetragsfestsetzung im Hilfsmittelbereich. Zugleich wird dadurch klargestellt, welche im Einzelfall ebenfalls erforderlichen Zusatzleistungen vom Festbetrag nicht umfasst und deshalb von der Krankenkasse gesondert zu vergüten sind.

57

b) Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber den Bedenken gegen die Befugnis zu solchen ergänzenden Regelungen im Rahmen der Festbetragsfestsetzung inzwischen Rechnung getragen hat. Durch § 36 Abs 1 S 2 SGB V nF ist mit Wirkung ab 1.4.2007 ausdrücklich klargestellt, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bei der Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel auch "Einzelheiten der Versorgung" festlegen soll. Es handelt sich dabei nicht um eine konstitutive Ausweitung der Befugnisse, sondern nur um eine Klarstellung zu einer immer schon so bestehenden Rechtslage (BT-Drucks 16/3100, S 104; Beck in juris PraxisKommentar, SGB V, 2. Aufl 2012, § 36 RdNr 19), sodass die Neufassung des § 36 SGB V insoweit auch bei der rechtlichen Überprüfung der Festbetragsfestsetzungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 herangezogen werden konnte.

58

c) Vor diesem Hintergrund erweisen sich die folgenden Klauseln als rechtmäßig:

-       

bei den Festbetragsfestsetzungen für Einlagen: "Die Kosten für den Trittspurabdruck sind in dem Festbetrag enthalten und können nicht zusätzlich abgerechnet werden; dies gilt auch, wenn Verfahren wie Trittschaum oder Scan-Technik zum Einsatz kommen." … "Sofern ein Lederbezug notwendig ist, so ist dieser im Festbetrag enthalten."

-       

bei den Festbetragsfestsetzungen für Stomaartikel: "Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei den Produkten "geschlossener Beutel" (29.26.01) und den Stoma-Kappen/Minibeuteln (29.26.04) ein (ggf. integrierter) Filter vom Festbetrag umfasst wird. Bei den Ausstreifbeuteln sind der Verschluss und ein (ggf. integrierter) Filter vom Festbetrag umfasst. Filter, die zusätzlich benötigt werden, können weiterhin unter der Position 29.26.11.1 abgerechnet werden, sofern sie verordnet wurden. Zur Verdeutlichung wurde diese Position in der Festbetragsstruktur in "Zusatzfilter" umbenannt. Von dem Festbetrag für Urostomie-Beutel (29.26.03) sind Abflussventil/-adapter und Verschluss umfasst. Bei Beuteln mit Hautschutzring (…) wird dieser vom Festbetrag umfasst. Nur Hautschutzringe, die zusätzlich benötigt werden, können bei Verordnung weiterhin unter der Position 29.26.11.2. abgerechnet werden. Zusätzliche Beutelüberzüge aus Vlies sind nicht abrechenbar bei Beuteln mit Vlies."

59

d) Die Festbetragsfestsetzungen für Inkontinenzhilfen und Stomaartikel sind nach vorstehenden Ausführungen auch nicht zu beanstanden, soweit dort niedergelegt ist, dass mit dem Festbetrag nicht nur sämtliche Kosten abgegolten sein sollen, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen, sondern auch "andere Dienstleistungen" bzw "andere Serviceleistungen" (so die Formulierung bei den Stomaartikeln ab 1.1.2007). Auch insoweit handelt es sich um eine notwendige Zusatzregelung zur Reichweite der Festbeträge.

60

Die Klausel genügt auch dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs 1 SGB X. Angesichts der Vielzahl der im Einzelfall denkbaren zusätzlichen Dienst- bzw Serviceleistungen wäre es praktisch kaum möglich gewesen, einen Katalog konkreter Leistungen dieser Art aufzustellen, die vom jeweiligen Festbetrag umfasst sein sollten. Eine solche "Positivliste" hätte zwangsläufig zur Folge gehabt, dass dort nicht ausdrücklich erwähnte Leistungen zusätzlich zu vergüten gewesen wären, obgleich dies nach Art und Umfang der Leistung im Vergleich zu den in der "Positivliste" aufgeführten Leistungen nicht gerechtfertigt wäre. Maßgeblich zur Ausfüllung der Begriffe "zusätzliche Dienstleistungen" bzw "zusätzliche Serviceleistungen" ist die branchenspezifische Üblichkeit und hilfsweise die allgemeine Verkehrsauffassung.

61

5. Zu beanstanden ist allerdings die Regelung, dass bei der Abgabe von Kopieeinlagen (Positionsnummer 08.03.01) ein Gipsabdruck nicht erforderlich sei; ein Trittspurabdruck reiche für die korrekte Erstellung der Kopieeinlagen aus.

62

Mit dieser Klausel haben die Spitzenverbände nicht etwa das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 2 Abs 4, § 12 SGB V) umgesetzt, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen, sondern explizit eine technisch-handwerkliche Regelung getroffen und damit gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 36 SGB V verstoßen, die allein die Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel gestattet. Es bleibt grundsätzlich den Leistungserbringern überlassen, in welcher Weise sie ein Hilfsmittel anfertigen. Gibt es also bezüglich Herstellungsablauf und verwendetem Material mehrere Möglichkeiten zur Anfertigung eines Hilfsmittels und finden die unterschiedlich hohen Herstellungskosten Ausdruck in unterschiedlich hohen Abgabepreisen der Leistungserbringer, darf im Rahmen einer Festbetragsfestsetzung nicht geregelt werden, dass ein bestimmter Herstellungsweg dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entspricht, sondern nur, dass der Festbetrag eine bestimmte Leistung umfasst (hier: Trittspurabdruck für Kopieeinlagen) und dass eine andere Leistung neben dem Festbetrag nicht abgerechnet werden kann (hier: Gipsabdruck). Der Hilfsmittelerbringer hat dann die Wahl, ob er im Einzelfall trotz höherer Gestehungskosten einen Gipsabdruck anfertigt oder sich mit einem Trittspurabdruck begnügt. Diese fachliche Frage ist der Regelungsgewalt des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen nach § 36 SGB V entzogen.

63

6. Rechtmäßig ist die Allgemeinverfügung vom 1.12.2004 zu den Einlagen auch, soweit sie die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen von einer "gesonderten ärztlichen Begründung" abhängig machte. Damit sollte nur folgende Regelung in Ziffer 25 der Hilfsmittel-Richtlinien vom 6.2.2001 (BAnz Nr 102 vom 2.6.2001) umgesetzt werden:

        

"In der Verordnung ist das Hilfsmittel so eindeutig wie möglich zu bezeichnen, ferner sind alle für die individuelle Versorgung oder Therapie erforderlichen Einzelangaben zu machen. Der Kassenarzt soll deshalb unter Nennung der Diagnose und des Datums insbesondere angeben:
25.4 bei Hilfsmitteln
- Anzahl
- Bezeichnung des Hilfsmittels nach Maßgabe der Arztinformation (s. Nr. 8.2)
- Art der Herstellung (Konfektion, Maßkonfektion, Anfertigung nach Maß).
Hinweise (z.B. über Zweckbestimmung, Material, Abmessungen), die eine funktionsgerechte Anfertigung, Zurichtung oder Abänderung durch den Lieferanten gewährleisten. Ggf. sind die notwendigen Angaben der Verordnung gesondert beizufügen."

Eine inhaltlich gleichlautende, lediglich dem Begriff "Kassenarzt" durch den Begriff "Vertragsarzt" ersetzende Regelung findet sich in § 7 Abs 2 der Hilfsmittel-Richtlinien vom 21.12.2011/ 15.3.2012 (BAnz AT vom 10.4.2012), die am 1.4.2012 in Kraft getreten sind. Diese Fassung liegt der insoweit ebenfalls angegriffenen Festbetragsfestsetzung für Einlagen vom 12.12.2011 zugrunde.

64

Den Klägern ist zuzugestehen, dass mit der Wendung "nach ärztlicher Begründung" vom reinen Wortlaut her an eine Abweichung von den Hilfsmittel-Richtlinien gedacht werden könnte, in denen eine ärztliche "Verordnung" gefordert wird. Aber auch hier ist wiederum eine die Zusammenhänge berücksichtigende Auslegung der Regelung aus dem Empfängerhorizont eines objektiven Dritten (§§ 133, 157 BGB)vorzunehmen. Die Auslegung ergibt eindeutig, dass die Spitzenverbände sich an die Vorgaben der Hilfsmittel-Richtlinien, die nach § 91 Abs 6 SGB V für die Versicherungsträger, die Leistungserbringer und die Versicherten verbindlich sind, halten wollten und mit der Nennung des Begriffs "ärztliche Begründung" allenfalls eine Ungenauigkeit unterlaufen ist. Gemeint war nichts anderes als die Notwendigkeit, die Zusätze bzw Zusatzleistungen in einer ärztlichen Verordnung extra aufzuführen und so ihre medizinisch-technische Erforderlichkeit (§ 33 Abs 1 S 1 SGB V) zu belegen - mit der Folge, dass sie von dem Festbetrag für die verordneten Einlagen nicht erfasst und deshalb separat zu vergüten sind. In den nachfolgenden Festbetragsfestsetzungen zu den Einlagen ist deshalb auch richtigerweise die Wendung "nach gesonderter ärztlicher Verordnung" verwandt worden. Darauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen. Dabei kann es sich um eine von der Einlagen-Verordnung getrennte ärztliche Verordnung handeln, aber auch um die ausdrückliche Nennung dieser Zusätze bzw Zusatzleistungen in der Einlagen-Verordnung selbst oder in einer Anlage zu dieser Verordnung. Alle drei Varianten der "gesonderten ärztlichen Verordnung" sind von der Regelung der Hilfsmittel-Richtlinien umfasst. Der Einwand der Kläger, die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hätten hier eine vom SGB V bzw den Hilfsmittel-Richtlinien nicht gedeckte zusätzliche ärztliche Verordnung gefordert, trifft somit nicht zu.

65

D. Da über die Revisionen der Kläger allein aus materiell-rechtlichen Gründen abschließend entschieden werden konnte, erübrigen sich Erörterungen zu den von den Klägern gerügten Verfahrensfehlern des LSG.

66

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 2 S 1 GKG. Dabei ist der Senat von einem Streitwert von 50 000 Euro für jede der vier Produktgruppen ausgegangen.

Wird während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so gilt der neue Verwaltungsakt als mit der Klage beim Sozialgericht angefochten, es sei denn, daß der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 2009 sowie des Sozialgerichts Koblenz vom 24. September 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Rechtszüge keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen.

2

Der 1955 geborene Kläger absolvierte während seines Wehrdienstes als Soldat auf Zeit (1.10.1974 bis 30.9.1994) ein Medizinstudium und die Facharztausbildung. Nach der Approbation war er seit 2.6.1981 Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung. Im Zeitraum vom 1.3.1987 bis zum 31.5.1989 wurde er zur Facharztausbildung an eine Universitätsklinik abkommandiert. In dieser Zeit erzielte der Kläger mit ärztlichen (Neben-)Tätigkeiten außerhalb der regulären Dienstzeiten (Überstunden und Bereitschaftsdienste) zusätzliche Vergütungen, für die die Klinik Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung entrichtete. Die Bundeswehr führte nach seinem Ausscheiden die Nachversicherung bei der Bayerischen Ärzteversorgung durch; dabei fanden die für 27 Monate bereits gezahlten Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung keine Berücksichtigung (vgl § 182 Abs 1 SGB VI).

3

Der Kläger, seit Oktober 1994 als selbstständiger Arzt in freier Praxis niedergelassen, wurde anlässlich eines von der Beklagten im Jahr 2006 betriebenen Kontenklärungsverfahrens auf die in den Jahren 1987 bis 1989 entrichteten Pflichtbeiträge aufmerksam. Seinen am 6.2.2007 eingegangenen Antrag auf Erstattung dieser Beiträge lehnte die Beklagte ab. Die Erstattungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil er bei nicht bestehender Versicherungspflicht als selbstständiger Arzt ein Recht zur freiwilligen Versicherung habe (Bescheid vom 28.3.2007; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2007).

4

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung dieser Bescheide verurteilt, "dem Kläger die Beiträge zu erstatten" (Urteil des SG Koblenz vom 24.9.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23.10.2009). Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Beitragserstattungsanspruch nach § 210 SGB VI, weil er als niedergelassener Arzt nicht versicherungspflichtig sei und auch nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung habe. Bei ihm lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI (Mitglieder von berufsständischen Versorgungseinrichtungen) vor, auch wenn eine formelle Befreiung bislang nicht ausgesprochen worden sei. Der Antrag auf Beitragserstattung sei inzident als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht auszulegen; der Beklagten sei es nach den Grundsätzen der unzulässigen Rechtsausübung verwehrt, sich auf eine bislang noch nicht durchgeführte Befreiung zu berufen. Als von der Versicherungspflicht Befreiter könne sich der Kläger gemäß § 7 Abs 2 S 1 SGB VI nur dann freiwillig versichern, wenn er die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten erfüllt habe, was bei lediglich 27 Monaten an Pflichtbeitragszeiten jedoch nicht der Fall sei.

5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte (sinngemäß) eine Verletzung von § 210 Abs 1 Nr 1 iVm §§ 6, 7 SGB VI. Das LSG habe verkannt, dass der Kläger nach dem klaren Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen zur freiwilligen Versicherung berechtigt sei und somit die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI nicht gegeben seien. Er erfülle nach den bindenden Feststellungen des LSG zwar alle tatbestandlichen Voraussetzungen, um gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit zu werden. Da er jedoch als selbstständiger Arzt nicht in der Rentenversicherung versicherungspflichtig sei, gehe diese Bestimmung für ihn ins Leere; ein Befreiungsbescheid nach § 6 Abs 3 SGB VI könne ihm von vornherein nicht erteilt werden. Schon deshalb sei der vom LSG erhobene Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens unzutreffend. Auch die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit (§§ 5, 230 SGB VI) oder einer Befreiung von der Versicherungspflicht (§§ 6, 231, 231a SGB VI)seien nicht erfüllt. Daher sei die Einschränkung des Rechts zur freiwilligen Versicherung in § 7 Abs 2 S 1 SGB VI, wonach bei diesen Personengruppen die allgemeine Wartezeit erfüllt sein müsse, für den Kläger ohne Bedeutung. Vielmehr stehe ihm nach der allgemeinen Regelung in § 7 Abs 1 SGB VI das Recht zur freiwilligen Versicherung uneingeschränkt zu. Das sei auch sinnvoll, weil er sich auf diese Weise eine Anwartschaft auf Leistungen der Rentenversicherung aufbauen könne. Selbst wenn verständlich sei, dass er - da über die Ärzteversorgung hinreichend abgesichert - von einer zusätzlichen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung absehen und die bereits gezahlten Beiträge erstattet erhalten wolle, sei dies nach dem strikten Wortlaut der einschlägigen Vorschriften nicht möglich. Das vom Kläger erstrebte Ergebnis sei allenfalls aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung zu erreichen; diese sei der Beklagten als Teil der Exekutive indes verwehrt.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 2009 sowie des Sozialgerichts Koblenz vom 24. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt die vorinstanzlichen Entscheidungen und weist ergänzend darauf hin, dass der Gesetzgeber in der Begründung zu § 7 Abs 2 SGB VI(BT-Drucks 11/4124 S 152) die von der Versicherungspflicht befreiten Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ausdrücklich erwähnt und dabei auf Gleichbehandlungsgesichtspunkte abgestellt habe. Das spreche dafür, dass die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung auch für diesen Personenkreis allein von der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit abhängen solle. Dies ergebe sich zudem aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, eine Doppelversorgung zu vermeiden. Entsprechend habe der Gesetzgeber mit der Streichung des § 7 Abs 2 SGB VI und der Ergänzung des § 210 SGB VI um einen Abs 1a durch das Dritte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze(3. SGB IV-ÄndG vom 5.8.2010, BGBl I 1127) sicherstellen wollen, dass versicherungsfreie und von der Versicherungspflicht befreite Personen bei nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit trotz künftiger Berechtigung zur freiwilligen Versicherung wie im bisherigen Recht das Recht auf Beitragserstattung haben.

9

Hilfsweise macht der Kläger geltend, dass er die Rückerstattung der für ihn entrichteten Arbeitnehmeranteile auch gemäß § 26 Abs 2 SGB IV verlangen könne. Die Beitragszahlung sei damals wegen seiner Versicherungsfreiheit als Soldat auf Zeit (§ 5 SGB VI bzw § 6 AVG) zu Unrecht erfolgt; dies habe er bereits in seiner Klagebegründung vor dem SG vorgetragen.

10

Die Beklagte hat hierauf erwidert, es sei dem Senat verwehrt, diesen völlig neuen Sachvortrag zu würdigen. Im Übrigen seien die Beiträge für den Kläger in den Jahren 1987 bis 1989 zu Recht gezahlt worden. Die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft als Berufssoldat habe sich augenscheinlich nicht auf die von ihm ausgeübte Beschäftigung bei Nachtdiensten im Krankenhaus erstreckt. Die mit Wirkung vom 11.8.2010 erfolgte Rechtsänderung aufgrund des 3. SGB IV-ÄndG habe auf den Fall des Klägers keine Auswirkungen, weil dieser eben nicht von der Versicherungspflicht befreit sei. Im Übrigen habe das BVerfG entschieden, dass die Versagung einer Beitragserstattung in der hier zu beurteilenden Konstellation keine Grundrechtsverletzung bewirke (Hinweis auf BVerfG vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - BVerfGK 4, 42 = SozR 4-2600 § 7 Nr 2).

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese dem Grunde nach zur Erstattung der im Zeitraum März 1987 bis Mai 1989 für den Kläger entrichteten Rentenversicherungsbeiträge verurteilt. Die eine Beitragserstattung ablehnenden Bescheide sind rechtmäßig; mithin ist die Klage abzuweisen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

12

Einer Sachentscheidung entgegenstehende, von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Insbesondere war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht von einer vorherigen - hier unterbliebenen - Zulassung abhängig. Die streitige Beitragserstattung betrifft eine Geldleistung von mehr als 750 Euro und überschreitet damit die ab 1.4.2008 maßgebliche Wertgrenze des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG(idF von Art 1 Nr 24 des SGGArbGGÄndG vom 26.3.2008, BGBl I 444); letztere ist hier anwendbar, da das SG-Urteil nach dem genannten Stichtag - am 24.9.2008 - verkündet wurde (vgl BSG SozR 4-1500 § 144 Nr 6 RdNr 14 ff).

13

Der streitbefangene Erstattungsbetrag ist allerdings weder von den Beteiligten noch von den Vorinstanzen beziffert worden. Zur Bestimmung, ob die Wertgrenze überschritten wird, hat das Revisionsgericht daher selbst eine überschlägige Berechnung vorzunehmen (BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 11 f): Das Versicherungskonto des Klägers weist für den Zeitraum von März 1987 bis Mai 1989 Pflichtbeiträge auf, denen Arbeitsentgelte in Höhe von insgesamt 28 127 DM zugrunde liegen. Da der Beitragssatz zu jener Zeit 18,7 % des Bemessungsentgelts betrug (§ 29b AnVNG idF des Gesetzes zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 16.5.1985, BGBl I 766) und der Kläger hiervon die Hälfte zu tragen hatte (§ 112 Abs 4 Buchst a AVG), beläuft sich der in Frage kommende Erstattungsbetrag auf (gerundet) 1345 Euro. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Betrag aufgrund der Regelung in § 210 Abs 5 SGB VI reduziert werden müsste, bestehen nicht. Vielmehr ist in dem vom LSG in Bezug genommenen SG-Urteil ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger bislang weder Sach- noch Geldleistungen aus der Rentenversicherung in Anspruch genommen hat.

14

Die vom Kläger zutreffend erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG - vgl BSGE 86, 262, 264 = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 4) ist unbegründet, denn der eine Beitragserstattung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28.3.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2007 erweist sich als rechtmäßig.

15

A) Der Kläger kann seinen Erstattungsanspruch nicht mit Erfolg auf § 26 Abs 2 SGB IV (Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge) stützen.

16

1. Entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten handelt es sich hierbei nicht um völlig neuen Sachvortrag, den zu würdigen dem Senat untersagt wäre. Vielmehr führt der Kläger bei unverändertem Lebenssachverhalt lediglich eine weitere Rechtsgrundlage an, aus der sich seiner Meinung nach der geltend gemachte Beitragserstattungsanspruch herleiten lässt (vgl auch BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 1 RdNr 16). Die Bindung an die vom LSG festgestellten Tatsachen (§ 163 SGG) schließt eine Befassung des Revisionsgerichts mit dieser Vorschrift im Rahmen der ihm obliegenden umfassenden Prüfung des angefochtenen Urteils auf dessen materielle Richtigkeit nicht aus ("iura novit curia" - vgl Senatsbeschluss vom 20.10.2010 - SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 22).

17

2. Zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 26 SGB IV vorliegen, ist in dem hier zu entscheidenden Fall der erkennende Senat befugt. Allerdings ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 2012 (dort RdNr 12 Ziff 7) der 12. Senat als Beitragssenat speziell für Streitigkeiten betreffend die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zuständig, während den Rentensenaten alle sonstigen Streitigkeiten aus der Rentenversicherung zugewiesen sind (aaO RdNr 13 Ziff 1 iVm RdNr 5 Ziff 1), mithin auch die Streitigkeiten über die Erstattung zu Recht entrichteter Beiträge nach § 210 SGB VI. Stehen jedoch mehrere Ansprüche im Streit, für die verschiedene Senate zuständig wären, ist nach der Sonderregelung in RdNr 20 (aaO) derjenige Senat für das gesamte Verfahren zuständig, in dessen Aufgabenbereich der Anspruch fällt, bei dem nach dem Revisionsbegehren das Schwergewicht des Rechtsstreits liegt. Diese Zuständigkeitsregelung ist entsprechend anzuwenden, wenn ein und derselbe Anspruch auf mehrere Rechtsgrundlagen gestützt werden kann, für die nach der Geschäftsverteilung an sich unterschiedliche Senate zuständig wären. Danach ist hier der 13. Senat als Rentensenat zur Entscheidung des Rechtsstreits unter allen rechtlichen Gesichtspunkten berufen. Denn der Kläger hat im gesamten Verfahren seinen Anspruch in erster Linie aus § 210 SGB VI abgeleitet und diesen ausdrücklich nur "hilfsweise" auch auf § 26 SGB IV gestützt.

18

3. Die Voraussetzungen des § 26 Abs 2 SGB IV sind hier jedoch nicht erfüllt. Die Beiträge zur Angestelltenversicherung für die vom Kläger in den Jahren 1987 bis 1989 erzielten Arbeitsentgelte für Überstunden und Bereitschaftsdienste sind von der Universitätsklinik damals nicht "zu Unrecht" entrichtet worden. Denn die Versicherungsfreiheit des Klägers in seiner Eigenschaft als an die Klinik abgeordneter Soldat auf Zeit (§ 6 Abs 1 Nr 6 AVG) beschränkte sich auf die dort im Hauptamt ausgeübte Tätigkeit; sie erfasste schon damals keine daneben in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis ausgeübte (Neben-)Beschäftigungen (vgl BSGE 40, 208 = SozR 2200 § 169 Nr 1; BSG SozR 2200 § 169 Nr 4 S 5 f; BSGE 47, 60, 61 = SozR 2200 § 169 Nr 6 S 10). Unerheblich ist, dass sich der Kläger aufgrund der seit 1981 bestehenden Mitgliedschaft in der Bayerischen Ärzteversorgung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung hätte befreien lassen können (§ 7 Abs 2 AVG; zur zusätzlichen Beitragspflicht der Entgelte für Nebenbeschäftigungen in der Ärzteversorgung vgl § 21 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung vom 11.12.1984, Bayerischer StAnz Nr 50 S 2, geändert am 25.10.1986, Bayerischer StAnz Nr 50 S 3). Denn den hierfür erforderlichen Antrag hat er damals nicht gestellt; er konnte ihn auch nicht mehr inzident mit seinem Antrag auf Beitragserstattung vom Februar 2007 mit Wirkung für einen fast 20 Jahre zurückliegenden Zeitraum nachholen (vgl § 7 Abs 2 AVG bzw nunmehr § 6 Abs 4 SGB VI). Somit hat die Universitätsklinik für Entgelte, die der Kläger in den Jahren 1987 bis 1989 im Rahmen einer Nebentätigkeit als angestellter Arzt für Überstunden und Bereitschaftsdienste erzielt hat, gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 AVG Pflichtbeiträge rechtmäßig abgeführt; die Erstattung dieser Beiträge auf der Grundlage von § 26 Abs 2 SGB IV ist deshalb ausgeschlossen.

19

B) Als Anspruchsgrundlage für das Erstattungsverlangen kommt somit nur § 210 Abs 1 SGB VI in Betracht. Da der Kläger die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze (65 Jahre 9 Monate - vgl § 235 Abs 2 SGB VI)noch nicht erreicht hat, ist für sein Begehren nicht § 210 Abs 1 Nr 2 SGB VI, sondern Nr 1(aaO) einschlägig. Danach werden Beiträge zur (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag solchen Versicherten erstattet, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben. Weitere Voraussetzungen sind, dass seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und seither nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist (§ 210 Abs 2 SGB VI).

20

1. Der Kläger hat den erforderlichen Antrag am 6.2.2007 gestellt. Sofern zu diesem Zeitpunkt die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, entsteht der Erstattungsanspruch. Da dieser keine wiederkehrende, sondern eine einmalige Leistung betrifft (BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 10), ist für dessen Beurteilung allein die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der wirksamen Antragstellung maßgeblich; spätere Änderungen sind nicht mehr zu berücksichtigen (stRspr, vgl BSGE 86, 262, 265 = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 5 mwN; BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 15). Mithin sind vorliegend § 210 SGB VI sowie die ergänzenden Vorschriften zur Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit, Befreiung von der Versicherungspflicht und zur freiwilligen Versicherung(§§ 1 ff, §§ 5 bis 7, §§ 229 ff SGB VI) in ihrer am 6.2.2007 geltenden Fassung (SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754, berichtigt 1404 und 3384, zuletzt geändert durch Art 2 Abs 20 des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748 - im Folgenden als "SGB VI aF" bezeichnet) heranzuziehen. Die mit Wirkung vom 11.8.2010 in Kraft getretenen Änderungen insbesondere von § 7 (Streichung des bisherigen Abs 2) und von § 210 SGB VI (Einfügung eines neuen Abs 1a) durch das 3. SGB IV-ÄndG (vom 5.8.2010, BGBl I 1127 - im Folgenden als "SGB VI nF" bezeichnet) haben hier somit außer Acht zu bleiben.

21

2. Der Kläger hat zum Zeitpunkt seiner Antragstellung nicht sämtliche Voraussetzungen des § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI für eine Beitragserstattung erfüllt:

22

a) Er war zwar aufgrund der für ihn in den Jahren 1987 bis 1989 gezahlten Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung "Versicherter" iS dieser Vorschrift.

23

b) Zudem war er am 6.2.2007 in der Rentenversicherung "nicht versicherungspflichtig". Als in freier Praxis niedergelassener Arzt erfüllte er weder einen Versicherungspflichttatbestand für Beschäftigte nach § 1 SGB VI noch die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht selbstständig Tätiger nach § 2 SGB VI. Als die Heilkunde ausübender Arzt war er insbesondere keine Pflegeperson iS von § 2 S 1 Nr 2 SGB VI(vgl BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 2 S 7; Nr 3 S 13). Nach seinen Angaben im Erstattungsantrag hatte er in seiner Praxis versicherungspflichtige Arbeitnehmer angestellt; somit unterfiel er auch nicht der Versicherungspflicht "arbeitnehmerähnlicher" Selbstständiger nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI(vgl hierzu BSGE 105, 46 = SozR 4-2600 § 2 Nr 12, RdNr 13 ff). Tatsachen, die eine Versicherungspflicht nach § 3 SGB VI aufgrund sonstiger Umstände - etwa wegen Kindererziehungszeiten oder einer nicht erwerbsmäßigen Pflege von Pflegebedürftigen - begründen könnten, sind weder vom LSG festgestellt noch sonst ersichtlich. Dasselbe gilt für Tatbestände, die eine Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 SGB VI begründen könnten.

