Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:100316U3STR437.15.0
bei uns veröffentlicht am10.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 437/15
vom
10. März 2016
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Das Merkmal der Erheblichkeit im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB setzt nicht voraus,
dass das Opfer den sexuellen Charakter der zu bewertenden Handlung erkennt
(Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteil vom 24. September 1980
- 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336).
2. Sexuelle Handlungen werden im Sinne von § 182 Abs. 2 StGB gegen Entgelt vorgenommen
, wenn Täter und Opfer spätestens während des sexuellen Kontakts
darüber einig sind, dass der Minderjährige durch die Entgeltvereinbarung zu seinem
Sexualverhalten wenigstens mitmotiviert wird. Über diese Verknüpfung hinaus
ist nicht erforderlich, dass er im Tatzeitpunkt den sexuellen Charakter der von
oder an ihm vorgenommenen Handlungen erfasst.
BGH, Urteil vom 10. März 2016 - 3 StR 437/15 - LG Osnabrück
ECLI:DE:BGH:2016:100316U3STR437.15.0

in der Strafsache gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. März 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Mayer, Gericke, Dr. Tiemann als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 10. Juni 2015 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in sechs Fällen, Körperverletzung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen sowie sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in vier Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen trat bei dem Angeklagten bereits im Kindesalter eine Vorliebe für die Durchführung körperlicher Untersuchungen auf. Die Vorstellung, im Rahmen einer pseudomedizinischen Untersuchung einen männlichen Jugendlichen insbesondere im Genitalbereich zu berühren, sexuelle Funktionen zu betrachten und einen Blasenkatheter in die Harnröhre oder eine Analsonde bzw. einen Finger in den Anus der anderen Person einzuführen, erregt ihn sexuell. Um solche Handlungen vornehmen und seine sexuellen Bedürfnisse befriedigen zu können, nahm der Angeklagte über das Internet Kontakt zu einer Vielzahl von männlichen jugendlichen Personen auf. Diesen bot er die Durchführung körperlicher Untersuchungen an. Hierbei gab er wahrheitswidrig vor, eine sportmedizinische Studie zu erstellen und selbst Rettungssanitäter zu sein. Um einen materiellen Anreiz zu schaffen, versprach der Angeklagte den Teilnehmern der Studie die Zahlung eines Entgelts. Dieses sollte zwischen 20 € und 100 € betragen und sich am Umfang der von dem Angeklagten durchgeführten Untersuchung ausrichten. Den Höchstbetrag wollte er zahlen, wenn der Teilnehmer zu allen Untersuchungen einschließlich der Abgabe einer Spermaprobe bereit war.
3
Zwischen dem 19. März 2013 und dem 13. April 2014 kam es vor diesem Hintergrund in elf Fällen zu "Untersuchungen" des Angeklagten an Jugendlichen im Alter zwischen vierzehn und siebzehn Jahren. Diese gingen aufgrund der von dem Angeklagten entworfenen Legende irrig davon aus, dass es sich bei ihm um einen entsprechend qualifizierten Rettungssanitäter handele, der die vorgegebene Studie durchführe. An den zum Teil vollständig entkleideten Personen nahm der Angeklagte diverse, jeweils medizinisch nicht indizierte Untersuchungshandlungen vor: Mit Einmalspritzen injizierte er Kochsalzlösungen in die Harnröhre und den Hodensack, legte Blasenkatheter, führte seinen Finger und eine Analsonde in den After ein, betastete die Hoden, vermaß den Penis und schob dessen Vorhaut zurück. Im Fall 10 der Urteilsgründe verursachte er mittels eines sog. TENS-Geräts schmerzhafte Stromstöße im Unterbauch des vierzehnjährigen M. ; sodann nahm er dessen Penis in die Hand und rieb mit seiner Hand daran, um eine Erektion zu bewirken.

4
2. Die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Schuldsprüche wegen (tateinheitlichen) sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 2 StGB. Hierzu gilt:
5
a) Bei den von dem Angeklagten an den Jugendlichen mit Körperkontakt vorgenommenen Handlungen handelte es sich um sexuelle im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB).
6
aa) Der danach erforderliche sexuelle Bezug liegt nach ständiger Rechtsprechung zunächst bei Handlungen vor, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 14. März 2012 - 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12; vom 22. Oktober 2014 - 5 StR 380/14, BGHR StGB § 184g Nr. 1 Sexuelle Handlung 1). Daneben können auch sog. ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein; insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt (BGH, Beschluss vom 23. August 1991 - 3 StR 292/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5; Urteil vom 6. Februar 2002 - 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432; Beschluss vom 5. Oktober 2004 - 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister). Hierbei ist auch einzustellen, ob der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Urteil vom 22. Mai 1996 - 5 StR 153/96, juris Rn. 8; Beschluss vom 5. Oktober 2004 - 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister; Urteil vom 20. Dezember 2007 - 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339, 340; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 3; S/S-Eisele, StGB, 29. Aufl., § 184g Rn. 9 mwN zur Gegenansicht).
7
Nach diesen Maßstäben wies die im Fall 10 der Urteilsgründe von dem Angeklagten begonnene Stimulation des Penis von M. schon dem äußeren Erscheinungsbild nach sexuellen Charakter auf. Ob auch die übrigen, sämtlich medizinisch nicht indizierten Tätigkeiten des Angeklagten bereits objektiv ihre Sexualbezogenheit erkennen ließen (vgl. zum Legen eines Blasen- und Analkatheters BGH, Urteil vom 14. März 2012 - 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10), bedarf keiner Entscheidung. Deren Sexualbezug ergibt sich jedenfalls aus der den Angeklagten leitenden Motivation, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen.
8
bb) Die Handlungen überschritten auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB). Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 - 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW- StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.). Unerheblich ist hingegen, ob das Opfer den sexuellen Charakter der Handlung erkennt. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Fälle entschieden, in denen an Kindern vorgenommene sexualbezogene Tätigkeiten zu bewerten waren (BGH, Urteil vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338 f.; Urteil vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325). Es besteht kein Grund, diese Rechtsprechung, der die herrschende Literatur im Anwendungsbereich des § 184g Nr. 1 StGB aF zugestimmt und bereits teilweise ohne weitere Differenzierung nach dem Alter des Opfers verallgemeinert hat (BeckOK StGB/Ziegler, § 184h Rn. 4; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 184g Rn. 4; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 8; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 28, 30, allerdings auch Rn. 4 zu ambivalenten Handlungen; NK-StGB-Frommel, 4. Aufl., § 184g Rn. 3; S/SEisele , StGB, 29. Aufl., § 184g Rn. 18), auf kindliche Opfer zu beschränken. Schon nach der Fassung des § 184g Nr. 1 StGB aF bzw. § 184h Nr. 1 StGB nF knüpft die Erheblichkeit lediglich objektiv an die sexuelle Handlung an, nicht aber auch an subjektive Vorstellungen des Opfers. Die rein objektive Bestimmung des Merkmals steht zudem im Einklang mit der Rechtsprechung zu den ambivalenten Tätigkeiten, bei deren Bewertung als sexuell es ebenfalls nicht auf die Opfersicht ankommt.
9
Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von dem Angeklagten an den Jugendlichen vorgenommenen Handlungen erheblich im vorstehenden Sinne. Sie bestanden nicht nur in flüchtigen oder "zufälligen" Berührungen bekleideter Körperregionen. Vielmehr handelte es sich um intensive Manipulationen an den entblößten Geschlechtsorganen, die zudem in den Fällen 1 bis 4, 7 bis 9 und 11 der Urteilsgründe mit einem Eindringen in den Körper verbunden waren.
10
b) Der Angeklagte nahm seine sexuellen Handlungen auch gegen Entgelt (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB) vor.
11
aa) Wesentlich dafür ist das Bestehen eines Gegenseitigkeitsverhältnisses zwischen der sexuellen Handlung und der in einem Vermögensvorteil bestehenden Gegenleistung. Ausreichend ist, dass sich Täter und Opfer vor oder spätestens während des sexuellen Kontakts hierüber einig sind und der Minderjährige durch die Entgeltvereinbarung zu seinem Sexualverhalten wenigstens mitmotiviert wird (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2004 - 4 StR 5/04, NStZ 2004, 683; Urteil vom 12. Oktober 2005 - 5 StR 315/05, NStZ 2006, 444; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 182 Rn. 32, 36; SSWStGB /Wolters, 2. Aufl., § 182 Rn. 14). Über diese konkrete Verknüpfung zwischen sexueller Handlung und Entgelt hinaus ist nicht erforderlich, dass der Minderjährige im Tatzeitpunkt den sexuellen Charakter der von oder an ihm vorgenommenen Handlungen erfasst (so - allerdings anknüpfend an das Merkmal der Erheblichkeit im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB aF bzw. § 184f Nr. 1 StGB - LK/Laufhütte/Roggenbuck, StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 23; ähnlich S/S-Lenckner/Perron/Eisele, StGB, 27. Aufl., § 184f Rn. 18). Der Wortlaut der Norm verlangt eine derartige Einschränkung, die dem Erfordernis eines subjektiven Tatbestandes auf Opferseite gleichkommt, nicht. Auch Schutzzwecküberlegungen sprechen dagegen: Ratio legis der Einführung des heutigen § 182 Abs. 2 StGB war, dass der Gesetzgeber den Gefahren vorbeugen wollte, die das Erleben von Sexualität als "käufliche Ware" für die sexuelle Entwicklung des Minderjährigen birgt; darüber hinaus sollte dem Abgleiten in eine häufig mit Begleitkriminalität verbundene "Szene", nämlich der Prostitution (vgl. BT-Drucks. 16/3439, S. 8), begegnet und die Vorschrift des § 180 Abs. 2 StGB ergänzt werden (BT-Drucks. 12/4584, S. 8). Diese Gefahrenlagen bestehen unabhängig davon, ob das Opfer die sexuelle Natur der vorgenommenen Handlung im Einzelfall erkennt (so auch LK/Laufhütte/Roggenbuck [aaO] zur Vorschrift des § 180 Abs. 2 StGB, die ebenfalls dem Abgleiten des Minderjährigen in die Prostitution begegnen will); denn es lässt sich nicht vorhersehen, ob sowie gegebenenfalls wann der Erkenntnisprozess bei dem Minderjährigen stattfindet, wie er seine Erfahrung verarbeitet und sich zunächst nicht genau eingeordnete Vorfälle zu einem späteren Zeitpunkt auf seine sexuelle oder soziale Entwicklung auswirken (vgl. auch MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 28). Deshalb kommt es auch nicht darauf an, aus welchem Grunde er den wahren Gehalt der sexuellen Handlung verkennt. Ungeachtet dessen wird die im Angebot einer Gegenleistung liegende Manipulation des Selbstbestimmungsrechts (vgl. BT-Drucks. 12/4584, S. 8) auch nicht dadurch relativiert, dass der Täter noch weitergehend - etwa wie hier durch erfolgreiche Täuschung über seine wahren Absichten (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 14. März 2012 - 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10) - auf das Vorstellungsbild des Opfers einwirkt. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs würde zum einen den listig agierenden Täter privilegieren; zum anderen wäre sie geeignet, den Anwendungsbereich der Norm hinsichtlich - insbesondere aufgrund ihres Alters - leichtgläubiger und damit gerade besonders schutzwürdiger Opfer in zweckwidriger Weise einzuschränken.
12
bb) Das nach vorstehenden Maßstäben erforderliche Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den (getarnten) sexuellen Handlungen des Angeklagten und dem Verhalten der zumindest auch von finanziellen Motiven geleiteten Jugendlichen lag vor; denn die Höhe der von dem Angeklagten in Aussicht gestellten Zahlungen hing unmittelbar von der Bereitschaft der Geschädigten ab, die gegenständlichen sexuell motivierten "Untersuchungshandlungen" an sich zu dulden.
Becker Schäfer Mayer Gericke Tiemann

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

Artikel schreiben

1 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15.

1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15.

Strafrecht: Zur Verknüpfung zwischen sexueller Handlung und Entgelt

21.06.2016

Sexuelle Handlungen werden gegen Entgelt vorgenommen, wenn sich Täter und Opfer spätestens während des sexuellen Kontakts darüber einig sind, dass die Entgeltvereinbarung zum Sexualverhalten mitmotiviert.
Sexualstraftaten

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15 zitiert 9 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 11 Personen- und Sachbegriffe


(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. Angehöriger: wer zu den folgenden Personen gehört: a) Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister

Strafgesetzbuch - StGB | § 182 Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage 1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorz

Strafgesetzbuch - StGB | § 184c Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Inhalte


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. einen jugendpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; jugendpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn e

Strafgesetzbuch - StGB | § 184g Jugendgefährdende Prostitution


Wer der Prostitution 1. in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder2. in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,in einer Weise nachgeht, die diese Persone

Strafgesetzbuch - StGB | § 184h Begriffsbestimmungen


Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,2. sexuelle Handlungen vor einer anderen Person nur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen

Strafgesetzbuch - StGB | § 180 Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger


(1) Wer sexuellen Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an oder vor einem Dritten oder sexuellen Handlungen eines Dritten an einer Person unter sechzehn Jahren 1. durch seine Vermittlung oder2. durch Gewähren oder Verschaffen von GelegenheitV

Strafgesetzbuch - StGB | § 184f Ausübung der verbotenen Prostitution


Wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, beharrlich zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhund

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15 zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juli 2004 - 4 StR 5/04

bei uns veröffentlicht am 01.07.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 5/04 vom 1. Juli 2004 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers a

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2007 - 4 StR 459/07

bei uns veröffentlicht am 20.12.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 459/07 vom 20. Dezember 2007 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2002 - 1 StR 506/01

bei uns veröffentlicht am 06.02.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 506/01 vom 6. Februar 2002 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Februar 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzen

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Okt. 2005 - 5 StR 315/05

bei uns veröffentlicht am 12.10.2005

5 StR 315/05 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 12. Oktober 2005 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Oktober 2005, an der

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - 5 StR 417/11

bei uns veröffentlicht am 01.12.2011

5 StR 417/11 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 1. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember 2011, an der teilgenommen haben: Rich

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2004 - 3 StR 256/04

bei uns veröffentlicht am 05.10.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 256/04 vom 5. Oktober 2004 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Oktober

Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2012 - 2 StR 561/11

bei uns veröffentlicht am 14.03.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 561/11 vom 14. März 2012 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März 2012, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2014 - 5 StR 380/14

bei uns veröffentlicht am 22.10.2014

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StGB §§ 21, 63, 211 Abs. 2 1. Niedrige Beweggründe bei außergewöhnlich brutalem, eklatant menschenverachtendem Tatbild. 2. Prüfung verminderter Steuerungsfähigkeit und Unterbringung im psyc
9 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 437/15.

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Aug. 2018 - 5 StR 147/18

bei uns veröffentlicht am 29.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 147/18 vom 29. August 2018 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:290818U5STR147.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzun

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2017 - 2 StR 452/16

bei uns veröffentlicht am 06.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 452/16 vom 6. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060617B2STR452.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Bes

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2018 - 4 StR 570/17

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 570/17 vom 13. März 2018 BGHSt: ja (zu B.) BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 184i Abs. 1 Zu den Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung i.S.d.

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 889/16.NW

bei uns veröffentlicht am 18.09.2017

Tenor Die Ziffer 1 der polizeilichen Verfügung vom 3. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2016 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstre

Referenzen

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

Wer der Prostitution

1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder
2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 561/11
vom
14. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Neben der Verletzung formellen Rechts beanstandet die Beschwerdeführerin mit der Sachrüge insbesondere die konkurrenzrechtliche Bewertung des Tatgeschehens durch das Landgericht und erstrebt eine Verurteilung auch wegen eines Verbrechens des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen hielt sich der u.a. wegen Vergewaltigung und Mordes vorbestrafte Angeklagte ab dem Frühjahr 2005 in den USA auf, wo er nach eigener Darstellung eine Model-Agentur betrieb. In der Folgezeit bot er einer früheren Nachbarin, der in Berlin lebenden Zeugin S. K. , an, in den USA eine Au-Pair-Stelle für deren Tochter, die am 5. Februar 1988 geborene Geschädigte E. K. , zu organisieren. S. K. ging auf diesen Vorschlag des mit ihr befreundeten Angeklagten ein, da sie sich für ihre Tochter im Anschluss an den für ein Jahr vorgesehenen Auslandsaufenthalt eine bessere berufliche Perspektive erhoffte. Nachdem der Angeklagte gegenüber der allein sorgeberechtigten S. K. bekundet hatte, er habe sich nunmehr um alles Erforderliche gekümmert und insbesondere eine Familie in Florida gefunden, bei der E. K. arbeiten könne, erklärte die Mutter ihr Einverständnis zu der Reise und gab ihre Tochter in die Obhut des Angeklagten.
3
1. Am 2. November 2005 reiste die damals 17 Jahre alte Geschädigte, die zuvor noch nie längere Zeit von ihrer Mutter getrennt gewesen und kaum der englischen Sprache mächtig war, allein in die USA zu dem Angeklagten. Dieser verbrachte die Geschädigte nach Fort Myers, wo sich beide für ca. zwei Wochen aufhielten. Spätestens dort eröffnete ihr der Angeklagte, dass sie die in Aussicht gestellte Au-Pair-Stelle nicht antreten, wohl aber bei einer von ihm - angeblich - betriebenen Model-Agentur eine Karriere starten könne. Die leichtgläubige und unerfahrene Geschädigte fühlte sich hierdurch geschmeichelt und stimmte zu. In der Folgezeit unterzeichnete sie ein in englischer Sprache gehaltenes und vom Angeklagten als Modelvertrag bezeichnetes Schriftstück, dessen Inhalt sie aufgrund fehlender Sprachkenntnisse jedoch nicht verstand. Anschließend erklärte der Angeklagte, dass sie für die angestrebte Modelkarriere an den Oberschenkeln abnehmen müsse. Hierzu sei es erforderlich, regelmäßig "Entwässerungstabletten" einzunehmen und einen Blasenkatheter zu legen. Die Geschädigte schenkte auch dieser Erklärung Glauben und bekundete deshalb ihr Einverständnis, sich von dem - entgegen seinen Behauptungen - medizinisch nicht aus- und vorgebildeten Angeklagten einen Dauerkatheter legen zu lassen. Nachdem der Angeklagte einen - ersten - Katheter gelegt hatte, fertigte er von der Geschädigten zwei Ganzkörpernacktaufnahmen, was er mit dem Erfordernis begründete, den Abnehmerfolg im Sinne eines "Vorher-NachherVergleichs" überprüfen zu müssen.
4
2. In der zweiten Novemberhälfte reiste der Angeklagte mit der Geschädigten nach Kanada, wo er diese Ende November oder Anfang Dezember 2005 aufforderte, sich den in ihre Harnröhre eingebrachten Katheter, den er zwischenzeitlich bereits einmal gewechselt hatte, entfernen und einen neuen - dritten - Dauerkatheter legen zu lassen. Die Geschädigte verweigerte dies zunächst , da sie mittlerweile unter erheblichen Schmerzen im Unterbauchbereich litt. Hierauf äußerte der Angeklagte, dass eine solche Weigerung einen Bruch des zuvor geschlossenen Modelvertrages bedeuten würde und sie deshalb eine Vertragsstrafe an ihn zu zahlen habe. Um sie weiter in seiner Abhängigkeit zu halten, gab er gegenüber der völlig mittellosen Geschädigten ferner wahrheitswidrig an, für sie finanzielle Forderungen eines Erpressers erfüllt zu haben, der mit der Veröffentlichung der von ihr gefertigten Nacktaufnahmen gedroht habe. Die zu diesem Zeitpunkt bereits verängstigte Geschädigte schenkte diesen Behauptungen Glauben und gestattete es, dass der Angeklagte den einliegenden Katheter entfernte und einen neuen, größeren Dauerkatheter in ihre Harnröhre einbrachte. Das Einlegen und Tragen der Katheter verursachte bei der Geschädigten u.a. eine schmerzhafte Harnblasenentzündung, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hatte.
5
3. Ferner verlangte der Angeklagte von der Geschädigten, für sogenannte "Fetisch-Nacktbilder" zu posieren. Dieses begründete er gegenüber der Geschädigten damit, dass er die Aufnahmen benötige, um geschlossene Verträge abzusichern bzw. um Schulden zu begleichen. Wiederum sah die Geschädigte aufgrund ihrer Unsicherheit und Leichtgläubigkeit keinen anderen Weg, als sich dem Ansinnen des Angeklagten zu beugen. Auf entsprechende Anweisung zog die Geschädigte ihren Slip aus und posierte auf einem Bett sitzend, wobei sie weisungsgemäß ihren Genitalbereich zur Schau stellte. Der Angeklagte fertigte sechs oder sieben Aufnahmen, die in der Folgezeit zumindest vorübergehend im Internet eingestellt und mit einem Eintrag versehen waren, aus dem Adresse und Telefonnummer der Geschädigten und der sinngemäße Zusatz „Ich bin für alles zu haben, mit mir kann man alles machen" hervorgingen. Den zugehörigen Link teilte der Angeklagte in der Folge auch der Mutter derGeschädigten mit.
6
4. Ende November/Anfang Dezember 2005 bat die Geschädigte den Angeklagten wegen ihrer anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen, den gelegten Blasenkatheter wieder zu entfernen. Der Angeklagte redete der erheblich verängstigten Geschädigten ein, dieser könne nur entfernt werden, wenn er zuvor einen Katheter in den After einführe und Analspülungen vornehme. Unter dem Eindruck der fortdauernden Schmerzwirkung des in der Blase einliegenden Katheters erklärte sich die Geschädigte mit dieser Prozedur einverstanden. Der Angeklagte führte darauf einen Katheter auch in den After der Geschädigten ein und nahm Spülungen mit "Beruhigungsöl" und Weißwein vor. Die Geschädigte verharrte weisungsgemäß und unter Schmerzen 45 Minuten lang mit dem Katheter im After, bevor der Angeklagte diesen wieder entfernte. Den Blasenkatheter beließ der Angeklagte gleichwohl weiter im Körper der Geschädigten, was er mit der unwahren Behauptung begründete, dieser sei verwachsen und lasse sich nicht entfernen.
7
In einem unbeobachteten Moment gelang der Geschädigten die Flucht zu einer kanadischen Familie, durch deren Vermittlung sie am 5. Dezember 2005 nach Deutschland zurückkehren konnte.

