Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juni 2017 - I ZR 152/13

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:010617UIZR152.13.0
01.06.2017
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 11 O 27/11, 15.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 152/13 Verkündet am:
1. Juni 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle II
UWG § 3a; Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika Erwägungsgrund 19,
Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Art. 9 und 11; ZPO § 33 Abs. 1, § 256 Abs. 2, § 542 Abs. 2
Satz 1, §§ 802, 927 Abs. 2 Halbs. 2

a) Der Parallelimporteur eines Produkts zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung
, das die CE-Kennzeichnung trägt und von einer benannten
Stelle einer Konformitätsbewertung unterzogen worden ist, ist nicht verpflichtet
, eine neue Bewertung vornehmen zu lassen, mit der die Konformität der
Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung dieses Produkts wegen ihrer
Übersetzung in die Amtssprache des Einfuhrmitgliedstaats bescheinigt werden
soll (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-277/15,
GRUR Int. 2016, 1149 Rn. 52 = WRP 2017, 161 - Servoprax/RDD; Aufgabe
ECLI:DE:BGH:2017:010617UIZR152.13.0
von BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 185/07, GRUR 2010, 756 Rn. 11 = WRP 2010, 1020 - One Touch Ultra).
b) Unterlassungsansprüche, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie Ansprüche auf Abmahnkostenersatz hängen nicht in einer Weise voneinander ab, die die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässt (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 - Faxkarte; Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 36 = WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe).
c) Gegenüber einer nach vorausgegangenem Verfügungsverfahren erhobenen Hauptsacheklage kann im Wege der Widerklage ein Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfolgt werden.
d) Bei einer nach Erlass einer einstweiligen Verfügung erhobenen Hauptsacheklage liegt der für die Zulässigkeit einer Hilfswiderklage auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung im Falle der Abweisung der Hauptsacheklage gemäß § 33 Abs. 1 ZPO erforderliche Sachzusammenhang regelmäßig vor.
e) Mit der Revision kann die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung im Wege der (Eventual-)Widerklage nicht begehrt werden. BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 - I ZR 152/13 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juni 2013 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels, soweit es gegen die Abweisung der Widerklage gerichtet ist, sowie unter Verwerfung des Rechtsmittels, soweit die Beklagte mit ihm den mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt hat, im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Dezember 2011 unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 80% und die Beklagte 20% zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine Vertriebsgesellschaft der Roche Diagnostics GmbH. Sie vertreibt unter den Bezeichnungen "ACCU-CHEK Aviva" und "ACCU-CHEK Compact" Teststreifen zur Blutzuckerselbstkontrolle für Diabetiker. Die Roche Diagnostics GmbH hat für diese Teststreifen vor deren erstmaligem Inverkehrbringen in der Europäischen Union durch eine benannte Stelle im Vereinigten Königreich in englischer Sprache ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen lassen, aufgrund dessen die beiden Produkte eine CE-Kennzeichnung erhalten haben.
2
Die Klägerin vertreibt die beiden Produkte in Deutschland mit Angaben in deutscher Sprache auf der Umverpackung und mit einer in der Verkaufsverpackung einliegenden Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache. In den von der Klägerin für die Teststreifen verwendeten Dosen befindet sich eine Kontrolllösung , mit der die Genauigkeit des Blutzuckermessgeräts überprüft werden kann, in dem die Teststreifen verwendet werden. Dazu wird die Kontrolllösung auf einen Teststreifen getropft, der Teststreifen in das Messgerät eingeführt und der gemessene Wert mit den Werten auf der Dose verglichen. Wenn der gemessene Wert außerhalb der Grenzwerte liegt, weist dies auf eine mangelnde Genauigkeit des Messgeräts hin. Auf dem britischen Markt vertreibt die Klägerin Blutzuckermessgeräte und Blutzuckerteststreifen ausschließlich mit den Messeinheiten "mmol/l". Dagegen bietet sie in Deutschland Blutzuckermessgeräte an, bei denen entweder die Messeinheit "mmol/l" oder die Messeinheit "mg/dl" verwendet wird. Auf den von der Klägerin in Deutschland vertriebenen Dosen für die Teststreifen sind die Grenzwerte für die Kontrolllösung auf den Teststreifen daher sowohl in "mg/dl" als auch in "mmol/l" angegeben.
3
Die Beklagte ist eine Schwestergesellschaft der Servoprax GmbH, einer Großhändlerin von Medizinprodukten. Wie diese vertrieb sie von der Roche Di- agnostics GmbH für das EU-Ausland hergestellte Teststreifen zur Blutzuckerselbstkontrolle "ACCU-CHEK Aviva" und "ACCU-CHEK Compact" in Deutschland im Wege des Parallelvertriebs in Umverpackungen, auf denen die Servoprax GmbH Aufkleber mit Hinweisen in deutscher Sprache angebracht hatte. Den Verpackungen war eine von der Servoprax GmbH angefertigte deutsche Sprachfassung der Herstellerinformationen beigefügt, die wörtlich den Herstellerinformationen entsprach, die die Roche Diagnostics GmbH bei den von ihr zum Vertrieb in Deutschland bestimmten Teststreifen verwendete. Auf den Teststreifen des von der Beklagten vertriebenen Produkts "ACCU-CHEK Aviva" waren die Grenzwerte in der Zeit von Juni bis Herbst 2010 allein in "mmol/l" angegeben.
4
Nach Ansicht der Klägerin waren die von der Beklagten vertriebenen Teststreifen "ACCU-CHEK Aviva" und "ACCU-CHEK Compact" ohne ein neues oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren in Deutschland nicht verkehrsfähig. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des Vertriebs der Teststreifen abgemahnt. Die Servoprax GmbH hat für die fraglichen Blutzuckerteststreifen vor einer benannten Stelle in den Niederlanden ein ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt und die Zertifizierung am 13. Dezember 2010 erhalten.
5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland aus Ländern der Europäischen Union und/ oder des Europäischen Wirtschaftsraums eingeführte Blutzuckerteststreifenpackungen mit der Kennzeichnung "ACCU-CHEK Aviva" und/oder"ACCU-CHEK Compact" mit einer umgestalteten Umverpackung und/oder Gebrauchsanweisung in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass diese Gebrauchsanweisungen oder Etikettierungen vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind.
6
Diesen Antrag hat die Klägerin nachfolgend zurückgenommen. Dazu hat sie ausgeführt, sie habe erst nach Klageerhebung erfahren, dass die Servoprax GmbH in den Niederlanden ein ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt habe.
7
Die Beklagte ist der von der Klägerin mit den Anträgen auf Auskunftserteilung , Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten weiterverfolgten Klage entgegengetreten und hat widerklagend beantragt festzustellen, dass sie nicht gegenüber der Klägerin verpflichtet ist, es zu unterlassen , in der Bundesrepublik Deutschland aus Ländern der Europäischen Union und/oder des Europäischen Wirtschaftsraums eingeführte Blutzuckerteststreifenpackungen mit der Kennzeichnung "ACCU-CHEK Aviva" und/oder "ACCU-CHEK Compact" mit einer umgestalteten Umverpackung und/oder Gebrauchsanweisung in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass diese Gebrauchsanweisungen oder Etikettierungen vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind, hilfsweise unter der Bedingung, dass in der Hauptsache die Klageanträge auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung abgewiesen werden, die vom Landgericht im vorangegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung am 28. September 2010 erlassene Beschlussverfügung als von Anfang an unbegründet aufzuheben und der Klägerin die Kosten des Verfügungsverfahrens und des Aufhebungsverfahrens aufzuerlegen, weiter hilfsweise unter der Bedingung, dass dem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag stattgegeben wird, festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Vollziehung der Beschlussverfügung vom 28. September 2010 entstanden ist und/oder entstehen wird. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Widerklage der Beklag8 ten auf Feststellung hat es in den Gründen seiner Entscheidung als unbegründet bezeichnet.
9
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre im ersten Rechtszug hinsichtlich der Klage und der Widerklage erfolglosen Anträge weiterverfolgt.
10
Die Klägerin hat in zweiter Instanz ihren Antrag auf Auskunftserteilung nur in eingeschränkten Umfang weiterverfolgt, im Übrigen die Zurückweisung der Berufung sowie im Wege der Anschlussberufung hilfsweise beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, soweit die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland aus den Ländern der Europäischen Union und/oder des Europäischen Wirtschaftsraumes Blutzuckerteststreifenpackungen mit der Kennzeichnung "ACCU-CHEK Aviva" und/oder "ACCU-CHEK Compact" mit einer Kennzeichnung der Teststreifen -Röhrchen in den Verkehr gebracht hat und/oder in den Verkehr hat bringen lassen, auf denen die Grenzwertangabe mg/dl fehlte, unter Angabe des Umsatzes, welchen die Beklagte mit den Produkten erzielt hat, sowie der Mengen, welche die Beklagte an Dritte abgegeben hat, seit dem 1. Juli 2012; 2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin den Schaden zu ersetzen hat, welcher dieser aufgrund der unter Ziff. 1 des Hilfsantrags genannten Handlungen bereits entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
11
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 U 3/12, juris).
12
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage; außerdem verfolgt sie ihre Widerklageanträge weiter.
13
Der Senat hat in dem Klageverfahren der Klägerin gegen die Servoprax GmbH - I ZR 153/13 - mit Beschluss vom 30. April 2015 dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, GRUR 2015, 703 = WRP 2015, 860 - Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle I): Muss ein Dritter ein In-vitro-Diagnostikum zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das vom Hersteller in einem Mitgliedstaat A (konkret: im Vereinigten Königreich) einer Konformitätsbewertung nach Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG unterzogen worden ist, das die CE-Kennzeichnung nach Art. 16 der Richtlinie trägt und das die grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 und Anhang I der Richtlinie erfüllt, einer erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertung nach Art. 9 der Richtlinie unterziehen, bevor er das Produkt in einem Mitgliedstaat B (konkret: in der Bundesrepublik Deutschland) in Verpackungen in Verkehr bringt, auf denen Hinweise in der von der Amtssprache des Mitgliedstaats A abweichenden Amtssprache des Mitgliedstaats B angebracht sind (konkret : Deutsch statt Englisch) und denen Gebrauchsanweisungen in der Amtssprache des Mitgliedstaats B statt des Mitgliedstaats A beigefügt sind? Macht es dabei einen Unterschied, ob die von dem Dritten beigefügten Gebrauchsanweisungen wörtlich den Informationen entsprechen , die der Hersteller des Produkts im Rahmen des Vertriebs im Mitgliedstaat B verwendet?
14
Im Hinblick auf diesen Vorlagebeschluss hat der Senat in der vorliegenden Sache das Verfahren mit Beschluss vom 30. April 2015 in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO ausgesetzt.
15
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die ihm im Verfahren I ZR 153/13 zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-277/15, GRUR Int. 2016, 1149 = WRP 2017, 161 - Servoprax/RDD): Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika ist dahin auszulegen, dass er den Parallelimporteur eines Produkts zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das die CEKennzeichnung trägt und von einer benannten Stelle einer Konformitätsbewertung unterzogen worden ist, nicht verpflichtet, eine neue Bewertung vornehmen zu lassen, mit der die Konformität der Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung dieses Produkts wegen ihrer Übersetzung in die Amtssprache des Einfuhrmitgliedstaats bescheinigt werden soll.

Entscheidungsgründe:


