Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2016 - 1 StR 172/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:261016U1STR172.16.0
26.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 172/16
vom
26. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:261016U1STR172.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Oberregierungsrat als Vertreter des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Essen,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 8. September 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, von der es wegen überlanger Verfahrensdauer zwei Monate für vollstreckt erklärt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er für den Veranlagungszeitraum 2002 das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend macht und im Übrigen eine Verfahrensrüge erhebt sowie die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. In den Jahren 2003 bis 2005 und im Jahr 2007 führte der Angeklagte eine Reihe von selbständigen beruflichen Tätigkeiten im Bereich Projektentwicklung und Projektmanagement in der Baubranche durch, aus denen er erhebliche Umsätze und Gewinne erwirtschaftete. Zudem wirkte er im Kalenderjahr 2002 bei Ausschreibungen mit und erzielte hierdurch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
4
Die Einkünfte aus den Ausschreibungen im Kalenderjahr 2002 verschwieg der Angeklagte in der für dieses Jahr abgegebenen Einkommensteuererklärung. In den weiteren verfahrensgegenständlichen Jahren manipulierte er zur Verschleierung der Höhe der erzielten Umsätze und Gewinne die Buchhaltung seines Einzelunternehmens. Dabei fälschte der Angeklagte teilweise Eingangsrechnungen, nahm Ausgangsrechnungen nicht in die Buchhaltung auf und deklarierte Geschäftsvorfälle falsch bzw. überhaupt nicht, um angefallene Erlöse nicht zu erfassen und zu Unrecht Vorsteuerabzüge und Betriebsausgaben geltend zu machen. Hierdurch wollte er seine Umsatzsteuer- und Einkommensteuerlast „mindern“.
5
Die nicht deklarierten Geschäftsvorfälle betrafen zwischen dem Angeklagten und verschiedenen Grundstücksgesellschaften geschlossene Verträge über Generalplanungs- und Projektmanagement- bzw. ProjektcontrollingLeistungen. In allen Fällen forderte der Angeklagte auf der Grundlage der getroffenen Zahlungspläne die einzelnen Zahlungen an. In keinem Fall erfolgte für die angeforderten einzelnen Zahlungen eine Schlussrechnung. Nach den Verträgen sollte der Angeklagte für die jeweils erbrachten Teilleistungen gemäß Zahlungsplan unentziehbare Vergütungsansprüche gegenüber dem jeweiligen Auftraggeber erhalten, wenn er die den Teilzahlungen entsprechenden Teilleistungen erbracht hatte. Die Verträge beinhalteten keine Abreden über förmliche Abnahmen der Leistungen des Angeklagten, solche wurden auch nicht durchgeführt.
6
2. Zu den einzelnen Taten hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
7
a) Hinterziehung von Einkommensteuer durch Unterlassen für die Jahre 2002, 2004 und 2005
8
aa) Im Kalenderjahr 2002 erzielte der Angeklagte neben anderen steuerpflichtigen Einkünften auch solche aus selbständiger Arbeit in Höhe von 148.881 Euro. Gleichwohl gab er für das Jahr 2002 keine Einkommensteuererklärung ab. Nach den Feststellungen des Landgerichts wären 110.191 Euro festzusetzen gewesen; hiervon brachte das Landgericht als Anrechnungsbeträge u.a. abgeführte Lohnsteuer in Abzug und errechnete eine verbleibende Steuerschuld in Höhe von noch 71.691 Euro. Im zuständigen Finanzamt waren am 1. November 2004 95 % der Veranlagungsarbeiten bezüglich der Einkommensteuer 2002 erledigt. Am 15. Dezember 2004 erließ das Finanzamt einen Schätzungsbescheid über Einkommensteuer in Höhe von 4.860 Euro.
9
bb) Für das Jahr 2004 gab der Angeklagte ebenfalls keine Einkommensteuererklärung ab, obwohl ihm für deren Abgabe eine Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2006 eingeräumt worden war. Nach den Feststellungen des Landgerichts wären für das Jahr 2004 592.955 Euro Einkommensteuer festzusetzen gewesen. Am 30. September 2006 waren im zuständigen Finanzamt 95 % der Veranlagungsarbeiten für die Einkommensteuer 2004 abgeschlossen.
10
cc) Auch für das Jahr 2005 reichte der Angeklagte keine Einkommensteuererklärung beim Finanzamt ein. Nach den Feststellungen des Landgerichts wären für das Jahr 2005 162.905 Euro Einkommensteuer festzusetzen gewesen. Am 31. Oktober 2007 waren im zuständigen Finanzamt 95 % der Veranlagungsarbeiten für die Einkommensteuer 2005 abgeschlossen.
11
b) Hinterziehung von Umsatzsteuer für die Jahre 2003, 2004 (Versuch) und 2005 sowie für das 2. und 3. Quartal 2007
12
aa) Aufgrund unrichtiger Angaben in der beim Finanzamt am 10. Dezember 2004 eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2003 wurde dem Angeklagten ein Umsatzsteuerüberschuss von 21.134,19 Euro ausgezahlt. Tatsächlich bestand eine Umsatzsteuerzahllast von 10.348,94 Euro. Der Angeklagte verkürzte somit für das Jahr 2003 31.483,13 Euro Umsatzsteuer.
13
bb) Am 31. Mai 2005 reichte der Angeklagte beim Finanzamt eine inhaltlich unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2004 ein, die eine Zahllast von 111.283,97 Euro auswies. Tatsächlich bestand eine deutliche höhere Zahllast von 205.466,06 Euro. Die Tat war mithin auf eine Steuerverkürzung von 94.182,09 Euro gerichtet. Da der Angeklagte im Jahr 2004 bereits Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von 114.789 Euro geleistet hatte, ergab sich ein Erstattungsanspruch von 3.505,03 Euro. Das Finanzamt stimmte dieser Erstattung nicht zu. Das Landgericht nahm deshalb insoweit lediglich eine versuchte Steuerhinterziehung an.
14
cc) Für das Jahr 2005 gab der Angeklagte keine Umsatzsteuerjahreserklärung ab, obwohl eine Zahllast von 227.556,27 Euro bestand. Aufgrund von unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen hatte der Angeklagte bereits 84.187,36 Euro an das Finanzamt entrichtet. Er schuldete noch weitere 143.368,91 Euro.
15
dd) Für das 2. und das 3. Quartal 2007 reichte der Angeklagte jeweils sog. Nullmeldungen ein, obwohl er Umsatzsteuer in Höhe von 54.134,03 Euro bzw. 36.451,37 Euro anzumelden hatte.

II.

16
Die Taten sind nicht verjährt. Auch hinsichtlich der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002 durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) liegt das von der Revision geltend gemachte Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB) nicht vor.
17
a) Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78a Satz 1 StGB). Bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern – wie hier der Einkommensteuer – durch Unterlassen ist dies der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten im Veranlagungsbezirk für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 395/01, BGHSt 47, 138, 146 mwN; zur Tatvollendung vgl. auch BGH, Beschluss vom 2. November 2010 – 1 StR 544/09, Rn. 77). Dies war nach den Feststellungen des Landgerichts für die Einkommensteuer 2002 spätestens am 1. November 2004 der Fall.
18
b) Die Verjährungsfrist für diese Tat hat eine Länge von zehn Jahren.
19
aa) Gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beträgt die Verjährungsfrist bei Taten , die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, somit auch bei der Steuerhinterziehung (§ 370 AO), fünf Jahre. Nach § 376 Abs. 1 AO verlängert sich die Verjährungsfrist in den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung auf zehn Jahre. Zwar ist § 376 Abs. 1 AO erst aufgrund Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I, 2794, 2828) in die Abgabenordnung aufgenommen worden. Gemäß Art. 97 § 23 EGAO gilt diese Vorschrift jedoch für alle bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen, mithin hier auch für die Hinterziehung der Einkommensteuer 2002.
20
bb) Die Tat erfüllt die Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO, weil der Angeklagte in großem Ausmaß Steuern verkürzte (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO). Eine Steuerverkürzung tritt gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 AO schon dann ein, wenn eine Steuerfestsetzung nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig erfolgt. Nicht erforderlich ist der Eintritt eines endgültigen Vermögensverlustes beim Fiskus.
21
Die vom Angeklagten für das Jahr 2002 geschuldete Einkommensteuer wurde bis zum allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten nicht festgesetzt und damit verkürzt. Ausgehend von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts überstieg der Hinterziehungsbetrag die für die Annahme einer Verkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) maßgebliche Wertgrenze von 50.000 Euro (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28).
22
Der Umstand, dass das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bis zur Änderung durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I, 3198, 3209) und damit zum Zeitpunkt der Tatbeendigung enger gefasst war – es enthielt noch das einschränkende Merkmal des Handelns aus grobem Eigennutz – steht der Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO nicht entgegen (vgl. dazu Jäger in Klein, AO, 13. Aufl., § 376 Rn. 14b). Maßgeblich ist allein, dass die Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO erfüllt sind und die Tat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verjährungsvorschrift noch nicht verjährt war (BGH, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 73/13, NStZ 2013, 415 mwN). Beides ist hier der Fall.
23
c) Hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung für das Jahr 2002 wurde die zehnjährige Verjährungsfrist, die im November 2004 begonnen hatte, noch einmal durch die Erhebung der Anklage am 15. März 2013 wirksam unterbrochen (vgl. § 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB). Die Verjährung begann sodann von neuem (vgl. § 78c Abs. 3 Satz 1 StGB). Auch die absolute Verjährung ist nicht eingetreten, weil das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) – hier 20 Jahre – nicht verstrichen ist.
24
d) Mit der Beanstandung, die absolute Verjährung sei bereits nach zehn Jahren und damit schon vor der am 27. Oktober 2015 vom Bundesgerichtshof vollzogenen Änderung der Rechtsprechung zur Wertgrenze für die Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) bei bloßem Unterlassen eingetreten, weil auch § 78b Abs. 4 StGB keine Anwendung finde, dringt die Revision nicht durch.
25
aa) Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, dass der Bundesgerichtshof bis zum Urteil vom 27. Oktober 2015 (1 StR 373/15, BGHSt 61, 28) für Fälle, in denen sich das Verhalten des Täters darauf beschränkte, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen, und in denen dies lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs führte, von einer Wertgrenze von 100.000 Euro für die Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß ausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 und Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Großes Ausmaß 4; vgl.
auch die weiteren Nachweise im Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 StR 373/15 Rn. 29, BGHSt 61, 28).
26
bb) Auch nach dieser – vom Bundesgerichtshof aufgegebenen – Rechtsprechung läge aber hier die Wertgrenze für das Vorliegen einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß bei 50.000 Euro. Denn das Verhalten des Angeklagten beschränkte sich nicht darauf, den bestehenden Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften zu gefährden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Großes Ausmaß 4). Vielmehr ließ der Angeklagte seine Honorare zur Verschleierung der steuerpflichtigen Einnahmen ganz überwiegend dem Konto seiner Mutter gutschreiben (UA S. 57).
27
cc) Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO fand hier daher unabhängig davon Anwendung, ob die für den Angeklagten abgeführten Lohnsteuerbeträge , die als Steueranrechnungsbeträge gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht im Festsetzungsverfahren, sondern erst im Steuererhebungsverfahren anzusetzen sind (vgl. BFH, Urteil vom 15. April 1997 – VII R 100/96, BStBl. II 1997, 787), vom Landgericht schon bei der Bestimmung des Verkürzungsumfangs in Ansatz gebracht werden durften (vgl. dazu Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 67 und Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, Stand Oktober 2013, § 370 Rn. 230 ff.). Auch auf die bislang vom Bundesverfassungsgericht verneinte Frage, ob Art. 103 Abs. 2 GG auf Rechtsprechungsänderungen im Strafrecht Anwendung finden kann (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 16. Mai 2011 – 2 BvR 1230/10, BVerfGK 18, 430 sowie BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – AnwZ [Brfg] 30/11, NJW-RR 2012, 189), kommt es hier somit nicht an.
28
dd) Angesichts des Laufs der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO ist auch die von der Revision aufgeworfene Frage, ob seit der Einführung dieser Verjährungsnorm die das Ruhen der Verjährung nach Eröffnung des Hauptverfahrens anordnende Vorschrift des § 78b Abs. 4 StGB auf jegliche Fälle der Steuerhinterziehung – und damit auch auf nicht von § 376 Abs. 1 AO erfasste Taten – überhaupt noch anwendbar ist (bejahend die g.h.M.; vgl. Bülte in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand November 2013, § 376 AO Rn. 198; Joecks in Joecks/ Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 376 AO Rn. 98; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Stand Juni 2009, § 376 AO Rn. 174; abweichend lediglich für Fälle, die von § 376 Abs. 1 AO erfasst werden Mitsch, NZWiSt 2015, 8, 13 und Mosbacher, Steueranwalt 2009/2010 S. 131, 146), für die Entscheidung ohne Bedeutung.

III.

29
Die Revision des Angeklagten bleibt insgesamt ohne Erfolg.
30
1. Mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts beanstandet der Angeklagte die Verletzung der Mitteilungsverpflichtung aus § 243 Abs. 4 StPO i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet.
31
a) Dieser Rüge liegt – ausgehend vom Revisionsvorbringen, das durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft vom 26. Februar 2016 und die darin mitgeteilte dienstliche Erklärung des Strafkammervorsitzenden vom 5. Januar 2016 bestätigt wird – folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
32
aa) Am 26. Januar 2015 fand ein nicht öffentliches Vorgespräch statt, an dem neben den drei Berufsrichtern der Strafkammer die Vertreterin der Staatsanwaltschaft , der Vertreter der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Essen sowie die beiden Instanzverteidiger teilnahmen und zu dem der Vorsitzende eingeladen hatte. Über dieses Gespräch fertigte der Vorsitzende einen sechsseitigen Vermerk, dessen inhaltliche Richtigkeit von der Revision nicht in Zweifel gezogen wird.
33
Ausweislich des Vermerks war Gegenstand des Vorgesprächs die Sachund Rechtslage auf der Grundlage der Anklageschrift vom 15. März 2013 und des Eröffnungsbeschlusses vom 30. Oktober 2014. Zur weiteren Aufklärung wollte die Strafkammer noch ein Auskunftsersuchen an die Firma H. richten.
34
Im Rahmen des Gesprächs äußerte die Staatsanwaltschaft eine Straferwartung von über vier Jahren. Der Vorsitzende führte aus, dass eine Bewährungsstrafe nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr in Betracht komme. Ein umfassendes Geständnis des Angeklagten , welches das Verfahren erheblich abkürzen würde, sowie eine erhebliche Schadenswiedergutmachung, die jedenfalls einige 100.000 Euro umfassen müsse, würde die Höhe einer nach den bisherigen Ermittlungen zu erwartenden Gesamtstrafe allerdings erheblich senken. Die Verteidigung äußerte sich dahingehend , dass sie eine bewährungsfähige Strafe anstrebe. Eine Schadenswiedergutmachung erscheine möglich. Sie werde sich mit dem Angeklagten besprechen und gegebenenfalls eine Einlassung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zu den Tatvorwürfen übersenden.
35
bb) Nach diesem Treffen führte der Vorsitzende am 12. Februar 2015 mit Rechtsanwalt B. , einem der Verteidiger, bei dem sich der Angeklagte gerade aufhielt, ein Telefonat, über dessen Inhalt er folgenden Telefonvermerk erstellte: „a) RA B. teilte als Verteidigerheute telefonisch mit, dass die Sache und das Vorgespräch mit seinem Mandanten ausführlich besprochen seien und sein Mandant, der gerade in der Kanzlei sei, beabsichtige , ein volles Geständnis schriftlich abzulegen. Dies sei umfangreich und solle noch mit RAin S. weiter vorbereitet werden. Die Einholung einer Auskunft von H. sei daher entbehrlich. Der Verteidiger bat um eine Fristverlängerung bis Ende des Monats (28.02.2015).
b) Das bewilligte Unterzeichner im gleichen Telefonat, wobei er erklärte, dass das verfahrensabkürzende umfassende Geständnis für die Frage einer zu verhängenden Strafe zu Gunsten des Angeklagten von großer Bedeutung sei. Ein Ermittlungsersuchen an H. sei bisher noch nicht gestellt worden. Nunmehr solle die weitere Einlassung innerhalb der verlängerten Einlassungsfrist abgewartet werden. Unterzeichner bat, die Schweigepflichtentbindung für den Steuerberater gegebenenfalls sogleich mitzuübersenden.“
36
Dieser Telefonvermerk wurde nach Verfügung des Vorsitzenden vom selben Tag der Staatsanwaltschaft, den beiden Verteidigern und dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Essen zur Kenntnis übersandt.
37
cc) Mit Schriftsatz vom 5. März 2015 legte die Verteidigerin, Rechtsanwältin S. , den Entwurf einer Einlassung des Angeklagten vor. Der Vorsitzende und die Staatsanwaltschaft hielten diese Einlassung nicht für aus- reichend, was sie in einem Schreiben vom 23. März 2015 bzw. einer Verfügung vom 24. März 2015 zum Ausdruck brachten. Daraufhin rief Rechtsanwalt B. am 30. April 2015 erneut den Vorsitzenden an. Auch über dieses Gespräch fertigte der Vorsitzende einen Vermerk.
38
Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 4. Mai 2015, nahm der Vorsitzende folgende Mitteilung ins Protokoll auf: „Gemäß § 243 Abs. 4 StPO machte der Vorsitzende den Gegenstand von Gesprächen zur verständigungsbezogenen Förderung des Verfahrens durch Verlesung folgender Urkunden bekannt: - Verfügung nebst Vermerk über Vorgespräch vom 26.01.2015, Bl. 2473 ff. d.A. - Schreiben der Verteidigerin vom 05.03.2015 hinsichtlich der ersten Seite, Bl. 2536 d.A., - Schreiben des Vorsitzenden vom 23.03.2015, Bl. 2590 f. d.A., - Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 24.03.2015 hinsichtlich der ersten beiden Absätze, Bl. 2601 d.A., - Vermerk des Vorsitzenden vom 30.04.2015, Bl. 2625 d.A. Er fügte hinzu: Weitere Gespräche zur Frage einer Verständigung nach § 257c StPO haben nicht stattgefunden.“ Das Telefongespräch vom 12. Februar 2015 erwähnte der Vorsitzende nicht.
39
ee) In einer dienstlichen Stellungnahme vom 5. Januar 2016 gab der Vorsitzende an, Inhalt des Telefongesprächs vom 12. Februar 2015 seien die Fristverlängerung für eine angekündigte umfassend geständige Einlassung vor der Hauptverhandlung gewesen sowie – innerhalb der Frist – die Zurückstellung von weiteren Ermittlungen der Kammer vor der Hauptverhandlung und die Übersendung einer Schweigepflichtentbindung für den früheren Steuerberater des Angeklagten. Dagegen sei eine „wie auch immer geartete“ Möglichkeit der Verständigung zu Rechtsfolgen in der Hauptverhandlung nicht Gegenstand des Telefonats gewesen.
40
b) Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
41
aa) Der Beschwerdeführer beanstandet, der Vorsitzende habe mit seiner Mitteilung in der Hauptverhandlung die Öffentlichkeit und den Angeklagten über die letztlich gescheiterten verständigungsorientierten Gespräche nur unzureichend informiert. Zudem habe er nicht sämtliche verständigungsbezogenen Gespräche mitgeteilt, die vor Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden hätten und mit dem Ziel geführt worden seien, eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO herbeizuführen.
42
bb) Der Vorsitzende hat die sich aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ergebenden Mitteilungspflichten nicht verletzt.
43
(1) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung im Sinne von § 257c StPO gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150 und Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315).
44
Das hierin zum Ausdruck kommende Transparenzgebot soll sicherstellen , dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2016 – 1 StR 315/15 und vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13,BGHSt 59, 252; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 – 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15.April 2014 – 3 StR89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 – 1 StR 210/14, NStZ 2015, 48). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2016 – 1 StR 315/15; vom 25. Februar 2015 – 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353, 354; vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152 und vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, BGHSt 59, 252). Demgegenüber muss der Vorsitzende nicht darüber unterrichten, von wem die Initiative zu dem Gespräch ausgegangen ist, in dem dann über die Möglichkeit einer Verständigung gesprochen wurde. Denn dies gehört nicht zu dem gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mitzuteilenden wesentlichen Inhalt des Gesprächs. Es betrifft allein den äußeren Ablauf des Verfahrens (BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2014 – 1 StR 422/14, NStZ 2015, 293 und vom 11. Februar 2015 – 1 StR 335/14, NStZ 2015, 416).

45
(2) Diesen Anforderungen wird die Mitteilung des Vorsitzenden am ersten Tag der Hauptverhandlung gerecht.
46
(a) Soweit die Revision beanstandet, der Vorsitzende habe nicht mitgeteilt , von welcher Seite die Frage der Verständigung aufgeworfen wurde, zeigt sie keinen Verfahrensfehler auf.
47
Wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, lässt die Mitteilung des Vorsitzenden über den Ablauf des Gesprächs ausreichend erkennen, dass die Initiative sowohl für das Vorgespräch als auch für eine Verständigung vom Landgericht ausging. Der über das Verständigungsgespräch gefertigte und in der Hauptverhandlung verlesene Vermerk enthält einleitend die Feststellung, dass der Vorsitzende das Programm des Vorgesprächs festlegte und keiner der Anwesenden Änderungen anregte. Da im weiteren Verlauf des ausführlich dokumentierten Vorgesprächs die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung gemäß dem Programm erörtert wurden, ist durch die Verlesung des Vermerks in der Hauptverhandlung bekannt gemacht worden, dass die Initiative zum Verständigungsgespräch vom Landgericht ausging.
48
(b) Soweit die Revision beanstandet, der Vorsitzende habe weder über den Telefonvermerk informiert noch den Inhalt des Telefonats mit Rechtsanwalt B. vom 12. Februar 2015 mitgeteilt, bleibt die Verfahrensrüge ebenfalls ohne Erfolg.
49
Nach der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden hatte das Telefonat mit dem Verteidiger B. am 12. Februar 2015 weder ausdrücklich noch konkludent eine mögliche Verständigung zum Gegenstand. Dies ergibt sich daraus, dass in dem Telefonat inhaltlich nur auf die bereits vereinbarte Vorgehensweise aus dem Verständigungsgespräch vom 26. Januar 2015 Bezug genommen wurde. Schon in diesem Gespräch waren die Frage einer geständigen Einlassung und die in Rede stehenden weiteren Auskunftsersuchen Gegenstand. In dem Telefonat ging es somit nur noch um die Fristverlängerung für eine Einlassung des Angeklagten und den damit verbundenen Aufschub hinsichtlich des vom Vorsitzenden angekündigten Auskunftsersuchens. Der allgemeine Hinweis des Vorsitzenden in dem Telefongespräch auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses gibt lediglich die Gesetzeslage wieder. Damit waren Handlungsbeiträge, die im Sinne von Leistung und Gegenleistung zueinander stehen sollten, nicht Gegenstand des Telefongesprächs. Eine solche synallagmatische Verknüpfung der jeweiligen Handlungsbeiträge kennzeichnet aber ein Verständigungsgeschehen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 21. April 2016 – 2 BvR 1422/15 Rn. 21, NStZ 2016, 422 mwN).
50
(3) Selbst wenn man für eine vollständige Mitteilung der Verständigungsgespräche auch die Unterrichtung über den Inhalt des Telefonats vom 15. Februar 2015 verlangen wollte, läge ein Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruhen könnte, nicht vor.
51
Der Gesetzgeber hat Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung, zu denen auch die Transparenz und Dokumentationspflichten gehören, nicht als absolute Revisionsgründe eingestuft (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 223, Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, Rn. 29, NStZ 2015, 170, 172). Die Revisionsgerichte haben daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das Urteil auf dem Transparenzverstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 223, Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 – 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 153 f. mwN).
52
Bei der Prüfung durch die Revisionsgerichte sind auch Art und Schwere des Verstoßes in den Blick zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, Rn. 29, NStZ 2015, 170, 172). Bei lediglich geringfügigen Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten kann ein Beruhen ausgeschlossen werden, wenn nicht zu besorgen ist, dass die Herbeiführung einer gesetzwidrigen Absprache Gegenstand des Gesprächs war (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170); erforderlich ist eine wertende Gesamtbetrachtung (BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, NStZ 2015, 537; vgl. auch Senat, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150 und vom 11. Juni 2015 – 1 StR 590/14, NStZ-RR 2015, 379).
53
Vorliegend sind alle bedeutsamen Informationen über den Inhalt des außerhalb der Hauptverhandlung geführten und auf eine Verständigung abzielenden Gesprächs bereits durch die Verlesung des Vermerks vom 26. Januar 2015 in öffentlicher Hauptverhandlung mitgeteilt worden. Im Telefongespräch zwischen dem Verteidiger B. und dem Vorsitzenden vom 12. Februar 2015 wurden keine weiteren Verständigungsversuche unternommen, die über das zuvor stattgefundene Verständigungsgespräch hinausgingen. Solches wird von der Revision auch nicht behauptet. Die Verständigungsgespräche wurden damit in öffentlicher Hauptverhandlung transparent, ein verborgenes Geschehen „hinter verschlossenen Türen“ gab es ebenso wenig wie eine unzulässige „informelle“ Absprache.
54
2. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts dringt ebenfalls nicht durch. Sie bleibt aus den bereits in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen sowohl den Schuld- als auch den Strafausspruch.

IV.

55
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Raum Graf Jäger Radtke Mosbacher

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 78 Verjährungsfrist


(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjäh

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Einkommensteuergesetz - EStG | § 36 Entstehung und Tilgung der Einkommensteuer


(1) Die Einkommensteuer entsteht, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. (2) Auf die Einkommensteuer werden angerechnet: 1. die für den Veranlagungszeitraum entrichteten Einkommensteuer-Vorausza

Strafprozeßordnung - StPO | § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung


(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesu

Strafgesetzbuch - StGB | § 78c Unterbrechung


(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch 1. die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,2. jede richterliche Vernehmung des B

Strafgesetzbuch - StGB | § 78b Ruhen


(1) Die Verjährung ruht 1. bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,2. solange nach dem Gesetz d

Strafgesetzbuch - StGB | § 78a Beginn


Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.

Strafprozeßordnung - StPO | § 202a Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten


Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu mache

Abgabenordnung - AO 1977 | § 376 Verfolgungsverjährung


(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. (2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steu

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Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 22. Juni 2018 - 3 OLG 110 Ss 38/18

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Tatbestand Das AG verurteilte den Angekl. am 26.10.2017 wegen Steuerhinterziehung in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Daneben hat es gegen den Angekl. eine Gesamtgel

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 04. Apr. 2017 - 2 BvR 2551/12

bei uns veröffentlicht am 04.04.2017

Tenor Der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 14. Oktober 2011 - 64 Gs 3520/11 -, der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 17. Februar 2012 - 64 Gs 3520/11 - und der Beschluss des Landgerichts B

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2016 - 1 StR 185/16

bei uns veröffentlicht am 07.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 185/16 vom 7. Dezember 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. Nebenbeteiligte: wegen zu 1.: Steuerhinterziehung u.a. zu 2.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:071216B1STR185.16.0 Der 1. Strafs

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
1. Hinterziehung von Vermögensteuer für Besteuerungszeit-
räume bis zum 31. Dezember 1996 bleibt strafbar.
2. Bei Veranlagungssteuern beginnt die Verfolgungsverjährung
einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen
erst, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten
für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen
hat.
BGH, Beschluß v. 7. November 2001 - 5 StR 395/01
LG Mühlhausen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2001

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 3. Mai 2001 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Mit seiner auf die Verurteilung wegen Hinterziehung von Vermögensteuer in zwei Fällen beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Er macht die Straflosigkeit der abgeurteilten Vermögensteuerhinterziehungen geltend. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen besaß der Angeklagte zum 1. Januar 1993 Vermögenswerte von mehr als 1,7 Millionen DM und zum 1. Januar 1995 von mehr als 2,2 Millionen DM. Obwohl er wußte, daß er – bezogen auf diese Zeitpunkte – beim Finanzamt Vermögensteuererklärungen abzugeben hatte, kam er dieser Pflicht nicht nach, um Vermögensteuern nicht bezahlen zu müssen.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Zu erörtern ist folgendes:

I.

Die Hinterziehung von Vermögensteuer, die bis zum 31. Dezember 1996 entstanden ist, bleibt auch weiterhin strafbar:
1. Das Vermögensteuergesetz vom 17. April 1974 (BGBl I S. 949) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (BGBl I S. 2467) (VStG) ist auf alle bis zum 31. Dezember 1996 verwirklichten Sachverhalte anzuwenden.
Dem steht nicht entgegen, daû das Bundesverfassungsgericht mit Beschluû vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) das Vermögensteuergesetz partiell für mit der Verfassung unvereinbar erklärt hat. Werden Normen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, hat dies zwar grundsätzlich zur Folge, daû die Normen nicht mehr angewandt werden dürfen (vgl. BVerfGE 92, 53, 73). Die Rechtsfolgen einer Unvereinbarkeitserklärung können aber zu einem Zustand führen, der von der verfassungsmäûigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (BVerfGE aaO); dies veranlaût das Bundesverfassungsgericht vielfach, die Unvereinbarkeitserklärung mit der Anordnung einer befristeten weiteren Anwendbarkeit der verfassungswidrigen Norm zu verbinden, wobei die Frist danach bestimmt wird, wann vom Gesetzgeber die Schaffung eines verfassungsmäûigen Zustandes erwartet werden kann. Hier hat das Bundesverfassungsgericht die Erklärung über die Unvereinbarkeit des § 10 Nr. 1 VStG mit dem Grundgesetz mit der Anordnung verbunden, daû das bisherige Vermögensteuerrecht auf alle bis Ende 1996 verwirklichten Sachverhalte weiter anwendbar bleibt. Würde nämlich das Vermögensteuergesetz ab dem Entscheidungszeitpunkt des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr angewendet werden können, hinge die endgültige steuerliche Belastung vom jeweiligen zufälligen Verfahrensstand zum Zeitpunkt des Ergehens der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ab (vgl. BFH NJW 1997, 2007, 2008). Der Tenor der Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts, der nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft hat (BGBl I 1995, S. 1191), lautet: 1. § 10 Nummer 1 des Vermögensteuergesetzes vom 17. April 1974 (BGBl I S. 949) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (BGBl I S. 2467), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325), ist jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum 1983 in allen seinen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar, als er den einheitswertgebundenen Grundbesitz, dessen Bewertung der Wertentwicklung seit 1964/74 nicht mehr angepaût worden ist, und das zu Gegenwartswerten erfaûte Vermögen mit demselben Steuersatz belastet. 2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar... Damit wirkt sich die Unvereinbarkeitserklärung nicht ex tunc, sondern nur für die Zukunft aus. Die mit einer Unvereinbarkeitserklärung grundsätzlich verbundene Anwendungssperre entfällt (vgl. BFH BStBl II 2000, 378, 379). Dabei bewirkt die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich angeordnete Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes, daû die Vermögensteuer für die Veranlagungszeiträume vor 1997 auch weiterhin zu erheben ist (vgl. BFH NJW 1997, 2007; 1998, 3592; BVerfG ± 3. Kammer des Ersten Senats ± NJW 1998, 1854) und die Steuerpflichtigen infolgedessen entsprechende Vermögensteuererklärungen abzugeben haben.
2. Aufgrund der ausdrücklich angeordneten Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes ist auch eine Hinterziehung von Vermögensteuer weiterhin möglich; sie bleibt strafbar.
Dies steht in Einklang mit der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt wistra 2000, 154; OLG Hamburg wistra 2001, 112; LG Itzehoe wistra 2001, 31; im Hinblick auf die Festsetzung von Hinterziehungszin-
sen: BFH BStBl II 2000, 378; FG Baden-Württemberg EFG 2000, 297; FG Bremen wistra 1999, 199; FG Nürnberg EFG 2000, 602; zu § 169 Abs. 2 Satz 2 AO: FG Düsseldorf EFG 2000, 906; FG Münster NJW 2000, 1136; a. A. LG München II wistra 2000, 74; Niedersächsisches FG DStRE 2000, 940 und EFG 2000, 1227). In der Literatur ist die Frage umstritten (vgl. nur ± bejahend ± Brandenstein NJW 2000, 2326; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 370 AO Rdn. 233b; Meine DStR 1999, 2101; Rolletschke DStZ 2000, 211; Schmidt wistra 1999, 121; Wulf wistra 2001, 41; ± verneinend ± Bornheim StuW 1998, 146; PStR 2000, 75; Degenhard DStR 2001, 1370; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch wistra 1998, 161; Plewka/Heerspink BB 1999, 2429; Salditt StraFo 1997, 65; Ulsamer/Müller wistra 1998, 1; Urban DStR 1998, 1995).

a) Der Strafbarkeit der Vermögensteuerhinterziehung steht der Beschluû des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) nicht entgegen. Die Vorschriften des Vermögensteuergesetzes bleiben bezüglich aller bis Ende 1996 verwirklichten Sachverhalte geeignet, die Blankettvorschrift des § 370 AO auszufüllen und zusammen mit dieser einen Straftatbestand der Steuerhinterziehung zu bilden, gegen den nach wie vor verstoûen werden kann.
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22. Juni 1995, mit der die Tarifnorm des § 10 Nr. 1 VStG für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt worden ist, angeordnet, daû die gesetzlichen Regelungen der Vermögensbesteuerung befristet bis zum 31. Dezember 1996 weitergelten sollen. Dieser umfassenden Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts kommt gemäû § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Damit ist das Vermögensteuergesetz für die Besteuerungszeiträume bis zu diesem Stichtag auch als Ausfüllungsnorm des Blankettatbestandes des § 370 AO weiter heranzuziehen. Die befristete weitere Anwendbarkeit des bisherigen Vermögensteuerrechts schafft kein Recht minderer Qua-
lität, das vom Normadressaten ohne das Risiko, mit einer der vorgesehenen Sanktionen überzogen zu werden, ignoriert werden kann (BFH BStBl II 2000, 378, 379; Schmidt wistra 1999, 121, 125).
bb) Es ergibt sich auch nichts anderes daraus, daû das Bundesverfassungsgericht die Weitergeltungsanordnung nicht ausdrücklich auf das Strafrecht ausgedehnt hat (so: Bornheim PStR 2000, 75, 76). Denn nach der Entscheidungsformel des Beschlusses vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) war bis zum 31. Dezember 1996 “das bisherige Recht weiterhin anwendbar”. Eine Beschränkung in dem Sinne, daû nur noch Steuerfestsetzungen erfolgen dürften, eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung hingegen ausgeschlossen sein solle, ist dem nicht zu entnehmen, sie war ersichtlich auch nicht gewollt. Ohne eine Strafbewehrung der Normen des Vermögensteuergesetzes würde die Steuerbelastung im wesentlichen auf der Erklärungsbereitschaft der Steuerpflichtigen beruhen. Dies würde im Widerspruch dazu stehen, daû das Bundesverfassungsgericht aus dem Verfassungsgebot der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) für Steuern, deren Festsetzung auf Steuererklärungen beruht, die Notwendigkeit abgeleitet hat, die Steuerpflichtigen nicht nur durch ein Steuergesetz rechtlich gleichmäûig zu belasten, sondern auch einen gleichmäûigen Verwaltungsvollzug durch gesetzgeberische Maûnahmen abzustützen (vgl. BVerfGE 84, 239; vgl. auch BFH BStBl II 2000, 378, 380). Eine solche Beschränkung würde darüber hinaus auch dem Sinn und Zweck der verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung widersprechen, wonach “die Erfordernisse verläûlicher Finanz - und Haushaltsplanung und eines gleichmäûigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung” es rechtfertigen, die “Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Kalenderjahre wie bisher weiter anzuwenden” (BVerfGE 93, 121, 148). Es würde dann an jeglicher Absicherung des Gesetzesvollzugs fehlen, so daû eine sofortige Anwendungssperre eine neue Ungleichheit bewirken würde,
der nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts im Vergleich zur bestehenden Gleichheitswidrigkeit das gröûere Gewicht zukäme.
cc) § 370 AO ist auch nicht ± wie teilweise vertreten wird (vgl. Kohlmann , Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 68.2; Salditt StraFo 1997, 65, 68) ± restriktiv dahin auszulegen, daû ± ungeachtet einer verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung ± nur materiell mit der Verfassung in Einklang stehende Steuernormen Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit sein können. Ebensowenig kommt es für die Strafbarkeit darauf an, wie hoch die Verkürzungsbeträge bei verfassungsgemäûen Besteuerungsvorschriften gewesen wären. Formell ordnungsgemäû zustande gekommene Gesetze sind nach der Verfassung so lange und so weit für Bürger, Behörden und Gerichte uneingeschränkt verbindlich, als sie nicht vom Bundesverfassungsgericht aufgrund seines Kassationsmonopols (Art. 100 Abs. 1 GG) aufgehoben worden sind. Soweit das Bundesverfassungsgericht für eine als materiell verfassungswidrig erkannte Norm eine befristete Weitergeltung anordnet, hat es diese Vorschrift gerade nicht aufgehoben; das mit der Zuwiderhandlung gegen diese Norm verbundene objektive Unwerturteil bleibt bestehen (so auch BFH BStBl II 2000, 378, 380).
dd) Die Vorschrift des § 79 Abs. 1 BVerfGG, nach der gegen ein rechtskräftiges Urteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Norm beruht, die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen (a.A. LG München II wistra 2000, 74). Diese einfachgesetzliche Vorschrift wird von der vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen und nach § 31 Abs. 2 BVerfGG ebenfalls mit Gesetzeskraft ausgestatteten Weitergeltungsanordnung als neuerer und speziellerer gesetzlicher Vorschrift gleichen Ranges verdrängt (so auch BFH BStBl II 2000, 378, 380; vgl. auch OLG Frankfurt wistra 2000, 154; LG Itzehoe wistra 2001, 31, 32; Brandenstein NJW 2000, 2326), ohne daû es insoweit auf die vom Bundesverfassungsgericht angeführte Begründung für die
Weitergeltungsanordnung ankommt. Entscheidend ist allein, daû danach die gesetzlichen Regelungen der Vermögensbesteuerung befristet bis zum 31. Dezember 1996 ohne Einschränkung weitergelten sollen. Die in § 79 Abs. 1 BVerfGG vorausgesetzte Rechtslage, daû auch eine lediglich mit dem Grundgesetz unvereinbare Norm nicht mehr angewandt werden darf, ist in Fällen der vom Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft ausgesprochenen Weitergeltung der Norm nicht gegeben.
b) Die Strafbarkeit der Hinterziehung von Vermögensteuer ist schlieûlich auch nicht gemäû § 2 Abs. 3 StGB mit Ablauf des 31. Dezember 1996 entfallen.
Zwar hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit einer den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden Neuregelung des Vermögensteuergesetzes innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist keinen Gebrauch gemacht. Im Verstreichenlassen dieser Frist durch den Gesetzgeber liegt indes keine Aufhebung eines Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB mit der Folge, daû eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung auch für die Vergangenheit nicht mehr in Betracht kommen würde.
Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das bei Beendigung der Tat geltende Gesetz vor der Entscheidung geändert worden ist. Als milderer Rechtszustand kommt auch der ersatzlose Wegfall eines Gesetzes in Betracht, dem wiederum der Wegfall der Anwendung eines formal fortbestehenden Gesetzes gleichkommt (so auch BFH BStBl II 2000, 378, 380; Ulsamer/Müller wistra 1998, 1, 4). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dabei auch die Änderung der Ausfüllungsnormen von Blankettgesetzen ± wie § 370 AO ± als Rechtsänderung im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB (BGHSt 20, 177).
§ 2 Abs. 3 StGB greift hier allerdings deswegen nicht ein, weil das Vermögensteuergesetz hinsichtlich der Veranlagungszeiträume vor 1997 weiter anzuwenden ist (vgl. BFH BStBl II 2000, 378; Meine DStR 1999, 2101; Schmidt wistra 1999, 121). Anders als es § 2 Abs. 3 StGB voraussetzt, gelten die blankettausfüllenden Normen bezogen auf die maûgeblichen Besteuerungszeiträume wie Zeitgesetze (§ 2 Abs. 4 StGB) fort. Die Fortgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts hat für den früheren Rechtszustand dieselbe Wirkung wie Gesetzesänderungen, die der Steuergesetzgeber mit einer Überleitungsregelung verbindet, wonach der neue Rechtszustand erst auf Zeiträume oder Stichtage ab einem bestimmten Datum anzuwenden ist. Daraus folgt, daû für frühere Zeiträume oder Stichtage das bisherige Recht fortgilt (so auch BFH aaO). Für die Strafnorm des § 370 AO hat die Befristung der Weitergeltungsanordnung lediglich die Wirkung, daû für nach Fristablauf gelegene Veranlagungszeiträume keine weiteren Steueransprüche mehr entstehen können, die wiederum Anknüpfungspunkte für neue Hinterziehungshandlungen sein können. Die Hinterziehung vor Fristablauf entstandener Steuern ist hingegen weiterhin mit Strafe bedroht, weil die Strafnorm des § 370 AO nicht geändert wurde und die in § 370 AO geschilderten Begehungsvarianten für eine Steuerhinterziehung unverändert fortbestehen.