II.

8
Das Landgericht hat das Legen der Katheter als eine Tat der gefährlichen Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 225 Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet. Ein von der Geschädigten jedenfalls anfänglich erklärtes Einverständnis mit dem Anbringen der Katheter sei unwirksam, da dieses durch Täuschung im Hinblick auf die suggerierte Modelkarriere erwirkt und spätestens beim dritten Blasenkatheter wegen der anhaltenden Schmerzen widerrufen worden sei. Daneben liege in der Drohung mit hohen Geldforderungen eine Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB, weil die Geschädigte hierdurch zu ihr unangenehmen bzw. ungewollten Handlungen bewegt oder von Abwehrhandlungen gegen solche Handlungen abgehalten worden sei. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, namentlich eine sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB, seien hingegen nicht nachweisbar, weil ein sexueller Hintergrund für das Handeln des Angeklagten nicht feststellbar sei. Das Gesamtgeschehen sei als eine einzige materiell-rechtliche Tat zu werten, weil "die mit der Katheterlegung verwirklichte gefährliche Körperverletzung als Dauerdelikt die übrigen Delikte klammer(e)".

III.

9
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft dringt bereits mit der Sachbeschwerde durch; auf die daneben erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.
10
1. Das Urteil unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der abgeurteilten Taten unrichtig bestimmt hat.
11
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kommt der mit dem Legen der Katheter verwirklichten gefährlichen Körperverletzung eine Klammerwirkung nicht zu. Zwischen Dauerdelikten und anderen Straftaten, die während des Dauerzustands begangen werden, kann zwar Tateinheit bestehen, wenn sich die Ausführungshandlungen wenigstens in einem für die jeweilige Tatbestandserfüllung notwendigen Teil decken, also die zur Verwirklichung des einen Tatbestands beitragende Handlung zugleich der Begründung oder Aufrechterhaltung des durch das Dauerdelikt geschaffenen rechtswidrigen Zustandes dient (BGHSt 18, 29, 31; 29, 184, 186; 31, 29, 30; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rn. 23; v. Heintschel-Heinegg in MünchKomm-StGB 2. Aufl. § 52 Rn. 91 ff. jew. mwN). Indes handelt es sich bei den Körperverletzungsdelikten der §§ 223 ff. StGB nicht um Dauer-, sondern um sog. Zustandsdelikte, bei denen es nicht auf die Aufrechterhaltung eines widerrechtlichen Zustandes ankommt. Deren Begehung ist vielmehr bereits mit der Herbeiführung des vom jeweiligen Tatbestand umschriebenen Zustandes beendet (vgl. BGH NJW 1983, 1745, 1746; Fischer StGB 59. Aufl. Vor § 52 Rn. 58; v. Heintschel-Heinegg aaO § 52 Rn. 28). Auch durch ein Fortwirken ihres tatbestandlichen Erfolges, etwa anhaltende Schmerzen, wird die Körperverletzung nicht zu einem Dauerdelikt (Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. Vorbem. § 52 ff. Rn. 82 a.E.).
12
b) Die festgestellten Handlungen des Angeklagten können auch nicht deshalb als eine Tat bewertet werden, weil "von einem einheitlichen Vorsatz des Angeklagten bezüglich der gefährlichen Körperverletzung auszugehen (war), da der Angeklagte der Geschädigten einen Dauerkatheter legen wollte und diesen 'lediglich' erneuerte" (vgl. UA S. 23). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass nach den getroffenen Feststellungen bereits offen bleibt, ob ein solcher Gesamtvorsatz auch das Legen des Analkatheters und das Anfertigen der "Fetisch-Nacktbilder" umfasste. Die Annahme von Tateinheit würde jedenfalls aber ein Zusammentreffen mehrerer objektiver Tatbestandsverwirklichungen in einem einheitlichen Handlungsablauf voraussetzen. Ein Zusammentreffen nur im subjektiven Bereich genügt demgegenüber nicht (BGHSt 43, 149, 151; Fischer aaO Vor § 52 Rn. 24; Eschelbach in S/S/W-StGB § 52 Rn. 52). An einem solchen Zusammentreffen objektiver Tatbestandsverwirklichungen fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob - wofür einiges spricht - nicht schon das Legen des ersten und zweiten Blasenkatheters jeweils eine von der erschlichenen Einwilligung der Geschädigten nicht gedeckte körperliche Misshandlung beinhaltete (vgl. BGHSt 16, 309, 310; BGH NStZ 2004, 442). Nach den getroffenen Feststellungen lagen jedenfalls dem schmerzhaften Legen des dritten Blasenkatheters, der Anfertigung der sog. "Fetisch-Nacktbilder" sowie dem ebenfalls mit Schmerzen verbundenen Legen des Analkatheters jeweils separate Tathandlungen zugrunde, wovon im Übrigen auch die Anklage ausgeht. Dass der Angeklagte die Vornahme dieser Handlungen teilweise durch Nötigungsmittel ermöglicht hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn der Angeklagte nutzte hierbei nicht lediglich die Wirkungen einer früheren, bereits vor der ersten Tathandlung geäußerten Drohung aus, sondern erneuerte diese auf der Grundlage eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses. Während dem Einlegen des Blasenkatheters die Behauptung einer angeblich anfallenden Vertragsstrafe und zu erstattender Auslagen vorausging, sollten die "Fetisch- Nacktbilder" dazu dienen, angebliche Verträge abzusichern und Schulden zu begleichen. Das Legen des Analkatheters wiederum duldete die Geschädigte lediglich vor dem Hintergrund ihrer anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen und der Behauptung des Angeklagten, diese Prozedur sei zur Entfernung des einliegenden Blasenkatheters unerlässlich.
13
c) Das festgestellte Gesamtgeschehen wird auch nicht im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit zu einer einheitlichen Tat verbunden. Der Begriff der natürlichen Handlungseinheit setzt voraus, dass der Handelnde den auf die Erzielung eines Erfolges in der Außenwelt gerichteten einheitlichen Willen durch eine Mehrheit gleichgearteter Akte betätigt und diese einzelnen Betätigungsakte aufgrund ihres räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs objektiv erkennbar derart zusammengehören, dass sie nach der Auffassung des Lebens eine Handlung bilden (st. Rspr. vgl. BGHSt 41, 368; 43, 312, 315; BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 4, 6, 12 sowie Fischer aaO Vor § 52 Rn. 3; Rissing-van Saan aaO Vor § 52 Rn. 10; v. HeintschelHeinegg aaO § 52 Rn. 55). Wie bereits ausgeführt fehlt es hierfür bereits an der Feststellung eines einheitlich gefassten Willens bezogen auf das Legen der Blasenkatheter einerseits und das Anfertigen der "Fetisch-Nacktaufnahmen" bzw. das Legen des Analkatheters andererseits. Zudem mangelt es auch an einem hinreichend engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang der im Abstand von mehreren Tagen an unterschiedlichen Orten vorgenommenen Tathandlungen. Aus diesen Gründen kommt auch bei Verwirklichung des § 225 StGB die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit zwischen dem Legen des dritten Blasenkatheters einerseits und dem Einbringen des Analkatheters andererseits nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 304, 306; Fischer aaO § 225 Rn. 8a).
14
d) Der demnach gebotenen eigenständigen Betrachtung und Bewertung der verschiedenen Handlungsakte war die Strafkammer auch nicht aufgrund einer wirksamen Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO enthoben. Dem liegt folgendes prozessuale Geschehen zu Grunde:
15
Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung am 22. März 2011 folgenden rechtlichen Hinweis erteilt: "1) Es kommt eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) - Setzen bzw. Nichtentfernen von Kathetern - in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) - "Vertragsstrafe" - und mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr. 3 StGB) in Betracht.
2) Es wird angeregt, das Verfahren gemäß Nr. 1 zu beschränken..."
16
Daraufhin beantragte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft , "das Verfahren entsprechend dem Hinweis zu Punkt 1 zu beschränken" , worauf die Kammer nach Beratung einen Beschluss mit dem Inhalt verkündete: "Entsprechend soll verfahren werden".
17
Selbst wenn - was aufgrund des insoweit unklaren Beschlussinhalts höchst zweifelhaft ist - die Strafkammer hierdurch eine Einstellung von materiell rechtlich selbständigen Taten nach § 154 Abs. 2 StPO beabsichtigt haben sollte, liefe eine solche Beschränkung ins Leere. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass eine Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO schon aufgrund der fehlenden Konkretisierung der eingestellten Tatvorwürfe unwirksam wäre (vgl. Beulke in LR StPO 26. Aufl. § 154 Rn. 43; Weßlau in SK-StPO 4. Aufl. § 154 Rn. 33), weil völlig offen bliebe, welche der von der Anklage bezeichneten Taten das Landgericht bei seiner Einstellungsentscheidung im Blick gehabt hätte. Soweit das Landgericht eine Beschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO vornehmen wollte, wogegen bereits spricht, dass es sich in den Urteilsgründen mit möglicherweise tateinheitlich verwirklichten Tatbeständen des 13. Abschnitts des StGB inhaltlich auseinandergesetzt hat, wäre eine solche aufgrund der unklaren Formulierung und inhaltlichen Unbestimmtheit ebenfalls unwirksam (vgl. BGH NStZ 2002, 489 sowie Beschluss vom 7. Februar 2001 - 3 StR 579/00; Beulke aaO § 154a Rn. 8; Plöd in KMR 46. EL April 2007 § 154a Rn. 13).
18
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen daneben die Erwägungen , mit denen das Landgericht das Vorliegen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verneint hat.
19
a) Das Landgericht hat bei der Prüfung der Sexualbezogenheit der vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen einen falschen rechtlichen Maßstab zu Grunde gelegt. Es hat gemeint, sexuelle Handlungen bzw. ein sexueller Hintergrund seien nicht nachweisbar, weil der Angeklagte "vehement bestritten" habe, dass das Legen der Katheter sexuell intendiert war oder ihn erregt habe, und die Hauptverhandlung gegenteilige Indizien und Beweise nicht erbracht habe.
20
Jedoch kommt es bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, eindeutig sexualbezogenen Handlungen auf die Motivation des Täters nicht an. Gleichgültig ist deshalb, ob er die Handlung etwa aus Wut, Sadismus, Scherz oder Aberglaube vornimmt. Auch eine sexuelle Absicht des Täters ist bei solchen Handlungen - im Unterschied zu äußerlich ambivalenten Handlungen - nicht erforderlich. Insoweit reicht es aus, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 6; BGH NStZ-RR 2008, 339, 340; Laufhütte/Roggenbuck in LK 12. Aufl. § 184g Rn. 8).
21
Dies zugrunde gelegt drängt sich aufgrund der festgestellten Gesamtumstände jedenfalls für das Anfertigen der sog. "Fetisch-Nacktbilder" die Annahme einer eindeutig sexualbezogenen Handlung auf, was jedenfalls den Tatbestand eines besonders schweren Falls der Nötigung im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt. Dass der Angeklagte die Sexualbezogenheit seines Handelns auch erkannt hat, kann hier schon im Hinblick auf das spätere Einstellen der Bilder in das Internet nicht zweifelhaft sein.
22
b) Ob - was nahe liegt - auch dem Legen der Blasen- und des Analkatheters nach den Gesamtumständen bereits objektiv ein eindeutiger Sexualbezug beizumessen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn man insoweit lediglich von sexuell ambivalenten Handlungen ausgehen und deshalb eine sexuelle Absicht des Täters verlangen würde (BGH NStZ-RR 2008, 339, 340; vgl. auch Fischer aaO § 184g Rn. 4a; Hörnle in MünchKomm-StGB 2. Aufl. § 184g Rn. 4; Perron/Eisele in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 184g Rn. 9 jew. mwN auch zur Gegenansicht), trägt die Begründung des Landgerichts nicht. So sind die Ausführungen zur Motivlage des Angeklagten lückenhaft und lassen wesentliche, für eine sexuelle Tatmotivation sprechende Gesichtspunkte unerörtert. Insbesondere hat sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt , welchem anderen Zweck als der sexuellen Bedürfnisbefriedigung das - medizinisch augenscheinlich sinnlose - Legen der Katheter hätte dienen sollen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte bereits unmittelbar nach dem Legen des ersten Blasenkatheters zwei Ganzkörpernacktaufnahmen von der Geschädigten angefertigt und die später von der Geschädigten angefertigten "Fetisch-Nacktaufnahmen" ins Internet eingestellt und mit dem eindeutig sexualbezogenen Zusatz: "Ich bin für alles zu haben, mit mir kann man alles machen" versehen hat. Für eine sexuelle Absicht bereits bei der Tatbegehung sprechen zudem die Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten, mit denen sich das Landgericht nicht erkennbar auseinander gesetzt hat. Der Angeklagte hat wiederholt aus sexueller Intention schlauchähnliche Gegenstände verwendet bzw. sich verschafft. So hatte der Angeklagte bei zwei früher begangenen Vergewaltigungen einem Tatopfer einen PlastikKühlschlauch in die Scheide eingeführt und nach den hier angeklagten Taten bei einem "Klinik-Sex-Shop" u.a. mehrere Ballonkatheter bestellt und erhalten.
23
c) Das Landgericht hat sich hierdurch den Blick darauf verstellt, dass die Analspülung unter der Drohung, ansonsten den schmerzhaften Blasenkatheter nicht zu entfernen, geeignet sein kann, den Tatbestand des § 177 StGB zu erfüllen. Unerörtert gelassen hat das Landgericht zudem den sich im Hinblick auf das Legen der Blasen- bzw. des Analkatheters ebenfalls aufdrängenden Tatbestand des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
24
3. Die Sache bedarf somit insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zu prüfen und zudem zu beachten haben, dass für durch Zahlung erledigte, ursprünglich gesamtstrafenfähige Geldstrafen kein Härteausgleich zu gewähren ist (vgl. BGH NStZ 1990, 436; Fischer aaO § 55 Rn. 21a).
Ernemann Fischer Appl Schmitt Ott
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Niedrige Beweggründe bei außergewöhnlich brutalem, eklatant
menschenverachtendem Tatbild.
2. Prüfung verminderter Steuerungsfähigkeit und Unterbringung
im psychiatrischen Krankenhaus in Fällen dieser Art.
BGH, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 5 StR 380/14
LG Bremen –
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR380/14
vom
22. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Oktober
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt U.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin H.
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 7. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch haben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen Bestand.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft dringt durch. Hingegen bleibt die Revision des Angeklagten erfolglos.
2
1. Das Landgericht ist zu folgenden Feststellungen und Wertungen gekommen :
3
a) Der zur Tatzeit 46 Jahre alte, bislang nicht bestrafte Angeklagte ist ausgebildeter Fleischer und war einige Jahre als Schlachter tätig. Am späten Abend des 1. Februar 2013 besuchte er beträchtlich alkoholisiert die ein Stockwerk über ihm wohnende 66 Jahre alte L. . Sie tranken im Wohnzimmer Alkohol und rauchten. Im weiteren Verlauf geriet der Angeklagte aus ungeklärten Gründen in hochgradige Wut. Er versetzte Frau L. mindestens drei heftige Schläge oder Tritte gegen Kopf und Hals, die unter anderem einen mehrfachen Gesichtsschädelbruch sowie eine multiple Fraktur von Kehlkopf und Zungenbein verursachten. Außerdem vollführte er zehn weitere kräftige Gewalteinwirkungen auf Brust, Bauch, Arme und Beine. Der in Rückenlage auf dem Sofa liegenden und zu dieser Zeit aufgrund der erlittenen Kopfverletzungen bewusstlosen Frau zog er die Kleidung bis zur Kniekehle herunter. Dann drang er mit seiner Hand und großen Teilen seines Unterarms mindestens dreimal in ihren Anus ein. Dabei durchstieß er unter erheblicher Gewalteinwirkung den Darm und riss aus dem so eröffneten Bauchraum in drei Teilen nahezu den gesamten Dünndarm sowie 25 cm Dickdarm heraus. Neben vielfachen Durchreißungen des Darms wurden auch der Magen zerrissen und die Milz eingerissen. Der Angeklagte nahm das mit 130 cm längste Teil des Dünndarms und legte es Frau L. um den Hals, indem er die Mitte des Stücks vor ihren Hals legte, den Rest hinter ihrem Kopf kreuzte und die Enden auf ihrer Brust ablegte. Mit seinen blutverschmierten Händen fasste er ihr auch auf den unbekleideten Oberkörper und hinterließ erhebliche Blutantragungen.
4
Außerdem drang er mindestens einmal mit mehreren Fingern, der Hand oder einem Gegenstand in die Vagina der Geschädigten ein. Dadurch erlitt sie eine Einreißung im Bereich des Damms, mehrere Schleimhauteinreißungen der Scheide, Schürfungen der Scheidenhaut sowie in der Tiefe der Scheide einen Einriss im Bereich des Scheidengewölbes.
5
Nach der Tat ließ der Angeklagte die tödlich verletzte Frau auf dem Sofa zurück, säuberte sich im Badezimmer und ging aus der Wohnung. Kurz nach 22.00 Uhr teilte er der Feuerwehr mit, dass bei Frau L. etwas nicht stimmen könne, weil sie nicht wie sonst aus dem Fenster gesehen habe. Die Rettungskräfte trafen sie bei – freilich deutlich eingetrübtem – Bewusstsein an. Sie wurde narkotisiert ins Krankenhaus gebracht. Eine sofort eingeleitete Notoperation wurde wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen. Frau L. verstarb am 2. Februar 2013 um 0.50 Uhr an ihren schweren inneren Verletzungen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
6
b) Die Schwurgerichtskammer ist von einem lediglich bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten ausgegangen. Vom Vorliegen von Mordmerkma- len hat sie sich nicht zu überzeugen vermocht. „Ernsthaft in Betracht“ kämen nur das Handeln zur Befriedigung des Geschlechtstriebs sowie Grausamkeit (UA S. 85). Jedoch sei nicht hinreichend sicher feststellbar, dass die Tat von sexueller Motivation getragen gewesen sei. Gleichfalls nicht erwiesen sei, dass das bewusstlose bzw. bewusstseinsgetrübte Opfer das ihm zugefügte Leid selbst empfunden habe. Die Strafe hat das Landgericht dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Sachverständig beraten hat es eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten wegen Alkoholintoxikation zur Tatzeit nicht ausschließen können. Hingegen habe eine bei ihm diagnostizierte organische Persönlichkeitsstörung nicht den Grad der schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht.
7
2. Der Schuldspruch wegen Totschlags kann keinen Bestand haben.
8
a) Zu dem durch die Schwurgerichtskammer nur beiläufig erwähnten Mordmerkmal des sonst niedrigen Beweggrundes hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt: „Die Auseinandersetzung des Schwurgerichts mit möglichen Tatmotiven des Angeklagten ist rechtlich unzulänglich, weil es sich im Zuge der beweiswürdigenden Analyse des Tatgeschehens nicht der Frage zugewendet hat, ob in dem äußerst brutalen Vorgehen des psychisch (angeblich) weitgehend unauffälligen Angeklagten ein den personalen Eigenwert des Opfers negierender Vernichtungswille zum Ausdruck kommt, der nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und daher der Motivgeneralklausel des § 211 Abs. 2 StGB unterfällt (siehe dazu BGH, Urteil vom 5. November 2002 – 1 StR 247/02, NStZ-RR 2003, 78, 79). … Neben ungehemmter Eigensucht und krasser Rücksichtslo- sigkeit ist ein weiteres Leitprinzip die in der Tötung motivational zu Tage tretende Missachtung des personellen Eigenwerts des Opfers (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. August 1995 – 1 StR 393/95, NStZ-RR 1996, 98 f.; LK-Jähnke, StGB, 11. Aufl., § 211 Rn. 26-28; Müko-Schneider, § 211 Rn. 75). Eine solchermaßen antisoziale Einstellung kann darin erblickt werden, dass der Täter das Opfer in menschenverachtender Weise tötet (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 78, 79). Hierzu rechnen Sachverhalte, in denen der Täter das Opfer vor oder während der Tat in besonders herabsetzender Weise quält und damit eine gesellschaftlichen Grundwerten kategorial zuwider laufende Einstellung dergestalt manifestiert, dass der Adressat des Angriffs nicht einmal mehr ansatzweise als Person, sondern nur noch wie ein beliebiges Objekt, mit dem man nach hemmungslosem Gutdünken verfahren kann, behandelt wird (vgl. BGH, aaO).
Der vorliegende Fall weist dahingehende Sachverhaltskomponenten auf: Allein schon das Herausreißen verschiedener Darmteile bei lebendigem Leib durch dreimaliges tiefes Eindringen in den Anus des Opfers wirkt grauenhaft und weckt spontane Erinnerungen an das Ausweiden eines Tieres. Nimmt man zusätzlich das Legen eines Darmstücks um den Hals des Opfers in den Blick, so wird die menschenverachtende Dimension der Tat vollends deutlich. Es erstaunt, dass das Schwurgericht die Qualität dieser Umstände zutreffend erkannt (vgl. UA S. 75), jedoch nicht in seine Überlegungen zum Vorliegen subjektiver Mordmerkmale einbezogen hat. Hierzu hätte indessen nach der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung Veranlassung bestanden. Der möglichen Annahme eines aus dem Tatbild hergeleiteten niedrigen Beweggrundes steht nicht entgegen, dass der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt und also keinen Vernichtungswillen in Form eines dolus directus aufgewiesen hat. Einerseits ist auch der Täter der mehrfach zitierten höchstrichterlichen Referenzentscheidung gegen das von ihm malträtierte Opfer ‚nur‘ mit bedingtem Tötungsvorsatz vorgegangen, ohne dass dieser Umstand auf die rechtliche Bewertung des Tatmotivs Einfluss gewinnen konnte. Andererseits erachtet die Bundesanwaltschaft die vom Schwurgericht vorgenommene rechtliche Einordnung des Tö- tungsvorsatzes ohnehin für schlichtweg indiskutabel. … Ein aus- gebildeter Schlachter, dem – wie dem Angeklagten – das Ausweiden von Tieren berufsbedingt geläufig ist, geht mit Sicherheit davon aus, dass ein bewusstlos zurückgelassener Mensch, dem Vergleichbares widerfahren ist, an den Folgen einer solchen Tat geraume Zeit später verstirbt.“
9
Dem tritt der Senat bei (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 132) und bemerkt ergänzend, dass angesichts des Tatbildes auch das Merkmal der Mordlust zu prüfen sein wird (vgl. zu den Voraussetzungen LK/Jähnke, 11. Aufl., § 211 Rn. 6 mwN).
10
b) Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind ordnungsgemäß getroffen und werden durch den Rechtsfehler nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Spurenauswahl ist vollständig. Es bestehen keine realistischen Anhaltspunkte, dass sich der Angeklagte zu Details der Begehung der Tat und ihrer Begleitumstände in einer neuen Hauptverhandlung öffnen würde.
11
3. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs ist dem Rechtsfolgenausspruch die Basis entzogen. Er hätte jedoch auch für sich genommen keinen Bestand haben können, weil die der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) vorgelagerte Schuldfähigkeitsprüfung durchgreifenden Bedenken begegnet.
12
Das Landgericht führt auf der Grundlage des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen aus, es habe „weder im Bereich der Persönlichkeit noch im Bereich der Sexualität Auffälligkeiten gegeben, die die Kriterien für eine psychische Erkrankung (schwere Persönlichkeitsstörung oder Störung der Se- xualpräferenz/Paraphilie) erfüllen würden“; eine (organische) Persönlichkeitsstörung sei „nicht so gravierend, als dass sie Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten gehabt haben könnte“ (UA S. 80).
13
Diese Wertung beruht auf einer lücken- und damit rechtsfehlerhaften Grundlage. Denn das psychiatrische Gutachten und ihm folgend die Schwurgerichtskammer unterlassen gänzlich die Auseinandersetzung mit den als extrem zu bezeichnenden Besonderheiten der Tatausführung – dem erfahrenen rechtsmedizinischen Sachverständigen war kein in der Tötungsart vergleichbarer Fall bekannt (UA S. 56 f.) –, die sich zudem mit einem vom Angeklagten vor der Tat bei mannigfaltigen Gelegenheiten gebrauchten „Spruch“ deckt, er werde jemandem „das Geschlinge aus dem Arsch ziehen und um den Hals wickeln“ (UA S. 9 f.). Diese Besonderheiten hätte die Schwurgerichtskammer im Rahmen der Schuldfähigkeitsprüfung aber zwingend erörtern müssen (vgl. Basdorf, HRRS 2008, 275, 276). Da sich die Urteilsgründe dazu nicht verhalten, ermangelt es der gebotenen umfassenden Würdigung des Zustands des Angeklagten bei der Tat (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2014 – 5 StR 7/14 Rn. 6, vom 27. November 2008 – 5 StR 526/08 Rn. 10, vom 30. September 2008 – 5 StR 305/08, vom 25. Juli 2006 – 4 StR 141/06, NStZ-RR 2006, 335, 336, vom 28. November 2001 – 5 StR 434/01; Urteil vom 23. Januar 2002 – 5 StR 391/01; jeweils mwN).
14
Das neue Tatgericht wird die Schuldfähigkeit des Angeklagten naheliegend unter Hinzuziehung eines anderen psychiatrischen Sachverständigen erneut zu erörtern und dabei die vorgenannten Aspekte zu berücksichtigen haben. Es wird auch die festgestellten Auffälligkeiten im Sexual- und Sozialverhalten des Angeklagten (UA S. 10 f.) stärker in den Blick nehmen müssen, als im angefochtenen Urteil geschehen. Für den Fall sicherer Feststellung verminderter Schuldfähigkeit (auch) aufgrund einer dauerhaften schweren psychischen Störung des Angeklagten wird zu prüfen sein, ob dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) gerechtfertigt ist. Im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit vor höchst gefährlichen Tätern wäre solches nach Auffassung des Senats – über bislang von der Rechtsprechung angenommene Grenzen hinaus – selbst dann erwägenswert, wenn aufgrund dieser sicher festgestellten Störung eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten nur aufgrund des Zweifelsgrundsatzes anzunehmen, allein deshalb aber nicht auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist (vgl. dazu Basdorf , aaO S. 276 f.; Basdorf/Mosbacher in Lau/Lammel/Sutarski [Hrsg.], Forensische Begutachtung bei Persönlichkeitsstörungen, 2. Aufl., S. 119, 131 f.). Allerdings wäre zuvor zu erwägen, ob eine solche Auslegung in Fällen dieser Art durch Anwendung des § 66a Abs. 2 StGB entbehrlich wäre.
15
4. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen. Die auch nach Auffassung des Senats unvertretbare Annahme lediglich bedingten Tötungsvorsatzes beschwert ihn nicht. Nach Bejahung der Voraussetzungen des § 21 StGB wäre angesichts des konkreten furchtbaren Tatbildes eine mildere Beurteilung selbst dann nicht in Betracht gekommen , wenn die Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf eine breitere, über die Wurzel der Alkoholisierung hinausgehende Grundlage zu stützen gewesen wäre.
16
5. Zu der von der Staatsanwaltschaft in den Vordergrund gestellten Frage der tateinheitlichen Verwirklichung einer Sexualstraftat (Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, jeweils mit Todesfolge ) bemerkt der Senat:
17
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den Begriff der sexuellen Handlung im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB das äußere Erscheinungsbild entscheidend; das Merkmal ist erfüllt, wenn das Erscheinungsbild nach allgemeinem Verständnis die Sexualbezogenheit erkennen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 9. November 1982 – 1 StR 672/82, NStZ 1983, 167; vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184f Sexuelle Handlung 2; Urteil vom 9. Juli 2014 – 2 StR 13/14 Rn. 19, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Ist dies der Fall, so spielt es keine Rolle, ob der Täter sexuelle Motive verfolgt oder etwa sein Opfer allein demütigen und sadistisch quälen will; er muss sich nur des sexuellen Charakters seines Tuns bewusst sein (vgl. BGH, Urteile vom 9. November 1982 – 1 StR 672/82, aaO; vom 11. Mai 1993 – 1 StR 896/92, BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6, insoweit in BGHSt 39, 212 nicht abgedruckt; vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, aaO).
18
Diese Grundsätze verkennt das angefochtene Urteil, indem es den Handlungen des Angeklagten „auf subjektiver Seite einen eindeutigen Sexual- bezug“ abspricht, ohne das objektive Erscheinungsbild einer Untersuchung un- terzogen zu haben (UA S. 87). Vorliegend sind die äußeren Gegebenheiten der Tat unzweifelhaft sexualbezogen. Der Angeklagte ist nicht nur (mehrfach) in den Anus, sondern auch in die Scheide der getöteten Frau eingedrungen. Darüber hinaus hat er Blut und Gewebeteile auf deren unbekleideten Oberkörper einschließlich der Brüste verteilt, diese also berührt. Das Opfer wurde mit gespreizten Beinen auf dem Sofa liegend vorgefunden.
19
Angesichts der Vielzahl und des Gewichts der für eine Sexualtat streitenden Umstände bedürfte es greifbarer Anhaltspunkte dafür, dass der sich auf eine Amnesie berufende Angeklagte die Sexualbezogenheit seiner Handlungen gleichwohl verkannt haben könnte. Solche lassen sich den Urteilsgründen aber nicht entnehmen. Die Erwägungen der Schwurgerichtskammer, es könnten die besondere Erniedrigung des Opfers sowie das Herausreißen der Därme im Vordergrund gestanden haben, wobei eine sexuelle Motivation nicht hinreichend sicher feststellbar sei (UA S. 73 ff., 87), sind aus den genannten Gründen für die Beurteilung der Tat als bewusst sexualbezogene Handlung rechtlich irrelevant. Selbst wenn der Angeklagte – wie auch der Obduktionssachverständige mutmaßt – versehentlich in die Scheide gegriffen haben sollte (UA S. 75, 87), würde das erforderliche Bewusstsein des Angeklagten in Anbetracht der sonstigen Umstände nicht in Frage gestellt.
Basdorf Schneider Dölp
König Bellay