16
I. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin zuletzt gestellten Anträge auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung für die Zeit vor dem 13. Dezember 2010 sowie den Antrag auf Erstattung von Abmahnkosten als begründet und die von der Beklagten erhobene Widerklage als unzulässig angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
17
Die Beklagte habe durch den Vertrieb der parallelimportierten Teststreifen vor dem Zeitpunkt der ergänzenden Zertifizierung am 13. Dezember 2010 gegen die Kennzeichnungsbestimmungen für In-vitro-Diagnostika verstoßen. Die Beklagte müsse sich wie ein Hersteller behandeln lassen, weil auf der Umverpackung der Teststreifen für den deutschen Markt ein deutschsprachiges Etikett angebracht und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beigefügt worden sei. Die Gebrauchsanweisung und Etikettierung in deutscher Sprache diene einer sicheren Anwendung des Produkts und müsse daher in einem erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Medizinproduktegesetz überprüft werden.
18
Die Beklagte habe zwar nicht selbst eine Übersetzung der Gebrauchsanweisung anfertigen lassen, sondern die von der Servoprax übernommene deutsche Sprachfassung der Herstellerinformationen der Roche Diagnostics GmbH verwendet. Dieser Umstand ändere aber nichts daran, dass die Gebrauchsanweisung erst nachträglich dem vom Hersteller mit einer anderen Sprachfassung ausgestatteten Originalprodukt beigefügt worden sei. Die Überprüfung einer solchen Veränderung, die stets Fehlerquellen berge und zu Missverständnissen bei der Anwendung der Produkte mit schlimmen Folgen für den Anwender führen könne, habe aus Gründen des Gesundheitsschutzes der benannten Stelle im Sinne der Richtlinie 98/79/EG oblegen.
19
Der Vertrieb der umgestalteten Produkte ohne ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren habe die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt. Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Sie habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Vertrieb der veränderten Produkte ohne ergänzende Konformitätsbewertung zulässig sei.
20
Die als Zwischenfeststellungswiderklage zu behandelnde Widerklage der Beklagten sei unzulässig. Zwischen den Parteien sei als Hauptklage lediglich ein Auskunftsanspruch und ein Schadensersatzanspruch anhängig. Das Bestehen des Unterlassungsanspruchs sei hierfür nicht vorgreiflich.
21
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision ist begründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht der Klage stattgegeben hat. Die Klage stellt sich weder aus den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen (dazu unter II 1) noch im Ergebnis als begründet dar (dazu unter II 2). Es besteht auch kein Anlass, die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (dazu unter II 3). Die Anschlussberufung, mit der die Klägerin im zweiten Rechtszug hilfsweise weitere Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gestellt hat, ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg (dazu unter II 4). Die von der Beklagten erhobene Widerklage hat das Berufungsgericht mit Recht abgewiesen, so dass die Revision insoweit zurückzuweisen ist (dazu unter II 5). Soweit die Beklagte mit der Revision auch ihren Hilfswiderklageantrag weiterverfolgt hat, ist ihr Rechtsmittel unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (dazu unter II 6).
22
1. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin zuletzt gestellten Anträge als begründet angesehen, weil die Beklagte durch den Vertrieb der parallelimportierten Teststreifen vor dem Zeitpunkt der ergänzenden Zertifizierung am 13. Dezember 2010 gegen die Kennzeichnungsbestimmungen für In-vitroDiagnostika verstoßen habe. Die Beklagte müsse sich wie ein Hersteller be- handeln lassen, weil auf der Umverpackung der Teststreifen für den deutschen Markt ein deutschsprachiges Etikett angebracht und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beigefügt worden sei. Die Gebrauchsanweisung und Etikettierung in deutscher Sprache diene einer sicheren Anwendung des Produkts und müsse daher in einem erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Medizinproduktegesetz überprüft werden. Der Vertrieb der von der Beklagten umgestalteten Produkte ohne ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren habe die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt.
23
Das Berufungsgericht hat sich bei diesen Ausführungen an der Rechtsprechung des Senats orientiert, nach der In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung (schon) dann nicht im Inland in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache aufweisen, die nicht vorab in einem - zumindest ergänzenden - Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 185/07, GRUR 2010, 756 Rn. 11 = WRP 2010, 1020 - One Touch Ultra). Daran kann nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Oktober 2016 (GRUR Int. 2016, 1149 - Servoprax/RDD) nicht festgehalten werden. Nach diesem Urteil ist der Parallelimporteur eines Produkts zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das die CE-Kennzeichnung trägt und von einer benannten Stelle einer Konformitätsbewertung unterzogen worden ist, nicht verpflichtet, eine neue Bewertung vornehmen zu lassen, mit der die Konformität der Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung dieses Produkts wegen ihrer Übersetzung in die Amtssprache des Einfuhrmitgliedstaats bescheinigt werden soll. Aus Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG und den deren Umsetzung dienenden Vorschriften des deutschen Rechts lässt sich nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Verpflichtung des Parallelimporteurs zu einer solchen Vormarktkontrolle nicht herleiten.
24
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar. Die Revision der Beklagten ist daher nicht gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.
25
a) Auf den Teststreifen des von der Beklagten vertriebenen Produkts "ACCU-CHEK Aviva" waren die Grenzwerte in der Zeit von Juni bis Herbst 2010 nicht in "mg/dl", sondern allein in "mmol/l" angegeben. Damit war bei diesen Teststreifen für die Verwendung in Messgeräten mit den Messeinheiten "mg/dl" eine Umrechnung erforderlich, die zu einer fehlerhaften Anwendung durch den Verbraucher führen konnte. Nach dem Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 98/79/EG umfasst der in dieser Richtlinie angesprochene Herstellungsvorgang auch die Verpackung der Medizinprodukte, sofern diese im Zusammenhang mit Sicherheitsaspekten des Produkts steht. Auch unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts hat das Urteil des Berufungsgerichts nach den Ausführungen im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Oktober 2016 keinen Bestand.
26
aa) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat insoweit ausgeführt, in den ihm vorgelegten Akten deute nichts darauf hin, dass eine solche Aufmachung gegen das deutsche Recht verstoße. Zudem habe die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es im innerstaatlichen Recht kein Verbot des Verkaufs von Produkten zur Blutzuckermessung gebe, auf denen allein die Messeinheit "mmol/l" angegeben sei (EuGH, GRUR Int. 2016, 1149 Rn. 45 - Servoprax/RDD).
27
bb) Die Klägerin meint zwar, diese Ausführungen ließen den Schluss zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die Vorlagefrage möglicherweise anders beantwortet hätte, wenn festgestellt worden wäre, dass die fraglichen Angaben gegen gesetzliche Anforderungen verstießen. Sie macht aber nicht geltend, dass eine solche Feststellung im vorliegenden Verfahren hätte getroffen werden müssen oder auch nur können.
28
b) Das Urteil des Berufungsgerichts hat entgegen der Ansicht der Kläge29 rin auch nicht deshalb im Ergebnis Bestand, weil Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/79/EG die Mitgliedstaaten, die Gefahren für die Gesundheit oder Sicherheit der Patienten, der Anwender oder gegebenenfalls Dritter oder die Sicherheit von Eigentum festgestellt haben, verpflichtet, alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen zu treffen, um diese Produkte vom Markt zu nehmen oder deren Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme zu verbieten oder einzuschränken. Das dort geregelte und durch das Beobachtungs- und Meldeverfahren gemäß Art. 11 der Richtlinie 98/79/EG ergänzte Schutzverfahren ermöglicht es nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union, die Gesundheit und Sicherheit der Betroffenen zu schützen und dabei die Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs zu begrenzen, die die Anwendung nationaler Maßnahmen mit sich brächte, die den Importeur dazu verpflichteten, die zur Erfüllung der sprachlichen Anforderungen des Einfuhrmitgliedstaats vorgenommenen Änderungen an der Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung eines Produkts einer Konformitätsbewertung unterziehen zu lassen (EuGH, GRUR Int. 2016, 1149 Rn. 48 - Servoprax/RDD). Nach dieser als abschließend anzusehenden Regelung ist ein zusätzliches Konformitätsbewertungsverfahren zur Vormarktkontrolle im bislang geltenden Recht für In-vitro-Diagnostika nicht geboten und im Interesse des freien Warenverkehrs auch nicht zulässig. Die Festlegung des Schutzniveaus der Richtlinie 98/79/EG für den Verbraucher durch die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist insoweit bindend.
29
3. Da die Aufhebung des Berufungsurteils nach den vorstehenden Aus31 führungen nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
30
a) Ohne Erfolg macht die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz geltend , sie hätte, wenn sie vorausgesehen hätte, dass der Gerichtshof der Europäischen Union höhere Anforderungen an die Feststellung einer konkreten Patientengefährdung stellen würde als der Senat im Urteil "One Touch Ultra", ergänzend insbesondere dazu vorgetragen, dass die Beklagte im Rahmen einer Umetikettierung auch bereits fehlerhafte Chargenbezeichnungen und Mindesthaltbarkeitsdaten aufgebracht habe. Unabhängig davon, ob darin eine in der Revisionsinstanz nicht zulässige Einführung eines neuen Streitgegenstands liegt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - I ZR 167/12, GRUR 2014, 1224 Rn. 25 bis 28 = WRP 2014, 1453 - ENERGY & VODKA), kann dieses Vorbringen der Klage schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Beklagte auch unter diesen von der Klägerin nunmehr geltend gemachten Umständen keiner Pflicht zur Durchführung eines (ergänzenden) Konformitätsverfahrens zuwidergehandelt hätte (vgl. oben Rn. 28).
31
b) Aus dem zuletzt genannten Grund ist die Sache auch nicht an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin eine Antragstellung zu ermöglichen , bei der die Umstände des Einzelfalls mit berücksichtigt werden, aus denen sich gegebenenfalls eine konkrete Gesundheitsgefährdung ergibt.
32
4. Die Anschlussberufung, mit der die Klägerin im zweiten Rechtszug hilfsweise weitere Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gestellt hat, ist in der bedingten Form statthaft (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1983 - VII ZR 72/83, NJW 1984, 1240, 1241), innerhalb der der Klägerin gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zum 26. Juli 2012 und damit gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO rechtzeitig eingelegt worden und damit zulässig. In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg. Die Beklagte hat mit ihrer von der Klägerin insoweit beanstandeten Verhaltensweise nach den vorstehenden Ausführungen zu II 2 weder wettbewerbswidrig noch sonst rechtswidrig gehandelt.
33
5. Die Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, das Bestehen des Unterlassungsanspruchs sei für den zwischen den Parteien lediglich (noch) anhängigen Auskunfts- und Schadensersatzanspruch nicht vorgreiflich. Diese Sichtweise entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Schadensersatzanspruch und der Unterlassungsanspruch unterschiedliche Sachverhalte betreffen und sich daher nicht gegenseitig präjudizieren (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 - Faxkarte; Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 36 = WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe). Damit fehlt es im Streitfall an dem für eine zulässige Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO erforderlichen vorgreiflichen Rechtsverhältnis. Davon ist nur auszugehen, wenn ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 17). Das ist im Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten einerseits und Unterlassungsanspruch andererseits nicht der Fall (vgl. BGH GRUR 2012, 949 Rn. 36 - Missbräuchliche Vertragsstrafe).
34
6. Der von der Beklagten verfolgte Antrag auf Aufhebung der vom Land37 gericht im vorangegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung am 28. September 2010 erlassenen Beschlussverfügung und des diese Verfügung bestätigenden Urteils des Landgerichts vom 21. Dezember 2010 konnte zwar im vorliegenden Hauptsacheverfahren gestellt werden (dazu unter II 6 a und b). Die Beklagte hat die Anträge jedoch unter der Bedingung der Abweisung der Klageanträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gestellt. Die Bedingung ist in den Vorinstanzen nicht eingetreten. Im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann die Beklagte die Anträge in der Revisionsinstanz nicht zur Entscheidung stellen. Insoweit ist die Revision unzulässig (dazu unter II 6 c).
35
a) Die Vorschrift des § 943 Abs. 1 ZPO, wonach als Gericht der Hauptsache im Sinne der §§ 916 bis 945 b ZPO das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht anzusehen ist, bestimmt, welches Gericht in Arrestverfahren und Verfahren der einstweiligen Verfügung in den Fällen der §§ 919, 927 Abs. 2, § 937 Abs. 1, § 942 Abs. 1 ZPO - bei § 919 ZPO wahlweise neben dem Amtsgericht , in dessen Bezirk sich der mit dem Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer Freiheit zu beschränkende Person befindet - ausschließlich (§ 802 ZPO) zuständig ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 943 Rn. 1; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 943 Rn. 1; Saenger/Kemper, ZPO, 7. Aufl., § 943 Rn. 1).
36
b) Der Bundesgerichtshof hat bislang offen gelassen, ob eine Widerklage grundsätzlich nur in derselben Prozessart wie die Klage zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2001 - VIII ZR 75/00, BGHZ 149, 222, 227). Die Frage braucht auch im Streitfall nicht entschieden zu werden. Die in einem Rechtsstreit über eine Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nach vorausgegangenem Verfügungsverfahren erhobene Widerklage, mit der die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung begehrt wird, weist keine so grundlegenden Verfahrensunterschiede zur Klage auf, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung nicht oder nur unter Schwierigkeiten in Betracht kommt. Für die Klage und die Widerklage sind in einem solchen Fall keine unterschiedlichen Instanzenzüge gegeben. Das Gericht der Hauptsache ist nach § 927 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO für die Entscheidung über den Aufhebungsantrag zuständig. Nur die Revision ist gegen die Entscheidung über den Aufhebungsantrag ausgeschlossen, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Der Verfolgung des Aufhebungsantrags im Wege der Widerklage steht weiter nicht entgegen, dass das Aufhebungsverfahren als Teil des Verfügungsverfahrens grundsätzlich auf eine beschleunigte Erledigung ausgerichtet ist (aA OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2014, 362, 369). Der Beklagte hat es in der Hand, ob er ein gesondertes Aufhebungsverfahren einleitet oder den Weg der Widerklage wählt. Für die Verbindung des Hauptsacheprozesses mit dem Aufhebungsverfahren durch eine Widerklage sprechen zudem prozessökonomische Gründe, weil der Streit der Parteien in einem Verfahren erledigt werden kann.
37
Der für die Zulässigkeit einer Widerklage erforderliche Sachzusammenhang ist, wenn - wie im Streitfall - bei einer nach Erlass einer einstweiligen Verfügung erhobenen Hauptsacheklage eine Hilfswiderklage auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung im Falle der Abweisung der Hauptsacheklage erhoben wird, ohne Weiteres gegeben. Da auch ansonsten weder im Blick auf die Hauptsacheklage noch im Blick auf die Widerklage durchgreifende Gründe gegen die Zulassung einer solchen Hilfswiderklage sprechen, ist diese hier als zulässig anzusehen (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2007, 20, 22; Büscher in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 146; Köhler in Köhler/ Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 3.54; jurisPK-UWG/Hess, 4. Aufl., § 12 Rn. 217; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 927 Rn. 10; MünchKomm.ZPO /Drescher, 5. Aufl., § 927 Rn. 10; Thümmel in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 927 Rn. 5; Zöller/Vollkommer aaO § 927 Rn. 9; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 927 Rn. 1; Zöllner in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2014, § 33 ZPO Rn. 26; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 56 Rn. 24; Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Kap. 60 Rn. 31; aA OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2014, 362, 368 f.).
38
c) Mit der im vorliegenden Urteil enthaltenen Abweisung der Anträge auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung ist zwar die Bedingung eingetreten , unter die die Beklagte den mit ihrer Hilfswiderklage verfolgten Antrag auf Aufhebung der gegen sie am 28. September 2010 erlassenen Beschlussverfügung als von Anfang an unbegründet gestellt hat. Nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO findet die Revision aber nicht gegen Urteile statt, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist. Die Entscheidung über die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung kann mit der Revision schlechthin nicht begehrt werden. Danach scheidet vorliegend jegliche Befassung des Senats mit dem auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung gerichteten Hilfswiderklageantrag aus. Die Revision ist insoweit unzulässig.
39
III. Da unter Berücksichtigung des auf Vorlage des Senats ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union "Servoprax/RDD" keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des im Streitfall anwendbaren Unionsrechts bestehen, ist ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN).
40
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Für eine Anwendung des vom Berufungsgericht bei seiner Kostenentscheidung herangezogenen § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist vorliegend kein Raum. Die Anwendung dieser Bestimmung hätte erfordert, dass die Beklagte der Klägerin dadurch Anlass zu deren am 14. Februar 2011 anhängig gemachter und durch Zustellung an den Beklagtenvertreter am 22. März 2011 erhobener Unterlassungsklage gegeben hätte, dass sie die Klägerin pflichtwidrig nicht über die ihr von der DEKRA Certification B.V. am 13. Dezember 2010 erteilte "Attestation of Conformity Number 2140403AoC01" unterrichtet hätte. Für einen solchen Pflichtverstoß der Beklagten ist hier nichts ersichtlich.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Koch Feddersen
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.12.2011 - 3-11 O 27/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 27.06.2013 - 6 U 3/12 -

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

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(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

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(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt. (2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verf

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(1) Als Gericht der Hauptsache im Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts ist das Gericht des ersten Rechtszuges und, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht anzusehen. (2) Das Gericht der Hauptsache ist fü

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Für die Anordnung des Arrestes ist sowohl das Gericht der Hauptsache als das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der mit Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich befindet.

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Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt.

(2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, findet die Revision nicht statt. Dasselbe gilt für Urteile über die vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren oder im Umlegungsverfahren.

11
c) Das von der Beklagten parallelimportierte Produkt verfügt zwar über eine CE-Kennzeichnung. Das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren ist von einer Benannten Stelle in den Niederlanden durchgeführt worden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nach dem Import nach Deutschland jedoch ein erneutes oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen , weil die Beklagte die Originalaufmachung des Produkts abändert, indem sie den Umkarton mit einem deutschsprachigen Etikett versieht und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beifügt. Die Teststreifen sind zur Eigenanwendung durch die Patienten bestimmt, wie auch entsprechend den Kennzeichnungsvorschriften (vgl. Anhang I B 8.4. lit. k der In-vitro-Diagnostika -Richtlinie) durch die Angabe "Zur Selbstmessung" auf den Produktverpackungen kenntlich gemacht wird (vgl. Anlagen K 2 bis 5, K 8). In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache enthalten , die vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewer- tungsverfahren überprüft worden sind. Dies ist bei dem von der Beklagten vertriebenen Produkt nicht der Fall.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 45/01 Verkündet am:
2. Mai 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Faxkarte
Ist im Schadensersatzprozeß eine Schutzrechtsverletzung rechtskräftig bejaht
worden, geht davon keine Feststellungswirkung für den Unterlassungsprozeß aus
und umgekehrt (im Anschluß an BGHZ 42, 340, 353 f. – Gliedermaßstäbe).

a) Der Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB kann auch dem Urheber zustehen
, der sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung
des geschützten Werks hergestellt worden ist. Voraussetzung ist dabei stets,
daß für die Verletzung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.

b) Das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Besitzers der zu besichtigenden
Sache ist im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen
, führt jedoch nicht dazu, daß generell gesteigerte Anforderungen an
die Wahrscheinlichkeit der Rechtsverletzung zu stellen wären (im Anschluß an
BGHZ 93, 191 – Druckbalken). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere zu
prüfen, ob dem schützenswerten Geheimhaltungsinteresse auch bei grundsätzlicher
Gewährung des Anspruchs ± etwa durch Einschaltung eines zur Verschwiegenheit
verpflichteten Dritten ± genügt werden kann.
BGH, Urt. v. 2. Mai 2002 ± I ZR 45/01 ± OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die
Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 11. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin geht gegen die Beklagte wegen des behaupteten Nachbaus einer besonderen Faxkarte vor, die mit einem sogenannten Fax-Analyser-System ausgerüstet ist und dem „Abhören“ und Überwachen von Faxsendungen dient.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin brachte 1992 ein solches von ihren Mitarbeitern entwickeltes, unter MS-DOS laufendes System unter der Bezeichnung
„PK 1115“ auf den Markt. Seit 1994 vertrieb die Beklagte die dem gleichen Zweck dienende Faxkarte „TCM 2001“, die auf dem Betriebssystem „Windows 3.11“ basiert. Beide Faxkarten verwenden einen Rockwell-Modembaustein. Auf seiten der Beklagten war bei der Entwicklung der Faxkarte ein früherer Mitarbeiter der Klägerin beteiligt.
Die Klägerin hat behauptet und im einzelnen dargelegt, daû die Beklagte für ihre Faxkarte sowohl die Hardwarekonfiguration als auch Teile der Software des Systems der Klägerin übernommen habe. Was die Software angehe, seien die Datenstrukturen beim Verzeichnis der Faxeingänge (Journal) ebenso identisch wie die Darstellung der Daten auf dem Bildschirm. Die beiden Ausführungsdateien „WSR.EXE“ und „TCMWATCH.EXE“ ± die erste aus dem Produkt der Klägerin, die zweite aus dem der Beklagten ± wiesen erhebliche Übereinstimmungen auf; viele Programmblöcke ± 13 davon mit einer Gröûe von mehr als 100 Byte ± seien gleich lang bzw. gleich groû. Die in beiden Programmen verwendeten Dateien mit der Bezeichnung „EQUALIZE.IN“ seien identisch. Die in dieser Datei enthaltenen Werte, die durch Aufnahme verschiedener Faxsendungen im Labor der Klägerin empirisch ermittelt worden seien, seien nicht reproduzierbar.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Übernahme der Hardwarekonfiguration sowie die Übernahme eines Teils der Software stelle eine Urheberrechtsverletzung dar und sei im übrigen unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden Leistungsschutzes auch wettbewerbswidrig. Sie hat die Beklagte mit einer Stufenklage auf Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen und zunächst den auf Erteilung einer Auskunft gerichteten Antrag gestellt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat den Umfang der behaupteten Übereinstimmungen bestritten und behauptet, Übereinstimmungen ge-
be es lediglich bei den verwendeten Modulbausteinen, die entsprechend der Logik und den Herstellerbeschreibungen in üblicher Weise miteinander verknüpft seien. Ansonsten unterschieden sich die Faxkarten wesentlich voneinander.
Das Landgericht hat die Klage nach einer Beweisaufnahme über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Faxkarten in vollem Umfang abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klage durch einen Hilfsantrag erweitert , mit dem sie beantragt hat,
die Beklagte zu verurteilen, den Quellcode der Programme bzw. Programmteile für das streitige System TCM 2001 offenzulegen, soweit eine Übereinstimmung der Dateilänge bereits festgestellt worden ist.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen (OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 289 = ZUM 2001, 519 = CR 2001, 434).
Der Senat hat die Revision der Klägerin nur hinsichtlich des Hilfsantrags angenommen. Die Klägerin verfolgt dementsprechend diesen Hilfsantrag mit ihrer Revision weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision auch hinsichtlich des angenommenen Teils zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Hardware einen Urheberrechtsschutz ausgeschlossen, weil es sich bei der Zusammenstellung, dem Aufbau und der Dimensionierung der Bauteile der Faxkarte nicht um ein Werk im Sinne des § 2 UrhG handele. Dagegen sei die Software einem Urheberrechtsschutz zugäng-
lich. Die Klägerin habe jedoch nicht zu beweisen vermocht, daû die im Produkt der Beklagten enthaltene Software auf urheberrechtlich geschützten Teilen des Programms der Klägerin beruhe. Der Sachverständige habe lediglich feststellen können , daû Datensatzlänge und Aufbau der Monitor-Software der Beklagten mit denen der Klägerin übereinstimmten. Daû er keine konkreteren Feststellungen zur Teilidentität der Programme getroffen habe, rüge die Klägerin ohne Erfolg. Es sei an ihr, die Identität von Programmteilen der Software beider Parteien und die Schutzfähigkeit der übernommenen Programmteile konkret darzulegen. Es sei nicht Aufgabe der Beweisaufnahme, von der Klägerin angestellte Vermutungen zu verifizieren und auf diese Weise eine Ausforschung zu ermöglichen. Auf Übereinstimmungen der Benutzeroberfläche komme es nicht an, weil die Benutzeroberfläche als solche am urheberrechtlichen Softwareschutz nicht partizipiere. Die in beiden Programmen vorhandene Datei ¹EQUALIZE.INª enthalte im wesentlichen bloûe Ja/Nein-Schaltungen; eine urheberrechtlich relevante, den Bereich des Banalen überschreitende Leistung sei dem nicht zu entnehmen.
Ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch scheide u.a. deshalb aus, weil keine vermeidbare Herkunftstäuschung vorliege.
Was den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Offenlegung des Quellcodes der Beklagten angehe, komme allenfalls ein Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB in Betracht, der grundsätzlich auch bei der Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche Anwendung finde. Zwar setze der Besichtigungsanspruch lediglich einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung voraus, gewähre aber allenfalls eine Möglichkeit, die Sache selbst, also hier die Faxkarte mit Software in Augenschein zu nehmen, die die Klägerin schon kenne. Selbst wenn man den Besichtigungsanspruch auf den dahinterstehenden Quellcode ausdehnen würde, seien strenge Anforderungen an die Darlegung einer
möglichen Rechtsverletzung zu stellen. Die festgestellten Übereinstimmungen reichten hierfür nicht aus.
II. Die Angriffe der Revision haben in dem Umfang Erfolg, in dem der Senat die Revision angenommen hat, also insoweit, als die Klage auch mit dem auf Offenlegung des Quellcodes gerichteten Hilfsantrag abgewiesen worden ist. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Die Klägerin hat die Bedingung, unter der der Hilfsantrag zum Zuge kommen soll, nicht ausdrücklich genannt. Den Umständen ist jedoch zu entnehmen , daû sie diesen Antrag für den Fall gestellt hat, daû sie mit dem Hauptantrag nicht durchdringt. Das erscheint zwar insofern nicht selbstverständlich, als die Klägerin mit dem Hilfsantrag das Ziel verfolgt, eine Rechtsverletzung der Beklagten darzutun, und dieses Ziel sinnvollerweise der Verletzungsklage nicht nach-, sondern vorgeschaltet sein sollte. Indessen kommt eine andere Bedingung, unter der über den Hilfsantrag entschieden werden sollte, im Streitfall nicht in Betracht. Insbesondere kann nicht angenommen werden, der Hilfsantrag solle ± noch vor Entscheidung über den Hauptantrag ± unter der Bedingung zum Zuge kommen, daû das Gericht die Rechtsverletzung nicht als erwiesen erachtet. Denn ein solches Vorgehen widerspräche dem Grundsatz, daû über den Hilfsantrag nicht entschieden werden darf, bevor der Hauptantrag nicht abgewiesen oder sonst erledigt ist (BGH, Urt. v. 20.1.1989 ± V ZR 137/87, NJW-RR 1989, 650; G. Lüke in MünchKomm.ZPO, 2. Aufl., § 300 Rdn. 4, § 308 Rdn. 15; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 301 Rdn. 8).
2. Der Hilfsantrag ist auch im übrigen zulässig.

