Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2002 - 1 StR 506/01

published on 06/02/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2002 - 1 StR 506/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 506/01
vom
6. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
6. Februar 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. April 2001 mit Ausnahme des Schuldspruchs wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 8 der Anklage) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil im Fall 1 (Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchten sexuellen Mißbrauchs widerstandunfähiger Personen, Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die umfassend eingelegte Revision des Angeklagten wendet sich insbesondere gegen die Verurteilung in den Fällen 1 bis 5. Zwei Formalrügen des Angeklagten führen zur Aufhebung des Urteils bis auf den Schuldspruch im Fall 6. Auf seine weitere Rüge der Verletzung des Prozeßrechts sowie auf Fehler, die die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge aufdecken, kommt es daher nicht mehr an. Beides betrifft nicht den Fall 6. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft bezieht sich nur auf den Schuldund Rechtsfolgenausspruch im Fall 1 und auf die Gesamtstrafe. Zwar hat die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Urteils in vollem Umfang beantragt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß sich die Sachrüge auf sämtliche Urteilsteile erstreckt (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich, daß die Staatsanwaltschaft das Urteil nur im Fall 1 und in der Konsequenz im Gesamtstrafenausspruch für rechtsfehlerhaft hält. Diese Auslegung wird durch die allgemeine Übung der Staatsanwaltschaft bestätigt, Revisionen in der Regel so zu begründen, daß klar ersichtlich ist, in
welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV).

II.

Geschädigte der Taten 1 bis 5 ist die Zeugin V. . Mit ihr lebte der Angeklagte in der ersten Hälfte des Jahres 2000 zeitweise zusammen. Opfer der Tat 6 (versuchte Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung) war ein Mithäftling , nachdem der Angeklagte wegen der Taten 1 bis 5 in Untersuchungshaft genommen worden war. V. , damals 38 Jahre alt, konsumiert seit ihrem 15. Lebensjahr regelmäûig Alkohol und ist seit mindestens 14 Jahren alkoholkrank. Ihre Erziehung war von Gewalt geprägt. Der Angeklagte lernte sie im Februar 2000 kennen. Anfang März 2000 zog sie zum Angeklagten in dessen Wohnung. Zu Beginn einvernehmliche Intimkontakte lehnte V. nach wenigen Wochen ab. Daraufhin kam es nach den Feststellungen der Strafkammer zu folgenden sechs Vorfällen: 1. Im März 2000 warf der Angeklagte V. aufs Bett, fesselte ihr mit einer Krawatte die Hände auf dem Rücken und übte gegen ihren Willen den ungeschützten Geschlechtsverkehr aus. Entweder vor oder kurz nach dem Verkehr fügte der Angeklagte der Geschädigten mit einem Einwegrasierer auf den Oberschenkeln und an den Armen mindestens 15 oberflächliche Schnitte zu, die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung am 24. April 2001 teilweise noch sichtbar waren. Das Weinen der Zeugin kommentierte der Angeklagte mit den Worten: "Du stehst doch auf erotischem Schmerz." Die Kammer konnte nicht feststellen, daû der Angeklagte die Schnitte zur eigenen Erregung oder zur