Wer der Prostitution

1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder
2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen jugendpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; jugendpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person,
b)
die Wiedergabe einer ganz oder teilweise unbekleideten vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen jugendpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen, oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Absatz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 5, und Absatz 3 sind nicht anzuwenden auf Handlungen von Personen in Bezug auf einen solchen jugendpornographischen Inhalt, den sie ausschließlich zum persönlichen Gebrauch mit Einwilligung der dargestellten Personen hergestellt haben.

(5) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 1 Nummer 2 und 4 sowie Absatz 3.

(6) § 184b Absatz 5 bis 7 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 506/01
vom
6. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
6. Februar 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. April 2001 mit Ausnahme des Schuldspruchs wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 8 der Anklage) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil im Fall 1 (Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchten sexuellen Mißbrauchs widerstandunfähiger Personen, Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die umfassend eingelegte Revision des Angeklagten wendet sich insbesondere gegen die Verurteilung in den Fällen 1 bis 5. Zwei Formalrügen des Angeklagten führen zur Aufhebung des Urteils bis auf den Schuldspruch im Fall 6. Auf seine weitere Rüge der Verletzung des Prozeßrechts sowie auf Fehler, die die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge aufdecken, kommt es daher nicht mehr an. Beides betrifft nicht den Fall 6. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft bezieht sich nur auf den Schuldund Rechtsfolgenausspruch im Fall 1 und auf die Gesamtstrafe. Zwar hat die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Urteils in vollem Umfang beantragt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß sich die Sachrüge auf sämtliche Urteilsteile erstreckt (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich, daß die Staatsanwaltschaft das Urteil nur im Fall 1 und in der Konsequenz im Gesamtstrafenausspruch für rechtsfehlerhaft hält. Diese Auslegung wird durch die allgemeine Übung der Staatsanwaltschaft bestätigt, Revisionen in der Regel so zu begründen, daß klar ersichtlich ist, in
welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV).

II.

Geschädigte der Taten 1 bis 5 ist die Zeugin V. . Mit ihr lebte der Angeklagte in der ersten Hälfte des Jahres 2000 zeitweise zusammen. Opfer der Tat 6 (versuchte Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung) war ein Mithäftling , nachdem der Angeklagte wegen der Taten 1 bis 5 in Untersuchungshaft genommen worden war. V. , damals 38 Jahre alt, konsumiert seit ihrem 15. Lebensjahr regelmäûig Alkohol und ist seit mindestens 14 Jahren alkoholkrank. Ihre Erziehung war von Gewalt geprägt. Der Angeklagte lernte sie im Februar 2000 kennen. Anfang März 2000 zog sie zum Angeklagten in dessen Wohnung. Zu Beginn einvernehmliche Intimkontakte lehnte V. nach wenigen Wochen ab. Daraufhin kam es nach den Feststellungen der Strafkammer zu folgenden sechs Vorfällen: 1. Im März 2000 warf der Angeklagte V. aufs Bett, fesselte ihr mit einer Krawatte die Hände auf dem Rücken und übte gegen ihren Willen den ungeschützten Geschlechtsverkehr aus. Entweder vor oder kurz nach dem Verkehr fügte der Angeklagte der Geschädigten mit einem Einwegrasierer auf den Oberschenkeln und an den Armen mindestens 15 oberflächliche Schnitte zu, die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung am 24. April 2001 teilweise noch sichtbar waren. Das Weinen der Zeugin kommentierte der Angeklagte mit den Worten: "Du stehst doch auf erotischem Schmerz." Die Kammer konnte nicht feststellen, daû der Angeklagte die Schnitte zur eigenen Erregung oder zur
Überwindung eines Widerstandes der Geschädigten einsetzte. Nachdem er die Zeugin losgebunden hatte, entschuldigte sich der Angeklagte bei ihr. Sie verzieh ihm und blieb in der Wohnung. 2. Eines Nachts im April 2000 lag V. nur mit einem T-Shirt bekleidet schlafend auf der Wohnzimmercouch unter der Decke. Der Angeklagte zog die Decke weg und übte den Geschlechtsverkehr aus. Die Geschädigte war beim Wegziehen der Decke zwar - unbemerkt vom Angeklagten - aufgewacht , hatte sich aber aus Angst vor Schlägen des Angeklagten weiter schlafend gestellt. 3. Im Mai 2000 fesselte der Angeklagte der Zeugin gegen ihren Willen die Hände mit Handschellen, die er an einem Brett am Bett befestigte. Dann übte er erneut unerlaubt den Geschlechtsverkehr mit ihr aus. 4. Nach ihrem Auszug kam die Zeugin im August 2000 spät abends wegen einer Geldangelegenheit nochmals in die Wohnung des Angeklagten. Da sie sich nicht einigen konnten, packte der Angeklagte die Zeugin am Hals und drückte sie zu Boden. Als sie auf dem Rücken lag, fügte er ihr drei Schnitte an beiden Wangen und auf der Stirn zu. Die Schnitte bluteten, verheilten aber folgenlos. 5. Mitte August 2000 hielt sich die Zeugin nochmals drei Tage in der Wohnung des Angeklagten auf. Wegen eines verschwundenen Schlüssels schlug der Angeklagte die Zeugin V. am 15. August 2000 mit der Faust aufs Auge, stieû sie mit dem Rücken gegen einen Türrahmen, zog sie an den Haaren und stieû sie mit dem Kopf in die Badewanne. 6. Am 8. September 2000 wurde der Angeklagte festgenommen und zum Vollzug der Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Nürnberg eingelie-
fert. Dort bat er den Mithäftling W. , über dessen Freundin zwei Schriftstücke aus der Anstalt zu schmuggeln. Als W. dies ablehnte , stieû ihn der Angeklagte von hinten gegen die Wand, schlug ihn so ins Gesicht, daû zwei Zähne ausbrachen, versetzte ihm zwei Ohrfeigen und trat ihm mit dem Schuh gegen beide Schienbeine. Daraufhin versprach W. dem Angeklagten, die Schriftstücke wie gefordert weiterzuleiten, übersandte sie jedoch dem Ermittlungsrichter. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Er habe insbesondere die Zeugin V. weder gefesselt noch geschnitten, noch sonstige Gewalt ausgeübt. Er habe der Zeugin nur helfen wollen. Die Schnitte habe er bereits im Februar 2000 - also schon beim Kennenlernen - bei ihr bemerkt. Einmal habe er ein Telefongespräch der Zeugin V. mit einer Freundin mitgehört , in dem diese auf das Vergnügen an erotischen Schmerzen hinwies. Die Feststellungen zu den Tatvorwürfen zum Nachteil der Zeugin V. beruhen im wesentlichen auf deren Angaben. Die Strafkammer hat zwar Unsicherheiten bei der zeitlichen Einordnung von Vorgängen durch die Zeugin festgestellt. Die Strafkammer hat sie jedoch insgesamt als glaubwürdig bewertet und dabei auch auf die Konstanz der Aussagen der Zeugin abgestellt.

III.