a) Mit Recht hat das Berufungsgericht für den Hilfsantrag als mögliche Anspruchsgrundlage § 809 BGB herangezogen. Das dort geregelte Besichtigungs-
recht setzt ein Interesse des Anspruchstellers voraus, sich Gewiûheit darüber zu verschaffen, ob in Ansehung der zu besichtigenden Sache ein Anspruch besteht. Ist dieser (Haupt-)Anspruch nicht mehr durchsetzbar, entfällt mangels eines Interesses auch der Besichtigungsanspruch (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 809 Rdn. 6; vgl. ferner BGH, Urt. v. 3.10.1984 ± IVa ZR 56/83, NJW 1985, 384, 385 zu § 2314 BGB). Da sich daher bei der Geltendmachung eines Anspruchs aus § 809 BGB das Rechtsschutzbedürfnis mit einem Tatbestandsmerkmal deckt, ist dieses Interesse allein im Rahmen der Begründetheit des Anspruchs zu prüfen (dazu unten unter II.3.b).

b) Der Hilfsantrag ist auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zwar läût sich der bestimmte Inhalt nicht dem Wortlaut des Antrags entnehmen, der auf Offenlegung der Programme oder Programmteile gerichtet ist, ¹soweit eine Übereinstimmung der Dateilänge bereits festgestellt worden istª. Zur Auslegung des Antrags kann indessen das Klagevorbringen herangezogen werden, aus dem sich im Streitfall mit hinreichender Klarheit ergibt, auf welche Programme und Programmteile der Antrag Bezug nimmt. Sie können dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten H. entnommen werden, das in zwei Anlagen (¹Identische Blökke in den Programmen ‚WSR.Exe’ und ‚TCMWatch.Exe’ª und ¹Identische Blöcke in den Programmen ‚WSRPM.Exe’ und ‚TCMWatch.Exe’ª) 402 als ¹identisch festgestellteª Programmblöcke benennt. Auf diese Listen, in denen 402 einzelne Programmblöcke mit näheren Angaben dazu aufgeführt sind, wo sie sich innerhalb der beiden Programme befinden, kann zur Konkretisierung des nach seinem Wortlaut unbestimmten Antrags zurückgegriffen werden.
3. Nach den getroffenen Feststellungen kann der Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB im Streitfall nicht verneint werden.

a) Der Anspruch nach § 809 BGB steht grundsätzlich auch dem Urheber oder dem aus Urheberrecht Berechtigten zu, wenn er sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung ± beispielsweise durch Vervielfältigung ± des geschützten Werks hergestellt worden ist (vgl. RGZ 69, 401, 405 f. ± Nietzsche -Briefe). Auch derjenige, dessen Leistung wettbewerbsrechtlich gegen Nachahmung geschützt ist, kann sich auf diesen Anspruch berufen. Insoweit gilt nichts anderes als für den Patentinhaber, für den der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit des § 809 BGB bejaht hat (BGHZ 93, 191, 198 ff. ± Druckbalken, m.w.N. auch zum Urheberrecht; Schricker/Wild, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 UrhG Rdn. 90a m.w.N.).

b) Die Klägerin hat ein Interesse daran, den Quellcode des Programms der Beklagten untersuchen zu können, auch wenn der auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Hauptantrag bereits rechtskräftig abgewiesen worden ist. Denn neben einem Schadensersatzanspruch kommt im Streitfall auch ein Unterlassungsanspruch in Betracht. Das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Anspruchs wird nicht dadurch präjudiziert, daû die Schadensersatzklage mangels Erweislichkeit der Verletzung rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl. RGZ 49, 33, 36; 160, 163, 165 f.; RG GRUR 1938, 778, 781; BGHZ 42, 340, 353 f. ± Gliedermaûstäbe ; Köhler in Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., vor § 13 Rdn. 359; Ahrens in Pastor /Ahrens, Der Wettbewerbsprozeû, 4. Aufl., Kap. 40 Rdn. 127 ff., 145 ff.; Musielak in Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 322 Rdn. 27; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 51 Rdn. 50 m.w.N.; zur Gegenansicht tendierend dagegen Teplitzky, GRUR 1998, 320, 323 f. und nunmehr ders., Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 30 Rdn. 2; a.A. Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge [1959], S. 59 ff.; ders., JuS 1966, 147, 149 f.; Jacobs in Groûkomm.UWG, vor § 13 Rdn. D 435; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rdn. 484).
Auch wenn in der Regel für die Begründung des Unterlassungsanspruchs auf eine in der Vergangenheit liegende Verletzungshandlung zurückgegriffen wird, betreffen doch beide Ansprüche unterschiedliche Handlungen: Der Schadensersatzanspruch stützt sich allein auf die geschehene Verletzungshandlung, während es beim Unterlassungsanspruch allein um in der Zukunft liegende Verletzungshandlungen geht. Gegen eine Erstreckung der Rechtskraft des einen auf Elemente des anderen Anspruchs spricht auch, daû die verschiedenen Rechtsschutzziele auf seiten des Beklagten ein unterschiedliches Prozeûverhalten nahelegen können: Während ihm an der Verneinung des einen Anspruchs wenig gelegen sein mag, kann er ± worauf treffend Henckel hinweist (Prozeûrecht und materielles Recht, 1970, S. 175) ± an der Verteidigung gegenüber dem anderen Anspruch in hohem Maûe interessiert sein.

c) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB betreffe nur die Sache selbst, hier also die Faxkarte mit ihrer Software, die die Klägerin schon kenne, nicht dagegen den hinter der Software stehenden Quellcode. Dem kann nicht beigetreten werden.
§ 809 BGB setzt voraus, daû die Klägerin sich Gewiûheit verschaffen möchte , ob ihr ein Anspruch in Ansehung der zu besichtigenden Sache zusteht. Mit dieser Formulierung bringt das Gesetz zum Ausdruck, daû der Besichtigungsanspruch nicht nur dann besteht, wenn sich der Anspruch des Gläubigers auf die Sache selbst erstreckt, sondern auch dann, wenn das Bestehen des Anspruchs in irgendeiner Weise von der Existenz oder Beschaffenheit der Sache abhängt (vgl. BGHZ 93, 191, 198 ± Druckbalken; Staudinger/Marburger, BGB [1997], § 809 Rdn. 5; Hüffer in MünchKomm.BGB, 3. Aufl., § 809 Rdn. 4; Bork, NJW 1997, 1665, 1668). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Denn im Falle einer urheberrechtsverletzenden Vervielfältigung oder einer wettbewerbswidrigen Übernahme ist der Quellcode das erste Vervielfältigungsstück, von dem sodann nach
Übertragung des Programms in den Maschinencode weitere Kopien erstellt werden. Für die Annahme des Berufungsgerichts, der Besichtigungsanspruch könne sich nicht auf den Quellcode beziehen, gibt es daher keine Grundlage.

d) Ferner hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf die zum Patentrecht ergangene Druckbalken-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 93, 191) darauf abgestellt, daû an die Darlegung einer möglichen Rechtsverletzung strenge Anforderungen zu stellen sind. Im Streitfall reichten die Umstände nicht aus, um von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung auszugehen. Auch in diesem Punkt hat das Berufungsgericht zu strenge Anforderungen an das Vorliegen des Besichtigungsanspruchs gestellt.
aa) Bereits dem Wortlaut des Gesetzes ist zu entnehmen, daû der Anspruch aus § 809 BGB gerade auch demjenigen zusteht, der sich mit Hilfe der Besichtigung erst Gewiûheit über das Vorliegen eines Anspruchs verschaffen möchte. Der Besichtigungsanspruch besteht also ± ¹durch Billigkeitsrücksichten gebotenª (Mot. II 891) ± gerade auch in Fällen, in denen ungewiû ist, ob überhaupt eine Rechtsverletzung vorliegt (RGZ 69, 401, 405 f. ± Nietzsche-Briefe; BGHZ 93, 191, 203 f. ± Druckbalken). Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine solche Regelung verstoûe gegen das zivilprozessuale Verbot des Ausforschungsbeweises und lasse damit den Grundsatz auûer acht, wonach niemand verpflichtet sei, ¹seinem Gegner die Waffen in die Hand zu gebenª (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO, 60. Aufl., Einf. § 284 Rdn. 29; BGH, Urt. v. 26.6.1958 ± II ZR 66/57, NJW 1958, 1491, 1492; Urt. v. 11.6.1990 ± II ZR 159/89, NJW 1990, 3151). Denn dieser ohnehin durch prozessuale Darlegungspflichten eingeschränkte Grundsatz besagt nichts darüber, daû und in welchem Umfang das materielle Recht Auskunfts - und andere Hilfsansprüche kennt, die dem Gläubiger die Geltendmachung weiterer Ansprüche erst ermöglichen sollen (vgl. BGH NJW 1990, 3151).
Für die Durchsetzung der Immaterialgüterrechte sieht im übrigen Art. 43 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) ausdrücklich vor, daû das Gericht dem Gegner einer in Beweisnot befindlichen Partei die Beibringung von Beweismitteln auferlegen kann, die sich in seinem Besitz befinden. Hierfür müssen nach Art. 50 des TRIPS-Übereinkommens auch einstweilige Maûnahmen vorgesehen werden (vgl. Dreier, GRUR Int. 1996, 205, 211 f.). Zwar sind die Vorschriften des dritten Teils des Übereinkommens, der die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums betrifft (Art. 41 bis 61), nicht ohne weiteres unmittelbar anwendbar (vgl. Denkschrift , BT-Drucks. 12/7655 (neu), S. 347); der Gesetzgeber ging jedoch bei der Ratifizierung des Übereinkommens davon aus, daû das deutsche Recht mit den neuen Anforderungen voll in Einklang stehe (Denkschrift aaO). Die fraglichen Bestimmungen sind deswegen in einer Weise auszulegen, daû mit ihrer Hilfe den Anforderungen des TRIPS-Übereinkommens Genüge getan wird. Hierzu zählt auch der Besichtigungsanspruch des § 809 BGB, der als ein die Rechtsdurchsetzung vorbereitender Anspruch im deutschen Recht Funktionen zu erfüllen hat, die in anderen Rechtsordnungen durch entsprechende prozessuale Rechtsinstitute erfüllt werden (vgl. Dreier, GRUR Int. 1996, 205, 217; Schäfers, GRUR Int. 1996, 763, 776; Fritze, GRUR Int. 1997, 143, 147 f.; U. Krieger, GRUR Int. 1997, 421, 426; Bork, NJW 1997, 1665; Mes, GRUR 2000, 934, 940; König, Mitt. 2002, 153, 155 ff.).
bb) Andererseits können derartige Hilfsansprüche nicht wahllos gegenüber Dritten geltend gemacht werden, die eine Sache im Besitz haben, hinsichtlich deren nur eine entfernte Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht. Vielmehr muû ± insofern gilt nichts anderes als bei anderen Hilfsansprüchen (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 ± I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 911 = WRP 2000, 1258 ± Filialleiterfehler ) ± auch bei § 809 BGB bereits ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit
vorliegen (BGHZ 93, 191, 205 ± Druckbalken; Staudinger/Marburger aaO § 809 Rdn. 6; Bork, NJW 1997, 1665, 1668).
cc) Im Hinblick auf ein besonderes Geheimhaltungsinteresse bei technischen Vorrichtungen kann der Besichtigungsanspruch in Patentverletzungsfällen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einem erheblichen Grad an Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung abhängen (BGHZ 93, 191, 207 ± Druckbalken). Diese Anforderungen können ± ungeachtet der Frage, ob an ihnen festzuhalten ist ± auf Fälle der Verletzung anderer Schutzrechte nicht ohne weiteres übertragen werden.
Die Vorschrift des § 809 BGB beruht auf einer Interessenabwägung (BGHZ 93, 191, 211 ± Druckbalken). Sie möchte einerseits dem Gläubiger ein Mittel an die Hand geben, um den Beweis der Rechtsverletzung auch in den Fällen führen zu können, in denen auf andere Weise ein solcher Beweis nur schwer oder gar nicht erbracht werden könnte, in denen also die Vorlage ¹zur Verwirklichung des Anspruches mehr oder weniger unentbehrlich istª (Mot. II 891). Andererseits soll vermieden werden, daû der Besichtigungsanspruch zu einer Ausspähung insbesondere auch solcher Informationen miûbraucht wird, die der Verpflichtete aus schutzwürdigen Gründen geheimhalten möchte, und der Gläubiger sich über sein berechtigtes Anliegen hinaus wertvolle Kenntnisse verschafft (BGHZ 93, 191, 206 ± Druckbalken; vgl. auch Mot. II 890). Im Hinblick auf diese widerstreitenden Interessen kann nicht durchweg ein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit verlangt werden. Denn der Grad der Wahrscheinlichkeit der Schutzrechtsverletzung stellt nur einen im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Punkt dar. Daneben ist vor allem darauf abzustellen, ob für den Gläubiger noch andere zumutbare Möglichkeiten bestehen, die Rechtsverletzung zu beweisen. Weiter ist zu berücksichtigen, ob bei Gewährung des Besichtigungsrechts notwendig berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Schuldners beeinträchtigt werden oder ob
diese Beeinträchtigungen durch die Einschaltung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten weitgehend ausgeräumt werden können (vgl. dazu Leppin, GRUR 1984, 552, 560 f.; Stürner, JZ 1985, 453, 456; Stürner/Stadler, JZ 1985, 1101, 1104; Brandi-Dohrn, CR 1987, 835, 837 f.; Kröger/Bausch, GRUR 1997, 321, 324; Bork, NJW 1997, 1665, 1669 f.; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 9. Aufl., § 139 Rdn. 117; Keukenschrijver in Busse, PatG, 5. Aufl., § 140b Rdn. 80; Staudinger /Marburger aaO § 809 Rdn. 8). Generell ist dafür Sorge zu tragen, daû die aus der Besichtigung gewonnenen Erkenntnisse nur zu dem vorgesehenen Zweck eingesetzt werden (vgl. RGZ 69, 401, 406 ± Nietzsche-Briefe).
Ist der Gläubiger aber auf die Besichtigung angewiesen, um eine unterstellte Verletzung nachweisen zu können, und stehen besondere (Geheimhaltungs-)Interessen ± sei es generell oder sei es wegen der Einschaltung eines Dritten ± der Besichtigung nicht entgegen, kann nicht generell ein erheblicher Grad der Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung verlangt werden. Dabei kann im Streitfall offenbleiben, ob eine solche auf eine Interessenabwägung im Einzelfall abstellende Betrachtungsweise auch für Fälle einer zu beweisenden Patentverletzung angezeigt wäre.
dd) Bei Zugrundelegung dieser Maûstäbe läût sich nach den im Streitfall bisher getroffenen Feststellungen der Besichtigungsanspruch nicht verneinen. Die Klägerin ist auf den Quellcode angewiesen, um sich Kenntnis darüber zu verschaffen , ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die ihr zustehenden Rechte verletzt worden sind. Denn lediglich anhand des Quellcodes sind Übereinstimmungen einzelner Programmteile zuverlässig zu ermitteln. Stehen einer Besichtigung durch die Klägerin oder ihre Mitarbeiter berechtigte Geheimhaltungsinteressen entgegen, kann ± wie es die Klägerin bei Stellung des Hilfsantrags bereits angeboten hat ± sachverständige Hilfe in Anspruch genommen werden. Unter diesen Umständen kann kein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit der Rechtsverlet-
zung verlangt werden. Vielmehr reicht der aufgrund der zahlreichen Übereinstimmungen begründete Verdacht einer Verletzung verbunden mit der Möglichkeit, daû das Programm der Klägerin über den früher bei ihr und inzwischen bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter zur Beklagten gelangt ist, aus, um eine im vorliegenden Fall ausreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung zu begründen. Ist eine Wahrscheinlichkeit begründet, erstreckt sich der Besichtigungsanspruch auf das gesamte Programm; er ist nicht auf die Programmteile beschränkt , hinsichtlich deren von vornherein Übereinstimmungen feststanden.