24

c) Einem Beitragserstattungsanspruch steht jedoch entgegen, dass der Kläger bei Antragstellung das Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung hatte (§ 210 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 SGB VI).

25

aa) Nach § 7 Abs 1 S 1 SGB VI(in der bis heute unverändert geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) können sich alle Personen, die "nicht versicherungspflichtig" sind, für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. Dies gilt nach dem persönlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Versicherung für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 3 Abs 1 Nr 2 SGB IV) und darüber hinaus auch für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben (§ 7 Abs 1 S 2 SGB VI).

26

Die Vorschrift des § 7 Abs 2 S 1 SGB VI aF(in der seit 1.1.1992 bis zum 10.8.2010, also auch zum hier maßgeblichen Stichtag 6.2.2007 unverändert geltenden Fassung des RRG 1992; zur Rechtslage ab dem 11.8.2010 s unter 4.) schränkte die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung allerdings für solche Personen ein, die "versicherungsfrei" oder "von der Versicherung befreit" waren. Diese mussten die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (vgl § 50 Abs 1 S 1 SGB VI) erfüllt haben, um sich freiwillig weiterversichern zu dürfen. Diese Einschränkung gilt jedoch für den Kläger nicht, denn er war weder versicherungsfrei (hierzu sogleich unter bb) noch von der Versicherung befreit (hierzu unter cc).

27

bb) Der Kläger gehörte im Zeitpunkt der Beantragung der Beitragserstattung nicht zum Kreis der Versicherungsfreien iS von § 5 SGB VI(s hierzu BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 23). Insbesondere bezog er von der Bayerischen Ärzteversorgung als berufsständischer Versorgungseinrichtung noch keine Versorgungsleistung nach Erreichen einer Altersgrenze (§ 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI).

28

cc) Er war zu dem für das Erstattungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt am 6.2.2007 auch weder von der Versicherungspflicht befreit noch so zu behandeln.

29

Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht ergeben sich aus § 6 SGB VI. Danach kann auf Antrag des Versicherten (§ 6 Abs 2 SGB VI) durch Entscheidung des Rentenversicherungsträgers (§ 6 Abs 3 SGB VI) unter bestimmten Voraussetzungen von einer an sich bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden. Eine Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, für die sie erteilt wurde, beschränkt (§ 6 Abs 5 S 1, § 231 Abs 1 S 1 SGB VI - vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 9 f, bestätigt durch BVerfG SozR 4-2600 § 6 Nr 1; Senatsurteil BSG SozR 4-2600 § 56 Nr 3 RdNr 17). Sie wirkt nach § 6 Abs 4 SGB VI vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, ansonsten vom Eingang des Antrags an.

30

Der Kläger hat nie einen (ausdrücklichen) Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Entgegen der Meinung des LSG hilft es ihm auch nicht weiter, wenn sein Erstattungsantrag vom 6.2.2007 "inzident" zugleich als Befreiungsantrag ausgelegt wird. Denn er erfüllt in diesem Zeitpunkt schon nicht die grundlegende Voraussetzung für eine - hier allein in Betracht kommende - Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, dass nämlich für die aktuell ausgeübte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit überhaupt Versicherungspflicht besteht. Ohne eine an sich bestehende Versicherungspflicht kann denklogisch hiervon nicht befreit werden. Das ergibt sich bereits unmittelbar aus den einleitenden Worten des § 6 Abs 1 S 1 SGB VI, folgt darüber hinaus aber auch daraus, dass nach § 6 Abs 5 S 1 SGB VI eine Befreiung "auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt" ist.

31

Die frühere Rechtsprechung, die gerade für Zwecke der Beitragserstattung auch solche Personen iS des § 7 Abs 2 S 1 SGB VI aF als versicherungsbefreit ansah, die - ohne aktuell eine versicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben - in einer früheren Beschäftigung auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit worden waren(BSG vom 16.12.1975 - BSGE 41, 93, 94 f = SozR 2400 § 10 Nr 1 S 1 f; BSG vom 4.5.1976 - 1 RA 93/75 - Juris RdNr 9 f; beide noch zur Rechtslage nach dem AVG), ist überholt. Denn das BVerfG hat im Fall eines Rechtsanwalts, der sich wegen seiner Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltsversorgung während einer Anwaltstätigkeit in abhängiger Beschäftigung von der Versicherungspflicht hatte befreien lassen, später jedoch während einer selbstständigen Tätigkeit den Antrag auf Erstattung der von der Bundeswehr für ihn entrichteten Beiträge (hilfsweise Übertragung der Beiträge auf die Rechtsanwaltsversorgung) gestellt hatte, "entgegen der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur" den Betroffenen für berechtigt gehalten, freiwillige Beiträge zu entrichten, weil zum damaligen Zeitpunkt keine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit vorgelegen habe (Kammerbeschluss vom 31.8.2004 - BVerfGK 4, 42, 45 = SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 15 f). Es hat mit dieser Entscheidung vorrangig das Recht zur freiwilligen Versicherung gestärkt und dabei das Recht auf vorzeitige Beitragserstattung nicht als durch Art 2 Abs 1 GG geboten erachtet.

32

Die vom BVerfG durch verfassungskonforme Auslegung von § 7 Abs 2 S 1 SGB VI hergeleitete Berechtigung (sogar) der für eine frühere Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreiten, aktuell aber nicht versicherungspflichtigen Personen zur freiwilligen Rentenversicherung schließt zugleich nach dem klaren Wortlaut von § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI die Möglichkeit einer vorzeitigen Beitragserstattung für diesen Personenkreis aus. Dies gilt erst recht auch für solche Personen wie den Kläger, der niemals von der Versicherungspflicht befreit war. Dieser hätte sich allerdings im März 1987 bei Aufnahme der abhängigen (Neben-)Beschäftigung aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Bayerischen Ärzteversorgung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung befreien lassen können (§ 7 Abs 2 AVG). Er kann dies jetzt - lange nach Beendigung dieser Beschäftigung Ende Mai 1989 - nicht mehr nachholen (vgl § 7 Abs 3 AVG, § 6 Abs 4 SGB VI; s oben unter A 3.), zumal ihm dies nach der erwähnten Entscheidung des BVerfG für ein Beitragserstattungsverlangen während der Ausübung einer nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit ohnehin nichts mehr nutzen würde.

33

3. Der Ausschluss nicht versicherungspflichtiger, aber zur freiwilligen Rentenversicherung berechtigter Personen mit noch nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit von dem Recht, vorzeitig bereits für sie gezahlte Beiträge erstattet zu erhalten, verletzt nicht den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG). Es liegt schon keine Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen vor.

34

Allerdings wurde das Merkmal "nicht versicherungspflichtig" in § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI nach dem Rechtszustand bis zum 10.8.2010 vielfach in einem weiten Sinn verstanden und auf diese Weise das Recht zur vorzeitigen Beitragserstattung auch den versicherungsfreien sowie den von der Versicherungspflicht befreiten Personen (§§ 5, 6 SGB VI) eingeräumt (vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - Teil II, SGB VI, 3. Aufl, § 210 RdNr 3, Stand Einzelkommentierung Juli 1997; Wehrhahn in Kasseler Komm, Stand Dezember 2011, § 210 SGB VI RdNr 5; Grintsch in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 210 RdNr 4; Benkler ua, Komm zur GRV, Stand März 2011, § 210 SGB VI Anm 2.2; Finke in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Dezember 2011, K § 210 RdNr 7; Reinhardt in LPK SGB VI, 2. Aufl 2010, § 210 RdNr 7). Offenbar ist auch der Gesetzgeber des 3. SGB IV-ÄndG von diesem Verständnis ausgegangen, wenn er in der Begründung für die Ergänzung des § 210 SGB VI um einen Abs 1a anführt, damit würde "sichergestellt, dass versicherungsfreie und von der Versicherungspflicht befreite Personen bei nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit trotz künftiger Berechtigung zur freiwilligen Versicherung - wie im bisherigen Recht - das Recht auf Beitragserstattung haben"(Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, BT-Drucks 17/2169 S 8 - Zu Nr 6 <§ 210>).

35

Bei einer derartigen Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI könnte fraglich sein, ob es sachlich gerechtfertigt sein kann, nur die Untergruppe, zu der der Kläger gehörte(nach §§ 1 bis 3 SGB VI aktuell nicht Versicherungspflichtige), von einer vorzeitigen Beitragserstattung auch dann auszuschließen, wenn die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt und daher eine Rentenanwartschaft noch nicht entstanden war, während den anderen Untergruppen (Versicherungsfreie und von der Versicherungspflicht Befreite gemäß §§ 5 und 6 SGB VI)nur unter dieser Voraussetzung der vorzeitige Erstattungsanspruch offen stand, weil sie sich ansonsten nach § 7 Abs 2 S 1 SGB VI aF freiwillig versichern konnten.

36

Nach der Systematik, der Entstehungsgeschichte sowie seinem Sinn und Zweck der Vorschrift scheidet jedoch eine Anwendung der vorzeitigen Beitragserstattung nach § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI zugunsten von Versicherten aus, die in ihrer aktuellen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherung befreit sind. Insbesondere verdeutlicht die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum RRG 1992, dass das Recht der Beitragserstattung im SGB VI gegenüber dem Rechtszustand der RVO bzw dem AVG (s hierzu BSGE 41, 93 = SozR 2400 § 10 Nr 1; ebenso Urteil vom 4.5.1976 - 1 RA 93/75 - Juris) partiell neu geregelt werden sollte. Die Beitragserstattung vor Vollendung der Regelaltersgrenze sollte grundsätzlich nur noch für Ausländer Bedeutung haben, die den Geltungsbereich des Gesetzes verlassen und deshalb das Recht zur freiwilligen Versicherung verlieren. Darüber hinaus sollten nun jedoch Versicherte, die das 65. Lebensjahr vollendet und keinen Anspruch auf Regelaltersrente haben, das Recht zur Beitragserstattung bekommen, denn diese Versicherten hätten "in der Regel eine Altersversorgung in einem anderen Alterssicherungssystem erworben" (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 192 - Zu § 205). Hiernach sollten im Ergebnis also im Inland verbleibende Nicht-Versicherungspflichtige, Versicherungsfreie und von der Versicherungspflicht Befreite hinsichtlich der Erstattung zuvor für sie entrichteter Rentenversicherungsbeiträge gleich behandelt werden. Sie sollten nämlich eine Beitragserstattung erst bei Erreichen der Regelaltersgrenze realisieren können, also zu einem Zeitpunkt, zu dem feststeht, ob die Wartezeit erfüllt und somit ein Anspruch auf Altersrente entstanden oder stattdessen (bei Nichterlangung einer Rentenanwartschaft wegen fehlender Wartezeiten) die Auflösung der Versicherung einschließlich Erstattung bislang gezahlter Beiträge angezeigt ist.

37

An dieser Regelungsabsicht des Gesetzgebers des RRG 1992 vermag die vom Ausschuss für Arbeit und Soziales anlässlich des 3. SGB IV-ÄndG im Jahr 2010 geäußerte und oben wiedergegebene Ansicht zum Inhalt des alten Rechts nichts zu ändern. Sie bewirkt keine nachträgliche "authentische Interpretation" jener Vorschrift.

38

Nach alledem ist es jedenfalls für die hier maßgebliche Rechtslage des SGB VI aF nicht veranlasst, die in § 7 Abs 2 S 1 SGB VI aF angeordnete (belastende) Einschränkung des Rechts zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung über ihren klaren Wortlaut hinaus auf nicht versicherungspflichtige Personen auszuweiten, um diesen einen Anspruch auf vorzeitige Beitragserstattung zu verschaffen. Denn nach Verfassungsrecht ist es zur Vermeidung unzumutbarer Nachteile lediglich geboten, die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit einer Gestaltung des Versicherungsverhältnisses durch Zahlung freiwilliger Beiträge, welche zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit und damit zur Entstehung eines Rentenanspruchs führen können, unangetastet zu lassen (vgl BVerfGK 4, 42, 45 = SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 15 f). Das für den Kläger damit verbundene Wahlrecht, sich entweder durch Zahlung (vergleichsweise niedriger) freiwilliger (Mindest-)Beiträge für weitere 33 Monate einen Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben, bei der die in den Jahren 1987 bis 1989 für ihn gezahlten Pflichtbeiträge voll wirksam werden, oder aber mit der Erstattung nur der hälftigen Beiträge (§ 210 Abs 3 S 1 iVm § 168 Abs 1 Nr 1 SGB VI) noch bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze zuzuwarten, verletzt ihn weder in seinen Grundrechten aus Art 2 Abs 1 GG (vgl BVerfG aaO S 45 f bzw RdNr 17) noch aus Art 3 Abs 1 GG.

39

4. Ob sich unter dem Aspekt des Art 3 Abs 1 GG die Rechtslage ab 11.8.2010 nunmehr anders darstellt, weil der Gesetzgeber mit der ersatzlosen Streichung des § 7 Abs 2 SGB VI aF und der Einfügung des § 210 Abs 1a SGB VI nF im Ergebnis nur den versicherungsfreien und den von der Versicherungspflicht befreiten Personen bei Nichterfüllung der allgemeinen Wartezeit ein Wahlrecht zwischen freiwilliger Versicherung und Beitragserstattung eingeräumt hat(zu dessen Begrenzungen s aber § 210 Abs 1a S 3 SGB VI nF), nicht aber den nicht versicherungspflichtigen Personen in ähnlicher Lage, ist hier nicht zu entscheiden.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Hat ein vorrangig verpflichteter Leistungsträger in Unkenntnis der Leistung durch Träger nach diesem Buch an eine leistungsberechtigte Person geleistet, ist diese zur Erstattung der Leistung des vorrangigen Trägers an die Träger nach diesem Buch verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht in der Höhe, in der ein Erstattungsanspruch nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des Zehnten Buches bestanden hätte. § 34c ist entsprechend anwendbar.

(2) Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der geleistete Betrag als Einkommen nach den Vorschriften dieses Buches berücksichtigt werden kann.

(3) Der Erstattungsanspruch verjährt vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der vorrangig verpflichtete Leistungsträger die Leistung erbracht hat.

Bestimmt sich das Recht des Trägers nach diesem Buch, Ersatz seiner Aufwendungen von einem anderen zu verlangen, gegen den die Leistungsberechtigten einen Anspruch haben, nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften, die dem § 33 vorgehen, gelten als Aufwendungen auch solche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die an die mit der leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen erbracht wurden.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Oktober 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit steht die Höhe von Übergangsgeld im Zeitraum vom 17.9.2007 bis zum 14.3.2008.

2

Die im Jahre 1961 geborene Klägerin absolvierte eine Maßnahme zur Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hierfür wurde ihr Übergangsgeld ab dem 17.9.2007 von kalendertäglich 30,97 Euro bewilligt (Bescheid vom 26.9.2007). Der mit einem höheren Stundenlohn begründete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.1.2008).

3

Das Klageverfahren war teilweise erfolgreich. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 28.7.2011 verurteilt, der Klägerin Übergangsgeld iHv 31,57 Euro kalendertäglich im Zeitraum vom 19.9.2007 bis zum 14.3.2008 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das SG hat in den Entscheidungsgründen dazu Folgendes ausgeführt:

        

"Die Berufung war für die Beklagte zuzulassen, da die zugrunde liegende Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. … Für die Klägerin ist die Berufung bei Erreichen des Werts des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,00 € (nämlich 817,42 € bei 4,59 € Differenzbetrag/Tag der Maßnahme) von Gesetzes wegen statthaft."

4

Mit Schriftsatz vom 29.9.2011 hat die Klägerin zunächst fristwahrend Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung vom 15.11.2011 hat sie den Antrag angekündigt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, ihr im streitigen Zeitraum ein Übergangsgeld von 35,67 Euro kalendertäglich zu zahlen. Wie mit Schriftsatz vom 2.10.2012 angekündigt, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG beantragt, ihr im streitigen Zeitraum ein Übergangsgeld von 35,95 Euro kalendertäglich zu zahlen.

5

Mit Urteil vom 10.10.2012 hat das LSG die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei mit Schriftsatz vom 15.11.2011 auf die Summe von 729,80 Euro begrenzt worden. Dies entspreche einem Übergangsgeld iHv 35,67 Euro kalendertäglich. Die spätere Erhöhung des Berufungsantrags auf 35,95 Euro kalendertäglich, mithin einer Berufungssumme von mehr als 750 Euro, sei unbeachtlich. Maßgeblich sei hingegen die Beschwer bei Einlegung der Berufung gewesen. Daher komme es auch nicht auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Berufungsantrag an.

6

Mit der hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Verfahrensmängel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Sie rügt, dass das Berufungsgericht die Berufung nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen, sondern anstelle des Prozessurteils ein Sachurteil hätte erlassen müssen. Die Berufung sei nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG statthaft, weil der Beschwerdewert über 750 Euro liege.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

8

Die Klägerin hat den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) gerügt.

9

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Die auf eine Geldleistung gerichtete Klage hat den Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 Euro überstiegen (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG), sodass das LSG die Berufung mangels Erreichens der Berufungssumme nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen.

10

Der Senat kann offenlassen, ob das SG die Berufung für die Klägerin wirksam zugelassen hat. Selbst wenn es eine solche Entscheidung nicht getroffen hätte, ist die Berufung bereits von Gesetzes wegen für die Klägerin statthaft.

11

Der Wert des Beschwerdegegenstandes iS von § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 144 Nr 2 RdNr 5). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes ist auf die Einlegung der Berufung abzustellen (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 14; BSGE 58, 291, 294 = SozR 1500 § 144 Nr 30).

12

Die Klägerin hat ihre Berufung am 29.9.2011 unbeschränkt eingelegt und zu diesem Zeitpunkt noch keinen Berufungsantrag beziffert. Verstöße gegen die Soll-Vorschrift des § 151 Abs 3 SGG, wonach die Berufungsschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, sind unschädlich(BSG SozR Nr 2 zu § 151 SGG). Daher hätte das LSG die Beschwer bezogen auf den Zeitpunkt der unbeschränkten Berufungseinlegung ermitteln müssen. Hierfür wäre eine überschlägige Berechnung ausreichend gewesen (vgl BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 11 mwN).

13

Die Beschwer ist an dem vollen Umfang des Unterliegens vor dem SG zu messen. Wenn die Berufungssumme in diesem Zeitpunkt - wie hier - den Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG überschritten hat, so wird das Rechtsmittel aber nicht dadurch unzulässig, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung einen eingeschränkten Berufungsantrag angekündigt hat(vgl BGH vom 8.10.1982 - V ZB 9/82 - Juris RdNr 7). Dies entspricht der Rechtsprechung des BSG, nach der eine Beschränkung des Berufungsantrags, durch die die Berufungssumme nicht mehr erreicht wird, die Berufung grundsätzlich nicht unzulässig macht (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 13). Anhaltspunkte für ein willkürliches Handeln (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 24 S 40 f) der Klägerin sind nicht zu erkennen.

14

Im Zeitpunkt der fristwahrend eingelegten Berufung war die Klägerin aber nach der zutreffenden Berechnung des SG mit einem Differenzbetrag von 4,59 Euro kalendertäglich unterlegen (vgl S 7 Entscheidungsgründe des SG-Urteils). Multipliziert mit 178 streitigen Tagen ergibt dies einen Betrag, der deutlich über dem Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 Euro liegt (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG).

15

Entgegen der Ansicht des LSG kommt es daher nicht auf den in der Berufungsbegründung vom 15.11.2011 reduzierten Berufungsantrag an. Der Senat kann auch offenlassen, ob der mit Schriftsatz vom 2.10.2012 korrigierte Berufungsantrag, der schließlich in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt worden ist, eine unzulässige Erweiterung der Berufung gewesen ist.

16

Auf der Grundlage von § 160a Abs 5 SGG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

17

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Kläger Anschlussübergangsgeld unter Anrechnung von Arbeitslosengeld II zu zahlen ist.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt für die Zeit vom 23.3. bis 12.4.2005 die Zahlung von Übergangsgeld (Übg) im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

2

Der Kläger ist ausgebildeter Maler. Ab Januar 2003 nahm er an einer Umschulung zum Automobilkaufmann teil, wofür ihm die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) iVm §§ 33, 44 ff Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) gewährte (ua Übergangsgeld). Nachdem der Kläger die Umschulung am 13.1.2005 erfolgreich abgeschlossen und sich zum 14.1.2005 arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte ihm die Beklagte für die Zeit ab 14.1. bis 12.4.2005 Anschluss-Übg in Höhe von täglich 28,01 Euro.

3

Ab 3.3.2005 war der Kläger bei dem Autohaus H. als Automobilkaufmann beschäftigt, was er der Beklagten am gleichen Tag anzeigte. Das Autohaus kündigte jedoch bereits am 9.3.2005 das Arbeitsverhältnis zum 22.3.2005. Der Kläger meldete sich deshalb am 10.3.2005 bei der Beklagten wieder arbeitslos und beantragte zugleich die Wiederbewilligung des Anschluss-Übg.

4

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 15.3.2005 die Entscheidung über die Bewilligung von Anschluss-Übg ab 3.3.2005 auf. Mit weiterem Bescheid vom 22.3.2005 lehnte sie die erneute Bewilligung von Anschluss-Übg ab. Der Widerspruch des Klägers vom 14.4.2005, mit dem dieser geltend machte, er habe noch einen Restanspruch auf Anschluss-Übg bis 12.4.2005, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.7.2005).

5

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Anschluss-Übg für die Zeit vom 23.3. bis 12.4.2005 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 9.10.2007). Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen hatte, seinen Antrag auf die Gewährung von Anschluss-Übg unter Anrechnung von Arbeitslosengeld II (Alg II) beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 22.3.2005 idF des Widerspruchsbescheids vom 21.7.2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 23.3.2005 bis 12.4.2005 Anschluss-Übg abzüglich des gezahlten Alg II zu zahlen (Urteil vom 16.12.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Berufung sei nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der bis 31.3.2008 geltende Beschwerdewert von 500 Euro werde bei 28,01 Euro für 21 Tage erreicht; auf die Differenz zwischen Anschluss-Übg und Alg II könne es nicht ankommen. Obwohl wegen der unstreitigen Erfüllungswirkung gemäß § 107 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) der wirtschaftliche Wert für den Kläger unterhalb von 500 Euro liege, müsse das erstinstanzliche Urteil so ausgelegt werden, dass das komplett ausstehende Übg im Streit gestanden habe. Die Berufung sei auch begründet; der Kläger habe einen Anspruch auf Übg nach § 51 Abs 4 SGB IX. Er habe sich unmittelbar nach Beendigung der als Rehabilitationsleistung erbrachten beruflichen Ausbildung arbeitslos gemeldet. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) sei seit 23.7.2000 erschöpft gewesen. Nach dem neuerlichen Verlust der Arbeit habe sich der Kläger innerhalb der Dreimonatsfrist noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses unverzüglich arbeitslos gemeldet. Entgegen der Auffassung der Beklagten führe die Unterbrechung der Gewährung von Anschluss-Übg durch die Aufnahme einer nur wenige Tage dauernden Beschäftigung nicht zu einem Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum früheren § 156 SGB III sei § 51 Abs 4 SGB IX dahingehend auszulegen, dass die von der Beklagten geforderte Nahtlosigkeit keine zwingende Voraussetzung sei.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 51 SGB IX. Anspruch auf Weiterzahlung von Übg bestehe nach § 51 Abs 4 SGB IX nur, wenn der Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe arbeitslos werde. Komme es aber zur Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung, erlösche der Anspruch auf Anschluss-Übg und könne auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder aufleben. Dies entspreche der Ratio des § 51 SGB IX. Denn bereits durch die Beschäftigungsaufnahme sei der Zweck der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, nämlich die Integration in den Arbeitsmarkt, als erreicht anzusehen. Verliere der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wieder, stelle sich dies als Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos dar, und zwar unabhängig davon, ob dies nach oder noch vor Ablauf der Dreimonatsfrist erfolge. Hieran ändere auch nichts das vom LSG herangezogene Urteil des BSG zu § 156 SGB III, das nur die Frage betreffe, zu welchem Zeitpunkt nach Abschluss der Maßnahme spätestens eine Arbeitslosmeldung erfolgen müsse; nicht entschieden worden sei die hier streitige Frage, ob eine (kurze) Beschäftigung innerhalb der Dreimonatsfrist den Anspruch endgültig erlöschen lasse.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend trägt er vor, die Aussicht auf Eingliederung in den Arbeitsmarkt könne erst dann bejaht werden, wenn auch eine angemessene Zeit zur Neuorientierung unter Berücksichtigung der neu erworbenen Qualifikation finanziell abgesichert sei. Solange der Dreimonatszeitraum nicht abgelaufen sei, widerspreche eine Wiederbewilligung nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für den beantragten Zeitraum Anschluss-Übg zu zahlen. Die erhaltenen Leistungen nach dem SGB II sind wegen der Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X anzurechnen; dies hat der Senat im Urteilstenor klargestellt.

11

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

12

a) Die Berufung des Klägers ist ohne Zulassung statthaft, weil der aus der erstinstanzlichen Entscheidung und dem Begehren des Klägers im Berufungsverfahren folgende Wert des Beschwerdegegenstandes 500 Euro übersteigt (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG in der bis 31.3.2008 geltenden Fassung).

13

Das LSG hat zu Recht ausgeführt, dass dem Kläger nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag durch das SG eine Geldleistung im Wert von mehr als 500 Euro (28,01 Euro für 21 Tage) versagt worden ist. Gegen die ihn in diesem Umfang beschwerende Entscheidung des SG hat der Kläger zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt; er hat auch danach noch im Berufungsbegründungsschriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20.5.2008 die Verurteilung der Beklagten zur uneingeschränkten Gewährung von Anschluss-Übg beantragt. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung ist aber deren Einlegung (ua BSG SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 14; SozR 4-1500 § 144 Nr 4 RdNr 13; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 144 RdNr 19, jeweils mwN). Die Statthaftigkeit der Berufung entfällt somit nicht deswegen, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 16.12.2009 nur noch die Gewährung von Anschluss-Übg unter Anrechnung von Alg II beantragt hat. Ein Fall willkürlicher Beschränkung (vgl dazu BSG SozR 1500 § 146 Nr 7 und SozR 1500 § 144 Nr 24) liegt unter den gegebenen Umständen nicht vor.

14

Dahinstehen kann deshalb, ob nicht ohnehin beim Streit um eine Geldleistung deren voller Wert auch dann maßgebend ist, wenn bei Erfolg des klagenden Leistungsempfängers der nachrangig verpflichtete Träger vom Beklagten Erstattung gemäß § 104 SGB X verlangen kann und die Leistung nach Maßgabe des § 107 SGB X teilweise als erfüllt gilt.

15

b) Einer Sachentscheidung steht auch nicht entgegen, dass das LSG von einer Beiladung des Grundsicherungsträgers abgesehen hat, obwohl dieser von der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit betroffen ist (Entstehung eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X; zum Nachrang des SGB II vgl Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 5 RdNr 9, 10). Es kann insoweit offen bleiben, ob mit der Entscheidung über den vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch zugleich unmittelbar iS des § 75 Abs 2 SGG in die Rechtssphäre des anderen Trägers eingegriffen wird(vgl BSGE 93, 283, 285 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1; BSGE 97, 242, 247 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG zieht eine unterbliebene notwendige Beiladung dann keine Aufhebung des angefochtenen Urteils und keine Zurückverweisung nach sich, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des Revisionsgerichts den Beizuladenden nicht benachteiligen kann (BSGE 66, 144, 146 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1; SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 68; BSGE 96, 190, 195 f = SozR 4-4300 § 421g Nr 1). Hiervon ist auszugehen, weil der Kläger nach der Auffassung des Senats einen vorrangigen Anspruch gegen die Beklagte hat und diese folglich dem nachrangig verpflichteten Grundsicherungsträger erstattungspflichtig ist.