Überwindung eines Widerstandes der Geschädigten einsetzte. Nachdem er die Zeugin losgebunden hatte, entschuldigte sich der Angeklagte bei ihr. Sie verzieh ihm und blieb in der Wohnung. 2. Eines Nachts im April 2000 lag V. nur mit einem T-Shirt bekleidet schlafend auf der Wohnzimmercouch unter der Decke. Der Angeklagte zog die Decke weg und übte den Geschlechtsverkehr aus. Die Geschädigte war beim Wegziehen der Decke zwar - unbemerkt vom Angeklagten - aufgewacht , hatte sich aber aus Angst vor Schlägen des Angeklagten weiter schlafend gestellt. 3. Im Mai 2000 fesselte der Angeklagte der Zeugin gegen ihren Willen die Hände mit Handschellen, die er an einem Brett am Bett befestigte. Dann übte er erneut unerlaubt den Geschlechtsverkehr mit ihr aus. 4. Nach ihrem Auszug kam die Zeugin im August 2000 spät abends wegen einer Geldangelegenheit nochmals in die Wohnung des Angeklagten. Da sie sich nicht einigen konnten, packte der Angeklagte die Zeugin am Hals und drückte sie zu Boden. Als sie auf dem Rücken lag, fügte er ihr drei Schnitte an beiden Wangen und auf der Stirn zu. Die Schnitte bluteten, verheilten aber folgenlos. 5. Mitte August 2000 hielt sich die Zeugin nochmals drei Tage in der Wohnung des Angeklagten auf. Wegen eines verschwundenen Schlüssels schlug der Angeklagte die Zeugin V. am 15. August 2000 mit der Faust aufs Auge, stieû sie mit dem Rücken gegen einen Türrahmen, zog sie an den Haaren und stieû sie mit dem Kopf in die Badewanne. 6. Am 8. September 2000 wurde der Angeklagte festgenommen und zum Vollzug der Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Nürnberg eingelie-
fert. Dort bat er den Mithäftling W. , über dessen Freundin zwei Schriftstücke aus der Anstalt zu schmuggeln. Als W. dies ablehnte , stieû ihn der Angeklagte von hinten gegen die Wand, schlug ihn so ins Gesicht, daû zwei Zähne ausbrachen, versetzte ihm zwei Ohrfeigen und trat ihm mit dem Schuh gegen beide Schienbeine. Daraufhin versprach W. dem Angeklagten, die Schriftstücke wie gefordert weiterzuleiten, übersandte sie jedoch dem Ermittlungsrichter. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Er habe insbesondere die Zeugin V. weder gefesselt noch geschnitten, noch sonstige Gewalt ausgeübt. Er habe der Zeugin nur helfen wollen. Die Schnitte habe er bereits im Februar 2000 - also schon beim Kennenlernen - bei ihr bemerkt. Einmal habe er ein Telefongespräch der Zeugin V. mit einer Freundin mitgehört , in dem diese auf das Vergnügen an erotischen Schmerzen hinwies. Die Feststellungen zu den Tatvorwürfen zum Nachteil der Zeugin V. beruhen im wesentlichen auf deren Angaben. Die Strafkammer hat zwar Unsicherheiten bei der zeitlichen Einordnung von Vorgängen durch die Zeugin festgestellt. Die Strafkammer hat sie jedoch insgesamt als glaubwürdig bewertet und dabei auch auf die Konstanz der Aussagen der Zeugin abgestellt.

III.

1. Die Revision des Angeklagten erhebt drei Formalrügen. Sie beanstandet die Verletzung der Aufklärungspflicht - § 244 Abs. 2 StPO - sowie die fehlerhafte Ablehnung zweier Anträge auf Vernehmung von Sachverständigen wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache - § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO -.
a) Die Revision des Angeklagten hat schon mit der zulässigen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Aufklärungsrüge weitgehend Erfolg.
Die Revision beanstandet zu Recht, daû die Strafkammer die Angaben der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens im wesentlichen nicht zum Gegenstand der Beweisaufnahme machte. Das Aussageverhalten der Zeugin während des Ermittlungsverfahrens ist geeignet, die Glaubwürdigkeit der Zeugin V. in Frage zu stellen. V. wurde während des Ermittlungsverfahrens viermal gehört: Am 22. August 2000 bei der Anzeigeerstattung (hierüber fertigte POM H. einen Vermerk), am 23. August 2000 und am 30. August 2000 (Vernehmungsbeamtin jeweils KK'in S. ) sowie am 11. Oktober 2000 (durch KHK G. ). Der Inhalt der Vernehmungen wurde weder durch Vernehmung der Zeugin V. hierzu noch durch Anhörung der Vernehmungsbeamten zu diesem Punkt in die Hauptverhandlung eingeführt. Die Zeugen POM H. und KHK G. wurden gar nicht vernommen. KK'in S. und V. wurden zwar gehört. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, wurden ihnen aber zum Inhalt der Vernehmungen der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens keine Fragen gestellt oder Vorhalte gemacht. Insoweit wurden diese Beweismittel nicht ausgeschöpft (vgl. BGH NStZ 1997, 450). Die Zeugin KK'in S. wurde nur zu der Behauptung des Angeklagten befragt, V. habe wegen der Schnittverletzungen bereits gegen andere Personen bei der Kriminalpolizei Anzeige erstattet. Zum Aussageverhalten der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens vernahm die Strafkammer, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, lediglich die Zeugin POM K. , die bei der Anzeigeerstattung zugegen war. Ausweislich des Vermerks vom 22. August 2000 war sie aber lediglich zu Beginn Gesprächspartnerin der Zeugin V. , während die Vernehmung dann durch den Verfasser des Vermerks, POM H. , durchgeführt wurde. Allein aufgrund der Angaben der Zeugin POM K. kam
die Strafkammer dann zu dem Ergebnis, daû sich "die Angaben der Zeugin mit ihren Angaben bei der ersten Anzeigeerstattung decken, soweit sich der Zeuge K. , der die Anzeige entgegennahm, noch erinnern konnte." Aus den Niederschriften über die Vernehmung der Zeugin V. im Ermittlungsverfahren ergibt sich folgendes: Weder bei der Anzeigeerstattung am 22. August 2000 noch während ihrer umfangreichen Vernehmung am 23. August 2000 erwähnte V. die ihr vom Angeklagten zugefügten Schnittverletzungen. Erst am 30. August 2000 erschien sie von sich aus bei der Polizei und erklärte: "Bei meiner ersten Vernehmung habe ich etwas vergessen anzugeben. Vor der ersten Vergewaltigung durch den L. , aber schon, als ich mit der Krawatte gefesselt war, auf dem Bett im Schlafzimmer lag, sagte er wortwörtlich zu mir: ©Du stehst doch auf den erotischen Schmerz, stell Dich nicht so an.© Und plötzlich hatte er so eine Einwegrasierklinge in der Hand und schnitt mich wahllos in meine Ober- und Unterarme und besonders auch in meine Oberschenkel. Ich bin damit einverstanden , daû diese Verletzungen fotografiert werden." Die Schnittverletzungen, die der Angeklagte der Geschädigten V. Mitte August zugefügt haben soll, erwähnte sie erstmals in der - wiederum von ihr initiierten - Vernehmung vom 11. Oktober 2000. Dies ist mit der Feststellung gleichbleibenden Aussageverhaltens nicht vereinbar. Die Angaben der Zeugin V. waren für die Verurteilung nahezu die alleinige Grundlage. Es hätte daher der vollständigen Würdigung der Entstehungsgeschichte ihrer Beschuldigungen bedurft (BGHSt 44, 153, 158 ff.). Folgende Fragen wären - nach entsprechender Beweiserhebung über das Aussageverhalten - zu erörtern gewesen: Wieso erwähnte V. weder bei der Anzeigeerstattung noch bei der ausführlichen Zeugenvernehmung am
23. August 2000 die Schnittverletzungen, insbesondere nicht die ihr im August, also nur ein bis drei Wochen vorher zugefügten? Weshalb berichtete die Zeugin am 30. August 2000, als sie die Verletzungen, die ihr der Angeklagte im März 2000 zugefügt haben soll, zur Anzeige brachte, dann nicht auch über die Gesichtsverletzungen aus demselben Monat, zumal damals von den Verletzungen an Beinen und Armen Lichtbilder gefertigt wurden? Weshalb wurden die Ermittlungsbeamten weder am 22. und 23. noch am 30. August 2000 von sich aus auf Schnittverletzungen im Gesicht der Zeugin aufmerksam? Zwar stellte die Kammer sachverständig beraten fest, es entspreche der Erfahrung, daû Schnitte im Gesicht folgenlos verheilen können, während bei Verletzungen an den Armen und Beinen eher Narben verbleiben. Über die Dauer des Heilungsprozesses vermochte der Sachverständige konkret nichts zu sagen. Dieser könne bei der Geschädigten aufgrund ihres Alkoholismus und des dadurch beeinträchtigten Allgemeinzustandes verzögert sein. Die mangelnde Sachaufklärung berührt die Glaubwürdigkeit der Zeugin V. insgesamt und betrifft alle Taten zu ihrem Nachteil (Fälle 1 bis 5), auch soweit Schnittverletzungen keine Rolle spielen. Neben diesen Fällen unterliegt auch der Rechtsfolgenausspruch im Falle 6 der Aufhebung, da nicht auszuschlieûen ist, daû die Strafzumessung in diesem Punkt von der Strafbemessung in den Fällen 1 bis 5 beeinfluût wurde.