e) Für das Patentrecht hat der Bundesgerichtshof den Besichtigungsanspruch nicht zuletzt wegen des besonderen Geheimhaltungsinteresses darüber hinaus dadurch begrenzt, daû dem Besichtigenden generell Substanzeingriffe wie der Ein- und Ausbau von Teilen sowie eine Inbetriebnahme, unter Umständen auch eine Auûerbetriebsetzung versagt sind (BGHZ 93, 191, 209 ± Druckbalken).
Diese generelle Beschränkung des Besichtigungsanspruchs ist im Schrifttum fast einhellig kritisiert worden (Stürner/Stadler, JZ 1985, 1101, 1102 f.; Stauder, GRUR 1985, 518 f.; Meyer-Dulheuer, GRUR Int. 1987, 14, 16; Marshall in Festschrift für Preu, 1988, S. 151, 159 f.; Götting, GRUR Int. 1988, 729, 739; Kröger /Bausch, GRUR 1997, 321, 323; König, Mitt. 2002, 153, 162 f.). Ob sie ± wie Rogge (Benkard/Rogge aaO § 139 Rdn. 117) und Keukenschrijver (Busse aaO § 140b Rdn. 79) andeuten ± auch für Patentverletzungsfälle überdacht werden sollte, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn jedenfalls ist für den hier in Rede stehenden Bereich des Urheber- und des Wettbewerbsrechts eine entsprechende Begrenzung des Besichtigungsanspruchs nicht angezeigt. Wie bereits dargelegt, bezieht sich dieser Anspruch auf die Sache, hinsichtlich deren der mögliche Anspruch besteht. Dabei ist zunächst einmal ohne Bedeutung, ob diese Sache mit anderen Gegenständen verbunden ist und zur Besichtigung erst ausgebaut werden muû. Ebensowenig spielt es zunächst eine Rolle, ob es ± um über
eine mögliche Rechtsverletzung Gewiûheit zu erlangen ± angezeigt ist, die zu besichtigende Sache auseinanderzunehmen oder ± etwa durch Entnahme einer Probe ± näher zu untersuchen. Vielmehr sind die Befugnisse des Gläubigers oder des zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in der Weise zu begrenzen, daû durch einen derartigen Eingriff das Integritätsinteresse des Schuldners nicht unzumutbar beeinträchtigt werden darf: Die realistische Gefahr einer Beschädigung seiner Sache wird der Schuldner nicht ohne weiteres hinnehmen müssen. Andererseits wird eine solche ernsthafte Gefahr in vielen Fällen nicht bestehen. Auch ist zu berücksichtigen, daû der Gläubiger ± sollte die Sache beschädigt werden ± Ersatz leisten muû und daû Vorlage und Besichtigung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden können (§ 811 Abs. 2 BGB).
Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daû der in Rede stehende Quellcode durch Vorlage und Besichtigung in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden könnte.
4. Eine Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 GVG ist nicht geboten. Denn die in der Druckbalken-Entscheidung aufgestellten Grundsätze betreffen den Fall der Patentverletzung, während im Streitfall eine Urheberrechtsverletzung und ein möglicher Wettbewerbsverstoû in Rede stehen. Allerdings ist einzuräumen, daû die zwischen den Schutzrechten bestehenden Unterschiede keine unterschiedlichen Anforderungen an die Voraussetzungen des Besichtigungsanspruchs nahelegen. Der X. Zivilsenat hat jedoch auf Anfrage mitgeteilt , daû er auch im Hinblick auf eine mögliche Verallgemeinerung der hier aufgestellten Grundsätze eine Anrufung des Groûen Senats nicht für notwendig hält.
III. Die Abweisung der Klage mit dem Hilfsantrag kann danach keinen Bestand haben. Das angefochtene Urteil ist insoweit aufzuheben.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist. Denn dem Senat ist eine abschlieûende Entscheidung über den Hilfsantrag verwehrt. Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, kann die Klägerin nicht ohne weiteres beanspruchen, daû die fraglichen Programme oder Programmteile zu ihrer Kenntnis offengelegt werden. Vielmehr ist auf ein mögliches Geheimhaltungsinteresse der Beklagten Rücksicht zu nehmen, das im Zweifel dazu führen wird, daû die Offenlegung lediglich gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten sachkundigen Dritten erfolgt, der sodann darüber Auskunft geben kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die offengelegten Programmteile mit den entsprechenden Teilen des Programms der Klägerin übereinstimmen. Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hatte das Berufungsgericht bislang keine Veranlassung , diese Frage mit den Parteien zu erörtern. Dies wird nachzuholen sein.
Dabei wird es sich empfehlen, daû die Klägerin ihren Antrag in der Weise konkretisiert , daû sich bereits aus seinem Wortlaut ein bestimmter Inhalt ergibt. Die Beklagte wird im übrigen Gelegenheit haben, Näheres zu einem möglichen Geheimhaltungsinteresse darzulegen.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert
36
Zwar besteht eine der Wirkungen der Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO in der Bindung des Gerichts an die Vorentscheidung, wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Prozess eine Vorfrage darstellt. Die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO setzt aber der Rechtskraft eines Urteils bewusst in der Weise enge Grenzen, dass diese sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt die Rechtsfolge beschränkt, die den Entscheidungssatz bildet, nicht aber auf einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die betroffene Entscheidung aufbaut (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059). Dementsprechend wird das Bestehen oder Nichtbestehen eines Unterlassungsanspruchs nicht dadurch präjudiziert, dass die Schadensersatzklage mangels Erweislichkeit der Verletzung rechtskräftig abgewiesen worden ist. Beide Ansprüche betreffen unterschiedliche Handlungen. Der Schadensersatzanspruch stützt sich auf die geschehene Verletzungshandlung, während es beim Unterlassungsanspruch um in der Zukunft liegende Verletzungs- handlungen geht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 - Faxkarte). Diese Überlegungen gelten entsprechend für das Verhältnis zwischen rechtskräftig zuerkanntem Unterlassungsanspruch und Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Mit dem Urteil über den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch wird eine Entscheidung über dessen Bestehen oder Nichtbestehen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung getroffen, auf die das Urteil ergeht. Die Entscheidung über den Verbotsantrag besagt aber nichts über die Begründetheit des Unterlassungsanspruchs im Zeitpunkt der - regelmäßig vor Rechtshängigkeit erfolgenden - Abmahnung. Die Rechtskraft des Unterlassungsurteils erstreckt sich daher nicht auf das Vorliegen des Unterlassungsanspruchs im Zeitpunkt der vorprozessualen Abmahnung.

(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 153/13 Verkündet am:
1. Juni 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:010617UIZR153.13.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juni 2013 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 8. Kammer für Handelssachen - vom 5. Oktober 2011 zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 80% und die Beklagte 20% zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine Vertriebsgesellschaft der Roche Diagnostics GmbH. Sie vertreibt unter den Bezeichnungen "ACCU-CHEK Aviva" und "ACCU-CHEK Compact" Teststreifen zur Blutzuckerselbstkontrolle für Diabetiker. Die Roche Diagnostics GmbH hat für diese Teststreifen vor deren erstmaligem Inverkehrbringen in der Europäischen Union durch eine benannte Stelle im Vereinigten Königreich in englischer Sprache ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen lassen, aufgrund dessen die beiden Produkte eine CE-Kennzeichnung erhalten haben.
2
Die Klägerin vertreibt die beiden Produkte in Deutschland mit Angaben in deutscher Sprache auf der Umverpackung und mit einer in der Verkaufsverpackung einliegenden Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache. In den von der Klägerin für die Teststreifen verwendeten Dosen befindet sich eine Kontrolllösung , mit der die Genauigkeit des Blutzuckermessgeräts überprüft werden kann, in dem die Teststreifen verwendet werden. Dazu wird die Kontrolllösung auf einen Teststreifen getropft, der Teststreifen in das Messgerät eingeführt und der gemessene Wert mit den Werten auf der Dose verglichen. Wenn der gemessene Wert außerhalb der Grenzwerte liegt, weist dies auf eine mangelnde Genauigkeit des Messgeräts hin. Auf dem britischen Markt vertreibt die Klägerin Blutzuckermessgeräte und Blutzuckerteststreifen ausschließlich mit den Messeinheiten "mmol/l". Dagegen bietet sie in Deutschland Blutzuckermessgeräte an, bei denen entweder die Messeinheit "mmol/l" oder die Messeinheit "mg/dl" verwendet wird. Auf den von der Klägerin in Deutschland vertriebenen Dosen für die Teststreifen sind die Grenzwerte für die Kontrolllösung auf den Teststreifen daher sowohl in "mg/dl" als auch in "mmol/l" angegeben.
3
Die Beklagte ist eine Großhändlerin von Medizinprodukten. Sie vertrieb von der Roche Diagnostics GmbH für das EU-Ausland hergestellte Teststreifen "ACCU-CHEK Aviva" und "ACCU-CHEK Compact" in Deutschland im Wege des Parallelvertriebs in Umverpackungen, auf denen sie Aufkleber mit Hinweisen in deutscher Sprache anbrachte. Den Verpackungen war eine von der Beklagten angefertigte deutsche Sprachfassung der Herstellerinformationen beigefügt , die wörtlich den Herstellerinformationen entsprach, die die Roche Diagnostics GmbH bei den von ihr zum Vertrieb in Deutschland bestimmten Teststreifen verwendete. Auf den Teststreifen des von der Beklagten vertriebenen Produkts "ACCU-CHEK Aviva" waren die Grenzwerte in der Zeit von Juni bis Herbst 2010 allein in "mmol/l" angegeben.
4
Nach Ansicht der Klägerin waren die von der Beklagten vertriebenen Teststreifen "ACCU-CHEK Aviva" und "ACCU-CHEK Compact" ohne ein neues oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren in Deutschland nicht verkehrsfähig. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des Vertriebs der Teststreifen abgemahnt. Die Beklagte hat für die fraglichen Blutzuckerteststreifen vor einer benannten Stelle in den Niederlanden ein ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchführen lassen und die Zertifizierung am 13. Dezember 2010 erhalten.
5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland aus Ländern der Europäischen Union und/ oder des Europäischen Wirtschaftsraums eingeführte Blutzuckerteststreifenpackungen mit der Kennzeichnung "ACCU-CHEK Aviva" und/oder"ACCU-CHEK Compact" mit einer umgestalteten Umverpackung und/oder Gebrauchsanweisung in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass diese umverpackten In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind. Diesen Antrag hat die Klägerin nachfolgend für erledigt erklärt und später
6
zurückgenommen. Dazu hat sie ausgeführt, sie habe erst nach Klageerhebung erfahren, dass die Beklagte für die Produkte über eine Zertifizierung durch eine benannte Stelle in den Niederlanden verfügt habe.
7
Das Landgericht hat die von der Klägerin mit den Anträgen auf Auskunftserteilung , Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten weiterverfolgte Klage abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es festgestellt, dass diese nicht gegenüber der Klägerin verpflichtet ist, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland aus Ländern der Europäischen Union und/oder des Europäischen Wirtschaftsraums einge- führte Bluterzuckertest-Streifenpackungen mit der Kennzeichnung "ACCUCHEK Aviva" und/oder "ACCU-CHEK Compact" mit einer umgestalteten Umverpackung und/oder Gebrauchsanweisung in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass diese umverpackten In-vitroDiagnostika zur Eigenanwendung in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind.
8
Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin in der Berufungsverhandlung allein noch hinsichtlich des Vertriebs entsprechender Teststreifen vor dem 13. Dezember 2010 gestellten Anträgen auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung sowie dem Antrag der Klägerin auf Erstattung von Abmahnkosten stattgegeben und die Widerklage abgewiesen (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2013, 524).
9
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
10
Der Senat hat mit Beschluss vom 30. April 2015 dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, GRUR 2015, 703 = WRP 2015, 860 - Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle I): Muss ein Dritter ein In-vitro-Diagnostikum zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das vom Hersteller in einem Mitgliedstaat A (konkret: im Vereinigten Königreich) einer Konformitätsbewertung nach Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG unterzogen worden ist, das die CE-Kennzeichnung nach Art. 16 der Richtlinie trägt und das die grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 und Anhang I der Richtlinie erfüllt, einer erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertung nach Art. 9 der Richtlinie unterziehen, bevor er das Produkt in einem Mitgliedstaat B (konkret: in der Bundesrepublik Deutschland) in Verpackungen in Verkehr bringt, auf denen Hinweise in der von der Amtssprache des Mitgliedstaats A abweichenden Amtssprache des Mitgliedstaats B angebracht sind (konkret : Deutsch statt Englisch) und denen Gebrauchsanweisungen in der Amtssprache des Mitgliedstaats B statt des Mitgliedstaats A beigefügt sind? Macht es dabei einen Unterschied, ob die von dem Dritten beigefügten Gebrauchsanweisungen wörtlich den Informationen entsprechen , die der Hersteller des Produkts im Rahmen des Vertriebs im Mitgliedstaat B verwendet?
11
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-277/15, GRUR Int. 2016, 1149 = WRP 2017, 161 - Servoprax/RDD): Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika ist dahin auszulegen, dass er den Parallelimporteur eines Produkts zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das die CEKennzeichnung trägt und von einer benannten Stelle einer Konformitätsbewertung unterzogen worden ist, nicht verpflichtet, eine neue Bewertung vornehmen zu lassen, mit der die Konformität der Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung dieses Produkts wegen ihrer Übersetzung in die Amtssprache des Einfuhrmitgliedstaats bescheinigt werden soll.