16

2. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger für die Zeit vom 23.3.2005 bis 12.4.2005 dem Grunde nach (§ 130 SGG) Anspruch auf Anschluss-Übg gemäß § 103 Satz 1 Nr 1, § 160 Satz 2 SGB III iVm § 51 Abs 4 SGB IX hat, wobei die erhaltenen SGB II-Leistungen entsprechend dem Zweck des § 107 SGB X (Vermeidung von Doppelleistungen) anzurechnen sind.

17

Nach § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX wird an Leistungsempfänger, die im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos sind, ua Übg während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

18

a) Der Kläger ist Leistungsempfänger iS des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX. Er hat nach den getroffenen Feststellungen an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgreich teilgenommen und wegen der Teilnahme Übg bezogen (§ 103 Nr 1, § 160 SGB III iVm §§ 46 ff SGB IX; zur Akzessorietät vgl Luik in Eicher/Schlegel, SGB III, § 160 RdNr 24, Stand 2009; zum Erfordernis des erfolgreichen Abschlusses vgl BSG, Urteil vom 23.2.2000, B 5 RJ 38/98 R, DRV 2001, 119; Böttiger in Eicher/Schlegel, SGB III, RdNr 25 zu § 51 SGB IX, Stand 2007; zum Meinungsstand, ob Maßnahme erfolgreich beendet worden sein muss, vgl Nachweise bei Keller in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 160 RdNr 55).

19

b) Der Kläger war im Anschluss an die abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos und er hat sich auch iS des § 54 Abs 4 Satz 1 SGB IX bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zunächst zu entnehmen, dass sich der Kläger am 14.1.2005, also am Tag nach der Beendigung der Weiterbildungsmaßnahme, arbeitslos gemeldet und dass er ab diesem Zeitpunkt bis zur Beschäftigungsaufnahme am 3.3.2005 auch die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (insbesondere Beschäftigungslosigkeit und Verfügbarkeit) erfüllt hat. Den Feststellungen des LSG ist weiter das Vorliegen einer erneuten Arbeitslosmeldung am 10.3.2005 und jedenfalls ab dem 23.3.2005 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) wieder das Vorliegen von Arbeitslosigkeit zu entnehmen.

20

Da der Kläger die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung schon ab 14.1.2005, also im unmittelbaren Anschluss an den Abschluss der Weiterbildung mit Bezug von Übg, und dann wieder sofort nach Beendigung der nur kurz ausgeübten Beschäftigung erfüllt hat, stellt sich nicht die im Urteil des BSG zum früheren § 156 SGB III erörterte Frage, ob eine "nahtlose" Arbeitslosmeldung zu verlangen ist(vgl BSGE 86, 147, 148 ff = SozR 3-4300 § 156 Nr 1; vgl auch zum früheren § 59d Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 59d RdNr 26; zu § 59c AFG s BSG SozR 3-4100 § 59c Nr 3). Der Kläger hat vielmehr nach den getroffenen Feststellungen alles getan, um die Arbeitsverwaltung in die Lage zu versetzen, mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen und die Arbeitslosigkeit möglichst rasch zu beenden (vgl BSGE aaO S 149). Ihm kann deshalb auch für den streitigen Zeitraum ab 23.3.2005 nicht entgegengehalten werden, es fehle an einer Arbeitslosigkeit oder der Arbeitslosmeldung "im Anschluss" an die abgeschlossene Leistung.

21

c) Auch die Voraussetzung des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX, dass der Leistungsempfänger einen Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten nicht geltend machen kann, ist unzweifelhaft erfüllt. Denn nach den Feststellungen des LSG war der frühere Alg-Anspruch des Klägers bereits seit 23.7.2000 erschöpft.

22

d) Der von der Beklagten und teilweise auch im Schrifttum vertretenen Auffassung, mit der Aufnahme einer Arbeit ende der Anspruch auf Anschluss-Übg endgültig (vgl etwa Keller in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 160 RdNr 69; Schütze in Hauck/Noftz, SGB IX, § 51 RdNr 27; ebenso wohl Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 160 RdNr 103, der nur geringfügige Beschäftigungen bzw den missglückten Arbeitsversuch als Ausnahmetatbestände erwähnt), folgt der Senat nicht. Dem Wortlaut des § 51 Abs 4 SGB IX lässt sich eine solche Beschränkung nicht entnehmen. Soweit nach § 51 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB IX Arbeitslosigkeit "im Anschluss" an eine abgeschlossene Teilhabeleistung erforderlich ist, folgt hieraus nicht zwingend der endgültige Ausschluss des Anspruchs auf Übg für den Fall, dass zunächst Arbeitslosigkeit vorliegt, dann eine Beschäftigung aufgenommen wird und danach erneut Arbeitslosigkeit eintritt. Denn nach § 51 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB IX ist das Übg "bis zu drei Monaten" weiter zu zahlen, und § 51 Abs 4 Satz 1 Halbs 2 SGB IX vermindert die Dauer von drei Monaten für den Fall, dass zeitweise noch ein Anspruch auf Alg geltend gemacht werden kann. Der Gesetzeswortlaut lässt somit durchaus die Weiterzahlung von Übg für insgesamt längstens drei Monate mit Unterbrechungen wegen vorübergehender Nichterfüllung einzelner Voraussetzungen zu.

23

Für die Auffassung der Beklagten sprechen auch nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX entspricht dem früheren § 160 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 594) und ist seit 1.7.2001 an dessen Stelle getreten. Die Vorschrift knüpft an frühere Regelungen des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) bzw des AFG an und erweitert diese (vgl § 17 Abs 3 RehaAnglG und § 59d Abs 2 AFG: Weitergewährung von Übg bis zu sechs Wochen). Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zu den Vorgängerregelungen ist vom Zweck des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX auszugehen, behinderten Menschen, die durch den Bezug von Übg einen Anspruch auf Alg nicht begründen und oftmals nach dem Ende der Weiterbildungsmaßnahme eine Arbeit nicht sofort aufnehmen können, die soziale Sicherung durch Anschluss-Übg bis zur Dauer von drei Monaten zu gewährleisten(vgl zum AFRG: BT-Drucks 13/4941 S 183, zu § 160, und S 182, zu § 156; zum SGB IX: BT-Drucks 14/5074 S 110, zu §§ 50 bis 52; vgl auch Keller in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 160 RdNr 51 mit Hinweis auf BR-Drucks 517/73 S 60 zum RehaAnglG; Schütze in Hauck/Noftz, SGB III, § 51 RdNr 20).

24

Aus Sinn und Zweck des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX folgt somit, dass der Leistungsempfänger, der während der Weiterbildung einen neuen Anspruch auf Alg nicht erwerben konnte, sich aber nach Abschluss der Maßnahme wie ein Alg-Bezieher hinreichend um eine neue Beschäftigung bemüht, jedenfalls für die Dauer von drei Monaten in Höhe des zuvor bezogenen Übg sozial abgesichert sein soll. Es ist nicht zu erkennen, weshalb diese vom Gesetz vorgesehene Sicherung nicht mehr gelten soll, wenn zunächst die Aufnahme einer Beschäftigung gelingt, diese jedoch später, aber noch innerhalb des Dreimonatszeitraums wieder endet (zur Unschädlichkeit einer Unterbrechung vgl auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 17.8.2000, L 8 AL 475/99, Breith 2000, 1059). Eine derartige Begrenzung des Anspruchs würde, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, die Leistungsempfänger unangemessen benachteiligen, die sich zunächst mit Erfolg um eine Beschäftigung bemüht haben.

25

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang vorträgt, es handele sich um die "Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos", verkennt sie, dass soeben umgeschulte behinderte Menschen insoweit nicht mit Personen gleichgestellt werden können, die bereits im Arbeitsmarkt etabliert sind. Gerade für Personen wie den Kläger, die keinen Alg-Anspruch haben, wollte der Gesetzgeber einen besonderen Schutz für den Zeitraum von drei Monaten vorsehen. Der Erhalt des Anspruchs auf Anschluss-Übg auch bei einer Unterbrechung durch Aufnahme einer kurzfristigen Beschäftigung vermeidet außerdem Schwierigkeiten, die sich anderenfalls bei der Prüfung eines etwaigen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Beratungspflichten ergeben könnten. Dies zeigt gerade die vorliegende Fallgestaltung, in der die vom Kläger über die Arbeitsaufnahme informierte Beklagte ihrerseits die Förderung dieses Arbeitsplatzes durch einen Eingliederungszuschuss in Aussicht gestellt hatte.

26

e) Dem Kläger kann auch nicht - wie vom SG - entgegengehalten werden, er habe den Bescheid vom 15.3.2005, mit dem die Beklagte die frühere Bewilligung aufgehoben hat, nicht mit Widerspruch angegriffen, weshalb der Anspruch auf Anschluss-Übg erloschen sei. Denn unabhängig davon, ob nicht der Widerspruch des Klägers vom 14.4.2005 sinngemäß auch als Widerspruch bzw Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheids vom 15.3.2005 aufzufassen ist, muss es dem Kläger unbenommen bleiben, dann einen neuen Antrag auf Wiederbewilligung von Übg zu stellen, wenn die zeitweise nicht mehr gegebenen Anspruchsvoraussetzungen erneut erfüllt sind. Letzteres ist - wie ausgeführt - der Fall.

27

f) Auch die vom LSG - entsprechend dem Antrag des Klägers - zugrunde gelegte Leistungsdauer bis 12.4.2005 ist nicht zu beanstanden (vgl dazu auch BSGE 86, 147, 152 f = SozR 3-4300 § 156 Nr 1).

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.

(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2016 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 755,60 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung als Zahnarzt zugelassene Kläger wendet sich gegen die Auszahlung von zahnärztlichem Honorar an die L. Zahntechnik GmbH.

2

Am 9.1.2008 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet. Bezogen auf die zahnärztliche Praxis des Klägers erfolgte eine Freigabe zum 1.7.2010. Am 9.1.2013 erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in der Zwangsvollstreckungssache der L. Zahntechnik GmbH gegen den Kläger, mit dem die Honorarforderungen des Klägers gegen die beklagte KZÄV wegen einer Forderung in Höhe von 25 961,44 Euro gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen wurden. Mit Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 4.6.2014 wurde dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt. Die Beklagte erkannte die Pfändung ausdrücklich an und zahlte zahnärztliches Honorar für das Quartal IV/2013 in Höhe von 359,44 Euro an die L. Zahntechnik GmbH.

3

Der Kläger war mit seinem Begehren, einen Betrag in Höhe von 755,66 Euro an ihn auszuzahlen, im Widerspruchs-, im Klage- und im Berufungsverfahren erfolglos.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Gleichzeitig beantragt der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für dieses Verfahren.

5

II. 1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf nur zugelassen werden, wenn der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen ist keiner ersichtlich.

6

Zwar spricht viel dafür, dass das LSG die L. Zahntechnik GmbH nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG zum Rechtsstreit hätte beiladen müssen. Eine unterbliebene notwendige Beiladung nach dieser Vorschrift ist ein Verfahrensmangel, der die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eröffnet und auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist. Der Fehler führt grundsätzlich zur Zurückverweisung, wenn er nicht nach § 168 Satz 2 SGG behoben werden kann. Eine unterbliebene notwendige Beiladung stellt aber keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der im Fall der Revision zur Zurückverweisung der Sache führt, wenn die Klage aus Sicht des Revisionsgerichts in jedem Fall abgewiesen werden muss und die zu treffende Entscheidung den Beigeladenen deshalb nicht benachteiligen kann (Littmann in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 75 RdNr 9; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13c mwN). So liegt der Fall hier:

7

Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht und mit zutreffenden Gründen zurückgewiesen. Insbesondere steht die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung der Pfändung nicht entgegen, weil eine Restschuldbefreiung nach § 301 Abs 1 Insolvenzordnung (InsO) nur gegen die Insolvenzgläubiger wirkt. Dies sind die Inhaber von Forderungen, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Die Forderung der L. Zahntechnik GmbH hat noch nicht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden, sondern ist durch die nach der Freigabeerklärung ausgeübte zahnärztliche Tätigkeit begründet worden. Das hat der Kläger auf Befragen in der Verhandlung vor dem SG ausdrücklich eingeräumt. Die auf § 35 Abs 2 Satz 1 InsO gestützte Freigabe des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Zahnarzt zum 1.7.2010 hatte zur Folge, dass der Neuerwerb aus der selbstständigen Tätigkeit nicht zur Masse gezogen wird, sondern den Neugläubigern - und damit auch der L. Zahntechnik GmbH - als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Dementsprechend ist die L Zahntechnik GmbH nicht Insolvenzgläubigerin.

8

Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht, und das LSG ist auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen. Woraus der Kläger im Klageverfahren eine über den Betrag von 359,44 Euro hinausgehende Forderung in Höhe von 755,66 Euro herleiten wollte, ist nicht ersichtlich. Einen Anspruch auf Übernahme von Verfahrenskosten hat der Kläger aus den im Urteil des LSG zutreffend angegebenen Gründen nicht. Soweit der Kläger das Revisionsverfahren auf weitere Forderungen erstrecken möchte, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens waren (insgesamt 3535,08 Euro), steht einer Erfolgsaussicht bereits entgegen, dass Klageänderungen im Revisionsverfahren nicht zulässig sind (§ 168 Satz 1 SGG). Auch für weitere Verfahrensfehler des LSG gibt es keine Anhaltspunkte.

9

2. Die von dem Kläger privatschriftlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger insoweit nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) vertreten ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 2. Halbsatz iVm § 169 SGG).

10

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

11

4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Kläger Anschlussübergangsgeld unter Anrechnung von Arbeitslosengeld II zu zahlen ist.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt für die Zeit vom 23.3. bis 12.4.2005 die Zahlung von Übergangsgeld (Übg) im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

2

Der Kläger ist ausgebildeter Maler. Ab Januar 2003 nahm er an einer Umschulung zum Automobilkaufmann teil, wofür ihm die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) iVm §§ 33, 44 ff Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) gewährte (ua Übergangsgeld). Nachdem der Kläger die Umschulung am 13.1.2005 erfolgreich abgeschlossen und sich zum 14.1.2005 arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte ihm die Beklagte für die Zeit ab 14.1. bis 12.4.2005 Anschluss-Übg in Höhe von täglich 28,01 Euro.

3

Ab 3.3.2005 war der Kläger bei dem Autohaus H. als Automobilkaufmann beschäftigt, was er der Beklagten am gleichen Tag anzeigte. Das Autohaus kündigte jedoch bereits am 9.3.2005 das Arbeitsverhältnis zum 22.3.2005. Der Kläger meldete sich deshalb am 10.3.2005 bei der Beklagten wieder arbeitslos und beantragte zugleich die Wiederbewilligung des Anschluss-Übg.

4

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 15.3.2005 die Entscheidung über die Bewilligung von Anschluss-Übg ab 3.3.2005 auf. Mit weiterem Bescheid vom 22.3.2005 lehnte sie die erneute Bewilligung von Anschluss-Übg ab. Der Widerspruch des Klägers vom 14.4.2005, mit dem dieser geltend machte, er habe noch einen Restanspruch auf Anschluss-Übg bis 12.4.2005, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.7.2005).

5

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Anschluss-Übg für die Zeit vom 23.3. bis 12.4.2005 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 9.10.2007). Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen hatte, seinen Antrag auf die Gewährung von Anschluss-Übg unter Anrechnung von Arbeitslosengeld II (Alg II) beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 22.3.2005 idF des Widerspruchsbescheids vom 21.7.2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 23.3.2005 bis 12.4.2005 Anschluss-Übg abzüglich des gezahlten Alg II zu zahlen (Urteil vom 16.12.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Berufung sei nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der bis 31.3.2008 geltende Beschwerdewert von 500 Euro werde bei 28,01 Euro für 21 Tage erreicht; auf die Differenz zwischen Anschluss-Übg und Alg II könne es nicht ankommen. Obwohl wegen der unstreitigen Erfüllungswirkung gemäß § 107 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) der wirtschaftliche Wert für den Kläger unterhalb von 500 Euro liege, müsse das erstinstanzliche Urteil so ausgelegt werden, dass das komplett ausstehende Übg im Streit gestanden habe. Die Berufung sei auch begründet; der Kläger habe einen Anspruch auf Übg nach § 51 Abs 4 SGB IX. Er habe sich unmittelbar nach Beendigung der als Rehabilitationsleistung erbrachten beruflichen Ausbildung arbeitslos gemeldet. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) sei seit 23.7.2000 erschöpft gewesen. Nach dem neuerlichen Verlust der Arbeit habe sich der Kläger innerhalb der Dreimonatsfrist noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses unverzüglich arbeitslos gemeldet. Entgegen der Auffassung der Beklagten führe die Unterbrechung der Gewährung von Anschluss-Übg durch die Aufnahme einer nur wenige Tage dauernden Beschäftigung nicht zu einem Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum früheren § 156 SGB III sei § 51 Abs 4 SGB IX dahingehend auszulegen, dass die von der Beklagten geforderte Nahtlosigkeit keine zwingende Voraussetzung sei.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 51 SGB IX. Anspruch auf Weiterzahlung von Übg bestehe nach § 51 Abs 4 SGB IX nur, wenn der Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe arbeitslos werde. Komme es aber zur Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung, erlösche der Anspruch auf Anschluss-Übg und könne auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder aufleben. Dies entspreche der Ratio des § 51 SGB IX. Denn bereits durch die Beschäftigungsaufnahme sei der Zweck der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, nämlich die Integration in den Arbeitsmarkt, als erreicht anzusehen. Verliere der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wieder, stelle sich dies als Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos dar, und zwar unabhängig davon, ob dies nach oder noch vor Ablauf der Dreimonatsfrist erfolge. Hieran ändere auch nichts das vom LSG herangezogene Urteil des BSG zu § 156 SGB III, das nur die Frage betreffe, zu welchem Zeitpunkt nach Abschluss der Maßnahme spätestens eine Arbeitslosmeldung erfolgen müsse; nicht entschieden worden sei die hier streitige Frage, ob eine (kurze) Beschäftigung innerhalb der Dreimonatsfrist den Anspruch endgültig erlöschen lasse.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend trägt er vor, die Aussicht auf Eingliederung in den Arbeitsmarkt könne erst dann bejaht werden, wenn auch eine angemessene Zeit zur Neuorientierung unter Berücksichtigung der neu erworbenen Qualifikation finanziell abgesichert sei. Solange der Dreimonatszeitraum nicht abgelaufen sei, widerspreche eine Wiederbewilligung nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für den beantragten Zeitraum Anschluss-Übg zu zahlen. Die erhaltenen Leistungen nach dem SGB II sind wegen der Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X anzurechnen; dies hat der Senat im Urteilstenor klargestellt.

11

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

12

a) Die Berufung des Klägers ist ohne Zulassung statthaft, weil der aus der erstinstanzlichen Entscheidung und dem Begehren des Klägers im Berufungsverfahren folgende Wert des Beschwerdegegenstandes 500 Euro übersteigt (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG in der bis 31.3.2008 geltenden Fassung).

13

Das LSG hat zu Recht ausgeführt, dass dem Kläger nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag durch das SG eine Geldleistung im Wert von mehr als 500 Euro (28,01 Euro für 21 Tage) versagt worden ist. Gegen die ihn in diesem Umfang beschwerende Entscheidung des SG hat der Kläger zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt; er hat auch danach noch im Berufungsbegründungsschriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20.5.2008 die Verurteilung der Beklagten zur uneingeschränkten Gewährung von Anschluss-Übg beantragt. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung ist aber deren Einlegung (ua BSG SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 14; SozR 4-1500 § 144 Nr 4 RdNr 13; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 144 RdNr 19, jeweils mwN). Die Statthaftigkeit der Berufung entfällt somit nicht deswegen, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 16.12.2009 nur noch die Gewährung von Anschluss-Übg unter Anrechnung von Alg II beantragt hat. Ein Fall willkürlicher Beschränkung (vgl dazu BSG SozR 1500 § 146 Nr 7 und SozR 1500 § 144 Nr 24) liegt unter den gegebenen Umständen nicht vor.

14

Dahinstehen kann deshalb, ob nicht ohnehin beim Streit um eine Geldleistung deren voller Wert auch dann maßgebend ist, wenn bei Erfolg des klagenden Leistungsempfängers der nachrangig verpflichtete Träger vom Beklagten Erstattung gemäß § 104 SGB X verlangen kann und die Leistung nach Maßgabe des § 107 SGB X teilweise als erfüllt gilt.

15

b) Einer Sachentscheidung steht auch nicht entgegen, dass das LSG von einer Beiladung des Grundsicherungsträgers abgesehen hat, obwohl dieser von der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit betroffen ist (Entstehung eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X; zum Nachrang des SGB II vgl Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 5 RdNr 9, 10). Es kann insoweit offen bleiben, ob mit der Entscheidung über den vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch zugleich unmittelbar iS des § 75 Abs 2 SGG in die Rechtssphäre des anderen Trägers eingegriffen wird(vgl BSGE 93, 283, 285 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1; BSGE 97, 242, 247 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG zieht eine unterbliebene notwendige Beiladung dann keine Aufhebung des angefochtenen Urteils und keine Zurückverweisung nach sich, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des Revisionsgerichts den Beizuladenden nicht benachteiligen kann (BSGE 66, 144, 146 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1; SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 68; BSGE 96, 190, 195 f = SozR 4-4300 § 421g Nr 1). Hiervon ist auszugehen, weil der Kläger nach der Auffassung des Senats einen vorrangigen Anspruch gegen die Beklagte hat und diese folglich dem nachrangig verpflichteten Grundsicherungsträger erstattungspflichtig ist.

16

2. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger für die Zeit vom 23.3.2005 bis 12.4.2005 dem Grunde nach (§ 130 SGG) Anspruch auf Anschluss-Übg gemäß § 103 Satz 1 Nr 1, § 160 Satz 2 SGB III iVm § 51 Abs 4 SGB IX hat, wobei die erhaltenen SGB II-Leistungen entsprechend dem Zweck des § 107 SGB X (Vermeidung von Doppelleistungen) anzurechnen sind.

17

Nach § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX wird an Leistungsempfänger, die im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos sind, ua Übg während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

18

a) Der Kläger ist Leistungsempfänger iS des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX. Er hat nach den getroffenen Feststellungen an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgreich teilgenommen und wegen der Teilnahme Übg bezogen (§ 103 Nr 1, § 160 SGB III iVm §§ 46 ff SGB IX; zur Akzessorietät vgl Luik in Eicher/Schlegel, SGB III, § 160 RdNr 24, Stand 2009; zum Erfordernis des erfolgreichen Abschlusses vgl BSG, Urteil vom 23.2.2000, B 5 RJ 38/98 R, DRV 2001, 119; Böttiger in Eicher/Schlegel, SGB III, RdNr 25 zu § 51 SGB IX, Stand 2007; zum Meinungsstand, ob Maßnahme erfolgreich beendet worden sein muss, vgl Nachweise bei Keller in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 160 RdNr 55).

19

b) Der Kläger war im Anschluss an die abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos und er hat sich auch iS des § 54 Abs 4 Satz 1 SGB IX bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zunächst zu entnehmen, dass sich der Kläger am 14.1.2005, also am Tag nach der Beendigung der Weiterbildungsmaßnahme, arbeitslos gemeldet und dass er ab diesem Zeitpunkt bis zur Beschäftigungsaufnahme am 3.3.2005 auch die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (insbesondere Beschäftigungslosigkeit und Verfügbarkeit) erfüllt hat. Den Feststellungen des LSG ist weiter das Vorliegen einer erneuten Arbeitslosmeldung am 10.3.2005 und jedenfalls ab dem 23.3.2005 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) wieder das Vorliegen von Arbeitslosigkeit zu entnehmen.

20

Da der Kläger die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung schon ab 14.1.2005, also im unmittelbaren Anschluss an den Abschluss der Weiterbildung mit Bezug von Übg, und dann wieder sofort nach Beendigung der nur kurz ausgeübten Beschäftigung erfüllt hat, stellt sich nicht die im Urteil des BSG zum früheren § 156 SGB III erörterte Frage, ob eine "nahtlose" Arbeitslosmeldung zu verlangen ist(vgl BSGE 86, 147, 148 ff = SozR 3-4300 § 156 Nr 1; vgl auch zum früheren § 59d Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 59d RdNr 26; zu § 59c AFG s BSG SozR 3-4100 § 59c Nr 3). Der Kläger hat vielmehr nach den getroffenen Feststellungen alles getan, um die Arbeitsverwaltung in die Lage zu versetzen, mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen und die Arbeitslosigkeit möglichst rasch zu beenden (vgl BSGE aaO S 149). Ihm kann deshalb auch für den streitigen Zeitraum ab 23.3.2005 nicht entgegengehalten werden, es fehle an einer Arbeitslosigkeit oder der Arbeitslosmeldung "im Anschluss" an die abgeschlossene Leistung.

21

c) Auch die Voraussetzung des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX, dass der Leistungsempfänger einen Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten nicht geltend machen kann, ist unzweifelhaft erfüllt. Denn nach den Feststellungen des LSG war der frühere Alg-Anspruch des Klägers bereits seit 23.7.2000 erschöpft.

22

d) Der von der Beklagten und teilweise auch im Schrifttum vertretenen Auffassung, mit der Aufnahme einer Arbeit ende der Anspruch auf Anschluss-Übg endgültig (vgl etwa Keller in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 160 RdNr 69; Schütze in Hauck/Noftz, SGB IX, § 51 RdNr 27; ebenso wohl Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 160 RdNr 103, der nur geringfügige Beschäftigungen bzw den missglückten Arbeitsversuch als Ausnahmetatbestände erwähnt), folgt der Senat nicht. Dem Wortlaut des § 51 Abs 4 SGB IX lässt sich eine solche Beschränkung nicht entnehmen. Soweit nach § 51 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB IX Arbeitslosigkeit "im Anschluss" an eine abgeschlossene Teilhabeleistung erforderlich ist, folgt hieraus nicht zwingend der endgültige Ausschluss des Anspruchs auf Übg für den Fall, dass zunächst Arbeitslosigkeit vorliegt, dann eine Beschäftigung aufgenommen wird und danach erneut Arbeitslosigkeit eintritt. Denn nach § 51 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB IX ist das Übg "bis zu drei Monaten" weiter zu zahlen, und § 51 Abs 4 Satz 1 Halbs 2 SGB IX vermindert die Dauer von drei Monaten für den Fall, dass zeitweise noch ein Anspruch auf Alg geltend gemacht werden kann. Der Gesetzeswortlaut lässt somit durchaus die Weiterzahlung von Übg für insgesamt längstens drei Monate mit Unterbrechungen wegen vorübergehender Nichterfüllung einzelner Voraussetzungen zu.

23

Für die Auffassung der Beklagten sprechen auch nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX entspricht dem früheren § 160 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 594) und ist seit 1.7.2001 an dessen Stelle getreten. Die Vorschrift knüpft an frühere Regelungen des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) bzw des AFG an und erweitert diese (vgl § 17 Abs 3 RehaAnglG und § 59d Abs 2 AFG: Weitergewährung von Übg bis zu sechs Wochen). Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zu den Vorgängerregelungen ist vom Zweck des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX auszugehen, behinderten Menschen, die durch den Bezug von Übg einen Anspruch auf Alg nicht begründen und oftmals nach dem Ende der Weiterbildungsmaßnahme eine Arbeit nicht sofort aufnehmen können, die soziale Sicherung durch Anschluss-Übg bis zur Dauer von drei Monaten zu gewährleisten(vgl zum AFRG: BT-Drucks 13/4941 S 183, zu § 160, und S 182, zu § 156; zum SGB IX: BT-Drucks 14/5074 S 110, zu §§ 50 bis 52; vgl auch Keller in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 160 RdNr 51 mit Hinweis auf BR-Drucks 517/73 S 60 zum RehaAnglG; Schütze in Hauck/Noftz, SGB III, § 51 RdNr 20).