b) Mit ihrer zweiten - zulässigen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Formalrüge beanstandet die Revision des Angeklagten zu Recht die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags auf Vernehmung eines Sachverständigen zu einer möglichen psychischen Erkrankung der Zeugin V. : Der Verteidiger des Angeklagten hat im Rahmen seines Schluûvortrags die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens beantragt, zum
Beweis der Erkrankung der Geschädigten an einer psychischen Erkrankung in Form der SVV (selbstverletzendes Verhalten) sowie dazu, daû sie sich im Rahmen dieser Erkrankung selbst Schnitte an Armen und Beinen zugefügt hat. Die Strafkammer entsprach dem nicht: Die Ablehnung des Beweisantrages ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Strafkammer hat zwar im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, nochmals darüber Beweis zu erheben, ob die hier konkret in Rede stehenden, dem Angeklagten angelasteten Schnitte aus einer selbstverletzenden Handlung der Zeugin V. stammen, nachdem sie zu diesem Thema bereits einen medizinischen Sachverständigen gehört hat, mit dem Ergebnis, daû dies weder festgestellt noch ausgeschlossen werden kann. Nicht tragfähig ist jedoch die Begründung der Strafkammer, es wäre hier für die Entscheidung ohne Bedeutung, wenn die Beweisaufnahme ergäbe, daû die Geschädigte zum Zeitpunkt der Beifügung der Verletzungen im März und August 2000 an einer Krankheit "selbstverletzendes Verhalten" litt. Entsprechendes gilt für die unter Beweis gestellte Tatsache, die Zeugin V. habe sich andere Verletzungen selbst beigebracht. Die Strafkammer hat zwar - zunächst rechtsfehlerfrei - bei der Prüfung der Bedeutungslosigkeit - hier aus tatsächlichen Gründen - die Beweistatsache so, als sei sie erwiesen, in den Beweisstoff eingefügt - weshalb auch kein Verstoû gegen das Verbot der Beweisantizipation vorliegt - und dann erörtert, ob die bisherige Beweiswürdigung durch die Einfügung in einer für die Sachverhaltsannahmen und den Urteilsspruch relevanten Weise beeinfluût wird (vgl. BGH NStZ 1997, 503; KK-Herdegen StPO, 4. Aufl. § 244 Rdn. 74; LRGollwitzer StPO, 25. Aufl. § 244 Rdn. 222). Die Beweiswürdigung ist Aufgabe
des Tatrichters (§ 261 StPO) und daher der Überprüfung durch das Revisionsgericht nur in Grenzen zugänglich. Die Würdigung darf aber nicht rechtsfehlerhaft sein. "Sie wäre es zum Beispiel dann, wenn dem benannten Beweismittel nicht der volle Beweiswert zugesprochen würde, wenn sie gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder anerkannte Bewertungsgrundsätze verstieûe, wenn sie nichtssagend (ohne argumentativen Gehalt) wäre, Abstriche an der Beweisbehauptung vornehmen, sie entgegen ihrem Sinn und Zweck auslegen oder sich auf Möglichkeiten der Deutung der Beweistatsache berufen würde, die zwar denkbar aber nicht festgestellt und infolgedessen nicht geeignet sind, die Tragweite der Beweistatsache abzuschwächen" (KK-Herdegen aaO m.w.N.). Hier hat die Strafkammer die Tragweite der unter Beweis gestellten Hilfstatsachen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses verkannt. Die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe der Zeugin V. im April und August Schnittverletzungen - gegen deren Willen - beigebracht , beruht nahezu ausschlieûlich auf den Angaben der Geschädigten selbst. Bestätigt wird dies zum Teil mittelbar lediglich durch den Zeugen W. , dem vom Angeklagten miûhandelten Mithäftling (Fall 6). Dieser Zeuge berichtete, der Angeklagte habe ihm erzählt, er - der Angeklagte - habe mit der Geschädigten öfters Fesselspiele gemacht und sie auch mit Rasierklingen leicht in Arme und Beine geschnitten. "Das habe zum Spiel gehört." Die Stirnverletzungen erwähnt der Zeuge nicht. Daû die Verletzungen gegen den Willen der Zeugin V. herbeigeführt wurden, kann der Aussage ebenfalls nicht entnommen werden. Andere Zeugen haben zwar Verletzungen gesehen , konnten aber zu deren Verursachung nichts sagen, von Informationen durch die Geschädigte selbst abgesehen. Hierzu kommt das von der Strafkammer zwar nicht festgestellte, durch die Aufklärungsrüge nunmehr aber auf-
gedeckte merkwürdige Aussageverhalten der Zeugin zu den Schnittverletzungen während des Ermittlungsverfahrens. Vor diesem Hintergrund kann den unter Beweis gestellten Tatsachen - die Angeklagte litt (und leidet noch) an selbstverletzendem Verhalten (in der Regel Ausdruck einer Borderline-Persönlichkeitsstörung; vgl. Sachsse in Kernberg -Dulz-Sachsse, Handbuch der Borderline-Störungen, S. 347 ff.; derselbe, Selbstverletzendes Verhalten, 5. Aufl. 1999, S. 35 ff.) und sie hat sich andere Verletzungen selbst beigebracht - jegliche Beweiserheblichkeit für die Glaubwürdigkeit der Zeugin vernünftigerweise nicht von vornherein abgesprochen werden. Dann muû die endgültige Bewertung der Würdigung nach der Erhebung des Beweises überlassen bleiben. Denn es entspricht der Lebenserfahrung , daû eine bereits als gesichert erscheinende Überzeugung durch die weitere Beweisaufnahme wider Erwarten umgestoûen werden kann (LRGollwitzer StPO, 25. Aufl. § 244 Rdn. 182). Da dies mittelbar die Glaubwürdigkeit der Zeugin insgesamt berührt, führt auch diese Rüge zur Aufhebung der Verurteilung in allen fünf Fällen, in denen Straftaten zum Nachteil der Zeugin V. festgestellt wurden, sowie des Rechtsfolgenausspruchs im Fall 6.