1. Die Revision des Angeklagten erhebt drei Formalrügen. Sie beanstandet die Verletzung der Aufklärungspflicht - § 244 Abs. 2 StPO - sowie die fehlerhafte Ablehnung zweier Anträge auf Vernehmung von Sachverständigen wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache - § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO -.
a) Die Revision des Angeklagten hat schon mit der zulässigen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Aufklärungsrüge weitgehend Erfolg.
Die Revision beanstandet zu Recht, daû die Strafkammer die Angaben der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens im wesentlichen nicht zum Gegenstand der Beweisaufnahme machte. Das Aussageverhalten der Zeugin während des Ermittlungsverfahrens ist geeignet, die Glaubwürdigkeit der Zeugin V. in Frage zu stellen. V. wurde während des Ermittlungsverfahrens viermal gehört: Am 22. August 2000 bei der Anzeigeerstattung (hierüber fertigte POM H. einen Vermerk), am 23. August 2000 und am 30. August 2000 (Vernehmungsbeamtin jeweils KK'in S. ) sowie am 11. Oktober 2000 (durch KHK G. ). Der Inhalt der Vernehmungen wurde weder durch Vernehmung der Zeugin V. hierzu noch durch Anhörung der Vernehmungsbeamten zu diesem Punkt in die Hauptverhandlung eingeführt. Die Zeugen POM H. und KHK G. wurden gar nicht vernommen. KK'in S. und V. wurden zwar gehört. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, wurden ihnen aber zum Inhalt der Vernehmungen der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens keine Fragen gestellt oder Vorhalte gemacht. Insoweit wurden diese Beweismittel nicht ausgeschöpft (vgl. BGH NStZ 1997, 450). Die Zeugin KK'in S. wurde nur zu der Behauptung des Angeklagten befragt, V. habe wegen der Schnittverletzungen bereits gegen andere Personen bei der Kriminalpolizei Anzeige erstattet. Zum Aussageverhalten der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens vernahm die Strafkammer, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, lediglich die Zeugin POM K. , die bei der Anzeigeerstattung zugegen war. Ausweislich des Vermerks vom 22. August 2000 war sie aber lediglich zu Beginn Gesprächspartnerin der Zeugin V. , während die Vernehmung dann durch den Verfasser des Vermerks, POM H. , durchgeführt wurde. Allein aufgrund der Angaben der Zeugin POM K. kam
die Strafkammer dann zu dem Ergebnis, daû sich "die Angaben der Zeugin mit ihren Angaben bei der ersten Anzeigeerstattung decken, soweit sich der Zeuge K. , der die Anzeige entgegennahm, noch erinnern konnte." Aus den Niederschriften über die Vernehmung der Zeugin V. im Ermittlungsverfahren ergibt sich folgendes: Weder bei der Anzeigeerstattung am 22. August 2000 noch während ihrer umfangreichen Vernehmung am 23. August 2000 erwähnte V. die ihr vom Angeklagten zugefügten Schnittverletzungen. Erst am 30. August 2000 erschien sie von sich aus bei der Polizei und erklärte: "Bei meiner ersten Vernehmung habe ich etwas vergessen anzugeben. Vor der ersten Vergewaltigung durch den L. , aber schon, als ich mit der Krawatte gefesselt war, auf dem Bett im Schlafzimmer lag, sagte er wortwörtlich zu mir: ©Du stehst doch auf den erotischen Schmerz, stell Dich nicht so an.© Und plötzlich hatte er so eine Einwegrasierklinge in der Hand und schnitt mich wahllos in meine Ober- und Unterarme und besonders auch in meine Oberschenkel. Ich bin damit einverstanden , daû diese Verletzungen fotografiert werden." Die Schnittverletzungen, die der Angeklagte der Geschädigten V. Mitte August zugefügt haben soll, erwähnte sie erstmals in der - wiederum von ihr initiierten - Vernehmung vom 11. Oktober 2000. Dies ist mit der Feststellung gleichbleibenden Aussageverhaltens nicht vereinbar. Die Angaben der Zeugin V. waren für die Verurteilung nahezu die alleinige Grundlage. Es hätte daher der vollständigen Würdigung der Entstehungsgeschichte ihrer Beschuldigungen bedurft (BGHSt 44, 153, 158 ff.). Folgende Fragen wären - nach entsprechender Beweiserhebung über das Aussageverhalten - zu erörtern gewesen: Wieso erwähnte V. weder bei der Anzeigeerstattung noch bei der ausführlichen Zeugenvernehmung am
23. August 2000 die Schnittverletzungen, insbesondere nicht die ihr im August, also nur ein bis drei Wochen vorher zugefügten? Weshalb berichtete die Zeugin am 30. August 2000, als sie die Verletzungen, die ihr der Angeklagte im März 2000 zugefügt haben soll, zur Anzeige brachte, dann nicht auch über die Gesichtsverletzungen aus demselben Monat, zumal damals von den Verletzungen an Beinen und Armen Lichtbilder gefertigt wurden? Weshalb wurden die Ermittlungsbeamten weder am 22. und 23. noch am 30. August 2000 von sich aus auf Schnittverletzungen im Gesicht der Zeugin aufmerksam? Zwar stellte die Kammer sachverständig beraten fest, es entspreche der Erfahrung, daû Schnitte im Gesicht folgenlos verheilen können, während bei Verletzungen an den Armen und Beinen eher Narben verbleiben. Über die Dauer des Heilungsprozesses vermochte der Sachverständige konkret nichts zu sagen. Dieser könne bei der Geschädigten aufgrund ihres Alkoholismus und des dadurch beeinträchtigten Allgemeinzustandes verzögert sein. Die mangelnde Sachaufklärung berührt die Glaubwürdigkeit der Zeugin V. insgesamt und betrifft alle Taten zu ihrem Nachteil (Fälle 1 bis 5), auch soweit Schnittverletzungen keine Rolle spielen. Neben diesen Fällen unterliegt auch der Rechtsfolgenausspruch im Falle 6 der Aufhebung, da nicht auszuschlieûen ist, daû die Strafzumessung in diesem Punkt von der Strafbemessung in den Fällen 1 bis 5 beeinfluût wurde.
b) Mit ihrer zweiten - zulässigen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Formalrüge beanstandet die Revision des Angeklagten zu Recht die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags auf Vernehmung eines Sachverständigen zu einer möglichen psychischen Erkrankung der Zeugin V. : Der Verteidiger des Angeklagten hat im Rahmen seines Schluûvortrags die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens beantragt, zum
Beweis der Erkrankung der Geschädigten an einer psychischen Erkrankung in Form der SVV (selbstverletzendes Verhalten) sowie dazu, daû sie sich im Rahmen dieser Erkrankung selbst Schnitte an Armen und Beinen zugefügt hat. Die Strafkammer entsprach dem nicht: Die Ablehnung des Beweisantrages ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Strafkammer hat zwar im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, nochmals darüber Beweis zu erheben, ob die hier konkret in Rede stehenden, dem Angeklagten angelasteten Schnitte aus einer selbstverletzenden Handlung der Zeugin V. stammen, nachdem sie zu diesem Thema bereits einen medizinischen Sachverständigen gehört hat, mit dem Ergebnis, daû dies weder festgestellt noch ausgeschlossen werden kann. Nicht tragfähig ist jedoch die Begründung der Strafkammer, es wäre hier für die Entscheidung ohne Bedeutung, wenn die Beweisaufnahme ergäbe, daû die Geschädigte zum Zeitpunkt der Beifügung der Verletzungen im März und August 2000 an einer Krankheit "selbstverletzendes Verhalten" litt. Entsprechendes gilt für die unter Beweis gestellte Tatsache, die Zeugin V. habe sich andere Verletzungen selbst beigebracht. Die Strafkammer hat zwar - zunächst rechtsfehlerfrei - bei der Prüfung der Bedeutungslosigkeit - hier aus tatsächlichen Gründen - die Beweistatsache so, als sei sie erwiesen, in den Beweisstoff eingefügt - weshalb auch kein Verstoû gegen das Verbot der Beweisantizipation vorliegt - und dann erörtert, ob die bisherige Beweiswürdigung durch die Einfügung in einer für die Sachverhaltsannahmen und den Urteilsspruch relevanten Weise beeinfluût wird (vgl. BGH NStZ 1997, 503; KK-Herdegen StPO, 4. Aufl. § 244 Rdn. 74; LRGollwitzer StPO, 25. Aufl. § 244 Rdn. 222). Die Beweiswürdigung ist Aufgabe
des Tatrichters (§ 261 StPO) und daher der Überprüfung durch das Revisionsgericht nur in Grenzen zugänglich. Die Würdigung darf aber nicht rechtsfehlerhaft sein. "Sie wäre es zum Beispiel dann, wenn dem benannten Beweismittel nicht der volle Beweiswert zugesprochen würde, wenn sie gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder anerkannte Bewertungsgrundsätze verstieûe, wenn sie nichtssagend (ohne argumentativen Gehalt) wäre, Abstriche an der Beweisbehauptung vornehmen, sie entgegen ihrem Sinn und Zweck auslegen oder sich auf Möglichkeiten der Deutung der Beweistatsache berufen würde, die zwar denkbar aber nicht festgestellt und infolgedessen nicht geeignet sind, die Tragweite der Beweistatsache abzuschwächen" (KK-Herdegen aaO m.w.N.). Hier hat die Strafkammer die Tragweite der unter Beweis gestellten Hilfstatsachen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses verkannt. Die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe der Zeugin V. im April und August Schnittverletzungen - gegen deren Willen - beigebracht , beruht nahezu ausschlieûlich auf den Angaben der Geschädigten selbst. Bestätigt wird dies zum Teil mittelbar lediglich durch den Zeugen W. , dem vom Angeklagten miûhandelten Mithäftling (Fall 6). Dieser Zeuge berichtete, der Angeklagte habe ihm erzählt, er - der Angeklagte - habe mit der Geschädigten öfters Fesselspiele gemacht und sie auch mit Rasierklingen leicht in Arme und Beine geschnitten. "Das habe zum Spiel gehört." Die Stirnverletzungen erwähnt der Zeuge nicht. Daû die Verletzungen gegen den Willen der Zeugin V. herbeigeführt wurden, kann der Aussage ebenfalls nicht entnommen werden. Andere Zeugen haben zwar Verletzungen gesehen , konnten aber zu deren Verursachung nichts sagen, von Informationen durch die Geschädigte selbst abgesehen. Hierzu kommt das von der Strafkammer zwar nicht festgestellte, durch die Aufklärungsrüge nunmehr aber auf-
gedeckte merkwürdige Aussageverhalten der Zeugin zu den Schnittverletzungen während des Ermittlungsverfahrens. Vor diesem Hintergrund kann den unter Beweis gestellten Tatsachen - die Angeklagte litt (und leidet noch) an selbstverletzendem Verhalten (in der Regel Ausdruck einer Borderline-Persönlichkeitsstörung; vgl. Sachsse in Kernberg -Dulz-Sachsse, Handbuch der Borderline-Störungen, S. 347 ff.; derselbe, Selbstverletzendes Verhalten, 5. Aufl. 1999, S. 35 ff.) und sie hat sich andere Verletzungen selbst beigebracht - jegliche Beweiserheblichkeit für die Glaubwürdigkeit der Zeugin vernünftigerweise nicht von vornherein abgesprochen werden. Dann muû die endgültige Bewertung der Würdigung nach der Erhebung des Beweises überlassen bleiben. Denn es entspricht der Lebenserfahrung , daû eine bereits als gesichert erscheinende Überzeugung durch die weitere Beweisaufnahme wider Erwarten umgestoûen werden kann (LRGollwitzer StPO, 25. Aufl. § 244 Rdn. 182). Da dies mittelbar die Glaubwürdigkeit der Zeugin insgesamt berührt, führt auch diese Rüge zur Aufhebung der Verurteilung in allen fünf Fällen, in denen Straftaten zum Nachteil der Zeugin V. festgestellt wurden, sowie des Rechtsfolgenausspruchs im Fall 6.
c) Auf die Rüge zur Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Potenz des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Insoweit wird auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. Dezember 2001 verwiesen. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge des Angeklagten ergab die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Män-
gel. Sie betreffen lediglich die Fälle 1 bis 5. Hierauf kommt es deshalb ebenfalls nicht mehr an. 3. Beim Tatvorwurf zum Nachteil des Zeugen Heiko W. (Fall 6) ergab die Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

IV.

Die von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Fall 1 und den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkte Revision hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, die Strafkammer habe im Fall 1 zu Unrecht die Bestimmung des Strafrahmens § 177 Abs. 3 StGB zugrundegelegt und nicht § 177 Abs. 4 (Nr. 1) StGB. Die Strafkammer begründet dies in der Beweiswürdigung wie folgt: Sie habe sich nicht davon überzeugen können, daû der Angeklagte die Schnitte zur Überwindung eines geleisteten und erwarteten Widerstands der Geschädigten eingesetzt hat. Die Zeugin V. habe nicht sagen können, ob der Angeklagte sie vor oder nach dem Geschlechtsverkehr verletzte, und habe auch nicht angegeben, erst durch die Schnitte zur Duldung des Geschlechtsverkehrs oder der Fesselung gezwungen worden zu sein. Es stehe damit auch nicht fest, daû der Angeklagte die Schnitte zur eigenen Luststeigerung einsetzte , wenn er sie der Geschädigten möglicherweise erst nach dem Beischlaf beibrachte.
Damit hat die Strafkammer zwar nicht verkannt, daû das gefährliche Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB nicht Nötigungsmittel sein muû, es vielmehr genügt, daû es bei der Vornahme der sexuellen Handlung eingesetzt wird (BGHSt 46, 225, 228). Jedoch überzeugt die isolierte Bewertung der Schnitte vor dem Hintergrund der Sachverhaltsdarstellung, die die Beweiswürdigung nicht ausschöpft bzw. im Widerspruch hierzu steht, nicht. Die Vergewaltigung der Zeugin unter Zufügung der Schnittverletzungen vor oder "kurz nach" (so abweichend in der Sachverhaltsdarstellung) der Durchführung des Geschlechtsverkehrs aber während der durchgehenden Fesselung kann als einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug gesehen werden. Eine sexuelle Handlung liegt dann vor, wenn sie objektiv, d.h. nach ihrem äuûeren Erscheinungsbild einen Sexualbezug aufweist. Bei ambivalenten Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne weiteres einen sexuellen Bezug aufweisen, ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls kennt (BGHR § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5). Zu diesen Umständen gehören auch Äuûerungen des Angeklagten in diesem Zusammenhang (BGH, Urteil vom 22. Mai 1996 - 5 StR 153/96). Der Ausspruch des Angeklagten "Du stehst doch auf erotischem Schmerz" spricht hier für die Sexualbezogenheit
auch der Schnitte im Rahmen des Gesamtgeschehens. Da die teilweise widersprüchlichen Feststellungen keine endgültige Beurteilung zulassen, ist das Urteil im Fall 1 auf die Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten aufzuheben. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 256/04
vom
5. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2004 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 14. April 2004 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Wegen des Vorwurfs von sechs weiteren Taten hat es das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Die Revision des Angeklagten erhebt die allgemeine Sachrüge. Sie führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Der Generalbundesanwalt hat zur Begründung seines Aufhebungsantrages ausgeführt:
"1. Nach den Urteilsfeststellungen missbrauchte der Angeklagte seine am 19. März 1968 geborene leibliche Tochter Z. seit ihrem 7. oder 8. Lebensjahr. Hinsichtlich der sechs bis zum Jahr 1982/1983 begangenen Taten ist das Landgericht vom Eintritt der Strafverfolgungsverjährung ausgegangen. Der Verurteilung liegen drei Taten aus der Zeit von 1994 bis 1996 zugrunde. Danach führte der Angeklagte an einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im Juni 1994 gegen den erkennbaren Widerstand von Z. , die ihm wiederholt zu erkennen gegeben hatte, seiner sexuellen Übergriffe überdrüssig zu sein, aus Angst vor Schlägen ihres Vaters aber keinen Widerstand mehr leistete, den ungeschützten Geschlechtsverkehr durch. An einem nicht mehr feststellbaren Abend im Jahr 1995 oder 1996 forderte der Angeklagte seine Tochter auf, sich ohne Slip mit gespreizten Beinen auf die Couch des sogenannten Zweiten Wohnzimmers zu setzen, wo er mit seiner Hand in die Scheide seiner Tochter eindrang. Dabei ignorierte er deren verbale Ablehnung. Erst als der Angeklagte von seiner Tochter abgelassen hatte, erkannte diese, dass der Angeklagte einen kleinen feinmechanischen Schraubendreher , den er zur Reparatur von Fernsehgeräten nutzte, in ihre Scheide eingeführt und damit darin manipuliert hatte, wodurch ein erheblicher zusätzlicher Schmerz verursacht worden war. Der Angeklagte wollte auf diese Weise den Gebärmutterhals seiner Tochter ausweiten, damit sie, um 'einen Erben zu zeugen', von ihm schwanger werden könne. An einem nicht mehr feststellbaren Tag im selben Zeitraum führte der Angeklagte einen Brillenbügel in die Scheide seiner Tochter ein, die mit diesem Vorgehen nicht einverstanden war, sich zu aktivem Widerstand aus Angst vor ihrem Vater aber nicht aufraffen konnte. 2. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung (UA S. 41) ist das Landgericht davon ausgegangen, der Angeklagte habe Z. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum außerehelichen Beischlaf und
zur Duldung der sexuellen Handlungen genötigt. Zuvor habe der Angeklagte keine konkreten Drohungen bei der Vornahme der sexuellen Handlungen gegenüber seiner Tochter geäußert, jedoch habe Z. noch unter dem Eindruck der früheren und fortdauernden Misshandlungen ihrer Mutter durch den Angeklagten und der Erfahrung, dass auch sie mit den Gewalttätigkeiten ihres Vaters rechnen musste, wenn sie sich seinen Forderungen nicht beugte, gestanden. Insoweit hätten die früheren Drohungen fortgewirkt (UA S. 41). Damit sind weder die objektiven noch die subjektiven Voraussetzungen einer Vergewaltigung und einer sexuellen Nötigung hinreichend dargetan. Diese lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht in ausreichendem Maße entnehmen.
a) Vergewaltigung und sexuelle Nötigung im Sinne der §§ 177, 178 StGB a.F. setzen voraus, dass der Geschlechtsverkehr oder eine sexuelle Handlung mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erzwungen worden sind. Das angewendete Nötigungsmittel muss nach dem Willen des Täters der Herbeiführung der sexuellen Handlungen und ihrer Durchführung tatsächlich dienen, also 'final verknüpft' sein (BGH NStZ 1995, 230; BGH StV 1999, 369). Dabei kann eine frühere Gewaltanwendung fortwirken, wenn nicht zwischen der Gewaltanwendung und der sexuellen Handlung ein längerer Zeitraum liegt (BGHSt 42, 111). Ein Fortwirken früherer Gewalt kommt auch bei einem Andauern der körperlichen Zwangswirkung oder Einschüchterungswirkung in Betracht. Insoweit reicht aber eine allgemeine, auf frühere Misshandlungen gegründete Furcht des Opfers nicht aus (Tröndle /Fischer, StGB, 52. Aufl. § 177 Rn. 16).