Entscheidungsgründe:


12
I. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin zuletzt gestellten Anträge auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung für die Zeit vor dem 13. Dezember 2010 sowie den Antrag auf Erstattung von Abmahnkosten als begründet und die von der Beklagten als Zwischenfeststellungsklage weiterverfolgte Widerklage als unzulässig angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
13
Die Beklagte habe durch den Vertrieb der parallelimportierten Teststreifen vor dem Zeitpunkt der ergänzenden Zertifizierung am 13. Dezember 2010 gegen die Kennzeichnungsbestimmungen für In-vitro-Diagnostika verstoßen. Die Beklagte müsse sich wie ein Hersteller behandeln lassen, weil sie auf der Umverpackung der Teststreifen für den deutschen Markt ein deutschsprachiges Etikett angebracht und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beigefügt habe. Die Gebrauchsanweisung und Etikettierung in deutscher Sprache diene einer sicheren Anwendung des Produkts und müsse daher in einem erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Medizinproduktegesetz überprüft werden.
14
Die Beklagte habe zwar nicht selbst eine Übersetzung der Gebrauchsanweisung anfertigen lassen, sondern die deutsche Sprachfassung der Herstellerinformationen der Roche Diagnostics GmbH übernommen. Dieser Umstand ändere aber nichts daran, dass die Gebrauchsanweisung erst durch die Beklagte dem vom Hersteller mit einer anderen Sprachfassung ausgestatteten Originalprodukt beigefügt worden sei. Die Überprüfung einer solchen Veränderung, die stets Fehlerquellen berge und zu Missverständnissen bei der Anwendung der Produkte mit schlimmen Folgen für den Anwender führen könne, habe aus Gründen des Gesundheitsschutzes der benannten Stelle im Sinne der Richtlinie 98/79/EG oblegen.
15
Der Vertrieb der umgestalteten Produkte ohne ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren habe die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt. Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Sie habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Vertrieb der veränderten Produkte ohne ergänzende Konformitätsbewertung zulässig sei.
16
Die Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten sei unzulässig. Zwischen den Parteien sei als Hauptklage lediglich ein Auskunftsanspruch und ein Schadensersatzanspruch anhängig. Das Bestehen des Unterlassungsanspruchs sei hierfür nicht vorgreiflich.
17
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision ist begründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht der Klage stattgegeben hat. Die Klage stellt sich weder aus den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen (dazu unter II 1) noch im Ergebnis als begründet dar (dazu unter II 2). Es besteht auch kein Anlass, die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (dazu unter II 3). Die von der Beklagten erhobene Widerklage hat das Berufungsgericht mit Recht abgewiesen, so dass die Revision insoweit zurückzuweisen ist (dazu unter II 4).
18
1. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin zuletzt gestellten Anträge als begründet angesehen, weil die Beklagte durch den Vertrieb der parallelimportierten Teststreifen vor dem Zeitpunkt der ergänzenden Zertifizierung am 13. Dezember 2010 gegen die Kennzeichnungsbestimmungen für In-vitroDiagnostika verstoßen habe. Die Beklagte müsse sich wie ein Hersteller behandeln lassen, weil sie auf der Umverpackung der Teststreifen für den deutschen Markt ein deutschsprachiges Etikett angebracht und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beigefügt habe. Die Gebrauchsanweisung und Etikettierung in deutscher Sprache diene einer sicheren Anwendung des Produkts und müsse daher in einem erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Medizinproduktegesetz überprüft werden. Der Vertrieb der von der Beklagten umgestalteten Produkte ohne ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren habe die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt.
19
Das Berufungsgericht hat sich bei diesen Ausführungen an der Rechtsprechung des Senats orientiert, nach der In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung (schon) dann nicht im Inland in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache aufweisen, die nicht vorab in einem - zumindest ergänzenden - Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 185/07, GRUR 2010, 756 Rn. 11 = WRP 2010, 1020 - One Touch Ultra). Daran kann nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Oktober 2016 im vorliegenden Verfahren nicht festgehalten werden. Nach diesem Urteil ist der Parallelimporteur eines Produkts zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das die CE-Kennzeichnung trägt und von einer benannten Stelle einer Konformitätsbewertung unterzogen worden ist, nicht verpflichtet , eine neue Bewertung vornehmen zu lassen, mit der die Konformität der Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung dieses Produkts wegen ihrer Übersetzung in die Amtssprache des Einfuhrmitgliedstaats bescheinigt werden soll. Aus Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG und den deren Umsetzung dienenden Vorschriften des deutschen Rechts lässt sich nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Verpflichtung des Parallelimporteurs zu einer solchen Vormarktkontrolle nicht herleiten.
20
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar. Die Revision der Beklagten ist daher nicht gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.
21
a) Auf den Teststreifen des von der Beklagten vertriebenen Produkts "ACCU-CHEK Aviva" waren die Grenzwerte in der Zeit von Juni bis Herbst 2010 nicht in "mg/dl", sondern allein in "mmol/l" angegeben. Damit war bei diesen Teststreifen für die Verwendung in Messgeräten mit den Messeinheiten "mg/dl" eine Umrechnung erforderlich, die zu einer fehlerhaften Anwendung durch den Verbraucher führen konnte. Nach dem Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 98/79/EG umfasst der in dieser Richtlinie angesprochene Herstellungsvorgang auch die Verpackung der Medizinprodukte, sofern diese im Zusammenhang mit Sicherheitsaspekten des Produkts steht. Auch unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts hat das Urteil des Berufungsgerichts nach den Ausführungen im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Oktober 2016 keinen Bestand.
22
aa) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat insoweit ausgeführt, in den ihm vorgelegten Akten deute nichts darauf hin, dass eine solche Aufmachung gegen das deutsche Recht verstoße. Zudem habe die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es im innerstaatlichen Recht kein Verbot des Verkaufs von Produkten zur Blutzuckermessung gebe, auf denen allein die Messeinheit "mmol/l" angegeben sei (EuGH, GRUR Int. 2016, 1149 Rn. 45 - Servoprax/RDD).
23
bb) Die Klägerin meint zwar, diese Ausführungen ließen den Schluss zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die Vorlagefrage möglicherweise anders beantwortet hätte, wenn festgestellt worden wäre, dass die fraglichen Angaben gegen gesetzliche Anforderungen verstießen. Sie macht aber nicht geltend, dass eine solche Feststellung im vorliegenden Verfahren hätte getroffen werden müssen oder auch nur können.
24
b) Das Urteil des Berufungsgerichts hat entgegen der Ansicht der Kläge25 rin auch nicht deshalb im Ergebnis Bestand, weil Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/79/EG die Mitgliedstaaten, die Gefahren für die Gesundheit oder Sicherheit der Patienten, der Anwender oder gegebenenfalls Dritter oder die Sicherheit von Eigentum festgestellt haben, verpflichtet, alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen zu treffen, um diese Produkte vom Markt zu nehmen oder deren Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme zu verbieten oder einzuschränken. Das dort geregelte und durch das Beobachtungs- und Meldeverfahren gemäß Art. 11 der Richtlinie 98/79/EG ergänzte Schutzverfahren ermöglicht es nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union, die Gesundheit und Sicherheit der Betroffenen zu schützen und dabei die Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs zu begrenzen, die die Anwendung nationaler Maßnahmen mit sich brächte, die den Importeur dazu verpflichteten, die zur Erfüllung der sprachlichen Anforderungen des Einfuhrmitgliedstaats vorgenommenen Änderungen an der Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung eines Produkts einer Konformitätsbewertung unterziehen zu lassen (EuGH, GRUR Int. 2016, 1149 Rn. 48 - Servoprax/RDD). Nach dieser als abschließend anzusehenden Regelung ist ein zusätzliches Konformitätsbewertungsverfahren zur Vormarktkontrolle im bislang geltenden Recht für In-vitro-Diagnostika nicht geboten und im Interesse des freien Warenverkehrs auch nicht zulässig. Die Festlegung des Schutzniveaus der Richtlinie 98/79/EG für den Verbraucher durch die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist insoweit bindend.
25
3. Da die Aufhebung des Berufungsurteils nach den vorstehenden Aus27 führungen nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
26
a) Ohne Erfolg macht die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz geltend , sie hätte, wenn sie vorausgesehen hätte, dass der Gerichtshof der Europäischen Union höhere Anforderungen an die Feststellung einer konkreten Patientengefährdung stellen würde als der Senat im Urteil "One Touch Ultra", ergänzend insbesondere dazu vorgetragen, dass die Beklagte im Rahmen einer Umetikettierung auch bereits fehlerhafte Chargenbezeichnungen und Mindesthaltbarkeitsdaten aufgebracht habe. Unabhängig davon, ob darin eine in der Revisionsinstanz nicht zulässige Einführung eines neuen Streitgegenstands liegt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - I ZR 167/12, GRUR 2014, 1224 Rn. 25 bis 28 = WRP 2014, 1453 - ENERGY & VODKA), kann dieses Vorbringen der Klage schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Beklagte auch unter diesen von der Klägerin nunmehr geltend gemachten Umständen keiner Pflicht zur Durchführung eines (ergänzenden) Konformitätsverfahrens zuwidergehandelt hätte (vgl. Rn. 24).
27
b) Aus dem zuletzt genannten Grund ist die Sache auch nicht an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin eine Antragstellung zu ermöglichen , bei der die Umstände des Einzelfalls mit berücksichtigt werden, aus denen sich gegebenenfalls eine konkrete Gesundheitsgefährdung ergibt.
28
4. Die Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, das Bestehen des Unterlassungsanspruchs sei für den zwischen den Parteien lediglich (noch) anhängigen Auskunfts- und Schadensersatzanspruch nicht vorgreiflich. Diese Sichtweise entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Schadensersatzanspruch und der Unterlassungsanspruch unterschiedliche Sachverhalte betreffen und sich daher nicht gegenseitig präjudizieren (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 - Faxkarte; Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 36 = WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe). Damit fehlt es im Streitfall an dem für eine zulässige Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO erforderlichen vorgreiflichen Rechtsverhältnis. Davon ist nur auszugehen, wenn ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 17). Das ist im Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten einerseits und Unterlassungsanspruch andererseits nicht der Fall (vgl. BGH GRUR 2012, 949 Rn. 36 - Missbräuchliche Vertragsstrafe).
29
III. Da unter Berücksichtigung des in dieser Sache auf Vorlage des Senats ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union "Servoprax/ RDD" keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des im Streitfall anwendbaren Unionsrechts bestehen, ist ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-52/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN).
30
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Für eine Anwendung des vom Berufungsgericht bei seiner Kostenentscheidung herangezogenen § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist vorliegend kein Raum. Die Anwendung dieser Bestimmung hätte erfordert, dass die Beklagte der Klägerin dadurch Anlass zu deren am 14. Februar 2011 anhängig gemachter und durch Zustellung an den Beklagtenvertreter am 22. März 2011 erhobener Unterlassungsklage gegeben hätte, dass sie die Klägerin pflichtwidrig nicht über die ihr von der DEKRA Certification B.V. am 13. Dezember 2010 erteilte "Attestation of Conformity Number 2140403AoC01" unterrichtet hätte. Für einen solchen Pflichtverstoß der Beklagten ist hier nichts ersichtlich.
Büscher Schaffert Kirchhoff Koch Feddersen Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.10.2011 - 3-8 O 51/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 27.06.2013 - 6 U 253/11 -

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 1 5 3 / 1 3 Verkündet am:
30. April 2015
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle
Richtlinie 98/79/EG Art. 1 Abs. 2 Buchst. f, Art. 2, 3, 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und
16 und die Anhänge I und IV bis VII
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Art. 1
Abs. 2 Buchst. f, Art. 2, 3, 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und 16 sowie der Anhänge I
und IV bis VII der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. Nr. L 331 vom
7. Dezember 1998) in der zuletzt durch die Richtlinie 2011/100/EU der Kommission
vom 20. Dezember 2011 (ABl. Nr. L 341 vom 22. Dezember 2011,
S. 50) geänderten Fassung folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt
:
Muss ein Dritter ein In-vitro-Diagnostikum zur Eigenanwendung für
die Blutzuckerbestimmung, das vom Hersteller in einem Mitgliedstaat
A (konkret: im Vereinigten Königreich) einer Konformitätsbewertung
nach Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG unterzogen worden ist,
das die CE-Kennzeichnung nach Art. 16 der Richtlinie trägt und das
die grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 und Anhang I der
Richtlinie erfüllt, einer erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertung
nach Art. 9 der Richtlinie unterziehen, bevor er das Produkt
in einem Mitgliedstaat B (konkret: in der Bundesrepublik Deutschland
) in Verpackungen in Verkehr bringt, auf denen Hinweise in der
von der Amtssprache des Mitgliedstaats A abweichenden Amtssprache
des Mitgliedstaats B angebracht sind (konkret: Deutsch statt
Englisch) und denen Gebrauchsanweisungen in der Amtssprache
des Mitgliedstaats B statt des Mitgliedstaats A beigefügt sind?
Macht es dabei einen Unterschied, ob die von dem Dritten beigefügten
Gebrauchsanweisungen wörtlich den Informationen entsprechen,
die der Hersteller des Produkts im Rahmen des Vertriebs im Mitgliedstaat
B verwendet?
BGH, Beschluss vom 30. April 2015 - I ZR 153/13 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher,
die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Art. 1 Abs. 2 Buchst. f, Art. 2, 3, 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und 16 sowie der Anhänge I und IV bis VII der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. Nr. L 331 vom 7. Dezember 1998) in der zuletzt durch die Richtlinie 2011/100/EU der Kommission vom 20. Dezember 2011 (ABl. Nr. L 341 vom 22. Dezember 2011, S. 50) geänderten Fassung folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Muss ein Dritter ein In-vitro-Diagnostikum zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das vom Hersteller in einem Mitgliedstaat A (konkret: im Vereinigten Königreich) einer Konformitätsbewertung nach Art. 9 der Richtlinie 98/79/EG unterzogen worden ist, das die CEKennzeichnung nach Art. 16 der Richtlinie trägt und das die grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 und Anhang I der Richtlinie erfüllt, einer erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertung nach Art. 9 der Richtlinie unterziehen, bevor er das Produkt in einem Mitgliedstaat B (konkret: in der Bundesrepublik Deutschland) in Verpackungen in Verkehr bringt, auf denen Hinweise in der von der Amtssprache des Mitgliedstaats A abwei- chenden Amtssprache des Mitgliedstaats B angebracht sind (konkret: Deutsch statt Englisch) und denen Gebrauchsanweisungen in der Amtssprache des Mitgliedstaats B statt des Mitgliedstaats A beigefügt sind? Macht es dabei einen Unterschied, ob die von dem Dritten beigefügten Gebrauchsanweisungen wörtlich den Informationen entsprechen, die der Hersteller des Produkts im Rahmen des Vertriebs im Mitgliedstaat B verwendet?

Gründe:

1
I. Die Klägerin ist eine Vertriebsgesellschaft der Roche Diagnostics GmbH, die ein Tochterunternehmen der Hoffmann-La Roche AG in Basel ist. Sie vertreibt unter der Bezeichnung "Accu-Chek Aviva" und "Accu-Chek Compact" Teststreifen zur Blutzuckerselbstkontrolle für Diabetiker. Vor dem erstmaligen Inverkehrbringen der Teststreifen in der Europäischen Union hat die Roche Diagnostics GmbH für diese beiden Produkte durch eine Benannte Stelle im Vereinigten Königreich ein Konformitätsbewertungsverfahren in englischer Sprache durchführen lassen, aufgrund dessen die beiden Produkte eine CEKennzeichnung erhalten haben.
2
Die Klägerin vertreibt die beiden Produkte in Deutschland mit Angaben in deutscher Sprache auf der Umverpackung und mit einer in der Verkaufsverpackung einliegenden Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache. In den von der Klägerin verwendeten Dosen mit Teststreifen befindet sich eine Kontrolllösung, mit der die Messgenauigkeit des Blutzuckermessgeräts, in dem die Teststreifen verwendet werden, überprüft werden kann. Dazu wird die Kontrolllösung auf einen Teststreifen getropft, der Teststreifen in das Messgerät eingeführt und der gemessene Wert mit den Werten auf der Dose der Teststreifen verglichen. Wenn der gemessene Wert außerhalb der Grenzwerte liegt, weist dies auf eine mangelnde Genauigkeit des Messgeräts hin. Auf dem britischen Markt vertreibt die Klägerin Blutzuckermessgeräte und Blutzuckerteststreifen ausschließlich mit den Messeinheiten "mmol/l". Dagegen bietet die Klägerin in Deutschland Blutzuckermessgeräte an, die entweder die Messeinheiten "mmol/l" oder "mg/dl" verwenden. Auf den von der Klägerin in Deutschland abgesetzten Teststreifendosen sind deshalb die Grenzwerte für die Kontrolllösung auf den Teststreifen sowohl in "mg/dl" als auch in "mmol/l" angegeben.
3
Die Beklagte ist eine Großhändlerin von Medizinprodukten. Sie vertrieb von der Roche Diagnostics GmbH für das EU-Ausland hergestellte Teststreifen zur Blutzuckerselbstkontrolle "Accu-Chek Aviva" und "Accu-Chek Compact" in Deutschland im Wege des Parallelvertriebs in Umverpackungen, auf denen sie Aufkleber mit Hinweisen in deutscher Sprache anbrachte. Diese lauteten bei dem Produkt "Accu-Chek Compact": "Import und Vertrieb servoprax GmbH - 45485 Wesel Art.-Nr. C2 133 PZN 6404388 1 - C2 133-1-0002.1-0002". Auf dem weiteren Produkt "Accu-Chek Aviva" enthielt das von der Beklagten verwendete Etikett neben vergleichbaren Angaben den Zusatz "In vitro Diagnosticum Blut 50 Teststreifen, 1 Code-Chip Zur Bestimmung von Blutzucker. Zur Selbstanwendung geeignet. Nur für Accu-Chek Aviva, Accu-Chek Aviva Nano und Accu-Chek Aviva Combo. Lagerung +2°C-+32°C. LOT und Verfalldatum siehe Lasche. Bedienungsanleitung beachten. Plasma referenziert. Zur Selbstanwendung geeignet".
4
Die Beklagte fügte den Verpackungen eine deutsche Sprachfassung der Herstellerinformationen bei, die wörtlich den Herstellerinformationen entsprach, die die Roche Diagnostics GmbH bei den von ihr zum Vertrieb in Deutschland bestimmten Teststreifen verwendete. Auf den Teststreifen des von der Beklag- ten vertriebenen Produkts "Accu-Chek Aviva" waren die Grenzwerte in der Zeit von Juni bis Herbst 2010 allein in "mmol/l" angegeben.
5
Nach Ansicht der Klägerin waren die von der Beklagten in der beschriebenen Weise vertriebenen Teststreifen "Accu-Chek Aviva" und "Accu-Chek Compact" ohne ein neues oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren in Deutschland nicht verkehrsfähig. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des Vertriebs der Teststreifen abgemahnt. Die Beklagte hat in den Niederlanden für die fraglichen Blutzuckerteststreifen vor einer Benannten Stelle ein ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt und die Zertifizierung am 13. Dezember 2010 erhalten.
6
Mit ihrer gegen die Beklagte erhobenen Klage hat die Klägerin unter anderem beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland aus Ländern der Europäischen Union und/ oder des Europäischen Wirtschaftsraums eingeführte Blutzuckerteststreifenpackungen mit der Kennzeichnung "Accu-Chek Aviva" und/oder "Accu-Chek Compact" mit einer umgestalteten Umverpackung und/oder Gebrauchsanweisung in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass diese umverpackten In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind.
7
Diesen Antrag hat die Klägerin nachfolgend für erledigt erklärt und später zurückgenommen. Dazu hat sie ausgeführt, sie habe erst nach Klageerhebung erfahren, dass die Beklagte in den Niederlanden ein ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt habe.
8
Das Landgericht hat die von der Klägerin mit den Anträgen auf Auskunftserteilung , Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten weiterverfolgte Klage abgewiesen.
9
Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin in der Berufungsverhandlung allein noch hinsichtlich des Vertriebs entsprechender Teststreifen vor dem 13. Dezember 2010 gestellten Anträgen auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung sowie dem Antrag der Klägerin auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten stattgegeben (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2013, 524).
10
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
11
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung der im Tenor des vorliegenden Beschlusses genannten Bestimmungen der Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika vom 27. Oktober 1998 ab. Vor einer Entscheidung ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
12
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte durch den Vertrieb der parallelimportierten Teststreifen vor dem Zeitpunkt der ergänzenden Zertifizierung am 13. Dezember 2010 gegen die Kennzeichnungsbestimmungen für In-vitro-Diagnostika verstoßen. Die Beklagte müsse sich gemäß § 3 Nr. 15 Satz 2 MPG wie ein Hersteller behandeln lassen, da sie auf der Umverpackung der Teststreifen für den deutschen Markt ein deutschsprachiges Etikett angebracht und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beigefügt habe. Die Gebrauchsanweisung und Etikettierung in deutscher Sprache diene einer sicheren Anwendung des Produkts und müsse daher in einem erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Medizinproduktegesetz überprüft werden. Die Beklagte habe zwar nicht selbst eine Übersetzung der Gebrauchsanweisung anfertigen lassen, sondern die deutsche Sprachfassung der Herstellerinformationen der Roche Diagnostics GmbH übernommen. Dieser Umstand ändere aber nichts daran, dass die Gebrauchsanweisung erst durch die Beklagte dem vom Hersteller mit einer anderen Sprachfassung ausgestatteten Originalprodukt beigefügt worden sei. Die Überprüfung einer solchen Veränderung, die stets Fehlerquellen berge und zu Missverständnissen bei der Anwendung der Produkte mit schlimmen Folgen für den Anwender führen könne, habe aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Benannten Stelle im Sinne der Richtlinie 98/79/EG oblegen.
13
2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Beklagte ein Konformitätsbewertungsverfahren nach der Richtlinie 98/79/EG durchführen muss, wenn sie die aus dem EU-Ausland parallelimportierten Blutzuckerteststreifen "Accu-Chek Aviva" und "Accu-Chek Compact" der Klägerin mit Angaben auf der Umverpackung und der Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache versieht und im Inland vertreibt. Dabei entspricht im Streitfall die deutschsprachige Gebrauchsanweisung derjenigen, die die Klägerin im Inland verwendet.
14
a) Der Klägerin stehen die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Erstattung der Rechtsverfolgungskosten sowie dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch nach § 242 BGB, §§ 9, 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu, wenn die Beklagte mit dem Vertrieb der parallelimportierten Teststreifen in der Zeit vor dem 13. Dezember 2010 gegen eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG verstoßen hat. Das ist der Fall, wenn die Beklagte mit dem fraglichen Vertrieb ohne Konformitätsbewertungsverfahren nach der Richtlinie 98/79/EG gegen Kennzeichnungsbestimmungen für In-vitro-Diagnostika verstoßen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 185/07, GRUR 2010, 756 Rn. 8 = WRP 2010, 1020 - One Touch Ultra).
15
b) Nach der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 des Medizinproduktegesetzes dürfen In-vitro-Diagnostika als Medizinprodukte in Deutschland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 MPG dürfen Medizinprodukte mit der CE-Kennzeichnung nur versehen werden, wenn die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbaren grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG erfüllt sind und ein für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebenes Konformi- tätsbewertungsverfahren nach Maßgabe der aufgrund des § 37 Abs. 1 MPG ergangenen Medizinprodukte-Verordnung (MPV) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3854) durchgeführt worden ist. Für Produkte zur Blutzuckerbestimmung , die in Anhang II Liste B 9. Spiegelstrich der Richtlinie 98/79/EG angeführt sind, sieht § 5 Abs. 2 MPV das Verfahren der EG-Konformitätserklärung nach Anhang IV der Richtlinie 98/79/EG oder das Verfahren der EGBaumusterprüfung nach Anhang V in Verbindung mit dem Verfahren der EGPrüfung nach Anhang VI oder dem Verfahren der EG-Konformitätserklärung nach Anhang VII der Richtlinie vor.
16
c) Die Bestimmungen der §§ 6 und 7 MPG und § 5 Abs. 2 MPV dienen der Umsetzung der Art. 2, 3 und 16 der Richtlinie 98/79/EG. Nach Art. 2 Satz 1 der Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen, damit die Produkte nur in den Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie bei sachgemäßer Lieferung, Installation, Instandhaltung und ihrer Zweckbestimmung entsprechender Verwendung die Anforderungen der Richtlinie erfüllen. Zu den nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 als Produkte bezeichneten In-vitro-Diagnostika zählen nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie Teststreifen zur Blutzuckerbestimmung. Nach Art. 3 der Richtlinie müssen die Produkte die für sie unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung geltenden grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang I erfüllen. Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt, dass alle Produkte, von deren Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 auszugehen ist, bei ihrem Inverkehrbringen mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden müssen. Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie behindern die Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet nicht das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten, die die CE-Kennzeichnung nach Art. 16 tragen, wenn diese einer Konformitätsbewertung nach Art. 9 der Richtlinie unterzogen worden sind. Damit die CE-Kennzeichnung angebracht werden kann, muss der Hersteller für die in der Liste B des Anhangs II genannten Produkte mit Ausnahme der Produkte für Leistungsbewertungszwecke ent- weder das Verfahren der EG-Konformitätserklärung gemäß Anhang IV (Art. 9 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie) oder das Verfahren der EG-Baumusterprüfung gemäß Anhang V in Verbindung mit dem Verfahren der EG-Prüfung gemäß Anhang VI (Art. 9 Abs. 3 Buchst. b Ziffer i) oder dem Verfahren der EGKonformitätserklärung gemäß Anhang VII (Art. 9 Abs. 3 Buchst. b Ziffer ii) anwenden. Die Verfahren nach Art. 9 Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie dienen der Überprüfung, ob die für das Produkt geltenden Bestimmungen der Richtlinie einschließlich der grundlegenden Anforderungen nach ihrem Anhang I eingehalten sind (vgl. Anhang IV Nr. 2 und Anhang V Nr. 1).
17
aa) Für das Verfahren der EG-Konformitätserklärung muss der Antrag nach Anhang IV Nr. 3.1 4. Spiegelstrich die Dokumentation über das Qualitätssicherungssystem enthalten. Nach Nr. 3.2 Unterabs. 2 Buchst. c 3. Spiegelstrich des Anhangs IV muss die Dokumentation bei Produkten zur Eigenanwendung die Angaben gemäß Anhang III Nr. 6.1 enthalten. Dazu rechnen Angaben , die auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung des Produkts anzubringen sind (Anhang III Nr. 6.1 3. Spiegelstrich).
18
Nach Nummer 4.2 Satz 2 des Anhangs IV der Richtlinie 98/79/EG muss es anhand der für die Prüfung der Produktauslegung nach Nr. 3.2 Buchst. c dieses Anhangs beizubringenden Dokumente möglich sein zu beurteilen, ob das Produkt den Anforderungen der Richtlinie entspricht.
19
Nach Nummer 4.3 des Anhangs IV der Richtlinie 98/79/EG prüft die Benannte Stelle den Antrag, wobei sie vom Antragsteller zur Beurteilung der Übereinstimmung mit den Anforderungen dieser Richtlinie gegebenenfalls die Durchführung zusätzlicher Tests und Prüfungen verlangen kann. Die von ihr dann, wenn die Auslegung den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie entspricht , ausgestellte Bescheinigung enthält die Ergebnisse der Prüfung, die Bedingungen für ihre Gültigkeit sowie die zur Identifizierung der genehmigten Aus- legung erforderlichen Angaben und gegebenenfalls eine Beschreibung der Zweckbestimmung des Produkts.
20
Nach Nummer 4.4 Satz 1 des Anhangs IV der Richtlinie 98/79/EG müssen Änderungen an der genehmigten Auslegung, die die Übereinstimmung des Produkts mit den grundlegenden Anforderungen dieser Richtlinie oder mit den vorgeschriebenen Anwendungsbedingungen berühren können, von der Benannten Stelle zusätzlich genehmigt werden, die die EG-Auslegungsprüfbescheinigung ausgestellt hat. Nach Nummer 4.4 Satz 2 des Anhangs IV der Richtlinie informiert der Hersteller diese Benannte Stelle über solche Änderungen. Die erforderliche Zusatzgenehmigung wird nach Nummer 4.4 Satz 3 des Anhangs IV der Richtlinie in Form eines Nachtrags zur EG-Auslegungsprüfbescheinigung erteilt.
21
Zu den grundlegenden Anforderungen gehören nach Teil B Nr. 8.1 Unterabsatz 1 des Anhangs I der Richtlinie 98/79/EG die jedem Produkt beizugebenden Informationen, die unter Berücksichtigung des Ausbildungs- und Kenntnisstandes des vorgesehenen Anwenderkreises die ordnungsgemäße und sichere Anwendung des Produkts und die Ermittlung des Herstellers ermöglichen. Diese Informationen umfassen nach dem Unterabsatz 2 der genannten Bestimmung die Angaben in der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung. Nach Teil B Nr. 8.1 Unterabsatz 6 des Anhangs I der Richtlinie 98/79/EG müssen die Gebrauchsanweisung und die Kennzeichnung bei In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung eine Übersetzung in der/den Amtssprache(n) des Mitgliedstaats enthalten, in dem der Endverbraucher das Produkt zur Eigenanwendung erhält.
22
bb) Für die EG-Baumusterprüfung enthält der Anhang V der Richtlinie 98/79/EG in seinen Nummern 3 3. Spiegelstrich, 4.1 bis 4.3, 5 und 6.1 entsprechende Bestimmungen. Insbesondere muss die gemäß Nummer 2 2. Spiegelstrich dieses Anhangs mit dem Antrag auf eine EG-Baumusterprüfung einzu- reichende Dokumentation bei Produkten zur Eigenanwendung nach Nummer 3 3. Spiegelstrich ebenfalls die in Anhang III Nummer 6.1 der Richtlinie genannten Informationen enthalten.
23
d) Da die Kennzeichnung (Etikettierung) und die Gebrauchsanweisung Gegenstand der Prüfung der Verfahren nach den Anhängen IV und V sind und die Angaben zu den grundlegenden Anforderungen im Sinne des Art. 3 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie zählen, liegt es nahe anzunehmen, dass ein Parallelimporteur die umetikettierten und mit einer deutschsprachigen Gebrauchsanweisung versehenen In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung nicht ohne entsprechendes zusätzliches Konformitätsbewertungsverfahren in Deutschland in den Verkehr bringen darf (vgl. BGH, GRUR 2010, 756 Rn. 10 ff. - One Touch Ultra; Hill/Schmitt, Wiko Medizinprodukterecht , 10. Lief., Juli 2011, § 6 MPG Rn. 3; Stallberg, MPR 2010, 113, 114 ff.; Juknat/Klappich/Klages, PharmR 2010, 488, 489 f.; Fulda, MPR 2011, 1, 2 ff.; aA Plöger in Schorn, Medizinprodukterecht, 27. Lief., März 2013, § 6 MPG Rn. 4; Edelhäuser in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl., § 6 MPG Rn. 7b; Rehmann in Rehmann/Wagner, MPG, 2. Aufl., Einf. Rn. 54 f. und 57 sowie § 3 Rn. 20; Schorn, MPJ 2010, 270 ff.).
24
Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. f Unterabsatz 2 Satz 1 der Richtlinie 98/79/EG gelten die dem Hersteller nach dieser Richtlinie obliegenden Verpflichtungen grundsätzlich auch für natürliche oder juristische Personen, die vorgefertigte Produkte montieren, abpacken, behandeln, aufbereiten oder kennzeichnen oder für die Festlegung der Zweckbestimmung als Produkt im Hinblick auf das Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich sind. Eine Ausnahme besteht nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. f Unterabsatz 2 Satz 2 der Richtlinie nur für Personen , die bereits in Verkehr gebrachte Produkte für einen namentlich genannten Patienten entsprechend ihrer Zweckbestimmung montieren oder anpassen. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Einer erweiternden Auslegung der Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 2 Buchst. f Unterabsatz 2 Satz 2 der Richtlinie steht entgegen, dass eine nicht von einer Benannten Stelle überprüfte Übernahme der Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung eines entsprechenden Produkts die Gefahr von Fehlern in sich birgt, die zu Gesundheitsgefährdungen bis hin zu Schädigungen der Patienten führen können. Dass es sich dabei nicht um eine zu vernachlässigende Gefahr handelt, zeigt der Streitfall. Die von der Beklagten vertriebenen Dosen der Teststreifen "Accu-Chek Aviva" enthielten von Juni bis Herbst 2010 die Grenzwertangaben allein in "mmol/l" und nicht auch in "mg/dl". Bei diesen Teststreifen ist für die Verwendung in Messgeräten mit den Messeinheiten "mg/dl" eine Umrechnung erforderlich, die zu einer fehlerhaften Anwendung durch den Verbraucher führen kann. In diesem Zusammenhang ist Erwägungsgrund 19 der Richtlinie von Bedeutung. Danach umfasst der in der Richtlinie angesprochene Herstellungsvorgang auch die Verpackung der Medizinprodukte, sofern die Verpackung im Zusammenhang mit Sicherheitsaspekten des Produkts steht, was der Senat vorliegend bejahen möchte.
25
e) Im Streitfall könnte für die Beantwortung der Vorlagefrage weiterhin von Bedeutung sein, dass die von der Beklagten beigefügte Gebrauchsanweisung wörtlich der Gebrauchsanweisung entspricht, die die Klägerin bei dem Vertrieb der Produkte in Deutschland verwendet. Darauf bezieht sich die Ergänzung der Vorlagefrage.
26
Nach Ansicht des Senats sollte sich dieser Umstand nicht zu Gunsten des Parallelimporteurs auswirken. Die Erforderlichkeit der Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens hängt nach den einschlägigen Vorschriften der Richtlinie 98/79/EG nicht davon ab, dass noch kein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist. Der Umstand, dass Letzteres bereits der Fall war, kann die Durchführung des neuen ergänzenden Konformitätsbewertungsverfahrens erleichtern und beschleunigen. In dem neuen Verfahren kann die Prüfung darauf beschränkt werden, ob die jeweiligen Angaben auf der Verpackung und in der Gebrauchsanweisung - auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände, unter denen sie erfolgen - tatsächlich mit den Angaben übereinstimmen, die bereits Gegenstand des vom Hersteller durchgeführten Konformitätsbewertungsverfahrens waren.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Koch Feddersen
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.10.2011 - 3-08 O 51/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 27.06.2013 - 6 U 253/11 -
11
c) Das von der Beklagten parallelimportierte Produkt verfügt zwar über eine CE-Kennzeichnung. Das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren ist von einer Benannten Stelle in den Niederlanden durchgeführt worden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nach dem Import nach Deutschland jedoch ein erneutes oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen , weil die Beklagte die Originalaufmachung des Produkts abändert, indem sie den Umkarton mit einem deutschsprachigen Etikett versieht und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beifügt. Die Teststreifen sind zur Eigenanwendung durch die Patienten bestimmt, wie auch entsprechend den Kennzeichnungsvorschriften (vgl. Anhang I B 8.4. lit. k der In-vitro-Diagnostika -Richtlinie) durch die Angabe "Zur Selbstmessung" auf den Produktverpackungen kenntlich gemacht wird (vgl. Anlagen K 2 bis 5, K 8). In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache enthalten , die vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewer- tungsverfahren überprüft worden sind. Dies ist bei dem von der Beklagten vertriebenen Produkt nicht der Fall.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

25
a) Mit diesen Ausführungen beruft sich der Kläger auf ein allgemeines Verkehrsverbot für alkoholhaltige Energydrinks. Damit kann er in der Revisionsinstanz nicht gehört werden, weil es sich um einen neuen Streitgegenstand handelt, der in der Revisionsinstanz nicht mehr in den Prozess eingeführt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 - I ZR 42/07, BGHZ 181, 77 Rn. 46 - DAX).