24

Aus Sinn und Zweck des § 51 Abs 4 Satz 1 SGB IX folgt somit, dass der Leistungsempfänger, der während der Weiterbildung einen neuen Anspruch auf Alg nicht erwerben konnte, sich aber nach Abschluss der Maßnahme wie ein Alg-Bezieher hinreichend um eine neue Beschäftigung bemüht, jedenfalls für die Dauer von drei Monaten in Höhe des zuvor bezogenen Übg sozial abgesichert sein soll. Es ist nicht zu erkennen, weshalb diese vom Gesetz vorgesehene Sicherung nicht mehr gelten soll, wenn zunächst die Aufnahme einer Beschäftigung gelingt, diese jedoch später, aber noch innerhalb des Dreimonatszeitraums wieder endet (zur Unschädlichkeit einer Unterbrechung vgl auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 17.8.2000, L 8 AL 475/99, Breith 2000, 1059). Eine derartige Begrenzung des Anspruchs würde, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, die Leistungsempfänger unangemessen benachteiligen, die sich zunächst mit Erfolg um eine Beschäftigung bemüht haben.

25

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang vorträgt, es handele sich um die "Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos", verkennt sie, dass soeben umgeschulte behinderte Menschen insoweit nicht mit Personen gleichgestellt werden können, die bereits im Arbeitsmarkt etabliert sind. Gerade für Personen wie den Kläger, die keinen Alg-Anspruch haben, wollte der Gesetzgeber einen besonderen Schutz für den Zeitraum von drei Monaten vorsehen. Der Erhalt des Anspruchs auf Anschluss-Übg auch bei einer Unterbrechung durch Aufnahme einer kurzfristigen Beschäftigung vermeidet außerdem Schwierigkeiten, die sich anderenfalls bei der Prüfung eines etwaigen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Beratungspflichten ergeben könnten. Dies zeigt gerade die vorliegende Fallgestaltung, in der die vom Kläger über die Arbeitsaufnahme informierte Beklagte ihrerseits die Förderung dieses Arbeitsplatzes durch einen Eingliederungszuschuss in Aussicht gestellt hatte.

26

e) Dem Kläger kann auch nicht - wie vom SG - entgegengehalten werden, er habe den Bescheid vom 15.3.2005, mit dem die Beklagte die frühere Bewilligung aufgehoben hat, nicht mit Widerspruch angegriffen, weshalb der Anspruch auf Anschluss-Übg erloschen sei. Denn unabhängig davon, ob nicht der Widerspruch des Klägers vom 14.4.2005 sinngemäß auch als Widerspruch bzw Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheids vom 15.3.2005 aufzufassen ist, muss es dem Kläger unbenommen bleiben, dann einen neuen Antrag auf Wiederbewilligung von Übg zu stellen, wenn die zeitweise nicht mehr gegebenen Anspruchsvoraussetzungen erneut erfüllt sind. Letzteres ist - wie ausgeführt - der Fall.

27

f) Auch die vom LSG - entsprechend dem Antrag des Klägers - zugrunde gelegte Leistungsdauer bis 12.4.2005 ist nicht zu beanstanden (vgl dazu auch BSGE 86, 147, 152 f = SozR 3-4300 § 156 Nr 1).

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1631,47 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der klagende RV-Träger begehrt vom beklagten Geldinstitut die Rücküberweisung von Rentenzahlungen.

2

Die Versicherte T. (T) bezog von der Klägerin Altersrente iHv zuletzt monatlich 969,56 Euro sowie Witwenrente iHv zuletzt monatlich 805,55 Euro. Beide Renten wurden auf ihr von der Beklagten geführtes Girokonto überwiesen. Nach dem Tod der Versicherten am 19.11.2012 wurden auch noch die für Dezember 2012 bestimmten Rentenzahlungen am 30.11.2012 auf diesem Konto gutgeschrieben. Die Beklagte erhielt am 4.12.2012 Kenntnis vom Tod der T. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 17.1.2013 überzahlte Rentenbeträge iHv zusammen 1702,61 Euro von der Beklagten zurück. Diese teilte daraufhin mit, der Kontostand habe zum Zeitpunkt des Renteneingangs 1690,77 Euro und bei Eingang der Rückforderung (29.1.2013) 71,14 Euro betragen. Zugleich gab sie die Anschrift des Herrn Dr. W. T. (WT), dem Verfügungsberechtigten über das Konto nach Renteneingang, bekannt und übersandte einen Ausdruck der Kontoumsätze im Zeitraum 30.11.2012 bis 28.1.2013. Eine Rückzahlung lehnte die Beklagte ab, weil zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung über die Beträge bereits anderweitig verfügt worden sei.

3

Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von 1702,61 Euro verurteilt (Urteil vom 20.3.2014). Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, soweit sie über den Betrag von 71,14 Euro hinaus zur Zahlung weiterer 1631,47 Euro verurteilt worden war. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.6.2015) und dabei im Wesentlichen auf die Entscheidung des SG sowie auf sein Urteil vom 19.2.2013 (L 2 R 262/12) Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, die Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen beruhe nach der Rechtsprechung des BSG auf der unterstellten Unkenntnis des Geldinstituts vom Ableben des Rentenempfängers. Bei Kenntnis von dessen Tod sei das Geldinstitut jedoch in der Lage, den in § 118 Abs 3 S 1 SGB VI geregelten Vorbehalt zu erkennen, sodass ab diesem Zeitpunkt eine Berufung auf den Einwand anderweitiger Verfügungen ausscheide. Schutzwürdige Interessen des Geldinstituts, das nach Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers sehenden Auges weitere Verfügungen bzw die Auflösung des Kontos zulasse, stünden dem nicht entgegen. Hätte die Beklagte nach Kenntnis vom Tod der T die auf deren Konto befindlichen Rentenbeträge vor dem Zugriff Dritter geschützt, wäre eine Rücküberweisung aus einem Guthaben möglich gewesen. Einen Antrag der Beklagten auf Berichtigung des Tatbestands des LSG-Urteils hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 7.9.2015 zurückgewiesen.

4

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision in erster Linie eine Verletzung des § 118 Abs 3 SGB VI. Die Auslegung dieser Vorschrift durch das LSG widerspreche dem Wortlaut sowie dem sich darin widerspiegelnden Willen des Gesetzgebers. Sie sei auch nicht mit dem systematischen Gesamtgefüge des § 118 Abs 3 SGB VI vereinbar und verstoße zudem gegen den objektiven Sinn und Zweck dieser Norm, gegen Verfassungsrecht(Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sowie Art 14 Abs 1 GG) und Europarecht (Art 65 Abs 2 der EU-Zahlungsdiensterichtlinie, umgesetzt durch § 675o Abs 2 BGB). Außerdem beanstandet die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 2.7.2013 (B 1 KR 18/12 R - BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9), dass es das Berufungsgericht unterlassen habe, den verfügungsberechtigten WT zum Verfahren beizuladen.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Juni 2015 aufzuheben und unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 2014 die Klage abzuweisen, soweit mit ihr ein Betrag von mehr als 71,14 Euro gefordert wird.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, die im Urteil des Berufungsgericht nicht ausdrücklich festgestellten Umstände zur Entwicklung des Kontos ab dem 4.12.2012, insbesondere der Kontostand zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Beklagten vom Tod der T iHv 3504,93 Euro sowie die ab diesem Zeitpunkt erfolgten Belastungen des Kontos durch Überweisungen (ua am 10.1.2013 iHv 1700 Euro - Überweisung an WT) und durch Kontoführungsentgelte (24.12.2012: 15,00 Euro für eine Ersatzkarte; 31.12.2012: 30,09 Euro Kosten für den Saldo der Abschlussposten) seien unstreitig.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten Bank ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht verurteilt, über die von ihr akzeptierten 71,14 Euro hinaus einen Betrag iHv insgesamt 1702,61 Euro an die Klägerin zu zahlen. Die von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor (dazu unter 1.). Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Rückforderungsanspruchs ist § 118 Abs 3 S 2 SGB VI, dessen Voraussetzungen erfüllt sind(dazu unter 2.). Die Beklagte kann sich auf den anspruchsvernichtenden Einwand der Vornahme anderweitiger Verfügungen noch vor Eingang des Rückforderungsverlangens nach § 118 Abs 3 S 3 Halbs 1 SGB VI nicht mit Erfolg berufen, weil sie bei deren Ausführung Kenntnis vom Tod der Versicherten hatte(dazu unter 3.).

10

1. Die von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

11

a) Die Klägerin hat zutreffend eine echte Leistungsklage erhoben (§ 54 Abs 5 SGG - vgl BSG Urteil vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 R - BSGE 83, 176, 177 f = SozR 3-2600 § 118 Nr 4 S 31; BSG Urteil vom 5.2.2009 - B 13 R 59/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 7 RdNr 11). Sie ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch, soweit die Zahlung weiterer 1631,74 Euro im Streit steht. Da die Beklagte Berufung gegen das SG-Urteil lediglich insoweit eingelegt hat, als sie über den Betrag von 71,14 Euro hinaus zur Zahlung verurteilt worden war, ist das Urteil des SG in diesem Umfang rechtskräftig und für die Beteiligten bindend geworden (§ 141 Abs 1 SGG).

12

b) Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass WT, der nach dem Tod der Versicherten über deren Konto verfügungsberechtigt war, zu dem Verfahren nicht beigeladen wurde. Denn seine Beiladung zu dem Rechtsstreit zwischen RV-Träger und Geldinstitut ist nicht notwendig iS von § 75 Abs 2 SGG. Die einfache Beiladung von Personen, die möglicherweise gegenüber dem Geldinstitut ersatzpflichtig sein können, zum Rechtsstreit des Geldinstituts gegen den RV-Träger kommt zwar auf der Grundlage von § 75 Abs 1 S 1 SGG in Frage und mag oftmals im Interesse der Gesamtbereinigung einer fehlerhaften Rentenüberweisung zweckmäßig sein. Das Unterlassen einer einfachen Beiladung durch die Vorinstanz stellt jedoch keinen Verfahrensmangel dar (BSG Urteil vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R - BSGE 95, 142 RdNr 5 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 13 mwN) und kann im Revisionsverfahren auch nicht nachgeholt werden (§ 168 SGG).

13

Nach der hier allein in Betracht kommenden 1. Alternative des § 75 Abs 2 SGG ist ein Dritter notwendig zum Rechtsstreit beizuladen, soweit er an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Zwar kann der RV-Träger für den Fall, dass er die Rücküberweisung der überzahlten Rentenleistung durch das kontoführende Geldinstitut nicht realisieren kann, einen Erstattungsanspruch ua auch gegen denjenigen geltend machen, der als Verfügungsberechtigter über das Konto ein Zahlungsgeschäft zu dessen Lasten vorgenommen oder zugelassen hat (vgl BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 35/12 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 12 RdNr 36, 41; BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 25/13 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 13 RdNr 19). Der Umstand, dass der Rücküberweisungsanspruch des RV-Trägers gegen das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 S 2 SGB VI gegenüber einem Anspruch des RV-Trägers gegen den Verfügenden nach § 118 Abs 4 S 1 SGB VI vorrangig ist(stRspr, vgl BSG Urteil vom 10.7.2012 - B 13 R 105/11 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 11 RdNr 21),führt aber nicht dazu, dass eine Entscheidung über den Rücküberweisungsanspruch im Verhältnis zwischen RV-Träger und Bank einerseits sowie die Entscheidung über einen Erstattungsanspruch des RV-Trägers gegen den Verfügenden andererseits in jedem Fall nur einheitlich ergehen könnte. Vielmehr ist das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs des RV-Trägers gegen das Geldinstitut lediglich eine Vorfrage für das Rechtsverhältnis zwischen RV-Träger und Verfügendem; eine Identität des Streitgegenstands besteht insoweit nicht (BSG Urteil vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 R - BSGE 83, 176, 185 f = SozR 3-2600 § 118 Nr 4 S 40). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass im Rechtsstreit zwischen dem RV-Träger und einem gegebenenfalls nach § 118 Abs 4 S 1 SGB VI Erstattungspflichtigen die Beiladung des vorrangig in Anspruch zu nehmenden Geldinstituts für notwendig erachtet wird(BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 4 RA 64/99 R - SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S 99; s auch BSG Urteil vom 20.12.2001 - B 4 RA 53/01 R - SozR 3-2600 § 118 Nr 9 S 67; BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 35/12 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 12 RdNr 18).

14

Die notwendige Beiladung der Kontoverfügungsberechtigten oder Erben zu dem Rechtsstreit zwischen RV-Träger und Geldinstitut ist auch nicht aufgrund Verfassungsrechts veranlasst. Der 1. Senat des BSG geht allerdings davon aus, dass aufgrund der Regelungen in Art 19 Abs 4, Art 20 Abs 3 und Art 2 Abs 1 GG unter bestimmten Umständen eine teleologische Erstreckung des Prozessrechtsinstituts der notwendigen Beiladung geboten sein kann (BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 1 KR 18/12 R - BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9, RdNr 15 ff, 35). Er hat das für eine Konstellation angenommen, die dadurch geprägt ist, dass ein pharmazeutisches Unternehmen hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Einräumung von Herstellerrabatten gesetzlich weitgehend daran gebunden ist, welche Informationen über die Preise des Arzneimittels in einer speziellen Publikation veröffentlicht werden, wobei fehlerhafte Angaben nicht mehr mit Rückwirkung korrigiert werden können. Zum Ausgleich des besonders hohen wirtschaftlichen Risikos, das mit fehlerhaft veröffentlichten Preisangaben über ein Arzneimittel für das betroffene pharmazeutische Unternehmen einhergeht, wurde es für erforderlich erachtet, über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 75 Abs 2 SGG hinaus alle potentiell für die Fehlinformation haftenden Personen zu dem Rechtsstreit über die Höhe des von dem pharmazeutischen Unternehmen zu erstattenden Herstellerrabatts notwendig beizuladen. Nur mit Hilfe der hierdurch bewirkten Rechtskrafterstreckung sei es für das pharmazeutische Unternehmen möglich, Schadensersatzansprüche effektiv durchzusetzen.

15

Eine vergleichbare Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Für den Fall, dass die Klage des RV-Trägers gegen das Geldinstitut auf Rücküberweisung Erfolg hat, steht ein Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Kontoverfügungsberechtigten, dessen Zahlungsaufträge sie ausgeführt hat, nicht im Raum. Allenfalls ist ein Anspruch der Bank gegen den bzw die Erben des verstorbenen Kontoinhabers aus dem zugrunde liegenden Kontoführungsvertrag bzw aus ungerechtfertigter Bereicherung denkbar. Zudem fehlt es hier an vergleichbaren weitgehenden Folgen für das Geldinstitut aufgrund einer gesetzlich angeordneten Bindung an das Handeln Dritter, zu deren Kompensation der 1. Senat eine Rechtskrafterstreckung mit Hilfe einer von Amts wegen anzuordnenden notwendigen Beiladung für zwingend geboten erachtet hat (BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 1 KR 18/12 R - BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9, RdNr 15, 35).

16

2. Der klagende RV-Träger hat gegen die beklagte Bank einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1631,47 Euro.

17

a) Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin ist § 118 Abs 3 S 2 SGB VI. Die Vorschrift des § 118 Abs 3 SGB VI(in der hier maßgeblichen, in der Zeit vom 1.3.2004 bis 8.4.2013 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 27.12.2003, BGBl I 3019) hat folgenden Wortlaut:

        

1Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. 2Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. 3Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. 4Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden.

18

Diese Regelungen sind nicht nur für die gesetzliche Rentenversicherung maßgeblich, sondern kommen kraft Anordnung entsprechender Anwendung (§ 37 Abs 2 S 4 SGB XI, § 45 Abs 1 ALG, § 66 Abs 2 S 4 BVG, § 49 Abs 4 SVG, § 17a Abs 4 S 4 StrRehaG, § 13 Abs 8 S 2 ContStifG, § 52 Abs 4 BeamtVG, Art 7 Abs 2 BayBlindG sowie weitere Vorschriften des Landesrechts) oder aufgrund inhaltsgleicher Vorschriften (§ 96 Abs 3 SGB VII, § 30 Abs 1 WoGG) auch in zahlreichen anderen Rechtsbereichen bei der Rückabwicklung von Geldleistungen, die für Zeiträume nach dem Tod des Berechtigten überwiesen wurden, zum Tragen.

19

b) Die Voraussetzungen des in § 118 Abs 3 S 2 SGB VI geregelten Rücküberweisungsanspruchs sind erfüllt.

20

Die Klägerin hat auf das von der Beklagten geführte Girokonto der Versicherten T für die Zeit nach deren Tod am 19.11.2012 - nämlich für den Monat Dezember 2012 - noch die Zahlbeträge der Altersrente (969,56 Euro) und der Witwenrente (805,55 Euro) überweisen lassen. Hiervon hat sie mit am 29.1.2013 eingegangenem Schreiben von der Beklagten insgesamt 1702,61 Euro als zu Unrecht erbracht zurückgefordert. Diese Geldleistungen sind ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Materiell-rechtlich besteht ein Anspruch auf Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nämlich nur bis zum Ende des Kalendermonats, in dem der Berechtigte verstirbt (§ 102 Abs 5 SGB VI). Auch verwaltungsverfahrensrechtlich war keine Grundlage für ein Behaltendürfen der Geldleistung durch den bzw die Rechtsnachfolger des Rentenberechtigten vorhanden. Denn ein Rentenbewilligungsbescheid, der den Rentenberechtigten höchstpersönlich begünstigt, erledigt sich mit dessen Tod auch ohne formelle Aufhebung auf andere Weise (§ 39 Abs 2 SGB X - s BSG Urteil vom 5.2.2009 - B 13 R 87/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 8 RdNr 12; BSG Urteil vom 3.6.2009 - B 5 R 120/07 R - BSGE 103, 206 = SozR 4-2600 § 118 Nr 10, RdNr 13).

21

3. Die beklagte Bank kann dem Rücküberweisungsanspruch nicht den Einwand der anderweitigen Verfügung (Auszahlungseinwand) nach § 118 Abs 3 S 3 Halbs 1 SGB VI entgegenhalten.

22

a) Zwar sind auf dem Konto der Versicherten nach deren Tod und noch vor Eingang des Rückforderungsverlangens Kontobewegungen erfolgt, die den Kontostand bis auf 71,14 Euro reduziert haben.

23

Dem Ausschluss des Auszahlungseinwands in § 118 Abs 3 S 3 Halbs 2 SGB VI hinsichtlich des noch auf dem Konto vorhandenen Guthabens hat die Beklagte durch eine entsprechende Beschränkung ihrer Berufung zwischenzeitlich selbst Rechnung getragen. Hinsichtlich eines weiteren Betrags iHv (15,00 Euro + 30,09 Euro =) 45,09 Euro, zu dem die Beteiligten übereinstimmend erklärt haben, dass insoweit die Beklagte das Konto mit Kontoführungsentgelten belastet hat (zur Unstreitigstellung nicht weiter beweisbedürftiger Tatsachen vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5d mwN), kann der Auszahlungseinwand schon aufgrund des Ausschlusses in § 118 Abs 3 S 4 SGB VI (Verbot der Verwendung zur Befriedigung eigener Forderungen) nicht wirksam werden.

24

Aber auch in Bezug auf den Rest der Klageforderung iHv (1702,61 - 71,14 - 45,09 =) 1586,38 Euro stehen die noch vor Eingang des Rückforderungsverlangens vorgenommenen Kontobelastungen - ua eine Überweisung, die der kontoverfügungsberechtigte WT am 10.1.2013 iHv 1700 Euro zugunsten eines auf seinen Namen lautenden Kontos tätigte - dem Anspruch der Klägerin mangels Gutgläubigkeit der beklagten Bank nicht entgegen. Ein Geldinstitut kann gegenüber dem Rücküberweisungsanspruch des RV-Trägers nicht den anspruchsvernichtenden Auszahlungseinwand geltend machen, dass bei Eingang eines Rückforderungsverlangens über einen der überzahlten Rentenleistung entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt worden sei, wenn es bei Ausführung der in Betracht kommenden Verfügung Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers und Rentenempfängers hatte. Das ist hier der Fall, weil die beklagte Bank bei Ausführung der von WT veranlassten Überweisung am 10.1.2013 vom Tod der Versicherten wusste.

25

b) Nach der Rechtsprechung des BSG ist unter "anderweitige Verfügung" jedes abgeschlossene bankübliche Zahlungsgeschäft zu Lasten des Rentenüberweisungskontos anzusehen, durch das sich eine kontoverfügungsberechtigte Person des Kontos zur Bewirkung einer Zahlung oder Auszahlung bedient (s exemplarisch Senatsentscheidung vom 13.11.2008 - B 13 R 48/07 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 9, RdNr 19 mwN). In Fällen, in denen die Bank den "Schutzbetrag" (= Betrag der zu Unrecht auf das Konto des verstorbenen Versicherten überwiesenen Rentengutschrift) trotz Kenntnis von dessen Tod an einen Erben oder einen Dritten auszahlt, liegt kein bankübliches Zahlungsgeschäft und damit schon begrifflich keine anderweitige Verfügung iS des § 118 Abs 3 S 3 SGB VI vor(vgl Senatsentscheidung vom 5.2.2009 - B 13 R 87/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 8 RdNr 32).

26

Aber selbst dann, wenn man diese Rechtsfolge - anders als der Senat - nicht bereits aus dem Begriff der anderweitigen Verfügung ableitet, ist das Ergebnis kein anderes. Denn die Gutgläubigkeit der Bank hinsichtlich der Berechtigung des über das Konto Verfügenden ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 118 Abs 3 S 3 Halbs 1 SGB VI. Dies folgt aus dem systematischen Gefüge sowie aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie ihrer Entstehungsgeschichte. Die Kenntnis der Bank vom Tod des Kontoinhabers bei Ausführung einer Verfügung zu Lasten von dessen Konto schließt den Einwand der anderweitigen Verfügung iS der vorgenannten Bestimmung aus. Der 5a-Senat des BSG hat dies in seinem Urteil vom 22.4.2008 (B 5a/4 R 79/06 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 6 RdNr 16 f) näher begründet und der erkennende Senat ist dem in seinen Urteilen vom 5.2.2009 (B 13/4 R 91/06 R - Juris RdNr 34 f; B 13 R 59/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 7 RdNr 34 f; B 13 R 87/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 8 RdNr 31 f) gefolgt. Der 5. Senat hat diese Rechtsprechung in seinen Urteilen vom 3.6.2009 (B 5 R 120/07 R - BSGE 103, 206 = SozR 4-2600 § 118 Nr 10, RdNr 23; B 5 R 65/07 R - Juris RdNr 16) nochmals bekräftigt; auch das BVerwG hat sich dem angeschlossen (Urteil vom 24.6.2010 - 2 C 14/09 - Buchholz 239.1 § 52 BeamtVG Nr 1 - Juris RdNr 17). Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung insbesondere aus den nachfolgend skizzierten Gründen fest.

27

aa) Die auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesenen Geldleistungen des RV-Trägers gelten für die Zeit nach dem Tod eines Berechtigten kraft Gesetzes als unter Vorbehalt erbracht (§ 118 Abs 3 S 1 SGB VI). Dieser öffentlich-rechtliche Vorbehalt ist rechtstechnisch als auflösende Bedingung ausgestaltet. Er bewirkt kraft Gesetzes, dass eine ggf noch vor dem Todeszeitpunkt des Rentners für den Folgemonat vorgenommene Rentengutschrift ihre materiell-rechtliche Wirksamkeit wieder verliert bzw eine erst nach dem Tod erfolgte Gutschrift von vornherein nicht wirksam wird (vgl bereits BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 4 RA 64/99 R - SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S 97; BSG Urteil vom 20.12.2001 - B 4 RA 126/00 R - SozR 3-2600 § 118 Nr 8 S 49). Sie ist somit rechtsgrundlos und fehlgeschlagen (BSG Urteil vom 5.2.2009 - B 13 R 59/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 7 RdNr 22). Der in § 118 Abs 3 S 1 SGB VI geregelte Vorbehalt wirkt gegenüber der Bank, den Erben als neuen Kontoinhabern und auch gegenüber Dritten. Er entsteht unabhängig davon, ob diese von ihm Kenntnis haben, und schließt zugunsten des RV-Trägers aus, dass ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen auf die Wirksamkeit von Verfügungen und Rechtshandlungen des Geldinstituts über den Betrag der fehlgeschlagenen Rentengutschrift entstehen kann, soweit das Überweisungskonto kein zur Erstattung ausreichendes Guthaben (mehr) aufweist (vgl Senatsurteil vom 13.11.2008 - B 13 R 48/07 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 9 RdNr 33 mwN). Vielmehr soll auf der Grundlage des Vorbehalts die nach dem Tod des Versicherten zu Unrecht weitergezahlte Rente schnell und vollständig dem RV-Träger zurückerstattet werden, um die Solidargemeinschaft der Versicherten vor finanziellen Verlusten zu bewahren (BSG Urteil vom 3.6.2009 - B 5 R 120/07 R - BSGE 103, 206 = SozR 4-2600 § 118 Nr 10, RdNr 34).

28

bb) Die Regelungen in § 118 Abs 3 SGB VI dienen aber auch einem typisierten Interessenausgleich zwischen RV-Träger und Geldinstitut. Banken sollen aus einer ordnungsgemäßen Kontoführung keine wirtschaftlichen Nachteile tragen müssen, aus einer ungerechtfertigten Rentenüberweisung aber auch keine wirtschaftlichen Vorteile ziehen können (Senatsentscheidung vom 13.11.2008 - B 13 R 48/07 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 9 RdNr 45; BSG Urteil vom 3.6.2009 - B 5 R 120/07 R - BSGE 103, 206 = SozR 4-2600 § 118 Nr 10, RdNr 31, 34; BSG Urteil vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 R - BSGE 83, 176, 180 = SozR 3-2600 § 118 Nr 4 S 34). Daher mindern "anderweitige Verfügungen" den Anspruch des RV-Trägers auf Rücküberweisung der überzahlten Rente nur dann, wenn das Geldinstitut jedenfalls dem äußeren Anschein nach zur Ausführung banküblicher Vorgänge ohne weitere Überprüfung berechtigt ist. Die Bank muss redlicher bzw gutgläubiger "Zahlungsmittler" (vgl Senatsentscheidung vom 5.2.2009 - B 13 R 87/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 8 RdNr 24) sein. An Gutgläubigkeit fehlt es aber, wenn der Bank bei Ausführung einer Verfügung über das Konto eine fehlende bzw nicht mehr bestehende Verfügungsberechtigung bekannt ist. Dies ist der Fall, wenn die Bank im Zeitpunkt der Verfügung vom Tod des Versicherten weiß. In solchen Fällen liegt das Risiko, von dem durch die Verfügung begünstigten Zahlungsempfänger den Betrag zurückzuerlangen, bei der Bank. War die Bank im Zeitpunkt der "anderweitigen Verfügung" indessen gutgläubig, weist das Gesetz das Risiko, beim "Empfänger" der oder beim "Verfügenden" über die rechtsgrundlos geleistete Rentengutschrift gemäß § 118 Abs 4 S 1 SGB VI Erstattungsansprüche durchsetzen zu können, dem RV-Träger zu.

29

cc) Die gegen die Rechtsprechung des BSG vorgebrachten Angriffe der Revision greifen nicht durch.

30

(1) Entgegen der Ansicht der Revision (in diesem Sinne auch Rahn, DRV 1990, 518, 520 f; Terpitz, WM 1992, 2041, 2045; Escher-Weingart, WM 2014, 293, 296) erschöpft sich die Wirkung des in § 118 Abs 3 S 1 SGB VI geregelten Vorbehalts nicht darin, zugunsten des RV-Trägers bei einer Rückforderung der Rentenleistung von den Erben des verstorbenen Rentenempfängers die Einwendungen aus § 814 BGB (Wegfall des Bereicherungsanspruchs bei einer Leistung in Kenntnis des Nichtbestehens der Verbindlichkeit) bzw aus § 818 Abs 3 BGB (Wegfall der Bereicherung) auszuschließen. Die Materialien zur Beratung der später Gesetz gewordenen Fassung im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung geben einen deutlichen Hinweis darauf, dass mit Hilfe des Vorbehalts von vornherein die Wirksamkeit der Rentengutschrift an die "gesetzliche Berechtigung" gekoppelt werden sollte (Ausschuss-Drucks 11/1303 Anl 10 S 67). Diesem Regelungswillen des Gesetzgebers kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, "die Banken" ließen bedingte Gutschriften aus Überweisungen generell nicht zu (so Escher-Weingart, WM 2014, 293, 295 f). Auch die Banken sind an das geltende Recht gebunden, das in § 118 Abs 3 S 1 iVm Abs 1 S 2 SGB VI eine Gutschrift von Rentenzahlungen unter Vorbehalt ausdrücklich anordnet.