II.


Die Taten des Angeklagten sind nicht verjährt. Zurecht ist das Landgericht davon ausgegangen, daû auch die Verjährung der Steuerhinterziehung , die der Angeklagte durch Nichtabgabe einer Vermögensteuererklärung für den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1993 begangen hat, rechtzeitig unterbrochen worden ist.
1. Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung mit der Beendigung der Tat.


a) Die Frage, wann bei Veranlagungssteuern eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) beendet ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Veranlagungssteuern eine Tat im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erst dann vollendet, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maûgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat. Entscheidend sei für die Frage der Vollendung nämlich der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäûer Abgabe auch der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre. Erst dann sei die rechtzeitige Festsetzung der Steuer vereitelt und der Verkürzungserfolg eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt liege nur versuchte Steuerhinterziehung vor (vgl. BGHSt 30, 122, 123; 36, 105, 111; 37, 340, 344; BGH wistra 1999, 385). Auch die Beendigung der Unterlassungstat sei damit erst mit Abschluû der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamtes gegeben (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3; so auch Jähnke in LK 11. Aufl. § 78a Rdn. 6, 9; Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 376 AO Rdn. 40, 43; G. Schäfer in Festschrift für Hanns Dünnebier, 1982, S. 541, 543).
bb) Demgegenüber wird auch die Auffassung vertreten, der Grundsatz ªin dubio pro reoº gebiete, daû zugunsten des säumigen Steuerpflichtigen ein erheblich früherer Tatbeendigungszeitpunkt anzunehmen sei (vgl. OLG Hamm, Beschluû vom 2. August 2001 ± 2 Ws 156/01 ±; Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 376 AO Rdn. 28; Gast-de Haan in Klein, AO 7. Aufl. § 376 Rdn. 19; Joecks, Praxis des Steuerstrafrechts 1998 S. 55; Schmitz wistra 1993, 248; Simon/Vogelberg, Steuerstrafrecht 2000 S. 92 f., 111 f.). Die Annahme des denkbar spätesten Vollendungszeitpunkts sei für einen Angeklagten nur insoweit günstig, als es um die Frage der Erfüllung des Tatbestandes gehe, nicht aber, soweit für die Frage der Verjährung die
Tatbeendigung an den Zeitpunkt der Tatvollendung geknüpft werde. Bei der Verjährung müsse vielmehr zugunsten des Angeklagten darauf abgestellt werden, wann bei einer hypothetischen Veranlagung nach einer rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung frühestens eine Veranlagung erfolgt wäre.
Wann dieser Zeitpunkt vorliegt, wird allerdings von den Vertretern dieser Ansicht unterschiedlich beantwortet (vgl. Joecks aaO und Gast-de Haan aaO: mit Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Steuererklärung; Simon/Vogelberg aaO S. 111: mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist und dazu einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer beim Finanzamt; OLG Hamm aaO, Schmitz aaO S. 251: im Hinblick auf regelmäûige Fristverlängerungen nicht vor 30. September des Jahres, in dem die Steuererklärung abzugeben gewesen wäre; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Steuerverfehlungen 68. Ergänzungslieferung § 376 AO Rdn. 9: mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist nur bei dem Finanzamt bekannten Steuerpflichtigen, bei dem Finanzamt unbekannten Steuerpflichtigen erst mit allgemeinem Abschluû der Veranlagungsarbeiten; OLG Hamm aaO, Schmitz aaO S. 250, Simon /Vogelberg aaO S. 93 jeweils unter Hinzurechnung der Postlaufzeit für die Bekanntgabe).

b) Die abweichenden Auffassungen geben dem Senat keinen Anlaû, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben, wonach bei Veranlagungssteuern eine Unterlassungstat im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erst dann beendet ist, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maûgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3).
aa) Die Beendigung einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen setzt voraus, daû der steuerliche Verkürzungserfolg eingetreten ist, weil es sich bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO um ein unechtes Unterlassungsdelikt, d. h. ein Erfolgsdelikt, handelt (vgl. Jähnke in LK aaO § 78a Rdn. 6, 9). Insoweit
besteht kein Unterschied zur Steuerhinterziehung durch aktives Tun (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 78a Rdn. 8; Rudolphi in SK-StGB § 78a Rdn. 7).
Nach § 370 Abs. 4 Satz 1 AO sind Steuern bereits dann verkürzt, wenn sie nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Die darin liegende Tatvollendung fällt indes bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen nicht ohne weiteres mit der Tatbeendigung zusammen. Für die Beendigung der Tat und damit für die Frage der Verjährung kommt es nämlich nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem diese Steuern festgesetzt worden wären, wenn der Steuerpflichtige rechtzeitig eine Steuererklärung abgegeben hätte, weil ein dauerhafter Tat-erfolg zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht eingetreten ist. Solange die Veranlagungsarbeiten des Finanzamts noch im Gange sind, ist stets mit der Möglichkeit einer Veranlagung durch Schätzungsbescheid zu rechnen. Die für den Beginn der Verfolgungsverjährung maûgebliche Tatbeendigung ist vielmehr erst dann gegeben, wenn ein Steuerbescheid ergangen ist oder wenn feststeht, daû ein solcher Bescheid nicht mehr ergehen wird. Erst dann liegt eine endgültige Steuerhinterziehung vor und das Tatgeschehen hat über die eigentliche Tatbestandserfüllung hinaus ihren tatsächlichen Abschluû gefunden. Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung besteht auch nach der Vollendung der Tat uneingeschränkt bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 169 ff. AO) fort.
Nach begangener Steuerhinterziehung kann indes an sich die Festsetzungsverjährung nicht mehr eintreten, weil insoweit eine Ablaufhemmung bis zur strafrechtlichen Verjährung der Steuerhinterziehung besteht (vgl. § 171 Abs. 7 AO). Da es aber nicht vorhersehbar ist, ob nach Abschluû der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamts noch irgendwann gegen den Täter ein Steuerbescheid erlassen wird, ist die Hinterziehung einer Veranlagungssteuer durch Unterlassen als beendet anzusehen, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk
für den maûgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3). Erst dann ist regelmäûig nicht mehr mit einer Veranlagung zu rechnen.
bb) Eine weitere Vorverlegung der Tatbeendigung nach dem Grundsatz ªin dubio pro reoº auf einen früheren Zeitpunkt kommt nicht in Betracht.
Zwar ist der Grundsatz ªim Zweifel für den Angeklagtenº grundsätzlich auch auf die Frage der Verjährung anzuwenden (vgl. BGHSt 18, 274). Bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt der zum Tatbestand gehörige Erfolg eingetreten ist, so greift der Grundsatz ªin dubio pro reoº ein (vgl. Stree/SternbergLieben in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 78a Rdn. 14). Voraussetzung hierfür ist aber, daû beim Tatrichter Zweifel über tatsächliche Gegebenheiten bestehen, die für die Verjährungsfrage von Bedeutung sind. Weiû das Gericht hingegen, daû kein Steuerbescheid ergangen ist, und kennt es den Zeitpunkt des Abschlusses der Veranlagungsarbeiten durch das Finanzamt, sind ihm die für die Tatbeendigung maûgeblichen Tatsachen bekannt; für die Anwendung des Grundsatzes ªim Zweifel für den Angeklagtenº bleibt dann kein Raum.
Der hypothetische Zeitpunkt, zu dem das Finanzamt einen Steuerbescheid erlassen hätte, wenn der Täter fristgemäû eine Steuererklärung abgegeben hätte, ist für die Frage der Beendigung ohne Bedeutung, da es insoweit auf die endgültige Nichtfestsetzung der Steuern ankommt; die bloûe Tatbestandsverwirklichung durch Bewirken einer nicht rechtzeitigen Veranlagung reicht für die Tatbeendigung nicht aus.
2. Danach ist die Vermögensteuerhinterziehung des Angeklagten bezogen auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1993 nicht verjährt.
Zurecht hat das Landgericht festgestellt, daû der Lauf der Verjährungsfrist erst nach dem 1. Juni 1995 begonnen hat, weil zu diesem Zeitpunkt erst 94,34 Prozent der Veranlagungsarbeiten im maûgeblichen Ver-
anlagungsbezirk erledigt waren. Die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Vechta vom 28. April 1999 hat damit die Verjährung gemäû § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB wirksam unterbrochen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum
77
b) Das Landgericht hat in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe festgestellt , dass der Angeklagte F. betreffend den Veranlagungszeitraum 2004 für die D. Systeme GmbH, deren Geschäftsführer er war, keine Körperschaftsteuer - und Gewerbesteuererklärungen abgegeben hat. Diese Feststellungen allein tragen jedoch die Annahme einer vollendeten Körperschaftund Gewerbesteuerhinterziehung zugunsten der D. Systeme GmbH nicht. Denn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen ist - sofern, wie hier, kein Schätzungsbescheid ergangen ist - für die Vollendung der Tat i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO derjenige Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung eingereicht worden wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 500/98, NStZ-RR 1999, 218). Dies ist dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO mwN; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 92).

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

29
aa) Nach dieser Rechtsprechung, die der Senat seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10, wistra 2010, 449, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 168/11, vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396, vom 29. November 2011 - 1 StR 459/11, wistra 2012, 151, vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11, NStZ 2012, 331, vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67, vom 26. September 2012 - 1 StR 423/12, wistra 2013, 31 und vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, wistra 2013, 1999 sowie Urteile vom 21. August 2012 - 1 StR 257/12, wistra 2013, 28, vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, wistra 2012, 350), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels "in großem Ausmaß" dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters aber darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, soll die Wertgrenze bei 100.000 Euro liegen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 73/13
vom
5. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2013 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Oktober 2012 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Auch die vom Angeklagten am 28. März 2006 durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 168 Satz 1 AO) mit einem Verkürzungsumfang von 133.269,08 Euro (Tat 1 der Urteilsgründe) ist nicht verjährt.
Zwar betrug die Verjährungsfrist für diese Tat zunächst nur fünf Jahre (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), die bei Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (vgl. § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) bereits verstrichen waren. Die Verjährungsfrist hatte sich jedoch durch Gesetz vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I, 2794, 2828) auf zehn Jahre erhöht (§ 376 Abs. 1 AO). Diese Vorschrift gilt für alle bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen (vgl. Art. 97 § 23 EGAO).
Die Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO liegen hier vor, denn die Tat erfüllt das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (Steuerverkürzung in gro- ßem Ausmaß). Der Umstand, dass das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bis zur Änderung durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I, 3198, 3209) und damit zum Zeitpunkt der Tatbeendigung enger gefasst war - es enthielt noch das einschränkende Merkmal des Handelns aus grobem Eigennutz - steht der Anwendung der verlängerten Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO nicht entgegen (vgl. Jäger in Klein, Abgabenordnung, 11. Aufl., § 376 Rn. 14; Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , 1. Aufl. 2011, Rn. 10; a.A. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht , 7. Aufl., § 376 AO Rn. 14e; Spatscheck/Albrecht Stbg 2012, 501, 506). Maßgeblich ist allein, dass die Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO erfüllt sind und die Tat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verjährungsvorschrift noch nicht verjährt war. Beides ist hier der Fall. Damit kommt die zehnjährige Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO zur Anwendung, obwohl die Tat zum Zeitpunkt der Tatbegehung keines der Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 Satz 2 AO erfüllt hat.
Der Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO steht auch nicht entgegen, dass das Landgericht für diese Tat die Strafe nicht dem Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnommen hat. Entscheidend ist, ob ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles verwirklicht ist, nicht, ob sich die Tat nach der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände im konkreten Einzelfall als besonders schwer darstellt (vgl. Jäger in Klein, Abgabenordnung, 11. Aufl., § 376 Rn. 11, 15; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 376 AO Rn. 14f.; a.A. Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Lfg. 40, § 376 AO Rn. 20 ff.). Die typisierende Anknüpfung der Verjährungsregelung des § 376 Abs. 1 AO an Regelbeispielen besonders schwerer Fälle der Steuerhinterziehung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich.
Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.

(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Die Verjährung ruht

1.
bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,
2.
solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen.

(2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem

1.
die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder
2.
eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung).

(3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

(4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt.

(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat

1.
bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,
2.
bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat,
3.
bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder
4.
bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die ersuchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine § 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleichbare Fristenregelung besteht.

(6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.

29
aa) Nach dieser Rechtsprechung, die der Senat seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10, wistra 2010, 449, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 168/11, vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396, vom 29. November 2011 - 1 StR 459/11, wistra 2012, 151, vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11, NStZ 2012, 331, vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67, vom 26. September 2012 - 1 StR 423/12, wistra 2013, 31 und vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, wistra 2013, 1999 sowie Urteile vom 21. August 2012 - 1 StR 257/12, wistra 2013, 28, vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, wistra 2012, 350), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels "in großem Ausmaß" dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters aber darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, soll die Wertgrenze bei 100.000 Euro liegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 416/08
vom
2. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Die Berechnung der nach § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge
richtet sich in Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse nach § 14 Abs. 2
Satz 2 SGB IV.
2. Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung.
BGH, Urt. vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. April 2008 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt schuldig ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 48 Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 43 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers , mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zur Berichtigung eines offensichtlichen Schreibversehens in der Urteilsformel. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als Einzelfirma ein Trockenbau-Unternehmen, das für verschiedene Auftraggeber als Subunternehmer tätig war. Aufgrund der Preisvorgaben der Auftraggeber war dem Angeklagten in den Jahren 2001 bis 2005 ein „auskömmliches Wirtschaften“ nur dadurch möglich, dass er den wesentlichen Teil seiner Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigte, ohne die Arbeitsverhältnisse den zuständigen Stellen zu melden und ohne für diese Personen Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Darüber hinaus erklärte er die Umsatzerlöse, die er aufgrund der Tätigkeit der nicht gemeldeten Arbeitnehmer erzielte, in den für die betreffenden Zeiträume abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen nicht. Er wollte hierdurch die Abführung von Umsatzsteuern auf die unter Einsatz der illegal beschäftigten Arbeitnehmer erbrachten Leistungen vermeiden. Um andererseits den Auftraggebern zu ermöglichen, die an ihn als Subunternehmer geleisteten Zahlungen ertragsteuerlich als Betriebsausgaben ansetzen und umsatzsteuerlich einen Vorsteuerabzug geltend machen zu können , unterstützte der Angeklagte die Auftraggeber bei der Beschaffung sog. Abdeckrechnungen. Bei diesen Rechnungen handel te es sich um Scheinrechnungen mit gesondertem Vorsteuerausweis, mit denen unter dem Namen von Firmen, die tatsächlich nicht tätig geworden waren, Leistungen abgerechnet wurden. Die Abdeckrechnungen für die L. AG erstellte der Angeklagte selbst. Sowohl dem Angeklagten als auch seinen Auftraggebern war bewusst, dass die vorgeblichen Aussteller der Rechnungen die darin ausgewiesenen Umsatzsteuern weder anmelden noch an die Finanzbehörden abführen würden.
3
Insgesamt verkürzte der Angeklagte durch diese Vorgehensweise in den Jahren 2001 bis 2005 Umsatzsteuern in Höhe von mehr als 373.000 Euro sowie Lohnsteuer von 354.000 Euro und enthielt er den Einzugsstellen Gesamt- sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mehr als 947.000 Euro vor, davon Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung in Höhe von über 473.000 Euro. Zudem ermöglichte er durch das Ausstellen von Scheinrechnungen den Verantwortlichen der L. AG, in den Jahren 2001 bis 2004 in Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen ungerechtfertigt Vorsteuern in einer Gesamthöhe von mehr als 220.000 Euro geltend zu machen.

II.

4
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch. Die Urteilsformel ist lediglich dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte statt in 43 Fällen nur in 33 Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) schuldig ist. Bei der Nennung von 43 Taten des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in der Urteilsformel handelt es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen ; dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Urteilsgründen, die lediglich 33 Einzeltaten aufführen und diesen jeweils bestimmte Einzelstrafen zuordnen. Die Berichtigung kann der Senat selbst vornehmen (vgl. BGH NStZ 2000, 386; Kuckein in KK, 6. Aufl., § 354 Rdn. 20 m.w.N.).

III.

5
Die Strafzumessung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt enthält keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Auch der Schuldumfang - die Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge - ist zutreffend bestimmt.
6
1. Da die Strafkammer in den Urteilsgründen die Zahl der Einzeltaten zutreffend bestimmt hat, wirkt sich die Schuldspruchberichtigung auf den Strafausspruch nicht aus.
7
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht bei den einzelnen Taten jeweils auch den zutreffenden Schuldumfang zugrunde gelegt. Dies gilt auch, soweit es in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe den Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) verurteilt hat. Das Landgericht hat hierbei die Höhe der den Einzugsstellen vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge unter Heranziehung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestimmt, indem es die an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Löhne als Nettoarbeitsentgelt gewertet hat.
8
a) Die Schätzung der an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer tatsächlich ausgezahlten Lohnsummen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Da der Angeklagte über die Beschäftigung der bei den Einzugsstellen nicht angemeldeten Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen führte, durfte das Landgericht die Höhe der an diese Personen gezahlten Löhne auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse schätzen (vgl. BGHSt 38, 186, 193; BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 5; BGH wistra 2007, 220 f.). Dies waren hier insbesondere die vom Landgericht festgestellten Umsätze des Angeklagten mit den Auftraggebern , der Umstand, dass die Auftraggeber das erforderliche Material zur Verfügung stellten, und die Tatsache, dass es sich bei den vorgenommenen Arbeiten fast ausschließlich um Lohnarbeiten handelte (UA S. 19, 37). Angesichts dieser Erkenntnisse und des Umstandes, dass nach den Feststellungen des Landgerichts auch in anderen - mit den verfahrensgegenständlichen vergleichbaren - Fällen bei Arbeiten im Rahmen von Trockenbaumaßnahmen 60 Pro-zent der Rechnungssummen als Löhne ausgezahlt wurden, ist die Schätzung der ausgezahlten Lohnsummen auf 60 Prozent des Nettoumsatzes des Angeklagten mit seinen Auftraggebern aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch BGH wistra 1983, 107, 108; OLG Düsseldorf wistra 1988, 123, 124).
9
b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch, dass das Landgericht in den Fällen D 10 bis D 33 der Urteilsgründe, d.h. für die Beitragsmonate ab August 2002, die so ermittelten Lohnzahlungen nicht als Bruttolohn, sondern - wie sich aus den mitgeteilten Beträgen ergibt - als Nettoarbeitsentgelt gewertet und ausgehend hiervon anhand der jeweils gültigen Beitragssätze die der Einzugsstelle vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge errechnet hat. Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich auch für das Strafrecht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, die zum 1. August 2002 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2002, 2787 ff.).
10
aa) Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl. I 2787 ff.) dem Umstand Rechnung getragen, dass bei illegaler Beschäftigung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Er hat daher bestimmt, dass in solchen Fällen für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zwischen den Beteiligten die Zahlung eines Nettoarbeitsentgelts als vereinbart gilt, weil dem Arbeitnehmer auch wirtschaftlich ein Nettoarbeitsentgelt zufließt (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Neben der Beseitigung von Beweisschwierigkeiten zum Inhalt von Lohnvereinbarungen bei illegaler Beschäftigung (BTDrucks. aaO ) war die Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen, die sich die Beteiligten von illegalen Beschäftigungsverhältnissen verschaffen, ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers bei der Schaffung des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (BTDrucks. 14/8221 S. 11, 16).
11
bb) Bei der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV handelt es sich um die Fiktion einer Nettolohnabrede für illegale Beschäftigungsverhältnisse, bei denen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Diese Fiktion greift unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Lohnvereinbarung ein. Das Arbeitsentgelt der Beschäftigten besteht daher in solchen Fällen aus dem als Nettolohn zu behandelnden Barlohn, der um die darauf entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung zu erhöhen, d.h. zu einem Bruttolohn „hochzurechnen“ ist (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Denn Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge ist stets das Bruttoarbeitsentgelt (vgl. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; § 162 Nr. 1 SGB VI; § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; § 342 SGB III; § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; BSGE 64, 110, 111 f.). Illegale Beschäftigung im Sinne der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV liegt nicht nur bei verbotenen Beschäftigungsverhältnissen (§ 134 BGB) vor, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die für die Arbeitsverhältnisse vorgeschriebenen Meldungen nicht erstattet oder Beiträge für die versicherten Arbeitnehmer nicht zahlt. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der illegalen Beschäftigung als „Sammelbegriff für eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeitstatbeständen oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch“ (BTDrucks. 14/8221, S. 11).
12
cc) Mit Einführung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV wurde die bis dahin geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts , nach der bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit Schwarzlohnabreden der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge eine Bruttolohnvereinbarung zu Grunde zu legen ist (vgl. BGHSt 38, 285; BGH wistra 1993, 148 f.; BSGE 64, 110 ff.), für den Bereich des Sozialversicherungsrechts durch einen "Federstrich des Gesetzgebers" obsolet (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.). Überzeugende Gründe, die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Strafrecht nicht anzuwenden und für die Bestimmung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 266a StGB weiterhin an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, bestehen angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht.
13
(1) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts (vgl. BGH und BSG aaO) bezeichnet als maßgeblichen gegen die Annahme einer Nettolohnvereinbarung bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen sprechenden Gesichtspunkt, dass die Abrede eines Schwarzlohns gerade beinhalte, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden sollen. Die wesentliche Rechtsfolge einer Nettolohnvereinbarung - die Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Lohnsteuerpflicht und seiner Beitragslast zu Lasten des Arbeitgebers - werde daher von den Parteien des illegalen Beschäftigungsverhältnisses nicht angestrebt (BGH wistra 1993, 148 m.w.N.; BSGE 64, 110, 114 f., 116); vielmehr wolle in solchen Fällen gerade auch der Arbeitgeber im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Eine derartige Vereinbarung führt zwar zur Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede, nicht aber zu der des gesamten Beschäftigungsverhältnisses (vgl. BAGE 105, 187, 191 ff.). Die sich wegen der Nichtigkeit der Schwarzlohnabrede stellende und „früher streitige Frage, ob bei derartigen Zahlungen unter der Hand von Brutto- oder Nettolöhnen auszugehen ist“ (BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), hat der Gesetzgeber nun mit der in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV normierten Fiktion einer Nettolohnvereinbarung eindeutig und abschließend geklärt (BTDrucks. aaO).
14
(2) Der Schuldumfang bei Straftaten der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a StGB im Rahmen von illegalen, aber versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bestimmt sich nach dem nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu ermittelnden Bruttoentgelt und der hieran anknüpfenden Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Vorenthalten im Sinne von § 266a StGB sind die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften tatsächlich geschuldeten Beiträge. Denn der Straftatbestand des § 266a StGB ist sozialrechtsakzessorisch ausgestaltet (BGHSt 47, 318 f.; 51, 125, 128 m.w.N.; 52, 67, 70). Der Umfang der abzuführenden Beiträge bestimmt sich daher, wie die Abführungspflicht selbst, nach materiellem Sozialversicherungsrecht. Ein entgegenstehender Wille der Vertragsparteien des Beschäftigungsverhältnisses ist im Strafrecht ebenso unbeachtlich wie im Sozialversicherungsrecht. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach ein Arbeitsverhältnis vor, können die Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH NStZ 2001, 599, 600). Nach den tatsächlichen Verhältnissen bemessen sich auch die Sozialversicherungsbeiträge. Dabei entspricht die Lohnzahlung aufgrund einer Schwarzlohnabrede nach der Wertung des Gesetzgebers bei Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Nettoarbeitsentgelt eines legalen Beschäftigungsverhältnisses (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, kann nicht getroffen werden.

15
(3) Der Umstand, dass der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, mit der dem Phänomen der illegalen Beschäftigung entgegengewirkt werden soll (vgl. BTDrucks. 15/726 S. 3 f.), im Ergebnis Sanktionscharakter zukommt (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz SGB, 38. Lfg. 2003, § 14 SGB IV Rdn. 43 Fußnote 194), steht der Anwendung dieser Norm bei der Bestimmung des Umfangs der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nicht entgegen. Zwar bezweckt diese Vorschrift auch, den Arbeitgeber von einer Schwarzlohnabrede abzuhalten (vgl. BAGE 105, 187, 194). Jedoch ist dies nicht alleiniger Zweck der Vorschrift. Vielmehr soll § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Beweisschwierigkeiten beseitigen und der wirtschaftlichen Situation bei einer Schwarzlohnabrede Rechnung tragen (BTDrucks. 14/8221 S. 14). Damit hat die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV einen materiellen Regelungsgehalt und nicht den Charakter eines Säumnis- oder Verspätungszuschlages oder eines Zwangsgelds (vgl. dazu BGHSt 43, 381, 400 ff.).
16
(4) Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB zur Folge hat, dass insoweit ein anderes Bruttoentgelt zugrunde zu legen ist als bei der Bestimmung des Verkürzungsumfangs der bei Schwarzlohnabreden zumeist ebenfalls verwirklichten Hinterziehung von Lohnsteuer (vgl. Heitmann in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2006, § 36 Rdn. 26; Boxleitner in Wabnitz/Janovsky, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2007, Kap. 17 Rdn. 59 Fn. 89). Von der Schaffung einer der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV entsprechenden Norm im Steuerrecht hat der Gesetzgeber aber wegen des dort geltenden Zuflussprinzips bewusst abgesehen (BTDrucks. 15/2948 S. 7, 20). Demgegenüber gilt im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich das Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 SGB IV, BGHSt 47, 318, 319; vgl. auch BSGE 41, 6, 11; 54, 136 ff.; 59, 183, 189; 75, 61, 65), das auch bei der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Anwendung findet (einschränkend Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 57. Ergän-zungslieferung 2008 SGB IV § 14 Rdn. 139; vgl. aber BAGE 105, 187, 191 ff.). Diese Unterschiede zwischen Lohnsteuer und Sozialabgaben rechtfertigen auch für das Strafrecht eine unterschiedliche Bemessungsgrundlage für die Hinterziehung von Lohnsteuer einerseits und das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen andererseits (vgl. BGHSt 47, 318, 319 zu § 266a StGB: „unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird“).
17
(5) Der Umstand, dass die Fiktion einer Nettolohnvereinbarung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV zu einem Bruttoarbeitsentgelt führen kann, das den Wert der Arbeitsleistung übersteigt (vgl. BSGE 64, 110, 117; Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59), steht der Anwendung der Vorschrift § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei der Bemessung der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls nicht entgegen. Auch insoweit ist zu berücksichtigen , dass eine rechtmäßige Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer das tatsächlich ausgezahlte Entgelt verbleibt, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge aus einem nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermittelten Bruttoentgelt berechnet werden, nicht getroffen werden kann (vgl. oben [2]). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird in diesem Zusammenhang lediglich durch die dem Straftatbestand des § 266a StGB als echtem Unterlassungsdelikt immanente Tatbestandsvoraussetzung beschränkt, dass dem Arbeitgeber die Erfüllung der Handlungspflicht möglich und zumutbar sein muss (BGHSt 47, 318, 320). An der Zumutbarkeit der Zahlung der gegenüber der legalen Beschäftigung erhöhten Sozialversicherungsbeiträge bestehen hier keine Zweifel, denn der Angeklagte verschaffte sich durch die Schwarzlohnabrede wirtschaftliche Vorteile im Wettbewerb gegenüber legal tätigen Arbeitgebern.

18
(6) Auch gegen die Berechnung des Bruttoarbeitsentgelts auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse VI bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken (vgl. Boxleitner aaO Kap. 17 Rdn. 59 und SG Dortmund, Urt. vom 8. September 2008 - S 25 R 129/06 - BeckRS 2008 57420). Nach § 39c EStG ist diese Steuerklasse zu Grunde zu legen, wenn bei einem Arbeitsverhältnis die Lohnsteuerkarte dem Arbeitgeber nicht vorgelegt wird. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen besteht regelmäßig kein Grund zu der Annahme, dass die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ihre Lohnsteuerkarte vorgelegt haben. Mangels erkennbarer Anhaltspunkte für eine andere Handhabung ergibt sich hier auch aus dem Zweifelsgrundsatz nichts anderes (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.).

IV.

19
Auch die tatrichterliche Strafhöhenbemessung wegen Steuerhinterziehung ist rechtsfehlerfrei. Die dem angefochtenen Urteil insoweit zugrunde liegenden Strafzumessungserwägungen tragen den nachfolgend dargelegten Kriterien Rechnung, die bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung Anwendung finden müssen:
20
1. Grundlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung - wie bei jeder anderen Straftat auch - die persönliche Schuld des Täters. Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB). § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt, dass bei der Zumessung der Strafe die Umstände gegeneinander abzuwägen sind, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei kommen namentlich die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstände in Betracht.

21
2. Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109, 111; 41, 1, 5; 46, 107, 120). Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. auch BGH wistra 1998, 269, 270).
22
Das gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), sondern auch für die konkrete Strafzumessung in dem - wie hier vom Landgericht - zugrunde gelegten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Dass der Hinterziehungsbetrag nicht nur ein bestimmender Strafzumessungsfaktor, sondern darüber hinaus, dann wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung gewichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
23
Schon die bis Ende des Jahres 2007 - und damit noch zur Tatzeit geltende - Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hob die Höhe des Hinterziehungsbetrags als einen Umstand heraus, der zur Verschärfung des Strafrahmens führen konnte. Danach war in der Regel ein nur mit Freiheitsstrafe (von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) bedrohter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gegeben, wenn der Täter „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“. Zwar musste nach der früheren Fassung für die Erfüllung des Regelbeispiels zu dem objektiven Merkmal „in großem Ausmaß“ noch das subjektive Merkmal „aus grobem Eigennutz“ hinzukommen, gleichwohl hatte der Gesetzgeber schon damals zum Ausdruck gebracht, dass die Strafhöhenbemessung maßgeblich auch von der Höhe des Hinterziehungsbetrags bestimmt wird.
24
3. Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, kann allein dessen Ausmaß für die Strafhöhenbemessung nicht in dem Sinne ausschlaggebend sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrags schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen.
25
Das schließt indes nicht aus, die Strafhöhe an den vom Gesetzgeber auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorgegebenen Wertungen auszurichten. Das gilt auch für die konkrete Strafzumessung innerhalb des gefundenen Strafrahmens , und zwar auch beim Normalstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO. Gerade auch bei der Bemessung der schuldangemessenen Strafe kommt dem Merkmal „großes Ausmaß“ Bedeutung zu, weil es aufzeigt, wann der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe (mit erhöhtem Mindestmaß) für angebracht hält. Dazu bedarf das Merkmal einer näheren Konturierung.
26
Der Senat ist der Ansicht, dass insoweit vergleichbare Kriterien wie für das wortgleiche Merkmal in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (auf das auch § 263a Abs. 2, § 266 Abs. 2 StGB verweisen) zur Anwendung kommen müssen.
27
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 48, 360; BGH wistra 2004, 262, 263; StV 2007, 132) erfüllt ein Vermögensverlust von mehr als 50.000 € beim Regelbeispiel des besonders schweren Falles des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) das Merkmal „in großem Ausmaß“. Dazu hatte der Senat in BGHSt 48, 360 ausgeführt: „Der Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes ist nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen … Die Abgrenzung, die sich für § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB wertmäßig an einem Vermögensverlust in Höhe von 50.000 € ausrichtet, schafft für die Praxis Rechtssicherheit. Im Einzelfall bleibt genügend Spielraum für eine gerechte Straffindung. Der Tatrichter hat ohnehin im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Regelbeispiels zu bewerten, ob tat- oder täterbezogene Umstände vorliegen, die die Indizwirkung des Regelbeispiels aufheben und trotz seiner Verwirklichung zur Verneinung eines besonders schweren Falles führen können, oder ob auch ohne dass dieses Regelbeispiel erfüllt ist besondere Umstände einen unbenannten besonders schweren Fall zu begründen vermögen oder etwa ein anderes benanntes Regelbeispiel anzunehmen ist.“
28
b) Das vergleichbare Merkmal des „großen Ausmaßes“ im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hat der Bundesgerichtshof bislang nicht - wie beim Betrug - betragsmäßig bestimmt. Das lag in erster Linie daran, dass bei der früheren Gesetzesfassung - zu der die Entscheidungen ergangen sind - die objektive Komponente („großes Ausmaß“) mit der subjektiven Komponente („aus grobem Eigennutz“) verknüpft war, so dass eine eigenständige Auslegung nur des Merkmals „großes Ausmaß“ nicht veranlasst war.
29
Wegen der Verknüpfung von objektivem und subjektivem Merkmal hatte der Bundesgerichtshof eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände gefordert (vgl. BGH wistra 1993, 109,110). Von Bedeutung war dabei insbesondere, ob sich das Ausmaß aus dem noch durchschnittlich vorkommen- den Verkürzungsumfang heraushebt und ob ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes“ vorliegt (vgl. BGH wistra 1987, 71, 72).
30
Auch in der Kommentarliteratur finden sich bisher sehr unterschiedliche und daher keine hinreichend klaren Maßstäbe für eine Grenzziehung. Während überwiegend - indes unter Geltung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF - für die Annahme des „großen Ausmaßes“ eine Hinterziehung in Millionenhöhe für erforderlich erachtet wurde (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 270; Klein/Gast-de Haan, AO 9. Aufl. § 370 Rdn. 68; Scheurmann -Kettner in Koch/Scholz, AO 5. Aufl. § 370 Rdn. 59), finden sich in der neueren Literatur Stimmen, die eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ bereits ab einem Mindestbetrag von 50.000 € für möglich erachten (Kohlmann, Steuerstrafrecht 38. Lfg. August 2008 § 370 AO Rdn. 1099.7; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1022). Demgegenüber nehmen andere Autoren auch für die neue Fassung des Merkmals ein „großes Ausmaß“ erst bei einem Betrag von 500.000 € (Blesinger in Kühn/v. Wedelstädt, AO und FGO, 19. Aufl. § 370 AO Rdn. 114) oder einer Hinterziehung in Millionenhöhe an (Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen , 87. Ergänzungslieferung § 370 AO Rdn. 169) und halten teilweise auch weiterhin auch für die Bejahung des Merkmals eine Gesamtschau aller Umstände für erforderlich (Rolletschke in Stbg 2008, 49 und in Rolletschke/ Kemper aaO).
31
c) Das Merkmal „in großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bedarf nach Ansicht des Senats - in gleicher Weise wie beim Betrug - der Interpretation durch die Gerichte. Nur dann erhält das Merkmal seine den Anforderungen der Rechtssicherheit gerecht werdenden Konturen. Für eine Vergleichbarkeit mit dem Betrug spricht auch, dass der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in BGHSt 50, 299, 309 zu Recht ausgeführt hat, es sei geboten, „dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.“
32
Dass der Gesetzgeber nicht selbst bestimmt hat, wann bei der Prüfung des Regelbeispiels von einem großen Ausmaß auszugehen ist, steht einer verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Anders mag das etwa bei der Verwendung des Begriffs des großen Ausmaßes als Tatbestandsmerkmal eines Verbrechenstatbestandes sein (vgl. zu dem inzwischen aufgehobenen § 370a AO: BGH wistra 2004, 393 ff.; 2005, 30 ff.). Wie beim Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Betruges in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB ist der Begriff des großen Ausmaßes auch in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in erster Linie nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Zwar ist anerkannt, dass die Auslegung tatbestandsspezifisch zu erfolgen hat; gleichwohl ist bei von der Begehungsweise und vom Unwertgehalt ähnlichen Delikten wie dem Betrug und der Steuerhinterziehung eine einheitliche Grenzziehung in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 48, 360, 364).
33
Dem steht nicht entgegen, dass sich, anders als bei der Einführung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 43), in den Materialien zur Gesetzesentstehung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nF keine Anhaltspunkte dafür finden, ab welchem Grenzwert der Gesetzgeber eine Steuerhinterziehung von „großem Ausmaß“ als gegeben erachtet. Begründet wird lediglich die Streichung des einschränkenden subjektiven Merkmals des „groben Eigennutzes“ (BTDrucks. 16/5846 S. 75). Dass der Gesetzgeber hierbei an die Rechtsprechung anknüpfen wollte, die den Begriff des „großen Ausmaßes“ in den § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB konkretisierte, kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden. Allerdings wollte der Gesetzgeber bereits mit der Einführung des § 370 Abs. 3 AO zum Ausdruck bringen, dass die Steuerhinterziehung „hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit und ihrer Strafwürdigkeit nicht geringer zu bewerten ist als der Betrug“ (BGHSt 32, 95, 99 mit Hinweis auf BRDrucks. 23/71 S. 194).
34
d) Der Senat ist daher der Ansicht, dass das Merkmal „in großem Ausmaß“ des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO wie beim Betrug nach objektiven Maßstäben zu bestimmen ist. Das Merkmal „in großem Ausmaß“ liegt danach nur dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt.
35
aa) Der Senat hat dabei auch bedacht, dass bei großen Geschäftsvolumina Steuerschäden in dieser Größenordnung schneller erreicht werden als bei wirtschaftlicher Betätigung im kleineren Umfang, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung regelmäßig bereits bei Gefährdung des Steueraufkommens verwirklicht wird (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO), dass die Tatbestandsmäßigkeit weder direkten Vorsatz noch Bereicherungsabsicht voraussetzt und dass regelmäßig auch die bloße Untätigkeit den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, weil die Abgabe von Steuererklärungen gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
36
Gleichwohl lassen derartige „qualitative“ Besonderheiten des Einzelfalls die Erfüllung des Ausmaßes der Steuerverkürzung unberührt, da solche Umstände die Auswirkungen der Tat auf das Steueraufkommen nicht verändern. Schutzgut des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung ist - wie oben ausge- führt - das öffentliche Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart. Im Übrigen schafft eine Abgrenzung, die sich an einer eindeutigen Betragsgrenze ausrichtet, größere Rechtssicherheit für die Praxis. Eine solche Relation von Geschäftsvolumen und Steuerschaden kann allerdings das Gewicht des Hinterziehungsbetrags bei der Strafzumessung vermindern.
37
bb) Der Umstand, dass sich die Betragsgrenze von 50.000 € an derjenigen des Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB orientiert, bedeutet zugleich, dass - ähnlich wie beim Betrug - zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem Gefährdungsschaden zu differenzieren ist:
38
(1) Die Betragsgrenze von 50.000 € kommt namentlich dann zur Anwendung , wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen. Ist hier - der „Steuerbetrug“ hat zu einem „Vermögensverlust“ geführt - diese Wertgrenze überschritten, dann ist das Merkmal erfüllt.
39
(2) Beschränkt sich das Verhalten des Täters dagegen darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann kann das „große Ausmaß“ höher angesetzt werden. Der Senat hält hierbei eine Wertgrenze von 100.000 € für angemessen.
40
cc) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 268). Der Senat ist der Ansicht, dass bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung das „Ausmaß“ des jeweiligen Taterfolges zu addieren ist, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des § 52 StGB vorliegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf.
41
e) Liegt nach diesen Maßstäben eine Hinterziehung von „großem Ausmaß“ vor, so hat dies - unabhängig von der Frage, ob die Regelwirkung einer besonders schweren Steuerhinterziehung im konkreten Fall zur Anwendung kommt - „Indizwirkung“, freilich auch nicht mehr, für die zu findende Strafhöhe. Das bedeutet:
42
Jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag wird die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
43
Schon deswegen wird bei der letztgenannten Fallgestaltung (Millionenbetrag ) ein Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht geeignet erscheinen (vgl. § 400 AO i.V.m. § 407 StPO). Hinzu kommt, dass bei Steuerverkürzungen in dieser Größenordnung in der Regel auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Wahrung der Gleichbehandlung vor Gericht - das eine öffentliche Haupt- verhandlung am besten gewährleistet - nicht gering zu achten ist (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO).
44
f) Die „Indizwirkung“ des „großen Ausmaßes“ kann einerseits durch sonstige Milderungsgründe beseitigt, andererseits aber auch durch Strafschärfungsgründe verstärkt werden.
45
aa) Ein die Indizwirkung des Hinterziehungsbetrages beseitigender Milderungsgrund ist etwa gegeben, wenn sich der Täter im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich verhalten hat und die Tat nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigungen betrifft. Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern. Hat sich der Täter vor der Tat über einen längeren Zeitraum steuerehrlich verhalten, ist auch dies in den Blick zu nehmen. In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist auch die Lebensleistung und das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat einzubeziehen , etwa ein (frühzeitiges) Geständnis, verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern oder jedenfalls dem ernsthaften Bemühen hierzu. Der „Schadenswiedergutmachung“ durch Nachzahlung verkürzter Steuern kommt schon im Hinblick auf die Wertung des Gesetzgebers im Falle einer Selbstanzeige (§ 371 AO) besondere strafmildernde Bedeutung zu.
46
bb) Gegen eine Geldstrafe oder - bei entsprechend hohem Hinterziehungsbetrag - eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe spricht es insbesondere, wenn der Täter Aktivitäten entfaltet hat, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, etwa weil der Täter unter Vorspiegelung erfundener Sachverhalte das „Finanzamt als Bank“ betrachtete und in erheblichem Umfang ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen erlangt hat oder weil der Täter die Steuerhinterziehung in sonstiger Weise ge- werbsmäßig oder gar „als Gewerbe“ betrieb. Gleiches gilt auch für den Aufbau eines aufwändigen Täuschungssystems, die systematische Verschleierung von Sachverhalten und die Erstellung oder Verwendung unrichtiger oder verfälschter Belege zu Täuschungszwecken.
47
Strafschärfende Bedeutung hat es zudem, wenn der Täter besondere Unternehmensstrukturen aufgebaut hat, die auch der Bereicherung durch Steuerhinterziehung dienen sollten, wenn der Täter das Ziel verfolgt hat, das Steueraufkommen durch wiederholte Tatbegehung über einen längeren Zeitraum nachhaltig zu schädigen, wenn er andere Personen verstrickt hat, wenn er systematisch Scheingeschäfte getätigt oder Scheinhandlungen vorgenommen hat (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO) oder wenn er in größerem Umfang buchtechnische Manipulationen vorgenommen oder gezielt durch Einschaltung von Domizilfirmen im Ausland oder Gewinnverlagerungen ins Ausland schwer aufklärbare Sachverhalte geschaffen hat (vgl. auch die Beispiele bei Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1018 m.w.N.). Solche Umstände sind bei anpassungsfähigen Hinterziehungssystemen, wie etwa den sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäften, bei Kettengeschäften unter Einschaltung sog. „Serviceunternehmen“ und im Bereich der illegalen Arbeitnehmerüberlassungen regelmäßig gegeben (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).
48
4. Für Steuerhinterziehungen, die seit dem 1. Januar 2008 - dem Inkrafttreten der neuen Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO durch das Gesetz zur Änderung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG v. 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3198) - begangen wurden, kommt der Streichung des subjektiven Merkmals „aus grobem Eigennutz“ aus dem Regelbeispiel zusätzliches Gewicht zu. Hier erfüllt schon das objektive Merkmal „großes Aus- maß“ - wie es oben vom Senat bestimmt wurde - das Regelbeispiel des besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.
49
Die Bejahung bzw. Verneinung des Regelbeispiels in einem ersten Prüfungsschritt bei der Strafrahmenwahl bedeutet freilich, dass - wie bei sonstigen Regelbeispielen - in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften, bzw. ob - umgekehrt - ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt , obwohl der Hinterziehungsbetrag unter 50.000 € liegt.
50
Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze für die Strafrahmenwahl bei Regelbeispielen. Danach entfällt die Regelwirkung, wenn diese Faktoren jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass sie bei der Gesamtabwägung die Regelwirkung entkräften. Es müssen in dem Tun oder in der Person des Täters Umstände vorliegen, die das Unrecht seiner Tat oder seiner Schuld deutlich vom Regelfall abheben, so dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint (ständige Rspr.; vgl. BGHSt 20, 121, 125). Für die hierbei vorzunehmende Gesamtabwägung haben namentlich die oben genannten Milderungs- und Schärfungsgründe Gewicht.
51
5. Gemessen daran sind die dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommenen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat zu Recht den hohen Steuerschäden das ihnen zukommende Gewicht beigemessen. Namentlich die beiden Einsatzstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten für die Umsatzsteuerhinterziehungen 2002 und 2003 mit hinterzogenen Steuern in Höhe von jeweils über 150.000 € werden den oben genannten Strafzumessungskriterien gerecht.