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 45/01 Verkündet am:
2. Mai 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Faxkarte
Ist im Schadensersatzprozeß eine Schutzrechtsverletzung rechtskräftig bejaht
worden, geht davon keine Feststellungswirkung für den Unterlassungsprozeß aus
und umgekehrt (im Anschluß an BGHZ 42, 340, 353 f. – Gliedermaßstäbe).

a) Der Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB kann auch dem Urheber zustehen
, der sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung
des geschützten Werks hergestellt worden ist. Voraussetzung ist dabei stets,
daß für die Verletzung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.

b) Das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Besitzers der zu besichtigenden
Sache ist im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen
, führt jedoch nicht dazu, daß generell gesteigerte Anforderungen an
die Wahrscheinlichkeit der Rechtsverletzung zu stellen wären (im Anschluß an
BGHZ 93, 191 – Druckbalken). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere zu
prüfen, ob dem schützenswerten Geheimhaltungsinteresse auch bei grundsätzlicher
Gewährung des Anspruchs ± etwa durch Einschaltung eines zur Verschwiegenheit
verpflichteten Dritten ± genügt werden kann.
BGH, Urt. v. 2. Mai 2002 ± I ZR 45/01 ± OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die
Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 11. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin geht gegen die Beklagte wegen des behaupteten Nachbaus einer besonderen Faxkarte vor, die mit einem sogenannten Fax-Analyser-System ausgerüstet ist und dem „Abhören“ und Überwachen von Faxsendungen dient.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin brachte 1992 ein solches von ihren Mitarbeitern entwickeltes, unter MS-DOS laufendes System unter der Bezeichnung
„PK 1115“ auf den Markt. Seit 1994 vertrieb die Beklagte die dem gleichen Zweck dienende Faxkarte „TCM 2001“, die auf dem Betriebssystem „Windows 3.11“ basiert. Beide Faxkarten verwenden einen Rockwell-Modembaustein. Auf seiten der Beklagten war bei der Entwicklung der Faxkarte ein früherer Mitarbeiter der Klägerin beteiligt.
Die Klägerin hat behauptet und im einzelnen dargelegt, daû die Beklagte für ihre Faxkarte sowohl die Hardwarekonfiguration als auch Teile der Software des Systems der Klägerin übernommen habe. Was die Software angehe, seien die Datenstrukturen beim Verzeichnis der Faxeingänge (Journal) ebenso identisch wie die Darstellung der Daten auf dem Bildschirm. Die beiden Ausführungsdateien „WSR.EXE“ und „TCMWATCH.EXE“ ± die erste aus dem Produkt der Klägerin, die zweite aus dem der Beklagten ± wiesen erhebliche Übereinstimmungen auf; viele Programmblöcke ± 13 davon mit einer Gröûe von mehr als 100 Byte ± seien gleich lang bzw. gleich groû. Die in beiden Programmen verwendeten Dateien mit der Bezeichnung „EQUALIZE.IN“ seien identisch. Die in dieser Datei enthaltenen Werte, die durch Aufnahme verschiedener Faxsendungen im Labor der Klägerin empirisch ermittelt worden seien, seien nicht reproduzierbar.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Übernahme der Hardwarekonfiguration sowie die Übernahme eines Teils der Software stelle eine Urheberrechtsverletzung dar und sei im übrigen unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden Leistungsschutzes auch wettbewerbswidrig. Sie hat die Beklagte mit einer Stufenklage auf Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen und zunächst den auf Erteilung einer Auskunft gerichteten Antrag gestellt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat den Umfang der behaupteten Übereinstimmungen bestritten und behauptet, Übereinstimmungen ge-
be es lediglich bei den verwendeten Modulbausteinen, die entsprechend der Logik und den Herstellerbeschreibungen in üblicher Weise miteinander verknüpft seien. Ansonsten unterschieden sich die Faxkarten wesentlich voneinander.
Das Landgericht hat die Klage nach einer Beweisaufnahme über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Faxkarten in vollem Umfang abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klage durch einen Hilfsantrag erweitert , mit dem sie beantragt hat,
die Beklagte zu verurteilen, den Quellcode der Programme bzw. Programmteile für das streitige System TCM 2001 offenzulegen, soweit eine Übereinstimmung der Dateilänge bereits festgestellt worden ist.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen (OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 289 = ZUM 2001, 519 = CR 2001, 434).
Der Senat hat die Revision der Klägerin nur hinsichtlich des Hilfsantrags angenommen. Die Klägerin verfolgt dementsprechend diesen Hilfsantrag mit ihrer Revision weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision auch hinsichtlich des angenommenen Teils zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Hardware einen Urheberrechtsschutz ausgeschlossen, weil es sich bei der Zusammenstellung, dem Aufbau und der Dimensionierung der Bauteile der Faxkarte nicht um ein Werk im Sinne des § 2 UrhG handele. Dagegen sei die Software einem Urheberrechtsschutz zugäng-
lich. Die Klägerin habe jedoch nicht zu beweisen vermocht, daû die im Produkt der Beklagten enthaltene Software auf urheberrechtlich geschützten Teilen des Programms der Klägerin beruhe. Der Sachverständige habe lediglich feststellen können , daû Datensatzlänge und Aufbau der Monitor-Software der Beklagten mit denen der Klägerin übereinstimmten. Daû er keine konkreteren Feststellungen zur Teilidentität der Programme getroffen habe, rüge die Klägerin ohne Erfolg. Es sei an ihr, die Identität von Programmteilen der Software beider Parteien und die Schutzfähigkeit der übernommenen Programmteile konkret darzulegen. Es sei nicht Aufgabe der Beweisaufnahme, von der Klägerin angestellte Vermutungen zu verifizieren und auf diese Weise eine Ausforschung zu ermöglichen. Auf Übereinstimmungen der Benutzeroberfläche komme es nicht an, weil die Benutzeroberfläche als solche am urheberrechtlichen Softwareschutz nicht partizipiere. Die in beiden Programmen vorhandene Datei ¹EQUALIZE.INª enthalte im wesentlichen bloûe Ja/Nein-Schaltungen; eine urheberrechtlich relevante, den Bereich des Banalen überschreitende Leistung sei dem nicht zu entnehmen.
Ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch scheide u.a. deshalb aus, weil keine vermeidbare Herkunftstäuschung vorliege.
Was den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Offenlegung des Quellcodes der Beklagten angehe, komme allenfalls ein Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB in Betracht, der grundsätzlich auch bei der Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche Anwendung finde. Zwar setze der Besichtigungsanspruch lediglich einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung voraus, gewähre aber allenfalls eine Möglichkeit, die Sache selbst, also hier die Faxkarte mit Software in Augenschein zu nehmen, die die Klägerin schon kenne. Selbst wenn man den Besichtigungsanspruch auf den dahinterstehenden Quellcode ausdehnen würde, seien strenge Anforderungen an die Darlegung einer
möglichen Rechtsverletzung zu stellen. Die festgestellten Übereinstimmungen reichten hierfür nicht aus.
II. Die Angriffe der Revision haben in dem Umfang Erfolg, in dem der Senat die Revision angenommen hat, also insoweit, als die Klage auch mit dem auf Offenlegung des Quellcodes gerichteten Hilfsantrag abgewiesen worden ist. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Die Klägerin hat die Bedingung, unter der der Hilfsantrag zum Zuge kommen soll, nicht ausdrücklich genannt. Den Umständen ist jedoch zu entnehmen , daû sie diesen Antrag für den Fall gestellt hat, daû sie mit dem Hauptantrag nicht durchdringt. Das erscheint zwar insofern nicht selbstverständlich, als die Klägerin mit dem Hilfsantrag das Ziel verfolgt, eine Rechtsverletzung der Beklagten darzutun, und dieses Ziel sinnvollerweise der Verletzungsklage nicht nach-, sondern vorgeschaltet sein sollte. Indessen kommt eine andere Bedingung, unter der über den Hilfsantrag entschieden werden sollte, im Streitfall nicht in Betracht. Insbesondere kann nicht angenommen werden, der Hilfsantrag solle ± noch vor Entscheidung über den Hauptantrag ± unter der Bedingung zum Zuge kommen, daû das Gericht die Rechtsverletzung nicht als erwiesen erachtet. Denn ein solches Vorgehen widerspräche dem Grundsatz, daû über den Hilfsantrag nicht entschieden werden darf, bevor der Hauptantrag nicht abgewiesen oder sonst erledigt ist (BGH, Urt. v. 20.1.1989 ± V ZR 137/87, NJW-RR 1989, 650; G. Lüke in MünchKomm.ZPO, 2. Aufl., § 300 Rdn. 4, § 308 Rdn. 15; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 301 Rdn. 8).
2. Der Hilfsantrag ist auch im übrigen zulässig.

a) Mit Recht hat das Berufungsgericht für den Hilfsantrag als mögliche Anspruchsgrundlage § 809 BGB herangezogen. Das dort geregelte Besichtigungs-
recht setzt ein Interesse des Anspruchstellers voraus, sich Gewiûheit darüber zu verschaffen, ob in Ansehung der zu besichtigenden Sache ein Anspruch besteht. Ist dieser (Haupt-)Anspruch nicht mehr durchsetzbar, entfällt mangels eines Interesses auch der Besichtigungsanspruch (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 809 Rdn. 6; vgl. ferner BGH, Urt. v. 3.10.1984 ± IVa ZR 56/83, NJW 1985, 384, 385 zu § 2314 BGB). Da sich daher bei der Geltendmachung eines Anspruchs aus § 809 BGB das Rechtsschutzbedürfnis mit einem Tatbestandsmerkmal deckt, ist dieses Interesse allein im Rahmen der Begründetheit des Anspruchs zu prüfen (dazu unten unter II.3.b).

b) Der Hilfsantrag ist auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zwar läût sich der bestimmte Inhalt nicht dem Wortlaut des Antrags entnehmen, der auf Offenlegung der Programme oder Programmteile gerichtet ist, ¹soweit eine Übereinstimmung der Dateilänge bereits festgestellt worden istª. Zur Auslegung des Antrags kann indessen das Klagevorbringen herangezogen werden, aus dem sich im Streitfall mit hinreichender Klarheit ergibt, auf welche Programme und Programmteile der Antrag Bezug nimmt. Sie können dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten H. entnommen werden, das in zwei Anlagen (¹Identische Blökke in den Programmen ‚WSR.Exe’ und ‚TCMWatch.Exe’ª und ¹Identische Blöcke in den Programmen ‚WSRPM.Exe’ und ‚TCMWatch.Exe’ª) 402 als ¹identisch festgestellteª Programmblöcke benennt. Auf diese Listen, in denen 402 einzelne Programmblöcke mit näheren Angaben dazu aufgeführt sind, wo sie sich innerhalb der beiden Programme befinden, kann zur Konkretisierung des nach seinem Wortlaut unbestimmten Antrags zurückgegriffen werden.
3. Nach den getroffenen Feststellungen kann der Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB im Streitfall nicht verneint werden.

a) Der Anspruch nach § 809 BGB steht grundsätzlich auch dem Urheber oder dem aus Urheberrecht Berechtigten zu, wenn er sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung ± beispielsweise durch Vervielfältigung ± des geschützten Werks hergestellt worden ist (vgl. RGZ 69, 401, 405 f. ± Nietzsche -Briefe). Auch derjenige, dessen Leistung wettbewerbsrechtlich gegen Nachahmung geschützt ist, kann sich auf diesen Anspruch berufen. Insoweit gilt nichts anderes als für den Patentinhaber, für den der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit des § 809 BGB bejaht hat (BGHZ 93, 191, 198 ff. ± Druckbalken, m.w.N. auch zum Urheberrecht; Schricker/Wild, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 UrhG Rdn. 90a m.w.N.).

b) Die Klägerin hat ein Interesse daran, den Quellcode des Programms der Beklagten untersuchen zu können, auch wenn der auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Hauptantrag bereits rechtskräftig abgewiesen worden ist. Denn neben einem Schadensersatzanspruch kommt im Streitfall auch ein Unterlassungsanspruch in Betracht. Das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Anspruchs wird nicht dadurch präjudiziert, daû die Schadensersatzklage mangels Erweislichkeit der Verletzung rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl. RGZ 49, 33, 36; 160, 163, 165 f.; RG GRUR 1938, 778, 781; BGHZ 42, 340, 353 f. ± Gliedermaûstäbe ; Köhler in Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., vor § 13 Rdn. 359; Ahrens in Pastor /Ahrens, Der Wettbewerbsprozeû, 4. Aufl., Kap. 40 Rdn. 127 ff., 145 ff.; Musielak in Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 322 Rdn. 27; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 51 Rdn. 50 m.w.N.; zur Gegenansicht tendierend dagegen Teplitzky, GRUR 1998, 320, 323 f. und nunmehr ders., Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 30 Rdn. 2; a.A. Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge [1959], S. 59 ff.; ders., JuS 1966, 147, 149 f.; Jacobs in Groûkomm.UWG, vor § 13 Rdn. D 435; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rdn. 484).
Auch wenn in der Regel für die Begründung des Unterlassungsanspruchs auf eine in der Vergangenheit liegende Verletzungshandlung zurückgegriffen wird, betreffen doch beide Ansprüche unterschiedliche Handlungen: Der Schadensersatzanspruch stützt sich allein auf die geschehene Verletzungshandlung, während es beim Unterlassungsanspruch allein um in der Zukunft liegende Verletzungshandlungen geht. Gegen eine Erstreckung der Rechtskraft des einen auf Elemente des anderen Anspruchs spricht auch, daû die verschiedenen Rechtsschutzziele auf seiten des Beklagten ein unterschiedliches Prozeûverhalten nahelegen können: Während ihm an der Verneinung des einen Anspruchs wenig gelegen sein mag, kann er ± worauf treffend Henckel hinweist (Prozeûrecht und materielles Recht, 1970, S. 175) ± an der Verteidigung gegenüber dem anderen Anspruch in hohem Maûe interessiert sein.

c) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB betreffe nur die Sache selbst, hier also die Faxkarte mit ihrer Software, die die Klägerin schon kenne, nicht dagegen den hinter der Software stehenden Quellcode. Dem kann nicht beigetreten werden.
§ 809 BGB setzt voraus, daû die Klägerin sich Gewiûheit verschaffen möchte , ob ihr ein Anspruch in Ansehung der zu besichtigenden Sache zusteht. Mit dieser Formulierung bringt das Gesetz zum Ausdruck, daû der Besichtigungsanspruch nicht nur dann besteht, wenn sich der Anspruch des Gläubigers auf die Sache selbst erstreckt, sondern auch dann, wenn das Bestehen des Anspruchs in irgendeiner Weise von der Existenz oder Beschaffenheit der Sache abhängt (vgl. BGHZ 93, 191, 198 ± Druckbalken; Staudinger/Marburger, BGB [1997], § 809 Rdn. 5; Hüffer in MünchKomm.BGB, 3. Aufl., § 809 Rdn. 4; Bork, NJW 1997, 1665, 1668). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Denn im Falle einer urheberrechtsverletzenden Vervielfältigung oder einer wettbewerbswidrigen Übernahme ist der Quellcode das erste Vervielfältigungsstück, von dem sodann nach
Übertragung des Programms in den Maschinencode weitere Kopien erstellt werden. Für die Annahme des Berufungsgerichts, der Besichtigungsanspruch könne sich nicht auf den Quellcode beziehen, gibt es daher keine Grundlage.