31

(2) Das seit dem 31.10.2009 geltende neue Zahlungsdiensterecht (§§ 675c bis 676c BGB idF des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.7.2009, BGBl I 2355) schließt eine solche Vorbehaltsgutschrift nicht aus. Gemäß § 675t Abs 1 BGB muss die Bank einem Zahlungsempfänger die Gutschrift aus einer Überweisung nur in dem Umfang verfügbar machen, wie sie selbst Deckung erhalten hat. Eine solche Gutschrift kann deshalb weiterhin unter einer Bedingung erteilt werden, wie dies insbesondere beim Scheck- oder Lastschriftinkasso ("Eingang vorbehalten") üblich ist (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum vorgenannten Gesetz, BT-Drucks 16/11643 S 112 - zu § 675t BGB, zu Abs 1; ebenso Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl 2011, § 49 RdNr 170; Omlor in Staudinger, BGB, §§ 675c bis 676c, Neubearbeitung 2012, § 675t RdNr 6). Daher ist auch eine Rentengutschrift unter der gesetzlich angeordneten auflösenden Bedingung "Erleben vorbehalten" mit den Regelungen des Zahlungsdiensterechts vereinbar.

32

(3) Entgegen der Ansicht der Revision (so auch Escher-Weingart, WM 2014, 293, 296; Habl, Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht 2012, 328, 330; Terpitz, WM 1992, 2041, 2045) richtet sich der Vorbehalt nach § 118 Abs 3 S 1 SGB VI auch nicht ausschließlich an die Rechtsnachfolger des verstorbenen Rentenberechtigten, ohne die Bank des Zahlungsempfängers überhaupt zu tangieren. Vielmehr wirkt er nach ständiger Rechtsprechung gegenüber allen, die an der Gutschrift des Rentenbetrags im unbaren Zahlungsverkehr sowie an nachfolgenden Verfügungen über das Konto beteiligt sind (vgl BSG Urteil vom 28.8.1997 - 8 RKn 2/97 - SozR 3-2600 § 118 Nr 1 S 5; BSG Urteil vom 4.8.1998 - B 4 RA 72/97 R - BSGE 82, 239, 248 f = SozR 3-2600 § 118 Nr 3 S 25; BSG Urteil vom 11.12.2002 - B 5 RJ 42/01 R - SozR 3-2600 § 118 Nr 11 S 78; BSG Urteil vom 26.4.2007 - B 4 R 89/06 R - SozR 4-1500 § 170 Nr 2 RdNr 66, 73; BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 13 R 48/07 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 9 RdNr 33). Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung in § 118 Abs 3 S 1 SGB VI die Basis für das gesamte Regime zur Rückabwicklung überzahlter Rentenleistungen schaffen. Seine Anordnung, dass eine Rente "für die Zeit nach dem Tod des Rentners den Erben nur 'unter Vorbehalt' gutgeschrieben werden darf" (vgl Ausschuss-Drucks 11/1303 Anl 10 S 65, 67), nimmt gerade auch das die Gutschrift durchführende Geldinstitut in die Pflicht und greift hierzu in das zivilrechtliche Rechtsverhältnis des Zahlungsempfängers zu seiner Bank ein (vgl auch Escher-Weingart/ Scheel, Öffentliches Recht im Wandel, Liber Amicorum Armin Dittmann, 2015, S 113, 122).

33

(4) Der Einwand, der Vorbehalt könne sich nicht an die Bank richten, weil diese ansonsten gehalten wäre, dem Rentenempfänger lediglich eine "Vorbehaltsgutschrift" zu erteilen und das Konto dementsprechend zu überwachen, was bei Überweisungen aber zivilrechtlich "grundsätzlich" nicht vorgesehen sei (so Habl, BKR 2012, 328, 331), gebietet keine abweichende Beurteilung. Das Geldinstitut, das vom Renten Service der Deutschen Post AG eine Rentenzahlung zur Gutschrift auf ein von ihm geführtes Konto erhält, hat alle erforderlichen Informationen darüber, dass es sich um eine unter dem gesetzlichen Vorbehalt des § 118 Abs 3 S 1 SGB VI stehende Geldleistung handelt. Es ist in der Lage, das mit einer solchen "Vorbehaltsgutschrift" ggf verbundene Kreditrisiko zu beherrschen. Aus dem Umstand, dass die Banken dies faktisch bislang offenbar nicht umsetzen, weil sie Rentenzahlungen in der internen Datenverarbeitung mit demselben Schlüssel kennzeichnen, den sie auch für Lohn- und Gehaltszahlungen verwenden, bei denen ein solcher Vorbehalt nicht besteht (vgl Habl aaO), lässt sich kein durchgreifendes Argument für die Auslegung des § 118 Abs 3 S 1 SGB VI gewinnen. Dasselbe gilt für die Behauptung, der in § 118 Abs 3 S 2 SGB VI normierte eigenständige sozialrechtliche Rücküberweisungsanspruch gegen die Bank habe "dogmatisch" nichts mehr mit der Vorbehaltszahlung zu tun(so Escher-Weingart, WM 2014, 293, 296). Sie lässt unberücksichtigt, dass der Gesetzgeber im Rahmen der ihm auch gegenüber der Zivilrechtsdogmatik zukommenden Gestaltungsfreiheit (s hierzu Escher-Weingart/Scheel, Öffentliches Recht im Wandel, Liber amicorum Armin Dittmann, 2015, S 113, 132) diese Frage anders bewertet und den Vorbehalt in § 118 Abs 3 S 1 SGB VI bewusst als Grundlage für den in § 118 Abs 3 S 2 SGB VI geregelten Anspruch gegen das Geldinstitut auf Rücküberweisung ausgestaltet hat(vgl von Heinz, BG 1992, 376, 379, 381).

34

(5) Die nach dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum erfolgte Änderung des § 118 Abs 3 S 1 SGB VI durch Art 9 Abs 3 SEPA-Begleitgesetz(vom 3.4.2013, BGBl I 610, in Kraft ab 9.4.2013) zwingt ebenfalls nicht dazu, der Ansicht der Revision zu folgen. Mit der genannten Änderung wurden die Worte "auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland" durch die Wendung "auf ein Konto bei einem Geldinstitut, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 (…) gilt," ersetzt. Der Gesetzgeber wollte damit in Umsetzung von Art 9 EUV 260/2012 sicherstellen, dass Zahlungsempfängern keine Vorgaben gemacht werden, in welchem Mitgliedstaat sie ihr Zahlungskonto zu führen haben (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum vorgenannten Gesetz, BT-Drucks 17/10038 S 18 - zu Art 6). Um die unionsweite Zugänglichkeit von Zahlungskonten zu ermöglichen, sollten alle einschlägigen bundesgesetzlichen Regelungen, die bislang Überweisungen auf ein inländisches Konto vorgeschrieben hatten, dahingehend geändert werden, dass nunmehr auch Überweisungen auf Zahlungskonten in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind (aaO BT-Drucks 17/10038 S 2, 3, 13). Es mag zweifelhaft sein, ob zur Erreichung dieses Ziels eine Änderung des § 118 Abs 3 S 1 SGB VI geboten war, obgleich diese Vorschrift keinen Zwang zur Nutzung eines Kontos bei einem Geldinstitut im Inland begründete(vgl die Änderung von § 9 Abs 1 RentSV durch Verordnung vom 14.10.2013, BGBl I 3866, s hierzu BR-Drucks 653/13 S 3). Jedenfalls verfolgte der Gesetzgeber mit dem SEPA-Begleitgesetz nicht das Ziel, die Geldinstitute im Inland von dem Vorbehalt des § 118 Abs 3 S 1 SGB VI auszunehmen. Ob der Vorbehalt aufgrund dieser Änderung auch auf Geldinstitute im Ausland ausgedehnt werden sollte und durfte, kann hier offenbleiben.

35

(6) Soweit die bisherige Rechtsprechung des BSG auch die Erben als Kontoverfügungsberechtigte iS von § 118 Abs 3 S 3 SGB VI angesehen hat(vgl BSG Urteil vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 R - BSGE 83, 176, 181 = SozR 3-2600 § 118 Nr 4 S 35; BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 13 R 48/07 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 9 RdNr 19; BSG Urteile vom 5.2.2009 - B 13 R 59/08 R bzw B 13 R 87/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 7 RdNr 16 bzw Nr 8 RdNr 14), lässt sich daraus kein durchgreifendes Argument dafür gewinnen, dass die Kenntnis der Bank vom Tod des Rentenberechtigten unbeachtlich sein müsste. In den genannten Entscheidungen wird lediglich abstrakt der Kreis der kontoführungsbefugten Personen im bankrechtlichen Sinne benannt; hierzu gehören auch die Erben des Kontoinhabers als dessen Rechtsnachfolger und somit neue Kontoinhaber (vgl Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl 2011, § 10 RdNr 1). Tragende Aussagen zu der hier entscheidenden Frage, ob auch Verfügungen von Erben die Rücküberweisungspflicht der Bank nach § 118 Abs 3 S 3 Halbs 1 SGB VI mindern können, enthalten diese Entscheidungen nicht.

36

(7) Auch die von der Revision angeführten Gesichtspunkte der Praktikabilität sprechen nicht gegen die Auslegung des Senats. Soweit geltend gemacht wird, die Bank könne nicht wissen, ob und in welcher Höhe Zahlungseingänge auf dem Konto mit dem Vorbehalt des § 118 Abs 3 S 1 SGB VI behaftet seien, trifft das nicht zu. Aus den Überweisungen ist der Renten Service der Deutschen Post AG als Zahler sowie der überwiesene Betrag, der Verwendungzweck "RV-Rente" sowie der Monat ersichtlich, für den die Zahlung erfolgt. Damit stehen der Bank alle erforderlichen Informationen zur Verfügung, um den gesetzlichen Vorbehalt hinsichtlich des gesamten Zahlbetrags beachten zu können. Das gilt auch in Fällen, in denen eine Rente entsprechend dem Wunsch des Rentenempfängers auf das Konto eines Dritten - zB eines Angehörigen - überwiesen wird (vgl § 9 Abs 3 S 2 RentSV idF der VO vom 14.10.2013, BGBl I 3866); in solchen Konstellationen ist allerdings nicht die Kenntnis der Bank vom Tod des Kontoinhabers, sondern die vom Tod des Rentenempfängers maßgeblich. Dass der RV-Träger später möglicherweise nur einen geringeren als den überwiesenen Rentenzahlbetrag zurückfordert, ändert nichts daran, dass die Bank bis zum Eingang des auch der Höhe nach spezifizierten Rückforderungsverlangens den gesamten überwiesenen Rentenbetrag als unter Vorbehalt gutgeschrieben behandeln muss. Sobald sie Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hat, ist sie im Rahmen des Kontoführungsvertrags auch befugt, die Vorbehaltsgutschrift als rechtsgrundlos und somit fehlerhaft zu behandeln, ohne sich deshalb gegenüber den Kontoinhabern (Erben) schadensersatzpflichtig zu machen (vgl Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl 2011, § 13 RdNr 1 ff bzw § 14 RdNr 26).

37

(8) Von den Banken wird auch nicht verlangt, dass sie vor Durchführung der Rentengutschriften eine Überprüfung durchführen, ob diese Leistungen in Wirklichkeit zu Unrecht erbracht sind (vgl Ausschuss-Drucks 11/1303 Anl 10 S 65 f, 68). § 118 Abs 3 S 3 SGB VI führt lediglich als Reflex zu einer Obliegenheit der Bank, bei Kenntniserlangung vom Tod eines Kontoinhabers im eigenen Interesse das betreffende Konto daraufhin zu untersuchen, ob dort solche rechtsgrundlos gewordenen Rentenzahlungen gutgeschrieben wurden, um gegebenenfalls eine Stornobuchung oder Berichtigungsbuchung zu veranlassen.

38

Solche Folgewirkungen sind nicht unverhältnismäßig. Es ist der Bank zumutbar, bei Kenntnis vom Tod eines Kontoinhabers das Konto vor Ausführung weiterer Zahlungsaufträge daraufhin durchzusehen, ob Rentengutschriften vorhanden sind, die kraft Gesetzes als unter Vorbehalt erbracht gelten, um beurteilen zu können, im welchem Umfang sie weitere Verfügungen zu Lasten des Kontos ausführen muss (§ 675o Abs 2 BGB) oder - unter Übernahme des entsprechenden Kreditrisikos - ggf auszuführen bereit ist. Dabei handelt es sich nicht um Massenerscheinungen, welche die Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs in Frage stellen könnten, sondern um einzelfallbezogene Fallgestaltungen, in denen die Bank zur Klärung der weiteren Verfügungsberechtigung über die betroffenen Konten ohnehin tätig werden muss (vgl Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl 2011, § 10 RdNr 11). Unter vergleichbaren besonderen Umständen bejahen auch der BGH Warn- und Hinweispflichten der Banken (vgl BGH Urteil vom 6.5.2008 - XI ZR 56/07 - BGHZ 176, 281 RdNr 14 ff; BGH Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 96/11 - NJW 2012, 2422 RdNr 32) sowie der BFH Prüfpflichten der Banken trotz einer vom Finanzamt erteilten Unbedenklichkeitsbescheinigung (BFH Urteil vom 18.7.2007 - II R 18/06 - BFHE 217, 265, 268 - ebenfalls im Zusammenhang mit einem Rücküberweisungsanspruch nach § 118 Abs 3 SGB VI).

39

(9) Die Auslegung des Senats verletzt nicht Art 14 Abs 1 GG. Der 4. Senat des BSG hat bereits festgestellt, dass § 118 Abs 3 SGB VI nicht in verfassungswidriger Weise in das Eigentumsrecht des Geldinstituts eingreift(BSG Urteil vom 4.8.1998 - B 4 RA 72/97 R - BSGE 82, 239, 252 = SozR 3-2600 § 118 Nr 3 S 28 f). Soweit geltend gemacht wird, die Erben des rentenbezugsberechtigten Kontoinhabers würden hierdurch gezwungen, den Kontoführungsvertrag mit der Bank so lange entgeltpflichtig fortzuführen, bis im Rechtsverhältnis zwischen Bank und RV-Träger geklärt sei, ob ein Rücküberweisungsanspruch bestehe, kann hier offenbleiben, ob eine solche "Kontofortführungspflicht gegen Entgelt" überhaupt den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts nach Art 14 Abs 1 S 1 GG berührt oder ob dadurch vielmehr nur das Vermögen bzw die allgemeine Handlungsfreiheit in Gestalt der Vertragsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) betroffen sind. Denn die Auslegung des Senats hat keine zwangsweise Verpflichtung der Erben zur Fortführung des Kontos des verstorbenen Rentenempfängers zur Folge. Diese können vielmehr den Kontoführungsvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern im Einzelfall nicht eine Kündigungsfrist von längstens einem Monat vereinbart ist (§ 675h Abs 1 BGB). Weitere regelmäßige Entgelte für die Kontoführung müssen sie ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags nicht mehr entrichten (§ 675h Abs 3 BGB). Im Übrigen können sich Geldinstitute nur auf ihre eigenen Rechte, nicht dagegen auf das Eigentumsrecht ihrer Kunden oder deren Erben berufen.

40

(10) Die Auslegung des § 118 Abs 3 S 3 Halbs 1 SGB VI durch den Senat - Gutgläubigkeit der Bank als (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal des Auszahlungseinwands - überschreitet schließlich auch nicht die sich aus Art 20 Abs 2 S 2 iVm Abs 3 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Gesetzesinterpretation. Sie hält sich vielmehr im Rahmen der anerkannten Auslegungsgrundsätze (s dazu BVerfG Beschluss vom 24.5.1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37, 81; BVerfG Beschluss vom 25.1.2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193, 218 ff). Hierzu gehört auch die teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Norm (BVerfG Beschluss vom 30.3.1993 - 1 BvR 1045/89 ua - BVerfGE 88, 145, 167; BVerfG Beschluss vom 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06 ua - BVerfGK 19, 89, 103). Sie ist dann vorzunehmen, wenn die auszulegende Vorschrift auf einen Teil der vom Wortlaut erfassten Fälle nicht angewandt werden soll, weil Sinn und Zweck der Norm, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG Beschluss vom 19.8.2011 - 1 BvR 2473/10 ua - Juris RdNr 21; s auch BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 27; BSG Urteil vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - BSGE 118, 18 = SozR 4-2700 § 101 Nr 2, RdNr 27). Diese Voraussetzungen sind hier - wie oben dargelegt - gegeben. Insbesondere folgt auch aus den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des § 118 Abs 3 SGB VI Fallgestaltungen, in denen die Bank positive Kenntnis vom Tod des Rentners hat, nicht dem Risikobereich der RV-Träger zuweisen wollte(vgl Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung <11. Ausschuss> zum Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/5530 S 46 - zu § 119 Abs 3 iVm Ausschuss-Drucks 11/1303 Anl 10 S 65, 67). Die Auslegung des Senats lässt sich somit auch auf einen zum Ausdruck gekommenen Willen des parlamentarischen Gesetzgebers zurückführen (vgl BVerfG Beschluss vom 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06 ua - BVerfGK 19, 89, 103).

41

c) Der Senat kann diese Entscheidung treffen, ohne zuvor gemäß Art 267 Abs 3 AEUV dem EuGH Fragen zur Auslegung der Richtlinie (RL) 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt usw (vom 13.11.2007, ABl EU Nr L 319 vom 5.12.2007 S 1; s auch Art 114 RL 2015/2366 EU vom 25.11.2015, ABl EU Nr L 337 vom 23.12.2015 S 35) vorzulegen (vgl BVerfG Urteil vom 28.1.2014 - 2 BvR 1561/12 ua - BVerfGE 135, 155 RdNr 178 ff). Eine Frage zur Auslegung dieser Richtlinie ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Die Auslegung des Senats zur Bedeutung des Vorbehalts in § 118 Abs 3 S 1 SGB VI berührt allenfalls die - unionsrechtlich nicht geregelte - Vorfrage, ob die Bank hinsichtlich weiterer Zahlungsaufträge zu Lasten des Kontos des verstorbenen Rentenberechtigten von ausreichender Deckung ausgehen kann und deshalb möglicherweise die Ausführungsbedingungen des zugrunde liegenden Zahlungsdiensterahmenvertrags nicht erfüllt sind.

42

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

43

Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1 S 1, § 52 Abs 3 GKG.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

(1) Anspruch auf Übergangsgeld haben Versicherte, die

1.
von einem Träger der Rentenversicherung Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge oder sonstige Leistungen zur Teilhabe erhalten, sofern die Leistungen nicht dazu geeignet sind, neben einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erbracht zu werden,
2.
(weggefallen)
3.
bei Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Nachsorge oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen
a)
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt und im Bemessungszeitraum Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben oder
b)
Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.

(2) Versicherte, die Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch oder Anspruch auf Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches haben, haben abweichend von Absatz 1 Nummer 1 Anspruch auf Übergangsgeld, wenn sie wegen der Inanspruchnahme der Leistungen zur Teilhabe keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben können.

(3) Versicherte, die Anspruch auf Krankengeld nach § 44 des Fünften Buches haben und ambulante Leistungen zur Prävention und Nachsorge in einem zeitlich geringen Umfang erhalten, haben abweichend von Absatz 1 Nummer 1 ab Inkrafttreten der Vereinbarung nach Absatz 4 nur Anspruch auf Übergangsgeld, sofern die Vereinbarung dies vorsieht.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2017, unter welchen Voraussetzungen Versicherte nach Absatz 3 einen Anspruch auf Übergangsgeld haben. Unzuständig geleistete Zahlungen von Entgeltersatzleistungen sind vom zuständigen Träger der Leistung zu erstatten.

Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise ausüben und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen mit dieser Zielrichtung erbracht werden.

Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung, Beratung, Behandlung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, sollen nach einheitlichen Grundsätzen gefördert werden. Die Daten der Rehabilitationsträger über Art und Höhe der Förderung der Selbsthilfe fließen in den Bericht der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation nach § 41 ein.

Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erbringen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 49 bis 54 des Neunten Buches, im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 57 des Neunten Buches, entsprechende Leistungen bei anderen Leistungsanbietern nach § 60 des Neunten Buches sowie das Budget für Ausbildung nach § 61a des Neunten Buches. Das Budget für Ausbildung wird nur für die Erstausbildung erbracht; ein Anspruch auf Übergangsgeld nach § 20 besteht während der Erbringung des Budgets für Ausbildung nicht. § 61a Absatz 5 des Neunten Buches findet keine Anwendung.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 2016 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 9. September 2014 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 221,59 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der klagende Grundsicherungsträger begehrt von dem beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung von "aufstockenden" Leistungen nach dem SGB II, die er während einer zu Lasten der Beklagten durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erbracht hat.

2

Die Beklagte bewilligte der bei ihr versicherten M. T. (V) auf ihren Antrag vom 28.10.2011 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. V bezog neben Arbeitslosengeld (Alg) seit 1.12.2011 vom Kläger "aufstockende" Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 29.12.2011 bis 19.1.2012 gewährte die Beklagte V Übergangsgeld (Übg) iHv täglich 13,80 Euro. Dies entsprach der Höhe des zuvor täglich gezahlten Alg.

3

Mit Schreiben vom 6.3. und 22.3.2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Erstattung von 221,59 Euro geltend. Er habe in dieser Höhe an V während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme "aufstockende" Leistungen nach dem SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung: 196,88 Euro, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung : 21,32 Euro, Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung : 3,39 Euro) gezahlt. Hierfür sei die Beklagte erstattungspflichtig, weil V Anspruch auf Übg gehabt habe. Die Beklagte weigerte sich, diese Erstattungsforderung zu erfüllen.

4

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 9.9.2014 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 221,59 Euro zu zahlen. Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid mit Urteil vom 4.5.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nach § 102 SGB X iVm § 25 SGB II, weil diese nicht verpflichtet gewesen sei, Übg auch in Höhe des "aufstockend" gezahlten Arbeitslosengelds II (Alg II) an V zu leisten. Diese habe hierauf schon dem Grunde nach keinen Anspruch. Denn § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI setze - ebenso wie § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI - voraus, dass "zuvor" aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung (RV) gezahlt worden seien. Damit werde eine "deutliche Anknüpfung an frühere Beitragszahlungen zur RV" vorgenommen. Es reiche aber nicht aus, dass "irgendwann, irgendwelche Beiträge" gezahlt worden seien. Vielmehr werde auf das der Sozialleistung zugrunde liegende Arbeitsentgelt abgestellt, und zwar im Fall des Bezugs von Alg II auf Arbeitsentgelt, aus dem zuvor Beiträge gezahlt worden seien. "Aufstockungsleistungen" nach dem SGB II stünden aber nicht in einem Bezug zu früheren Beitragsleistungen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Das Berufungsgericht habe den Regelungsgehalt der Bestimmungen (§ 25 S 3 SGB II, § 102 Abs 2 SGB X, § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI, § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI), die dem geltend gemachten Erstattungsanspruch zugrunde lägen, verkannt. Es genüge sowohl nach § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI als auch nach § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI, dass vor dem Bezug von Alg II ("zuvor") Beiträge zur RV gezahlt worden seien. Auf einen bestimmten Zeitrahmen werde dabei nicht abgestellt.

6

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 9. September 2014 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte, die dem Berufungsurteil weitgehend beipflichtet, beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet.

9

Das SG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, an den Kläger 221,59 Euro zu zahlen. Diese Entscheidung war daher unter Aufhebung des angefochtenen LSG-Urteils wiederherzustellen.

10

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X iVm § 25 SGB II in Höhe des an V während der zu Lasten der RV durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme "aufstockend" erbrachten Alg II von 196,88 Euro(dazu unter II). Die darüber hinaus für diese Zeit zugleich geltend gemachten Beiträge zur KV und PV iHv 24,71 Euro kann der Kläger von der Beklagten gemäß § 40 Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 335 Abs 2 und 5 SGB III ersetzt verlangen(dazu unter III).

11

I. Im Revisionsverfahren fortwirkende Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen, liegen nicht vor.

12

Einer notwendigen Beiladung der V nach § 75 Abs 2 SGG bedurfte es nicht, weil V Sozialleistungen in der hier zwischen den Leistungsträgern streitigen Höhe von dem Kläger bereits erhalten hat und sie diese Leistungen in dieser Höhe - unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Erstattungsrechtsstreits - nicht nochmals von der Beklagten beanspruchen könnte. V muss dem Kläger deren Wert auch nicht erstatten (§ 107 SGB X; vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 12/14 R - SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 9 mwN). Im Streit steht lediglich die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen den beteiligten Sozialleistungsträgern.

13

II. Streitgegenstand ist zunächst der zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) verfolgte Anspruch des Klägers auf Erstattung von Übg in Höhe des "aufstockend" erbrachten Alg II wegen der Teilnahme der V an einer von der Beklagten gewährten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme.

14

1. Als Anspruchsgrundlage für dieses Erstattungsbegehren des Klägers kommt allein § 102 SGB X iVm § 25 SGB II in Betracht.

15

Nach § 102 Abs 1 SGB X hat ein Leistungsträger Anspruch auf Kostenerstattung, der aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Die Vorschrift gilt im Anwendungsbereich des § 25 SGB II entsprechend(§ 25 S 3 SGB II). Hierbei richtet sich gemäß § 102 Abs 2 SGB X der Erstattungsanspruch des Klägers nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften, ist also auf denjenigen Umfang beschränkt, in dem er zu Recht Leistungen gemäß § 25 S 1 SGB II erbracht hat(vgl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 23.6.2011 - L 10 R 648/09 - Juris RdNr 15).

16

Nach § 25 S 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13.5.2011 (BGBl I 850) erbringen die Träger der Leistungen nach dem SGB II die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der RV weiter, wenn Leistungsberechtigte dem Grunde nach Anspruch auf Übg bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen RV haben. Die Vorschrift des § 25 S 1 SGB II kommt also zur Anwendung, wenn ein Bezieher von Alg II dem Grunde nach Anspruch auf Übg hat, weil er von einem Träger der RV Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält. Als Rechtsfolge erbringt in einem derartigen Fall der Grundsicherungsträger für den RV-Träger die "bisherigen Leistungen" vorschussweise weiter. Grund für diese Regelung ist, dass ein Trägerwechsel und damit eventuell einhergehende Lücken bei der Leistungsgewährung vermieden werden sollen (Senatsbeschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 13 unter Verweis auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 26.1.2005 zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht , BT-Drucks 15/4751, 44).

17

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 S 1 SGB II sind erfüllt. V hatte während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 29.12.2011 bis 19.1.2012 gegen die Beklagte gemäß § 20 Nr 3 Buchst b iVm § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI Anspruch auf Übg (auch) in Höhe des ergänzend ("aufstockend") gezahlten Alg II.

18

§ 20 Nr 3 Buchst b SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006 (BGBl I 926) lautet: Anspruch auf Übg haben Versicherte, die bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übg, Kurzarbeitergeld, Alg, Alg II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Alg II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur RV gezahlt worden sind.

19

§ 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21.3.2005 (BGBl I 818) lautet: Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Alg II bezogen und die zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, erhalten Übg bei medizinischen Leistungen in Höhe des Betrages des Alg II. Dies gilt nach § 21 Abs 4 S 2 SGB VI in der vorgenannten Fassung aber nicht für Empfänger der Leistung, die Alg II nur darlehensweise oder die nur Leistungen nach § 24 Abs 3 S 1 SGB II bezogen haben. Diese der Anwendung des § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI entgegenstehenden Tatbestände des § 21 Abs 4 S 2 SGB VI liegen hier nicht vor.