V.

52
Die Revision bemängelt, das Landgericht habe sowohl bei der Beitragsals auch bei der Steuerhinterziehung einerseits die Höhe der durch die Taten verursachten Schäden zu Lasten des Angeklagten gewertet, andererseits aber strafmildernd berücksichtigt, dass die Schäden ausgeglichen worden seien. Hiergegen ist jedoch nichts zu erinnern. Diese Strafzumessungserwägungen erweisen sich nicht als widersprüchlich. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB sind sowohl die verschuldeten Folgen der Tat als auch die Schadenswiedergutmachung strafzumessungsrelevante Faktoren. Bei einer nachträglichen Schadenswiedergutmachung ist das Landgericht nicht gehalten, den Umfang der zunächst hinterzogenen Steuern und den Umfang der den Einzugsstellen zunächst vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt zu lassen.

VI.

53
Die Versagung der Strafaussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten zur Bewährung hält rechtlicher Nachprüfung noch stand.
54
Allerdings weist die Revision mit Recht darauf hin, dass auch bei der gemäß § 56 Abs. 2 StGB vom Tatgericht vorzunehmenden Prüfung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die ein Jahr übersteigt, zur Bewährung ausgesetzt werden kann, der Kriminalprognose des Täters Bedeutung zukommt. Denn die Prüfung, ob besondere Umstände von Gewicht im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, erfordert eine Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten. Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehört auch eine günstige Kriminalprognose (vgl. BGH StV 2003, 670; BGH NStZ 1997, 434; jeweils m.w.N.). Es wäre daher rechtsfehlerhaft, die Frage der Kriminalprognose als von vornherein für die Gesamtwürdigung bedeutungslos dahinstehen zu lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Dezember 2002 - 1 StR 454/02). Anders verhält es sich aber dann, wenn das Tatgericht die Gesamtwürdigung auch auf der Basis einer günstigen Kriminalprognose durchführt und dabei zum Ergebnis gelangt, dass selbst unter dieser Prämisse besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB nicht vorliegen. Bei einem solchen Vorgehen wird die Kriminalprognose des Täters nicht als bedeutungslos angesehen ; sie hat aber im konkreten Fall auf das Ergebnis der Gesamtwürdigung keine für den Verurteilten günstigen Auswirkungen.
55
So liegt der Fall hier. Die Strafkammer hatte zwar im Hinblick auf die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und seinen Bewährungsbruch erhebliche Zweifel daran, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (UA S. 43). Aus dem Gesamtzusammenhang der vom Landgericht insoweit angestellten Erwägungen ergibt sich aber, dass es im Rahmen der durchgeführten Gesamtwürdigung auch unter Berücksichtigung einer günstigen Kriminalprognose zum Fehlen besonderer Umstände gelangt ist. Der Senat entnimmt der missverständlichen Formulierung in den Urteilsgründen , die Frage der Kriminalprognose könne „letztlich“ offen bleiben, nicht, die Strafkammer habe diese Frage für die nach § 56 Abs. 2 StGB als von vornherein unbeachtlich gehalten.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 579/11
vom
15. Dezember 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß" des § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO beim "Griff in die Kasse des Staates".
BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 26. Mai 2011 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 189 GVG, mit der geltend
gemacht wird, der Dolmetscher für die arabische Sprache eines Mitangeklagten
, K. , sei nicht gemäß § 189 Abs. 1 GVG vereidigt worden und
habe sich auch nicht auf seine - zuvor schon erfolgte - allgemeine Beeidigung
als Dolmetscher berufen, hat keinen Erfolg.

a) Allerdings zeigt die Revision zutreffend auf, dass das Hauptverhandlungsprotokoll
- vor dessen Berichtigung - weder einen Hinweis darauf enthalten
hat, dass dieser Dolmetscher dahin beeidigt worden ist, treu und gewissenhaft
zu übertragen, noch, dass er sich auf seine allgemeine Beeidigung als Dolmetscher
berufen hat. Durch das Fehlen eines derartigen Hinweises wird der Verstoß
gegen § 189 GVG unwiderleglich bewiesen, denn bei der Vereidigung eines
Dolmetschers gemäß § 189 Abs. 1 GVG handelt es sich um eine wesentli-
che Förmlichkeit i.S.v. § 274 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1987 - 3
StR 285/87, BGHR GVG § 189 Beeidigung 1).

b) Die Verfahrensrüge dringt aber nicht durch, weil der Senat ausschließen
kann, dass das angefochtene Urteil auf diesem Verstoß beruht (aa). Zudem
wurde das Hauptverhandlungsprotokoll ordnungsgemäß dahin berichtigt,
dass sich der Dolmetscher K. auf seine allgemeine Vereidigung als
Dolmetscher für die arabische Sprache berufen hat (bb).
aa) Der Senat schließt aus, dass das Urteil auf einer Nichtberufung des
Dolmetschers K. beruht, der für einen Mitangeklagten hinzugezogen
worden war.
Angesichts der Vereidigung der übrigen Dolmetscher in der Hauptverhandlung
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Dolmetscher
K. sein eigener allgemein geleisteter Eid aus dem Blick geraten sein könnte.
Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er deswegen nicht
treu und gewissenhaft übertragen hat, weil nicht nach außen dokumentiert ist,
dass er sich seine allgemeine Beeidigung gerade im Einzelfall vergegenwärtigt
hat. Vielmehr ist fernliegend, dass ein allgemein vereidigter Dolmetscher, der
jahrelang bei Gericht übersetzt und sich immer wieder auf seinen allgemein
geleisteten Eid berufen hat, sich seiner Verpflichtung im Einzelfall nicht bewusst
war und er deshalb unrichtig übersetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli
2005 - 1 StR 208/05, NStZ 2005, 705).
Es ist deshalb in Fällen wie hier, in denen keine Anzeichen dafür sprechen
, dass der Dolmetscher sich seiner besonderen Verantwortung im konkreten
Fall nicht bewusst war, auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß
beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1997 - 2 StR
257/97, BGHR GVG § 189 Beeidigung 3). Im vorliegenden Fall kommt noch
hinzu, dass in der Hauptverhandlung für einen anderen Mitangeklagten noch
ein weiterer vereidigter Dolmetscher für die arabische Sprache tätig war, der
jedenfalls die für ihn wahrnehmbare Dolmetschertätigkeit des Dolmetschers
K. auf ihre Richtigkeit hin prüfen konnte. Im Übrigen schließt der
Senat ein Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß
auch deswegen aus, weil der Angeklagte ein umfangreiches Geständnis abgelegt
hat und seine Angaben von zahlreichen Zeugen bestätigt worden sind (UA
S. 29).
bb) Die Verfahrensrüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Hauptverhandlungsprotokoll
im Hinblick auf die Verfahrensrüge zulässig berichtigt
und dabei das für eine Protokollberichtigung zu beachtende Verfahren eingehalten
worden ist (vgl. dazu BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss
vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298; BVerfG, Beschluss vom
15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248). Das Hauptverhandlungsprotokoll
ist wirksam dahin berichtigt worden, dass sich der Dolmetscher
K. auf seinen allgemein geleisteten Eid berufen hat. Der ordnungsgemäß
erhobenen Verfahrensrüge ist damit die Tatsachengrundlage entzogen,
der geltend gemachte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
Im Hinblick auf den substantiierten Widerspruch des Revisionsverteidigers
hat der Senat die Gründe der Berichtigungsentscheidung im Rahmen der
Verfahrensrüge überprüft (vgl. dazu BGHSt 51, 298, 317). Die Gründe tragen
die Berichtigung; der Senat hat auch sonst keine Zweifel daran, dass die Berichtigung
zu Recht erfolgt ist. Bei der Überprüfung hat der Senat neben dem
Umstand, dass sich der Kammervorsitzende und die Protokollführerin sicher
waren, der Dolmetscher K. habe sich auf den von ihm geleisteten
Eid berufen, insbesondere berücksichtigt, dass die von den weiteren Berufsrichtern
, dem Sitzungsstaatsanwalt und dem betroffenen Dolmetscher eingeholten
dienstlichen Stellungnahmen die Berichtigung ebenfalls tragen. Der Kammervorsitzende
hatte sogar noch die konkrete Erinnerung daran, überrascht
gewesen zu sein, dass von den beiden in dem Verfahren als Dolmetscher eingesetzten
Brüdern K. , die beide seit vielen Jahren als Dolmetscher beim
Landgericht Essen tätig waren, nur der Dolmetscher K. allgemein
vereidigt war. Der Senat hat bei seiner Überprüfung der vorgenommenen Protokollberichtigung
auch berücksichtigt, dass die beiden Instanzverteidiger angegeben
hatten, keine Erinnerung mehr an den tatsächlichen Verfahrensablauf
zu haben.
Die Auffassung der Revision, es sei selbst angesichts der von der Protokollführerin
gefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen ausgeschlossen, dass
diese eine eigene sichere Erinnerung an den Vorgang haben könnte, teilt der
Senat nicht.
2. Die näher ausgeführte Sachrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler ergeben. Dies gilt auch für die Strafzumessung.
Der Erörterung bedarf allerdings die Annahme des Landgerichts, es sehe
die Grenze für die Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs.
3 Satz 2 Nr. 1 AO „entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bei 100.000 Euro“ (UA S. 40). Dies lässt besorgen, das Landgericht
sei der Auffassung, die Schwelle zur Hinterziehung „in großem Ausmaß“ sei
stets erst bei einer Verkürzung von 100.000 Euro überschritten. Dies ist indes
nicht zutreffend.
Im Fall 1 der Urteilsgründe stellt das Landgericht zudem darauf ab, dass
das aufgrund der unrichtigen Angaben des Angeklagten in der Umsatzsteuerjahreserklärung
2009 errechnete Umsatzsteuerguthaben nur teilweise ausge-
zahlt, überwiegend aber mit anderen „Steuerschulden der Ka. GmbH,insbesondere
Lohnsteuer, verrechnet“ wurde (UA S. 15). Das Landgericht war of-
fenbar der - unzutreffenden - Auffassung, es mache für die Frage, ob eine Hin-
terziehung „in großem Ausmaß“ vorliege, einen Unterschied, ob ein durch die
Tat erlangtes (scheinbares) Steuerguthaben ausgezahlt oder aber mit anderweitigen
Steuerschulden verrechnet werde.
Bei der Bestimmung des gesetzlichen Merkmals „in großem Ausmaß“ im
Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für einen besonders schweren
Fall der Steuerhinterziehung gilt Folgendes:

a) Wie bereits im Grundsatzurteil des Senats vom 2. Dezember 2008
(1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81) ausgeführt, bestimmt sich das Merkmal „in
großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach ob-
jektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag
50.000 Euro übersteigt. Die Betragsgrenze von 50.000 Euro kommt namentlich
dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen
vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle
, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunter-
nehmen („Griff in die Kasse“). Ist diese Wertgrenze überschritten, dann ist das
Merkmal erfüllt (BGHSt 53, 71, 85; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 -
1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR
81/11, wistra 2011, 396).

b) Beschränkt sich das Verhalten des Täters indes darauf, die Finanzbehörden
pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu las-
sen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die
Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ demgegenüber bei 100.000 Euro (BGHSt
53, 71, 85). Dasselbe gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung
durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er
eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige
Einkünfte oder Umsätze verschweigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli
2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396) und allein dadurch eine Gefährdung des
Steueranspruchs herbeiführt.

c) Anders ist die Sachlage, wenn der Täter steuermindernde Umstände
vortäuscht, indem er etwa tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht
oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht. Denn in einem
solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden
Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Um-
sätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen „Griff in die Kasse“ des
Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden)
Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuer-
forderung führen soll. Es bleibt dann deshalb für das gesetzliche Merkmal „in
großem Ausmaß“ bei der Wertgrenze von 50.000 Euro.

d) Trifft beides zusammen, das Verheimlichen von Einkünften bzw. Umsätzen
einerseits und die Vortäuschung von Abzugsposten andererseits, etwa
beim Verheimlichen von Umsätzen und gleichzeitigem Vortäuschen von Vor-
steuerbeträgen, ist das Merkmal „in großem Ausmaß“ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte
Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erlangt hat (vgl. BGH NStZ
2011, 643, 644 Rn. 13). Dasselbe gilt aber auch, wenn ein aufgrund falscher
Angaben scheinbar in dieser Höhe (50.000 Euro) bestehender Auszahlungsan-
spruch ganz oder teilweise mit anderweitigen Steuerverbindlichkeiten verrechnet
worden ist. Die Verrechnung steht dann nämlich insoweit einer Auszahlung
gleich. Hat dagegen die Vortäuschung von steuermindernden Umständen für
sich allein noch nicht zu einer Steuerverkürzung von mindestens 50.000 Euro
geführt, verbleibt es für die Tat insgesamt beim Schwellenwert von
100.000 Euro (vgl. BGH NStZ 2011, 643, 644).

e) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede
einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige
Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht. Bei
mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung
ist - nichts anderes gilt für § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO - das „Ausmaß“ des
jeweiligen Taterfolges zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung
im Sinne des § 52 StGB vorliegt (BGHSt 53, 71, 85).

f) Eine nachträgliche „Schadenswiedergutmachung“ hat für die Frage, ob
eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ vorliegt oder nicht, keine Bedeutung.
Die Höhe des auf Dauer beim Fiskus verbleibenden „Steuerschadens“ ist
ein Umstand, der erst bei der Prüfung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
im Einzelfall widerlegt ist, und im Übrigen als bloße Zumessungserwägung in
die Strafzumessung einbezogen werden kann (vgl. im Übrigen zur Schadensverringerung
mit Geldmitteln unklarer Herkunft BGH, Beschluss vom 5. Mai
2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 645 Rn. 17, und einer solchen aufgrund
von Pfändungen BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, insoweit
nicht abgedruckt in NStZ 2011, 170).
Zutreffend hat das Landgericht daher den Umstand, dass „der Steuer-
schaden aufgrund der Beschlagnahme erheblicher Vermögenswerte der
Ka. GmbH nachträglich vollständig kompensiert“ wurde (UA S. 43), bei der
Frage, ob das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfüllt ist, außer
Betracht gelassen, in die Gesamtwürdigung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
widerlegt sein könnte, aber einbezogen.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

29
aa) Nach dieser Rechtsprechung, die der Senat seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10, wistra 2010, 449, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644, vom 5. Mai 2011 - 1 StR 168/11, vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396, vom 29. November 2011 - 1 StR 459/11, wistra 2012, 151, vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11, NStZ 2012, 331, vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67, vom 26. September 2012 - 1 StR 423/12, wistra 2013, 31 und vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, wistra 2013, 1999 sowie Urteile vom 21. August 2012 - 1 StR 257/12, wistra 2013, 28, vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, wistra 2012, 350), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels "in großem Ausmaß" dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters aber darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, soll die Wertgrenze bei 100.000 Euro liegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 579/11
vom
15. Dezember 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß" des § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO beim "Griff in die Kasse des Staates".
BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 26. Mai 2011 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 189 GVG, mit der geltend
gemacht wird, der Dolmetscher für die arabische Sprache eines Mitangeklagten
, K. , sei nicht gemäß § 189 Abs. 1 GVG vereidigt worden und
habe sich auch nicht auf seine - zuvor schon erfolgte - allgemeine Beeidigung
als Dolmetscher berufen, hat keinen Erfolg.

a) Allerdings zeigt die Revision zutreffend auf, dass das Hauptverhandlungsprotokoll
- vor dessen Berichtigung - weder einen Hinweis darauf enthalten
hat, dass dieser Dolmetscher dahin beeidigt worden ist, treu und gewissenhaft
zu übertragen, noch, dass er sich auf seine allgemeine Beeidigung als Dolmetscher
berufen hat. Durch das Fehlen eines derartigen Hinweises wird der Verstoß
gegen § 189 GVG unwiderleglich bewiesen, denn bei der Vereidigung eines
Dolmetschers gemäß § 189 Abs. 1 GVG handelt es sich um eine wesentli-
che Förmlichkeit i.S.v. § 274 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1987 - 3
StR 285/87, BGHR GVG § 189 Beeidigung 1).

b) Die Verfahrensrüge dringt aber nicht durch, weil der Senat ausschließen
kann, dass das angefochtene Urteil auf diesem Verstoß beruht (aa). Zudem
wurde das Hauptverhandlungsprotokoll ordnungsgemäß dahin berichtigt,
dass sich der Dolmetscher K. auf seine allgemeine Vereidigung als
Dolmetscher für die arabische Sprache berufen hat (bb).
aa) Der Senat schließt aus, dass das Urteil auf einer Nichtberufung des
Dolmetschers K. beruht, der für einen Mitangeklagten hinzugezogen
worden war.
Angesichts der Vereidigung der übrigen Dolmetscher in der Hauptverhandlung
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Dolmetscher
K. sein eigener allgemein geleisteter Eid aus dem Blick geraten sein könnte.
Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er deswegen nicht
treu und gewissenhaft übertragen hat, weil nicht nach außen dokumentiert ist,
dass er sich seine allgemeine Beeidigung gerade im Einzelfall vergegenwärtigt
hat. Vielmehr ist fernliegend, dass ein allgemein vereidigter Dolmetscher, der
jahrelang bei Gericht übersetzt und sich immer wieder auf seinen allgemein
geleisteten Eid berufen hat, sich seiner Verpflichtung im Einzelfall nicht bewusst
war und er deshalb unrichtig übersetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli
2005 - 1 StR 208/05, NStZ 2005, 705).
Es ist deshalb in Fällen wie hier, in denen keine Anzeichen dafür sprechen
, dass der Dolmetscher sich seiner besonderen Verantwortung im konkreten
Fall nicht bewusst war, auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß
beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1997 - 2 StR
257/97, BGHR GVG § 189 Beeidigung 3). Im vorliegenden Fall kommt noch
hinzu, dass in der Hauptverhandlung für einen anderen Mitangeklagten noch
ein weiterer vereidigter Dolmetscher für die arabische Sprache tätig war, der
jedenfalls die für ihn wahrnehmbare Dolmetschertätigkeit des Dolmetschers
K. auf ihre Richtigkeit hin prüfen konnte. Im Übrigen schließt der
Senat ein Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß
auch deswegen aus, weil der Angeklagte ein umfangreiches Geständnis abgelegt
hat und seine Angaben von zahlreichen Zeugen bestätigt worden sind (UA
S. 29).
bb) Die Verfahrensrüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Hauptverhandlungsprotokoll
im Hinblick auf die Verfahrensrüge zulässig berichtigt
und dabei das für eine Protokollberichtigung zu beachtende Verfahren eingehalten
worden ist (vgl. dazu BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss
vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298; BVerfG, Beschluss vom
15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248). Das Hauptverhandlungsprotokoll
ist wirksam dahin berichtigt worden, dass sich der Dolmetscher
K. auf seinen allgemein geleisteten Eid berufen hat. Der ordnungsgemäß
erhobenen Verfahrensrüge ist damit die Tatsachengrundlage entzogen,
der geltend gemachte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
Im Hinblick auf den substantiierten Widerspruch des Revisionsverteidigers
hat der Senat die Gründe der Berichtigungsentscheidung im Rahmen der
Verfahrensrüge überprüft (vgl. dazu BGHSt 51, 298, 317). Die Gründe tragen
die Berichtigung; der Senat hat auch sonst keine Zweifel daran, dass die Berichtigung
zu Recht erfolgt ist. Bei der Überprüfung hat der Senat neben dem
Umstand, dass sich der Kammervorsitzende und die Protokollführerin sicher
waren, der Dolmetscher K. habe sich auf den von ihm geleisteten
Eid berufen, insbesondere berücksichtigt, dass die von den weiteren Berufsrichtern
, dem Sitzungsstaatsanwalt und dem betroffenen Dolmetscher eingeholten
dienstlichen Stellungnahmen die Berichtigung ebenfalls tragen. Der Kammervorsitzende
hatte sogar noch die konkrete Erinnerung daran, überrascht
gewesen zu sein, dass von den beiden in dem Verfahren als Dolmetscher eingesetzten
Brüdern K. , die beide seit vielen Jahren als Dolmetscher beim
Landgericht Essen tätig waren, nur der Dolmetscher K. allgemein
vereidigt war. Der Senat hat bei seiner Überprüfung der vorgenommenen Protokollberichtigung
auch berücksichtigt, dass die beiden Instanzverteidiger angegeben
hatten, keine Erinnerung mehr an den tatsächlichen Verfahrensablauf
zu haben.
Die Auffassung der Revision, es sei selbst angesichts der von der Protokollführerin
gefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen ausgeschlossen, dass
diese eine eigene sichere Erinnerung an den Vorgang haben könnte, teilt der
Senat nicht.
2. Die näher ausgeführte Sachrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler ergeben. Dies gilt auch für die Strafzumessung.
Der Erörterung bedarf allerdings die Annahme des Landgerichts, es sehe
die Grenze für die Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs.
3 Satz 2 Nr. 1 AO „entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bei 100.000 Euro“ (UA S. 40). Dies lässt besorgen, das Landgericht
sei der Auffassung, die Schwelle zur Hinterziehung „in großem Ausmaß“ sei
stets erst bei einer Verkürzung von 100.000 Euro überschritten. Dies ist indes
nicht zutreffend.
Im Fall 1 der Urteilsgründe stellt das Landgericht zudem darauf ab, dass
das aufgrund der unrichtigen Angaben des Angeklagten in der Umsatzsteuerjahreserklärung
2009 errechnete Umsatzsteuerguthaben nur teilweise ausge-
zahlt, überwiegend aber mit anderen „Steuerschulden der Ka. GmbH,insbesondere
Lohnsteuer, verrechnet“ wurde (UA S. 15). Das Landgericht war of-
fenbar der - unzutreffenden - Auffassung, es mache für die Frage, ob eine Hin-
terziehung „in großem Ausmaß“ vorliege, einen Unterschied, ob ein durch die
Tat erlangtes (scheinbares) Steuerguthaben ausgezahlt oder aber mit anderweitigen
Steuerschulden verrechnet werde.
Bei der Bestimmung des gesetzlichen Merkmals „in großem Ausmaß“ im
Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für einen besonders schweren
Fall der Steuerhinterziehung gilt Folgendes:

a) Wie bereits im Grundsatzurteil des Senats vom 2. Dezember 2008
(1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81) ausgeführt, bestimmt sich das Merkmal „in
großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach ob-
jektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag
50.000 Euro übersteigt. Die Betragsgrenze von 50.000 Euro kommt namentlich
dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen
vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle
, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunter-
nehmen („Griff in die Kasse“). Ist diese Wertgrenze überschritten, dann ist das
Merkmal erfüllt (BGHSt 53, 71, 85; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 -
1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR
81/11, wistra 2011, 396).

b) Beschränkt sich das Verhalten des Täters indes darauf, die Finanzbehörden
pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu las-
sen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die
Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ demgegenüber bei 100.000 Euro (BGHSt
53, 71, 85). Dasselbe gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung
durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er
eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige
Einkünfte oder Umsätze verschweigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli
2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396) und allein dadurch eine Gefährdung des
Steueranspruchs herbeiführt.

c) Anders ist die Sachlage, wenn der Täter steuermindernde Umstände
vortäuscht, indem er etwa tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht
oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht. Denn in einem
solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden
Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Um-
sätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen „Griff in die Kasse“ des
Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden)
Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuer-
forderung führen soll. Es bleibt dann deshalb für das gesetzliche Merkmal „in
großem Ausmaß“ bei der Wertgrenze von 50.000 Euro.

d) Trifft beides zusammen, das Verheimlichen von Einkünften bzw. Umsätzen
einerseits und die Vortäuschung von Abzugsposten andererseits, etwa
beim Verheimlichen von Umsätzen und gleichzeitigem Vortäuschen von Vor-
steuerbeträgen, ist das Merkmal „in großem Ausmaß“ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte
Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erlangt hat (vgl. BGH NStZ
2011, 643, 644 Rn. 13). Dasselbe gilt aber auch, wenn ein aufgrund falscher
Angaben scheinbar in dieser Höhe (50.000 Euro) bestehender Auszahlungsan-
spruch ganz oder teilweise mit anderweitigen Steuerverbindlichkeiten verrechnet
worden ist. Die Verrechnung steht dann nämlich insoweit einer Auszahlung
gleich. Hat dagegen die Vortäuschung von steuermindernden Umständen für
sich allein noch nicht zu einer Steuerverkürzung von mindestens 50.000 Euro
geführt, verbleibt es für die Tat insgesamt beim Schwellenwert von
100.000 Euro (vgl. BGH NStZ 2011, 643, 644).

e) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede
einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige
Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht. Bei
mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung
ist - nichts anderes gilt für § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO - das „Ausmaß“ des
jeweiligen Taterfolges zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung
im Sinne des § 52 StGB vorliegt (BGHSt 53, 71, 85).

f) Eine nachträgliche „Schadenswiedergutmachung“ hat für die Frage, ob
eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ vorliegt oder nicht, keine Bedeutung.
Die Höhe des auf Dauer beim Fiskus verbleibenden „Steuerschadens“ ist
ein Umstand, der erst bei der Prüfung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
im Einzelfall widerlegt ist, und im Übrigen als bloße Zumessungserwägung in
die Strafzumessung einbezogen werden kann (vgl. im Übrigen zur Schadensverringerung
mit Geldmitteln unklarer Herkunft BGH, Beschluss vom 5. Mai
2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 645 Rn. 17, und einer solchen aufgrund
von Pfändungen BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, insoweit
nicht abgedruckt in NStZ 2011, 170).
Zutreffend hat das Landgericht daher den Umstand, dass „der Steuer-
schaden aufgrund der Beschlagnahme erheblicher Vermögenswerte der
Ka. GmbH nachträglich vollständig kompensiert“ wurde (UA S. 43), bei der
Frage, ob das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfüllt ist, außer
Betracht gelassen, in die Gesamtwürdigung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
widerlegt sein könnte, aber einbezogen.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) Die Einkommensteuer entsteht, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Veranlagungszeitraums.

(2) Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:

1.
die für den Veranlagungszeitraum entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 37);
2.
die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer, soweit sie entfällt auf
a)
die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte oder
b)
die nach § 3 Nummer 40 dieses Gesetzes oder nach § 8b Absatz 1, 2 und 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Bezüge
und keine Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist.2Die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer wird nicht angerechnet, wenn die in § 45a Absatz 2 oder Absatz 3 bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist oder die Angaben gemäß § 45a Absatz 2a nicht übermittelt worden sind.3Soweit der Steuerpflichtige einen Antrag nach § 32d Absatz 4 oder Absatz 6 stellt, ist es für die Anrechnung ausreichend, wenn die Bescheinigung auf Verlangen des Finanzamts vorgelegt wird.4In den Fällen des § 8b Absatz 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ist es für die Anrechnung ausreichend, wenn die Bescheinigung nach § 45a Absatz 2 und 3 vorgelegt wird, die dem Gläubiger der Kapitalerträge ausgestellt worden ist.5In den Fällen des § 2 Absatz 7 Satz 3 ist auch die durch Steuerabzug im Kalenderjahr des Wechsels von der unbeschränkten zur beschränkten Einkommensteuerpflicht erhobene Einkommensteuer anzurechnen, die auf Einkünfte entfällt, die weder der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht unterliegen; § 37 Absatz 2 der Abgabenordnung findet insoweit keine Anwendung;
3.
die nach § 10 des Forschungszulagengesetzes festgesetzte Forschungszulage.2Das gilt auch für die gesondert und einheitlich festgestellte Forschungszulage;
4.
in den Fällen des § 32c Absatz 1 Satz 2 der nicht zum Abzug gebrachte Unterschiedsbetrag, wenn dieser höher ist als die tarifliche Einkommensteuer des letzten Veranlagungszeitraums im Betrachtungszeitraum.

(3)1Die Steuerbeträge nach Absatz 2 Nummer 2 sind auf volle Euro aufzurunden.2Bei den durch Steuerabzug erhobenen Steuern ist jeweils die Summe der Beträge einer einzelnen Abzugsteuer aufzurunden.

(4)1Wenn sich nach der Abrechnung ein Überschuss zuungunsten des Steuerpflichtigen ergibt, hat der Steuerpflichtige (Steuerschuldner) diesen Betrag, soweit er den fällig gewordenen, aber nicht entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen entspricht, sofort, im Übrigen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten (Abschlusszahlung).2Wenn sich nach der Abrechnung ein Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen ergibt, wird dieser dem Steuerpflichtigen nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ausgezahlt.3Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, wirkt die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten.

(5)1Die festgesetzte Steuer, die auf den Aufgabegewinn nach § 16 Absatz 3a und den durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart erzielten Gewinn entfällt, kann auf Antrag des Steuerpflichtigen in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden, wenn die Wirtschaftsgüter einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums zuzuordnen sind, sofern durch diese Staaten Amtshilfe entsprechend oder im Sinne der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Absatz 11 des EU-Amtshilfegesetzes und gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung im Sinne der Beitreibungsrichtlinie einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsakts geleistet werden.2Die erste Jahresrate ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten; die übrigen Jahresraten sind jeweils am 31. Juli der Folgejahre fällig.3Die Jahresraten sind nicht zu verzinsen; sie sollen in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden.4Die noch nicht entrichtete Steuer wird innerhalb eines Monats nach Eintritt eines der nachfolgenden Ereignisse fällig,

1.
soweit ein Wirtschaftsgut im Sinne des Satzes 1 veräußert, entnommen, in andere als die in Satz 1 genannten Staaten verlagert oder verdeckt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt wird,
2.
wenn der Betrieb oder Teilbetrieb während dieses Zeitraums eingestellt, veräußert oder in andere als die in Satz 1 genannten Staaten verlegt wird,
3.
wenn der Steuerpflichtige aus der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht oder der unbeschränkten Steuerpflicht in den in Satz 1 genannten Staaten ausscheidet oder in einem anderen als den in Satz 1 genannten Staaten ansässig wird,
4.
wenn der Steuerpflichtige Insolvenz anmeldet oder abgewickelt wird oder
5.
wenn der Steuerpflichtige seinen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Ratenzahlungen nicht nachkommt und über einen angemessenen Zeitraum, der zwölf Monate nicht überschreiten darf, keine Abhilfe für seine Situation schafft; Satz 2 bleibt unberührt.
5Ändert sich die festgesetzte Steuer, sind die Jahresraten entsprechend anzupassen.6Der Steuerpflichtige hat der zuständigen Finanzbehörde jährlich mit der Steuererklärung oder, sofern keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung besteht, zum 31. Juli anzuzeigen, ob die Voraussetzungen für die Ratenzahlung weiterhin erfüllt sind; kommt er dieser Anzeigepflicht oder seinen sonstigen Mitwirkungspflichten im Sinne des § 90 der Abgabenordnung nicht nach, werden die noch nicht entrichteten Jahresraten rückwirkend zum 1. August des vorangegangenen Jahres fällig, frühestens aber einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids.7Unbeschadet des Satzes 6 hat der Steuerpflichtige den Eintritt eines Ereignisses nach Satz 4 der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich anzuzeigen.8Unterliegt der Steuerpflichtige einer Erklärungspflicht, kann die Anzeige auf Grund eines Ereignisses nach Satz 4 Nummer 1 abweichend von der in Satz 7 genannten Frist mit der nächsten Steuererklärung erfolgen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) Die Verjährung ruht

1.
bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,
2.
solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen.

(2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem

1.
die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder
2.
eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung).

(3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

(4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt.

(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat

1.
bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,
2.
bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat,
3.
bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder
4.
bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die ersuchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine § 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleichbare Fristenregelung besteht.