d) Ferner hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf die zum Patentrecht ergangene Druckbalken-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 93, 191) darauf abgestellt, daû an die Darlegung einer möglichen Rechtsverletzung strenge Anforderungen zu stellen sind. Im Streitfall reichten die Umstände nicht aus, um von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung auszugehen. Auch in diesem Punkt hat das Berufungsgericht zu strenge Anforderungen an das Vorliegen des Besichtigungsanspruchs gestellt.
aa) Bereits dem Wortlaut des Gesetzes ist zu entnehmen, daû der Anspruch aus § 809 BGB gerade auch demjenigen zusteht, der sich mit Hilfe der Besichtigung erst Gewiûheit über das Vorliegen eines Anspruchs verschaffen möchte. Der Besichtigungsanspruch besteht also ± ¹durch Billigkeitsrücksichten gebotenª (Mot. II 891) ± gerade auch in Fällen, in denen ungewiû ist, ob überhaupt eine Rechtsverletzung vorliegt (RGZ 69, 401, 405 f. ± Nietzsche-Briefe; BGHZ 93, 191, 203 f. ± Druckbalken). Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine solche Regelung verstoûe gegen das zivilprozessuale Verbot des Ausforschungsbeweises und lasse damit den Grundsatz auûer acht, wonach niemand verpflichtet sei, ¹seinem Gegner die Waffen in die Hand zu gebenª (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO, 60. Aufl., Einf. § 284 Rdn. 29; BGH, Urt. v. 26.6.1958 ± II ZR 66/57, NJW 1958, 1491, 1492; Urt. v. 11.6.1990 ± II ZR 159/89, NJW 1990, 3151). Denn dieser ohnehin durch prozessuale Darlegungspflichten eingeschränkte Grundsatz besagt nichts darüber, daû und in welchem Umfang das materielle Recht Auskunfts - und andere Hilfsansprüche kennt, die dem Gläubiger die Geltendmachung weiterer Ansprüche erst ermöglichen sollen (vgl. BGH NJW 1990, 3151).
Für die Durchsetzung der Immaterialgüterrechte sieht im übrigen Art. 43 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) ausdrücklich vor, daû das Gericht dem Gegner einer in Beweisnot befindlichen Partei die Beibringung von Beweismitteln auferlegen kann, die sich in seinem Besitz befinden. Hierfür müssen nach Art. 50 des TRIPS-Übereinkommens auch einstweilige Maûnahmen vorgesehen werden (vgl. Dreier, GRUR Int. 1996, 205, 211 f.). Zwar sind die Vorschriften des dritten Teils des Übereinkommens, der die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums betrifft (Art. 41 bis 61), nicht ohne weiteres unmittelbar anwendbar (vgl. Denkschrift , BT-Drucks. 12/7655 (neu), S. 347); der Gesetzgeber ging jedoch bei der Ratifizierung des Übereinkommens davon aus, daû das deutsche Recht mit den neuen Anforderungen voll in Einklang stehe (Denkschrift aaO). Die fraglichen Bestimmungen sind deswegen in einer Weise auszulegen, daû mit ihrer Hilfe den Anforderungen des TRIPS-Übereinkommens Genüge getan wird. Hierzu zählt auch der Besichtigungsanspruch des § 809 BGB, der als ein die Rechtsdurchsetzung vorbereitender Anspruch im deutschen Recht Funktionen zu erfüllen hat, die in anderen Rechtsordnungen durch entsprechende prozessuale Rechtsinstitute erfüllt werden (vgl. Dreier, GRUR Int. 1996, 205, 217; Schäfers, GRUR Int. 1996, 763, 776; Fritze, GRUR Int. 1997, 143, 147 f.; U. Krieger, GRUR Int. 1997, 421, 426; Bork, NJW 1997, 1665; Mes, GRUR 2000, 934, 940; König, Mitt. 2002, 153, 155 ff.).
bb) Andererseits können derartige Hilfsansprüche nicht wahllos gegenüber Dritten geltend gemacht werden, die eine Sache im Besitz haben, hinsichtlich deren nur eine entfernte Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht. Vielmehr muû ± insofern gilt nichts anderes als bei anderen Hilfsansprüchen (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 ± I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 911 = WRP 2000, 1258 ± Filialleiterfehler ) ± auch bei § 809 BGB bereits ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit
vorliegen (BGHZ 93, 191, 205 ± Druckbalken; Staudinger/Marburger aaO § 809 Rdn. 6; Bork, NJW 1997, 1665, 1668).
cc) Im Hinblick auf ein besonderes Geheimhaltungsinteresse bei technischen Vorrichtungen kann der Besichtigungsanspruch in Patentverletzungsfällen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einem erheblichen Grad an Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung abhängen (BGHZ 93, 191, 207 ± Druckbalken). Diese Anforderungen können ± ungeachtet der Frage, ob an ihnen festzuhalten ist ± auf Fälle der Verletzung anderer Schutzrechte nicht ohne weiteres übertragen werden.
Die Vorschrift des § 809 BGB beruht auf einer Interessenabwägung (BGHZ 93, 191, 211 ± Druckbalken). Sie möchte einerseits dem Gläubiger ein Mittel an die Hand geben, um den Beweis der Rechtsverletzung auch in den Fällen führen zu können, in denen auf andere Weise ein solcher Beweis nur schwer oder gar nicht erbracht werden könnte, in denen also die Vorlage ¹zur Verwirklichung des Anspruches mehr oder weniger unentbehrlich istª (Mot. II 891). Andererseits soll vermieden werden, daû der Besichtigungsanspruch zu einer Ausspähung insbesondere auch solcher Informationen miûbraucht wird, die der Verpflichtete aus schutzwürdigen Gründen geheimhalten möchte, und der Gläubiger sich über sein berechtigtes Anliegen hinaus wertvolle Kenntnisse verschafft (BGHZ 93, 191, 206 ± Druckbalken; vgl. auch Mot. II 890). Im Hinblick auf diese widerstreitenden Interessen kann nicht durchweg ein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit verlangt werden. Denn der Grad der Wahrscheinlichkeit der Schutzrechtsverletzung stellt nur einen im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Punkt dar. Daneben ist vor allem darauf abzustellen, ob für den Gläubiger noch andere zumutbare Möglichkeiten bestehen, die Rechtsverletzung zu beweisen. Weiter ist zu berücksichtigen, ob bei Gewährung des Besichtigungsrechts notwendig berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Schuldners beeinträchtigt werden oder ob
diese Beeinträchtigungen durch die Einschaltung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten weitgehend ausgeräumt werden können (vgl. dazu Leppin, GRUR 1984, 552, 560 f.; Stürner, JZ 1985, 453, 456; Stürner/Stadler, JZ 1985, 1101, 1104; Brandi-Dohrn, CR 1987, 835, 837 f.; Kröger/Bausch, GRUR 1997, 321, 324; Bork, NJW 1997, 1665, 1669 f.; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 9. Aufl., § 139 Rdn. 117; Keukenschrijver in Busse, PatG, 5. Aufl., § 140b Rdn. 80; Staudinger /Marburger aaO § 809 Rdn. 8). Generell ist dafür Sorge zu tragen, daû die aus der Besichtigung gewonnenen Erkenntnisse nur zu dem vorgesehenen Zweck eingesetzt werden (vgl. RGZ 69, 401, 406 ± Nietzsche-Briefe).
Ist der Gläubiger aber auf die Besichtigung angewiesen, um eine unterstellte Verletzung nachweisen zu können, und stehen besondere (Geheimhaltungs-)Interessen ± sei es generell oder sei es wegen der Einschaltung eines Dritten ± der Besichtigung nicht entgegen, kann nicht generell ein erheblicher Grad der Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung verlangt werden. Dabei kann im Streitfall offenbleiben, ob eine solche auf eine Interessenabwägung im Einzelfall abstellende Betrachtungsweise auch für Fälle einer zu beweisenden Patentverletzung angezeigt wäre.
dd) Bei Zugrundelegung dieser Maûstäbe läût sich nach den im Streitfall bisher getroffenen Feststellungen der Besichtigungsanspruch nicht verneinen. Die Klägerin ist auf den Quellcode angewiesen, um sich Kenntnis darüber zu verschaffen , ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die ihr zustehenden Rechte verletzt worden sind. Denn lediglich anhand des Quellcodes sind Übereinstimmungen einzelner Programmteile zuverlässig zu ermitteln. Stehen einer Besichtigung durch die Klägerin oder ihre Mitarbeiter berechtigte Geheimhaltungsinteressen entgegen, kann ± wie es die Klägerin bei Stellung des Hilfsantrags bereits angeboten hat ± sachverständige Hilfe in Anspruch genommen werden. Unter diesen Umständen kann kein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit der Rechtsverlet-
zung verlangt werden. Vielmehr reicht der aufgrund der zahlreichen Übereinstimmungen begründete Verdacht einer Verletzung verbunden mit der Möglichkeit, daû das Programm der Klägerin über den früher bei ihr und inzwischen bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter zur Beklagten gelangt ist, aus, um eine im vorliegenden Fall ausreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung zu begründen. Ist eine Wahrscheinlichkeit begründet, erstreckt sich der Besichtigungsanspruch auf das gesamte Programm; er ist nicht auf die Programmteile beschränkt , hinsichtlich deren von vornherein Übereinstimmungen feststanden.

e) Für das Patentrecht hat der Bundesgerichtshof den Besichtigungsanspruch nicht zuletzt wegen des besonderen Geheimhaltungsinteresses darüber hinaus dadurch begrenzt, daû dem Besichtigenden generell Substanzeingriffe wie der Ein- und Ausbau von Teilen sowie eine Inbetriebnahme, unter Umständen auch eine Auûerbetriebsetzung versagt sind (BGHZ 93, 191, 209 ± Druckbalken).
Diese generelle Beschränkung des Besichtigungsanspruchs ist im Schrifttum fast einhellig kritisiert worden (Stürner/Stadler, JZ 1985, 1101, 1102 f.; Stauder, GRUR 1985, 518 f.; Meyer-Dulheuer, GRUR Int. 1987, 14, 16; Marshall in Festschrift für Preu, 1988, S. 151, 159 f.; Götting, GRUR Int. 1988, 729, 739; Kröger /Bausch, GRUR 1997, 321, 323; König, Mitt. 2002, 153, 162 f.). Ob sie ± wie Rogge (Benkard/Rogge aaO § 139 Rdn. 117) und Keukenschrijver (Busse aaO § 140b Rdn. 79) andeuten ± auch für Patentverletzungsfälle überdacht werden sollte, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn jedenfalls ist für den hier in Rede stehenden Bereich des Urheber- und des Wettbewerbsrechts eine entsprechende Begrenzung des Besichtigungsanspruchs nicht angezeigt. Wie bereits dargelegt, bezieht sich dieser Anspruch auf die Sache, hinsichtlich deren der mögliche Anspruch besteht. Dabei ist zunächst einmal ohne Bedeutung, ob diese Sache mit anderen Gegenständen verbunden ist und zur Besichtigung erst ausgebaut werden muû. Ebensowenig spielt es zunächst eine Rolle, ob es ± um über
eine mögliche Rechtsverletzung Gewiûheit zu erlangen ± angezeigt ist, die zu besichtigende Sache auseinanderzunehmen oder ± etwa durch Entnahme einer Probe ± näher zu untersuchen. Vielmehr sind die Befugnisse des Gläubigers oder des zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in der Weise zu begrenzen, daû durch einen derartigen Eingriff das Integritätsinteresse des Schuldners nicht unzumutbar beeinträchtigt werden darf: Die realistische Gefahr einer Beschädigung seiner Sache wird der Schuldner nicht ohne weiteres hinnehmen müssen. Andererseits wird eine solche ernsthafte Gefahr in vielen Fällen nicht bestehen. Auch ist zu berücksichtigen, daû der Gläubiger ± sollte die Sache beschädigt werden ± Ersatz leisten muû und daû Vorlage und Besichtigung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden können (§ 811 Abs. 2 BGB).
Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daû der in Rede stehende Quellcode durch Vorlage und Besichtigung in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden könnte.
4. Eine Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 GVG ist nicht geboten. Denn die in der Druckbalken-Entscheidung aufgestellten Grundsätze betreffen den Fall der Patentverletzung, während im Streitfall eine Urheberrechtsverletzung und ein möglicher Wettbewerbsverstoû in Rede stehen. Allerdings ist einzuräumen, daû die zwischen den Schutzrechten bestehenden Unterschiede keine unterschiedlichen Anforderungen an die Voraussetzungen des Besichtigungsanspruchs nahelegen. Der X. Zivilsenat hat jedoch auf Anfrage mitgeteilt , daû er auch im Hinblick auf eine mögliche Verallgemeinerung der hier aufgestellten Grundsätze eine Anrufung des Groûen Senats nicht für notwendig hält.
III. Die Abweisung der Klage mit dem Hilfsantrag kann danach keinen Bestand haben. Das angefochtene Urteil ist insoweit aufzuheben.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist. Denn dem Senat ist eine abschlieûende Entscheidung über den Hilfsantrag verwehrt. Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, kann die Klägerin nicht ohne weiteres beanspruchen, daû die fraglichen Programme oder Programmteile zu ihrer Kenntnis offengelegt werden. Vielmehr ist auf ein mögliches Geheimhaltungsinteresse der Beklagten Rücksicht zu nehmen, das im Zweifel dazu führen wird, daû die Offenlegung lediglich gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten sachkundigen Dritten erfolgt, der sodann darüber Auskunft geben kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die offengelegten Programmteile mit den entsprechenden Teilen des Programms der Klägerin übereinstimmen. Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hatte das Berufungsgericht bislang keine Veranlassung , diese Frage mit den Parteien zu erörtern. Dies wird nachzuholen sein.
Dabei wird es sich empfehlen, daû die Klägerin ihren Antrag in der Weise konkretisiert , daû sich bereits aus seinem Wortlaut ein bestimmter Inhalt ergibt. Die Beklagte wird im übrigen Gelegenheit haben, Näheres zu einem möglichen Geheimhaltungsinteresse darzulegen.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert
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Zwar besteht eine der Wirkungen der Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO in der Bindung des Gerichts an die Vorentscheidung, wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Prozess eine Vorfrage darstellt. Die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO setzt aber der Rechtskraft eines Urteils bewusst in der Weise enge Grenzen, dass diese sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt die Rechtsfolge beschränkt, die den Entscheidungssatz bildet, nicht aber auf einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die betroffene Entscheidung aufbaut (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059). Dementsprechend wird das Bestehen oder Nichtbestehen eines Unterlassungsanspruchs nicht dadurch präjudiziert, dass die Schadensersatzklage mangels Erweislichkeit der Verletzung rechtskräftig abgewiesen worden ist. Beide Ansprüche betreffen unterschiedliche Handlungen. Der Schadensersatzanspruch stützt sich auf die geschehene Verletzungshandlung, während es beim Unterlassungsanspruch um in der Zukunft liegende Verletzungs- handlungen geht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 - Faxkarte). Diese Überlegungen gelten entsprechend für das Verhältnis zwischen rechtskräftig zuerkanntem Unterlassungsanspruch und Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Mit dem Urteil über den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch wird eine Entscheidung über dessen Bestehen oder Nichtbestehen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung getroffen, auf die das Urteil ergeht. Die Entscheidung über den Verbotsantrag besagt aber nichts über die Begründetheit des Unterlassungsanspruchs im Zeitpunkt der - regelmäßig vor Rechtshängigkeit erfolgenden - Abmahnung. Die Rechtskraft des Unterlassungsurteils erstreckt sich daher nicht auf das Vorliegen des Unterlassungsanspruchs im Zeitpunkt der vorprozessualen Abmahnung.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

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1. Ein Antrag auf Zwischenfeststellung hat zur Voraussetzung, dass die Feststellung des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist, also ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht. Wird dagegen über die Hauptsache unabhängig von dem Bestand des streitigen Rechtsverhältnisses entschieden, ist mangels Vorgreiflichkeit für eine Zwischenfeststellung kein Raum (BGH, Urt. v. 17. Juni 1994 - V ZR 34/92, NJW-RR 1994, 1272 f.). So verhält es sich hier.

(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt.

(2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, findet die Revision nicht statt. Dasselbe gilt für Urteile über die vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren oder im Umlegungsverfahren.

(1) Als Gericht der Hauptsache im Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts ist das Gericht des ersten Rechtszuges und, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht anzusehen.

(2) Das Gericht der Hauptsache ist für die nach § 109 zu treffenden Anordnungen ausschließlich zuständig, wenn die Hauptsache anhängig ist oder anhängig gewesen ist.

Für die Anordnung des Arrestes ist sowohl das Gericht der Hauptsache als das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der mit Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich befindet.

(1) Auch nach der Bestätigung des Arrestes kann wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrundes oder auf Grund des Erbietens zur Sicherheitsleistung die Aufhebung des Arrestes beantragt werden.

(2) Die Entscheidung ist durch Endurteil zu erlassen; sie ergeht durch das Gericht, das den Arrest angeordnet hat, und wenn die Hauptsache anhängig ist, durch das Gericht der Hauptsache.

(1) Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig.

(2) Die Entscheidung kann in dringenden Fällen sowie dann, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(1) In dringenden Fällen kann das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Streitgegenstand befindet, eine einstweilige Verfügung erlassen unter Bestimmung einer Frist, innerhalb der die Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung bei dem Gericht der Hauptsache zu beantragen ist.

(2) Die einstweilige Verfügung, auf Grund deren eine Vormerkung oder ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs, des Schiffsregisters oder des Schiffsbauregisters eingetragen werden soll, kann von dem Amtsgericht erlassen werden, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist oder der Heimathafen oder der Heimatort des Schiffes oder der Bauort des Schiffsbauwerks sich befindet, auch wenn der Fall nicht für dringlich erachtet wird; liegt der Heimathafen des Schiffes nicht im Inland, so kann die einstweilige Verfügung vom Amtsgericht in Hamburg erlassen werden. Die Bestimmung der im Absatz 1 bezeichneten Frist hat nur auf Antrag des Gegners zu erfolgen.

(3) Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat das Amtsgericht auf Antrag die erlassene Verfügung aufzuheben.

(4) Die in diesem Paragraphen erwähnten Entscheidungen des Amtsgerichts ergehen durch Beschluss.

Für die Anordnung des Arrestes ist sowohl das Gericht der Hauptsache als das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der mit Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich befindet.

Die in diesem Buch angeordneten Gerichtsstände sind ausschließliche.

(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt.

(2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, findet die Revision nicht statt. Dasselbe gilt für Urteile über die vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren oder im Umlegungsverfahren.

(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.

(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt.

(2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, findet die Revision nicht statt. Dasselbe gilt für Urteile über die vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren oder im Umlegungsverfahren.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.