b) Nach diesen Maßgaben reichen die getroffenen Feststellungen nicht aus, eine gewaltsame Erzwingung der sexuellen Handlungen durch den Angeklagten zu begründen. Soweit sich die Zeugin Z. dem Angeklagten fügte, weil sie - das Beispiel ihrer Mutter vor Augen, die durch Schläge und Einsperren in einen Raum des Hauses vom Angeklagten laufend misshandelt wurde (UA S. 9) - der Gefahr entgehen wollte, den Gewalttätigkeiten des Angeklagten ausgesetzt zu sein, lässt sich den Urteilsfeststellungen ein unmittelbarer Handlungszusammenhang (Tröndle/Fischer aaO Rn. 12) mit den sexuellen Handlungen nicht entnehmen. An einer finalen Verknüpfung von Gewaltanwendung gegenüber der Zeugin Z. selbst fehlt es, soweit den Urteilsgründen Schläge des Angeklagten gegenüber seiner Tochter zu entnehmen sind (UA S. 9, 15), weil nicht erkennbar ist, dass die Schläge wegen vermeintlichen Fehlverhaltens der Zeugin in einem zeitlichen und zweckgerichteten Zusammenhang mit der Vornahme der sexuellen Handlungen standen. Gewaltanwendung in Bezug auf die konkreten Taten zur Überwindung eines erwarteten oder geleisteten Widerstands ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen nicht. Die bloße Vornahme der sexuellen Handlungen gegen den erkennbaren Willen derZeugin Z. reicht für die Annahme einer gewaltsamen Erzwingung der sexuellen Handlungen nicht aus (Tröndle/Fischer aaO Rn. 8).
c) Die Feststellungen des Urteils tragen auch nicht die Annahme einer Drohung im Sinne der §§ 177 Abs. 1, 178 Abs. 1 StGB a.F. Frühere Gewaltanwendungen können zwar als (konkludente) Drohung gegenüber dem Opfer zu beurteilen sein, den körperlich wirkenden Zwang erneut anzuwenden, falls das weitere Vorgehen des Täters auf Widerstand stoßen sollte; so kann vorausgegangene Gewalt in diesem Sinne fortwirken, wenn das Opfer angesichts der früheren Gewaltanwendung und der gegebenen Kräfteverhältnisse
aus Furcht vor weiteren Gewalttätigkeiten von einer Gegenwehr absieht, sofern der Täter zumindest erkennt und billigt, dass das Opfer sein Verhalten als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben empfindet (BGH StV 1984, 330; BGH NStZ 1986, 409; BGH NStZ-RR 2003, 42). Die Ausnutzung eines vom Täter durch vorangehende Tätlichkeiten oder Drohungen geschaffenen Klimas der Gewalt (BGH NStZ-RR 1998, 105) kann daher ausreichen, das Tatbestandsmerkmal der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anzunehmen. Zwar hat der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen seine Tochter in völliger Abhängigkeit gehalten. Sie durfte das Grundstück nur unter seiner Aufsicht verlassen, hatte keinen Umgang mit Altersgenossen und keine Schule besucht. Dem Urteil nicht hinreichend zu entnehmen ist, inwieweit die zeitlich nicht eingeordneten Misshandlungen von Z. in einem finalen Zusammenhang mit den sexuellen Handlungen - auch den früheren verjährten - standen. Insoweit liegt der Fall anders, als der der Entscheidung BGHR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 5 zugrunde liegende Sachverhalt. Vor allem aber lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, ob die Aufrechterhaltung des Gewaltklimas in der Familie durch ausdrückliche oder schlüssige Drohungen bei der Vornahme der sexuellen Handlungen zum Ausdruck gekommen ist, weil insoweit weder Äußerungen noch ein entsprechendes non-verbales Verhalten des Angeklagten (Tröndle/Fischer, aaO Rn. 21; BGH NStZ 2003, 424; BGHR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 2, 6, 12) festgestellt ist. Die bloße Angst der Geschädigten besagt über eine konkludente Drohung des Angeklagten und eine finale Verknüpfung einer solchen Drohung mit den sexuellen Handlungen noch nichts. Zur Begründung des finalen Zusammenhangs zwischen den früheren Misshandlungen und Drohungen des Angeklagten mit der Vornahme der sexuellen Handlungen hätte es deshalb näherer Darlegungen im Urteil bedurft."
Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend:
a) Nach den bisherigen Feststellungen war der Angeklagte "besessen von der Idee", mit seiner Tochter einen Erben zu zeugen. Nach vergeblichen Versuchen, sie zu schwängern, hatte er ihr erklärt, den Gebärmutterhals weiten zu müssen, und dazu mit einem Schraubendreher und einem Brillenbügel in ihrer Scheide manipuliert. Bei diesen besonderen Begleitumständen kann nicht ohne weiteres von sexuellen Handlungen ausgegangen werden. Vielmehr liegen ambivalente Handlungen vor, bei denen es darauf ankommt, ob der Angeklagte dabei zumindest auch von sexuellen Absichten geleitet war (vgl. BGH NStZ 2002, 431; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 184 f Rdn. 4). Dazu wird der neue Tatrichter noch weitere Feststellungen zu treffen und angesichts der abstrusen Vorstellungen des Angeklagten auch zu prüfen haben, ob diese nicht auf eine Beeinträchtigung seiner Schuldfähigkeit hinweisen.
b) Bei einer neuerlichen Gesamtstrafenbildung wird Gelegenheit sein, die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1991, 558) und des Senats (NStZ 1991, 330) zur Einbeziehung von Strafen, bei denen Straferlaß in Betracht kommt, zu berücksichtigen sowie ggf. den Widerspruch zwischen dem mitgeteilten Schuldspruch des Urteils des Schöffengerichts Leer vom 5. April 2000 (Diebstahl in 84 Fällen sowie versuchter Diebstahl in neun Fällen) und der Darstellung dieser Taten (geschildert sind nur 84 Taten) auszuräumen. Winkler Pfister von Lienen Becker Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 459/07
vom
20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers M. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. April 2007 mit den Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum Vor- und Nachtatgeschehen, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die zum Tatzeitpunkt jugendlichen Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen schuldig gesprochen und die Tat mit Zuchtmitteln geahndet. Es hat beide Angeklagten verwarnt, ihnen die Erbringung von Arbeitsleistungen (H. : 150 Stunden, W. : 200 Stunden) und als Wiedergutmachungsleistung die ratenweise Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Nebenkläger (H. : 600 Euro, W. : 60 Euro) auferlegt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft, deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt vertreten wird, und der Nebenkläger mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Sie beanstanden, dass die Angeklagten nicht auch wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person nach § 179 Abs. 1 und Abs. 5 StGB verurteilt worden sind.
2
Die Rechtsmittel haben im Wesentlichen Erfolg.
3
1. Nach den Feststellungen feierten die zur Tatzeit 14 und 15 Jahre alten Angeklagten und andere Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren im Anwesen der Eltern eines Freundes dessen 16. Geburtstag. Im Laufe des Abends stieß auch der 14jährige Nebenkläger zu den Gästen. Der Nebenkläger ist von eher schmächtiger Statur, weshalb er sich immer wieder Hänseleien, aber auch verbalen und gelegentlich körperlichen Angriffen anderer Jugendlicher ausgesetzt sah. So hatten ihm etwa der Angeklagte H. und ein anderer Jugendlicher einmal einen Holzstiel, an dem ein Deutschlandfähnchen befestigt war, "am Gesäß durch die Hose gesteckt" und dieses Geschehen mit der Kamera eines Mobiltelefons gefilmt. Das Video kursierte später unter Mitschülern des Nebenklägers, die sich deshalb über ihn lustig machten.
4
Nachdem dem Nebenkläger ca. drei Stunden nach Eintreffen auf der Geburtstagsfeier infolge erheblichen Alkoholkonsums übel und schwindelig geworden und er schlafend "zusammengesackt" war, verbrachte ihn die Mutter des Gastgebers ins Wohnzimmer, wo er sich bäuchlings auf die Couch legte. Die leicht alkoholisierten Angeklagten begaben sich zum Nebenkläger. In Erinnerung an den früheren Vorfall zog der Angeklagte H. dem Nebenkläger, der sich infolge seiner Trunkenheit, was die Angeklagten erkannten, gegen das Vorgehen nicht zur Wehr setzen konnte, die Hose herunter und führte mit dem Flaschenhals voran eine 0,7 Liter fassende, leere Glasflasche zwischen die entblößten Gesäßbacken des Nebenklägers und bewegte diese mehrfach vor dem Anus des Tatopfers vor und zurück. Sodann übernahm der Angeklagte W. die Flasche und drückte gegen den Flaschenboden, sodass sie im Gesäßbereich des Nebenklägers nach oben ragend stecken blieb, worauf der Nebenkläger vor Schmerzen aufschrie. Durch die Manipulationen mit der Flasche erlitt der Nebenkläger u.a. eine blutende Verletzung im Analbereich.
5
Dieses insgesamt 38 Sekunden dauernde Geschehen filmten die Angeklagten wiederum mit der Kamera eines Mobiltelefons. Die Videosequenz zeigten sie sodann zur Belustigung den anderen Partygästen. Der Angeklagte W. versandte überdies die Filmszene an Freunde und Bekannte, sodass der Nebenkläger in der Folgezeit u.a. von Mitschülern darauf angesprochen und deswegen auch verspottet wurde.
6
2. Die Beschwerdeführer beanstanden zu Recht die Ablehnung einer tateinheitlichen Verurteilung der Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß § 179 Abs. 1 StGB.
7
a) Das Landgericht ist zwar auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zutreffend davon ausgegangen, dass der 14jährige Nebenkläger zur Tatzeit infolge der festgestellten Beeinträchtigungen durch seinen schweren Alkoholrausch, mithin auf Grund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 179 Rdn. 9 b), unfähig war, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das Vorgehen der Angeklagten zu bilden, zu äußern und durchzusetzen, dass die Angeklagten dies erkannten und für ihr Vorhaben ausnutzten. Das Vorliegen einer sexuellen Handlung hat das Landgericht indes verneint. Die von den Angeklagten vorgenommenen Manipulationen seien nicht eindeutig und ausschließlich sexualbezogen gewesen. Vielmehr habe es sich unter Berücksichtigung der Gesamtum- stände um eine ambivalente Handlung, um einen "dummen Jungenstreich" gehandelt , der allein dazu gedient habe, den Nebenkläger zu demütigen und zum Gespött der Anderen zu machen. Eine deshalb erforderliche sexuelle Motivation der Angeklagten habe bei dem Geschehen keine Rolle gespielt.
8
b) Diese Wertung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat der Würdigung der Sexualbezogenheit des Vorgehens der Angeklagten einen falschen rechtlichen Maßstab zu Grunde gelegt.
9
Eine sexuelle Handlung im Sinne des § 179 Abs. 1 i.V.m. § 184 f Nr. 1 StGB liegt immer dann vor, wenn die Handlung objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Ist dies der Fall, kommt es auf die Motivation des Täters nicht an. Es ist deshalb gleichgültig, ob die Handlung etwa aus Wut, Sadismus, Scherz oder Aberglaube vorgenommen wird. Auch eine sexuelle Absicht des Täters ist in diesem Fall - anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen - nicht erforderlich (vgl. BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6; Hörnle in MünchKomm § 184 f Rdn. 2 ff.; Wolters/Horn in SK-StGB § 184 f Rdn. 2). Dies zu Grunde gelegt, steht hier das Vorliegen einer sexualbezogenen Handlung außer Frage. Die Angeklagten führten im Analbereich des entblößten Nebenklägers mit der Flasche Penetrationsbewegungen aus, und ahmten damit, worauf die Jugendkammer selbst hinweist, eindeutig homosexuelle Praktiken nach. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es - was nach den Feststellungen allerdings nahe liegt - zu einer Penetration kam. Soweit die Jugendkammer gleichwohl einen eindeutigen Sexualbezug des Vorgehens mit der Begründung in Frage gestellt hat, weder die Angeklagten noch das Tatopfer seien homosexuell veranlagt, die Angeklagten hätten den Übergriff ohne jede sexuelle Absicht im frei zugänglichen Wohnzimmer vorgenommen und ihr Vorgehen alsbald durch Vorzeigen des Vi- deofilms gegenüber Dritten offenbart, verkennt sie, dass diese Umstände - auch in ihrer Gesamtheit - für die Beurteilung, ob eine sexuelle Handlung vorliegt, unerheblich sind, wenn die Handlung, wie hier, schon rein objektiv einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Diesen Charakter verlor die Handlung der Angeklagten insbesondere nicht dadurch, dass ihrem Tun keine sexuelle Motivation zu Grunde lag. Dass das Vorgehen der Angeklagten eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutsbeeinträchtigung darstellte, mithin im Sinne des § 184 f Nr. 1 StGB von einiger Erheblichkeit war, liegt ebenfalls auf der Hand.
10
c) Eine Anwendung des § 179 Abs. 1 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil den Angeklagten das Bewusstsein fehlte, dass ihren Handlungen eine Sexualbezogenheit innewohnte (vgl. BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6). Diese von der Jugendkammer hilfsweise getroffene Feststellung zur subjektiven Tatseite ist nicht tragfähig begründet. Vielmehr weist das Landgericht selbst darauf hin, dass die Angeklagten mit ihrem Tun eine weitere Demütigung des Nebenklägers durch dessen Darstellung in einer "entwürdigenden Position" erreichen wollten. Wenn die Angeklagten jedoch das "Entwürdigende" ihres Tuns erkannten, ist damit nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen, dass sie die gerade aus der Sexualbezogenheit der Darstellung folgende Herabwürdigung ihres Tatopfers nicht in ihr Bewusstsein aufgenommen haben sollen. Dies hätte der näheren Erörterung bedurft.
11
3. Da die subjektive Tatseite des § 179 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, kann der Senat den Schuldspruch nicht ergänzen. Vielmehr führen die dargelegten Rechtsfehler zur Aufhebung des Urteils insgesamt, da das Tatgeschehen sachlich-rechtlich eine einheitliche Tat im Sinne des § 52 StGB bildet. Von der Aufhebung betroffen ist deshalb auch die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatvorgeschehen (Teil II. des Urteils bis UA 6, Ende des 1. Absatzes) und zum Nachtatgeschehen (ab UA 7, 3. Absatz) können jedoch aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind insoweit möglich, sofern sie zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
12
4. a) Sollte der neue Tatrichter die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns der Angeklagten (auch) nach § 179 Abs. 1 StGB feststellen, wird er, wovon die Jugendkammer - aus ihrer Sicht folgerichtig - bisher abgesehen hat, Gelegenheit haben zu erörtern, ob auch die Qualifikationstatbestände des § 179 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 StGB erfüllt sind (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 325 und NStZ 2000, 367).
13
b) Der neue Tatrichter wird ferner zu prüfen haben - was der Senat gemäß § 301 StPO zu Gunsten der Angeklagten zu beachten hat -, ob mit Blick auf den Vorwurf der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Filmaufnahmen nach § 201 a StGB ein wirksamer Strafantrag nach § 205 Abs. 1 StGB vorliegt. Zwar hat die Mutter des minderjährigen Tatopfers (§ 77 Abs. 3 StGB), Heike M. , rechtzeitig Strafantrag gestellt (SA Bl. 13). Nach Aktenlage kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Mutter des Nebenklägers nicht das alleinige Sorgerecht hatte, sie dieses vielmehr gemeinsam mit dem in der Hauptverhandlung als "gesetzlicher Vertreter des Nebenklägers" bezeichneten Michael M. , wohl dem Vater des Nebenklägers, ausübte. Im Falle einer bestehenden Ehe sind jedoch beide Elternteile nur gemeinsam antragsberechtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 1993 - 1 StR 299/93). Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Eltern als gesetzliche Vertreter nicht "mehrere" Antragsberechtigte im Sinne des § 77 Abs. 4 StGB (vgl.
Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 77 Rdn. 33). Es wird deshalb zu klären sein, ob der Vater des Nebenklägers gegebenenfalls mit der Stellung des Strafantrags durch die Mutter einverstanden war oder nachträglich innerhalb der Antragsfrist seine Zustimmung hierzu erteilt hat (vgl. BGH NJW 1956, 521; Stree/Sternberg-Lieben aaO § 77 Rdn. 16).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 561/11
vom
14. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Neben der Verletzung formellen Rechts beanstandet die Beschwerdeführerin mit der Sachrüge insbesondere die konkurrenzrechtliche Bewertung des Tatgeschehens durch das Landgericht und erstrebt eine Verurteilung auch wegen eines Verbrechens des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen hielt sich der u.a. wegen Vergewaltigung und Mordes vorbestrafte Angeklagte ab dem Frühjahr 2005 in den USA auf, wo er nach eigener Darstellung eine Model-Agentur betrieb. In der Folgezeit bot er einer früheren Nachbarin, der in Berlin lebenden Zeugin S. K. , an, in den USA eine Au-Pair-Stelle für deren Tochter, die am 5. Februar 1988 geborene Geschädigte E. K. , zu organisieren. S. K. ging auf diesen Vorschlag des mit ihr befreundeten Angeklagten ein, da sie sich für ihre Tochter im Anschluss an den für ein Jahr vorgesehenen Auslandsaufenthalt eine bessere berufliche Perspektive erhoffte. Nachdem der Angeklagte gegenüber der allein sorgeberechtigten S. K. bekundet hatte, er habe sich nunmehr um alles Erforderliche gekümmert und insbesondere eine Familie in Florida gefunden, bei der E. K. arbeiten könne, erklärte die Mutter ihr Einverständnis zu der Reise und gab ihre Tochter in die Obhut des Angeklagten.
3
1. Am 2. November 2005 reiste die damals 17 Jahre alte Geschädigte, die zuvor noch nie längere Zeit von ihrer Mutter getrennt gewesen und kaum der englischen Sprache mächtig war, allein in die USA zu dem Angeklagten. Dieser verbrachte die Geschädigte nach Fort Myers, wo sich beide für ca. zwei Wochen aufhielten. Spätestens dort eröffnete ihr der Angeklagte, dass sie die in Aussicht gestellte Au-Pair-Stelle nicht antreten, wohl aber bei einer von ihm - angeblich - betriebenen Model-Agentur eine Karriere starten könne. Die leichtgläubige und unerfahrene Geschädigte fühlte sich hierdurch geschmeichelt und stimmte zu. In der Folgezeit unterzeichnete sie ein in englischer Sprache gehaltenes und vom Angeklagten als Modelvertrag bezeichnetes Schriftstück, dessen Inhalt sie aufgrund fehlender Sprachkenntnisse jedoch nicht verstand. Anschließend erklärte der Angeklagte, dass sie für die angestrebte Modelkarriere an den Oberschenkeln abnehmen müsse. Hierzu sei es erforderlich, regelmäßig "Entwässerungstabletten" einzunehmen und einen Blasenkatheter zu legen. Die Geschädigte schenkte auch dieser Erklärung Glauben und bekundete deshalb ihr Einverständnis, sich von dem - entgegen seinen Behauptungen - medizinisch nicht aus- und vorgebildeten Angeklagten einen Dauerkatheter legen zu lassen. Nachdem der Angeklagte einen - ersten - Katheter gelegt hatte, fertigte er von der Geschädigten zwei Ganzkörpernacktaufnahmen, was er mit dem Erfordernis begründete, den Abnehmerfolg im Sinne eines "Vorher-NachherVergleichs" überprüfen zu müssen.
4
2. In der zweiten Novemberhälfte reiste der Angeklagte mit der Geschädigten nach Kanada, wo er diese Ende November oder Anfang Dezember 2005 aufforderte, sich den in ihre Harnröhre eingebrachten Katheter, den er zwischenzeitlich bereits einmal gewechselt hatte, entfernen und einen neuen - dritten - Dauerkatheter legen zu lassen. Die Geschädigte verweigerte dies zunächst , da sie mittlerweile unter erheblichen Schmerzen im Unterbauchbereich litt. Hierauf äußerte der Angeklagte, dass eine solche Weigerung einen Bruch des zuvor geschlossenen Modelvertrages bedeuten würde und sie deshalb eine Vertragsstrafe an ihn zu zahlen habe. Um sie weiter in seiner Abhängigkeit zu halten, gab er gegenüber der völlig mittellosen Geschädigten ferner wahrheitswidrig an, für sie finanzielle Forderungen eines Erpressers erfüllt zu haben, der mit der Veröffentlichung der von ihr gefertigten Nacktaufnahmen gedroht habe. Die zu diesem Zeitpunkt bereits verängstigte Geschädigte schenkte diesen Behauptungen Glauben und gestattete es, dass der Angeklagte den einliegenden Katheter entfernte und einen neuen, größeren Dauerkatheter in ihre Harnröhre einbrachte. Das Einlegen und Tragen der Katheter verursachte bei der Geschädigten u.a. eine schmerzhafte Harnblasenentzündung, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hatte.
5
3. Ferner verlangte der Angeklagte von der Geschädigten, für sogenannte "Fetisch-Nacktbilder" zu posieren. Dieses begründete er gegenüber der Geschädigten damit, dass er die Aufnahmen benötige, um geschlossene Verträge abzusichern bzw. um Schulden zu begleichen. Wiederum sah die Geschädigte aufgrund ihrer Unsicherheit und Leichtgläubigkeit keinen anderen Weg, als sich dem Ansinnen des Angeklagten zu beugen. Auf entsprechende Anweisung zog die Geschädigte ihren Slip aus und posierte auf einem Bett sitzend, wobei sie weisungsgemäß ihren Genitalbereich zur Schau stellte. Der Angeklagte fertigte sechs oder sieben Aufnahmen, die in der Folgezeit zumindest vorübergehend im Internet eingestellt und mit einem Eintrag versehen waren, aus dem Adresse und Telefonnummer der Geschädigten und der sinngemäße Zusatz „Ich bin für alles zu haben, mit mir kann man alles machen" hervorgingen. Den zugehörigen Link teilte der Angeklagte in der Folge auch der Mutter derGeschädigten mit.
6
4. Ende November/Anfang Dezember 2005 bat die Geschädigte den Angeklagten wegen ihrer anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen, den gelegten Blasenkatheter wieder zu entfernen. Der Angeklagte redete der erheblich verängstigten Geschädigten ein, dieser könne nur entfernt werden, wenn er zuvor einen Katheter in den After einführe und Analspülungen vornehme. Unter dem Eindruck der fortdauernden Schmerzwirkung des in der Blase einliegenden Katheters erklärte sich die Geschädigte mit dieser Prozedur einverstanden. Der Angeklagte führte darauf einen Katheter auch in den After der Geschädigten ein und nahm Spülungen mit "Beruhigungsöl" und Weißwein vor. Die Geschädigte verharrte weisungsgemäß und unter Schmerzen 45 Minuten lang mit dem Katheter im After, bevor der Angeklagte diesen wieder entfernte. Den Blasenkatheter beließ der Angeklagte gleichwohl weiter im Körper der Geschädigten, was er mit der unwahren Behauptung begründete, dieser sei verwachsen und lasse sich nicht entfernen.
7
In einem unbeobachteten Moment gelang der Geschädigten die Flucht zu einer kanadischen Familie, durch deren Vermittlung sie am 5. Dezember 2005 nach Deutschland zurückkehren konnte.