(6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 1 5 / 1 4
vom
15. Januar 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zum Beruhen bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4
Satz 1 StPO.
BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14 - LG Magdeburg
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Halle - Wirtschaftsstrafkammer - zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Der Beanstandung des Angeklagten liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand im Zwischenverfahren am 15. Dezember 2011 ein Rechtsgespräch mit dem Ziel einer Verständigung statt. An diesem Gespräch nahmen die Berufsrichter der Strafkammer, der Verteidiger des Angeklagten, die Verteidiger der drei nicht revidierenden Mitangeklagten und zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft teil. Die Kammer signalisierte Bereitschaft, den Prozessstoff im Falle einer Verständigung auf eine der drei angeklagten Taten zu beschränken. Die Vertreter der Staatsanwalt- schaft äußerten sich zu ihrer Straferwartung dergestalt, dass bei Geständnisbereitschaft der Angeklagten Strafhöhen im bewährungsfähigen Bereich denkbar seien. Nachdem auch die Verteidiger der Angeklagten zu ihren Erwartungen über das Verfahrensergebnis Stellung bezogen hatten, endete das Rechtsgespräch ohne Ergebnis.
4
Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 8. Januar 2013, nahm der Vorsitzende folgende Mitteilung ins Protokoll auf:
5
„Es wurde festgestellt, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung Erörterun- gen mit den Prozessbeteiligten gemäß § 243 Abs. 4 n.F. stattgefunden haben. Am 15. Dezember 2011 fand ein Gespräch mit den Prozessbeteiligten statt mit dem Ziel einer Möglichkeit der Verständigung. Im Ergebnis wurde keine Einigung erzielt.“
6
Der Angeklagte ließ sich am ersten Verhandlungstag in Gestalt einer Erklärung seines Verteidigers umfassend zur Sache ein.
7
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand am siebten Hauptverhandlungstag während laufender Hauptverhandlung erneut ein Rechtsgespräch mit dem Ziel der Verständigung über den Verfahrensausgang statt, welches ebenfalls nicht zu einer Einigung führte. Ein weiterer ergebnisloser Verständigungsversuch trug sich außerhalb der Hauptverhandlung am 14. Hauptverhandlungstag zu. In das Protokoll über die Hauptverhandlung fand dieser Eingang wie folgt:
8
„In der Verhandlungspause haben die Berufsrichter, die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Vertreter des Finanzamtes und die Verteidi- ger die Sach- und Rechtslage erörtert. Auch in diesem Gespräch ist es zu keiner Einigung gekommen.“
9
Der Angeklagte war durch seine Verteidiger über den Inhalt der geführten Gespräche jeweils informiert worden.
10
Die Revision rügt, das Landgericht habe seinen sich aus § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ergebenden Mitteilungspflichten nicht genügt; auf der unzureichenden Transparenz der ohne den Angeklagten geführten Gespräche beruhe das Urteil, obschon dieser von seinem Verteidiger darüber unterrichtet worden sei, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser sein Prozessverhalten bei gesetzmäßiger Unterrichtung durch den Vorsitzenden anders ausgerichtet hätte.
11
2. Die Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bereits in Bezug auf die im Zwischenverfahren erfolgten Verständigungsgespräche verletzt. Unter den hier konkret gegebenen Umständen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsverstoß beruht.
12
a) Allerdings liegt, soweit die Revision mit Blick auf die erfolgten Verständigungsgespräche eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt, ein Rechtsfehler bereits nach ihrem Vortrag nicht vor. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine Erörterung , die vor der Eröffnung des Hauptverfahrens stattgefunden hat (§ 202a StPO), nach Beginn der Hauptverhandlung nicht bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, so ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls kein zusätzlicher Rechtsfehler; im Gegenteil gibt dieses den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.; Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). So liegt es hier. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann deshalb nicht verletzt sein.
13
b) Verletzt ist aber § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Danach teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt.
14
aa) Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 - 1 StR 210/14). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Nur so wird eine effektive Kontrolle in der Revisionsinstanz ermöglicht.
15
bb) Nach Maßgabe dessen erweist sich die Mitteilung des Vorsitzenden über das im Zwischenverfahren geführte Verständigungsgespräch als rechtsfehlerhaft. Denn die formelhafte Wendung, ein abgehaltenes Verständigungsgespräch sei ergebnislos verlaufen, reicht nicht aus. Die wesentlichen Informationen , die Ablauf und Inhalt des Gesprächs offengelegt hätten, wie etwa das Angebot einer Verfahrensbeschränkung durch die Strafkammer oder die Vorstellung der Staatsanwaltschaft über das Strafmaß und ihre Erwartungen an das Prozessverhalten des Angeklagten, hat der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt. Die Erwartungen der Verfahrensbeteiligten an den Prozessverlauf und sich hieraus möglicherweise ergebende Folgen sind nach seiner Mitteilung unklar geblieben; das aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Transparenzgebot ist dadurch verletzt.
16
cc) Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen , dass das Urteil auf diesem Rechtsverstoß beruht.
17
(1) Von einem Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung sind nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden, so dass eine Beruhensprüfung (§ 337 Abs. 1 StPO) in jedem Einzelfall vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 - 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.).
18
(2) Das Schutzkonzept der gesetzlichen Regelungen über die Verständi- gung erstreckt sich auch auf die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kon- trolle verständigungsbasierter Urteile im Sinne umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung durch Mitteilung und Dokumentation im Verhandlungsprotokoll (BVerfGE 133, 168, 222 Rn. 96). Ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht wird deshalb grundsätzlich dann nie ausgeschlossen werden können, wenn zu besorgen ist, das Urteil könne auf gesetzwidrige „informelle Absprachen“ oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgehen (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Ebenso liegt es, wenn eine „informelle Absprache“ - wie hier - zwar ergebnislos geblieben und eine Einigung nicht zustande gekommen ist, hierauf gerichtete Gesprächsbemühungen aber außerhalb der öffentlichen Hauptverhandlung stattgefunden haben. Da der Schutzmechanismus des Verständigungsgesetzes auch durch erfolglose Verständigungsbemühungen verletzt werden kann, verlangt § 243 Abs. 4 StPO für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung eine Mitteilung deren wesentlichen Inhalts, die gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren ist. Hinsichtlich der in der Hauptverhandlung selbst zustande kommenden Verständigung ist demgegenüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO nur der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Weitergehender Informationsbedarf besteht hier für die Öffentlichkeit nicht, denn sie hat dem Zustandekommen der Verständigung - anders als den Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung - beigewohnt. Dieses zwar primär auf die Herstellung von Öffentlichkeit ausgerichtete Verfahren ist mittelbar zugleich Teil des dem Angeklagten zugedachten Individualrechtsschutzes , denn es gewährleistet ihm ein bestimmtes Maß an Rechtsstaatlichkeit. Diese Erwägung liegt auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde, nach der das Beruhen eines Urteils auf Verstößen gegen die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97).
19
Dennoch führt auch die Beachtung dieser Schutzgüter nicht bei jedem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht zu dem Ergebnis, dass ein Beruhen des Urteils hierauf nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dem Unterbleiben der nach § 243 Abs. 4 StPO erforderlichen Mitteilung darf nicht per se auf die Bemühung um Herbeiführung einer „informellen Absprache“ geschlossen werden. Bei der - stets an den Umständen des Einzelfalles ausgerichteten - Beruhensprüfung ist vielmehr im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang das Gericht Essentialia aus den Vorgesprächen unerwähnt gelassen hat. Verstöße gegen die Mitteilungspflicht sind in einer sehr weit gestreuten Bandbreite denkbar. Sie können von kleinen Ungenauigkeiten und Auslassungen bis hin zur gänzlichen Unterlassung der Mitteilung oder bewussten Falschmitteilung reichen. Dies liegt daran, dass die Mitteilungspflicht sehr früh eingreift und inhaltlich - wie oben dargelegt - von erheblichem Umfang ist. Der Verfahrensverstoß bedarf deshalb einer an seiner Auswirkung zu bemessenden Gewichtung. Sind also insbesondere neben dem Umstand, dass überhaupt Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben, auch die vorbenannten Aspekte in ihren wesentlichen Umrissen deutlich geworden, wird ein Beruhen des Urteils im Sinne von § 337 StPO auch dann auszuschließen sein, wenn die Mitteilung einzelne notwendige Informationen vermissen lässt.
20
(3) Diese Grundsätze gelten auch für die Konstellation, in der der Verteidiger den Angeklagten über den Inhalt eines zuvor geführten Verständigungsgesprächs informiert hat.
21
In besonders gelagerten Einzelfällen (vgl. Landau NStZ 2014, 425, 430) kann ein Ausschluss des Beruhens im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO möglich sein, wenn der Instanzverteidiger den Angeklagten über Ablauf und Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche zuverlässig unterrichtet und so ein Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418; Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 169/14, NStZ-RR 2014, 315; Beschluss vom 16. Juli 2014 - 5 StR 227/14). Aus den dargelegten Erwägungen kann die Frage, ob die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung über sein weiteres Prozessverhalten auf einer tragfähigeren Grundlage beruht, wenn er nicht nur von seinem Verteidiger zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, sondern durch das Gericht durch Mitteilung in der Hauptverhandlung (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314 und vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 603), nicht allgemeingültig beantwortet werden. Auch insoweit ist eine Betrachtung des Einzelfalles im Lichte des Schutzzwecks des § 243 Abs. 4 StPO erforderlich.
22
Generell kann das Gespräch des Angeklagten mit seinem Verteidiger die Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung - auch im Rahmen der Beruhensprüfung - nicht ersetzen. Dem steht bereits das Schutzgut der Gewährleistung öffentlicher Kontrolle des Verständigungsprozesses entgegen, welches dem Risiko des Angeklagten angemessen Rechnung tragen will, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu seinem Nachteil auswirkt (BVerfGE 133, 168, 232 Rn. 114). Richterliche und nicht richterliche Mitteilungen sind strafprozessual auch dem Grunde nach nicht von identischer Qualität. Vielmehr liegt der Strafprozessordnung an verschiedenen Stellen die Wertung zugrunde, wonach Authentizität, Vollständigkeit und Verständlichkeit einer Mitteilung oder Belehrung (nur) durch richterliches Handeln verbürgt sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014, 513).
23
Die Information des Angeklagten durch seinen Verteidiger bei fehlender oder unzureichender gerichtlicher Mitteilung über den Inhalt eines gescheiterten Verständigungsgesprächs gemäß § 243 Abs. 1 StPO lässt deshalb einen Ausschluss des Beruhens nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu. Je einfacher sich die dem Verständigungsversuch zugrunde liegende Sach- und Rechtslage darstellt, desto weniger stark wird die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten gefährdet und umso eher wird auszuschließen sein, dass die Verständigung rechtswidrig war und das Gericht bei regelhafter Vornahme und Protokollierung der Mitteilung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Informationen etwa über leicht erfassbare tatsächliche Umstände wird der Verteidiger dem Angeklagten einfacher vermitteln können, als vielschichtige Rechts- und Verfahrensfragen. Bei komplexen Rechts- oder Verfahrensfragen wird sich dagegen regelmäßig nicht ausschließen lassen, dass die Information des Angeklagten durch das Gericht auf sein Prozessverhalten Einfluss genommen hätte.

24
(4) Nach Maßgabe dessen liegt jedenfalls unter den vorliegenden Umständen hier kein Ausnahmefall vor, in dem das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden kann.
25
Aufgrund der Beschränkung der Mitteilung auf die äußerst dürftige Information , es hätten Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung ergebnislos stattgefunden, liegt ein Ausschluss des Beruhens schon aus Transparenzgründen fern. Die Mitteilung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gibt nicht einmal ansatzweise wieder, was Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Selbst wenn der Angeklagte von seinem Verteidiger darüber hinreichend informiert wurde, ist das gesetzliche Schutzkonzept dennoch berührt, denn jedenfalls die Gewährleistung effektiver Kontrolle des mit der Verständigung verbundenen Geschehens durch die Öffentlichkeit konnte hierdurch nicht ersetzt werden. Schon dies steht der Gleichschaltung der Verteidigerinformation mit einer Mitteilung durch das Gericht in laufender Hauptverhandlung entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014,

513).


26
Im Übrigen bekräftigen auch die weiteren Umstände des Falles dieses Ergebnis:
27
Am ersten Tag der Hauptverhandlung, an dem u.a. die Einlassung des Angeklagten zur Sache erfolgte, lag das gescheiterte Verständigungsgespräch bereits länger als ein Jahr zurück. Schon aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands zum Beginn der Verhandlung lässt sich nicht ausschließen, dass dem Angeklagten Inhalt und Bedeutung der Gespräche nicht (mehr) hinreichend bekannt waren. Unklarheit über deren Bedeutung hätte demgegenüber nicht ein- treten können, wenn der Vorsitzende den Angeklagten zu Beginn der Verhandlung auf der Grundlage der von ihm vorgenommenen Dokumentation die von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte Mitteilung an den Angeklagten gerichtet hätte.
28
Hinzu kommt, dass es sich bei den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwürfen nicht etwa um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach überschaubaren Sachverhalt gehandelt hat. Im vorliegenden Fall war Verfahrensgrundlage eine 45-seitige Anklageschrift, mit welcher die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwarf, sich während eines Zeitraums von rund drei Jahren der Steuerhinterziehung in zwei Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben; das Beweismittelverzeichnis der Anklage erstreckt sich über sieben Seiten. Neben dem Angeklagten waren drei weitere Personen angeklagt. Schon die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gebot eine verständliche und vollständige Mitteilung der Bedeutung der Verständigungsgespräche durch das Gericht.
29
Unter wertender Betrachtung von Art und Ausmaß des Verstoßes lässt sich unter den konkreten Umständen des Falles schon nicht zweifelsfrei ausschließen , dass das Verständigungsgespräch während des Zwischenverfahrens möglicherweise im Sinne des § 257c StPO rechtswidrige Inhalte hatte. Auch der Ausschluss einer auf fehlerhaftem oder verkürztem Verständnis des Verteidigers beruhenden unzureichenden Information des Angeklagten - verstärkt durch den zwischenzeitlich eingetretenen zeitlichen Abstand - war hier alleine durch eine vollständige Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung möglich.
30
Der Senat kann nach alldem nicht ausschließen, dass sich der Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auf den Verfahrensausgang ausgewirkt hat.
31
3. Ob das Urteil auch auf dem (weiteren) Verstoß gegen die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO im Hinblick auf das während des Hauptverfahrens geführte Verständigungsgespräch beruht, kann für die Entscheidung über das Rechtsmittel dahinstehen.
32
4. Der Senat hat gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Halle zurückzuverweisen.
Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 47/13
vom
10. Juli 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
1. Einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bedarf es nicht, wenn überhaupt
keine oder nur solche Gespräche stattgefunden haben, die dem Regelungskonzept
des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen sind.
2. Die Verfahrensrüge, es sei rechtsfehlerhaft keine Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4
Satz 1 StPO erfolgt, setzt den Vortrag voraus, dass tatsächlich Gespräche im Sinne
dieser Vorschrift stattgefunden hatten und welchen Inhalt sie hatten.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13 - LG Aachen
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
3. Juli 2013 in der Sitzung am 10. Juli 2013, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. September 2012 mit den Feststellungen aufgehoben im Fall II. 2 c der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Sachrüge und auf Verfahrensrügen gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.

3
Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen § 243 Abs. 4 StPO verstoßen.
4
1. Die Revision hat ausgeführt, der Vorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 StPO weder zu Beginn der Hauptverhandlung noch zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt, ob und gegebenenfalls in welcher Form im Vorfeld der Hauptverhandlung Verständigungsgespräche stattgefunden hätten. Zwar sei es weder zu einer Verständigung nach § 257c StPO noch zu einer unzulässigen "informellen Verständigung" gekommen. Dies schließe jedoch nicht aus, dass ohne Wissen des Angeklagten darauf abzielende Gespräche stattgefunden hätten. Hätte der Angeklagte den vom Gesetz vorgesehenen Hinweis erhalten, hätte er sein Einlassungsverhalten entsprechend einrichten können. Das gelte auch, wenn keine Gespräche stattgefunden haben sollten.
5
2. Die Rüge ist bereits deshalb unzulässig, weil die Revision keinen bestimmten Rechtsfehler behauptet:
6
a) Nach dem Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Mitteilungspflicht nicht besteht, wenn keine auf eine Verständigung hinzielende Gespräche stattgefunden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 = StV 2011, 72, 73 sowie Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 = StV 2011, 202, 203; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 243 Rn. 18 a; a.A. ohne nähere Begründung Becker in Löwe- Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 52 c und Mosbacher NZWiSt 2013, 201, 206).
7
Das erklärt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten. Diese bilden einen Schwerpunkt des Verständigungsgesetzes und sollen die zentrale Vorschrift des § 257c StPO flankieren und die Transparenz der Verständigung sowie die Möglichkeit einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 8 f.). Erfasst werden dabei nicht nur der formale Verständigungsakt selbst, sondern auch die auf eine Verständigung abzielenden Vorgespräche. Die Gewährleistung einer "vollumfänglichen" Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung voraus. Die Mitteilungs - und Dokumentationspflichten dienen der "Einhegung" der den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften (BVerfG NJW 2013, 1058 ff, 1064 Rn. 82 und 1066 Rn. 96). Wenn aber überhaupt keine auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefunden haben, ist das Regelungskonzept des § 257c StPO nicht tangiert. Soweit die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 78 Abs. 2 OWiG (BT-Drucks. 16/12310 S. 16) darauf hindeuten , § 243 Abs. 4 StPO habe die Pflicht statuieren sollen, auch eine Nichterörterung mitzuteilen, hat dies im Gesetzestext letztlich keinen Ausdruck gefunden. Entgegen Frister (in SK-StPO 4. Aufl., § 243 Rn. 43) geht der Senat nicht davon aus, dass dies auf einem bloßen Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruht.
8
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (aaO). Zwar führt das Bundesverfassungsgericht - ohne auf den entgegenstehenden Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO einzugehen - aus, wenn zweifelsfrei feststehe, dass überhaupt keine Verständigungsgespräche stattgefunden haben, könne ausnahmsweise (lediglich) ein Beruhen des Urteils auf dem Unterbleiben einer Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden (BVerfG aaO, S. 1067 Rn. 98; so auch in einem obiter dictum BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 4 StR 121/13).
9
Gleichzeitig betont das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass die Mitteilungspflicht nur dann eingreift, wenn bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum standen (BVerfG aaO, S. 1065 Rn. 85 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/12310 S. 12 und auf BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10). Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts , beim Fehlen von Vorgesprächen entfalle das Beruhen des Urteils auf dem Fehlen einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist daher einfachrechtlich nicht schlüssig, da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift in diesem Fall bereits kein Rechtsfehler vorliegt.
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Nach alledem bedarf es einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht, wenn überhaupt keine oder nur solche Gespräche stattgefunden haben, die dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen sind; das "Ob" der Handlung steht unter dem Vorbehalt des "Wenn". Soweit das Bundesverfassungsgericht den Begriff "Negativmitteilung" verwendet hat, bezieht sich dieser nur auf gescheiterte Gespräche (BVerfG aaO, S. 1067 Rn. 98 unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10).
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b) Vor diesem Hintergrund muss ein Revisionsführer, der eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügen will, - gegebenenfalls nach Einholung von Erkundigungen beim Instanzverteidiger (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 344 Rn. 22 mwN) - bestimmt behaupten und konkret darlegen, in welchem Verfahrensstadium , in welcher Form und mit welchem Inhalt Gespräche stattgefunden haben, die auf eine Verständigung abzielten (vgl. BGHSt 56, 3). Denn das bloße Fehlen einer Mitteilung reicht nach dem oben Ausgeführten nicht aus, um einen - vom Revisionsführer darzulegenden - Rechtsfehler zu begründen. An einem solchen Vortrag fehlt es vorliegend, was gemäß § 344 Abs. 2 StPO zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge führt.

II.

12
Auf die Sachrüge hin war das Urteil in Fall II. 2 c der Urteilsgründe aufzuheben , weil das Landgericht seiner Prüfung eines Rücktritts vom Versuch des schweren sexuellen Missbrauchs in diesem Fall einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat.
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1. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, der Angeklagte habe die Geschädigte aufgefordert, den Oralverkehr an ihm auszuüben. Dies habe sie abgelehnt. Der Angeklagte habe sie ein weiteres Mal zum Oralverkehr aufgefordert. Als sie dieses Ansinnen erneut zurückwies, habe er erkannt, "dass ihm auf Grund der Weigerung der Zeugin L. sowie mangels zur Verfügung stehender Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Zeugin in seinem Sinne - etwa durch weiteres Zureden und/oder Versprechungen zur Duldung des Oralverkehrs - sowie auf Grund der von ihm abgelehnten Anwendung von Gewalt eine Vollendung nicht mehr möglich war" (UA S. 11).
14
Er habe daher von seinem Vorhaben abgelassen, habe masturbiert und schließlich auf die Oberbekleidung des Mädchens ejakuliert.
15
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch von Kindern verurteilt. Einen Rücktritt vom Versuch der Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB hat es mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe in der konkreten Situation keine Möglichkeit mehr gesehen, sein Ziel, den Oralverkehr durch das Kind an ihm ausüben zu lassen, noch zu erreichen. Dies beruhe "auf den geständigen, den Feststellungen entsprechenden Angaben des Angeklagten, der insbesondere abgestritten hat, Gewalt … angewandt zu haben oder … zu irgendeinem Zeitpunkt anwen- den zu wollen" (UA S. 13).
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2. Diese Würdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Angeklagte war im Fall II. 2 c der Urteilsgründe wegen sexueller Nötigung unter Anwendung von Gewalt (§ 177 Abs. 1 Nr. 1) angeklagt. Dies konnte ihm nach den Ausführungen des Landgerichts nicht nachgewiesen werden, denn "dem Angeklagten, der jegliche Gewaltanwendung abgestritten hat, war seine diesbezügliche Einlassung nicht zu widerlegen" (UA S. 16).
17
Die Begründung für einen Fehlschlag des Versuchs der Qualifikation nach § 176a StGB ist insoweit rechtsfehlerhaft, als der Gesichtspunkt der Gewalt für diesen Tatbestand keine Rolle spielt; § 176a Abs. 1 Nr. 1 setzt ein Nötigungsmittel nicht voraus. Die Ausführung, der Angeklagte habe eine Vollendung nicht mehr für möglich gehalten, "insbesondere" weil er den Einsatz von Gewalt ablehnte, ist daher fehlerhaft und zeigt, dass das Landgericht insoweit von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Im Übrigen wäre - vor dem Hintergrund der Ausführungen zur angeklagten sexuellen Nötigung - zu erörtern gewesen, dass die Einlassung des Angeklagten, den Einsatz von Gewalt nicht in Erwägung gezogen zu haben, ersichtlich der Verteidigung gegen den Vorwurf der Gewaltnötigung diente; in der Argumentation des Landgerichts wird diese Einlassung hingegen zum Hauptargument ("insbesondere") gegen einen Rücktritt vom Qualifikationsversuch ohne Gewalt. Der Senat kann auf Grundlage dieser Urteilsausführungen nicht ausschließen, dass der Entscheidung insgesamt ein fehlerhafter Maßstab für die Frage zugrunde liegt, unter welchen Voraussetzungen der Angeklagte hier freiwillig vom Versuch des Oralverkehrs zurücktreten konnte.
18
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Falls II. 2 c insgesamt. Damit ist auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage entzogen.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

A. 

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre strafgerichtliche Verurteilung im Anschluss an eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Mittelbar richten sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. zudem gegen die Vorschrift des § 257c StPO, die durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) - im Folgenden: Verständigungsgesetz - in die Strafprozessordnung eingefügt wurde und seither die rechtliche Grundlage für die Verständigung bildet. 

I. 

1. Die Praxis urteilsbezogener Verständigungen hat sich - feststellbar jedenfalls seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts - als Instrument zur Bewältigung von Strafverfahren herausgebildet, ohne dass es dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage gegeben hätte. Es handelt sich hierbei um Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung und dem Angeklagten, nach denen das Gericht dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine bestimmte Strafe oder jedenfalls eine Strafobergrenze zusagt. Solche Verständigungen wurden häufig außerhalb der Hauptverhandlung getroffen. Bei Abgabe des Geständnisses wurde sodann in der Regel auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet, so dass die Verständigung zu einer wesentlichen Verfahrensabkürzung führte. In den meisten Fällen wurde gegen ein Urteil, das auf einer solchen Verständigung beruhte, kein Rechtsmittel eingelegt, oftmals wurde sogar ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet (vgl. zur Entwicklung der Verständigungspraxis Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, Einl. Rn. 119 ff.). 

2. Eine wesentliche Ursache für die hohe praktische Bedeutung von Verständigungen wird in der stetig wachsenden Arbeitsbelastung der Strafjustiz gesehen, die bereits an die Grenze der Überlastung heranreiche (vgl. eingehend Krey/Windgätter, in: Festschrift für Hans Achenbach, 2011, S. 233 ff.). Neben der zunehmenden Komplexität der Fallgestaltungen infolge des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts sowie der Globalisierung, die auch in neuen Formen grenzüberschreitender Kriminalität in Erscheinung tritt, trägt der Bundesgesetzgeber durch eine immer stärkere strafrechtliche Durchdringung vieler Lebensbereiche zu dieser Entwicklung bei. Die Regelungsdichte des materiellen Strafrechts ist in den vergangenen Jahrzehnten beständig gestiegen; dies gilt besonders für das Wirtschafts- und das Nebenstrafrecht (vgl. etwa Braun, AnwBl 2000, S. 222 <225>; Theile, MSchrKrim 2010, S. 147 <149 f.>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 249). Gleichzeitig bringt die zunehmende Differenzierung und Komplizierung des Strafprozessrechts immer höhere Anforderungen mit sich. So ist etwa die Rechtsprechung zu den Beweisverwertungsverboten für die tatrichterliche Praxis mittlerweile kaum noch überschaubar (vgl. Gössel, in: Festschrift für Reinhard Böttcher, 2007, S. 79 <80>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 242 ff.). Zudem bieten extensiv einsetzbare Verfahrensrechte der Verteidigung zahlreiche Möglichkeiten, den Fortgang des Verfahrens zu erschweren; vor allem Ablehnungsgesuche und Beweisanträge sowie das Fragerecht können zu diesem Zweck missbraucht werden (vgl. Gössel, a.a.O., S. 81; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 238 ff.). Unterdessen sehen sich die Tatgerichte durch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen einem immer stärkeren Druck ausgesetzt, die Verfahrensdauer trotz aller prozessualen Schwierigkeiten zu verkürzen. Dass die Bewertung richterlicher Arbeit und die Festsetzung der Arbeitspensen nicht unwesentlich nach quantitativen Gesichtspunkten erfolgt, schafft zusätzliche Anreize für eine möglichst rasche Verfahrenserledigung auch unter Inkaufnahme inhaltlicher Defizite. Der steigenden Belastung der Strafjustiz haben die Länder nicht durch eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung Rechnung getragen; vielmehr ist auch die Justiz immer wieder von Sparmaßnahmen betroffen (vgl. Krey/Windgätter, a.a.O., S. 235). 
 
3. Das Bundesverfassungsgericht prüfte 1987 in einer Kammerentscheidung (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 f.) die Zulässigkeit von Verständigungen im Strafprozess unter den Gesichtspunkten eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und des Schuldprinzips. Diese Grundsätze verböten nicht, außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Verhandlung herbeizuführen, der schon das Strafrecht Grenzen setze. Sie schlössen es aber aus, die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen solle, ins Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft sei es deshalb untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen. Das Gericht dürfe sich also beispielsweise nicht mit einem Geständnis des Angeklagten begnügen, das dieser gegen die Zusage oder das In-Aussicht-Stellen einer Strafmilderung abgelegt habe, obwohl es sich beim gegebenen Verfahrensstand mit Blick auf das Ziel der Wahrheitserforschung und der schuldangemessenen, gerechten Ahndung der Tat zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Das Gericht müsse es sich auch versagen, den Angeklagten auf eine in Betracht kommende geständnisbedingte Strafmilderung hinzuweisen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Darüber hinaus sei die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Angeklagten vor beachtenswerter Beeinträchtigung geschützt, was seinen Ausdruck auch in der Bestimmung des § 136a StPO finde. Der Angeklagte dürfe infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen oder durch Täuschung zu einem Geständnis gedrängt werden. Das schließe jedoch eine Belehrung oder einen konkreten Hinweis auf die Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses nicht aus, wenn dies im Stand der Hauptverhandlung eine sachliche Grundlage finde. Nach diesen Maßstäben gelangte die Kammer im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Verständigung bei der im damaligen Ausgangsverfahren gegebenen besonderen Sachverhaltsgestaltung - der anwaltlich verteidigte Angeklagte hatte von sich aus eine Verständigung angeregt, als die Beweisaufnahme bereits vor ihrem Abschluss stand - keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. 

4. Nachdem der Bundesgerichtshof gegenüber Verständigungen (in dessen früherer Terminologie: „Absprachen“) außerhalb der Hauptverhandlung anfänglich eine ablehnende Haltung eingenommen hatte (vgl. etwa BGHSt 37, 298 <304 f.>; BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 1993 - 1 StR 662/93 -, NJW 1994, S. 1293 f., und vom 25. Oktober 1995 - 2 StR 529/95 -, wistra 1996, S. 68; BGHSt 42, 46 <48>), wurden Verständigungen innerhalb der Hauptverhandlung zunächst durch den 4. Strafsenat und sodann durch den Großen Senat für Strafsachen grundsätzlich gebilligt. 

a) In seiner Leitentscheidung vom 28. August 1997 (BGHSt 43, 195 ff.) erklärte der 4. Strafsenat - trotz ausdrücklicher Anerkennung der Vergleichsfeindlichkeit des Strafverfahrens und des Verbots einer Disposition über den staatlichen Strafanspruch - in der Hauptverhandlung getroffene Verständigungen für grundsätzlich zulässig und sprach zudem aus, dass sie - sofern nach den von ihm aufgestellten Vorgaben zustande gekommen - für das Gericht verbindlich seien. Unter folgenden Voraussetzungen könne eine Verständigung getroffen werden: Der Schuldspruch dürfe nicht Gegenstand der Verständigung sein. Ein verständigungsbasiertes Geständnis müsse auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden; sich hierzu aufdrängende Beweiserhebungen dürften nicht unterbleiben. Die freie Willensentschließung des Angeklagten müsse gewahrt bleiben; insbesondere dürfe er nicht durch Drohung mit einer höheren Strafe oder durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zu einem Geständnis gedrängt werden. Die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts sei unzulässig. Die Verständigung selbst müsse in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgen; Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung seien aber möglich. In die Verständigung seien alle Verfahrensbeteiligten einzubeziehen. Das Ergebnis der Verständigung sei im Protokoll niederzulegen. Eine bestimmte Strafe dürfe das Gericht nicht zusagen; unbedenklich sei aber die Zusage einer Strafobergrenze. Von dieser dürfe nur abgewichen werden, wenn sich neue schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergäben; auf eine beabsichtigte Abweichung sei in der Hauptverhandlung hinzuweisen. Der Strafausspruch dürfe den Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen. 
 
b) Der Große Senat für Strafsachen hielt in seinem Beschluss vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) an den vom 4. Strafsenat aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verständigungen fest und präzisierte diese dahingehend, dass die Differenz zwischen der verständigungsgemäßen und der bei einem „streitigen Verfahren“ zu erwartenden Sanktion nicht unangemessen groß sein („Sanktionsschere“) und das Gericht nicht nur wegen neuer Erkenntnisse von seiner Zusage abweichen dürfe, sondern - nach entsprechendem Hinweis - auch dann, wenn schon bei der Verständigung vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen worden seien. Der nach einer Verständigung erklärte Rechtsmittelverzicht sei grundsätzlich unwirksam; die Unwirksamkeit entfalle jedoch, wenn der Rechtsmittelberechtigte darüber belehrt worden sei, dass er ungeachtet der Verständigung in seiner Entscheidung frei sei, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Die grundsätzliche Billigung der Verständigung begründete der Große Strafsenat mit der Notwendigkeit, trotz knapper Ressourcen die Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz zu gewährleisten, und mit Hinweisen auf den Beschleunigungsgrundsatz, die Prozessökonomie sowie den Zeugen- und Opferschutz. Allerdings sei die Strafprozessordnung in ihrer geltenden Form am Leitbild der materiellen Wahrheit orientiert, die vom Gericht in der Hauptverhandlung von Amts wegen zu ermitteln und der Disposition der Verfahrensbeteiligten weitgehend entzogen sei. Die Praxis der Verständigungen sei daher kaum ohne Bruch in das gegenwärtige System einzupassen. Aus diesem Grund appellierte der Große Senat für Strafsachen an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Verständigungen im Strafprozess gesetzlich zu regeln. 

5. Dieser Forderung nach einer gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz Rechnung getragen. Das darin enthaltene Regelungskonzept geht ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 8) in seinem Grundansatz davon aus, dass für die Verständigung im Strafverfahren keine neue - dem deutschen Strafprozess bislang unbekannte - Form einer konsensualen Verfahrenserledigung eingeführt werden sollte, die die Rolle des Gerichts, insbesondere seine Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit, zurückdrängen würde. Die Grundsätze des Strafverfahrens sollten vielmehr weiterhin Geltung behalten, namentlich, dass eine Verständigung unter Beachtung aller maßgeblichen Verfahrensregeln einschließlich der Überzeugung des Gerichts vom festgestellten Sachverhalt und der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses stattfinden müsse, die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs, nicht zuletzt auch die Transparenz der Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gewahrt sein müssten, und dass insbesondere der Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen werden dürfe. 

Die zentrale Bestimmung des gesetzgeberischen Regelungskonzepts in § 257c StPO hat folgenden Wortlaut:

§ 257c
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. 
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein. 
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen. 
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen. 

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren. 

Die Vorschrift erlaubt dem Gericht ausdrücklich eine Verständigung über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nach den darin genannten Maßgaben; sie stellt außerdem klar, dass die Pflicht des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt bleibt. Hierdurch soll in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs die Beachtung der rechtsstaatlichen Anforderungen an das Strafverfahren gewährleistet und insbesondere die Schuldangemessenheit der Strafe sichergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9). 

Außerdem wurden Vorschriften eingeführt, die es der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren sowie dem Gericht vor und nach Eröffnung des Hauptverfahrens sowie in der Hauptverhandlung ausdrücklich erlauben, „den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern“ (§§ 160b, 202a, 212, 257b StPO). Der wesentliche Inhalt einer solchen Erörterung ist jeweils aktenkundig zu machen; der Inhalt einer in der Hauptverhandlung durchgeführten Erörterung ist in das Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1 Satz 2 StPO). 

§ 160b
Die Staatsanwaltschaft kann den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 202a
Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 212
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gilt § 202a entsprechend. 

§ 257b
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. 

§ 273
(1) […] In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden. […] 
Flankiert werden diese Regelungen durch weitere neue Vorschriften, die die Transparenz der Verständigung und die Möglichkeit einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gewährleisten sollen. Nach § 243 Abs. 4 StPO ist in der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob - und falls ja mit welchem Inhalt - außerhalb der Hauptverhandlung Erörterungen des Verfahrensstandes zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben, in denen die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO thematisiert wurde:

§ 243
[…] (4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, muss dies in den schriftlichen Urteilsgründen angegeben werden (§ 267 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 StPO). 

Die in § 273 StPO enthaltenen Vorschriften über die Protokollierung der Hauptverhandlung wurden wie folgt erweitert:

§ 273
[…] (1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO). In diesem Fall ist der Angeklagte darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen (§ 35a Satz 3 StPO). 

6. Das Regelungskonzept des Gesetzgebers ist teils auf Zustimmung (vgl. etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 ff.) gestoßen, teils aber auch auf scharfe Kritik (vgl. etwa Meyer-Goßner, ZRP 2009, S. 107 ff.; Bittmann, wistra 2009, S. 414 ff.; Fezer, NStZ 2010, S. 177 ff.). Nach verbreiteter Ansicht entsprechen die gesetzlichen Vorschriften über die Verständigung nicht den Bedürfnissen der Praxis. So werden die Protokollierungs- und Belehrungspflichten sowie der generelle Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts als Erschwerung der richterlichen Tätigkeit und damit als Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage empfunden; der mit der Verständigung angestrebte Entlastungseffekt werde dadurch jedenfalls teilweise wieder zunichte gemacht (vgl. Polomski, DRiZ 2011, S. 315 f.). Ferner wird die Auffassung vertreten, § 257c StPO regele nur die „förmliche“ Verständigung, weshalb für „informelle“ Absprachen oder „Gentlemen‘s Agreements“ außerhalb der Hauptverhandlung weder die gesetzlichen Protokollierungs- und Belehrungspflichten noch der Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts gälten (vgl. Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, a.a.O., S. 416 Fn. 25). 

II. 

1. a) Der Beschwerdeführer zu I. wurde als einer von vier Angeklagten durch das Landgericht München II mit Urteil vom 9. März 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 259 tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit mit vier Fällen der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Unmittelbar nach Anklageverlesung und Belehrung der Angeklagten war die Hauptverhandlung für ein Rechtsgespräch unterbrochen worden. Anschließend gaben die Verteidiger für ihre Mandanten jeweils eine Erklärung ab, und die Angeklagten erklärten sich zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Vorsitzende schlug die Erteilung eines Hinweises vor, wonach das Gericht in voller Besetzung das Verfahren gemäß § 257b StPO mit den Verteidigern und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ausführlich erörtert habe. Unter Berücksichtigung der vorläufigen rechtlichen Bewer- tung, der Vorstrafen und eines angekündigten Geständnisses der Angeklagten rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu I. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und die drei Mitangeklagten zu Gesamtfreiheitsstrafen von nicht mehr als fünf Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und vier Jahren verurteilt würden. Für den Fall einer Verurteilung in dieser Größenordnung habe die Staatsanwaltschaft angekündigt, ein dort noch anhängiges Ermittlungsverfahren zu einem weiteren Tatkomplex im Wesentlichen nach § 154 Abs. 1 StPOeinzustellen. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Die Angeklagten, die Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten sich mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden. Im Anschluss machten die Angeklagten jeweils Angaben zur Sache, wobei der Beschwerdeführer zu I. auch Fragen beantwortete. Sämtliche polizeilichen Zeugenvernehmungsprotokolle wurden gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 1 Satz 1 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt und die entsprechenden Zeugen abgeladen. In der Folge vernahm die Kammer noch mehrere Polizeibeamte und Behördenmitarbeiter als Zeugen. Unterlagen wurden teils in Augenschein genommen oder verlesen, teils im Selbstleseverfahren eingeführt. 

b) Mit seiner Revision beanstandete der Beschwerdeführer zu I. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhob die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. In Bezug auf den Belehrungsfehler verwies der Bundesgerichtshof auf eine frühere Entscheidung (Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10 -), in der er die Rüge eines Verstoßes gegen § 257c Abs. 5 StPO mit der Erwägung zurückgewiesen hatte, das Urteil beruhe nicht auf dem Fehler, weil die Strafkammer die im Rahmen der Verständigung angekündigte Strafobergrenze eingehalten habe. 