20

a) Die Voraussetzungen von § 20 Nr 3 Buchst b iVm § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI für die Gewährung von Übg an V in Höhe des vom Kläger während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme "aufstockend" erbrachten Alg II sind erfüllt.

21

aa) Nach den für den Senat nach § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG hat V - wie von § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI vorausgesetzt - "unmittelbar" vor Beginn der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am 29.12.2011 neben Alg "aufstockend" Alg II bezogen, und zwar durchgehend seit 1.12.2011.

22

bb) V erfüllt auch die weitere Voraussetzung des § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI für einen Anspruch auf Übg im Fall des Bezugs von Alg II. Danach wird vorausgesetzt, dass "zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur RV gezahlt worden sind". Anspruch auf Übg hat somit nur derjenige Bezieher von Alg II, der bereits "beitragsbelastete" Vorversicherungszeiten in der RV aufgrund pflichtversicherter Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit aufweist (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 25 RdNr 12, Stand: Einzelkommentierung November 2014).

23

Soweit aus der Formulierung "zuvor" in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI die Forderung abgeleitet wird, dass ein nahtloser Übergang zwischen vorheriger Beitragsleistung zur RV aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen und dem Alg II-Bezug, an dem sich die Rehabilitationsmaßnahme anschließt, bestehen müsse(so LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.2.2011 - L 16 R 1366/07 - Juris RdNr 16), folgt der Senat dieser Ansicht nicht.

24

Ein Verständnis des unbestimmten Rechtsbegriffs "zuvor" in diesem restriktiven Sinne kommt bereits aus gesetzessystematischen Gründen nicht in Betracht. § 21 Abs 3 SGB VI regelt die Anwendung des § 49 SGB IX mit der Maßgabe, dass Versicherte "unmittelbar vor" dem Bezug der dort genannten Leistungen (Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übg) Pflichtbeiträge "geleistet" haben(vgl hierzu Senatsurteil vom 31.10.2012 - B 13 R 10/12 R - SozR 4-3250 § 49 Nr 2 RdNr 24-26). Eine solche Einschränkung beinhaltet § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI - ebenso wie § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI - hingegen nicht.

25

Aber selbst dort, wo das Gesetz in einschlägigen Zusammenhängen die engeren Formulierungen "im unmittelbaren Anschluss" (§ 51 Abs 5 SGB IX) oder nur "im Anschluss" (§ 49 Halbs 1 SGB IX) verwendet, wird vom BSG kein nahtloser Übergang gefordert (vgl BSG Urteil vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 26/07 R - SozR 4-3250 § 51 Nr 1 RdNr 30 f; Senatsurteil vom 5.2.2009 - B 13 R 27/08 R - SozR 4-3250 § 28 Nr 3 RdNr 22 f; BSG Urteil vom 7.9.2010 - B 5 R 104/08 R - SozR 4-3250 § 49 Nr 1 RdNr 21).

26

Ob der Gesetzgeber mit dem Begriff "zuvor" in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI überhaupt eine bestimmte Zeitspanne zwischen vorheriger (Pflicht-)Beitragsleistung zur RV aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und dem Alg II-Bezug unmittelbar vor der Rehabilitationsmaßnahme im Blick hatte, lässt sich den einschlägigen Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 26.1.2005 zum Entwurf eines Verwaltungsvereinfachungsgesetzes, BT-Drucks 15/4751, 46 zu Art 5 zu Nr 1a; Begründung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 5.9.2003 zum Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1516, 73 zu Nr 3 und 4; Begründung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.3.2004 zum Entwurf eines Gesetzes für optionale Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch , BT-Drucks 15/2816, 16 zu Nr 2). Der unbestimmte Rechtsbegriff "zuvor" in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI kann aber unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Leistung von Übg während einer (medizinischen) Rehabilitationsmaßnahme präzisiert werden.

27

Die Zweckbestimmung des Übg nach § 20 SGB VI liegt darin, während einer Rehabilitationsmaßnahme die Entgelt- und Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten, die dem bisherigen Lebensstandard des Versicherten zugrunde liegen ("Kontinuitätsauftrag"). Es soll den Entgelt- und Einkommensverlust - sei es den Ausfall von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder einer der in dieser Norm benannten Sozialleistungen - ausgleichen ("Entgeltersatz- bzw Ausgleichsfunktion"), dem ein in der gesetzlichen RV Versicherter durch die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen ausgesetzt ist (vgl Kater in Kasseler Komm, § 20 SGB VI RdNr 3, Stand: Einzelkommentierung Mai 2014; Jüttner in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 20 RdNr 2, Stand: Einzelkommentierung Februar 2016).

28

Anders als bei den sonstigen in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI genannten Sozialleistungen kommt dem Alg II als bedarfsorientierte und vorleistungsunabhängige Leistung der Grundsicherung eine "Entgeltersatzfunktion" orientiert am letzten "beitragsbelasteten" Entgelt, an das insoweit hinsichtlich einer "zuvor" erfolgten "Beitragsentrichtung" angeknüpft werden könnte ("der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen"), zwar nicht zu. Ihm liegt bei der Leistungsbemessung kein "zuvor" erzieltes "beitragsbelastetes" Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde (vgl Begründung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.3.2004 zum Entwurf eines Kommunalen Optionsgesetzes, BT-Drucks 15/2816, 16 zu Nr 2). Gleichwohl ist Alg II nach § 102 SGB X iVm § 25 SGB II durch den RV-Träger zu ersetzen. Denn der Grundsicherungsträger erbringt die "bisherigen Leistungen" für den RV-Träger während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vorschussweise weiter, wenn der Leistungsberechtigte nach den Vorschriften des SGB VI einen Übg-Anspruch hat. Dies entspricht dem "Kontinuitätsauftrag". Hiervon ausgehend liegt es zur näheren Bestimmung des durch das Wort "zuvor" in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI umschriebenen Zeitrahmens nahe, die in § 11 SGB VI normierten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für medizinische Rehabilitationsleistungen der RV heranzuziehen. Danach genügt es jedenfalls für die notwendige "Vorleistung" von Beiträgen zur RV aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, dass in den letzten zwei Jahren vor der Beantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aus dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit (für zumindest sechs Kalendermonate) Beiträge zur RV entrichtet worden sind (vgl § 11 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI). Dieser Zeitraum kann sich gegebenenfalls um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Alg II verlängern (vgl § 11 Abs 2 S 3 SGB VI).

29

V erfüllte diese Voraussetzungen. Sie stand vor ihrem am 28.10.2011 bei der Beklagten gestellten Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 1.5.2010 bis 31.5.2011 in einer pflichtversicherten Beschäftigung, und aus dem von ihr dort erzielten Arbeitsentgelt wurden Pflichtbeiträge zur RV entrichtet.

30

cc) Gemäß § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI bemisst sich für Versicherte, die - wie V - unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Alg II bezogen und zuvor Pflichtbeiträge zur RV "gezahlt" haben, das Übg nach der "Höhe des Betrages des Alg II". Damit orientiert sich das Übg bei Vorbezug von Alg II folgerichtig und systemgerecht im Rahmen des (auch insoweit bestehenden) "Kontinuitätsauftrags" am aktuellen (Grundsicherungs-)Bedarf des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Auf diese Weise wird zugleich der "Ausgleichsfunktion" des Übg folgend eine von Zufälligkeiten freie und den bisherigen Lebensstandard des hilfebedürftigen erwerbsfähigen Versicherten ausreichend widerspiegelnde (bedarfsgerechte) Bemessung (auch) dieser "Ersatzleistung" während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme gewährleistet.

31

Aus dem Empfängerhorizont des Leistungsberechtigten wird bei einer zu Lasten der RV durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme Alg II in unveränderter Höhe weitergezahlt. Der Unterschied besteht nur darin, dass an Stelle des RV-Trägers der Grundsicherungsträger für diesen vorschussweise das Übg erbringt, und zwar in Höhe der "bisherigen Leistungen". Denn die "bisherigen Leistungen" nach § 25 S 1 SGB II, die der Träger der Grundsicherung in Form und in Höhe von Alg II als "Vorschuss" auf Leistungen der RV während der medizinischen Rehabilitation weiterzahlt, korrespondieren mit der Höhe des Übg nach § 20 Nr 3 Buchst b iVm § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI. Eine gesonderte Berechnung des Übg ist hier nicht erforderlich (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 25 RdNr 14, Stand: Einzelkommentierung November 2014).

32

b) Der Einwand der Beklagten, dass sie bei sog "Aufstockern" im Fall der Arbeitslosigkeit nur das aus Beiträgen finanzierte Alg (als Versicherungsleistung) bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Übg zu zahlen habe, das aus Steuermitteln finanzierte, "aufstockend" geleistete Alg II (als ergänzende Fürsorge- bzw Sozialhilfeleistung) hingegen vom Grundsicherungsträger weiterzuzahlen und vom RV-Träger nicht zu erstatten sei, überzeugt nicht (vgl im Ergebnis ebenso Jüttner in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 21 RdNr 70a, Stand: Einzelkommentierung September 2016). Dies zeigt bereits die gesetzliche Konstruktion des § 20 Nr 3 Buchst b iVm § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI. Denn wäre das Alg bereits vor der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ausgelaufen, dann wäre das Alg II in seiner gesamten Höhe Grundlage für den Übg-Anspruch der versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewesen. Insoweit erfolgt gerade keine Differenzierung zwischen einem "beitragsfinanzierten" bzw "versicherungsbezogenen" und einem "steuerfinanzierten" bzw "fürsorge- oder grundsicherungsbezogenen" Teil des Übg-Anspruchs. Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Gewährung von Übg für Alg II-Bezieher während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (dem Grunde und der Höhe nach) zwischen (vorschussweise) "aufstockend" und "ausschließlich" gezahltem Alg II unterscheiden wollte. Weder die oben genannten einschlägigen Gesetzesmaterialien noch der Wortlaut der vorgenannten Bestimmungen oder die dargestellte Zweckbestimmung des Übg mit seiner den bisherigen Lebensstandard des Leistungsempfängers sichernden "Entgeltersatz- bzw Ausgleichsfunktion" geben für eine solchermaßen einschränkende Betrachtungsweise greifbare Anhaltspunkte. Vielmehr erfolgt der "Ersatz" durch Übg in Bezug auf das aufstockend erbrachte Alg II nur in Höhe des wegen der zeitgleichen Leistung des Übg auf Grundlage des Alg entsprechend geringeren Grundsicherungsbedarfs nach dem SGB II. Denn Alg/Übg ist als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB II bei der Berechnung des Alg II nach § 9 Abs 1 SGB II bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

33

c) Der von dem Kläger nach § 102 SGB X zu beanspruchende Erstattungsbetrag für Übg beschränkt sich gemäß § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB VI auf die Höhe des von ihm während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme nach § 25 S 1 SGB II als Vorschuss "aufstockend" erbrachten Alg II. Erfasst werden vom Alg II aber nur die in § 19 Abs 1 S 3 SGB II genannten Bedarfe(Regelbedarf <§ 20 SGB II>, Mehrbedarf<§ 21 SGB II>, Bedarf für Unterkunft und Heizung<§ 22 SGB II>), soweit sie auf denjenigen entfallen, der die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 25 RdNr 13, Stand: Einzelkommentierung November 2014; vgl auch Senatsbeschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 13). Als hiernach vom Alg II erfassten Bedarf von V hat die Beklagte in ihrer Erstattungsforderung aber lediglich Leistungen für Unterkunft und Heizung iHv 196,88 Euro geltend gemacht, sodass die auf § 102 SGB X iVm § 25 SGB II gestützte Klage auch nur in dieser Höhe begründet ist.

34

III. Die vom Kläger zudem geltend gemachten Beiträge zur KV und PV iHv 24,71 Euro kann er von der Beklagten nach Maßgabe der Regelung des § 40 Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 335 Abs 2 und 5 SGB III beanspruchen.

35

1. Nach § 335 Abs 2 SGB III sind Beiträge für Versicherungspflichtige nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V, denen eine Rente aus der gesetzlichen RV oder Übg von einem nach § 251 Abs 1 SGB V beitragspflichtigen Rehabilitationsträger gewährt worden ist, der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom Träger der RV oder vom Rehabilitationsträger zu ersetzen, wenn und soweit wegen der Gewährung von Alg oder Unterhaltsgeld ein Erstattungsanspruch der BA gegen den Träger der RV oder den Rehabilitationsträger besteht(S 1 idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). S 1 ist entsprechend anzuwenden in den Fällen, in denen dem Arbeitslosen von einem Träger der RV wegen einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben Übg oder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zuerkannt wurde (S 2 idF des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Für die Beiträge der BA zur PV für Versicherungspflichtige nach § 20 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB XI ist § 335 Abs 2 SGB III entsprechend anzuwenden(§ 335 Abs 5 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848).

36

§ 335 Abs 2 und 5 SGB III finden über § 40 Abs 2 Nr 5 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13.5.2011 (BGBl I 850) auch für das SGB II Anwendung. Bezieher von Alg II sind gemäß § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V in der KV und gemäß § 20 Abs 1 S 2 Nr 2a SGB XI in der PV pflichtversichert. Die Beiträge zur KV/PV werden vom Bund getragen (§ 251 Abs 4 S 1 SGB V und § 59 Abs 1 S 1 SGB XI). Die BA oder in den Fällen des § 6a SGB II die zugelassenen kommunalen Träger zahlen die Beiträge zur KV/PV(§ 252 Abs 1 S 2 SGB V und § 60 Abs 1 S 1 SGB XI).

37

2. § 335 Abs 2 und 5 SGB III setzen - da sie einen (anderweitigen) Erstattungsanspruch zur Voraussetzung (des Ersatzanspruchs) haben - denknotwendig voraus, dass der Erstattungsanspruch selbst gerade nicht die Beiträge zur KV und PV umfasst(Senatsurteil vom 31.10.2012 - B 13 R 9/12 R - SozR 4-1300 § 104 Nr 5 RdNr 49; BSG Urteil vom 25.9.2014 - B 8 SO 6/13 R - BSGE 117, 47 = SozR 4-4200 § 44a Nr 1, RdNr 15). Dies ist vorliegend der Fall. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte - wie unter II ausgeführt - gemäß § 102 SGB X iVm § 25 SGB II lediglich Anspruch auf Erstattung des während der Teilnahme der V an einer von der Beklagten gewährten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme "aufstockend" gezahlten Alg II in Form des Bedarfs an Leistungen für Unterkunft und Heizung. Da auch im Übrigen die Voraussetzungen des § 40 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB II iVm § 335 Abs 2 und 5 SGB III erfüllt sind, hat der Kläger Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der während der Rehabilitationsmaßnahme für V entrichteten und vorliegend in der Höhe zwischen den Beteiligten unstreitigen Beiträge zur KV und PV.

38

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 S 1 sowie § 47 Abs 1 S 1 GKG.

(1) Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes bestimmen sich nach Teil 1 Kapitel 11 des Neunten Buches, soweit die Absätze 2 bis 4 nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld wird für Versicherte, die Arbeitseinkommen erzielt haben, und für freiwillig Versicherte, die Arbeitsentgelt erzielt haben, aus 80 vom Hundert des Einkommens ermittelt, das den vor Beginn der Leistungen für das letzte Kalenderjahr (Bemessungszeitraum) gezahlten Beiträgen zugrunde liegt.

(3) § 69 des Neunten Buches wird mit der Maßgabe angewendet, dass Versicherte unmittelbar vor dem Bezug der dort genannten Leistungen Pflichtbeiträge geleistet haben.

(4) Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Arbeitslosengeld bezogen und die zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, erhalten Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen in Höhe des bei Krankheit zu erbringenden Krankengeldes (§ 47b Fünftes Buch).

(5) Für Versicherte, die im Bemessungszeitraum eine Bergmannsprämie bezogen haben, wird die Berechnungsgrundlage um einen Betrag in Höhe der gezahlten Bergmannsprämie erhöht.

(1) Verträge mit Leistungserbringern müssen insbesondere folgende Regelungen über die Ausführung von Leistungen durch Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, die nicht in der Trägerschaft eines Rehabilitationsträgers stehen, enthalten:

1.
Qualitätsanforderungen an die Ausführung der Leistungen, das beteiligte Personal und die begleitenden Fachdienste,
2.
die Übernahme von Grundsätzen der Rehabilitationsträger zur Vereinbarung von Vergütungen,
3.
Rechte und Pflichten der Teilnehmer, soweit sich diese nicht bereits aus dem Rechtsverhältnis ergeben, das zwischen ihnen und dem Rehabilitationsträger besteht,
4.
angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten der Teilnehmer an der Ausführung der Leistungen,
5.
Regelungen zur Geheimhaltung personenbezogener Daten,
6.
Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen Anteils von Frauen mit Behinderungen, insbesondere Frauen mit Schwerbehinderungen sowie
7.
das Angebot, Beratung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung in Anspruch zu nehmen.

(2) Die Bezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann bei Verträgen auf der Grundlage dieses Buches nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Auf Verlangen des Rehabilitationsträgers ist die Zahlung von Vergütungen nach Satz 1 nachzuweisen.

(3) Die Rehabilitationsträger wirken darauf hin, dass die Verträge nach einheitlichen Grundsätzen abgeschlossen werden. Dabei sind einheitliche Grundsätze der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigten. Die Rehabilitationsträger können über den Inhalt der Verträge gemeinsame Empfehlungen nach § 26 vereinbaren. Mit den Arbeitsgemeinschaften der Rehabilitationsdienste und -einrichtungen können sie Rahmenverträge schließen. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt.

(4) Absatz 1 Nummer 1 und 3 bis 6 wird für eigene Einrichtungen der Rehabilitationsträger entsprechend angewendet.

(1) Die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 umfassen auch

1.
die medizinischen Leistungen der fachübergreifend arbeitenden Dienste und Einrichtungen sowie
2.
nichtärztliche sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, auch in fachübergreifend arbeitenden Diensten und Einrichtungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen.

(2) Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder umfassen weiterhin nichtärztliche therapeutische, psychologische, heilpädagogische, sonderpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten durch interdisziplinäre Frühförderstellen oder nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum. Die Leistungen sind erforderlich, wenn sie eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennen helfen oder die eingetretene Behinderung durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen ausgleichen oder mildern.

(3) Leistungen nach Absatz 1 werden in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen nach § 79 als Komplexleistung erbracht. Die Komplexleistung umfasst auch Leistungen zur Sicherung der Interdisziplinarität. Maßnahmen zur Komplexleistung können gleichzeitig oder nacheinander sowie in unterschiedlicher und gegebenenfalls wechselnder Intensität ab Geburt bis zur Einschulung eines Kindes mit Behinderungen oder drohender Behinderung erfolgen.

(4) In den Landesrahmenvereinbarungen zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern und den Verbänden der Leistungserbringer wird Folgendes geregelt:

1.
die Anforderungen an interdisziplinäre Frühförderstellen, nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum und sozialpädiatrische Zentren zu Mindeststandards, Berufsgruppen, Personalausstattung, sachlicher und räumlicher Ausstattung,
2.
die Dokumentation und Qualitätssicherung,
3.
der Ort der Leistungserbringung sowie
4.
die Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte für die als Komplexleistung nach Absatz 3 erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der Zuwendungen Dritter, insbesondere der Länder, für Leistungen nach der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung.

(5) Die Rehabilitationsträger schließen Vereinbarungen über die pauschalierte Aufteilung der nach Absatz 4 Nummer 4 vereinbarten Entgelte für Komplexleistungen auf der Grundlage der Leistungszuständigkeit nach Spezialisierung und Leistungsprofil des Dienstes oder der Einrichtung, insbesondere den vertretenen Fachdisziplinen und dem Diagnosespektrum der leistungsberechtigten Kinder. Regionale Gegebenheiten werden berücksichtigt. Der Anteil der Entgelte, der auf die für die Leistungen nach § 6 der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung jeweils zuständigen Träger entfällt, darf für Leistungen in interdisziplinären Frühförderstellen oder in nach Landesrecht zugelassenen Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum 65 Prozent und in sozialpädiatrischen Zentren 20 Prozent nicht überschreiten. Landesrecht kann andere als pauschale Abrechnungen vorsehen.

(6) Kommen Landesrahmenvereinbarungen nach Absatz 4 bis zum 31. Juli 2019 nicht zustande, sollen die Landesregierungen Regelungen durch Rechtsverordnung entsprechend Absatz 4 Nummer 1 bis 3 treffen.

(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 42 Absatz 2 Nummer 6 umfassen die Hilfen, die von den Leistungsberechtigten getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um

1.
einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
2.
den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder
3.
eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.

(2) Der Anspruch auf Hilfsmittel umfasst auch die notwendige Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Der Rehabilitationsträger soll

1.
vor einer Ersatzbeschaffung prüfen, ob eine Änderung oder Instandsetzung von bisher benutzten Hilfsmitteln wirtschaftlicher und gleich wirksam ist und
2.
die Bewilligung der Hilfsmittel davon abhängig machen, dass die Leistungsberechtigten sich die Hilfsmittel anpassen oder sich in ihrem Gebrauch ausbilden lassen.

(3) Wählen Leistungsberechtigte ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwendigeren Ausführung als notwendig, tragen sie die Mehrkosten selbst.

(4) Hilfsmittel können auch leihweise überlassen werden. In diesem Fall gelten die Absätze 2 und 3 entsprechend.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Der Anspruch auf Übergangsgeld sowie die Höhe und Berechnung bestimmen sich nach Teil 1 Kapitel 11 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch; im Übrigen gelten für die Berechnung des Übergangsgelds die §§ 16a, 16b und 16f entsprechend.

(2) Hat der Beschädigte Einkünfte im Sinne von § 16b Abs. 1 erzielt und unmittelbar vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben kein Versorgungskrankengeld, Krankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld bezogen, so gilt für die Berechnung des Übergangsgelds § 16b Abs. 2 bis 4 und Abs. 6 entsprechend. Bei Beschädigten, die Versorgung auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung oder einer Zivildienstbeschädigung erhalten, sind der Berechnung des Regelentgelts die vor der Beendigung des Wehrdienstes bezogenen Einkünfte (Geld- und Sachbezüge) als Soldat, für Soldaten, die Wehrsold bezogen haben, und für Zivildienstleistende, zehn Achtel der vor der Beendigung des Wehrdienstes oder Zivildienstes bezogenen Einkünfte (Geld- und Sachbezüge) als Soldat oder Zivildienstleistender zugrunde zu legen, wenn

a)
der Beschädigte vor Beginn des Wehrdienstes oder Zivildienstes kein Arbeitseinkommen erzielt hat oder
b)
das nach § 66 Absatz 1 Satz 1 oder § 67 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder nach Absatz 2 Satz 1 zu berücksichtigende Entgelt niedriger ist.

(3) Beschädigte, die vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beruflich nicht tätig gewesen sind, erhalten anstelle des Übergangsgelds eine Unterhaltsbeihilfe; das gilt nicht für Beschädigte im Sinne des Absatzes 2 Satz 2. Für die Bemessung der Unterhaltsbeihilfe sind die Vorschriften über Leistungen für den Lebensunterhalt bei Gewährung von Erziehungsbeihilfe entsprechend anzuwenden; § 25d Abs. 2 gilt nicht bei volljährigen Beschädigten. Bei Unterbringung von Beschädigten in einer Rehabilitationseinrichtung ist der Berechnung der Unterhaltsbeihilfe lediglich ein angemessener Betrag zur Abgeltung zusätzlicher weiterer Bedürfnisse und Aufwendungen aus weiterlaufenden unabweislichen Verpflichtungen zugrunde zu legen.

(4) Kommen neben Leistungen nach § 26 weitere Hilfen der Kriegsopferfürsorge in Betracht, gelten Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe als Einkommen.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.

(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.

(1) Der Anspruch auf Übergangsgeld sowie die Höhe und Berechnung bestimmen sich nach Teil 1 Kapitel 11 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch; im Übrigen gelten für die Berechnung des Übergangsgelds die §§ 16a, 16b und 16f entsprechend.

(2) Hat der Beschädigte Einkünfte im Sinne von § 16b Abs. 1 erzielt und unmittelbar vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben kein Versorgungskrankengeld, Krankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld bezogen, so gilt für die Berechnung des Übergangsgelds § 16b Abs. 2 bis 4 und Abs. 6 entsprechend. Bei Beschädigten, die Versorgung auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung oder einer Zivildienstbeschädigung erhalten, sind der Berechnung des Regelentgelts die vor der Beendigung des Wehrdienstes bezogenen Einkünfte (Geld- und Sachbezüge) als Soldat, für Soldaten, die Wehrsold bezogen haben, und für Zivildienstleistende, zehn Achtel der vor der Beendigung des Wehrdienstes oder Zivildienstes bezogenen Einkünfte (Geld- und Sachbezüge) als Soldat oder Zivildienstleistender zugrunde zu legen, wenn

a)
der Beschädigte vor Beginn des Wehrdienstes oder Zivildienstes kein Arbeitseinkommen erzielt hat oder
b)
das nach § 66 Absatz 1 Satz 1 oder § 67 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder nach Absatz 2 Satz 1 zu berücksichtigende Entgelt niedriger ist.

(3) Beschädigte, die vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beruflich nicht tätig gewesen sind, erhalten anstelle des Übergangsgelds eine Unterhaltsbeihilfe; das gilt nicht für Beschädigte im Sinne des Absatzes 2 Satz 2. Für die Bemessung der Unterhaltsbeihilfe sind die Vorschriften über Leistungen für den Lebensunterhalt bei Gewährung von Erziehungsbeihilfe entsprechend anzuwenden; § 25d Abs. 2 gilt nicht bei volljährigen Beschädigten. Bei Unterbringung von Beschädigten in einer Rehabilitationseinrichtung ist der Berechnung der Unterhaltsbeihilfe lediglich ein angemessener Betrag zur Abgeltung zusätzlicher weiterer Bedürfnisse und Aufwendungen aus weiterlaufenden unabweislichen Verpflichtungen zugrunde zu legen.

(4) Kommen neben Leistungen nach § 26 weitere Hilfen der Kriegsopferfürsorge in Betracht, gelten Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe als Einkommen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Der Anspruch auf Übergangsgeld sowie die Höhe und Berechnung bestimmen sich nach Teil 1 Kapitel 11 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch; im Übrigen gelten für die Berechnung des Übergangsgelds die §§ 16a, 16b und 16f entsprechend.

(2) Hat der Beschädigte Einkünfte im Sinne von § 16b Abs. 1 erzielt und unmittelbar vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben kein Versorgungskrankengeld, Krankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld bezogen, so gilt für die Berechnung des Übergangsgelds § 16b Abs. 2 bis 4 und Abs. 6 entsprechend. Bei Beschädigten, die Versorgung auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung oder einer Zivildienstbeschädigung erhalten, sind der Berechnung des Regelentgelts die vor der Beendigung des Wehrdienstes bezogenen Einkünfte (Geld- und Sachbezüge) als Soldat, für Soldaten, die Wehrsold bezogen haben, und für Zivildienstleistende, zehn Achtel der vor der Beendigung des Wehrdienstes oder Zivildienstes bezogenen Einkünfte (Geld- und Sachbezüge) als Soldat oder Zivildienstleistender zugrunde zu legen, wenn

a)
der Beschädigte vor Beginn des Wehrdienstes oder Zivildienstes kein Arbeitseinkommen erzielt hat oder
b)
das nach § 66 Absatz 1 Satz 1 oder § 67 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder nach Absatz 2 Satz 1 zu berücksichtigende Entgelt niedriger ist.