c) Auf die Rüge zur Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Potenz des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Insoweit wird auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. Dezember 2001 verwiesen. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge des Angeklagten ergab die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Män-
gel. Sie betreffen lediglich die Fälle 1 bis 5. Hierauf kommt es deshalb ebenfalls nicht mehr an. 3. Beim Tatvorwurf zum Nachteil des Zeugen Heiko W. (Fall 6) ergab die Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

IV.

Die von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Fall 1 und den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkte Revision hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, die Strafkammer habe im Fall 1 zu Unrecht die Bestimmung des Strafrahmens § 177 Abs. 3 StGB zugrundegelegt und nicht § 177 Abs. 4 (Nr. 1) StGB. Die Strafkammer begründet dies in der Beweiswürdigung wie folgt: Sie habe sich nicht davon überzeugen können, daû der Angeklagte die Schnitte zur Überwindung eines geleisteten und erwarteten Widerstands der Geschädigten eingesetzt hat. Die Zeugin V. habe nicht sagen können, ob der Angeklagte sie vor oder nach dem Geschlechtsverkehr verletzte, und habe auch nicht angegeben, erst durch die Schnitte zur Duldung des Geschlechtsverkehrs oder der Fesselung gezwungen worden zu sein. Es stehe damit auch nicht fest, daû der Angeklagte die Schnitte zur eigenen Luststeigerung einsetzte , wenn er sie der Geschädigten möglicherweise erst nach dem Beischlaf beibrachte.
Damit hat die Strafkammer zwar nicht verkannt, daû das gefährliche Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB nicht Nötigungsmittel sein muû, es vielmehr genügt, daû es bei der Vornahme der sexuellen Handlung eingesetzt wird (BGHSt 46, 225, 228). Jedoch überzeugt die isolierte Bewertung der Schnitte vor dem Hintergrund der Sachverhaltsdarstellung, die die Beweiswürdigung nicht ausschöpft bzw. im Widerspruch hierzu steht, nicht. Die Vergewaltigung der Zeugin unter Zufügung der Schnittverletzungen vor oder "kurz nach" (so abweichend in der Sachverhaltsdarstellung) der Durchführung des Geschlechtsverkehrs aber während der durchgehenden Fesselung kann als einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug gesehen werden. Eine sexuelle Handlung liegt dann vor, wenn sie objektiv, d.h. nach ihrem äuûeren Erscheinungsbild einen Sexualbezug aufweist. Bei ambivalenten Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne weiteres einen sexuellen Bezug aufweisen, ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls kennt (BGHR § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5). Zu diesen Umständen gehören auch Äuûerungen des Angeklagten in diesem Zusammenhang (BGH, Urteil vom 22. Mai 1996 - 5 StR 153/96). Der Ausspruch des Angeklagten "Du stehst doch auf erotischem Schmerz" spricht hier für die Sexualbezogenheit
auch der Schnitte im Rahmen des Gesamtgeschehens. Da die teilweise widersprüchlichen Feststellungen keine endgültige Beurteilung zulassen, ist das Urteil im Fall 1 auf die Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten aufzuheben. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Hebenstreit
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published on 14/12/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 501/11 vom 14. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Dezember 2011, an der teilgenommen hab
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 561/18 vom 5. Februar 2019 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:050219B5STR561.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdefü
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 239/18 vom 25. Oktober 2018 in der Strafsache gegen wegen schwerer Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:251018U4STR239.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.
published on 13/03/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 570/17 vom 13. März 2018 BGHSt: ja (zu B.) BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 184i Abs. 1 Zu den Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung i.S.d.
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Annotations

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.