2. a) Die Beschwerdeführer zu II. wurden durch das Landgericht München II mit Urteil vom 27. April 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in 27 tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (Beschwerdeführer zu II. 1)) und drei Jahren und vier Monaten (Beschwerdeführer zu II. 2)) verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Zu Beginn der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Beschwerdeführers zu II. 2) ein Rechtsgespräch angeregt, für das die Verhandlung unterbrochen wurde. In der Pause führten die Verteidiger, das Gericht und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Verständigungsgespräche. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung stellte das Gericht fest, das Verfahren gemäß § 257b StPO mit allen Verfahrensbeteiligten ausführlich erörtert zu haben. Die Kammer habe darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage und vorbehaltlich des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der Beweisaufnahme ein Schuldspruch wegen 27 Fällen des Betruges in besonders schwerem Fall jeweils in Tateinheit mit dem vorsätzlichen gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts in Betracht komme. Unter Berücksichtigung dieser Bewertung sowie eines angekündigten Geständnisses rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu II. 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und sechs Monaten verurteilt werde und der Beschwerdeführer zu II. 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und vier Monaten. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Dem Vorschlag stimmten die Beschwerdeführer zu II., ihre Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich zu. Auf die Einvernahme von Zeugen - mit Ausnahme des ermittelnden Polizeibeamten - wurde allseits verzichtet. Die Verteidiger gaben Erklärungen zur Sache ab, die sich die Beschwerdeführer zu II. jeweils zu eigen machten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf diesen Erklärungen und auf den Angaben des ermittelnden Polizeibeamten sowie den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Ergebnissen einer von der Polizei in Form von Fragebögen durchgeführten schriftlichen Zeugenbefragung. 

b) Mit ihrer Revision beanstandeten die Beschwerdeführer zu II. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhoben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 2. November 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Zu dem Belehrungsmangel führte er aus, dass eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen vorab zu belehren sei, nicht vorliege. Die verhängten Strafen überstiegen auch nicht die vom Gericht jeweils zugesicherte Höhe. Konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, so dass letztlich ein für sie günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 

3. a) Der Beschwerdeführer zu III. wurde als einer von zwei Angeklagten durch das Landgericht Berlin mit Urteil vom 15. März 2011 wegen zweier Fälle des schweren Raubes und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Der Vorsitzende hatte die Angeklagten nach Verlesung der Anklageschrift darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Raubtaten im Wesentlichen drei Möglichkeiten gebe. Die erste sei ein Freispruch, die zweite eine Verurteilung wegen eines oder zweier Fälle des schweren Raubes mit jeweils einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren nach streitiger Beweisaufnahme. In der zweitgenannten Konstellation - so die Urteilsgründe - „verspüre“ die Kammer angesichts dessen, dass es sich um Taten handele, die die Angeklagten als Polizeibeamte im Dienst begangen hätten, „wenig Neigung“ zur Annahme von minder schweren Fällen. Die dritte Möglichkeit schließlich sei hinsichtlich der Konsequenzen ein Mittelweg: Falls die Angeklagten sich zu Geständnissen, die eine Beweisaufnahme überflüssig machen, entschlössen, könne dieser Umstand bei der Gesamtabwägung, ob minder schwere Fälle vorliegen, eine entscheidende Rolle spielen und letztlich den Ausschlag zugunsten der Angeklagten geben. In diesem Fall seien Gesamtfreiheitsstrafen zu erwarten, deren Vollstreckung die Kammer zur Bewährung aussetzen könne. Während einer 85-minütigen Verhandlungspause hatten die Angeklagten Gelegenheit, über den Vorschlag des Gerichts nachzudenken und ihn mit ihren Verteidigern zu beraten. Der Vorsitzende mahnte derweil zur Eile. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu III. warnte ihn sein Verteidiger zudem vor der Möglichkeit einer „Saalverhaftung“, wenn er der vorgeschlagenen Verständigung nicht nähertrete. Nach der Verhandlungspause erklärten die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu dem Vorschlag des Gerichts, was entsprechend zu Protokoll genommen wurde. Nach allgemeiner und besonderer Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO legten die Angeklagten Geständnisse in Form einer schlichten Bestätigung des Anklagesatzes ab. Anschließend erklärten die Verteidiger jeweils, dass Fragen zur Sache nicht beantwortet würden. Auf die Vernehmung von Zeugen wurde allseits verzichtet. Nach den Plädoyers und dem letzten Wort der Angeklagten zog sich die Kammer zur Beratung zurück, trat sodann aber noch einmal in die Beweisaufnahme ein, um die Angeklagten zu fragen, ob sie bei den Taten ihre Dienstwaffen bei sich geführt hätten und ob diese geladen gewesen seien, was die Angeklagten bejahten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf den Erklärungen der Angeklagten und entsprechen weitgehend dem Anklagesatz. 

b) Mit seiner Revision machte der Beschwerdeführer zu III. im Wege der Verfahrensrüge Verstöße gegen § 244 Abs. 2 StPO und gegen § 136a StPO geltend und erhob daneben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPOals unbegründet und bemerkte lediglich ergänzend, dass er der Revision jenseits der vom Generalbundesanwalt zutreffend als unzulässig bewerteten Verfahrensrügen eine noch zulässig erhobene Beanstandung der Anwendung von § 257c StPO entnehme. Diese greife in der Sache aber nicht durch. Das Landgericht habe den Angeklagten vor Augen halten dürfen, dass im Verurteilungsfall nur unter der Voraussetzung eines Geständnisses der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (minder schwerer Fall) eröffnet sein könne. Eine Drohung mit einer willkürlich bemessenen „Sanktionsschere“ liege deshalb nicht vor. Zu allen darüber hinausgehenden Behauptungen unzulässigen Drucks fehle es schon an ausreichendem Revisionsvortrag. Abgesehen davon sei insoweit ersichtlich nichts erwiesen. 

III. 

1. Die Beschwerdeführer zu I. und zu II. rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbelastungsfreiheit und des fairen Verfahrens sowie dem Schuldprinzip, ferner Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 101 Abs. 1 GG durch das Unterlassen der von § 257c Abs. 5 StPO verlangten Belehrung vor Zustandekommen der Verständigung. Hilfsweise rügen sie die Verfassungswidrigkeit des § 257c StPOwegen Verstoßes insbesondere gegen das Schuldprinzip und das Rechtsstaatsgebot. 

a) Die Möglichkeit einer Beeinflussung des Verfahrensausgangs durch eine Verständigung übe mittelbar Druck auf den Angeklagten aus, ein Geständnis abzulegen. Eine freiverantwortliche, auf autonomer Einschätzung des damit verbundenen Risikos beruhende Entscheidung über die Abgabe eines Geständnisses setze voraus, dass der Angeklagte wisse, dass sich das Gericht über § 257c Abs. 4 StPOwieder von der Verständigung lösen könne. Die Gerichte hätten diese Aufgabe, die der Gesetzgeber der Belehrungspflicht zugewiesen habe, übersehen und § 257c Abs. 5 StPO unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG zu einer reinen Ordnungsvorschrift entwertet. Käme nämlich - worauf die Revisionsentscheidung hinauslaufe - ein Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO nur bei einer Abweichung des Gerichts von der Verständigung zum Tragen, so bliebe ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht letztlich in allen Fällen ohne Konsequenz, da bei einer Abweichung von der Verständigung das Geständnis schon wegen § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht verwertbar sei. Auch aus tatsächlicher Sicht überzeuge die Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht, da niemand wissen könne, ob bei ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung überhaupt zustande gekommen wäre. 

b) Die Vorschrift des § 257c StPO verstoße gegen das Schuldprinzip und das aus Rechtsstaatsgebot und Gleichheitssatz folgende Legalitätsprinzip, die beide die Ermittlung des wahren Sachverhalts verlangten. Das Bemühen um Gewährleistung einer - trotz der Verständigung - schuldangemessenen Strafe sei mit dem zugleich verfolgten Anliegen einer Verfahrensverkürzung unvereinbar. Dieser innere Widerspruch präge die gesamte Diskussion zu § 257c StPO. Die gesetzliche Regelung sei nicht geeignet, die Realität der Verständigungspraxis zu beeinflussen. Eine wirksame revisionsgerichtliche Kontrolle von Verständigungen sei nicht möglich. Die Verständigung laufe darauf hinaus, der gerichtlichen Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zugrundezulegen; dieses sei aber gerade nicht zur Findung der materiellen Wahrheit, sondern lediglich zu einer Verdachtsklärung bestimmt. Die Schöffen, die den Akteninhalt nicht kennten, seien für ihre Überzeugungsbildung auf den Inbegriff der Hauptverhandlung angewiesen. Im Falle eines Scheiterns der Verständigung sei die Neutralität des Richters im weiteren Verlauf des Verfahrens gefährdet. Dass dem unverteidigten Angeklagten faktisch die Möglichkeit einer Verständigung verschlossen bleibe, verstoße gegen den Gleichheitssatz. 

2. Der Beschwerdeführer zu III. rügt eine Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG. Der Bundesgerichtshof habe die Anforderungen an die Zulässigkeit von Verfahrensrügen in der Revision überspannt. Ferner verstoße die vom Landgericht angedrohte „Sanktionsschere“ gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Schließlich habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es das Geständnis nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft habe. 

IV. 

1. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Durch die Verständigung werde nicht ermöglicht, dass sich die Verfahrensbeteiligten ohne Ermittlung des wahren Sachverhalts auf ein bestimmtes Ergebnis einigten. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO stelle vielmehr klar, dass der Amtsermittlungsgrundsatz auch im Falle einer Verständigung unberührt bleibe. Entsprechendes gelte für die Strafzumessung, die sich weiterhin nach § 46 StGB bestimme. Der Angeklagte könne unabhängig vom Vorliegen einer Verständigung frei entscheiden, ob er sich geständig einlassen wolle oder nicht. § 257c StPO lasse daher die Selbstbelastungsfreiheit unberührt. Auch die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege werde durch die gesetzliche Regelung nicht beeinträchtigt. Vielmehr könne eine geständige Einlassung zu einer weniger umfangreichen Beweisaufnahme führen. Auch könnten Verständigungen eine Verbesserung des Opferschutzes bewirken, wenn ein Geständnis die Vernehmung von Opferzeugen in der Hauptverhandlung entbehrlich mache. 

2. Die Bayerische Staatsregierung, die sich zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. geäußert hat, hält diese für unbegründet. Ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren liege nicht vor. Zum einen habe sich das Gericht an die zugesagten Strafobergrenzen gehalten, zum anderen mache die bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Belehrung von der Verständigung insgesamt Abstand genommen hätten, das Verfahren nicht unfair. § 257c StPO verletze weder das Schuldprinzip noch den Legalitätsgrundsatz. Die nunmehr gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, ein Ermittlungs- oder Strafverfahren durch Einräumung von inneren und äußeren Umständen im Rahmen einer Verständigung abzukürzen, werde der Tatsache gerecht, dass dem Angeklagten aufgrund seiner Subjektqualität auch zugetraut werden müsse, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Außerdem lasse § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO die Amtsaufklärungspflicht unberührt. 

3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des 1., 3., 4. und 5. Strafsenats vorgelegt. 

a) Der Vorsitzende des 1. Strafsenats führt aus, eine frühe Einbeziehung des Angeklagten und seines Verteidigers in die Überlegungen zur Strafzumessung bis hin zu einer Verständigung stärke die Stellung des Angeklagten als Subjekt. An der Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung habe sich durch § 257c StPO nichts geändert. Seien die zur Wahrheitsfindung erforderlichen Tatsachen nach Überzeugung des Gerichts durch ein Geständnis umfassend erwiesen, komme einer weiteren Beweisaufnahme keine Bedeutung mehr zu. Sie werde von § 244 Abs. 2 StPO nicht gefordert und sei zur Vermeidung unnötiger Belastung des Angeklagten, der Tatopfer sowie zum effektiven Einsatz der Ressource Recht zu vermeiden. Eine überdurchschnittliche Fehlerquote könne der Senat bei dem Verständigungsverfahren gemäß § 257c StPO nicht konstatieren. Von den im Jahr 2011 beim 1. Strafsenat anhängig gewordenen 650 Revisionsverfahren habe dem Urteil nur in 34 Fällen (ca. 5 %) eine Verständigung zugrunde gelegen. Nur in drei Fällen habe es Anlass zu Kritik gegeben: In zwei Fällen habe eine unzulässige Vereinbarung über den Schuldspruch vorgelegen, im dritten Fall eine unvertretbare Nichtberücksichtigung eines besonders schweren Falles. 

b) Die Vorsitzenden des 3. und 4. Strafsenats verweisen auf Entscheidungen ihrer Senate. Der Vorsitzende des 5. Strafsenats verweist ebenfalls auf Entscheidungen seines Senats und teilt mit, die von seinem Strafsenat bislang entschiedenen Fälle ließen aus seiner Sicht noch keine generelle Beurteilung der Normanwendung durch die Tatgerichte aus der in diesem Bereich ohnehin eingeschränkten Sicht des Revisionsgerichts zu. Der Senat hege bislang keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 257c StPO.
 
4. Der Generalbundesanwalt hält § 257c StPO für grundsätzlich verfassungskonform. Die Norm ersetze nicht die bisherige Struktur des Strafprozesses durch ein adversatorisches Verfahren, sondern füge sich entsprechend dem Willen des Gesetzgebers in das bestehende System ein. Sie verletze weder das Schuldprinzip noch das Recht auf ein faires Verfahren. Die Unschuldsvermutung und die Selbstbelastungsfreiheit blieben ebenso unangetastet wie der Gleichheitssatz. Zwar führe die gesetzliche Zulassung von Verständigungen zu Spannungen mit zahlreichen Verfahrensmaximen des Strafprozesses. In Anbetracht des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers folge hieraus aber nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm. Erheblich für die Verfassungsmäßigkeit der Verständigung spreche, dass sie besonders geeignet sei, den - in seiner Bedeutung im Verhältnis zum Ideal der Wahrheitsfindung zuletzt deutlich aufgewerteten - Zweck der Herstellung von Rechtsfrieden zu erreichen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Verständigung auch auf einer angemessenen Einbeziehung und Interessenwahrung des Opfers beruhe. Eine Legitimation der Verständigung lasse sich teilweise auch aus dem Prinzip der Disponibilität von Rechten ableiten. Die Rechtsordnung gewähre dem Angeklagten in weitem Umfang die Möglichkeit, auf Verfahrensrechte zu verzichten und die Art seines Verteidigungsverhaltens autonom zu bestimmen. Anführen lasse sich für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Verständigungen ferner, dass diese Erledigungsart auf dem durchweg als modern und zeitgemäß empfundenen Gebot eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils aufbaue. 

Ungeachtet dessen entfalte die gesetzliche Verankerung der Verständigung eine erhebliche Sogwirkung in Richtung auf strukturelle Veränderungen des Strafprozesses. Die Anerkennung und Ausbreitung quasi-vertraglicher Erledigungsformen habe sich in mehreren Stufen mit bislang ungebrochen expansiver Tendenz vollzogen. Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten die normative Kraft des Faktischen nur nachholend bestätigen können, wobei gegenläufige, auf eine Kanalisierung der Verständigungspraxis gerichtete Bestrebungen bislang nicht in der Lage gewesen seien, die Dynamik der Entwicklung aufzuhalten. Ein wesentliches Motiv für die gewachsene Zahl von Verständigungen sei die in den vergangenen Jahrzehnten gestiegene Arbeitsbelastung der Justiz, mit der deren sachliche und personelle Ausstattung nicht Schritt gehalten habe. Angesichts dessen beziehe die Verständigung als Gegenmodell zur Durchführung einer aufwendigen streitigen Hauptverhandlung einen wesentlichen Teil ihrer Attraktivität aus der Möglichkeit für alle Beteiligten, das Verfahren drastisch abzukürzen, es möglichst weiterer rechtlicher Kontrolle zu entziehen und so über die Einsparung von Arbeitsaufwand im konkreten Fall die jeweiligen Erledigungsquoten - beim Verteidiger zudem mit positiven ökonomischen Folgen - zu erhöhen. 

Zur Sicherung der Verfassungskonformität sei daher einer weiteren Expansion von Formen der Verständigung im Strafprozess Einhalt zu gebieten. Dieser Erledigungsart könne im strafprozessualen System nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine ergänzende Funktion zukommen. Sie dürfe nicht zum Regelfall des Strafverfahrens werden. Um den mit ihr verbundenen mittelbaren Gefährdungen verfassungsrechtlich geschützter Verfahrensprinzipien auf Dauer entgegenzuwirken, bedürften Anwendungsbereich und Voraussetzungen des § 257c StPO in Fortführung bereits vorhandener Ansätze in der fachgerichtlichen Rechtsprechung einer einschränkenden Auslegung. Ferner seien die im Gesetz angelegten Restriktionspotenziale über die bisherige Rechtsanwendung hinaus weiter auszuschöpfen und weitere flankierende Maßnahmen geboten. 

Vor diesem Hintergrund hält der Generalbundesanwalt die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beruhensprüfung hinsichtlich des Belehrungsmangels sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. erachtet der Generalbundesanwalt dagegen auf der Grundlage der von ihm als notwendig erachteten verfassungskonformen Auslegung des § 257c StPOals nicht aussichtslos. Es fehle bereits an der plausiblen Darlegung der Eignung des Falles für eine Verständigung, auf die die Strafkammer vorschnell ausgewichen sei. Zudem habe das Landgericht das erkennbar auf eine reine Bestätigung der Anklage beschränkte Geständnis keiner weiteren Überprüfung unterzogen. Schließlich gehe die Verständigung auf ein verfassungsrechtlich bedenkliches Aufzeigen von Alternativstrafen zurück. 

5. Der Senat hat ferner Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer eingeholt. 
a) Der Deutsche Richterbund vertritt die Auffassung, das Verständigungsgesetz habe zwar einen erheblichen Gewinn an Rechtssicherheit gebracht; gleichwohl habe sich die gesetzliche Regelung aus Sicht der Praxis nicht uneingeschränkt bewährt. Das Risiko, dass eine Verständigung auch und gerade wegen des erwünschten Beschleunigungseffekts einen Verzicht auf gründliche und umfassende Sachaufklärung zur Folge haben könne, sei unübersehbar. Die Verkürzung der Hauptverhandlung führe außerdem dazu, dass der - in der Praxis in aller Regel von der Polizei erstellte - schriftliche Inhalt der Akten an Bedeutung gewinne. Die Justiz drohe die gebotene Kontrolle über die polizeilichen Ermittlungsergebnisse zu verlieren. Hinzu komme, dass es für alle Verfahrensbeteiligten verführerisch sei, sich die oft notwendige Erfassung, Auswertung und Beurteilung umfangreicher elektronisch gespeicherter Beweismittel durch eine Verständigung zu ersparen unter Inkaufnahme und im Bewusstsein des Umstandes, dadurch nur einen kleinen Teil des Beweisstoffes zur Kenntnis zu nehmen. Nicht von der Hand zu weisen sei die Gefahr, dass gerade bei Verfahren großen Umfangs das zu einem frühen Zeitpunkt aus echter Reue abgegebene Geständnis im Vergleich zu dem im Hinblick auf eine mögliche Verständigung taktisch zurückgehaltenen Geständnis entwertet werde. Damit verbunden sei die bedenkliche Tendenz, „kleine“, häufig unverteidigte Straftäter härter zu bestrafen, während die Justiz in Großverfahren aus Mangel an Mitteln immer nachgiebiger werde. Die in vielen Ländern unzureichende Personalausstattung der Justiz führe in der Kombination mit weiteren ungünstigen Rahmenbedingungen des deutschen Strafprozesses, deren Verbesserung bislang nicht gelungen sei, immer wieder zu Hauptverhandlungen, die der Öffentlichkeit nicht als dem hohen Gerechtigkeitsanspruch der deutschen Justiz entsprechend vermittelt werden könnten. Dadurch leide das Ansehen der Rechtspflege insgesamt. Hinzu komme, dass das Verständigungsverfahren zahlreiche noch offene Probleme aufweise. So würden die Öffentlichkeits- und Protokollierungspflichten teilweise als Belastung empfunden; zugleich würden vielfältige Hinweis- und Fürsorgepflichten des Tatrichters die Handhabung des § 257c StPO erschweren. Auch die umfangreichen Belehrungspflichten des § 257c Abs. 5 StPO hätten sich als wenig praxistauglich erwiesen. Der Ausschluss des Verzichts auf Rechtsmittel stehe im Widerspruch zu der Erwartung der Praxis, mit der ausgehandelten Verständigung eine rasche Rechtskraft des Ergebnisses zu erreichen. Die Verlockung, „es so zu machen wie früher“ und eine unzulässige „informelle“ Absprache außerhalb des § 257c StPO zu treffen, erscheine daher evident. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Gefahr, dass sich Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidiger dergestalt an Absprachen gewöhnten, dass die Beendigung des Verfahrens auf diese Weise zum Regelfall werde. Die Warnungen vor einem „schleichend eingeläuteten Systemwechsel“ seien ernst zu nehmen. Dem Zeitgeist folgend versuche der Gesetzgeber, unter dem Deckmantel der Förderung eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils Versäumnisse bei der Ausgestaltung und Praktikabilität des formellen und materiellen Rechts zu kompensieren. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die prozessualen Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Justiz ihrem gesetzlichen Strafverfolgungsauftrag gerecht werden könne, ohne sich auf Verhandlungen mit dem Angeklagten zulasten der materiellen Wahrheit und der Gerechtigkeit einlassen zu müssen. Um dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot Genüge zu tun und die Handlungsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten, kämen etwa eine Neuordnung des Ablehnungsrechts, die Befristung von Beweisanträgen, eine Neufassung des § 265 Abs. 3 StPO, Erleichterungen bei Beweistransfers aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung (etwa bei der Einführung von Urkunden) und eine Änderung des § 273 Abs. 3 StPO in Betracht. 

b) Der Deutsche Anwaltverein hält die Anwendung des § 257c StPO durch die Gerichte in den Ausgangsverfahren für verfassungswidrig und die Verfassungsbeschwerden daher für begründet. Insbesondere verstoße die Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO gegen das Recht auf ein faires Verfahren, da bei fehlender Belehrung die Willensfreiheit des Angeklagten im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abschluss der Verständigung nicht gegeben sei. Zudem bestünden an der Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO erhebliche Zweifel. Der Aufklärungsgrundsatz und das Schuldprinzip stünden dem mit § 257c StPO verfolgten Ziel einer Verfahrensverkürzung und -vereinfachung strukturell entgegen. Eine „Bändigung der Verständigung“ sei durch die gesetzliche Regelung nicht geglückt. Dieser Befund werde durch Erfahrungsberichte von Mitgliedern des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins bestätigt. In einem Fall habe etwa der Vorsitzende einer Strafkammer im Gespräch mit dem Verteidiger geäußert, dass das Urteil, das aufgrund der Verständigung zustande kommen sollte, einer revisionsgerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht standhalten würde. Dieses Risiko würde er aber eingehen, weil er davon ausgehe, dass sich alle Beteiligten an die Verständigung halten und daher keine Revision eingelegt werde. In einem anderen Fall habe die Kammer für die Abgabe umfassender Geständnisse im Sinne der Anklage eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich in Aussicht gestellt, obwohl sich der Sachverhalt in der Hauptverhandlung anders dargestellt habe. Da für die Angeklagten die Freiheit wichtiger gewesen sei als die Wahrheit, seien entsprechende, die Anklage bestätigende Geständnisse abgegeben worden. Die Gefahr falscher Geständnisse habe durch das Verständigungsgesetz eher zugenommen. Benachteiligt werde der Angeklagte, der schon früh im Ermittlungsverfahren gestanden habe, da er für eine Verständigung nichts mehr anzubieten habe. Die Förmlichkeiten und Beschränkungen des gesetzlich vorgesehenen Verständigungsverfahrens würden in der Praxis überwiegend umgangen. Die Revisionsgerichte ließen die Möglichkeiten zur „Domestizierung“ der Verständigung ungenutzt. 

c) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält § 257c StPO für verfassungsgemäß. Die Vorschrift stehe im Spannungsverhältnis zwischen den Verpflichtungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts und zur Bestimmung der schuldangemessenen Strafe als Elementen des Schuldprinzips, dem Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Gebot wirksamer Strafrechtspflege. Die gesetzliche Regelung sei ausgerichtet auf einen praktisch konkordanten Ausgleich zwischen diesen Grundsätzen. Sie schaffe im Vergleich zur früheren Rechtslage ein beträchtliches Maß an Rechtssicherheit. Tragende Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens seien nicht verletzt. Dies gelte insbesondere für den Amtsermittlungsgrundsatz, die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit und das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung. Das generell mit der Verurteilung auf der Grundlage eines Geständnisses verbundene Risiko eines Fehlurteils werde durch die gesetzlichen Verständigungsregelungen nicht signifikant erhöht. Dass der Bundesgerichtshof dazu neige, bei Verstößen gegen die formellen Voraussetzungen einer Verständigung, namentlich die Dokumentations-, Mitteilungs- und Belehrungspflichten, ein Beruhen des Urteils auszuschließen, sei der vom Gesetzgeber angestrebten Transparenz des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens allerdings nicht förderlich. Die Eindämmung „informeller“ Absprachen werde dadurch erschwert. Im Ergebnis sei ein struktureller Mangel des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren derzeit nicht erkennbar. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die unterbliebene Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO habe das Verfahren nicht insgesamt unfair gemacht, da das Gericht letztlich von der Verständigung nicht abgewichen sei. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. hält die Bundesrechtsanwaltskammer dagegen für begründet. Insbesondere habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es sich mit einem Formalgeständnis begnügt habe. Zudem sei dem Geständnis ein Aufzeigen von Alternativstrafen vorausgegangen. Dies stelle einen Verstoß gegen das Schuldprinzip dar. 

V. 

Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Altenhain, Universitätsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, mit der Durchführung einer repräsentativen empirischen Untersuchung zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren beauftragt. Zu diesem Zweck hat der Sachverständige im Zeitraum zwischen dem 17. April und 24. August 2012 insgesamt 190 mit Strafsachen befasste Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen befragt, von denen 117 als Strafrichter oder Vorsitzende eines Schöffengerichts und 73 als Vorsitzende einer Strafkammer tätig waren. Als Kontrollgruppe wurden daneben 68 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie 76 Fachanwältinnen und Fachanwälte für Strafrecht befragt. 

Nach Einschätzung der befragten Richter wurden im Kalenderjahr 2011 17,9 % der Strafverfahren an Amtsgerichten und 23 % der Strafverfahren an Landgerichten durch Absprachen erledigt. Auf die Frage, in wieviel Prozent der Fälle nach ihrer Einschätzung in der gerichtlichen Praxis die gesetzlichen Vorschriften zur Verständigung verletzt würde, gaben etwas mehr als die Hälfte der Richter an, dass dies in mehr als der Hälfte aller Verfahren mit Absprachen der Fall sein dürfte. So gaben 58,9 % der befragten Richter an, mehr als die Hälfte ihrer Absprachen „informell“, also ohne Anwendung des § 257c StPOdurchgeführt zu haben, 26,7 % gaben an, immer so vorgegangen zu sein. 33 % der befragten Richter gaben an, außerhalb der Hauptverhandlung Absprachen geführt zu haben, ohne dass dies in der Hauptverhandlung offengelegt wurde, während 41,8 % der Staatsanwälte und 74,7 % der Verteidiger angaben, dies schon erlebt zu haben. Die Offenlegungspflicht wird von einem nicht unbeachtlichen Teil der Richter als überflüssiger Formalismus empfunden. Die Regelung zum sogenannten Negativattest (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO) bleibt in der Praxis oft unbeachtet. 54,4 % der befragten Richter gaben an, eine nicht erfolgte Verständigung für im Protokoll nicht erwähnenswert zu halten. 46,7 % der befragten Richter weisen entgegen § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO nicht in den Urteilsgründen auf eine dem Urteil vorausgegangene Verständigung hin. Sehr häufiger Inhalt von Absprachen ist die Einstellung beziehungsweise Beschränkung des Verfahrens nach §§ 154, 154a StPO; in diesem Zusammenhang wird auch die Einstellung anderer, nicht in die Anklage einbezogener Verfahren im Rahmen sogenannter „Gesamtlösungen“ immer wieder thematisiert. (Im Rahmen einer von G. Schöch durchgeführten anonymisierten empirischen Erhebung zur Absprachepraxis in München sind sogar „Familienlösungen“ bekanntgeworden, bei denen etwa der Mann eine höhere Freiheitsstrafe erhält und im Gegenzug die Frau eine Bewährungsstrafe, um zu Hause die Kinder versorgen zu können, oder die zukünftigen Strafen von Familienangehörigen in anderen Verfahren gleich mit abgesprochen werden [vgl. G. Schöch, Urteilsabsprachen in der Strafrechtspraxis, 2007, S. 147]). Teilweise werden ausweislich der Studie von Prof. Dr. Altenhain durch § 257c Abs. 2 StPO ausdrücklich ausgeschlossene Inhalte wie etwa der Schuldspruch in die Absprache aufgenommen. Während 61,7 % der Richter angaben, die Glaubhaftigkeit von im Anschluss an eine Absprache abgelegten Geständnissen immer zu überprüfen, räumten 38,3 % der Richter ein, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses nicht immer, sondern nur häufig, manchmal, selten oder nie zu überprüfen. 35,3 % der befragten Richter haben nach eigenem Bekunden dem Angeklagten oder seinem Verteidiger in Verständigungsgesprächen neben der Strafobergrenze beziehungsweise dem bestimmten Strafmaß für den Fall einer Kooperation schon einmal eine zweite Strafe für den Fall einer „streitigen“ Hauptverhandlung genannt, 16 % gaben an, typischerweise so vorzugehen. Die Einlegung eines Rechtsmittels nach einer Absprache ist sehr selten. Nach Auskunft von 27,4 % der Richter wurde sogar bei Verständigungen gemäß § 257c StPO - entgegen § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO - ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet. Von den Richtern gaben 14,7 % an, dass bei ihnen nach einer Absprache „immer“ auf Rechtsmittel verzichtet werde; bei 56,6 % geschah dies „häufig“ (Staatsanwälte: 5,6 % bzw. 64,8 %; Verteidiger: 5,6 % bzw. 76,1 %). Nicht weniger als 16,4 % der Richter und 30,9 % der Staatsanwälte erklärten, sich im Rahmen einer Absprache schon auf eine ihrer Ansicht nach zu milde Strafe eingelassen zu haben.

Demgegenüber haben sich von den Verteidigern 30,3 % nach eigener Auskunft schon auf eine ihrer Ansicht nach zu hohe Strafe im Wege der Absprache eingelassen. Der „Strafrabatt“ im Anschluss an ein absprachegemäß abgelegtes Geständnis liegt nach Angaben der Befragten zumeist zwischen 25 % und 33,3 % der wahrscheinlich zu erwartenden Strafe nach „streitiger“ Verhandlung. 

VI. 

Mit Beschlüssen vom 22. Mai 2012 und vom 21. Juni 2012 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats auf Antrag der sich zu dieser Zeit in Strafhaft befindenden Beschwerdeführer zu I. und II. die Vollstreckung aus den angegriffenen Urteilen des Landgerichts München II bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden, längstens für sechs Monate, einstweilen ausgesetzt. Mit Beschlüssen vom 22. Oktober 2012 und vom 5. Dezember 2012 hat der Senat auf Antrag der Beschwerdeführer zu I. und II. die einstweiligen Anordnungen wiederholt. 

VII. 

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat Prof. Dr. Altenhain zu dessen im Auftrag des Senats angefertigter empirischer Studie über die Praxis der Verständigung im Strafverfahren gehört, zu den Erfahrungen und Einschätzungen bei den Tat- und Revisionsgerichten den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, Generalbundesanwalt Range, Vorsitzenden Richter am Landgericht Marburg Dr. Paul, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hildesheim Pohl, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg Dr. Tully und Vorsitzenden Richter am Landgericht Freiburg im Breisgau i.R. Royen. Prof. Dr. Frisch, Direktor der Abteilung 1 des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hat sich zum Schuldprinzip und dessen Bedeutung für die Legitimation staatlichen Strafens im Rechtsstaat und die Erfüllung der freiheitssichernden Funktion des Strafrechts sowie zur Vereinbarkeit der Verständigungspraxis und des § 257c StPO mit dem Schuldprinzip geäußert. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sowie Vertreter der Bundesregierung, des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer haben ihren schriftlichen Vortrag ergänzt und vertieft. Zur Verfassungsmäßigkeit von Verständigungen im Strafprozess hat ferner ein Vertreter der Neuen Richtervereinigung Stellung genommen. 

B. 

Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit sie sich gegen die angegriffenen Entscheidungen richten; im Übrigen haben sie keinen Erfolg. 

I. 

1. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz (BVerfGE 123, 267 <413>), der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht. Der Schuldgrundsatz hat Verfassungsrang; er ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert (vgl. BVerfGE 45, 187 <259 f.>; 86, 288 <313>; 95, 96 <140>; 120, 224 <253 f.>; 130, 1 <26>). 
a) Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Willensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 123, 267 <413>). Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmt Art. 1 Abs. 1 GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne (vgl. BVerfGE 95, 96 <140>) sowie den Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 80, 367 <378>; 90, 145 <173>; 123, 267 <413>). Die Strafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>; 110, 1 <13>). Eine solche strafrechtliche Reaktion wäre ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>). 

b) Das Rechtsstaatsprinzip ist eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes (BVerfGE 20, 323 <331>). Es sichert den Gebrauch der Freiheitsrechte, indem es Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt (BVerfGE 95, 96 <130>). Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 7, 89 <92>; 7, 194 <196>; 45, 187 <246>; 74, 129 <152>; 122, 248 <272>) und schließt den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate ein (vgl. BVerfGE 84, 90 <121>). Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen auch im Schuldgrundsatz aufgenommen (BVerfGE 95, 96 <130 f.>). Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <286>; 27, 18 <29>; 50, 205 <214 f.>; 120, 224 <241>; stRspr). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 5 <12>; 73, 206 <253>; 86, 288 <313>; 96, 245 <249>; 109, 133 <171>; 110, 1 <13>; 120, 224 <254>). In diesem Sinne hat die Strafe die Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BVerfGE 45, 187 <253 f.>; 109, 133 <173>; 120, 224 <253 f.>). 

2. Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244 <255>; 95, 96 <140>), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 118, 212 <231>; 122, 248 <270>; 130, 1 <26>). Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <371>). 

a) Der Staat ist von Verfassungs wegen gehalten, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272>; 130, 1 <26>). Der Schutz elementarer Rechtsgüter durch Strafrecht und seine Durchsetzung im Verfahren sind Verfassungsaufgaben (vgl. BVerfGE 107, 104 <118 f.>; 113, 29 <54>). Das erfordert, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten, also schuldangemessenen Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; 129, 208 <260>). Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren und die Vollstreckung rechtskräftig erkannter (Freiheits-)Strafen sicherzustellen. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, und der Anspruch aller in Strafverfahren Beschuldigten auf Gleichbehandlung erfordern grundsätzlich, dass der Strafanspruch durchgesetzt, also auch eingeleitete Verfahren fortgesetzt und rechtskräftig verhängte Strafen vollstreckt werden (BVerfGE 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>). 

b) Bei alledem darf der Beschuldigte im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Strafverfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 65, 171 <174 f.>; 66, 313 <318>). 

aa) Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 122, 248 <271 f.>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Strafverfahren - unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ (vgl. BVerfGE 110, 226 <253>) - in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in jeder Beziehung ausgeglichen werden müssten (vgl. BVerfGE 63, 45 <67>; 63, 380 <392 f.>; 122, 248 <272>); vielmehr sind angesichts der besonderen, zur Objektivität verpflichtenden Stellung der Staatsanwaltschaft Differenzierungen möglich. Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 64, 135 <145 f.>; 122, 248 <272>). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 <250>; 80, 367 <375>; 122, 248 <272>). Verfahrensgestaltungen, die den Erfordernissen einer wirksamen Strafrechtspflege dienen, verletzen daher nicht schon dann den grundrechtlichen Anspruch auf ein faires Strafverfahren, wenn verfahrensrechtliche Positionen des Angeklagten oder Beschuldigten dabei eine Zurücksetzung zugunsten einer wirksameren Strafrechtspflege erfahren (BVerfGE 122, 248 <273>). Das Beschleunigungsgebot ist bei der Konkretisierung des Rechts auf ein faires Verfahren ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 41, 246 <250>; 63, 45 <68 f.>; 122, 248 <273>), denn unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 88, 118 <124>; 93, 1 <13>) und die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage, sondern beeinträchtigen, da die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann, auch die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. BVerfGE 57, 250 <280>; 122, 248 <273>; 130, 1 <27>). 

bb) Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>). Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>; 110, 1 <31>). Er umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 56, 37 <49>; 109, 279 <324>). Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfGE 38, 105 <113>; 56, 37 <43>). Dies setzt voraus, dass er über seine Aussagefreiheit in Kenntnis gesetzt wird. 

cc) Die Unschuldsvermutung hat als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ebenfalls Verfassungsrang (BVerfGE 74, 358 <371>). Sie verbietet zum einen, im konkreten Strafverfahren ohne prozessordnungsgemäßen - nicht notwendiger Weise rechtskräftigen - Schuldnachweis Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln; zum anderen verlangt sie den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>). Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips enthält die Unschuldsvermutung - wie auch das Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren - allerdings keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote; ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dies ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers (BVerfGE 74, 358 <371 f.>; vgl. auch BVerfGE 7, 89 <92 f.>; 57, 250 <275 f.>; 65, 283 <291>). 

3. Das Grundgesetz gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 21, 139 <145 f.>; 23, 321 <325>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>). Neben der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs.1 und 2 GG) ist es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung im Sinne des Grundgesetzes, dass die richterliche Tätigkeit von einem „nicht beteiligten Dritten“ ausgeübt wird (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 4, 331 <346>; 21, 139 <145>; 27, 312 <322>; 48, 300 <316>; 87, 68 <85>; 103, 111 <140>). Diese Vorstellung von neutraler Amtsführung ist mit den Begriffen „Richter“ und „Gericht“ untrennbar verknüpft (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 60, 175 <214>; 103, 111 <140>). Die richterliche Tätigkeit erfordert daher unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten (BVerfGE 21, 139 <146>; 103, 111 <140>). Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt deshalb nicht nur einen Anspruch auf den sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergebenden Richter (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>), sondern garantiert auch, dass der Betroffene nicht vor einem Richter steht, der aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt (BVerfGE 21, 139 <146>; 89, 28 <36>). Dieses Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 37, 57 <65>). 

4. Das im Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Freiheitsrecht verankerte Recht auf ein faires Strafverfahren umfasst das Recht des Beschuldigten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfGE 66, 313 <318 f.>; 110, 226 <253>). Wenngleich das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote enthält, sondern der Konkretisierung durch den Gesetzgeber je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, untersagt es jedenfalls eine Ausgestaltung des Strafverfahrens, bei der rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind (BVerfGE 57, 250 <276>; 122, 248 <272>). Angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zukommt (vgl. BVerfGE 110, 226 <254>), verbietet es sich, im Strafprozess Verfahrensweisen vorzusehen, die - etwa aufgrund der Schaffung sachwidriger Anreize - erwarten lassen, dass dieses Vertrauen unterlaufen und damit das Recht auf eine effektive Verteidigung entwertet wird. 

II. 

Nach diesen Maßstäben kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat Verständigungen im Strafprozess lediglich in einem begrenzten Rahmen zugelassen und sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die bei der gebotenen präzisierenden Auslegung und Anwendung erwarten lassen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Strafprozesses erfüllt werden (1. und 2.). Eine das Verständigungsgesetz in nicht unerheblichem Umfang vernachlässigende Praxis belegt derzeit noch kein verfassungsrechtlich relevantes Regelungsdefizit (3.). Der Gesetzgeber ist allerdings gehalten, die Wirksamkeit der zur Wahrung eines verfassungskonformen Strafverfahrens vorgesehenen Vorkehrungen zu beobachten und erforderlichenfalls erneut über die Zulässigkeit sowie die Bedingungen von Verständigungen zu entscheiden (4.). 