II.

8
Das Landgericht hat das Legen der Katheter als eine Tat der gefährlichen Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 225 Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet. Ein von der Geschädigten jedenfalls anfänglich erklärtes Einverständnis mit dem Anbringen der Katheter sei unwirksam, da dieses durch Täuschung im Hinblick auf die suggerierte Modelkarriere erwirkt und spätestens beim dritten Blasenkatheter wegen der anhaltenden Schmerzen widerrufen worden sei. Daneben liege in der Drohung mit hohen Geldforderungen eine Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB, weil die Geschädigte hierdurch zu ihr unangenehmen bzw. ungewollten Handlungen bewegt oder von Abwehrhandlungen gegen solche Handlungen abgehalten worden sei. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, namentlich eine sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB, seien hingegen nicht nachweisbar, weil ein sexueller Hintergrund für das Handeln des Angeklagten nicht feststellbar sei. Das Gesamtgeschehen sei als eine einzige materiell-rechtliche Tat zu werten, weil "die mit der Katheterlegung verwirklichte gefährliche Körperverletzung als Dauerdelikt die übrigen Delikte klammer(e)".

III.

9
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft dringt bereits mit der Sachbeschwerde durch; auf die daneben erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.
10
1. Das Urteil unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der abgeurteilten Taten unrichtig bestimmt hat.
11
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kommt der mit dem Legen der Katheter verwirklichten gefährlichen Körperverletzung eine Klammerwirkung nicht zu. Zwischen Dauerdelikten und anderen Straftaten, die während des Dauerzustands begangen werden, kann zwar Tateinheit bestehen, wenn sich die Ausführungshandlungen wenigstens in einem für die jeweilige Tatbestandserfüllung notwendigen Teil decken, also die zur Verwirklichung des einen Tatbestands beitragende Handlung zugleich der Begründung oder Aufrechterhaltung des durch das Dauerdelikt geschaffenen rechtswidrigen Zustandes dient (BGHSt 18, 29, 31; 29, 184, 186; 31, 29, 30; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rn. 23; v. Heintschel-Heinegg in MünchKomm-StGB 2. Aufl. § 52 Rn. 91 ff. jew. mwN). Indes handelt es sich bei den Körperverletzungsdelikten der §§ 223 ff. StGB nicht um Dauer-, sondern um sog. Zustandsdelikte, bei denen es nicht auf die Aufrechterhaltung eines widerrechtlichen Zustandes ankommt. Deren Begehung ist vielmehr bereits mit der Herbeiführung des vom jeweiligen Tatbestand umschriebenen Zustandes beendet (vgl. BGH NJW 1983, 1745, 1746; Fischer StGB 59. Aufl. Vor § 52 Rn. 58; v. Heintschel-Heinegg aaO § 52 Rn. 28). Auch durch ein Fortwirken ihres tatbestandlichen Erfolges, etwa anhaltende Schmerzen, wird die Körperverletzung nicht zu einem Dauerdelikt (Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. Vorbem. § 52 ff. Rn. 82 a.E.).
12
b) Die festgestellten Handlungen des Angeklagten können auch nicht deshalb als eine Tat bewertet werden, weil "von einem einheitlichen Vorsatz des Angeklagten bezüglich der gefährlichen Körperverletzung auszugehen (war), da der Angeklagte der Geschädigten einen Dauerkatheter legen wollte und diesen 'lediglich' erneuerte" (vgl. UA S. 23). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass nach den getroffenen Feststellungen bereits offen bleibt, ob ein solcher Gesamtvorsatz auch das Legen des Analkatheters und das Anfertigen der "Fetisch-Nacktbilder" umfasste. Die Annahme von Tateinheit würde jedenfalls aber ein Zusammentreffen mehrerer objektiver Tatbestandsverwirklichungen in einem einheitlichen Handlungsablauf voraussetzen. Ein Zusammentreffen nur im subjektiven Bereich genügt demgegenüber nicht (BGHSt 43, 149, 151; Fischer aaO Vor § 52 Rn. 24; Eschelbach in S/S/W-StGB § 52 Rn. 52). An einem solchen Zusammentreffen objektiver Tatbestandsverwirklichungen fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob - wofür einiges spricht - nicht schon das Legen des ersten und zweiten Blasenkatheters jeweils eine von der erschlichenen Einwilligung der Geschädigten nicht gedeckte körperliche Misshandlung beinhaltete (vgl. BGHSt 16, 309, 310; BGH NStZ 2004, 442). Nach den getroffenen Feststellungen lagen jedenfalls dem schmerzhaften Legen des dritten Blasenkatheters, der Anfertigung der sog. "Fetisch-Nacktbilder" sowie dem ebenfalls mit Schmerzen verbundenen Legen des Analkatheters jeweils separate Tathandlungen zugrunde, wovon im Übrigen auch die Anklage ausgeht. Dass der Angeklagte die Vornahme dieser Handlungen teilweise durch Nötigungsmittel ermöglicht hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn der Angeklagte nutzte hierbei nicht lediglich die Wirkungen einer früheren, bereits vor der ersten Tathandlung geäußerten Drohung aus, sondern erneuerte diese auf der Grundlage eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses. Während dem Einlegen des Blasenkatheters die Behauptung einer angeblich anfallenden Vertragsstrafe und zu erstattender Auslagen vorausging, sollten die "Fetisch- Nacktbilder" dazu dienen, angebliche Verträge abzusichern und Schulden zu begleichen. Das Legen des Analkatheters wiederum duldete die Geschädigte lediglich vor dem Hintergrund ihrer anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen und der Behauptung des Angeklagten, diese Prozedur sei zur Entfernung des einliegenden Blasenkatheters unerlässlich.
13
c) Das festgestellte Gesamtgeschehen wird auch nicht im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit zu einer einheitlichen Tat verbunden. Der Begriff der natürlichen Handlungseinheit setzt voraus, dass der Handelnde den auf die Erzielung eines Erfolges in der Außenwelt gerichteten einheitlichen Willen durch eine Mehrheit gleichgearteter Akte betätigt und diese einzelnen Betätigungsakte aufgrund ihres räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs objektiv erkennbar derart zusammengehören, dass sie nach der Auffassung des Lebens eine Handlung bilden (st. Rspr. vgl. BGHSt 41, 368; 43, 312, 315; BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 4, 6, 12 sowie Fischer aaO Vor § 52 Rn. 3; Rissing-van Saan aaO Vor § 52 Rn. 10; v. HeintschelHeinegg aaO § 52 Rn. 55). Wie bereits ausgeführt fehlt es hierfür bereits an der Feststellung eines einheitlich gefassten Willens bezogen auf das Legen der Blasenkatheter einerseits und das Anfertigen der "Fetisch-Nacktaufnahmen" bzw. das Legen des Analkatheters andererseits. Zudem mangelt es auch an einem hinreichend engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang der im Abstand von mehreren Tagen an unterschiedlichen Orten vorgenommenen Tathandlungen. Aus diesen Gründen kommt auch bei Verwirklichung des § 225 StGB die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit zwischen dem Legen des dritten Blasenkatheters einerseits und dem Einbringen des Analkatheters andererseits nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 304, 306; Fischer aaO § 225 Rn. 8a).
14
d) Der demnach gebotenen eigenständigen Betrachtung und Bewertung der verschiedenen Handlungsakte war die Strafkammer auch nicht aufgrund einer wirksamen Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO enthoben. Dem liegt folgendes prozessuale Geschehen zu Grunde:
15
Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung am 22. März 2011 folgenden rechtlichen Hinweis erteilt: "1) Es kommt eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) - Setzen bzw. Nichtentfernen von Kathetern - in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) - "Vertragsstrafe" - und mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr. 3 StGB) in Betracht.
2) Es wird angeregt, das Verfahren gemäß Nr. 1 zu beschränken..."
16
Daraufhin beantragte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft , "das Verfahren entsprechend dem Hinweis zu Punkt 1 zu beschränken" , worauf die Kammer nach Beratung einen Beschluss mit dem Inhalt verkündete: "Entsprechend soll verfahren werden".
17
Selbst wenn - was aufgrund des insoweit unklaren Beschlussinhalts höchst zweifelhaft ist - die Strafkammer hierdurch eine Einstellung von materiell rechtlich selbständigen Taten nach § 154 Abs. 2 StPO beabsichtigt haben sollte, liefe eine solche Beschränkung ins Leere. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass eine Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO schon aufgrund der fehlenden Konkretisierung der eingestellten Tatvorwürfe unwirksam wäre (vgl. Beulke in LR StPO 26. Aufl. § 154 Rn. 43; Weßlau in SK-StPO 4. Aufl. § 154 Rn. 33), weil völlig offen bliebe, welche der von der Anklage bezeichneten Taten das Landgericht bei seiner Einstellungsentscheidung im Blick gehabt hätte. Soweit das Landgericht eine Beschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO vornehmen wollte, wogegen bereits spricht, dass es sich in den Urteilsgründen mit möglicherweise tateinheitlich verwirklichten Tatbeständen des 13. Abschnitts des StGB inhaltlich auseinandergesetzt hat, wäre eine solche aufgrund der unklaren Formulierung und inhaltlichen Unbestimmtheit ebenfalls unwirksam (vgl. BGH NStZ 2002, 489 sowie Beschluss vom 7. Februar 2001 - 3 StR 579/00; Beulke aaO § 154a Rn. 8; Plöd in KMR 46. EL April 2007 § 154a Rn. 13).
18
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen daneben die Erwägungen , mit denen das Landgericht das Vorliegen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verneint hat.
19
a) Das Landgericht hat bei der Prüfung der Sexualbezogenheit der vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen einen falschen rechtlichen Maßstab zu Grunde gelegt. Es hat gemeint, sexuelle Handlungen bzw. ein sexueller Hintergrund seien nicht nachweisbar, weil der Angeklagte "vehement bestritten" habe, dass das Legen der Katheter sexuell intendiert war oder ihn erregt habe, und die Hauptverhandlung gegenteilige Indizien und Beweise nicht erbracht habe.
20
Jedoch kommt es bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, eindeutig sexualbezogenen Handlungen auf die Motivation des Täters nicht an. Gleichgültig ist deshalb, ob er die Handlung etwa aus Wut, Sadismus, Scherz oder Aberglaube vornimmt. Auch eine sexuelle Absicht des Täters ist bei solchen Handlungen - im Unterschied zu äußerlich ambivalenten Handlungen - nicht erforderlich. Insoweit reicht es aus, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 6; BGH NStZ-RR 2008, 339, 340; Laufhütte/Roggenbuck in LK 12. Aufl. § 184g Rn. 8).
21
Dies zugrunde gelegt drängt sich aufgrund der festgestellten Gesamtumstände jedenfalls für das Anfertigen der sog. "Fetisch-Nacktbilder" die Annahme einer eindeutig sexualbezogenen Handlung auf, was jedenfalls den Tatbestand eines besonders schweren Falls der Nötigung im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt. Dass der Angeklagte die Sexualbezogenheit seines Handelns auch erkannt hat, kann hier schon im Hinblick auf das spätere Einstellen der Bilder in das Internet nicht zweifelhaft sein.
22
b) Ob - was nahe liegt - auch dem Legen der Blasen- und des Analkatheters nach den Gesamtumständen bereits objektiv ein eindeutiger Sexualbezug beizumessen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn man insoweit lediglich von sexuell ambivalenten Handlungen ausgehen und deshalb eine sexuelle Absicht des Täters verlangen würde (BGH NStZ-RR 2008, 339, 340; vgl. auch Fischer aaO § 184g Rn. 4a; Hörnle in MünchKomm-StGB 2. Aufl. § 184g Rn. 4; Perron/Eisele in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 184g Rn. 9 jew. mwN auch zur Gegenansicht), trägt die Begründung des Landgerichts nicht. So sind die Ausführungen zur Motivlage des Angeklagten lückenhaft und lassen wesentliche, für eine sexuelle Tatmotivation sprechende Gesichtspunkte unerörtert. Insbesondere hat sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt , welchem anderen Zweck als der sexuellen Bedürfnisbefriedigung das - medizinisch augenscheinlich sinnlose - Legen der Katheter hätte dienen sollen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte bereits unmittelbar nach dem Legen des ersten Blasenkatheters zwei Ganzkörpernacktaufnahmen von der Geschädigten angefertigt und die später von der Geschädigten angefertigten "Fetisch-Nacktaufnahmen" ins Internet eingestellt und mit dem eindeutig sexualbezogenen Zusatz: "Ich bin für alles zu haben, mit mir kann man alles machen" versehen hat. Für eine sexuelle Absicht bereits bei der Tatbegehung sprechen zudem die Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten, mit denen sich das Landgericht nicht erkennbar auseinander gesetzt hat. Der Angeklagte hat wiederholt aus sexueller Intention schlauchähnliche Gegenstände verwendet bzw. sich verschafft. So hatte der Angeklagte bei zwei früher begangenen Vergewaltigungen einem Tatopfer einen PlastikKühlschlauch in die Scheide eingeführt und nach den hier angeklagten Taten bei einem "Klinik-Sex-Shop" u.a. mehrere Ballonkatheter bestellt und erhalten.
23
c) Das Landgericht hat sich hierdurch den Blick darauf verstellt, dass die Analspülung unter der Drohung, ansonsten den schmerzhaften Blasenkatheter nicht zu entfernen, geeignet sein kann, den Tatbestand des § 177 StGB zu erfüllen. Unerörtert gelassen hat das Landgericht zudem den sich im Hinblick auf das Legen der Blasen- bzw. des Analkatheters ebenfalls aufdrängenden Tatbestand des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
24
3. Die Sache bedarf somit insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zu prüfen und zudem zu beachten haben, dass für durch Zahlung erledigte, ursprünglich gesamtstrafenfähige Geldstrafen kein Härteausgleich zu gewähren ist (vgl. BGH NStZ 1990, 436; Fischer aaO § 55 Rn. 21a).
Ernemann Fischer Appl Schmitt Ott

Wer der Prostitution

1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder
2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

5 StR 417/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Raum als Vorsitzender,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin P.
als Vertreterin für die Nebenklägerin M. ,
Rechtsanwältin We.
als Vertreterin für die Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin für die Nebenklägerin R. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und – betreffend den Fall 4 – der Nebenklägerin K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen 4, 6 und 7 aufrechterhalten; insoweit werden die Revisionen verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in sieben Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und hinsichtlich Fall 4 die Nebenklägerin K. mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der zur Tatzeit 21-jährige, im elterlichen Haushalt lebende, „ge- hemmte und eigenwillig sperrige“ (UA S. 5) Angeklagte fühlte sich nach der Trennung von seiner Freundin oft einsam. Er war auf der Suche nach körperlicher Nähe, die er besonders beim Küssen empfand. Aus diesem Grund näherte er sich in sieben Fällen zwischen dem 12. August 2008 und dem 17. Januar 2009 in seinem Wohnumfeld auf offener Straße jungen, ihm unbekannten Frauen, die ihn optisch ansprachen, umfasste sie jeweils von hinten und hielt sie fest. In einigen Fällen küsste er sie (Taten 1 und 3) oder verlangte , sie sollten ihn küssen (Tat 6), und berührte sie über der Kleidung an den Brüsten oder im Genitalbereich (Taten 2 bis 6). Er ließ jeweils von den Frauen ab, als sie sich wehrten oder Dritte auf das Geschehen aufmerksam wurden. Zwei der Frauen trugen leichte körperliche Verletzungen davon (Taten 3 und 7).
4
b) Das Landgericht hat sämtliche Taten als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB gewertet und in den Fällen 3 und 7 jeweils tateinheitlich hierzu eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angenommen. Eine Strafbarkeit wegen – vollendeter oder versuchter – sexueller Nötigung hat es in allen Fällen verneint. Eine sexuelle Handlung liege nicht vor, da es an der gemäß § 184g Nr. 1 StGB erforderlichen Erheblichkeit fehle. Bei den vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen handele es sich um Zudringlichkeiten und nur ganz flüchtige Berührungen oberhalb der Bekleidung. Da der Angeklagte nicht mehr erstrebt habe als in Küssen und Umarmung bestehende Nähe, scheide auch eine Strafbarkeit wegen versuchter sexueller Nötigung aus. Von einer solchen wäre der Angeklagte im Übrigen in jedem der Fälle gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten.
5
2. Das angefochtene Urteil begegnet schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der vom Angeklagten verfolgten Ziele und damit zu seinem Tatvorsatz lückenhaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
6
Die Strafkammer ist der Einlassung des Angeklagten, er sei lediglich auf der Suche nach körperlicher Nähe („Kuscheln“, UA S. 3) gewesen, ge- folgt, ohne dem widersprechende Umstände zu erwägen. Schon die vom Angeklagten durchweg gewählte Art der Kontaktaufnahme – überraschendes gewaltsames Umfassen der jungen ihm unbekannten Frauen auf offener Straße von hinten – war offensichtlich ungeeignet, das vom Angeklagten behauptete Handlungsziel zu erreichen. Zudem hat der Angeklagte Handlungen vorgenommen, die über das angegebene Ziel hinausgingen und ersichtlich auf eine sexuelle Annäherung ausgerichtet waren:
7
In den Fällen 2 und 5 fasste er die Frauen an die Brust und den Genitalbereich , ohne dass ein von ihm erstrebtes Küssen als Ausdruck der körperlichen Nähe überhaupt angesprochen oder versucht wurde. Im Fall 4 umfasste er – seine Hose stand dabei offen – die Nebenklägerin K. und berührte die Frau für wenige Sekunden an den Brüsten, ohne sie zu küssen oder dies zu versuchen. Das gleiche gilt im Fall 7, als er den Mund der Frau zuhielt. Im Fall 3 berührte er zunächst nach Öffnen eines Reißverschlusses die Brust der Frau und verlangte „richtiges Küssen“ erst, nachdem er die Frau so fest gegen eine Wand gedrückt hatte, dass sie Hämatome davontrug.
8
3. Die Tatserie bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Nachdem das Landgericht die Einlassung des Angeklagten fehlerhaft bewertet hat, muss der Senat auch die objektiven Feststellungen in den Fällen aufheben , in denen diese allein auf der Einlassung des Angeklagten beruhen.
9
Das neue Tatgericht wird zu bedenken haben, dass als erheblich im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB solche Handlungen zu werten sind, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324). Bei der am Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung orientierten Bewertung sind auch die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens einzubeziehen und neben den näheren Umständen der Handlung die Beziehung zwischen den Beteiligten und die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StraFo 2006, 251; BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 – 1 StR 95/89, NJW 1989, 3029; LK-Laufhütte/Roggenbuck , StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 12). Eine ergänzende Betrachtung des Gesamtzusammenhangs ist insbesondere dann geboten, wenn die Handlungen für sich genommen in ihrer sexuellen Ausprägung nicht besonders gravierend oder nachhaltig sind. In die Bewertung wird deshalb hier neben der (zum Teil eher geringen) Intensität der sexuellen Handlungen einzustellen sein, dass der Angeklagte jeweils ihm unbekannte Frauen überraschend und unvermittelt von hinten angriff und sie unter beträchtlicher Kraftentfaltung körperlich so heftig bedrängte, dass sich die Frauen ihm nur durch erhebliche körperliche Gegenwehr entziehen konnten.
10
Aufgrund des engen Zusammenhangs der schon länger zurückliegenden Taten wird wiederum die Festsetzung einer die Einzelstrafen eng zusammenfassenden Gesamtstrafe geboten sein. Auch könnten die Erwägungen des angefochtenen Urteils zur Strafaussetzung zur Bewährung auch in Ansehung eines geänderten Schuldspruchs tragfähig bleiben.
Raum Brause Schaal Schneider König

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen jugendpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; jugendpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person,
b)
die Wiedergabe einer ganz oder teilweise unbekleideten vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen jugendpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen jugendpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen, oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Absatz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 5, und Absatz 3 sind nicht anzuwenden auf Handlungen von Personen in Bezug auf einen solchen jugendpornographischen Inhalt, den sie ausschließlich zum persönlichen Gebrauch mit Einwilligung der dargestellten Personen hergestellt haben.