(3) Beschädigte, die vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beruflich nicht tätig gewesen sind, erhalten anstelle des Übergangsgelds eine Unterhaltsbeihilfe; das gilt nicht für Beschädigte im Sinne des Absatzes 2 Satz 2. Für die Bemessung der Unterhaltsbeihilfe sind die Vorschriften über Leistungen für den Lebensunterhalt bei Gewährung von Erziehungsbeihilfe entsprechend anzuwenden; § 25d Abs. 2 gilt nicht bei volljährigen Beschädigten. Bei Unterbringung von Beschädigten in einer Rehabilitationseinrichtung ist der Berechnung der Unterhaltsbeihilfe lediglich ein angemessener Betrag zur Abgeltung zusätzlicher weiterer Bedürfnisse und Aufwendungen aus weiterlaufenden unabweislichen Verpflichtungen zugrunde zu legen.

(4) Kommen neben Leistungen nach § 26 weitere Hilfen der Kriegsopferfürsorge in Betracht, gelten Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe als Einkommen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung

1.
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder
2.
eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen.

(2) Für die Leistungen zur Prävention und zur medizinischen Rehabilitation haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch erfüllt, die

1.
in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
2.
innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufgenommen und bis zum Antrag ausgeübt haben oder nach einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum Antrag arbeitsunfähig oder arbeitslos gewesen sind oder
3.
vermindert erwerbsfähig sind oder bei denen dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
§ 55 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Zeitraum von zwei Jahren nach Nummer 1 verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches. Für die Leistungen nach § 15a an Kinder von Versicherten sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit oder die in Satz 1 oder in Absatz 1 genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat.

(2a) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden an Versicherte auch erbracht,

1.
wenn ohne diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder
2.
wenn sie für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.

(3) Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen haben auch überlebende Ehegatten erfüllt, die Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit haben. Sie gelten für die Vorschriften dieses Abschnitts als Versicherte.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich
a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich
a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

(1) Soweit es im Einzelfall geboten ist, prüft der zuständige Rehabilitationsträger gleichzeitig mit der Einleitung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation, während ihrer Ausführung und nach ihrem Abschluss, ob durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Menschen erhalten, gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Er beteiligt die Bundesagentur für Arbeit nach § 54.

(2) Wird während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erkennbar, dass der bisherige Arbeitsplatz gefährdet ist, wird mit den Betroffenen sowie dem zuständigen Rehabilitationsträger unverzüglich geklärt, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind.

(3) Bei der Prüfung nach den Absätzen 1 und 2 wird zur Klärung eines Hilfebedarfs nach Teil 3 auch das Integrationsamt beteiligt.

(4) Die Rehabilitationsträger haben in den Fällen nach den Absätzen 1 und 2 auf eine frühzeitige Antragstellung im Sinne von § 12 nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen hinzuwirken und den Antrag ungeachtet ihrer Zuständigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entgegenzunehmen. Soweit es erforderlich ist, beteiligen sie unverzüglich die zuständigen Rehabilitationsträger zur Koordinierung der Leistungen nach Kapitel 4.

(5) Die Rehabilitationsträger wirken auch in den Fällen der Hinzuziehung durch Arbeitgeber infolge einer Arbeitsplatzgefährdung nach § 167 Absatz 2 Satz 4 auf eine frühzeitige Antragstellung auf Leistungen zur Teilhabe nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen hin. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise ausüben und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen mit dieser Zielrichtung erbracht werden.

Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung, Beratung, Behandlung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, sollen nach einheitlichen Grundsätzen gefördert werden. Die Daten der Rehabilitationsträger über Art und Höhe der Förderung der Selbsthilfe fließen in den Bericht der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation nach § 41 ein.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich
a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich
a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich
a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 umfassen auch

1.
die medizinischen Leistungen der fachübergreifend arbeitenden Dienste und Einrichtungen sowie
2.
nichtärztliche sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, auch in fachübergreifend arbeitenden Diensten und Einrichtungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen.

(2) Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder umfassen weiterhin nichtärztliche therapeutische, psychologische, heilpädagogische, sonderpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten durch interdisziplinäre Frühförderstellen oder nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum. Die Leistungen sind erforderlich, wenn sie eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennen helfen oder die eingetretene Behinderung durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen ausgleichen oder mildern.

(3) Leistungen nach Absatz 1 werden in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen nach § 79 als Komplexleistung erbracht. Die Komplexleistung umfasst auch Leistungen zur Sicherung der Interdisziplinarität. Maßnahmen zur Komplexleistung können gleichzeitig oder nacheinander sowie in unterschiedlicher und gegebenenfalls wechselnder Intensität ab Geburt bis zur Einschulung eines Kindes mit Behinderungen oder drohender Behinderung erfolgen.

(4) In den Landesrahmenvereinbarungen zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern und den Verbänden der Leistungserbringer wird Folgendes geregelt:

1.
die Anforderungen an interdisziplinäre Frühförderstellen, nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum und sozialpädiatrische Zentren zu Mindeststandards, Berufsgruppen, Personalausstattung, sachlicher und räumlicher Ausstattung,
2.
die Dokumentation und Qualitätssicherung,
3.
der Ort der Leistungserbringung sowie
4.
die Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte für die als Komplexleistung nach Absatz 3 erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der Zuwendungen Dritter, insbesondere der Länder, für Leistungen nach der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung.

(5) Die Rehabilitationsträger schließen Vereinbarungen über die pauschalierte Aufteilung der nach Absatz 4 Nummer 4 vereinbarten Entgelte für Komplexleistungen auf der Grundlage der Leistungszuständigkeit nach Spezialisierung und Leistungsprofil des Dienstes oder der Einrichtung, insbesondere den vertretenen Fachdisziplinen und dem Diagnosespektrum der leistungsberechtigten Kinder. Regionale Gegebenheiten werden berücksichtigt. Der Anteil der Entgelte, der auf die für die Leistungen nach § 6 der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung jeweils zuständigen Träger entfällt, darf für Leistungen in interdisziplinären Frühförderstellen oder in nach Landesrecht zugelassenen Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum 65 Prozent und in sozialpädiatrischen Zentren 20 Prozent nicht überschreiten. Landesrecht kann andere als pauschale Abrechnungen vorsehen.

(6) Kommen Landesrahmenvereinbarungen nach Absatz 4 bis zum 31. Juli 2019 nicht zustande, sollen die Landesregierungen Regelungen durch Rechtsverordnung entsprechend Absatz 4 Nummer 1 bis 3 treffen.

(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 42 Absatz 2 Nummer 6 umfassen die Hilfen, die von den Leistungsberechtigten getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um

1.
einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
2.
den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder
3.
eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.

(2) Der Anspruch auf Hilfsmittel umfasst auch die notwendige Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Der Rehabilitationsträger soll

1.
vor einer Ersatzbeschaffung prüfen, ob eine Änderung oder Instandsetzung von bisher benutzten Hilfsmitteln wirtschaftlicher und gleich wirksam ist und
2.
die Bewilligung der Hilfsmittel davon abhängig machen, dass die Leistungsberechtigten sich die Hilfsmittel anpassen oder sich in ihrem Gebrauch ausbilden lassen.

(3) Wählen Leistungsberechtigte ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwendigeren Ausführung als notwendig, tragen sie die Mehrkosten selbst.

(4) Hilfsmittel können auch leihweise überlassen werden. In diesem Fall gelten die Absätze 2 und 3 entsprechend.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

1.
zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und
2.
zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Fulda vom 30. September 2010 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeiträume 29. April bis 27. Juli 2006, 28. August bis 10. September 2006 und 14. September 2006 bis 24. April 2007 unter Berücksichtigung der Zeiten zu zahlen, in denen dem Kläger Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II gewährt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeiträume 29.4. bis 27.7.2006, 28.8. bis 10.9.2006 und 14.9.2006 bis 24.4.2007 unter Berücksichtigung von geleistetem Übergangsgeld (Übg), Arbeitslosengeld (Alg) oder Arbeitslosengeld II (Alg II).

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger war als Arbeiter im Schichtsystem in einem Palettenwerk beschäftigt. Er bezog Krg nach ärztlicher Feststellung von Arbeitsunfähigkeit (AU) seit 4.7.2003 wegen eines Schulter-Arm-Syndroms, Wirbelsäulenbeschwerden sowie einer später hinzugetretenen Depression bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 31.12.2004. Vertragsarzt W stellte ab 3.2.2006 beim Kläger AU wegen "COPD, Lungenemphysem" fest. Der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar. Der MDK bestätigte die AU, ohne einen Endzeitpunkt zu benennen. Der Kläger erhielt Entgeltfortzahlung bis einschließlich 17.3.2006. Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit bewilligte ab 8.3.2006 Alg für die Dauer von insgesamt 360 Tagen. Sie unterbrach ihre Leistungen wegen Zahlungen von Übg. Die Beklagte lehnte es ab, ab 18.3.2006 Krg zu zahlen, weil der Kläger bereits zuvor bis zum Anspruchsende wegen derselben Erkrankung innerhalb von drei Jahren Krg bezogen habe (Bescheid vom 8.3.2006). Den Widerspruch, den der Kläger darauf stützte, dass die AU ausschließlich auf die chronische obstruktive Lungenerkrankung zurückzuführen sei, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 29.6.2006). Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 30.6.2006.

3

Der Kläger hat Klage auf Krg-Zahlung für die Zeit vom 18.3.2006 bis 24.4.2007 erhoben. Das SG hat die Beklagte verurteilt, Krg vom 18.3. bis 28.4., vom 28.7. bis 27.8. und vom 11.9. bis 13.9.2006 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.9.2010). Das LSG hat die Berufung des Klägers, gerichtet auf Zahlung von Krg - unter Berücksichtigung geleisteten Übg - für die übrigen Zeiträume bis 24.4.2007 zurückgewiesen: Der Kläger sei aufgrund seiner Lungenerkrankung nicht mehr in der Lage gewesen, seiner Tätigkeit als ungelernter Arbeiter in der holzverarbeitenden Industrie oder vergleichbaren Tätigkeiten nachzugehen. Die seit Februar 2006 bestehende AU beruhe ausschließlich auf der Lungenerkrankung. Es fehle jedoch an einer ärztlichen Feststellung und Meldung der AU (Urteil vom 8.12.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 46 S 1, § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V). Es habe durchgehend AU bestanden, streitig sei stets nur die Frage der rechtlichen Einordnung der zugrunde liegenden Erkrankung gewesen. Im laufenden Rechtsbehelfsverfahren habe er deshalb keine weiteren Obliegenheiten zur ärztlichen AU-Feststellung und Meldung gehabt.

5

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Fulda vom 30. September 2010 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2006 insgesamt aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weiteres Krankengeld für die Zeiträume 29. April bis 27. Juli 2006 sowie 28. August bis 10. September 2006 und 14. September 2006 bis 24. April 2007 unter Berücksichtigung der Zeiten zu zahlen, in denen dem Kläger Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II gewährt worden ist.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

8

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 165, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG), ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen sind zu ändern. Der Kläger macht für die noch offenen Zeiträume 29.4. bis 27.7., 28.8. bis 10.9. und 14.9.2006 bis 24.4.2007 seinen Anspruch auf Krg zulässig dem Grunde nach unter Berücksichtigung erbrachter Sozialleistungen mit der Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (dazu 1.). Die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs sind auch erfüllt (dazu 2.).

10

1. a) Gegenstand der Anfechtungsklage ist allein der Bescheid vom 8.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2006. Die spätere Entscheidung der Beklagten, Krg für die Zeit vom 25.4. bis 24.6.2007 zu bewilligen (Bescheid vom 19.6.2007, Widerspruchsbescheid vom 22.1.2008), betrifft nicht den hier streitigen Krg-Anspruch, ändert die vorangegangenen Bescheide nicht und ersetzt sie nicht iS des § 96 Abs 1 SGG(idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 mWv 1.4.2008, BGBl I 444; zur zurückhaltenden Praxis der Einbeziehung von Folgebescheiden bereits vor dem 1.4.2008 vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 14).

11

b) Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden, selbst wenn er den als Krg eingeforderten Betrag in gleicher Höhe als Alg erhalten haben sollte, sodass mit Blick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X kein Zahlungsanspruch resultierte. Er hat dennoch ein schützenswertes Interesse an der Klärung, welche Leistung ihm zugestanden hat, weil die Bezugsdauer sowohl des Krg als auch des Alg begrenzt ist (§ 48 Abs 1 SGB V; § 127 Abs 2 SGB III aF; ab 1.4.2012 § 147 Abs 2 SGB III). In solchen Fällen können der Entscheidung über die zustehende Leistung Fernwirkungen für spätere Leistungsfälle zukommen (vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 1 RdNr 4 mwN). Hieran ändert sich nichts, wenn der Kläger entsprechend den Feststellungen des LSG für Teilzeiträume Alg II oder Übg erhielt. Ein Übg-Bezug im Zeitraum 28.9. bis 26.10.2006 sowie 27.3. bis 24.4.2007 kann hierbei allerdings zu keinem Restanspruch auf einen Krg-Spitzbetrag führen. Denn der Krg-Anspruch ruht während der Zeit einer medizinischen Rehabilitation selbst dann in vollem Umfang (vgl § 49 Abs 1 Nr 3, Abs 3 SGB V), wenn das tägliche Übg niedriger ist als das tägliche Krg (vgl Senatsentscheidung vom 12.3.2013 - B 1 KR 17/12 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR).

12

Die Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG und die darauf beruhende Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach(§ 130 Abs 1 S 1 SGG) sind ausnahmsweise zulässig, selbst wenn jeglicher Zahlungsanspruch des Klägers - etwa wegen Alg-Bezugs und der Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X - von vornherein ausscheidet(vgl insgesamt BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 1 RdNr 5 unter Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 3 S 4 f). Es liegt im Ermessen des erkennenden Gerichts, ob es die Frage der Erfüllung durch eine anderweitige Leistung im Rahmen des Streits um den Grund des Anspruchs klärt oder dem Betragsverfahren vorbehält, solange es hierbei Klarheit schafft. Dem dient insgesamt die Klarstellung der Verurteilung unter Berücksichtigung der erbrachten Leistungen.

13

2. Rechtsgrundlage des Krg-Anspruchs sind § 44 und § 46 SGB V. Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der KK stationär behandelt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krg hat (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 9). Der Kläger war in der Zeit vor Beginn seines Krg-Anspruchs aufgrund seiner Beschäftigung als Mitarbeiter eines Palettenwerks mit Anspruch auf Krg versichert (§ 5 Abs 1 Nr 1, § 44 SGB V). Anschließend blieb seine Mitgliedschaft als Versicherungspflichtiger nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten, solange er Anspruch auf Krg hatte(vgl BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 15). Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krg waren - soweit hier von Interesse - bis zum Ablauf des 24.4.2007 erfüllt (dazu a und b). Einwendungen gegen den Krg-Anspruch greifen nicht durch (dazu c und d).

14

a) Der Kläger war bis zum Ablauf des 24.4.2007 arbeitsunfähig. Maßstab für die Beurteilung der AU ist die zuletzt vor Eintritt der AU konkret ausgeübte Beschäftigung. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bleibt auch nach dem Verlust des Arbeitsplatzes für die Beurteilung der AU maßgebend, wenn der Versicherte bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Krg-Bezug stand. Der Maßstab für die Beurteilung der AU ergibt sich in diesen Fällen auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aus der Mitgliedschaft des Versicherten aufgrund seiner früheren versicherungspflichtigen Beschäftigung gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 9 S 23 f; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 13). Von diesem rechtlichen Maßstab ist das LSG ausgegangen. Es hat überdies für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG)- da unangegriffen - festgestellt, dass der Kläger seit dem 3.2.2006 im betroffenen Zeitraum durchgehend an einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung neu erkrankt war und deswegen weder in seinem früheren Arbeitsbereich noch in einem vergleichbaren Tätigkeitsbereich hätte arbeiten können. Dabei lässt der erkennende Senat die Frage offen, inwieweit der Bezugspunkt über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hinausreichend andauernder AU Beschäftigter allein die bisherige Tätigkeit sein kann, oder ob und inwieweit angesichts der Entwicklung der BSG-Rechtsprechung zum Maßstab der AU in der gesetzlichen Krankenversicherung - auch der Arbeitslosen (BSGE 96, 182 = SozR 4-2500 § 44 Nr 9, RdNr 17 ff) - ein Versicherter bei der Beurteilung der über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses hinausreichenden AU unverändert weiterhin auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden darf (vgl so noch BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 9 S 22 f = Juris RdNr 13).

15

b) Die AU des Klägers war für den betroffenen Zeitraum auch ärztlich festgestellt. Anspruch auf Krg entsteht nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb verbindlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) stellte Vertragsarzt W nicht nur ab 3.2.2006 AU des Klägers wegen "COPD, Lungenemphysem" fest. Er gab auf Anfrage der Beklagten am 20.2.2006 an, der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar. Dementsprechend bescheinigte der MDK bereits am 24.2.2006 der Beklagten, dass AU bestehe, ohne den Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit zeitlich einzugrenzen. Wie der Senat bereits entschieden hat, erfüllt die ärztliche Feststellung auch dann die Voraussetzungen des § 46 S 1 Nr 2 SGB V, wenn sie nicht auf einem durch § 5 Abs 1 oder § 6 Abs 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) vorgesehenen Vordruck (Muster Nr 1 bzw 17) erfolgt. Eine einzige ärztliche Feststellung der AU kann einen Anspruch auf Krg für mehrere Zeitabschnitte begründen und weitere AU-Meldungen erübrigen. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender AU sollen beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten. Missbrauch und praktische Schwierigkeiten stehen dagegen nicht in Rede, wenn die KK pflichtgemäß (§ 275 SGB V)die ärztliche Feststellung der AU überprüft und der bescheinigten Beurteilung dann nicht folgt (vgl zum Ganzen BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 13 ff mwN). Nichts anderes kann gelten, wenn die KK - wie hier die Beklagte - auf der Grundlage der vorhandenen ärztlichen Mitteilungen und des sozialmedizinischen Gutachtens AU nicht anzweifelt, und sich lediglich aus hiervon unabhängigen Rechtsgründen nicht zur Krg-Zahlung verpflichtet sieht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht entscheidend, ob sich bei einer auf unabsehbare Zeit attestierten AU der rechtliche Beurteilungsmaßstab ändert.

16

c) In Einklang mit diesen Grundsätzen kann sich die Beklagte - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht mit Erfolg auf ein Ruhen des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V berufen. Gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krg, solange die AU der KK nicht gemeldet wird. Die Regelung soll die KK ebenso wie die Ausschlussregelung des § 46 S 1 Nr 2 SGB V lediglich davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krg-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen. Die Norm soll der KK die Möglichkeit erhalten, die AU zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der AU um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Liegt der KK dagegen eine ärztliche AU-Mitteilung zwecks Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für Krg vor, die die Rechtsposition des Versicherten erkennbar stützt, bedarf es keiner weiteren AU-Meldung (BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 17 ff mwN). Hat der MDK die Position des behandelnden Arztes gar bestätigt, ist für weitere Obliegenheiten des Versicherten erst recht kein Raum.

17

d) Die Höchstdauer des Krg-Anspruchs ist nicht überschritten. Gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB V erhalten Versicherte Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der AU an. Der Krg-Anspruch bis 24.4.2007 hält sich in diesem Rahmen, da der 3.2.2006 der Tag des Beginns der AU war. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)beruhte die AU anfänglich allein auf der Lungenerkrankung, nicht auf der Wirbelsäulenerkrankung und der Depression, die für die AU ab 4.7.2003 verantwortlich waren. Jede neue Krankheit löst eine Kette von Dreijahreszeiträumen mit entsprechenden Höchstbezugszeiten von 78 Wochen aus (Methode der starren Rahmenfrist; stRspr seit BSGE 31, 125, 130 = SozR Nr 49 zu § 183 RVO; BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 12; Schmidt in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 2, Stand 1.1.2012, § 48 SGB V RdNr 30; Brandts in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2012, § 48 SGB V RdNr 6, jeweils mwN). Nicht entscheidungserheblich ist deshalb, ob ab dem 13.3.2007 eine weitere Erkrankung "hinzugetreten" ist, was bezüglich der Rechtsfolge der Leistungsbegrenzung dem Fall "derselben Krankheit" rechtlich gleichgestellt ist (vgl BSGE 71, 290, 292 = SozR 3-2500 § 48 Nr 3 S 14; BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 17) und die Leistungsdauer nicht verlängert (§ 48 Abs 1 S 2 SGB V).

18

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 19 265,13 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Der bei der klagenden Krankenkasse (KK) versicherte, 1980 geborene S. E. (im Folgenden: Versicherter) erhielt vertragsärztlich nach erfolgloser Therapie mit Breitbandantibiotika bei "unkl. therapieresistentem Fieberzustand" als Notfall Krankenhausbehandlung verordnet (22.9.2005). Das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus der beklagten Trägerin behandelte ihn vollstationär (22.9. bis 10.11.2005). Der Versicherte ist von Geburt an schwerst mehrfach behindert (ua Epilepsie, spastische Zerebralparese, schwerste Intelligenzminderung). Die Ernährung erfolgte mittels perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG). Die Beklagte tauschte die PEG-Sonde aus (28.9.2005). Nach Rückgang des Fiebers traten ua vermehrt Krampfanfälle und massives Erbrechen auf. Die Beklagte stellte den Versicherten auf eine neue medikamentöse antikonvulsivische Therapie ein und tauschte erneut die PEG-Sonde aus. Sie berechnete die nach Anlage 3 der Fallpauschalenvereinbarung 2005 (FPV 2005) zu vergütende Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) B76A (Anfälle, mehr als ein Belegungstag, mit komplexer Diagnostik und Therapie; kodierte Hauptdiagnose ICD-10-GM <2005> G40.2 - Lokalisationsbezogene symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen; kodierte Prozedur nach Operationen- und Prozeduren-Schlüssel : 8-972.2 - Komplexbehandlung bei schwerbehandelbarer Epilepsie - Mindestens 21 Behandlungstage; 29 401,30 Euro). Die Klägerin beglich die Rechnung (5.12.2005) und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Kodierung. Der MDK ging von einer falsch kodierten Hauptdiagnose aus und verneinte die Voraussetzungen des OPS (2005) 8-972.2. ICD-10-GM (2005) A41.9 (Sepsis, nicht näher bezeichnet) sei zu kodieren und die Fallpauschale DRG (2005) T60B (Sepsis mit komplizierenden Prozeduren oder bei Zustand nach Organtransplantation, ohne äußerst schwere CC oder ohne komplizierende Prozeduren, außer bei Zustand nach Organtransplantation, mit äußerst schweren CC; 10 136,17 Euro) abzurechnen (22.9.2006, 21.11.2006). Das SG hat die von der Klägerin am 23.3.2007 erhobene, auf die Erstattung des Differenzbetrags (19 265,13 Euro) gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.7.2009; Änderung der Kostenentscheidung mit Beschluss vom 6.8.2009). Die stationäre Behandlung sei bei rückblickender Bewertung wegen der Epilepsie erforderlich gewesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Beklagte zur Zahlung von 19 265,13 Euro nebst Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.7.2007 verurteilt. Der Klägerin stehe ein Erstattungsanspruch in Höhe dieses Differenzbetrags zu. Die Beklagte habe nur einen Vergütungsanspruch nach DRG (2005) T60B, weil die Sepsis als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Die Sepsis habe das die stationäre Behandlungsbedürftigkeit bedingende Fieber verursacht. Im Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme sei die Epilepsie ambulant medikamentös behandelbar gewesen und stelle deswegen nur eine Nebendiagnose dar. Auf Entreicherung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die rechtliche Beurteilung des Erlösausgleichs allein der Budgetebene zugewiesen sei (Urteil vom 16.1.2014).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung der DKR (Deutsche Kodierrichtlinien) D002d und der entsprechenden Anwendung des § 818 Abs 3 BGB iVm § 69 SGB V sowie Verfahrensfehler. Als Hauptdiagnose sei bei mehreren in Betracht kommenden Diagnosen diejenige zu kodieren, die für die weitere stationäre Behandlung maßgeblich geworden sei, auch wenn sie im Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme noch keine stationäre Behandlung erfordert hätte. Das Urteil sei nicht mit Gründen versehen, soweit das LSG von der Sepsis als Hauptdiagnose ausgegangen sei. Es habe im Übrigen den Sachverhalt für seine medizinischen Behauptungen nicht hinreichend aufgeklärt. Zudem habe es die ärztliche Entscheidungskompetenz übergangen. Jedenfalls aber hätte das LSG berücksichtigen müssen, dass 14 308 Euro der in Rechnung gestellten und gezahlten Vergütung im Rahmen der rückwirkenden Vereinbarung krankenhausindividueller Entgelte nach § 6 Abs 1 S 1 Krankenhausentgeltgesetz(Absenkung des Tagessatzes von zunächst 600 Euro auf 308 Euro) durch den nachfolgenden Erlösausgleich zurückgeführt worden seien. Insoweit sei zumindest Entreicherung eingetreten.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2014 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 8. Juli 2009 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2014 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die klagende KK gegen die beklagte Krankenhausträgerin einen Anspruch auf Rückzahlung von 19 265,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 23.7.2007 hat. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 8) und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung überzahlter Vergütung. Der Differenzbetrag zwischen der allein abrechenbaren DRG (2005) T60B und der zu Unrecht bezahlten DRG (2005) B76A beträgt 19 265,13 Euro (dazu 1.). Einwendungen und Einreden gegen den Erstattungsanspruch greifen nicht durch (dazu 2.). Die Klägerin hat auch Anspruch auf die vom LSG zuerkannten Zinsen (dazu 3.).

8

1. Die Klägerin hat der Beklagten 19 265,13 Euro Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt, weil die Beklagte die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen in dieser Höhe nicht abrechnen durfte. In dieser Höhe steht der Klägerin ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu (vgl zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung zB BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9 ff mwN, stRspr). Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung erworben (dazu a). Die geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich generell nach vertraglichen Fallpauschalen (dazu b). Die konkrete Anspruchshöhe ergibt sich nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) aus der niedriger vergüteten DRG (2005) T60B und nicht aus der von der Beklagten angesetzten höher vergüteten und einem anderen Vergütungsprinzip (tagesbezogene Entgelte) folgenden DRG (2005) B76A (dazu c). Die rechnerische Differenz zwischen der abgerechneten und gezahlten DRG (2005) B76A und der allein abrechenbaren DRG (2005) T60B beträgt 19 265,13 Euro (dazu d).

9

a) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Klägerin ist - was sie auch nicht bestreitet - verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten im Krankenhaus der Beklagten vom 22.9. bis 10.11.2005 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist(stRspr, vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13 mwN). Die Vorinstanzen sind zu Recht hiervon ausgegangen und haben festgestellt, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

10

b) Die betroffene Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage (dazu aa). Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich aus einem Fallpauschalen-Katalog, der Teil einer Vereinbarung ist, und Regelungen zur Ermittlung der jeweiligen Fallpauschale, auf die in dieser Vereinbarung Bezug genommen wird und die ihrerseits durch vertragliche Kodierrichtlinien erst operationabel sind (dazu bb).

11

aa) Die der Beklagten zustehende Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz(; idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz(; idF durch Art 1 Nr 4 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Nach § 1 Abs 1 KHEntgG(idF durch Art 2 Nr 1 Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser vom 17.7.2003, BGBl I 1461) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem KHG vergütet. § 7 S 1 Nr 1 KHEntgG bestimmt: "Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit folgenden Entgelten abgerechnet: 1. Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 9), …." Mit diesen Entgelten werden alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet (§ 7 S 2 KHEntgG). Die Spitzenverbände der KKn (ab 1.7.2008: Spitzenverband Bund der KKn) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG(idF durch Art 5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG(idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG(idF durch Art 5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412).

12

Vereinbarungen auf Landesebene zwischen den in § 18 Abs 1 S 2 KHG genannten Vertragsparteien mit Wirkung für die ("lokalen") Vertragsparteien nach § 18 Abs 2 KHG(§ 10 KHEntgG idF durch Art 2 Nr 7 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429), Vereinbarungen zwischen den Krankenhausträgern und den Sozialleistungsträgern für das einzelne Krankenhaus (§§ 3 bis 6 KHEntgG, idF durch Art 2 Nr 1 bis 4 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429; § 11 KHEntgG) und vertragliche Regelungen nach § 112 SGB V können den Vergütungsanspruch ebenfalls konkretisieren.