1. Das Verständigungsgesetz statuiert nach dem in seinem Wortlaut und Normgefüge zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers (a) kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell. Vielmehr integriert es die von ihm zugelassene Verständigung mit dem Ziel in das geltende Strafprozessrechtssystem, weiterhin ein der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass eine Verständigung als solche niemals alleinige Urteilsgrundlage sein kann, sondern das Gericht weiterhin an die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Amtsaufklärungspflicht gebunden ist und die rechtliche Würdigung nicht der Disposition der Beteiligten an einer Verständigung unterliegt (b). Das Verständigungsgesetz regelt die Zulässigkeit einer Verständigung im Strafverfahren abschließend; es untersagt damit die beschönigend als „informell“ bezeichneten Vorgehensweisen bei einer Verständigung (c). Der Gesetzgeber hat sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die eine vollständige Transparenz und Dokumentation des zu einer Verständigung führenden Geschehens sicherstellen und so die vom Gesetzgeber als erforderlich bewertete vollumfängliche Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht ermöglichen sollen (d). Schließlich gewährleistet das Gesetz über eine Einschränkung der Bindungswirkung einer Verständigung die Neutralität des Gerichts und sieht mit der Pflicht zur Belehrung des Angeklagten über diese Einschränkung eine dessen Belangen dienende Sicherung vor (e). 

a) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. BVerfGE 1, 299 <312>; 11, 126 <130 f.>; 105, 135 <157>; stRspr). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. BVerfGE 11, 126 <130>; 105, 135 <157>). Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf (vgl. BVerfGE 122, 248 <283> - abw. M.). Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>). In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (vgl. BVerfGE 78, 20 <24> m.w.N.). Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fern liegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen (vgl. BVerfGE 122, 248 <284> - abw. M.).  

b) Der Gesetzgeber hat eine gesetzliche Regelung der Verständigung im Strafverfahren als notwendig erachtet, weil das in der Praxis entstandene und dort bedeutsame, aber stets umstritten gebliebene Institut der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung dringend klarer gesetzlicher Vorgaben bedürfe. Dabei war dem Gesetzgeber bewusst, dass sich auf das Urteil bezogene Verständigungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten nicht ohne Weiteres mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Strafverfahren, insbesondere hinsichtlich der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Schuldangemessenheit der Strafe und der Verfahrensfairness, würden in Einklang bringen lassen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1). Dementsprechend war es ausdrücklich sein zentrales Ziel, die Verständigung in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdenden Weise in das geltende Strafverfahrensrecht zu integrieren, ohne die den Strafprozess dominierenden Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung anzutasten. Die Auslegung und Anwendung des Verständigungsgesetzes hat sich zuvörderst an diesem gesetzgeberischen Konzept zu orientieren. Das gilt auch für das Bundesverfassungsgericht, das dann, wenn eine präzisierende Auslegung eines Gesetzes möglich ist, diese seiner Prüfung zugrunde zu legen hat (vgl. zur Bestimmtheit von Strafnormen BVerfGE 126, 170 <196 f.>; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 - 1 BvR 1509/10 -). Der Gesetzgeber wollte zwar eine offene, kommunikative Verhandlungsführung des Gerichts stärken, aber gerade kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell einführen. Vielmehr war es sein erklärtes Regelungsziel, weiterhin ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist (vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.), weshalb auch in der Verständigungssituation das Maß der Schuldangemessenheit weder über- noch unterschritten werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <594>, und vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 44). Um diese Aufgabenstellung zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber nicht nur den zulässigen Inhalt von Verständigungen und das Verständigungsverfahren „umfassend“ normieren wollen, sondern einen Schwerpunkt seines Regelungskonzepts in der Herstellung von Transparenz, Öffentlichkeit und einer vollständigen Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens gesehen, die wiederum die von ihm als erforderlich bewertete „vollumfängliche“ Rechtsmittelkontrolle ermöglichen und wirksam ausgestalten soll (vgl. nur Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f., 12, 15, sowie Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Das Verlangen nach umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens kennzeichnet die gesetzliche Regelung insgesamt (ebenso BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11 -, NStZ 2012, S. 347 <348>, und Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 349/11 -, StV 2012, S. 649 <652>). Hiernach muss sich eine Verständigung unter allen Umständen „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (BTDrucks 16/12310, S. 12). 

aa) Als Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Möglichkeiten einer Verständigung in das geltende Strafprozessrechtssystem zu integrieren, ist vor allem die Klarstellung des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zu verstehen, die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bleibe „unberührt“. Der Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO ist eindeutig; die Norm schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Damit wird hervorgehoben, dass eine Verständigung niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die - ausreichend fundierte - Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13). Dem Gesetzgeber waren die Besonderheiten des aufgrund einer Verständigung abgegebenen Geständnisses, insbesondere dessen erhöhte Fehleranfälligkeit infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wie auch sein Verteidiger befinden können, und demzufolge die Gefahr von „Falschgeständnissen“, bewusst, und er hat deshalb die Geltung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO ausdrücklich klargestellt. Dementsprechend bleibt das nach § 244 Abs. 2 StPO erforderliche Maß an Beweiserhebung stets insoweit unberührt, als ein wirksamer Verzicht auf (weitere) Beweisanträge und Beweiserhebungen sich nicht außerhalb dessen bewegen kann, was durch die unverändert geltende Sachaufklärungspflicht des Gerichtes bestimmt ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; siehe auch BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11 -, StV 2012, S. 653 <654>; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11 -, juris, Rn. 5). 

Die Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, nach der die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist, baut auf der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO auf und bestätigt die dargelegte Grundentscheidung des Gesetzgebers. Entsprechendes gilt für das die Zulässigkeit von Verständigungen nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPObeschränkende Kriterium der „geeigneten Fälle“, mit dem der Gesetzgeber nicht nur die Anwendung der Verständigung im Jugendstrafverfahren mit Blick auf den dieses beherrschenden Erziehungsgedanken einschränken, sondern vor allem auch sicherstellen wollte, dass das Gericht nicht vorschnell auf eine Verständigung ausweicht, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich und rechtlich überprüft zu haben (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 10, 13; siehe auch BGHSt 50, 40 <49>, sowie BGH, Beschlüsse vom 20. April 2004 - 5 StR 11/04 -, juris, Rn. 14 ff., und vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03 -, juris, Rn. 13 ff.). 

Aufgrund des klarstellenden Hinweises auf § 244 Abs. 2 StPO durch § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO bedurfte es auch keiner zusätzlichen ausdrücklichen Festlegung der an ein Geständnis zu stellenden „Qualitätsanforderungen“. Vielmehr genügt dieser Hinweis, um einerseits zu verdeutlichen, dass auch in der Verständigungssituation ein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis - vor allem, wenn die Beantwortung von Fragen zum Sachverhalt verweigert wird - oder gar die nicht einmal ein Geständnis darstellende schlichte Erklärung, der Anklage nicht entgegenzutreten, allein keine taugliche Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein können. Andererseits hat es der Gesetzgeber damit den Gerichten ermöglicht, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. 

Vor dem Hintergrund des Regelungsziels, die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts und der richterlichen Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen, kann § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zudem nur so verstanden werden, dass das verständigungsbasierte Geständnis zwingend auf seine Richtigkeit zu überprüfen ist. Diese Überprüfung hat sich - unter zusätzlicher Berücksichtigung des Grundanliegens des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen - durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO) zu vollziehen. Freilich kann dies nicht bedeuten, dass die Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses strengeren Anforderungen unterliegt als sie an eine Beweisaufnahme in der nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung nach Abgabe eines Geständnisses zu stellen wären; so bleiben etwa Vorhalte oder das Selbstleseverfahren nach den allgemeinen Regeln möglich. Es genügt jedoch nicht, das verständigungsbasierte Geständnis durch einen bloßen Abgleich mit der Aktenlage zu überprüfen (anders noch BGHSt 50, 40 <49>, in diese Richtung auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387 f.>), da dies keine hinreichende Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) darstellt und mit einem solchen Verständnis dem Transparenzanliegen des Verständigungsgesetzes und der Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile gerade nicht Rechnung getragen werden könnte. 

Dieses Verständnis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass hiernach der Raum für Verständigungen - insbesondere mit Blick auf das Ausmaß der ermöglichten Verfahrensabkürzung - spürbar eingeengt wird. Diese Wirkung ist nicht etwa Ausdruck einer unauflösbaren inneren Widersprüchlichkeit der Norm, sondern achtet das ausdrückliche Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung mit den Grundsätzen der Amtsaufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO und der richterlichen Überzeugungsbildung in Einklang zu bringen. Die Beschränkung des praktischen Anwendungsbereichs von Verständigungen ist die zwangsläufige Konsequenz der Einfügung von Verständigungsmöglichkeiten in das System des geltenden Strafprozessrechts. 

bb) Nach dem Regelungsziel des Gesetzgebers, weiterhin ein der Wahrheitserforschung und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen, bleiben nicht nur die tatsächlichen Feststellungen, sondern auch deren rechtliche Würdigung der Disposition der an einer Verständigung Beteiligten entzogen (ebenso BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 -, juris, Rn. 16). Unmittelbaren Ausdruck findet das gesetzliche Regelungsanliegen in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO, der den zulässigen Gegenstand von Verständigungen ausdrücklich auf die „Rechtsfolgen“ beschränkt, ferner in dem von § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO ausgesprochenen Verbot einer Verständigung über den Schuldspruch und dem Wegfall der Bindungswirkung einer Verständigung unter den Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO

Aus § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO folgt unter Berücksichtigung der Systematik und von Sinn und Zweck des gesetzlichen Regelungskonzepts insbesondere, dass eine Strafrahmenverschiebung nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich auf Sonderstrafrahmen für besonders schwere oder minder schwere Fälle im Vergleich zum Regelstrafrahmen bezieht. Zwar handelt es sich bei diesen Sonderstrafrahmen nach herrschender Meinung (vgl. BGHSt 23, 254 <256>; 26, 104 <105>; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 38 ff., Rn. 47; Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor §§ 46 ff. Rn. 18) um gesetzliche Strafzumessungsregeln, die mit Ausnahme von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht in den Urteilstenor aufzunehmen sind. Allerdings weist die Regelungstechnik der besonders schweren und minder schweren Fälle eine spezifische Nähe zu Qualifikations- und Privilegierungstatbeständen auf. Wesentliche Unterschiede zwischen diesen Regelungsbereichen sind im Hinblick auf die Schuldangemessenheit des Strafens nicht zu erkennen. So werden die Regelbeispiele besonders schwerer Fälle als „tatbestandsähnlich“ angesehen (vgl. BGHSt 33, 370 <374>; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1997 - 5 StR 328/97 -, NStZ 1998, S. 91 <92>; Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00 -, NStZ 2001, S. 642 <643>; Beschluss vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10 -, NStZ 2011, S. 167). Die Regelungstechnik unterfällt auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 45, 363 <371>) sowie dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2004 - 3 StR 113/04-, NStZ-RR 2004, S. 262, und vom 20. Juli 2004 - 3 StR 231/04 -, NStZ-RR 2005, S. 373 <374>). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Fall besonders schwer, wenn er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (vgl. BGHSt 28, 318, <319 f.>; BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - 3 StR 145/91 -, NStZ 1991, S. 529 <530>); für das Vorliegen eines minder schweren Falls ist zu prüfen, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, dass die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2000 - 5 StR 349/00 -, NJW 2000, S. 3580; Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02 -, NJW 2003, S. 1679 <1680>; Beschluss vom 26. August 2008 - 3 StR 316/08 -, NStZ 2009, S. 37). Auch die Sonderstrafrahmen sind daher - wie jeder Strafrahmen - Ausdruck des Unwert- und Schuldgehalts, den der Gesetzgeber einem unter Strafe gestellten Verhalten beigemessen hat. Mit der Normierung von Sonderstrafrahmen bringt der Gesetzgeber - nicht anders als bei Qualifikationen und Privilegierungen - zum Ausdruck, innerhalb eines Deliktstypus eine Differenzierung schon auf der Ebene der Strafrahmenwahl für geboten zu erachten. Bei umfassender Würdigung des dem Verständigungsgesetz zugrundeliegenden Regelungskonzepts kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe diese Bewertung für den Fall einer Verständigung aufgeben und den Begriff der „Rechtsfolge“ in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO auch auf Strafrahmenverschiebungen ausdehnen wollen. 
c) Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sogenannte informelle Absprachen sind unzulässig. 

aa) Bereits aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO, der Verständigungen nur „nach Maßgabe der folgenden Absätze“ zulässt, folgt, dass jegliche sonstigen „informellen“ Absprachen, Vereinbarungen und „Gentlemen‘s Agreements“ untersagt sind. Damit wird das Ziel der gesetzlichen Regelung, der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung durch ein „umfassendes und differenziertes Regelungskonzept“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 7 f., 9) klare Vorgaben zu setzen, verwirklicht. Hätte die Regelung keinen abschließenden Charakter, könnten die vom Gesetzgeber als erforderlich erachteten flankierenden Vorschriften, die Transparenz und Öffentlichkeit des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens sichern, die ihnen zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle von Verständigungen zugedachte Funktion von vornherein nicht wirksam erfüllen. Hierin liegt aber gerade ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers. So ist im Gesetzgebungsverfahren die in der Stellungnahme des Bundesrats kritisierte Regelung des sogenannten „Negativattests“ in § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO mit dem Argument verteidigt worden, dass mit ihrer Streichung „eine wichtige Regelung entfiele, die dazu dienen soll, mit höchst möglicher Gewissheit und in der Revision überprüfbar das Geschehen in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass ‚stillschweigend‘ und ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten eine Verständigung stattgefunden hat“ (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Schließlich findet sich in dem Anliegen, eine „vollumfängliche“ Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht zu gewährleisten, eine Bestätigung des abschließenden Charakters des gesetzlichen Regelungskonzepts. Diese Kontrolle soll nämlich gerade „einen unterstützenden Beitrag dazu leisten, dass Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). 

In Anbetracht der strikten Bindung jeglicher Ausübung hoheitlicher Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) bedurfte die Absicht des Gesetzgebers, nur solche Verständigungen zuzulassen, die sich innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens bewegen, keiner weiteren ausdrücklichen Hervorhebung. 

bb) Aus dem gesetzlichen Regelungskonzept zum Inhalt, zum Zustandekommen und zu den Folgen einer Verständigung folgt unter anderem, dass ein wirksamer Rechtsmittelverzicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich die Beteiligten unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften verständigt haben (vgl. dazu bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. März 2012 - 2 BvR 1464/11 -, juris, Rn. 21 ff.; ebenso etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 <2630>; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <393>). Eine solche Verständigung unterliegt zudem der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO. Sollte in letzterem Fall ein Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erteilt werden, wäre dieses falsch und könnte den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) erfüllen. 

cc) Ebenso wenig können etwaige Zusagen der Staatsanwaltschaft, andere bei ihr anhängige Ermittlungsverfahren - etwa nach § 154 Abs. 1 StPO - einzustellen, eine Bindungswirkung oder ein schutzwürdiges Vertrauen auslösen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; anders noch zur Rechtslage vor dem Verständigungsgesetz BGHSt 37, 10 <13 f.>). Aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 und 2 StPO folgt, dass sich Verständigungen ausschließlich auf das „zugrundeliegende Erkenntnisverfahren“ beziehen dürfen, also sogenannte „Gesamtlösungen“ unter Einbeziehung anderer Verfahren und nicht in der Kompetenz des Gerichts liegende Zusagen unzulässig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10 -, wistra 2011, S. 28; siehe auch Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 34; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387>). Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen. Bei Einbeziehung anderer, nicht den Gegenstand der Hauptverhandlung bildender Verfahren ist insoweit eine wirksame Kontrolle der Verständigung - insbesondere durch die Öffentlichkeit - nicht gewährleistet. 

d) Einen Schwerpunkt des Regelungskonzeptes des Verständigungsgesetzes bildet die Gewährleistung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als „erforderlich“ bewerteten Transparenz und Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens als Voraussetzung einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.). Zur Erreichung dieses Ziels hat der Gesetzgeber spezifische, das Regelungskonzept prägende Schutzmechanismen vorgesehen. 

aa) In der Konzeption des Gesetzgebers kommt der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung eine zentrale Bedeutung zu. Mit dem Gebot, die mit einer Verständigung verbundenen Vorgänge umfassend in die Hauptverhandlung einzubeziehen, gewährleistet der Gesetzgeber nicht nur vollständige Transparenz; er legt zugleich besonderes Gewicht auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und bekräftigt damit, dass auch im Fall der Verständigung der Inbegriff der Hauptverhandlung die Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung bleibt (§ 261 StPO). 
(1) (a) Dem Gesetzgeber kam es maßgeblich darauf an, die Transparenz der strafgerichtlichen Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gerade im Falle einer Verständigung zu bewahren; die Verständigung müsse sich „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 12). Dementsprechend hat das Verständigungsgesetz umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten mit Bezug auf die Hauptverhandlung statuiert. Sie zielen darauf, nicht nur die Verständigung selbst, also den formalen Verständigungsakt des § 257c Abs. 3 StPO, sondern darüber hinausgehend auch die zu einer Verständigung führenden Vorgespräche in die Hauptverhandlung einzuführen. Zwar ist nach der Begründung des Regierungsentwurfs die „Vorbereitung“ einer Verständigung auch außerhalb der Hauptverhandlung möglich. Gegenstand einer Erörterung im Vorfeld der Hauptverhandlung kann es danach auch sein, Möglichkeit und Umstände einer Verständigung zu besprechen (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9, 12). Für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung verlangt § 243 Abs. 4 StPO eine Mitteilung deren „wesentlichen Inhalts“. Diese Mitteilung ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren. Demgegenüber sind hinsichtlich der Verständigung selbst gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Die Protokollierungspflicht hinsichtlich der Verständigung geht also über die Protokollierung der nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschriebenen Mitteilung hinaus. Dem liegt zugrunde, dass die Verständigung als solche nach § 257c Abs. 1 StPO nur in der Hauptverhandlung erfolgen kann. Die im Vergleich zur Verständigung selbst reduzierte Pflicht zur Dokumentation der Gespräche zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2, § 243 Abs. 4 StPO fügt sich in das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept der Stärkung der Transparenz und Dokumentation ein, weil die Verständigung selbst erst in der Hauptverhandlung stattfinden kann und § 273 Abs. 1a Satz 1 StPOdie Dokumentation der wesentlichen Abläufe, des Inhalts und des Ergebnisses dieser Verständigung gebietet. Alle wesentlichen Elemente einer Verständigung, zu denen angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Konzepts auch außerhalb der Hauptverhandlung geführte Vorgespräche zählen, sind zum Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung zu machen und unterliegen der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO

(b) Hinsichtlich des Inhalts möglicher Erörterungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten und der dabei bestehenden Transparenz- und Dokumentationspflichten ist zu unterscheiden: 

(aa) Möglich sind Gespräche, die ausschließlich der Organisation sowie der verfahrenstechnischen Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung dienen, etwa die Abstimmung der Verhandlungstermine. Mangels eines Bezugs auf das Verfahrensergebnis sind diese Gespräche dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen. Sie unterliegen deshalb nicht der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO

(bb) In Betracht kommen weiterhin Gespräche, die als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können und über deren wesentlichen Inhalt deshalb nach § 243 Abs. 4 StPO in der Hauptverhandlung zu informieren ist. Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 12) einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt. Im Zweifel wird in der Hauptverhandlung zu informieren sein. Zum mitzuteilenden Inhalt solcher Erörterungen gehört, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, juris; siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a; Altenhain/Haimerl, JZ 2010, S. 327 <336>; Schlothauer/Weider, StV 2009, S. 600 <603>). Fehlt im Hauptverhandlungsprotokoll der nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vorgeschriebene Hinweis auf eine Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO, ergibt sich daraus lediglich, dass eine solche Mitteilung in der Hauptverhandlung unterblieben ist, nicht aber, dass es keine Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung gegeben hat, weil diese Tatsache nicht von der negativen Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) umfasst ist (a.A. ohne nähere Begründung Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a a.E.). 

(cc) Die Verständigung selbst hat zwingend in der Hauptverhandlung stattzufinden, wo die vom Gesetzgeber verlangte Protokollierung nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO und damit eine Voraussetzung vollumfänglicher Kontrolle gewährleistet ist. Zum „wesentlichen Ablauf und Inhalt“ im Sinne dieser Norm gehört nach Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht insbesondere, wer die Anregung zu den Gesprächen gab und welchen Inhalt die einzelnen „Diskussionsbeiträge“ aller Verfahrensbeteiligten sowie der Richter hatten, insbesondere von welchem Sachverhalt sie hierbei ausgingen und welche Ergebnisvorstellungen sie äußerten (vgl. Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 71). 

(2) Darüber hinaus folgt aus dem Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung in das Licht der öffentlichen Hauptverhandlung zu stellen, dass er der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit besondere Bedeutung beigemessen hat. 

Der in § 169 GVG niedergelegte Öffentlichkeitsgrundsatz soll eine Kontrolle der Justiz durch die am Verfahren nicht beteiligte Öffentlichkeit ermöglichen und ist Ausdruck der demokratischen Idee. Die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz, die historisch als unverzichtbares Institut zur Verhinderung obrigkeitlicher Willkür eingeführt wurde (vgl. zum Ganzen Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff. m.w.N.), erhält als demokratisches Gebot durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verständigungen zusätzliches Gewicht. Dem hat der Gesetzgeber durch die Mitteilungspflicht in § 243 Abs. 4 StPO Rechnung getragen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 12). 
Die Öffentlichkeit kann ihre Kontrollfunktion nur ausüben, wenn sie die Informationen erhält, die zur Beurteilung der Angemessenheit einer etwaigen Verständigung erforderlich sind. Nur so bleibt der gerichtliche Entscheidungsprozess transparent und die Rechtsprechung auch in Verständigungsfällen für die Allgemeinheit durchschaubar. Dies ist notwendig, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit des Staates, mittels einer wirksamen Strafverfolgung öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten (vgl. zu dieser Aufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff.) und Gerechtigkeit im Einzelfall sowie eine gleichmäßige Behandlung aller zu garantieren, uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. 

(3) Die Einbeziehung des zu einer Verständigung führenden Geschehens in die öffentliche Hauptverhandlung hat auch die Aufgabe, deren Funktion als alleinige Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung zu wahren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Funktion der öffentlichen Hauptverhandlung unberührt bleiben. In den Materialien wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Überzeugung des Gerichts von dem festzustellenden Sachverhalt stets erforderlich bleibt und eine Verständigung als solche niemals die Grundlage eines Urteils bilden kann (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 13). Das Gericht bildet sich seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO). Dieser Grundsatz ist nicht zuletzt im Hinblick auf die während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter ausübenden Schöffen (§§ 30, 77 Abs. 1 GVG) von Bedeutung. Da aus § 257c Abs. 4 StPO folgt, dass der Gesetzgeber der Verständigung eine - wenn auch nur eingeschränkte - Bindungswirkung für das Gericht beigemessen hat, musste er zugleich gewährleisten, dass die Schöffen in das zu einer Verständigung führende Geschehen, soweit es in der Hauptverhandlung stattfindet, unmittelbar eingebunden und im Übrigen nach § 243 Abs. 4 StPO umfassend über dieses unterrichtet sind. Anderenfalls wäre ihnen eine verantwortbare Entscheidung über die Verständigung - insbesondere die damit verbundene Zusage einer Strafobergrenze und Ankündigung einer Strafuntergrenze - und über den Inhalt des nach einer Verständigung oder nach dem Scheitern von Verständigungsbemühungen ergehenden Urteils nicht möglich. Dementsprechend ermöglicht § 257c StPO es ausschließlich „dem Gericht“ - nicht nur dem Vorsitzenden oder nur den Berufsrichtern -, eine Verständigung mit den Verfahrensbeteiligten herbeizuführen. Damit ist es ausgeschlossen, dass ohne eine Beteiligung der Schöffen Strafgrenzen mit der Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 StPO in Aussicht gestellt werden. 

bb) Mit dem Erfordernis ihrer Zustimmung zu einer Verständigung weist der Gesetzgeber der Staatsanwaltschaft eine aktive Rolle bei der Verwirklichung seines Ziels zu, eine wirksame Kontrolle von Verständigungen zu gewährleisten. 

Ihr ist die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe; als Vertreterin der Anklage gewährleistet sie eine effektive Strafrechtspflege (vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einl. J Rn. 42). Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren fort (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO). Ihren Niederschlag hat diese Stellung der Staatsanwaltschaft in den Bestimmungen der Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 147 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gefunden. 

In der Verständigungssituation kommt der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft herausgehobene Bedeutung zu, weil sich Angeklagter und Gericht hinsichtlich des möglichen Verfahrensergebnisses einer - wenngleich eingeschränkten - Bindung unterwerfen. Die Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Verständigung hat damit vor allem den Zweck, deren Gesetzmäßigkeit zu sichern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23 f.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 -, StV 2011, S. 645 f.; BGH, Urteil vom 9. November 2011 - 1 StR 302/11 -, juris, Rn. 45). Dem Verständigungsgesetz liegt die Erwartung zugrunde, dass die Staatsanwaltschaft - entsprechend ihrer Rolle als „Wächter des Gesetzes“ (vgl. hierzu Promemoria der Staats- und Justiz-Minister von Savigny und Uhden über die Einführung der Staats-Anwaltschaft im Kriminal-Prozesse vom 23. März 1846, abgedruckt bei Otto, Die Preußische Staatsanwaltschaft, 1899, S. 40 ff.) - sich gesetzwidrigen Vorgehensweisen im Zusammenhang mit Verständigungen verweigert. Weisungsgebundenheit und Berichtspflichten ermöglichen es, einheitliche Standards für die Erteilung der Zustimmung zu Verständigungen sowie für die Ausübung der Rechtsmittelbefugnis aufzustellen und durchzusetzen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht nur gehalten, ihre Zustimmung zu einer gesetzwidrigen Verständigung zu versagen. Sie hat darüber hinaus gegen Urteile, die - beispielsweise von der Staatsanwaltschaft zunächst unerkannt - auf solchen Verständigungen beruhen, Rechtsmittel einzulegen. In Anbetracht der hohen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess auch in Verständigungsfällen beigemessen hat, werden Verstöße gegen die Vorgaben des Verständigungsgesetzes in der Regel von wesentlicher Bedeutung (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) und deshalb durch die Staatsanwaltschaft einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen sein. Auch kann es angezeigt sein, dass sich die Generalstaatsanwaltschaften dieser Aufgabe in besonderer Weise annehmen. 

cc) Schließlich verfolgen die in dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgesehenen Schutzmechanismen das Ziel, eine wirksame „vollumfängliche“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen. 

(1) Diese Kontrolle soll dazu beitragen, dass „Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). Hiernach verzichtete der Gesetzgeber darauf, nach vorangegangener Verständigung Rechtsmittel auszuschließen oder einzuschränken, um die Verständigung in einer insbesondere mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens und der daraus folgenden Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit in Einklang stehenden Weise in das geltende Strafverfahren integrieren zu können (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1 f., 8 f.; siehe auch Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 12). Mit dieser Zielsetzung grenzt sich das Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes ausdrücklich von dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren (BTDrucks 16/4197) ab, der die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen ein verständigungsbasiertes Urteil durch einen Ausschluss der Berufung sowie eine Beschränkung der Revision auf im Zusammenhang mit der Verständigung stehende Verfahrensfehler und die Revisionsgründe des § 338 StPO wesentlich einschränken wollte (vgl. Gesetzentwurf und Begründung des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 5 f., 7, 11 sowie die Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrucks 16/4197, S. 12). Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Möglichkeit eines Rechtsmittelverzichts nach gesonderter qualifizierter Belehrung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages verworfen, um sicherzustellen, dass sich die Berechtigten in Ruhe und ohne Druck überlegen können, ob sie Rechtsmittel einlegen wollen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 6, 15 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 16/13095, S. 7, 10). In bewusster Abkehr von den Entwürfen schränkt das Verständigungsgesetz die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen verständigungsbasierte Urteile nicht ein, sondern schließt - über die dem Regelungskonzept weitgehend zugrundeliegende Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 50, 40 ff.) hinausgehend - einen Rechtsmittelverzicht nach einer Verständigung generell aus (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) und sichert die Ermöglichung einer Rechtsmittelkontrolle durch das Erfordernis einer qualifizierten Belehrung noch zusätzlich ab. 

(2) Die Wirksamkeit der Kontrolle soll durch umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten sichergestellt werden. Diese Schutzmechanismen können nicht als bloße Ordnungsvorschriften verstanden werden. Die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung sowie eine vollständige Dokumentation im Verhandlungsprotokoll voraus. Dementsprechend kommt im Wortlaut der Normen, in der Systematik des Regelungskonzepts und in den Materialien unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der Transparenz- und Dokumentationspflichten für zulässig hält. Das gesetzliche Regelungskonzept ist damit als eine untrennbare Einheit aus Zulassung und inhaltlicher Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten zu begreifen. Dabei dienen die Verfahrensnormen in gleicher Weise wie die den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften und der Verweis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 244 Abs. 2 StPO dem Ziel, die mit einer urteilsbezogenen Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten verbundenen Risiken für die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess zu minimieren. Die Vorschriften zur Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung, zu dessen Dokumentation und zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle auch durch das Rechtsmittelgericht zählen zum Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts. 

(3) Ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten führt deshalb grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung. Hält sich das Gericht an eine solche gesetzwidrige Verständigung, wird ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen sein, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist. Diese Auslegung entspricht der Funktion dieser Vorschriften im Konzept des Verständigungsgesetzes. Dass Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden sind, steht einer Auslegung des § 337 Abs. 1 StPO nicht entgegen, derzufolge das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten - die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade zum Kern des dem Verständigungsgesetz zugrunde liegenden Schutzkonzepts gehören - nur in besonderen Ausnahmefällen wird ausschließen können (vgl. zur Verletzung von § 258 Abs. 2 und 3 StPOBGHSt 21, 288<290>; 22, 278 <280 f.>). 

(4) Kommt eine Verständigung nicht zustande und fehlt es an der gebotenen Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, wistra 2011, S. 72 f. = StV 2011, S. 72 f.) oder dem vorgeschriebenen Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, wird nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Schutzkonzepts ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 257c StPO grundsätzlich ebenfalls nicht auszuschließen sein (str., im Ergebnis wie hier Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <100>; Schlothauer, StV 2011, S. 205 <206>; in der Tendenz auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <390>; anders BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <593> zu § 243 Abs. 4 StPO), sofern nicht ausnahmsweise zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 32 Ss 87/11 -, juris, Rn. 11, 13). Bei einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten wird sich nämlich in den meisten Fällen nicht sicher ausschließen lassen, dass das Urteil auf eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgeht.

e) Aus der in § 257c Abs. 4 StPO getroffenen Regelung ergibt sich zwar einerseits, dass das Gericht (nur) an eine nach den Vorgaben des Gesetzes entsprechende Verständigung grundsätzlich gebunden ist. Andererseits stellt die Regelung zugleich klar, dass die Bindungswirkung entfällt, wenn das Gericht nach Zustandekommen der Verständigung zu der Überzeugung gelangt, dass der nach § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht (mehr) tat- und schuldangemessen ist. Die Bestimmung des § 257c Abs. 4 StPO ist somit Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, die richterliche Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen. Mit dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ist dort zudem eine dem Schutz des Angeklagten dienende Vorschrift enthalten, der im Vertrauen auf den Bestand einer Verständigung ein Geständnis abgegeben und damit von seinem Recht, sich nicht zur Sache einzulassen, keinen Gebrauch gemacht und der Verurteilung eine Grundlage verschafft hat. Mit dem Ziel, dem Angeklagten überhaupt eine autonome Entscheidung über das für ihn mit einer Mitwirkung an einer Verständigung verbundene Risiko zu ermöglichen, sieht schließlich § 257c Abs. 5 StPO vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und - wie sein Hinweis auf das Ziel der Ermöglichung einer autonomen Einschätzung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 15) bestätigt - zugleich die Autonomie des Angeklagten im weiten Umfang schützen. Der Angeklagte sieht sich durch die Aussicht, mit der Verständigung eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze zu erreichen und so Einfluss auf den Verfahrensausgang zu nehmen, einer besonderen Anreiz- und Verlockungssituation ausgesetzt. Der hiermit einhergehenden Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit soll unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO Rechnung getragen werden. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht wird daher im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung regelmäßig davon auszugehen sein, dass das Geständnis und damit auch das Urteil auf dem Unterlassen der Belehrung beruht. Ein Beruhen wird nur dann verneint werden können, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (vgl. zu dem in seiner Bedeutung für die Selbstbelastungsfreiheit ähnlich gelagerten Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPOBGHSt 38, 214<226 f.>). Nur so ist gewährleistet, dass die Schutzfunktion der Belehrungspflicht ihre vorgesehene Wirkung entfaltet. 

2. Das Verständigungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieses schließt Verständigungen im Strafprozess nicht schlechthin aus (a). Der Gesetzgeber hat ausreichende Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass sich Verständigungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren halten (b).

a) Verständigungen im Strafprozess berühren die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren (aa), der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, Verständigungen mit den zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit gebotenen Vorkehrungen zuzulassen (bb). 
aa) Der Strafprozess hat das Schuldprinzip zu verwirklichen und darf sich von dem ihm vorgegebenen Ziel der bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein unabhängiges und neutrales Gericht nicht entfernen. Das Fehlen eines nicht an den sachlichen Verfahrenszielen orientierten eigenen Interesses des Gerichts am Verfahrensausgang bildet im Zusammenwirken mit seiner Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) die Grundlage für die bestmögliche Ermittlung des wahren Sachverhaltes und die richtige Anwendung des materiellen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt. Dabei trägt das Gebot einer schuldangemessenen Bestrafung auch im Einzelfall dem Verlangen nach Rechtsgleichheit als einem der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate Rechnung. Das Maß der verwirklichten Schuld legitimiert die Differenzierung in den Rechtsfolgen und sichert so zugleich die gebotene Gleichbehandlung der Beschuldigten im Strafverfahren. 
(1) Das verfassungsrechtliche Schuldprinzip steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>). Dies schließt es nicht aus, den Strafverfolgungsbehörden Möglichkeiten zu einem Absehen von der Strafverfolgung zu eröffnen, namentlich in Fällen geringfügiger Kriminalität, in denen der Rechtsfrieden nicht ernsthaft beeinträchtigt und eine Kriminalstrafe zum Schuldausgleich nicht zwingend geboten ist, so dass ein öffentliches Interesse an einem Schuldspruch nicht besteht oder durch die Erfüllung von Auflagen oder/und Weisungen beseitigt werden kann. Solche Ausnahmen dürfen die Geltungskraft des Schuldprinzips nicht in Frage stellen und bedürfen stets einer gesetzlichen Regelung, wie sie der Gesetzgeber etwa in den §§ 153 ff. StPO getroffen hat. Als Ausnahmen von der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sind sie fest zu umgrenzen und bedürfen jeweils einer eigenständigen Legitimation (vgl. zu Beschränkungen der Sachverhaltsaufklärung BVerfGE 33, 367 <382 f.>; 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>; 129, 208 <260>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 77/96 -, NStZ 2001, S. 43 <44>). 

(2) Als unerlässliche Voraussetzung der Verwirklichung des Schuldprinzips unterliegt auch die Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit nicht der Disposition des Gesetzgebers. Sie ist das bestimmende Ziel, von dem sich der Strafprozess nicht entfernen darf. Allerdings ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln er die Verwirklichung des Schuldprinzips gewährleistet. Es ist dem Gesetzgeber auch nicht versagt, unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze für Fälle einfach gelagerter und eindeutiger Sachverhalte - etwa bei einer sich mit den Ermittlungsergebnissen deckenden geständigen Einlassung schon im Ermittlungsverfahren oder bei einem auf frischer Tat angetroffenen Beschuldigten - ein vereinfachtes Verfahren zur Gewinnung der richterlichen Überzeugung von Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten und der hieraus zu ziehenden Folgen ohne das Erfordernis einer öffentlichen Hauptverhandlung mit ihrer formalisierten Beweisaufnahme einzurichten, wie es die Strafprozessordnung mit dem Strafbefehlsverfahren gemäß § 407 Abs. 1 und 2 StPO vorsieht (vgl. dazu Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, Vor § 407 Rn. 25 f. m.w.N.). Ermöglichen es die in der Akte befindlichen Unterlagen und Beweismittel dem Richter, sich die Überzeugung von der Richtigkeit des dem Angeschuldigten zur Last gelegten Sachverhalts zu bilden, ist eine öffentliche Hauptverhandlung zur Gewinnung einer tragfähigen Grundlage für die Schuldfeststellung, die rechtliche Beurteilung und die Strafzumessung von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten, sofern es der Angeschuldigte in der Hand hat, durch einfache Erklärung die Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung zu erzwingen (vgl. BVerfGE 25, 158 <164 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Februar 1995 - 2 BvR 1950/94 -, NJW 1995, S. 2545 <2546> und vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00 -, NJW 2002, S. 3534 m.w.N.). 
(3) Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es jedoch aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in der Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht muss es untersagt bleiben, im Wege vertragsähnlicher Vereinbarungen mit den Verfahrensbeteiligten über die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit zu verfügen und sich von dem Gebot schuldangemessenen Strafens zu lösen. Es ist Gericht und Staatsanwaltschaft untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen (vgl. schon BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>) und mit dem Angeklagten einen bestimmten Schuldspruch oder auch nur eine konkrete Strafe zu vereinbaren. Der Rechtsanwendungspraxis ist es untersagt, das vom Gesetzgeber normierte Strafverfahren in einer Weise zu gestalten, die auf solche vertragsähnliche Erledigungsformen hinausläuft. 