(5) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 1 Nummer 2 und 4 sowie Absatz 3.

(6) § 184b Absatz 5 bis 7 gilt entsprechend.

5 StR 417/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Raum als Vorsitzender,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin P.
als Vertreterin für die Nebenklägerin M. ,
Rechtsanwältin We.
als Vertreterin für die Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin für die Nebenklägerin R. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und – betreffend den Fall 4 – der Nebenklägerin K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen 4, 6 und 7 aufrechterhalten; insoweit werden die Revisionen verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in sieben Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und hinsichtlich Fall 4 die Nebenklägerin K. mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der zur Tatzeit 21-jährige, im elterlichen Haushalt lebende, „ge- hemmte und eigenwillig sperrige“ (UA S. 5) Angeklagte fühlte sich nach der Trennung von seiner Freundin oft einsam. Er war auf der Suche nach körperlicher Nähe, die er besonders beim Küssen empfand. Aus diesem Grund näherte er sich in sieben Fällen zwischen dem 12. August 2008 und dem 17. Januar 2009 in seinem Wohnumfeld auf offener Straße jungen, ihm unbekannten Frauen, die ihn optisch ansprachen, umfasste sie jeweils von hinten und hielt sie fest. In einigen Fällen küsste er sie (Taten 1 und 3) oder verlangte , sie sollten ihn küssen (Tat 6), und berührte sie über der Kleidung an den Brüsten oder im Genitalbereich (Taten 2 bis 6). Er ließ jeweils von den Frauen ab, als sie sich wehrten oder Dritte auf das Geschehen aufmerksam wurden. Zwei der Frauen trugen leichte körperliche Verletzungen davon (Taten 3 und 7).
4
b) Das Landgericht hat sämtliche Taten als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB gewertet und in den Fällen 3 und 7 jeweils tateinheitlich hierzu eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angenommen. Eine Strafbarkeit wegen – vollendeter oder versuchter – sexueller Nötigung hat es in allen Fällen verneint. Eine sexuelle Handlung liege nicht vor, da es an der gemäß § 184g Nr. 1 StGB erforderlichen Erheblichkeit fehle. Bei den vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen handele es sich um Zudringlichkeiten und nur ganz flüchtige Berührungen oberhalb der Bekleidung. Da der Angeklagte nicht mehr erstrebt habe als in Küssen und Umarmung bestehende Nähe, scheide auch eine Strafbarkeit wegen versuchter sexueller Nötigung aus. Von einer solchen wäre der Angeklagte im Übrigen in jedem der Fälle gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten.
5
2. Das angefochtene Urteil begegnet schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der vom Angeklagten verfolgten Ziele und damit zu seinem Tatvorsatz lückenhaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
6
Die Strafkammer ist der Einlassung des Angeklagten, er sei lediglich auf der Suche nach körperlicher Nähe („Kuscheln“, UA S. 3) gewesen, ge- folgt, ohne dem widersprechende Umstände zu erwägen. Schon die vom Angeklagten durchweg gewählte Art der Kontaktaufnahme – überraschendes gewaltsames Umfassen der jungen ihm unbekannten Frauen auf offener Straße von hinten – war offensichtlich ungeeignet, das vom Angeklagten behauptete Handlungsziel zu erreichen. Zudem hat der Angeklagte Handlungen vorgenommen, die über das angegebene Ziel hinausgingen und ersichtlich auf eine sexuelle Annäherung ausgerichtet waren:
7
In den Fällen 2 und 5 fasste er die Frauen an die Brust und den Genitalbereich , ohne dass ein von ihm erstrebtes Küssen als Ausdruck der körperlichen Nähe überhaupt angesprochen oder versucht wurde. Im Fall 4 umfasste er – seine Hose stand dabei offen – die Nebenklägerin K. und berührte die Frau für wenige Sekunden an den Brüsten, ohne sie zu küssen oder dies zu versuchen. Das gleiche gilt im Fall 7, als er den Mund der Frau zuhielt. Im Fall 3 berührte er zunächst nach Öffnen eines Reißverschlusses die Brust der Frau und verlangte „richtiges Küssen“ erst, nachdem er die Frau so fest gegen eine Wand gedrückt hatte, dass sie Hämatome davontrug.
8
3. Die Tatserie bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Nachdem das Landgericht die Einlassung des Angeklagten fehlerhaft bewertet hat, muss der Senat auch die objektiven Feststellungen in den Fällen aufheben , in denen diese allein auf der Einlassung des Angeklagten beruhen.
9
Das neue Tatgericht wird zu bedenken haben, dass als erheblich im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB solche Handlungen zu werten sind, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324). Bei der am Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung orientierten Bewertung sind auch die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens einzubeziehen und neben den näheren Umständen der Handlung die Beziehung zwischen den Beteiligten und die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StraFo 2006, 251; BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 – 1 StR 95/89, NJW 1989, 3029; LK-Laufhütte/Roggenbuck , StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 12). Eine ergänzende Betrachtung des Gesamtzusammenhangs ist insbesondere dann geboten, wenn die Handlungen für sich genommen in ihrer sexuellen Ausprägung nicht besonders gravierend oder nachhaltig sind. In die Bewertung wird deshalb hier neben der (zum Teil eher geringen) Intensität der sexuellen Handlungen einzustellen sein, dass der Angeklagte jeweils ihm unbekannte Frauen überraschend und unvermittelt von hinten angriff und sie unter beträchtlicher Kraftentfaltung körperlich so heftig bedrängte, dass sich die Frauen ihm nur durch erhebliche körperliche Gegenwehr entziehen konnten.
10
Aufgrund des engen Zusammenhangs der schon länger zurückliegenden Taten wird wiederum die Festsetzung einer die Einzelstrafen eng zusammenfassenden Gesamtstrafe geboten sein. Auch könnten die Erwägungen des angefochtenen Urteils zur Strafaussetzung zur Bewährung auch in Ansehung eines geänderten Schuldspruchs tragfähig bleiben.
Raum Brause Schaal Schneider König

Wer der Prostitution

1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder
2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Angehöriger:wer zu den folgenden Personen gehört:
a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
2.
Amtsträger:wer nach deutschem Recht
a)
Beamter oder Richter ist,
b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
2a.
Europäischer Amtsträger:wer
a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist,
b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder
c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
3.
Richter:wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist;
4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:wer, ohne Amtsträger zu sein,
a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder
b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist;
5.
rechtswidrige Tat:nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;
6.
Unternehmen einer Tat:deren Versuch und deren Vollendung;
7.
Behörde:auch ein Gericht;
8.
Maßnahme:jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung;
9.
Entgelt:jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.

(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.

(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 5/04
vom
1. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Juli 2004 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 7. Oktober 2003 im Maßregelausspruch aufgehoben; der Ausspruch entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexue llen Mißbrauchs eines Kindes in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs eines Jugendlichen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es ihm seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwölf Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Maßregelausspruchs Erfo lg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Soweit der Angeklagte im Fall II. 3 wegen sexuell en Mißbrauchs eines Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB verurteilt worden ist, hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte dem 14jährigen Martin Sch. gegenüber wahrheitswidrig als Produzent pornografischer Filme ausgegeben und ihm angeboten, für eine Gage von 10.000 Euro als Darsteller in einem solchen Film mitzuwirken. Unter dem Vorwand, die Geeignetheit als Darsteller feststellen zu müssen, führte der Angeklagte an dem Jugendlichen den Oralverkehr durch und sagte ihm im Anschluß daran die Teilnahme am "Casting" zu. Martin Sch. ließ die sexuelle Handlung im Hinblick auf die ihm vom Angeklagten in Aussicht gestellte Gage über sich ergehen.
Die Jugendkammer ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Angeklagte die sexuellen Handlungen an dem Jugendlichen "gegen Entgelt" vorgenommen hat. Entgelt im Sinne des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB). Tatbestandsmäßig sind Vermögensvorteile jedweder Art. Für die Verwirklichung des Tatbestandes ist es ausreichend, daß sich Täter und Opfer vor oder spätestens während des sexuellen Kontakts darüber einig sind, daß der Vermögensvorteil die Gegenleistung für das Sexualverhalten des Jugendlichen sein soll. Hierbei ist es unerheblich, ob die Vereinbarung rechtlich wirksam ist oder ob die Gegenleistung tatsächlich erbracht wird. Vielmehr genügt es, wenn der Jugendliche zur Duldung oder Vornahme der sexuellen Handlung durch die Entgeltvereinbarung wenigstens mitmotiviert wird, da er schon hierdurch die Erfahrung der Käuflichkeit sexueller Handlungen macht, die seine ungestörte sexuelle Entwicklung nachhaltig negativ beeinflussen kann (vgl. BTDrucks. 12/4584 S. 8; BGH NStZ 1995, 540; NJW 2000, 3726 f.; Horn/Wolters in SK-StGB
§ 182 Rdn. 5 und § 180 Rdn. 29; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 180 Rdn. 14; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 11 Rdn. 31; Kusch/Mössle NJW 1994, 1504 ff.). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das Landgericht bereits das Angebot des Angeklagten, dem Jugendlichen eine gut dotierte Rolle in einem Pornofilm verschaffen zu wollen, als vermögenswerte Gegenleistung für das Dulden der sexuellen Handlungen angesehen hat. Dem steht nicht entgegen, daß dieses Angebot nur zur Täuschung des Jugendlichen diente. Maßgeblich ist vielmehr, daß Martin Sch. , wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, allein im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Gage zur Duldung der sexuellen Handlung bereit war.
2. Der auf §§ 69, 69 a StGB gestützte Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte, der die sexuellen Handlungen in den Fällen II. 1 und 2 an dem 13jährigen Henrik B. und im Fall II. 3 an dem 14jährigen Martin Sch. jeweils in seinem Fahrzeug, das er zuvor in ein Waldstück gesteuert hatte, vornahm, sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, "da er seinen Pkw zur Straftatbegehung einsetzte". Diese Erwägung vermag die Maßregelanordnung nicht zu tragen.
Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Rechtsprechung verlangt deshalb in diesen Fällen regelmäßig eine nähere Begründung der Entscheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung (st. Rspr.; vgl. BGH StV 1994, 314; BGH NZV 2003, 46 und
199). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht und zwar ungeachtet der (streitigen) Frage, ob - wie der erkennende Senat meint - zwischen den einzelnen Taten und der Verkehrssicherheit ein (verkehrsspezifischer ) Zusammenhang zu fordern ist (vgl. hierzu BGH StV 2004, 128; BGH NStZ 2004, 144 und BGH, Beschluß vom 13. Mai 2004 - 1 ARs 31/03). Eine derartige Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Da auch eine Gesamtbetrachtung der getroffenen Feststellungen, wonach die Benutzung des Kraftfahrzeugs für die Tatbegehung hier lediglich eine untergeordnete Rolle spielte, keine Gründe für die Annahme der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen erkennen läßt und auszuschließen ist, daß aufgrund neuer Hauptverhandlung eine charakterliche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen festgestellt werden kann, hebt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Maßregelanordnung auf und läßt sie entfallen.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien Maatz Kuckein ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben Maatz
Ernemann Sost-Scheible
5 StR 315/05

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof K
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger,
Rechtsanwältin Gr
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. März 2005 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist,
b) soweit der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sex uellen Missbrauchs eines Kindes in 28 Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in einem Fall (Fall II. 2 der Urteilsgründe) unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die auf die Überprüfung des letztgenannten Falls und des Teilfreispruchs wirksam beschränkte Revision des Nebenklägers hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den Urteilsfeststellungen übte der Angeklagte m it dem am 5. Juni 1988 geborenen Nebenkläger bis zu dessen 14. Geburtstag in mindestens 28 Fällen den Oral- und Analverkehr aus. Danach fanden noch sieben weitere gleich geartete sexuelle Handlungen zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger statt, wobei die letzte sexuelle Handlung am 15. September 2002 mit Billigung des Angeklagten von einem zwölfjährigen Freund des Nebenklägers beobachtet wurde.
Das Landgericht hat die vor dem 14. Geburtstag des Nebe nklägers begangenen sexuellen Aktivitäten zutreffend als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes und die Vornahme des Oralverkehrs vor dem zwölfjährigen Freund des Nebenklägers als sexuellen Missbrauch eines Kindes (§ 176 Abs. 1, § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB jeweils in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung) bewertet. Hinsichtlich der sieben nach dem 14. Geburtstag des Nebenklägers erfolgten sexuellen Handlungen hat das Landgericht die Annahme des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen im Sinne von § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB (Ausnutzung der Unfähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung) abgelehnt, den Angeklagten insoweit in sechs Fällen freigesprochen und hinsichtlich der Tat vom 15. September eine zusätzliche Strafbarkeit des Angeklagten verneint.
2. Zu Recht beanstandet der Nebenkläger, dass die Stra fkammer die nach seinem 14. Geburtstag erfolgten sexuellen Handlungen entgegen ihrer umfassenden Kognitionspflicht nicht auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB (sexuelle Handlung gegen Entgelt) geprüft hat.
Dass dessen Voraussetzungen gegeben sein können, liegt nach den Urteilsfeststellungen keineswegs fern. Danach hat der Angeklagte deutlich gemacht, dass es bei Ablehnung der sexuellen Kontakte keinerlei gemeinsame Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel Zoobesuche, Besuche im Schwimmbad, Einladungen zu Mc Donalds, mehr geben würde. Ferner erhielt der Nebenkläger Süßigkeiten, Geschenke und auch kleinere finanzielle Zuwendungen. Die sexuellen Handlungen hatten für den Nebenkläger – so die Urteilsausführungen – keine tiefere Bedeutung, sondern wurden von ihm lediglich als Mittel zum Zweck, Erhalt des väterlichen Freundes, angesehen. „Zudem folgten den sexuellen Handlungen Freizeitaktivitäten und auch kleinere materielle Zuwendungen, die er gern entgegennahm.“ Diese Feststellungen legen die Annahme nahe, dass der Angeklagte die sexuellen Handlungen an dem Nebenkläger auch nach dessen 14. Geburtstag „gegen Entgelt“ vorgenommen hat. Entgelt im Sinne von § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB ist jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB). Tatbestandsmäßig sind Vermögensvorteile jedweder Art. Für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB reicht es aus, dass sich Täter und Opfer vor oder spätestens während des sexuellen Kontaktes darüber einig sind, dass der Vermögensvorteil die Gegenleistung für das Sexualverhalten des Jugendlichen sein soll. Dabei ist es ausreichend, wenn der Jugendliche zur Duldung oder Vornahme der sexuellen Handlung durch die Entgeltvereinbarung wenigstens mitmotiviert wird, da er schon hierdurch die Erfahrung der Käuflichkeit sexueller Handlungen macht, die seine ungestörte sexuelle Entwicklung nachhaltig negativ beeinflussen kann (vgl. BGHR StGB § 182 Abs. 1 Nr. 1 Entgelt 1 m.w.N.).
3. Danach kann die Freisprechung des Angeklagten keinen B estand haben. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die nicht unbedenkliche Begründung des Landgerichts zur Verneinung der Voraussetzungen des § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB (UA S. 10 ff.) rechtlicher Überprüfung standhalten würde. Die Sache bedarf ohnehin neuer tatrichterlicher Würdigung.
Soweit der Angeklagte wegen der Tat vom 15. Septem ber 2002 nur wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB und nicht auch wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB verurteilt worden ist, kann auch der für sich genommen rechtsfehlerfreie Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht bestehen bleiben, da der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen im vorliegenden Fall hierzu in Tateinheit stünde. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Wer der Prostitution

1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder
2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, beharrlich zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Wer sexuellen Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an oder vor einem Dritten oder sexuellen Handlungen eines Dritten an einer Person unter sechzehn Jahren

1.
durch seine Vermittlung oder
2.
durch Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit
Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 Nr. 2 ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Vorschubleisten seine Erziehungspflicht gröblich verletzt.