13

bb) Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien ) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt (vgl näher dazu BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 17). Im vorliegenden Fall sind maßgebend - jeweils normativ wirkend (vgl dazu BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18) -die am 16.9.2004 getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2005 (FPV 2005) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere: Anlage 1 und dort Teil a; Anlage 3 ) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2005 (Ergänzungsvereinbarung 2005 zur Ergänzungsvereinbarung 2004, zur Ergänzungsvereinbarung 2003 und zur Vereinbarung zu den DKR Version 2002 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG vom 23.9.2004, ). Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zum Groupierungsvorgang unter Berücksichtigung von ICD-10-GM und OPS vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27 mwN; siehe zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 12 ff mwN).

14

c) Die Beklagte durfte die erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten - ausgehend von den dargelegten generellen Vorgaben - nicht nach der DRG (2005) B76A, sondern nur nach der niedriger vergüteten DRG (2005) T60B abrechnen. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG ist als Hauptdiagnose ICD-10-GM (2005) A41.9 (Sepsis, nicht näher bezeichnet) zu kodieren (dazu aa). Die dagegen von der Beklagten erhobenen Einwendungen greifen nicht durch (dazu bb). Nach der DRG-Entscheidungslogik steuert der Grouper aufgrund der Hauptdiagnose ICD-10-GM (2005) A41.9 die DRG T60B an (dazu cc).

15

aa) Die Hauptdiagnose ICD-10-GM (2005) A41.9 ist für die Kodierung der betroffenen Behandlung des Versicherten zutreffend. Denn sie veranlasste objektiv nach dem Kenntnisstand am Ende der Krankenhausbehandlung die Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus der Beklagten. Hauptdiagnose im Sinne der DKR (2005) D002d als Teil der Allgemeinen Kodierrichtlinien ist die Diagnose, die bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis die Aufnahme zur stationären Behandlung erforderlich machte. Es ist für die Bestimmung der Hauptdiagnose ohne Belang, wenn innerhalb eines abrechenbaren Behandlungsfalls nach der Aufnahme ins Krankenhaus weitere Krankheiten oder Beschwerden auftreten die ebenfalls für sich genommen stationäre Behandlung bedingen, selbst wenn die stationäre Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der ersten Diagnose wegfällt. Bestehen bei der Aufnahme ins Krankenhaus zwei oder mehrere Krankheiten oder Beschwerden, die jeweils für sich genommen bereits stationärer Behandlung bedurften, kommt es darauf an, welche von ihnen bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis hauptsächlich die stationäre Behandlung erforderlich machte. Das ist die Diagnose mit dem größten Ressourcenverbrauch. Dies folgt aus Wortlaut (dazu 1) und System der DKR (dazu 2). Dabei kommt auch den in den DKR (2005) enthaltenen Erläuterungen zu den einzelnen Kodierrichtlinien normative Wirkung zu, soweit sie ergänzende Regelungen enthalten.

16

(1) DKR (2005) D002d definiert die Hauptdiagnose wie folgt: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist." Zentraler Begriff ist für die DKR (2005) D002d die "Veranlassung" des stationären Krankenhausaufenthalts. Sie meint die ursächliche Auslösung des stationären Behandlungsgeschehens. Das zeitliche Moment als ein wesentliches Definitionsmerkmal grenzt dabei von später hinzugetretenen Diagnosen ab, die ebenfalls stationäre Behandlungsbedürftigkeit bedingen. Ein bereits - objektiv zutreffend - veranlasster stationärer Krankenhausaufenthalt kann nicht später, nach Aufnahme in das Krankenhaus nochmals veranlasst, sondern allenfalls aufrechterhalten werden. Diagnosen, die erst nachfolgend Behandlungsbedürftigkeit begründen, sind irrelevant. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass die den stationären Krankenhausaufenthalt veranlassende Diagnose zugleich den größeren Anteil am Ressourcenverbrauch hat. Dies belegt Anmerkung 1 zu DKR (2005) D002d: "Es ist nicht auszuschließen, dass diese Definition der Hauptdiagnose vereinzelt im DRG-System keine adäquate Abbildung der Krankenhausleistung erlaubt. Im Rahmen der Entwicklung und Pflege des Entgeltsystems werden solche Fälle verfolgt und auf ggf. notwendige Maßnahmen geprüft." Der Normgeber war sich bewusst, dass Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts nicht notwendig Veranlassung des überwiegenden Teils des Ressourcenverbrauchs bedeutet.

17

Die Hauptdiagnose - als Singular formuliert - impliziert, dass es überhaupt nur eine, nicht aber zugleich mehrere "Hauptdiagnosen" geben kann. Dies steht in Einklang mit der Eingabemaske der zertifizierten, in das Normanwendungsprogramm mit normativer Wirkung einbezogenen Grouper. Hiernach ist die ersteinzutragende Diagnose immer die Hauptdiagnose (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 42). Bedingen gleichzeitig anfänglich zwei oder mehrere Diagnosen den stationären Krankenhausaufenthalt, sieht die Erläuterung zu DKR (2005) D002d - vorbehaltlich spezieller Regelungen - eine Auffangregelung vor. Sie stellt ausnahmsweise auf den quantitativen Aspekt des Ressourcenverbrauchs ab: "Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, ist … diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht."

18

Soweit die Erläuterung hierbei darauf verweist, dass "der behandelnde Arzt" die Hauptdiagnose auszuwählen hat, ist dies - entgegen der Meinung der Beklagten - nur in einem tatsächlichen Sinn zu verstehen. Die Beurteilung, ob eine Diagnose als Hauptdiagnose zu kodieren ist, bemisst sich nach objektiven Maßstäben. Sie erfordert kein an eine bestimmte Person gebundenes höchstpersönliches Fachurteil, sondern kann jederzeit durch einen unabhängigen Sachverständigen nachvollzogen werden. Sie unterliegt im Streitfall der vollen richterlichen Nachprüfung (vgl zu den Grundsätzen auch BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f). Ein anderes Verständnis widerspräche höherrangigem Recht. Der Große Senat hat früheren Versuchen, die im Ergebnis dazu führten, dass im Vergütungsstreit die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zugunsten des Krankenhauses vermutet wird (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 29), eine klare Absage erteilt. Nichts anderes gilt, wenn der Vergütungsanspruch nicht dem Grunde, sondern der Höhe nach streitig ist. Aus den Vorschriften, welche die Stellung und die Funktion der Krankenhäuser innerhalb des Versorgungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung regeln, lässt sich ein solcher Vorrang nicht herleiten. Die zugelassenen Krankenhäuser erbringen kraft gesetzlicher Aufgabenzuweisung die den Versicherten von den KKn als Naturalleistung geschuldete Krankenhausbehandlung; sie sind gemäß § 109 Abs 4 S 2 SGB V im Rahmen ihres Versorgungsauftrags zur Behandlung der Versicherten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet. Vereinbarungen in Normsetzungsverträgen können nicht bewirken, dass die Vergütungshöhe entgegen dem Gesetz nicht nach objektiven Maßstäben festgelegt wird, sondern nach der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes. Soweit sich - wie die Beklagte meint - aus der Rechtsprechung des früher auch für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser zuständigen 3. Senats des BSG etwas hiervon Abweichendes ergibt (BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 16 RdNr 25), gibt der erkennende Senat diese Rechtsprechung aus den dargelegten Gründen klarstellend auf.

19

Das zweite wesentliche Definitionsmerkmal der Hauptdiagnose ist der Begriff "nach Analyse". Er verdeutlicht, dass es weder auf die subjektive oder objektiv erzielbare Einweisungs- oder Aufnahmediagnose ankommt, sondern allein auf die objektive ex-post-Betrachtung der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung. Es ist für die Bestimmung der Hauptdiagnose ohne Belang, dass die Diagnose des einweisenden Arztes und des aufnehmenden Krankenhausarztes unter Berücksichtigung der ex ante vorhandenen Informationen objektiv lege artis erfolgte. Maßgeblich ist allein die objektiv zutreffende ex-post-Betrachtung.

20

(2) Dieser sich aus der Wortlautauslegung ergebende Regelungsgehalt der Definition der Hauptdiagnose steht auch in Einklang mit der Systematik. Denn DKR (2005) D003d definiert die Nebendiagnose als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Eine Diagnose, die sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelt, ist ungeachtet des damit verbundenen Ressourcenverbrauchs zwingend keine Hauptdiagnose. Im Übrigen verweisen die Erläuterungen zur DKR (2005) D003d darauf, dass für Kodierungszwecke Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden müssen, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen oder erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. Sie erfordern einen solchen Ressourcenverbrauch. Eine Krankheit oder Beschwerde, die gleichzeitig mit anderen Krankheiten oder Beschwerden die Aufnahme in das Krankenhaus veranlasst, ist Nebendiagnose, wenn sie nicht für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat.

21

Die Gleichsetzung des stationären Krankenhausaufenthalts mit einem abrechenbaren Behandlungsfall folgt aus der aufgezeigten Einordnung der DKR in das System der Ermittlung der Fallpauschale. Sie hat immer einen abrechenbaren Behandlungsfall im Sinne der FPV zum Gegenstand (vgl BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 3 RdNr 19).

22

Gemäß der aufgezeigten Auslegung des Begriffs der Hauptdiagnose nach DKR (2005) D002d war ICD-10-GM <2005> A41.9 (Sepsis, nicht näher bezeichnet) zu kodieren. Eine speziellere Kodierregel besteht insoweit nicht. Nach den Feststellungen des LSG hat allein diese Diagnose den stationären Krankenhausaufenthalt des Versicherten veranlasst.

23

bb) Die dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Die Sepsis des Versicherten (ICD-10-GM <2005> A41.9) war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bloß eine Verdachtsdiagnose. Dies sind nach DKR (2005) D008b Diagnosen, die am Ende eines stationären Aufenthaltes weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen werden können. Der Versicherte litt dagegen nach den Feststellungen des LSG bei Krankenhausaufnahme an einem mit den Mitteln der ambulanten Krankenbehandlung nicht mehr beherrschbaren septischen Fieber. Die Epilepsie des Versicherten (ICD-10-GM <2005> G40.2) kam als zu kodierende Hauptdiagnose nicht in Betracht. Sie bedingte erst später, im sich an die Aufnahme ins Krankenhaus der Beklagten anschließenden weiteren Behandlungsverlauf stationäre Behandlungsbedürftigkeit.

24

Die prozessualen Rügen der Beklagten sind unzulässig. Soweit die Beklagte mit der Revision rügt, das LSG habe seine Entscheidung hinsichtlich der getroffenen Feststellungen nicht mit Gründen iS des § 128 Abs 1 S 2 SGG versehen, bezeichnet sie nicht iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22 RdNr 27 f mwN; siehe ferner BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff mwN, insoweit nicht abgedruckt in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen iS des § 128 Abs 1 S 2 SGG versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz fasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, behandelt hat(vgl zB BSGE 76, 233, 234 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1 S 3; BSG Beschluss vom 7.2.2013 - B 1 KR 68/12 B - Juris RdNr 5 mwN). Die Beklagte legt selbst dar, dass das LSG seine Feststellungen auf eine Begründung gestützt hat.

25

Auch soweit die Beklagte mit der Revision rügt, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, die tatsächlichen Voraussetzungen der Hauptdiagnose ausreichend zu ermitteln, bezeichnet sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen. Notwendig hierfür ist eine Darlegung der Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (vgl BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; BSG Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R - Juris RdNr 20, für BSGE und SozR vorgesehen; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 12 mwN). Daran fehlt es.

26

Die Beklagte legt mit ihrer Rüge nicht dar, aufgrund welcher Tatsachen sich das LSG zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte gedrängt fühlen müssen. Sie macht zwar geltend, es sei unerfindlich, worauf das LSG seine medizinischen Behauptungen stütze, dass (1) das Fieber des Versicherten nicht Ausdruck der Epilepsie gewesen sei, sondern auf dem Boden der Sepsis bestanden habe, (2) dass die Epilepsie des Versicherten ambulant medikamentös behandelbar gewesen sei und entsprechend behandelt worden sei, (3) dass das Fieber mit Temperaturen bis zu 40,5°C mit den Mitteln der ambulanten Krankenbehandlung (antibiotische Therapie) nicht mehr beherrschbar gewesen sei und (4) dass es sich bei dem Fieber bzw der Sepsis nicht um Symptome oder um eine Verdachtsdiagnose gehandelt habe. Die Beklagte legt aber selbst dar, dass das LSG sich hierfür auf das Gesamtergebnis des Verfahrens, "namentlich den Inhalt der die streitige Behandlung des Versicherten betreffenden Krankenakte" stützen konnte und ihm entnommen hat, dass ICD-10-GM (2005) A41.9 als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Die Beklagte weist selbst zutreffend darauf hin, dass dies der Einschätzung der MDK-Gutachten entspricht, die sich auf die Inhalte der Behandlungsunterlagen einschließlich des Entlassungsberichts gründen. In diesem (beigefügte Aktennotiz vom 10.11.2005) führte Chefarzt Dr. R
aus: Die Einweisung wegen septischer intermittierender Temperaturen sei notfallmäßig erfolgt. Eine infizierte PEG-Anlage habe das septische Fieber verursacht. Die Beklagte trägt selbst vor, dass auch nach der späteren Einschätzung von Dr. R in den ersten Tagen der Behandlung die septischen Fieberschübe im Vordergrund standen. Sie legt nicht schlüssig dar, wieso sich das LSG bei dieser Beweislage zu weiterer Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen. Die Beklagte setzt sich auch nicht damit auseinander, warum sich das LSG - inzident - nicht vornehmlich auf die zeitnahen und ausführlichen Stellungnahmen von Dr. R stützen durfte, die dem Ergebnis der MDK-Gutachten entsprechen.

27

cc) Der Grouper steuert bei Eingabe der Diagnose ICD-10-GM (2005) A41.9 als Hauptdiagnose die MDC (Major Diagnostic Category) 18B (Infektiöse und parasitäre Krankheiten; vgl G-DRG German Diagnosis Related Groups Version 2005, Definitionshandbuch, Band 4 S 133, im Folgenden: Definitionshandbuch) an. Nach dem Algorithmus dieser MDC (vgl Definitionshandbuch S 131 f) führt der Weg über die ADRG T60 Sepsis (vgl Definitionshandbuch S 137) und dem hier vorliegenden PCCL (Patient Clinical Complexity Level) 4 (vgl dazu BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 37 ff) zur DRG (2005) T60B.

28

d) Da die Klägerin hierfür rechtmäßig aufgrund der DRG (2005) T60B nur insgesamt 10 136,17 Euro berechnen durfte, nicht aber nach der DRG (2005) B76A 29 401,30 Euro, kam es zu einer rechtsgrundlosen Überzahlung des sich daraus errechnenden Differenzbetrags von 19 265,13 Euro.

29

Der erkennende Senat hat im Revisionsverfahren 29 401,30 Euro als die von der Klägerin tatsächlich gezahlte Vergütung zugrunde zu legen, weil das LSG diesen - zwischen den Beteiligten unstreitigen Betrag - verbindlich festgestellt hat. Er geht auch von insgesamt 10 136,17 Euro als dem für die DRG (2005) T60B genannten Betrag aus, der sich aus den vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage unter Berücksichtigung des für das Krankenhaus der Klägerin maßgeblichen Basisfallwerts und weiteren Rechnungsposten errechnet. Wenn - wie hier - Rechnungsposten von (normen)vertraglichen Vereinbarungen zahlenförmigen Inhalts mit abhängen und beide Beteiligte insoweit eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen, wenn die Berechnungsergebnisse keinem Streit zwischen den Beteiligten ausgesetzt sind und sonstige konkrete Umstände keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung ergeben (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17 mwN zur eingeschränkten amtlichen Sachaufklärung bei übereinstimmendem Vorbringen Beteiligter mit besonderer professioneller Kompetenz). So liegt der Fall hier. Die Beteiligten haben die Höhe des aus der DRG (2005) T60B resultierenden Betrags zu keinem Zeitpunkt im Verfahren in Zweifel gezogen.

30

2. Einwendungen und Einreden gegen den Erstattungsanspruch greifen nicht durch. Der Beklagten steht gegen den Anspruch der Klägerin nicht die Einrede der Entreicherung entsprechend § 818 Abs 3 BGB zu.

31

Die von der Beklagten erhobene Einrede der Entreicherung entsprechend § 818 Abs 3 BGB iVm § 69 SGB V greift nicht durch. Die Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs entsprechen zwar denen des bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsanspruchs, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Es scheidet aber ein Rückgriff auf die bürgerlich-rechtlichen Normen aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht. Dies gilt namentlich für die Nichtanwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Vorschriften, denen öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegenstehen (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 10 f mwN). Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, ob die Einrede der Entreicherung entsprechend § 818 Abs 3 BGB niemals gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch mit Erfolg erhoben werden kann(so BSGE 115, 247 = SozR 4-7610 § 812 Nr 7, RdNr 27; offengelassen von BSGE 61, 19, 22 f = SozR 2200 § 368f Nr 11 S 32; beide unter Bezugnahme auf BVerwGE 71, 85, 89 f). Jedenfalls stehen hier öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegen, die sich aus dem Regelungssystem und -zweck des KHEntgG ergeben.

32

Die Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei in Höhe von 14 308 Euro (49 Tage * 292 Euro) deswegen entreichert, weil sie mit den anderen Vertragsparteien iS von § 18 Abs 2 KHG in der Vergütungs-Pflegesatzvereinbarung 2005, genehmigt durch Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 27.12.2005, auf der Grundlage von § 15 Abs 2 KHEntgG(idF durch Art 5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) Ausgleichsbeträge festsetzte, die sich auf Leistungen beziehen, die nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 KHEntgG(idF durch Art 2 Nr 4 Buchst a 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429) iVm Anlage 3 der FPV 2005 im Jahr 2005 noch nicht mit den DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelten sachgerecht vergütet werden konnten. In den vereinbarten Ausgleichsbeträgen nach § 15 Abs 2 KHEntgG wurde der abgerechnete Behandlungsfall des Versicherten mit 14 308 Euro (49 Tage * 292 Euro) mit Wirkung für die Jahre 2006 und 2007 berücksichtigt, nachdem die Vertragsparteien das zunächst nach § 10 Abs 1 S 3 FPV 2005 abgerechnete tagesbezogene Entgelt von 600 Euro/Tag auf 308 Euro reduziert hatten. Insoweit trifft es zu, dass der Ausgleichsbetrag nach § 15 Abs 1 S 4 KHEntgG um 14 308 Euro niedriger zu bemessen gewesen wäre, wenn die Beklagte rechtmäßig nur die DRG (2005) T60B abgerechnet hätte.

33

Gleichwohl kann die Beklagte daraus keine Entreicherung hinsichtlich der rechtsgrundlosen Überzahlung ableiten. Dies folgt aus Regelungssystem und Regelungszweck des Budgetrechts nach dem KHEntgG. Denn die das Erlösbudget betreffenden Vorschriften des hier maßgeblichen KHEntgG regeln in einer von der Ebene der Abrechnung der einzelnen Behandlungsfälle getrennten Budgetebene spezifisch und abschließend die vorzunehmenden Anpassungen, die sich aus erlösausgleichsrelevanten Vergütungen ergeben.

34

Grundsätzlich kann das Krankenhaus nur im Rahmen des vereinbarten Budgets Leistungen erbringen. Diese Mengensteuerung kann aber wegen der Vielzahl von Kostenträgern nicht durch die Zahlung eines (Gesamt-)Budgets gesichert werden. Vielmehr müssen die Kostenträger die Behandlungen als einzelne Fälle endgültig vergüten. Budgetrechtlich sind die Vergütungen für die Behandlungsfälle jedoch nur Abschlagszahlungen (vgl BVerwG Urteil vom 18.3.2009 - 3 C 14/08 - Juris RdNr 17 = Buchholz 451.73 § 12 BPflV Nr 2; BVerwG Urteil vom 20.12.2007 - 3 C 53/06 - Juris RdNr 23 = Buchholz 451.73 § 12 BPflVO Nr 1) auf das nicht real gezahlte, sondern in den Vereinbarungen nach § 11 KHEntgG nur als Rechengröße festgesetzte Erlösbudget. Die Festsetzung des Erlösbudgets beruht auf zugrunde gelegten Prognosen, die nicht eintreten müssen. Das kann dazu führen, dass die tatsächlich erzielten Erlöse des Krankenhauses nach unten oder nach oben vom jährlich festzusetzenden Budget abweichen und einen Korrekturbedarf auslösen. Dieser rechnerische Budgetrahmen wird erst durch eine Vielzahl von Behandlungsfällen mit unterschiedlichen Kostenträgern vergütungsmäßig im Idealfall genau ausgefüllt. Dabei ist der jeweils erbrachte und abgerechnete Behandlungsfall nach Maßgabe der jeweils aktuell geltenden vergütungsrechtlichen Regelungen ein in sich abgeschlossener Vorgang, der allein das Rechtsverhältnis zwischen Krankenhausträger und KK oder sonstigem Kostenträger betrifft. Dies gilt namentlich auch für die rechtliche Bewältigung von sich daraus ergebenden Leistungsstörungen. Weder das KHG noch das KHEntgG enthalten Regelungen, die abgerechnete Vergütungen und damit korrespondierende Vergütungs- und Erstattungsansprüche von späteren budgetrechtlichen Rechtsfolgen abhängig machen. Die vom Gesetz auf der Budgetebene vorgesehenen Ausgleichsmechanismen sind hiervon vollständig abgekoppelt (vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.1.2009 - L 16 KR 242/06 - Juris RdNr 33 iVm RdNr 13). Sie wirken entsprechend ihrem Zweck der Mengensteuerung summativ, kollektiv und nur in der Zukunft. Die abgerechneten Behandlungsfälle ergeben in ihren Summen ausgleichswirksame Gesamtverrechnungseinheiten, die grundsätzlich auf das zukünftige Erlösbudget einwirken, indem sie - bei idealtypisch unveränderten sonstigen Parametern - dort die Kosten der zukünftigen Behandlungsfälle sämtlicher Kostenträger erhöhen oder reduzieren, je nachdem in welche Richtung der Ausgleich zu erfolgen hat (vgl dazu bereits das flexible Budget nach § 12 Bundespflegesatzverordnung in den vom 1.1.1995 bis 31.12.2012 geltenden Fassungen).

35

§ 4 KHEntgG(idF durch Art 2 Nr 2 2. FPÄndG vom 15.12.2004, BGBl I 3429) regelt das Erlösbudget, aus dem die Leistungen zu vereinbaren sind, die über DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelte aus den bundesweit geltenden Katalogen vergütet werden. Für dieses Erlösbudget sind nach § 4 Abs 9 KHEntgG Mehr- und Mindererlösausgleiche durchzuführen(Erlösausgleich; vgl dazu Tuschen/Braun/Rau, KH 2005, 955), die den Basisfallwert verändern (siehe Beispiel bei Tuschen/Trefz, KHEntgG, 1. Aufl 2004, Erl § 4 KHEntgG, S 240). Der Gesetzgeber hat neben unbudgetierten Bereichen bestimmte Leistungen und besondere Einrichtungen aus der DRG-Vergütung herausgenommen und sie ihrerseits einer gesonderten flexiblen Budgetierung (Erlössumme) nach den Regeln der BPflV unterworfen (vgl Tuschen/Trefz, KHEntgG, 1. Aufl 2004, S 114 f). Hierzu zählt auch die Vergütung der hier von der Beklagten abgerechneten DRG (2005) B76A. Sie ist gemäß Anlage 3 zur FPV 2005 eine nicht mit dem Fallpauschalen-Katalog vergütete Leistung, für die ein krankenhausindividuelles, tagesbezogenes Entgelt nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 KHEntgG zu vereinbaren ist. Nach § 6 Abs 3 KHEntgG ist ua für diese tagesbezogenen Entgelte eine Erlössumme zu bilden, auf die § 12 BPflV(idF durch Art 4 Abs 2 Nr 12 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412) Anwendung findet.

36

Ergänzend dazu sieht der hier maßgebliche § 15 KHEntgG allerdings vor: "(1) Die für das Kalenderjahr vereinbarte krankenhausindividuelle Höhe der Fallpauschalen und sonstiger Entgelte sowie erstmals vereinbarte Entgelte nach § 6 werden vom Beginn des neuen Vereinbarungszeitraums an erhoben. Wird die Vereinbarung erst nach diesem Zeitpunkt genehmigt, sind die Entgelte ab dem ersten Tag des Monats zu erheben, der auf die Genehmigung folgt, soweit in der Vereinbarung oder Schiedsstellenentscheidung kein anderer zukünftiger Zeitpunkt bestimmt ist. Bis dahin sind die bisher geltenden Entgelte weiter zu erheben; dies gilt auch für die Einführung des DRG-Vergütungssystems im Jahr 2003 oder 2004. Sie sind jedoch um die darin enthaltenen Ausgleichsbeträge zu bereinigen, wenn und soweit dies in der bisherigen Vereinbarung oder Festsetzung so bestimmt worden ist. (2) Mehr- oder Mindererlöse infolge der Weitererhebung der bisherigen Entgelte werden durch Zu- und Abschläge auf die im restlichen Vereinbarungszeitraum zu erhebenden neuen Entgelte ausgeglichen; wird der Ausgleichsbetrag durch die Erlöse aus diesen Zu- und Abschlägen im restlichen Vereinbarungszeitraum über- oder unterschritten, wird der abweichende Betrag über die Entgelte des nächsten Vereinbarungszeitraums ausgeglichen; es ist ein einfaches Ausgleichsverfahren zu vereinbaren. Würden die Entgelte durch diesen Ausgleich und einen Betrag nach § 3 Abs. 8 oder § 4 Abs. 11 insgesamt um mehr als 30 vom Hundert erhöht, sind übersteigende Beträge bis jeweils zu dieser Grenze in nachfolgenden Budgets auszugleichen. Ein Ausgleich von Mindererlösen entfällt, soweit die verspätete Genehmigung der Vereinbarung von dem Krankenhaus zu vertreten ist."

37

Diese Regelungen sind geschaffen worden, um Situationen zu bewältigen, bei denen - wie hier als die Vergütungs-Pflegesatzvereinbarung für 2005 erst nach dem 27.12.2005 wirksam wurde - Vereinbarungen rückwirkend die Erlössumme beeinflussen. Der erkennende Senat kann offenlassen, ob im Wege der öffentlich-rechtlichen Erstattung rückabgewickelte Vergütungen nach § 15 KHEntgG vertraglicher Gegenstand berücksichtigungsfähiger Ausgleichspositionen sein können. Jedenfalls kann nach der aufgezeigten Regelungssystematik ein Ausgleich allein im Rahmen des § 15 KHEntgG auf der Budgetebene erfolgen(vgl Beispiel für die Ermittlung eines einheitlichen Zuschlags-Prozentsatzes für den restlichen Vereinbarungszeitraum bei Tuschen/Trefz, KHEntgG, 1. Aufl 2004, Erl § 15 KHEntgG, S 319), nicht hingegen mittels entsprechender Anwendung des § 818 Abs 3 BGB auf der Abrechnungsebene.

38

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch Anspruch auf die Zahlung von Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus dem geltend gemachten Erstattungsbetrag (vgl BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 16 ff). Das zitierte Urteil des erkennenden Senats, auf das das LSG im angefochtenen Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat, betrifft einen Sachverhalt im Geltungsbereich desselben Vertrags nach § 112 SGB V und dasselbe Kalenderjahr. Die Beteiligten haben nichts davon Abweichendes vorgetragen. Auch die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen ab 23.7.2007 begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht länger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Prozesszinsen seit Rechtshängigkeit (23.3.2007, so der Antrag der Klage- und der Berufungsschrift) beantragt, sondern erst ab 23.7.2007. Das LSG hat die Beklagte insoweit antragsgemäß verurteilt. Ob der Klägerin unter Berücksichtigung des § 123 SGG dennoch ein Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit zustehen könnte, bedarf keiner weiteren Klärung(vgl § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 158 Abs 1 VwGO).

39

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.