Demgegenüber steht das Grundgesetz unverbindlichen Erörterungen der Beurteilung der Sach- und Rechtslage zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten nicht entgegen. Eine offene, kommunikative Verhandlungsführung kann der Verfahrensförderung dienlich sein und ist daher heute selbstverständliche Anforderung an eine sachgerechte Prozessleitung. So begegnen etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche Formen der kommunikativen Verhandlungsführung stellen insbesondere nicht die Unvoreingenommenheit des Gerichts in Frage, solange sie transparent bleiben und kein Verfahrensbeteiligter hiervon ausgeschlossen ist. 

bb) Verständigungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Hauptverhandlung, die dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze zusagen und eine Strafuntergrenze ankündigen, tragen das Risiko in sich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang beachtet werden. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber in Anbetracht seiner Gestaltungsmacht von Verfassungs wegen nicht schlechthin verwehrt, zur Verfahrensvereinfachung Verständigungen zuzulassen. Er muss jedoch zugleich durch hinreichende Vorkehrungen sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt bleiben. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechanismen hat der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Ergibt sich, dass sie unvollständig oder ungeeignet sind, hat er insoweit nachzubessern und erforderlichenfalls seine Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen zu revidieren (vgl. BVerfGE 110, 141 <158> m.w.N.). 

b) Das Verständigungsgesetz sichert die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. 

aa) Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO dürfen Gegenstand einer Verständigung nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO schließt den Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung als Gegenstand einer Verständigung aus. Das Verständigungsgesetz entbindet das Gericht auch nicht von der Beachtung der Strafzumessungsregeln, wenn es in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO das Gericht ermächtigt, bei der Bekanntgabe des möglichen Inhalts einer Verständigung unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe anzugeben. Damit sind nicht nur, wie vom Schuldgrundsatz gefordert, Verständigungen über den Schuldspruch wirksam ausgeschlossen, sondern es ist auch sichergestellt, dass die aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens folgenden Grundsätze der Strafzumessung nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten stehen. Dem Gericht ist es nicht gestattet, im Wege der Verständigung seine Wertungen an die Stelle derjenigen des Strafgesetzgebers zu setzen. Dabei ist zu beachten, dass eine maßgebliche Bedeutung insoweit den gesetzlichen Strafrahmen zukommt, die mit ihren nach Straftat und Strafhöhe gestaffelten Sanktionen die Abstufung der verschiedenen Straftaten nach ihrem Unrechtsgehalt erst zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfGE 27, 18 <29>). Tatbestand und Rechtsfolge sind wechselseitig aufeinander bezogen und müssen - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung (BVerfGE 25, 269 <286>; 27, 18 <29>). Erst von einer differenzierenden Bewertung des Unwertgehaltes der verschiedenen Straftaten her wird die Abstufung der strafrechtlichen Sanktionen verständlich und sachlich gerechtfertigt (BVerfGE 27, 18 <29>). Innerhalb eines Deliktstypus kommt die differenzierende Bewertung des Unwertgehaltes vor allem durch Qualifikations- und Privilegierungstatbestände zum Ausdruck. Aber auch die Sonderstrafrahmen für besonders schwere und minder schwere Fälle nehmen an dieser Abstufung teil, auch wenn es sich hierbei nach überwiegender Auffassung um Strafzumessungsregeln handelt (Nachweise siehe oben unter B. II. 1. b) bb)). Diese Regelungstechnik ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt (vgl. BVerfGK 14, 177 <182>). Wenn er jedoch mit der Einführung solcher Sonderstrafrahmen zum Ausdruck gebracht hat, eine Differenzierung schon bei der Strafandrohung für erforderlich zu halten, ist diese Bewertung für die Rechtsanwendung bindend. 

bb) Das Verständigungsgesetz wahrt den Schuldgrundsatz auch insoweit, als eine Verfahrensverkürzung um den Preis der Erforschung der materiellen Wahrheit ausgeschlossen ist. Wie dargestellt, enthebt die Möglichkeit einer Verständigung das Gericht nicht von der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen. Ein Geständnis darf nicht zur „Handelsware“ werden und kann als Grundlage der Zusage einer Strafobergrenze nur akzeptiert werden, wenn es - aus sich heraus oder aufgrund der Beantwortung von Fragen - überprüfbar ist. Das im Zusammenhang mit der Zusage einer Strafobergrenze abgegebene Geständnis in der - die Grundlage der richterlichen Überzeugung über Schuld oder Unschuld und die daran zu knüpfenden Folgen bildenden - Hauptverhandlung ist auf seine Richtigkeit zu überprüfen, denn eine solche Zusage kann den Angeklagten zur Abgabe eines (teilweise) falschen Geständnisses veranlassen. 

cc) Mit den Bestimmungen zum Entfallen der Bindung des Gerichts an eine Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) hat der Gesetzgeber ferner die aus dem Schuldprinzip, der Pflicht des Gerichts zur Erforschung der materiellen Wahrheit und seiner Neutralitätspflicht sowie der Unschuldsvermutung zu ziehenden Konsequenzen für die Grenzen der richterlichen Selbstbindung an gegebene Zusagen konkretisiert. Es ist gewährleistet, dass die der Verständigung beigemessene Bindung entfällt, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung der in Aussicht gestellte eingegrenzte Strafrahmen als nicht (mehr) tat- oder schuldangemessen erweist. 

dd) Der insbesondere im Grundsatz der Verfahrensfairness verankerten Forderung, dass der Angeklagte autonom darüber entscheiden kann, ob er den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit aufgibt, sich auf eine Verständigung einlässt und mit einem Geständnis sich seines Schweigerechts begibt, genügt das Verständigungsgesetz ebenfalls. Das Strafverfahrensrecht trägt dem Anliegen, die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten zu wahren, bereits generell in allen Verfahrensstadien Rechnung. So haben Belehrungspflichten sowie die Freiheit von Willensentschließung und Willensbetätigung in den allgemeinen Vorschriften der §§ 136, 136a StPO und - beispielsweise - für das Ermittlungsverfahren in § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie für die Hauptverhandlung in § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO ihren Niederschlag gefunden. Wenn diese Sicherungen schon bei der Entscheidungsfindung über allgemeines Aussageverhalten greifen, so haben sie eine umso größere Bedeutung, wenn es um die Frage eines Schuldeingeständnisses geht, vor allem in der für eine Verständigung typischen Anreiz- und Verlockungssituation (vgl. oben B. II. 1. e)). Vor diesem Hintergrund kommt der in § 257c Abs. 5 StPOvorgesehenen Belehrung über die Reichweite der Bindungswirkung und die Folgen eines Scheiterns der Verständigung besondere Bedeutung zu, der auch revisionsrechtlich Rechnung zu tragen ist. 

Von ebenso hohem Gewicht ist, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit es dem Gericht verbietet, dem Angeklagten eine geständnisbedingte Strafmilderung in Aussicht zu stellen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Der Angeklagte darf infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen, aber auch nicht durch Täuschung oder Drohung zu einem Geständnis gedrängt werden. Letzteres hat in § 136a StPO bereits seinen Ausdruck gefunden (vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 859/83 -, NStZ 1984, S. 82; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>). Erst recht greift dieses Schutzgebot zugunsten eines Angeklagten, mit dessen Geständnis in der Hauptverhandlung der Ausgang des Verfahrens steht oder fällt. 
ee) Das Verständigungsgesetz trifft umfangreiche Vorkehrungen dahin, dass das maßgebliche Verständigungsgeschehen in die Hauptverhandlung einbezogen und dokumentiert wird, und gibt mit der in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO vorgesehenen Abhängigkeit der Verständigung von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft dieser ein Mittel zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards in die Hand, zu der die effektiv zu handhabende Überprüfung durch Rechtsmittel hinzutritt (vgl. oben B. II. 1. d)). Der Gesetzgeber begegnet damit der mit der Möglichkeit der Verfahrensverkürzung durch eine Verständigung einhergehenden Gefahr einer Motivationsverschiebung bei dem erkennenden Gericht und trägt dem mit der Zusage einer wesentlichen Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses verbundenen Anreiz für den Angeklagten Rechnung, ein (teilweise) falsches Geständnis abzulegen. Zugleich wirkt er dem Risiko entgegen, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Die verfahrensrechtlichen Sicherungen lassen jedenfalls in ihrem Zusammenwirken erwarten, dass die mit Verständigungen verbundenen rechtsstaatlichen Risiken beherrscht werden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob bestimmte Vorkehrungen von Verfassungs wegen unverzichtbar sind, solange ein ausreichendes Gewährleistungsniveau verwirklicht wird. 

ff) Schließlich hat der Gesetzgeber eindeutig entschieden, dass auf das Strafurteil bezogene „informelle“ Absprachen unzulässig sind. Ausweislich des § 257c Abs. 1 StPO sind Verständigungen über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nur nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig. Intransparente, unkontrollierbare „Deals“ sind im Strafprozess wegen der mit ihnen verbundenen Gefährdung des Schuldprinzips, der darin verankerten Wahrheitserforschungspflicht und des dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Prinzips des fairen Verfahrens bereits von Verfassungs wegen untersagt, und der Gesetzgeber hat derartige Vorgehensweisen in unmissverständlicher Weise verworfen. 

3. Der in erheblichem Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führt derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. 

a) Die repräsentative empirische Erhebung von Prof. Dr. Altenhain, die Anhörung der Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung, aber auch die schriftlichen Stellungnahmen zu den Verfassungsbeschwerden und die vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung zeigen zwar, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidigung in einer hohen Zahl von Fällen die gesetzlichen Vorgaben missachten und die Rechtsmittelgerichte der ihnen zugewiesenen Aufgabe der Kontrolle der Verständigungspraxis nicht immer in genügendem Maße nachgekommen sind. Aus diesem empirischen Befund kann jedoch derzeit noch nicht auf ein in der Norm selbst angelegtes und daher zu deren Verfassungswidrigkeit führendes Versagen der zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Vorgaben normierten Schutzmechanismen geschlossen werden. 

b) Eine gesetzliche Regelung, gegen die in der Rechtsanwendungspraxis in verfassungswidriger Weise verstoßen wird, verletzt nur dann auch selbst das Grundgesetz, wenn die verfassungswidrige Praxis auf die Vorschrift selbst zurückzuführen, mithin Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits ist. Ein solches Defizit kann im vorliegenden Zusammenhang nicht schon darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber urteilsbezogene Verständigungen, welche sich durch ihre Grundstruktur für die Verwirklichung des Schuldprinzips als gefährlich erweisen, überhaupt gestattet hat. Dies ließe unberücksichtigt, dass er ihre Zulassung an umfangreiche flankierende Schutzmechanismen gekoppelt hat, die die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess sicherstellen sollen (vgl. auch BVerfGE 81, 123 <129 f.>; 83, 24 <31>; 118, 212 <231 f.>). Verfassungswidrig wäre das gesetzliche Regelungskonzept nur, wenn die vorgesehenen Schutzmechanismen in einer Weise lückenhaft oder sonst unzureichend wären, die eine gegen das Grundgesetz verstoßende „informelle“ Absprachepraxis fördert, das Vollzugsdefizit also durch die Struktur der Norm determiniert wäre. 

c) Ein strukturelles Regelungsdefizit kann gegenwärtig nicht festgestellt werden. Die Gründe für den erheblichen, keineswegs auf Einzelfälle beschränkten Vollzugsmangel sind vielschichtig und finden sich nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht in einer Schutzlücke der gesetzlichen Regelung. Die gesetzliche Regelung traf auf Rahmenbedingungen, die von immer komplexer werdenden Lebenssachverhalten, einer stetigen Ausweitung des materiellen Strafrechts sowie immer differenzierteren Anforderungen an den Ablauf des Strafverfahrens geprägt sind, und hatte die schwierige Aufgabe, eine zuvor über drei Jahrzehnte in der Praxis entstandene und dort längst verfestigte Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Im Vergleich zu der lang andauernden und - wie auch die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt - immer weiter um sich greifenden Praxis jedenfalls gesetzlich nicht geregelter Absprachen ist der Zeitraum der bisherigen Geltungsdauer der gesetzlichen Schutzmechanismen noch sehr kurz, was dafür spricht, dass die Durchsetzung der strikt umgrenzten und stark formalisierten Verständigungsform entsprechend dem gesetzlichen Regelungskonzept noch nicht abgeschlossen ist und insbesondere die hohe Bedeutung der Schutzmechanismen von der Praxis noch nicht vollständig verinnerlicht wurde. Hierfür spricht auch, dass in der Literatur Stellungnahmen anzutreffen sind, die dahin verstanden werden können, dass die gesetzliche Regelung nicht abschließend sei und die Schutzmechanismen insbesondere des § 273 Abs. 1a und des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht für „informelle“ Vorgehensweisen außerhalb der Vorgaben des § 257c StPO gälten (vgl. etwa Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, wistra 2009, S. 414 <416>; Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <101>). Hinzu kommt die nicht selten anzutreffende Bewertung gerade der Schutzmechanismen als „praxisuntauglich“, welche die Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgaben als zentrale Aufgabenstellung des Strafverfahrensrechts übergeht. Dies verkennt, dass im Rechtsstaat des Grundgesetzes das Recht die Praxis bestimmt und nicht die Praxis das Recht. 
d) Weder das Ergebnis der empirischen Erhebung noch die in den Verfassungsbeschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen zwingen zu der Annahme, dass es strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzepts sind, die zu dem bisherigen Vollzugsdefizit geführt haben könnten. Als Hauptgrund für die Nichtbeachtung der gesetzlichen Regelungen wird in der empirischen Untersuchung vielmehr eine „fehlende Praxistauglichkeit“ der Vorschriften genannt. Dabei werden als praxisuntauglich oftmals die Begrenzung des zulässigen Inhalts von Verständigungen, die Transparenz- und Dokumentationspflichten - hier vor allem das Negativattest des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO - sowie das Verbot eines Rechtsmittelverzichts angeführt, also gerade diejenigen Vorschriften, die die Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gewährleisten sollen. So gaben viele Verteidiger in der Befragung an, die gesetzliche Regelung widerspreche dem „Wesen des Deals“; dieser sei informell. Auch dies spricht für ein bisher nur unzureichend ausgeprägtes Bewusstsein, dass es Verständigungen ohne die Einhaltung der Anforderungen des Verständigungsgesetzes nicht geben darf. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung stützen daher nicht die Annahme eines im gesetzlichen Regelungskonzept verankerten strukturellen Defizits, sondern sprechen für interessengeleitete Missverständnisse und Bestrebungen, die gesetzliche Regelung wegen ihrer - als unpraktisch empfundenen - Schutzmechanismen zu umgehen. 

4. Auch wenn derzeit aus dem defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes nicht auf eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung geschlossen werden kann, muss der Gesetzgeber die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in erheblichem Umfang über die gesetzlichen Regelungen hinwegsetzen und sollten die materiellen und prozeduralen Vorkehrungen des Verständigungsgesetzes nicht ausreichen, um das festgestellte Vollzugsdefizit zu beseitigen und dadurch die an eine Verständigung im Strafverfahren zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, muss der Gesetzgeber der Fehlentwicklung durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken (vgl. zu Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers BVerfGE 25, 1 <12 f.>; 49, 89 <130>; 95, 267 <314>; 110, 141 <158, 166>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. November 2009 - 1 BvR 213/08 -, GRUR 2010, S. 332 <334>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Januar 2011 - 1 BvR 3222/09 -, NJW 2011, S. 1578 <1582>). Unterbliebe dies, träte ein verfassungswidriger Zustand ein. 

5. Das Normgefüge des Verständigungsgesetzes gestattet nach der hier zugrunde gelegten Auslegung des einfachen Rechts keine Verfahrensweise im Strafprozess, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspräche. Die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften sind deshalb weder für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären noch besteht Anlass, sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einzugrenzen. Damit ist der Anwendungsbereich von § 79 BVerfGGnicht eröffnet. 

III.  

Die mit den Verfassungsbeschwerden angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen sind mit den Vorgaben des Grundgesetzes für eine Verständigung im Strafprozess nicht zu vereinbaren. 

1. Die von den Beschwerdeführern zu I. und II. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts München II und des Bundesgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und verstoßen gegen die Selbstbelastungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Im Anschluss an die in beiden Fällen unterbliebene Belehrung der Angeklagten über die Voraussetzungen und Folgen des Wegfalls der Bindung an eine Verständigung (§ 257c Abs. 5 StPO) hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung, ob die Urteile des Landgerichts München II auf dem Gesetzesverstoß beruhen, die grundlegende Bedeutung der Belehrungspflicht nach § 257c Abs. 5 StPOfür die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit verkannt. 

a) Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 15). Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt. 

Zwar muss der Angeklagte unabhängig von der Möglichkeit einer Verständigung darüber befinden, ob und gegebenenfalls wie er sich zur Sache einlässt. Mit der Aussicht auf eine Verständigung wird jedoch eine verfahrensrechtliche Situation geschaffen, in der es dem Angeklagten in die Hand gegeben wird, durch sein Verhalten spezifischen Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses zu nehmen. Anders als in einer nach der herkömmlichen Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung kann er nämlich mit einem Geständnis die das Gericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und damit Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens erreichen. Damit ist aus der Perspektive des Angeklagten das Festhalten an der Freiheit von Selbstbelastung nur noch um den Preis der Aufgabe der Gelegenheit zu einer das Gericht bindenden Verständigung und damit einer (vermeintlich) sicheren Strafobergrenze zu erlangen. Die Erwartung der Bindung des Gerichts bildet dementsprechend Anlass und Grundlage der Entscheidung des Angeklagten über sein prozessuales Mitwirken; damit entsteht eine wesentlich stärkere Anreiz- und Verführungssituation als es - mangels Erwartung einer festen Strafobergrenze - etwa in der Situation von § 136 Abs. 1 oder § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO der Fall ist. Der Angeklagte muss deshalb wissen, dass die Bindung keine absolute ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen - die er ebenfalls kennen muss - entfällt. Nur so ist es ihm möglich, Tragweite und Risiken der Mitwirkung an einer Verständigung autonom einzuschätzen. Die in § 257c Abs. 5 StPO verankerte Belehrungspflicht ist aus diesem Grund keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine zentrale rechtsstaatliche Sicherung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit. 

b) Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verkennen diese besondere Funktion des § 257c Abs. 5 StPO. Eine Verständigung ohne vorherige Belehrung nach dieser Vorschrift verletzt den Angeklagten grundsätzlich in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Bleibt die unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen und fließt das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht dieses auf der mit dem Verstoß einhergehenden Grundrechtsverletzung, es sei denn eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis kann ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. Hierzu müssen vom Revisionsgericht konkrete Feststellungen getroffen werden. Soweit der Bundesgerichtshof in beiden Fällen damit argumentiert, dass ein Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO nicht eingetreten sei, führt dies im Hinblick auf die Frage, ob die Urteile gerade wegen der Verwertung des nach einem Belehrungsmangel abgegebenen Geständnisses auf einer Verletzung der Autonomie des Angeklagten beruhen, nicht weiter. Wenn der Bundesgerichtshof im Fall der Beschwerdeführer zu II. ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO darüber hinaus mit der Erwägung verneint, konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, verkennt er die grundlegende Bedeutung des § 257c Abs. 5 StPO für den Grundsatz des fairen Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof bei Anwendung des oben genannten Maßstabs in beiden Fällen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Aus diesem Grund sind die angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs aufzuheben und die Sachen an diesen zurückzuverweisen. 

2. Die von dem Beschwerdeführer zu III. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Bundesgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG

a) Das Urteil des Landgerichts Berlin verstößt schon deshalb gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und die darin verankerte Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit, weil das Landgericht ein unter weitgehender Weigerung, Fragen zu beantworten, abgegebenes inhaltsleeres Formalgeständnis als Grundlage einer Verurteilung akzeptiert hat, ohne es - abgesehen von einer, dann auch beantworteten Frage zum Mitführen und Ladezustand der Dienstwaffen - durch eine weitere, auf eigenständige Spezifizierung seitens des Angeklagten zielende Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu überprüfen. Ein Geständnis, das sich in einer Bezugnahme auf die Anklage erschöpft, ist als Grundlage einer Verständigung bereits deshalb ungeeignet, weil es keine Grundlage für eine Überprüfung seiner Glaubhaftigkeit (§ 257c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO) bietet. Darüber hinaus beruht das angegriffene Urteil auf einer Verständigung, die infolge der Kopplung eines Geständnisses „im Sinne der Anklage“ an den Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen „zur Schuldfrage“ unzulässig über den Schuldspruch disponiert und zudem eine Strafrahmenverschiebung zum Gegenstand hat. Deshalb stellt sich das Urteil als ein vom Grundgesetz untersagter „Handel mit der Gerechtigkeit“ dar. 
Hinzu kommt, dass dieser „Handel mit der Gerechtigkeit“ auf einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit des Beschwerdeführers beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für den Fall einer Verurteilung ohne vorherige Verständigung für jede der beiden angeklagten schweren Raubtaten eine Mindeststrafe von drei Jahren in Aussicht gestellt wurde - so die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer im Revisionsverfahren - oder ob eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren im Raum stand, wie der Beschwerdeführer vorträgt. Entscheidend ist die vor dem Gebot schuldangemessenen Strafens nicht zu rechtfertigende Spannweite zwischen der zugesagten Strafobergrenze für den Fall einer Verständigung auf der einen Seite und der für den Fall einer Verurteilung in einer nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung im Raum stehenden Straferwartung auf der anderen Seite. Die Frage, wann die Grenze zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit überschritten ist, entzieht sich zwar einer exakten mathematischen Berechnung. Im vorliegenden Fall ist diese Grenze jedoch deutlich überschritten, nachdem eine schon für sich gesehen übermäßige Differenz zwischen den beiden Strafgrenzen noch zusätzlich mit der Zusage einer Strafaussetzung zur Bewährung verbunden wurde, die überhaupt nur aufgrund der ebenfalls zugesagten Strafrahmenverschiebung zu einem minder schweren Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) möglich war. 

b) Das Urteil des Landgerichts Berlin ist aus diesen Gründen aufzuheben; gleiches gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs, mit dem die Grundrechtsverletzung perpetuiert worden ist. Die Sache ist an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen. 

C. 

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 315/15
vom
18. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:180716B1STR315.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 18. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Oktober 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 29 Fällen in Tatmehrheit mit Betrug in fünf Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Die Revision dringt mit einer Verfahrensrüge durch. Dies führt zur gesamten Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen.
3
a) Die Revision rügt die Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO. Der Vorsitzende der Strafkammer habe über den Inhalt eines am 15. Juli 2014 außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächs in öffentlicher Hauptverhandlung nur unvollständig berichtet und die Mitteilung über dieses Gespräch entsprechend unvollständig ins Protokoll aufgenommen.
4
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Jedenfalls die von Rechtsanwältin G. erhobene Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
5
c) Der Beanstandung liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
6
Die am 7. Oktober 2013 gegen den Angeklagten und vier Mitangeklagte begonnene Hauptverhandlung endete am 30. Oktober 2014, dem 44. Hauptverhandlungstag. Bereits am dritten Hauptverhandlungstag, dem 28. Oktober 2013, verlas der Vorsitzende der Strafkammer einen Verständigungsvorschlag des Gerichts im Sinne von § 257c StPO. Alle Angeklagten wurden gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt. Der Verständigungsvorschlag hatte hinsichtlich des Angeklagten den Inhalt, das Landgericht werde für den Fall, dass der Angeklagte ein qualifiziertes und damit selbstbelastendes und konkretes Geständnis abgebe, das kein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis sei, eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen sechs Jahren und sechs Jahren und neun Monaten verhängen. Eine Verständigung bezüglich des Angeklagten konnte nicht erzielt werden.
7
In seiner Einlassung bestritt der Angeklagte die Tatvorwürfe der Steuerhinterziehung insgesamt (UA S. 101 ff.); demgegenüber legte er auch ohne Verständigung gemäß § 257c StPO hinsichtlich der ihm zur Last liegenden Betrugstaten ein weitgehendes, wenngleich nicht vollumfängliches Geständnis ab (UA S. 143 f., 154).
8
Auf Anregung der Verteidiger des Angeklagten fand am 34. Hauptverhandlungstag , dem 15. Juli 2014, außerhalb der Hauptverhandlung ein weiteres Verständigungsgespräch statt. An den Erörterungen nahmen neben den Berufsrichtern und den Schöffen ein Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie die Verteidiger des Angeklagten und der Mitangeklagten teil. Bei dem Gespräch fragte der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt A. , an, ob von Seiten der Strafkammer im Falle eines Geständnisses eine Straferwartung zwischen vier und fünf Jahren als realistisch betrachtet werden würde. Der Vorsitzende nahm Stellung zum Stand der Beweisaufnahme und teilte mit, dass die Strafkammer davon ausgehe, dass der Steuerschaden deutlich niedriger liegen dürfte als in der Anklage angenommen und sich die Vorgehensweise der Angeklagten eher dilettantisch darstelle (vgl. die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 15. Juli 2015). Dennoch wolle die Strafkammer die in dem Verständigungsangebot vom dritten Hauptverhandlungstag in Aussicht gestellten Grenzen für die zu verhängende Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren als Untergrenze und sechs Jahren und neun Monaten als Obergrenze beibehalten. Das Verständigungsgespräch endete ohne Ergebnis, da die Vorstellung der Verteidiger des Angeklagten mit einem Rahmen von vier bis fünf Jahren Freiheitsstrafe von der Strafkammer als nicht zustimmungsfähig erachtet wurde.
9
Am 16. Juli 2014, dem 35. Hauptverhandlungstag, berichtete der Vorsitzende der Strafkammer in öffentlicher Hauptverhandlung über den Inhalt des Verständigungsgesprächs und nahm folgende Mitteilung ins Protokoll auf: „Der Vorsitzende gab bekannt, dass sich in dem von den Verteidi- gern des Angeklagten angeregten Gespräch eine Verständigung nicht erzielen ließ, wobei das Gericht im Rahmen dieses Gesprächs in Aussicht gestellt hat, sich angesichts des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme und des persönlichen Eindrucks vom Angeklagten am ursprünglichen Verständigungsvorschlag festhalten zu lassen für den Fall eines qualifizierten und selbstbelastenden Geständnisses.“
10
Die protokollierte Mitteilung gab seine mündlichen Ausführungen zutreffend wieder.
11
Nach dem ergebnislosen Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 machte der Angeklagte in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben mehr. In Anknüpfung an dieses Verständigungsgespräch stellte die Staatsanwaltschaft am 37. Verhandlungstag noch fünf Beweisanträge, die jeweils an dem Inhalt des Verständigungsgesprächs vom 15. Juli 2014 anknüpften.
12
d) Die Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO im Hinblick auf das am 15. Juli 2014 erfolgte Verständigungsgespräch verletzt.
13
aa) Allerdings liegt, soweit die Revision mit Blick auf dieses Verständigungsgespräch eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, ein Rechtsfehler bereits nach ihrem Vortrag nicht vor. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO eine Erörterung nicht vollständig bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, ergibt sich aus der Wiedergabe der unvollständigen Mitteilung im Protokoll kein zusätzlicher Rechtsfehler; vielmehr gibt dieses den Gang der Hauptverhand- lung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2015 – 1 StR 235/14, Rn. 20; vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, Rn. 12, NStZ-RR 2015, 223 mwN, insoweit in BGHSt 60, 150 nicht abgedruckt und vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). So liegt es hier. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann deshalb nicht verletzt sein.
14
bb) Verletzt ist aber § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende des Gerichts mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
15
(1) Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 – 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 – 1 StR 210/14, NStZ 2015, 48). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wur- den und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 3. Dezember 2013 – 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Nur so wird eine effektive Kontrolle in der Revisionsinstanz ermöglicht.
16
(2) Nach Maßgabe dessen erweist sich die in öffentlicher Hauptverhandlung vorgenommene Mitteilung des Vorsitzenden über das am 15. Juli 2014 geführte Verständigungsgespräch als unzureichend. Denn wesentliche Informationen , die Ablauf und Inhalt des Gesprächs offen gelegt hätten, teilte der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht mit. Es blieb offen, welche Standpunkte von den Teilnehmern des Gesprächs, insbesondere von der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, vertreten wurden und ob sie bei den anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sind. Auch fehlte der Hinweis darauf, dass der Vorsitzende bei dem Verständigungsgespräch davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe sich eher dilettantisch verhalten und der Steuerschaden habe sich gegenüber der Anklage deutlich verringert. Schließlich enthielt die Mitteilung des Vorsitzenden auch keine Angaben zur Reaktion der Staatsanwaltschaft auf den Verständigungsvorschlag des Gerichts und ggf. ihre Vorstellung über das Strafmaß und ihre Erwartungen an das Prozessverhalten des Angeklagten. Die Erwartungen der Verfahrensbeteiligten an den weiteren Prozessverlauf sind danach unklar geblieben; das aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Transparenzgebot ist dadurch verletzt.
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cc) Unter den gegebenen Umständen kann der Senat nicht ausschließen , dass das Urteil auf diesem Rechtsverstoß beruht.
18
(1) Von einem Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO ist auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
19
Der Gesetzgeber hat Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung, zu denen auch die Transparenz- und Dokumentationspflichten gehören, nicht als absolute Revisionsgründe eingestuft (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 223, Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, Rn. 29, NStZ 2015, 170, 172). Die Revisionsgerichte haben daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das Urteil auf dem Transparenzverstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 223, Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 – 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 153 f. mwN). Bei der Prüfung durch die Revisionsgerichte sind auch Art und Schwere des Verstoßes in den Blick zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, Rn. 29, NStZ 2015, 170, 172).
20
(2) Auch wenn hier auszuschließen ist, dass der Transparenzverstoß auf die Verschleierung gesetzwidriger „informeller“ Verständigungsbemühungen gerichtet war, kann der Senat gleichwohl nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Transparenzverstoß beruht.
21
(a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 29 Fällen.
22
Der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO hatte insoweit erhebliches Gewicht, weil in der Mitteilung die Neubewertung der Beweislage und des Hinterziehungsumfangs durch die Strafkammer fehlte, die für das Verteidigungsverhalten des Angeklagten von großer Bedeutung sein konnte, nämlich dass der Steuerschaden deutlich niedriger liegen dürfte als in der Anklage angenommen und sich die Vorgehensweise des Angeklagten als eher dilettantisch darstellte. Der Angeklagte hatte diese Tatvorwürfe insgesamt bestritten und äußerte sich nach der Mitteilung über das Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 nicht mehr. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte nunmehr eingelassen und anders als bisher verteidigt hätte , wenn ihm vom Vorsitzenden die neue Einschätzung der Strafkammer zur Beweissituation mitgeteilt worden wäre. Ebenso wenig kann der Senat ausschließen , dass der Angeklagte nach einer solchen Mitteilung noch ein Geständnis abgelegt hätte, um eine Strafe in dem vom Gericht genannten Rahmen zu erhalten. Die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, zu welcher der Angeklagte verurteilt worden ist, liegt oberhalb dieses Rahmens.
23
(b) Für Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen und versuchten Betruges kann im Ergebnis nichts anderes gelten.
24
Zwar hatte der Angeklagte die Tatvorwürfe des Betruges und versuchten Betruges bereits nach dem Verständigungsvorschlag des Gerichts vom dritten Hauptverhandlungstag – mithin ohne die Absicherung durch eine Verständigung – im Wesentlichen gestanden (UA S. 143 f., 149 ff.). Aufgrund der Mitteilung des Vorsitzenden über das Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 erfuhr er, dass die Strafkammer an ihrem Verständigungsvorschlag festhalten wolle. Angesichts des bereits vorher abgegebenen Geständnisses liegt es nahe , dass sich der Angeklagte hinsichtlich dieser Tatvorwürfe nicht anders eingelassen hätte, wenn der Vorsitzende ihn – der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO entsprechend – darüber informiert hätte, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer bei dem Verständigungsgespräch vertraten und wie die Strafkammer die Beweissituation einschätzte.
25
Letztlich kann der Senat gleichwohl nicht ausschließen, dass auch die Verurteilung wegen der Betrugstaten auf dem Verfahrensverstoß beruht. Denn das Geständnis des Angeklagten enthielt Einschränkungen zu seiner Beteiligung an bandenmäßig begangenen Betrugstaten. Das Landgericht hat den Angeklagten , auch wenn dies nur in den Urteilsgründen und nicht im Tenor zum Ausdruck kommt, jeweils wegen des Qualifikationstatbestandes des (versuchten ) banden- und gewerbsmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) verurteilt. Der Senat kann daher letztlich nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte gerade zu seiner Bandenmitgliedschaft nach einer vollständigen Mitteilung des Vorsitzenden über das Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 anders als zuvor eingelassen hätte.
26
2. Angesichts der vollständigen Aufhebung des Urteils, soweit es den Angeklagten betrifft, bedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrüge, mit der die Revision die Annahme der Unerreichbarkeit des Zeugen D. im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO beanstandet hat. Allerdings weist der Senat darauf hin, dass das Tatgericht, sofern es vom Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO keinen Gebrauch macht, nur bei Vorliegen besonderer Umstände von einer von einem Auslandszeugen angebotenen audiovisuellen Vernehmung absehen und den Zeugen als unerreichbar ansehen darf (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11; Rose, NStZ 2012, 18, 20).
Raum Graf Jäger
Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 1 5 / 1 4
vom
15. Januar 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zum Beruhen bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4
Satz 1 StPO.
BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14 - LG Magdeburg
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Halle - Wirtschaftsstrafkammer - zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Der Beanstandung des Angeklagten liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand im Zwischenverfahren am 15. Dezember 2011 ein Rechtsgespräch mit dem Ziel einer Verständigung statt. An diesem Gespräch nahmen die Berufsrichter der Strafkammer, der Verteidiger des Angeklagten, die Verteidiger der drei nicht revidierenden Mitangeklagten und zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft teil. Die Kammer signalisierte Bereitschaft, den Prozessstoff im Falle einer Verständigung auf eine der drei angeklagten Taten zu beschränken. Die Vertreter der Staatsanwalt- schaft äußerten sich zu ihrer Straferwartung dergestalt, dass bei Geständnisbereitschaft der Angeklagten Strafhöhen im bewährungsfähigen Bereich denkbar seien. Nachdem auch die Verteidiger der Angeklagten zu ihren Erwartungen über das Verfahrensergebnis Stellung bezogen hatten, endete das Rechtsgespräch ohne Ergebnis.
4
Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 8. Januar 2013, nahm der Vorsitzende folgende Mitteilung ins Protokoll auf:
5
„Es wurde festgestellt, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung Erörterun- gen mit den Prozessbeteiligten gemäß § 243 Abs. 4 n.F. stattgefunden haben. Am 15. Dezember 2011 fand ein Gespräch mit den Prozessbeteiligten statt mit dem Ziel einer Möglichkeit der Verständigung. Im Ergebnis wurde keine Einigung erzielt.“
6
Der Angeklagte ließ sich am ersten Verhandlungstag in Gestalt einer Erklärung seines Verteidigers umfassend zur Sache ein.
7
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand am siebten Hauptverhandlungstag während laufender Hauptverhandlung erneut ein Rechtsgespräch mit dem Ziel der Verständigung über den Verfahrensausgang statt, welches ebenfalls nicht zu einer Einigung führte. Ein weiterer ergebnisloser Verständigungsversuch trug sich außerhalb der Hauptverhandlung am 14. Hauptverhandlungstag zu. In das Protokoll über die Hauptverhandlung fand dieser Eingang wie folgt:
8
„In der Verhandlungspause haben die Berufsrichter, die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Vertreter des Finanzamtes und die Verteidi- ger die Sach- und Rechtslage erörtert. Auch in diesem Gespräch ist es zu keiner Einigung gekommen.“
9
Der Angeklagte war durch seine Verteidiger über den Inhalt der geführten Gespräche jeweils informiert worden.
10
Die Revision rügt, das Landgericht habe seinen sich aus § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ergebenden Mitteilungspflichten nicht genügt; auf der unzureichenden Transparenz der ohne den Angeklagten geführten Gespräche beruhe das Urteil, obschon dieser von seinem Verteidiger darüber unterrichtet worden sei, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser sein Prozessverhalten bei gesetzmäßiger Unterrichtung durch den Vorsitzenden anders ausgerichtet hätte.
11
2. Die Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bereits in Bezug auf die im Zwischenverfahren erfolgten Verständigungsgespräche verletzt. Unter den hier konkret gegebenen Umständen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsverstoß beruht.
12
a) Allerdings liegt, soweit die Revision mit Blick auf die erfolgten Verständigungsgespräche eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt, ein Rechtsfehler bereits nach ihrem Vortrag nicht vor. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine Erörterung , die vor der Eröffnung des Hauptverfahrens stattgefunden hat (§ 202a StPO), nach Beginn der Hauptverhandlung nicht bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, so ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls kein zusätzlicher Rechtsfehler; im Gegenteil gibt dieses den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.; Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). So liegt es hier. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann deshalb nicht verletzt sein.
13
b) Verletzt ist aber § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Danach teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt.
14
aa) Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 - 1 StR 210/14). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Nur so wird eine effektive Kontrolle in der Revisionsinstanz ermöglicht.
15
bb) Nach Maßgabe dessen erweist sich die Mitteilung des Vorsitzenden über das im Zwischenverfahren geführte Verständigungsgespräch als rechtsfehlerhaft. Denn die formelhafte Wendung, ein abgehaltenes Verständigungsgespräch sei ergebnislos verlaufen, reicht nicht aus. Die wesentlichen Informationen , die Ablauf und Inhalt des Gesprächs offengelegt hätten, wie etwa das Angebot einer Verfahrensbeschränkung durch die Strafkammer oder die Vorstellung der Staatsanwaltschaft über das Strafmaß und ihre Erwartungen an das Prozessverhalten des Angeklagten, hat der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt. Die Erwartungen der Verfahrensbeteiligten an den Prozessverlauf und sich hieraus möglicherweise ergebende Folgen sind nach seiner Mitteilung unklar geblieben; das aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Transparenzgebot ist dadurch verletzt.
16
cc) Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen , dass das Urteil auf diesem Rechtsverstoß beruht.
17
(1) Von einem Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung sind nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden, so dass eine Beruhensprüfung (§ 337 Abs. 1 StPO) in jedem Einzelfall vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 - 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.).
18
(2) Das Schutzkonzept der gesetzlichen Regelungen über die Verständi- gung erstreckt sich auch auf die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kon- trolle verständigungsbasierter Urteile im Sinne umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung durch Mitteilung und Dokumentation im Verhandlungsprotokoll (BVerfGE 133, 168, 222 Rn. 96). Ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht wird deshalb grundsätzlich dann nie ausgeschlossen werden können, wenn zu besorgen ist, das Urteil könne auf gesetzwidrige „informelle Absprachen“ oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgehen (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Ebenso liegt es, wenn eine „informelle Absprache“ - wie hier - zwar ergebnislos geblieben und eine Einigung nicht zustande gekommen ist, hierauf gerichtete Gesprächsbemühungen aber außerhalb der öffentlichen Hauptverhandlung stattgefunden haben. Da der Schutzmechanismus des Verständigungsgesetzes auch durch erfolglose Verständigungsbemühungen verletzt werden kann, verlangt § 243 Abs. 4 StPO für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung eine Mitteilung deren wesentlichen Inhalts, die gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren ist. Hinsichtlich der in der Hauptverhandlung selbst zustande kommenden Verständigung ist demgegenüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO nur der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Weitergehender Informationsbedarf besteht hier für die Öffentlichkeit nicht, denn sie hat dem Zustandekommen der Verständigung - anders als den Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung - beigewohnt. Dieses zwar primär auf die Herstellung von Öffentlichkeit ausgerichtete Verfahren ist mittelbar zugleich Teil des dem Angeklagten zugedachten Individualrechtsschutzes , denn es gewährleistet ihm ein bestimmtes Maß an Rechtsstaatlichkeit. Diese Erwägung liegt auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde, nach der das Beruhen eines Urteils auf Verstößen gegen die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97).
19
Dennoch führt auch die Beachtung dieser Schutzgüter nicht bei jedem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht zu dem Ergebnis, dass ein Beruhen des Urteils hierauf nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dem Unterbleiben der nach § 243 Abs. 4 StPO erforderlichen Mitteilung darf nicht per se auf die Bemühung um Herbeiführung einer „informellen Absprache“ geschlossen werden. Bei der - stets an den Umständen des Einzelfalles ausgerichteten - Beruhensprüfung ist vielmehr im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang das Gericht Essentialia aus den Vorgesprächen unerwähnt gelassen hat. Verstöße gegen die Mitteilungspflicht sind in einer sehr weit gestreuten Bandbreite denkbar. Sie können von kleinen Ungenauigkeiten und Auslassungen bis hin zur gänzlichen Unterlassung der Mitteilung oder bewussten Falschmitteilung reichen. Dies liegt daran, dass die Mitteilungspflicht sehr früh eingreift und inhaltlich - wie oben dargelegt - von erheblichem Umfang ist. Der Verfahrensverstoß bedarf deshalb einer an seiner Auswirkung zu bemessenden Gewichtung. Sind also insbesondere neben dem Umstand, dass überhaupt Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben, auch die vorbenannten Aspekte in ihren wesentlichen Umrissen deutlich geworden, wird ein Beruhen des Urteils im Sinne von § 337 StPO auch dann auszuschließen sein, wenn die Mitteilung einzelne notwendige Informationen vermissen lässt.
20
(3) Diese Grundsätze gelten auch für die Konstellation, in der der Verteidiger den Angeklagten über den Inhalt eines zuvor geführten Verständigungsgesprächs informiert hat.
21
In besonders gelagerten Einzelfällen (vgl. Landau NStZ 2014, 425, 430) kann ein Ausschluss des Beruhens im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO möglich sein, wenn der Instanzverteidiger den Angeklagten über Ablauf und Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche zuverlässig unterrichtet und so ein Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418; Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 169/14, NStZ-RR 2014, 315; Beschluss vom 16. Juli 2014 - 5 StR 227/14). Aus den dargelegten Erwägungen kann die Frage, ob die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung über sein weiteres Prozessverhalten auf einer tragfähigeren Grundlage beruht, wenn er nicht nur von seinem Verteidiger zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, sondern durch das Gericht durch Mitteilung in der Hauptverhandlung (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314 und vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 603), nicht allgemeingültig beantwortet werden. Auch insoweit ist eine Betrachtung des Einzelfalles im Lichte des Schutzzwecks des § 243 Abs. 4 StPO erforderlich.
22
Generell kann das Gespräch des Angeklagten mit seinem Verteidiger die Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung - auch im Rahmen der Beruhensprüfung - nicht ersetzen. Dem steht bereits das Schutzgut der Gewährleistung öffentlicher Kontrolle des Verständigungsprozesses entgegen, welches dem Risiko des Angeklagten angemessen Rechnung tragen will, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu seinem Nachteil auswirkt (BVerfGE 133, 168, 232 Rn. 114). Richterliche und nicht richterliche Mitteilungen sind strafprozessual auch dem Grunde nach nicht von identischer Qualität. Vielmehr liegt der Strafprozessordnung an verschiedenen Stellen die Wertung zugrunde, wonach Authentizität, Vollständigkeit und Verständlichkeit einer Mitteilung oder Belehrung (nur) durch richterliches Handeln verbürgt sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014, 513).
23
Die Information des Angeklagten durch seinen Verteidiger bei fehlender oder unzureichender gerichtlicher Mitteilung über den Inhalt eines gescheiterten Verständigungsgesprächs gemäß § 243 Abs. 1 StPO lässt deshalb einen Ausschluss des Beruhens nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu. Je einfacher sich die dem Verständigungsversuch zugrunde liegende Sach- und Rechtslage darstellt, desto weniger stark wird die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten gefährdet und umso eher wird auszuschließen sein, dass die Verständigung rechtswidrig war und das Gericht bei regelhafter Vornahme und Protokollierung der Mitteilung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Informationen etwa über leicht erfassbare tatsächliche Umstände wird der Verteidiger dem Angeklagten einfacher vermitteln können, als vielschichtige Rechts- und Verfahrensfragen. Bei komplexen Rechts- oder Verfahrensfragen wird sich dagegen regelmäßig nicht ausschließen lassen, dass die Information des Angeklagten durch das Gericht auf sein Prozessverhalten Einfluss genommen hätte.