(2) Wer eine Person unter achtzehn Jahren bestimmt, sexuelle Handlungen gegen Entgelt an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, oder wer solchen Handlungen durch seine Vermittlung Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Im Fall des Absatzes 2 ist der Versuch strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 561/11
vom
14. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Neben der Verletzung formellen Rechts beanstandet die Beschwerdeführerin mit der Sachrüge insbesondere die konkurrenzrechtliche Bewertung des Tatgeschehens durch das Landgericht und erstrebt eine Verurteilung auch wegen eines Verbrechens des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen hielt sich der u.a. wegen Vergewaltigung und Mordes vorbestrafte Angeklagte ab dem Frühjahr 2005 in den USA auf, wo er nach eigener Darstellung eine Model-Agentur betrieb. In der Folgezeit bot er einer früheren Nachbarin, der in Berlin lebenden Zeugin S. K. , an, in den USA eine Au-Pair-Stelle für deren Tochter, die am 5. Februar 1988 geborene Geschädigte E. K. , zu organisieren. S. K. ging auf diesen Vorschlag des mit ihr befreundeten Angeklagten ein, da sie sich für ihre Tochter im Anschluss an den für ein Jahr vorgesehenen Auslandsaufenthalt eine bessere berufliche Perspektive erhoffte. Nachdem der Angeklagte gegenüber der allein sorgeberechtigten S. K. bekundet hatte, er habe sich nunmehr um alles Erforderliche gekümmert und insbesondere eine Familie in Florida gefunden, bei der E. K. arbeiten könne, erklärte die Mutter ihr Einverständnis zu der Reise und gab ihre Tochter in die Obhut des Angeklagten.
3
1. Am 2. November 2005 reiste die damals 17 Jahre alte Geschädigte, die zuvor noch nie längere Zeit von ihrer Mutter getrennt gewesen und kaum der englischen Sprache mächtig war, allein in die USA zu dem Angeklagten. Dieser verbrachte die Geschädigte nach Fort Myers, wo sich beide für ca. zwei Wochen aufhielten. Spätestens dort eröffnete ihr der Angeklagte, dass sie die in Aussicht gestellte Au-Pair-Stelle nicht antreten, wohl aber bei einer von ihm - angeblich - betriebenen Model-Agentur eine Karriere starten könne. Die leichtgläubige und unerfahrene Geschädigte fühlte sich hierdurch geschmeichelt und stimmte zu. In der Folgezeit unterzeichnete sie ein in englischer Sprache gehaltenes und vom Angeklagten als Modelvertrag bezeichnetes Schriftstück, dessen Inhalt sie aufgrund fehlender Sprachkenntnisse jedoch nicht verstand. Anschließend erklärte der Angeklagte, dass sie für die angestrebte Modelkarriere an den Oberschenkeln abnehmen müsse. Hierzu sei es erforderlich, regelmäßig "Entwässerungstabletten" einzunehmen und einen Blasenkatheter zu legen. Die Geschädigte schenkte auch dieser Erklärung Glauben und bekundete deshalb ihr Einverständnis, sich von dem - entgegen seinen Behauptungen - medizinisch nicht aus- und vorgebildeten Angeklagten einen Dauerkatheter legen zu lassen. Nachdem der Angeklagte einen - ersten - Katheter gelegt hatte, fertigte er von der Geschädigten zwei Ganzkörpernacktaufnahmen, was er mit dem Erfordernis begründete, den Abnehmerfolg im Sinne eines "Vorher-NachherVergleichs" überprüfen zu müssen.
4
2. In der zweiten Novemberhälfte reiste der Angeklagte mit der Geschädigten nach Kanada, wo er diese Ende November oder Anfang Dezember 2005 aufforderte, sich den in ihre Harnröhre eingebrachten Katheter, den er zwischenzeitlich bereits einmal gewechselt hatte, entfernen und einen neuen - dritten - Dauerkatheter legen zu lassen. Die Geschädigte verweigerte dies zunächst , da sie mittlerweile unter erheblichen Schmerzen im Unterbauchbereich litt. Hierauf äußerte der Angeklagte, dass eine solche Weigerung einen Bruch des zuvor geschlossenen Modelvertrages bedeuten würde und sie deshalb eine Vertragsstrafe an ihn zu zahlen habe. Um sie weiter in seiner Abhängigkeit zu halten, gab er gegenüber der völlig mittellosen Geschädigten ferner wahrheitswidrig an, für sie finanzielle Forderungen eines Erpressers erfüllt zu haben, der mit der Veröffentlichung der von ihr gefertigten Nacktaufnahmen gedroht habe. Die zu diesem Zeitpunkt bereits verängstigte Geschädigte schenkte diesen Behauptungen Glauben und gestattete es, dass der Angeklagte den einliegenden Katheter entfernte und einen neuen, größeren Dauerkatheter in ihre Harnröhre einbrachte. Das Einlegen und Tragen der Katheter verursachte bei der Geschädigten u.a. eine schmerzhafte Harnblasenentzündung, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hatte.
5
3. Ferner verlangte der Angeklagte von der Geschädigten, für sogenannte "Fetisch-Nacktbilder" zu posieren. Dieses begründete er gegenüber der Geschädigten damit, dass er die Aufnahmen benötige, um geschlossene Verträge abzusichern bzw. um Schulden zu begleichen. Wiederum sah die Geschädigte aufgrund ihrer Unsicherheit und Leichtgläubigkeit keinen anderen Weg, als sich dem Ansinnen des Angeklagten zu beugen. Auf entsprechende Anweisung zog die Geschädigte ihren Slip aus und posierte auf einem Bett sitzend, wobei sie weisungsgemäß ihren Genitalbereich zur Schau stellte. Der Angeklagte fertigte sechs oder sieben Aufnahmen, die in der Folgezeit zumindest vorübergehend im Internet eingestellt und mit einem Eintrag versehen waren, aus dem Adresse und Telefonnummer der Geschädigten und der sinngemäße Zusatz „Ich bin für alles zu haben, mit mir kann man alles machen" hervorgingen. Den zugehörigen Link teilte der Angeklagte in der Folge auch der Mutter derGeschädigten mit.
6
4. Ende November/Anfang Dezember 2005 bat die Geschädigte den Angeklagten wegen ihrer anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen, den gelegten Blasenkatheter wieder zu entfernen. Der Angeklagte redete der erheblich verängstigten Geschädigten ein, dieser könne nur entfernt werden, wenn er zuvor einen Katheter in den After einführe und Analspülungen vornehme. Unter dem Eindruck der fortdauernden Schmerzwirkung des in der Blase einliegenden Katheters erklärte sich die Geschädigte mit dieser Prozedur einverstanden. Der Angeklagte führte darauf einen Katheter auch in den After der Geschädigten ein und nahm Spülungen mit "Beruhigungsöl" und Weißwein vor. Die Geschädigte verharrte weisungsgemäß und unter Schmerzen 45 Minuten lang mit dem Katheter im After, bevor der Angeklagte diesen wieder entfernte. Den Blasenkatheter beließ der Angeklagte gleichwohl weiter im Körper der Geschädigten, was er mit der unwahren Behauptung begründete, dieser sei verwachsen und lasse sich nicht entfernen.
7
In einem unbeobachteten Moment gelang der Geschädigten die Flucht zu einer kanadischen Familie, durch deren Vermittlung sie am 5. Dezember 2005 nach Deutschland zurückkehren konnte.

II.

8
Das Landgericht hat das Legen der Katheter als eine Tat der gefährlichen Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 225 Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet. Ein von der Geschädigten jedenfalls anfänglich erklärtes Einverständnis mit dem Anbringen der Katheter sei unwirksam, da dieses durch Täuschung im Hinblick auf die suggerierte Modelkarriere erwirkt und spätestens beim dritten Blasenkatheter wegen der anhaltenden Schmerzen widerrufen worden sei. Daneben liege in der Drohung mit hohen Geldforderungen eine Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB, weil die Geschädigte hierdurch zu ihr unangenehmen bzw. ungewollten Handlungen bewegt oder von Abwehrhandlungen gegen solche Handlungen abgehalten worden sei. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, namentlich eine sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB, seien hingegen nicht nachweisbar, weil ein sexueller Hintergrund für das Handeln des Angeklagten nicht feststellbar sei. Das Gesamtgeschehen sei als eine einzige materiell-rechtliche Tat zu werten, weil "die mit der Katheterlegung verwirklichte gefährliche Körperverletzung als Dauerdelikt die übrigen Delikte klammer(e)".

III.

9
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft dringt bereits mit der Sachbeschwerde durch; auf die daneben erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.
10
1. Das Urteil unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der abgeurteilten Taten unrichtig bestimmt hat.
11
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kommt der mit dem Legen der Katheter verwirklichten gefährlichen Körperverletzung eine Klammerwirkung nicht zu. Zwischen Dauerdelikten und anderen Straftaten, die während des Dauerzustands begangen werden, kann zwar Tateinheit bestehen, wenn sich die Ausführungshandlungen wenigstens in einem für die jeweilige Tatbestandserfüllung notwendigen Teil decken, also die zur Verwirklichung des einen Tatbestands beitragende Handlung zugleich der Begründung oder Aufrechterhaltung des durch das Dauerdelikt geschaffenen rechtswidrigen Zustandes dient (BGHSt 18, 29, 31; 29, 184, 186; 31, 29, 30; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rn. 23; v. Heintschel-Heinegg in MünchKomm-StGB 2. Aufl. § 52 Rn. 91 ff. jew. mwN). Indes handelt es sich bei den Körperverletzungsdelikten der §§ 223 ff. StGB nicht um Dauer-, sondern um sog. Zustandsdelikte, bei denen es nicht auf die Aufrechterhaltung eines widerrechtlichen Zustandes ankommt. Deren Begehung ist vielmehr bereits mit der Herbeiführung des vom jeweiligen Tatbestand umschriebenen Zustandes beendet (vgl. BGH NJW 1983, 1745, 1746; Fischer StGB 59. Aufl. Vor § 52 Rn. 58; v. Heintschel-Heinegg aaO § 52 Rn. 28). Auch durch ein Fortwirken ihres tatbestandlichen Erfolges, etwa anhaltende Schmerzen, wird die Körperverletzung nicht zu einem Dauerdelikt (Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. Vorbem. § 52 ff. Rn. 82 a.E.).
12
b) Die festgestellten Handlungen des Angeklagten können auch nicht deshalb als eine Tat bewertet werden, weil "von einem einheitlichen Vorsatz des Angeklagten bezüglich der gefährlichen Körperverletzung auszugehen (war), da der Angeklagte der Geschädigten einen Dauerkatheter legen wollte und diesen 'lediglich' erneuerte" (vgl. UA S. 23). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass nach den getroffenen Feststellungen bereits offen bleibt, ob ein solcher Gesamtvorsatz auch das Legen des Analkatheters und das Anfertigen der "Fetisch-Nacktbilder" umfasste. Die Annahme von Tateinheit würde jedenfalls aber ein Zusammentreffen mehrerer objektiver Tatbestandsverwirklichungen in einem einheitlichen Handlungsablauf voraussetzen. Ein Zusammentreffen nur im subjektiven Bereich genügt demgegenüber nicht (BGHSt 43, 149, 151; Fischer aaO Vor § 52 Rn. 24; Eschelbach in S/S/W-StGB § 52 Rn. 52). An einem solchen Zusammentreffen objektiver Tatbestandsverwirklichungen fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob - wofür einiges spricht - nicht schon das Legen des ersten und zweiten Blasenkatheters jeweils eine von der erschlichenen Einwilligung der Geschädigten nicht gedeckte körperliche Misshandlung beinhaltete (vgl. BGHSt 16, 309, 310; BGH NStZ 2004, 442). Nach den getroffenen Feststellungen lagen jedenfalls dem schmerzhaften Legen des dritten Blasenkatheters, der Anfertigung der sog. "Fetisch-Nacktbilder" sowie dem ebenfalls mit Schmerzen verbundenen Legen des Analkatheters jeweils separate Tathandlungen zugrunde, wovon im Übrigen auch die Anklage ausgeht. Dass der Angeklagte die Vornahme dieser Handlungen teilweise durch Nötigungsmittel ermöglicht hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn der Angeklagte nutzte hierbei nicht lediglich die Wirkungen einer früheren, bereits vor der ersten Tathandlung geäußerten Drohung aus, sondern erneuerte diese auf der Grundlage eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses. Während dem Einlegen des Blasenkatheters die Behauptung einer angeblich anfallenden Vertragsstrafe und zu erstattender Auslagen vorausging, sollten die "Fetisch- Nacktbilder" dazu dienen, angebliche Verträge abzusichern und Schulden zu begleichen. Das Legen des Analkatheters wiederum duldete die Geschädigte lediglich vor dem Hintergrund ihrer anhaltenden und intensiver werdenden Schmerzen und der Behauptung des Angeklagten, diese Prozedur sei zur Entfernung des einliegenden Blasenkatheters unerlässlich.
13
c) Das festgestellte Gesamtgeschehen wird auch nicht im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit zu einer einheitlichen Tat verbunden. Der Begriff der natürlichen Handlungseinheit setzt voraus, dass der Handelnde den auf die Erzielung eines Erfolges in der Außenwelt gerichteten einheitlichen Willen durch eine Mehrheit gleichgearteter Akte betätigt und diese einzelnen Betätigungsakte aufgrund ihres räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs objektiv erkennbar derart zusammengehören, dass sie nach der Auffassung des Lebens eine Handlung bilden (st. Rspr. vgl. BGHSt 41, 368; 43, 312, 315; BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 4, 6, 12 sowie Fischer aaO Vor § 52 Rn. 3; Rissing-van Saan aaO Vor § 52 Rn. 10; v. HeintschelHeinegg aaO § 52 Rn. 55). Wie bereits ausgeführt fehlt es hierfür bereits an der Feststellung eines einheitlich gefassten Willens bezogen auf das Legen der Blasenkatheter einerseits und das Anfertigen der "Fetisch-Nacktaufnahmen" bzw. das Legen des Analkatheters andererseits. Zudem mangelt es auch an einem hinreichend engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang der im Abstand von mehreren Tagen an unterschiedlichen Orten vorgenommenen Tathandlungen. Aus diesen Gründen kommt auch bei Verwirklichung des § 225 StGB die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit zwischen dem Legen des dritten Blasenkatheters einerseits und dem Einbringen des Analkatheters andererseits nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 304, 306; Fischer aaO § 225 Rn. 8a).
14
d) Der demnach gebotenen eigenständigen Betrachtung und Bewertung der verschiedenen Handlungsakte war die Strafkammer auch nicht aufgrund einer wirksamen Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO enthoben. Dem liegt folgendes prozessuale Geschehen zu Grunde:
15
Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung am 22. März 2011 folgenden rechtlichen Hinweis erteilt: "1) Es kommt eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) - Setzen bzw. Nichtentfernen von Kathetern - in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) - "Vertragsstrafe" - und mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr. 3 StGB) in Betracht.
2) Es wird angeregt, das Verfahren gemäß Nr. 1 zu beschränken..."
16
Daraufhin beantragte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft , "das Verfahren entsprechend dem Hinweis zu Punkt 1 zu beschränken" , worauf die Kammer nach Beratung einen Beschluss mit dem Inhalt verkündete: "Entsprechend soll verfahren werden".
17
Selbst wenn - was aufgrund des insoweit unklaren Beschlussinhalts höchst zweifelhaft ist - die Strafkammer hierdurch eine Einstellung von materiell rechtlich selbständigen Taten nach § 154 Abs. 2 StPO beabsichtigt haben sollte, liefe eine solche Beschränkung ins Leere. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass eine Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO schon aufgrund der fehlenden Konkretisierung der eingestellten Tatvorwürfe unwirksam wäre (vgl. Beulke in LR StPO 26. Aufl. § 154 Rn. 43; Weßlau in SK-StPO 4. Aufl. § 154 Rn. 33), weil völlig offen bliebe, welche der von der Anklage bezeichneten Taten das Landgericht bei seiner Einstellungsentscheidung im Blick gehabt hätte. Soweit das Landgericht eine Beschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO vornehmen wollte, wogegen bereits spricht, dass es sich in den Urteilsgründen mit möglicherweise tateinheitlich verwirklichten Tatbeständen des 13. Abschnitts des StGB inhaltlich auseinandergesetzt hat, wäre eine solche aufgrund der unklaren Formulierung und inhaltlichen Unbestimmtheit ebenfalls unwirksam (vgl. BGH NStZ 2002, 489 sowie Beschluss vom 7. Februar 2001 - 3 StR 579/00; Beulke aaO § 154a Rn. 8; Plöd in KMR 46. EL April 2007 § 154a Rn. 13).
18
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen daneben die Erwägungen , mit denen das Landgericht das Vorliegen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verneint hat.
19
a) Das Landgericht hat bei der Prüfung der Sexualbezogenheit der vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen einen falschen rechtlichen Maßstab zu Grunde gelegt. Es hat gemeint, sexuelle Handlungen bzw. ein sexueller Hintergrund seien nicht nachweisbar, weil der Angeklagte "vehement bestritten" habe, dass das Legen der Katheter sexuell intendiert war oder ihn erregt habe, und die Hauptverhandlung gegenteilige Indizien und Beweise nicht erbracht habe.
20
Jedoch kommt es bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, eindeutig sexualbezogenen Handlungen auf die Motivation des Täters nicht an. Gleichgültig ist deshalb, ob er die Handlung etwa aus Wut, Sadismus, Scherz oder Aberglaube vornimmt. Auch eine sexuelle Absicht des Täters ist bei solchen Handlungen - im Unterschied zu äußerlich ambivalenten Handlungen - nicht erforderlich. Insoweit reicht es aus, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 6; BGH NStZ-RR 2008, 339, 340; Laufhütte/Roggenbuck in LK 12. Aufl. § 184g Rn. 8).
21
Dies zugrunde gelegt drängt sich aufgrund der festgestellten Gesamtumstände jedenfalls für das Anfertigen der sog. "Fetisch-Nacktbilder" die Annahme einer eindeutig sexualbezogenen Handlung auf, was jedenfalls den Tatbestand eines besonders schweren Falls der Nötigung im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt. Dass der Angeklagte die Sexualbezogenheit seines Handelns auch erkannt hat, kann hier schon im Hinblick auf das spätere Einstellen der Bilder in das Internet nicht zweifelhaft sein.
22
b) Ob - was nahe liegt - auch dem Legen der Blasen- und des Analkatheters nach den Gesamtumständen bereits objektiv ein eindeutiger Sexualbezug beizumessen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn man insoweit lediglich von sexuell ambivalenten Handlungen ausgehen und deshalb eine sexuelle Absicht des Täters verlangen würde (BGH NStZ-RR 2008, 339, 340; vgl. auch Fischer aaO § 184g Rn. 4a; Hörnle in MünchKomm-StGB 2. Aufl. § 184g Rn. 4; Perron/Eisele in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 184g Rn. 9 jew. mwN auch zur Gegenansicht), trägt die Begründung des Landgerichts nicht. So sind die Ausführungen zur Motivlage des Angeklagten lückenhaft und lassen wesentliche, für eine sexuelle Tatmotivation sprechende Gesichtspunkte unerörtert. Insbesondere hat sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt , welchem anderen Zweck als der sexuellen Bedürfnisbefriedigung das - medizinisch augenscheinlich sinnlose - Legen der Katheter hätte dienen sollen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte bereits unmittelbar nach dem Legen des ersten Blasenkatheters zwei Ganzkörpernacktaufnahmen von der Geschädigten angefertigt und die später von der Geschädigten angefertigten "Fetisch-Nacktaufnahmen" ins Internet eingestellt und mit dem eindeutig sexualbezogenen Zusatz: "Ich bin für alles zu haben, mit mir kann man alles machen" versehen hat. Für eine sexuelle Absicht bereits bei der Tatbegehung sprechen zudem die Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten, mit denen sich das Landgericht nicht erkennbar auseinander gesetzt hat. Der Angeklagte hat wiederholt aus sexueller Intention schlauchähnliche Gegenstände verwendet bzw. sich verschafft. So hatte der Angeklagte bei zwei früher begangenen Vergewaltigungen einem Tatopfer einen PlastikKühlschlauch in die Scheide eingeführt und nach den hier angeklagten Taten bei einem "Klinik-Sex-Shop" u.a. mehrere Ballonkatheter bestellt und erhalten.
23
c) Das Landgericht hat sich hierdurch den Blick darauf verstellt, dass die Analspülung unter der Drohung, ansonsten den schmerzhaften Blasenkatheter nicht zu entfernen, geeignet sein kann, den Tatbestand des § 177 StGB zu erfüllen. Unerörtert gelassen hat das Landgericht zudem den sich im Hinblick auf das Legen der Blasen- bzw. des Analkatheters ebenfalls aufdrängenden Tatbestand des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
24
3. Die Sache bedarf somit insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zu prüfen und zudem zu beachten haben, dass für durch Zahlung erledigte, ursprünglich gesamtstrafenfähige Geldstrafen kein Härteausgleich zu gewähren ist (vgl. BGH NStZ 1990, 436; Fischer aaO § 55 Rn. 21a).
Ernemann Fischer Appl Schmitt Ott