24
(4) Nach Maßgabe dessen liegt jedenfalls unter den vorliegenden Umständen hier kein Ausnahmefall vor, in dem das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden kann.
25
Aufgrund der Beschränkung der Mitteilung auf die äußerst dürftige Information , es hätten Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung ergebnislos stattgefunden, liegt ein Ausschluss des Beruhens schon aus Transparenzgründen fern. Die Mitteilung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gibt nicht einmal ansatzweise wieder, was Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Selbst wenn der Angeklagte von seinem Verteidiger darüber hinreichend informiert wurde, ist das gesetzliche Schutzkonzept dennoch berührt, denn jedenfalls die Gewährleistung effektiver Kontrolle des mit der Verständigung verbundenen Geschehens durch die Öffentlichkeit konnte hierdurch nicht ersetzt werden. Schon dies steht der Gleichschaltung der Verteidigerinformation mit einer Mitteilung durch das Gericht in laufender Hauptverhandlung entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014,

513).


26
Im Übrigen bekräftigen auch die weiteren Umstände des Falles dieses Ergebnis:
27
Am ersten Tag der Hauptverhandlung, an dem u.a. die Einlassung des Angeklagten zur Sache erfolgte, lag das gescheiterte Verständigungsgespräch bereits länger als ein Jahr zurück. Schon aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands zum Beginn der Verhandlung lässt sich nicht ausschließen, dass dem Angeklagten Inhalt und Bedeutung der Gespräche nicht (mehr) hinreichend bekannt waren. Unklarheit über deren Bedeutung hätte demgegenüber nicht ein- treten können, wenn der Vorsitzende den Angeklagten zu Beginn der Verhandlung auf der Grundlage der von ihm vorgenommenen Dokumentation die von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte Mitteilung an den Angeklagten gerichtet hätte.
28
Hinzu kommt, dass es sich bei den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwürfen nicht etwa um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach überschaubaren Sachverhalt gehandelt hat. Im vorliegenden Fall war Verfahrensgrundlage eine 45-seitige Anklageschrift, mit welcher die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwarf, sich während eines Zeitraums von rund drei Jahren der Steuerhinterziehung in zwei Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben; das Beweismittelverzeichnis der Anklage erstreckt sich über sieben Seiten. Neben dem Angeklagten waren drei weitere Personen angeklagt. Schon die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gebot eine verständliche und vollständige Mitteilung der Bedeutung der Verständigungsgespräche durch das Gericht.
29
Unter wertender Betrachtung von Art und Ausmaß des Verstoßes lässt sich unter den konkreten Umständen des Falles schon nicht zweifelsfrei ausschließen , dass das Verständigungsgespräch während des Zwischenverfahrens möglicherweise im Sinne des § 257c StPO rechtswidrige Inhalte hatte. Auch der Ausschluss einer auf fehlerhaftem oder verkürztem Verständnis des Verteidigers beruhenden unzureichenden Information des Angeklagten - verstärkt durch den zwischenzeitlich eingetretenen zeitlichen Abstand - war hier alleine durch eine vollständige Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung möglich.
30
Der Senat kann nach alldem nicht ausschließen, dass sich der Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auf den Verfahrensausgang ausgewirkt hat.
31
3. Ob das Urteil auch auf dem (weiteren) Verstoß gegen die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO im Hinblick auf das während des Hauptverfahrens geführte Verständigungsgespräch beruht, kann für die Entscheidung über das Rechtsmittel dahinstehen.
32
4. Der Senat hat gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Halle zurückzuverweisen.
Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 3 8 1 / 1 3
vom
5. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Die Rüge eines Verstoßes gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten gemäß
§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO setzt nicht voraus, dass der Verteidiger zuvor von
dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat.
BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13 - LG Frankfurt am Main
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2014 in der Sitzung am 5. Juni 2014, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten A. wird verworfen. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sowie den Angeklagten A. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten H. führt auf die Verfahrensrüge hin zur Aufhebung des gegen ihn ergangenen Urteils. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. hat hingegen mit der Sachrüge lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen verkaufte der weitgehend geständige Angeklagte H. jeweils auf Weisung des gesondert verfolgten B. gegen Provision im Zeitraum August 2010 bis Oktober 2011 an den gesondert verfolgten P. in 30 Fällen Heroin in Mengen zwischen 10 bis 50 Gramm mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 5 %. Im Zeitraum Anfang März 2011 bis zum 16. Februar 2012 verkaufte er wiederum im Auftrag B. 's in 11 Fällen Heroin in Mengen zwischen 70 bis 200 Gramm an die gesondert verfolgte M. . Am 4. Oktober und am 4. Dezember 2012 verkaufte er - diesmal im Auftrag des Mitangeklagten A. - ihm von diesem ausgehändigtes Rauschgift, ca. 50 bzw. 45 g Heroin mit Wirkstoffanteilen von 6,2 bzw. 5,6 %, an die gesondert verfolgten K. und Pe. . Bei einer Wohnungsdurchsuchung des Angeklagten H. im Januar 2013 wurden u.a. zwei Cannabisplatten mit einem Gesamtgewicht von ca. 185 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 15,9 Gramm sichergestellt, die teils zum Eigenkonsum, überwiegend aber zum Verkauf bestimmt waren.

II.

3
Während die übrigen Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg bleiben, führt die Rüge eines Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 StPO zur Aufhebung des gegen den Angeklagten H. ergangenen Urteils.
4
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
5
Für den ersten Hauptverhandlungstag, den 9. April 2013, weist das Protokoll nach Verlesung des Anklagesatzes folgendes Geschehen aus: "Weiter wurde festgestellt, dass Erörterungen gem. §§ 202a und 212 StPO, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO gewesen ist, nicht stattgefunden haben. Die Angeklagten wurden darauf hingewiesen, dass es ihnen freistehe , sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Der Angeklagte A. erklärte sich derzeit zur Äußerung nicht bereit. RAin. Ha. regte ein Rechtsgespräch an. Die HV wurde um 09.47 Uhr unterbrochen und fortgesetzt um 10.17 Uhr. Alle vorher erschienenen Prozessbeteiligten waren wieder anwesend. Es wurde festgestellt, dass ein Rechtsgespräch geführt, jedoch keine Verständigung getroffen wurde. Im Rahmen des Gesprächs hat der StA. zum Ausdruck gebracht, dass eine geständige Einlassung des Angeklagten H. werthaltiger sein könnte, sofern sie auch Angaben zur Tatbeteiligung des Angeklagten A. enthalte.
Es bestand Gelegenheit zur Stellungnahme. Erklärungen wurden nicht abgegeben."
6
2. Die Revisionen rügen, es seien weder Erklärungen zur "personellen Beteiligung" an diesem Rechtsgespräch, an dem alle professionellen Verfahrensbeteiligten sowie die beiden Schöffen teilgenommen hatten, noch zu dessen vollständigem Inhalt erfolgt. So habe der Vertreter der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten H. eine Straferwartung von über sechs Jahren geäußert, die sich bei einer geständigen, den Mitangeklagten A. belastenden Einlassung verringern könne. Der Vorsitzende Richter habe eine Strafhöhe von fünf bis sechs Jahren in den Raum gestellt, was die Verteidigung des Angeklagten H. als nicht akzeptabel bezeichnet habe. Hinsichtlich des Angeklagten A. seien von keiner Seite irgendwelche Straferwartungen geäußert worden, dies auch deshalb, weil dessen Verteidiger "schweigend verteidigt" und sich deshalb an den Gesprächen nicht aktiv beteiligt habe.
7
Durch die unvollständige Unterrichtung seitens des Vorsitzenden habe die Strafkammer ihre Verpflichtung zur Transparenz und Dokumentation verletzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil - auch wenn keine Verständigung zustande gekommen sei - auf den nicht mitgeteilten Gesprächsinhalten beruhe.
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3. Eine von den Revisionsführern vorgelegte anwaltliche Versicherung des Instanzverteidigers des Angeklagten A. , RA S. , bestätigt das Revisionsvorbringen. Aus eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Sitzungsstaatsanwalts und der Berufsrichter ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft eine Straferwartung von "nicht unter 6-7 Jahren" gehabt habe. Seitens des Gerichts seien entgegen dem Revisionsvorbringen keine Strafvorstellungen geäußert worden.
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4. Die Revision macht zu Recht geltend, es liege ein Verstoß gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vor.
10
a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315, 316). Diese Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67 und vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 243 Rn. 18c). Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verhalten eröffnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73, vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67, vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). Die Pflicht zur Dokumentation der zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung unter Umständen erfolglos geführten Gespräche ist zwar im Vergleich zur tatsächlichen Verständigung reduziert. Gleichwohl sollen alle Verfahrensbeteiligte und die Öffentlichkeit nicht nur darüber informiert werden, dass solche Erörterungen stattgefunden haben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f., vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber - sofern sie nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschrieben ist - gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen.
11
Gemessen daran enthält die Mitteilung des Vorsitzenden nicht alle Informationen , die zur Transparenz und Dokumentation von Verfahrensabläufen im Zusammenhang mit möglichen Verständigungen nach § 257c StPO mitgeteilt werden müssen. So hat es der Vorsitzende - was sich aus dem Protokoll, den eingeholten dienstlichen Erklärungen und der anwaltlichen Versicherung ergibt - rechtsfehlerhaft unterlassen, jedenfalls die von der Staatsanwaltschaft für den Angeklagten H. geäußerte Straferwartung mitzuteilen.
12
b) Der Angeklagte ist mit seiner darauf gerichteten Revisionsrüge nicht deshalb präkludiert, weil er es unterlassen hat, von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch zu machen. Kommt der Vorsitzende ungeachtet eines ihm zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum seinen Mitteilungs- und Dokumentationspflichten nur unzureichend nach, muss dies - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - von dem Verteidiger nicht entsprechend § 238 Abs. 2 StPO beanstandet werden (so im Ergebnis auch Schneider, NStZ 2014, 252; a.A. Altvater, StraFo 2014, 221, 226; offengelassen von BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14). Dies gilt selbst dann, wenn dem Verteidiger - wie hier - ausdrücklich Gelegenheit gegeben wird, sich zur Unterrichtung durch den Vorsitzenden zu erklären.
13
aa) Der Senat lässt offen, ob der Rechtsansicht zu folgen wäre, wonach ein Verteidiger die Unvollständigkeit von Mitteilungen schon deswegen nicht nach § 238 Abs. 2 StPO rügen müsse (und könne), weil solchen Mitteilungen nach dem Verständigungsgesetz die Funktion abgehe, auf das Verhalten des Verfahrensbeteiligten sachleitend Einfluss zu nehmen, es sich mithin nur um bloße, dem Anwendungsbereich des § 238 Abs. 2 StPO thematisch entzogene bloße Wissensentscheidungen handele (so Schneider NStZ 2014, 252).
14
bb) Entscheidend ist, dass keine eine Rügeobliegenheit begründende Mitwirkungspflicht des Verteidigers im Verständigungsverfahren besteht, was die Mitteilung und Protokollierung von außerhalb der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführten Gespräche anbelangt.
15
Der mit dem Verständigungsgesetz eingeführte § 243 Abs. 4 StPO überantwortet die Informationspflicht für außerhalb der Hauptverhandlung geführte Verständigungsgespräche ausschließlich dem Vorsitzenden des Gerichts. Wie der Senat bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 10. Juli 2013 (2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314) näher ausgeführt hat, will das Gesetz die Transparenz der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt werden, durch die Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts in der Verhandlung für die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber für den Angeklagten herbeiführen. Durch die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO und deren Protokollierung gemäß § 273 Abs. 1a StPO werden außerhalb der Hauptverhandlung im Hinblick auf eine Verständigung erfolgte Geschehnisse festgeschrieben und einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht. Zudem soll dem Angeklagten eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht werden, wie er sein eigenes Verteidigungsverhalten einrichtet.
16
Die Zuweisung der Mitteilungs- und Informationspflicht ausschließlich an den Vorsitzenden folgt auch aus den Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts zur Schutzfunktion des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO, wonach eine "vollum- fängliche Rechtsmittelkontrolle" des Verständigungsgeschehens erfolgen soll (BVerfGE 133, 168, 204, 207). Gewollt ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für den Angeklagten durch revisionsgerichtliche Verfahrenskontrolle. Unzulässige "deals", aber auch informelle Absprachen hinter dem Rücken des Angeklagten auszuschließen, entspricht der Intention des Gesetzgebers und des Bundesverfassungsgerichts. Danach gilt es u.a. zu verhindern, "dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt" (BVerfGE 133, 168, 232). "Die Transparenzvorschriften des Verständigungsgesetzes dienen somit dem Schutz der Grundrechte des von einer Verständigung betroffenen Angeklagten vor einem im Geheimen sich vollziehenden 'Schulterschluss' zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung" (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14). Vor diesem Hintergrund kommt der Informationspflicht durch den Vorsitzenden auch die Funktion zu, den Angeklagten vor einer fehlerhaften Beratung durch seine Verteidiger zu schützen. Diese Schutzfunktion wäre jedoch eingeschränkt, würde man - z.B. nach einem Verteidigerwechsel zwischen den Instanzen - die Zulässigkeit einer auf die Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO gestützten Rüge davon abhängig machen, dass der Instanzverteidiger , der zuvor unter Umständen an einer informellen Absprache hinter dem Rücken des Revisionsführers mitgewirkt hat, eine dies verschweigende Mitteilung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung beanstandet hat.
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cc) Im Übrigen könnte § 238 Abs. 2 StPO, der darauf abzielt, die Verantwortung des gesamten Spruchkörpers für die Rechtsförmigkeit der Verhandlung zu aktivieren, von vornherein nur dann zum Tragen kommen, wenn die Verständigungsgespräche zuvor in Gegenwart sämtlicher zur Entscheidung berufener Mitglieder des Gerichts geführt worden wären. Verständigungsgespräche vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgen jedoch regelmäßig ohne die Schöf- fen; vorbereitende Gespräche während, aber außerhalb laufender Verhandlung, z.B. an Nichtsitzungstagen, müssen nicht zwingend von dem gesamten Spruchkörper geführt werden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221). In diesen Fällen müsste eine Befassung des gesamten Spruchkörpers mit der Frage der Vollständigkeit der Information leerlaufen. Letztlich würde damit eine Rügeverpflichtung von Zufälligkeiten des Einzelfalles abhängen.
18
c) Auf der Verletzung der Informationspflichten aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO beruht das Urteil zum Nachteil des Angeklagten H. .
19
Zwar hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, den Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, StV 2013, 740 [für § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO]; vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, NJW 2014, 1254, 1256); indes ist, sofern die Mitteilung über das Gespräch unterbleibt oder sich auf eine unzureichende Darstellung beschränkt, grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten tangiert (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 f.; BGH, Beschluss vom 25. November 2013 - 5 StR 502/13, NStZ-RR 2014, 52). Nur in besonderen Ausnahmefällen ist ein Beruhen auszuschließen (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, NStZ 2014, 217, 218). Dies gilt selbst dann, wenn - wie hier - im Ergebnis eine Verständigung nicht zustande kommt, weil auch in einem solchen Fall nicht auszuschließen ist, dass das Prozessverhalten des Angeklagten durch die vorangegangenen Verständigungsgespräche beeinflusst wurde (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219, 220 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417 f.). Ein solcher das Beruhen ausschließender Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
20
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Instanzverteidiger den Angeklagten über den Ablauf und den Inhalt außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche unterrichtet und so ein etwaiges Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat oder ob dies möglich gewesen wäre. Für die Entscheidung des Angeklagten, die meist mit der Frage nach einem Geständnis in der Hauptverhandlung verbunden wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob er über die Einzelheiten der in seiner Abwesenheit geführten Gespräche nur zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise von seinem Verteidiger nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, oder ob ihn das Gericht unter Dokumentation seiner Mitteilungen im Protokoll der Hauptverhandlung unterrichtet (BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314; anders wohl BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418, 419 und Schneider, NStZ 2014, 252, 253).

III.

21
1. Die auch von dem Angeklagten A. erhobene Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 StPO führt hinsichtlich dieses Angeklagten nicht zur Urteilsaufhebung, weil der Senat insoweit ein Beruhen des Urteils auf dem unter II. festgestellten Verfahrensverstoß ausschließt. Der Verteidiger des "sich schweigend verteidigenden" Angeklagten A. hat sich an den Verständigungsgesprächen nicht aktiv beteiligt. Welche Straferwartung die Staatsanwaltschaft für den wegen der Beteiligung an insgesamt 44 Fällen des Betäubungsmittelhandels angeklagten H. hatte, war für den nur in zwei Fällen als Täter Angeklagten A. ohne Aussagekraft und für seine Entscheidung , sich nicht einzulassen, erkennbar ohne Belang (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14 sowie BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.). Soweit die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Verständigungsgesprächs den Angeklagten H. darauf hingewiesen hat, belastende Angaben zu seinem Mitangeklagten könnten sein Geständnis werthaltiger machen, ist dieser für A. bedeutende Umstand - nach anwaltlicher Versicherung seines Verteidigers auf dessen Initiative - vom Vorsitzenden entsprechend mitgeteilt und protokolliert worden.
22
2. Während der Schuldspruch betreffend des Angeklagten A. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts auch auf die Sachrüge hin nicht zu beanstanden ist, unterliegt der Strafausspruch der Aufhebung , weil das Landgericht die durch § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung nicht angeklagter Taten überschritten hat.
23
Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und dabei namentlich auch sein Vorleben zu berücksichtigen. Insoweit ist er bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den Anklagegrundsatz (§§ 155, 264 StPO) nicht beschränkt und kann daher auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage sind, bzw. die nach § 154 StPO eingestellt worden sind, soweit diese für die Persönlichkeit eines Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf dessen Tatschuld gestatten. Allerdings müssen solche Taten - wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03, NStZ-RR 2004, 359 [Pfister]; Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13, NJW 2014, 645, 646 mwN; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rn. 41 f.).
24
Diesen Anforderungen genügen die insoweit rudimentären Urteilsgründe nicht. Das Landgericht hat hinsichtlich des Angeklagten A. strafschärfend gewertet, dass die "hier abgeurteilten Taten nur die Spitze des Eisberges" darstellen , was sich nicht zuletzt etwa aus den Angaben des Zeugen Pe. ergebe , mehrfach in gleicher Weise von den Angeklagten Heroin erworben zu haben (UA 26). Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es dazu, es hätten "auch weitere vermutliche Rauschgiftübergaben, die jedoch nicht konkret aufgeklärt werden konnten", stattgefunden (UA 18), und der Zeuge Pe. habe glaubhaft ausgesagt, insgesamt dreimal zum Rauschgiftkauf nach F. gefahren zu sein. In den ersten beiden Fällen vom 13. November 2012 und am 4. Dezember 2012 habe er das Rauschgift von dem Angeklagten H. im dritten Fall, wohl am 19. Januar 2013, von dem Angeklagten A. erhalten.
25
Solche Ausführungen belegen, dass die nur vermeintlich begangenen Rauschgiftgeschäfte nicht konkretisiert werden konnten; es bleibt demnach offen , ob, welche und wie viele Straftaten die Angeklagten über die hier abgeurteilten Taten hinaus noch begangen haben sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 1991 - 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14). Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.
26
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch insgesamt auf den rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht; die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben. Fischer Appl Schmitt Krehl Ott

A. 

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre strafgerichtliche Verurteilung im Anschluss an eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Mittelbar richten sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. zudem gegen die Vorschrift des § 257c StPO, die durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) - im Folgenden: Verständigungsgesetz - in die Strafprozessordnung eingefügt wurde und seither die rechtliche Grundlage für die Verständigung bildet. 

I. 

1. Die Praxis urteilsbezogener Verständigungen hat sich - feststellbar jedenfalls seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts - als Instrument zur Bewältigung von Strafverfahren herausgebildet, ohne dass es dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage gegeben hätte. Es handelt sich hierbei um Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung und dem Angeklagten, nach denen das Gericht dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine bestimmte Strafe oder jedenfalls eine Strafobergrenze zusagt. Solche Verständigungen wurden häufig außerhalb der Hauptverhandlung getroffen. Bei Abgabe des Geständnisses wurde sodann in der Regel auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet, so dass die Verständigung zu einer wesentlichen Verfahrensabkürzung führte. In den meisten Fällen wurde gegen ein Urteil, das auf einer solchen Verständigung beruhte, kein Rechtsmittel eingelegt, oftmals wurde sogar ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet (vgl. zur Entwicklung der Verständigungspraxis Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, Einl. Rn. 119 ff.). 

2. Eine wesentliche Ursache für die hohe praktische Bedeutung von Verständigungen wird in der stetig wachsenden Arbeitsbelastung der Strafjustiz gesehen, die bereits an die Grenze der Überlastung heranreiche (vgl. eingehend Krey/Windgätter, in: Festschrift für Hans Achenbach, 2011, S. 233 ff.). Neben der zunehmenden Komplexität der Fallgestaltungen infolge des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts sowie der Globalisierung, die auch in neuen Formen grenzüberschreitender Kriminalität in Erscheinung tritt, trägt der Bundesgesetzgeber durch eine immer stärkere strafrechtliche Durchdringung vieler Lebensbereiche zu dieser Entwicklung bei. Die Regelungsdichte des materiellen Strafrechts ist in den vergangenen Jahrzehnten beständig gestiegen; dies gilt besonders für das Wirtschafts- und das Nebenstrafrecht (vgl. etwa Braun, AnwBl 2000, S. 222 <225>; Theile, MSchrKrim 2010, S. 147 <149 f.>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 249). Gleichzeitig bringt die zunehmende Differenzierung und Komplizierung des Strafprozessrechts immer höhere Anforderungen mit sich. So ist etwa die Rechtsprechung zu den Beweisverwertungsverboten für die tatrichterliche Praxis mittlerweile kaum noch überschaubar (vgl. Gössel, in: Festschrift für Reinhard Böttcher, 2007, S. 79 <80>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 242 ff.). Zudem bieten extensiv einsetzbare Verfahrensrechte der Verteidigung zahlreiche Möglichkeiten, den Fortgang des Verfahrens zu erschweren; vor allem Ablehnungsgesuche und Beweisanträge sowie das Fragerecht können zu diesem Zweck missbraucht werden (vgl. Gössel, a.a.O., S. 81; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 238 ff.). Unterdessen sehen sich die Tatgerichte durch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen einem immer stärkeren Druck ausgesetzt, die Verfahrensdauer trotz aller prozessualen Schwierigkeiten zu verkürzen. Dass die Bewertung richterlicher Arbeit und die Festsetzung der Arbeitspensen nicht unwesentlich nach quantitativen Gesichtspunkten erfolgt, schafft zusätzliche Anreize für eine möglichst rasche Verfahrenserledigung auch unter Inkaufnahme inhaltlicher Defizite. Der steigenden Belastung der Strafjustiz haben die Länder nicht durch eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung Rechnung getragen; vielmehr ist auch die Justiz immer wieder von Sparmaßnahmen betroffen (vgl. Krey/Windgätter, a.a.O., S. 235). 
 
3. Das Bundesverfassungsgericht prüfte 1987 in einer Kammerentscheidung (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 f.) die Zulässigkeit von Verständigungen im Strafprozess unter den Gesichtspunkten eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und des Schuldprinzips. Diese Grundsätze verböten nicht, außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Verhandlung herbeizuführen, der schon das Strafrecht Grenzen setze. Sie schlössen es aber aus, die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen solle, ins Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft sei es deshalb untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen. Das Gericht dürfe sich also beispielsweise nicht mit einem Geständnis des Angeklagten begnügen, das dieser gegen die Zusage oder das In-Aussicht-Stellen einer Strafmilderung abgelegt habe, obwohl es sich beim gegebenen Verfahrensstand mit Blick auf das Ziel der Wahrheitserforschung und der schuldangemessenen, gerechten Ahndung der Tat zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Das Gericht müsse es sich auch versagen, den Angeklagten auf eine in Betracht kommende geständnisbedingte Strafmilderung hinzuweisen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Darüber hinaus sei die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Angeklagten vor beachtenswerter Beeinträchtigung geschützt, was seinen Ausdruck auch in der Bestimmung des § 136a StPO finde. Der Angeklagte dürfe infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen oder durch Täuschung zu einem Geständnis gedrängt werden. Das schließe jedoch eine Belehrung oder einen konkreten Hinweis auf die Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses nicht aus, wenn dies im Stand der Hauptverhandlung eine sachliche Grundlage finde. Nach diesen Maßstäben gelangte die Kammer im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Verständigung bei der im damaligen Ausgangsverfahren gegebenen besonderen Sachverhaltsgestaltung - der anwaltlich verteidigte Angeklagte hatte von sich aus eine Verständigung angeregt, als die Beweisaufnahme bereits vor ihrem Abschluss stand - keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. 

4. Nachdem der Bundesgerichtshof gegenüber Verständigungen (in dessen früherer Terminologie: „Absprachen“) außerhalb der Hauptverhandlung anfänglich eine ablehnende Haltung eingenommen hatte (vgl. etwa BGHSt 37, 298 <304 f.>; BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 1993 - 1 StR 662/93 -, NJW 1994, S. 1293 f., und vom 25. Oktober 1995 - 2 StR 529/95 -, wistra 1996, S. 68; BGHSt 42, 46 <48>), wurden Verständigungen innerhalb der Hauptverhandlung zunächst durch den 4. Strafsenat und sodann durch den Großen Senat für Strafsachen grundsätzlich gebilligt. 

a) In seiner Leitentscheidung vom 28. August 1997 (BGHSt 43, 195 ff.) erklärte der 4. Strafsenat - trotz ausdrücklicher Anerkennung der Vergleichsfeindlichkeit des Strafverfahrens und des Verbots einer Disposition über den staatlichen Strafanspruch - in der Hauptverhandlung getroffene Verständigungen für grundsätzlich zulässig und sprach zudem aus, dass sie - sofern nach den von ihm aufgestellten Vorgaben zustande gekommen - für das Gericht verbindlich seien. Unter folgenden Voraussetzungen könne eine Verständigung getroffen werden: Der Schuldspruch dürfe nicht Gegenstand der Verständigung sein. Ein verständigungsbasiertes Geständnis müsse auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden; sich hierzu aufdrängende Beweiserhebungen dürften nicht unterbleiben. Die freie Willensentschließung des Angeklagten müsse gewahrt bleiben; insbesondere dürfe er nicht durch Drohung mit einer höheren Strafe oder durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zu einem Geständnis gedrängt werden. Die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts sei unzulässig. Die Verständigung selbst müsse in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgen; Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung seien aber möglich. In die Verständigung seien alle Verfahrensbeteiligten einzubeziehen. Das Ergebnis der Verständigung sei im Protokoll niederzulegen. Eine bestimmte Strafe dürfe das Gericht nicht zusagen; unbedenklich sei aber die Zusage einer Strafobergrenze. Von dieser dürfe nur abgewichen werden, wenn sich neue schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergäben; auf eine beabsichtigte Abweichung sei in der Hauptverhandlung hinzuweisen. Der Strafausspruch dürfe den Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen. 
 
b) Der Große Senat für Strafsachen hielt in seinem Beschluss vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) an den vom 4. Strafsenat aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verständigungen fest und präzisierte diese dahingehend, dass die Differenz zwischen der verständigungsgemäßen und der bei einem „streitigen Verfahren“ zu erwartenden Sanktion nicht unangemessen groß sein („Sanktionsschere“) und das Gericht nicht nur wegen neuer Erkenntnisse von seiner Zusage abweichen dürfe, sondern - nach entsprechendem Hinweis - auch dann, wenn schon bei der Verständigung vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen worden seien. Der nach einer Verständigung erklärte Rechtsmittelverzicht sei grundsätzlich unwirksam; die Unwirksamkeit entfalle jedoch, wenn der Rechtsmittelberechtigte darüber belehrt worden sei, dass er ungeachtet der Verständigung in seiner Entscheidung frei sei, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Die grundsätzliche Billigung der Verständigung begründete der Große Strafsenat mit der Notwendigkeit, trotz knapper Ressourcen die Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz zu gewährleisten, und mit Hinweisen auf den Beschleunigungsgrundsatz, die Prozessökonomie sowie den Zeugen- und Opferschutz. Allerdings sei die Strafprozessordnung in ihrer geltenden Form am Leitbild der materiellen Wahrheit orientiert, die vom Gericht in der Hauptverhandlung von Amts wegen zu ermitteln und der Disposition der Verfahrensbeteiligten weitgehend entzogen sei. Die Praxis der Verständigungen sei daher kaum ohne Bruch in das gegenwärtige System einzupassen. Aus diesem Grund appellierte der Große Senat für Strafsachen an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Verständigungen im Strafprozess gesetzlich zu regeln. 

5. Dieser Forderung nach einer gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz Rechnung getragen. Das darin enthaltene Regelungskonzept geht ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 8) in seinem Grundansatz davon aus, dass für die Verständigung im Strafverfahren keine neue - dem deutschen Strafprozess bislang unbekannte - Form einer konsensualen Verfahrenserledigung eingeführt werden sollte, die die Rolle des Gerichts, insbesondere seine Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit, zurückdrängen würde. Die Grundsätze des Strafverfahrens sollten vielmehr weiterhin Geltung behalten, namentlich, dass eine Verständigung unter Beachtung aller maßgeblichen Verfahrensregeln einschließlich der Überzeugung des Gerichts vom festgestellten Sachverhalt und der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses stattfinden müsse, die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs, nicht zuletzt auch die Transparenz der Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gewahrt sein müssten, und dass insbesondere der Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen werden dürfe. 

Die zentrale Bestimmung des gesetzgeberischen Regelungskonzepts in § 257c StPO hat folgenden Wortlaut:

§ 257c
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. 
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein. 
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen. 
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen. 

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren. 

Die Vorschrift erlaubt dem Gericht ausdrücklich eine Verständigung über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nach den darin genannten Maßgaben; sie stellt außerdem klar, dass die Pflicht des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt bleibt. Hierdurch soll in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs die Beachtung der rechtsstaatlichen Anforderungen an das Strafverfahren gewährleistet und insbesondere die Schuldangemessenheit der Strafe sichergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9). 

Außerdem wurden Vorschriften eingeführt, die es der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren sowie dem Gericht vor und nach Eröffnung des Hauptverfahrens sowie in der Hauptverhandlung ausdrücklich erlauben, „den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern“ (§§ 160b, 202a, 212, 257b StPO). Der wesentliche Inhalt einer solchen Erörterung ist jeweils aktenkundig zu machen; der Inhalt einer in der Hauptverhandlung durchgeführten Erörterung ist in das Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1 Satz 2 StPO). 

§ 160b
Die Staatsanwaltschaft kann den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 202a
Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 212
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gilt § 202a entsprechend. 

§ 257b
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. 

§ 273
(1) […] In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden. […] 
Flankiert werden diese Regelungen durch weitere neue Vorschriften, die die Transparenz der Verständigung und die Möglichkeit einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gewährleisten sollen. Nach § 243 Abs. 4 StPO ist in der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob - und falls ja mit welchem Inhalt - außerhalb der Hauptverhandlung Erörterungen des Verfahrensstandes zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben, in denen die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO thematisiert wurde:

§ 243
[…] (4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, muss dies in den schriftlichen Urteilsgründen angegeben werden (§ 267 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 StPO). 

Die in § 273 StPO enthaltenen Vorschriften über die Protokollierung der Hauptverhandlung wurden wie folgt erweitert:

§ 273
[…] (1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO). In diesem Fall ist der Angeklagte darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen (§ 35a Satz 3 StPO). 

6. Das Regelungskonzept des Gesetzgebers ist teils auf Zustimmung (vgl. etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 ff.) gestoßen, teils aber auch auf scharfe Kritik (vgl. etwa Meyer-Goßner, ZRP 2009, S. 107 ff.; Bittmann, wistra 2009, S. 414 ff.; Fezer, NStZ 2010, S. 177 ff.). Nach verbreiteter Ansicht entsprechen die gesetzlichen Vorschriften über die Verständigung nicht den Bedürfnissen der Praxis. So werden die Protokollierungs- und Belehrungspflichten sowie der generelle Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts als Erschwerung der richterlichen Tätigkeit und damit als Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage empfunden; der mit der Verständigung angestrebte Entlastungseffekt werde dadurch jedenfalls teilweise wieder zunichte gemacht (vgl. Polomski, DRiZ 2011, S. 315 f.). Ferner wird die Auffassung vertreten, § 257c StPO regele nur die „förmliche“ Verständigung, weshalb für „informelle“ Absprachen oder „Gentlemen‘s Agreements“ außerhalb der Hauptverhandlung weder die gesetzlichen Protokollierungs- und Belehrungspflichten noch der Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts gälten (vgl. Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, a.a.O., S. 416 Fn. 25). 

II. 

1. a) Der Beschwerdeführer zu I. wurde als einer von vier Angeklagten durch das Landgericht München II mit Urteil vom 9. März 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 259 tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit mit vier Fällen der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Unmittelbar nach Anklageverlesung und Belehrung der Angeklagten war die Hauptverhandlung für ein Rechtsgespräch unterbrochen worden. Anschließend gaben die Verteidiger für ihre Mandanten jeweils eine Erklärung ab, und die Angeklagten erklärten sich zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Vorsitzende schlug die Erteilung eines Hinweises vor, wonach das Gericht in voller Besetzung das Verfahren gemäß § 257b StPO mit den Verteidigern und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ausführlich erörtert habe. Unter Berücksichtigung der vorläufigen rechtlichen Bewer- tung, der Vorstrafen und eines angekündigten Geständnisses der Angeklagten rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu I. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und die drei Mitangeklagten zu Gesamtfreiheitsstrafen von nicht mehr als fünf Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und vier Jahren verurteilt würden. Für den Fall einer Verurteilung in dieser Größenordnung habe die Staatsanwaltschaft angekündigt, ein dort noch anhängiges Ermittlungsverfahren zu einem weiteren Tatkomplex im Wesentlichen nach § 154 Abs. 1 StPOeinzustellen. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Die Angeklagten, die Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten sich mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden. Im Anschluss machten die Angeklagten jeweils Angaben zur Sache, wobei der Beschwerdeführer zu I. auch Fragen beantwortete. Sämtliche polizeilichen Zeugenvernehmungsprotokolle wurden gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 1 Satz 1 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt und die entsprechenden Zeugen abgeladen. In der Folge vernahm die Kammer noch mehrere Polizeibeamte und Behördenmitarbeiter als Zeugen. Unterlagen wurden teils in Augenschein genommen oder verlesen, teils im Selbstleseverfahren eingeführt. 

b) Mit seiner Revision beanstandete der Beschwerdeführer zu I. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhob die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. In Bezug auf den Belehrungsfehler verwies der Bundesgerichtshof auf eine frühere Entscheidung (Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10 -), in der er die Rüge eines Verstoßes gegen § 257c Abs. 5 StPO mit der Erwägung zurückgewiesen hatte, das Urteil beruhe nicht auf dem Fehler, weil die Strafkammer die im Rahmen der Verständigung angekündigte Strafobergrenze eingehalten habe. 

2. a) Die Beschwerdeführer zu II. wurden durch das Landgericht München II mit Urteil vom 27. April 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in 27 tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (Beschwerdeführer zu II. 1)) und drei Jahren und vier Monaten (Beschwerdeführer zu II. 2)) verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Zu Beginn der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Beschwerdeführers zu II. 2) ein Rechtsgespräch angeregt, für das die Verhandlung unterbrochen wurde. In der Pause führten die Verteidiger, das Gericht und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Verständigungsgespräche. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung stellte das Gericht fest, das Verfahren gemäß § 257b StPO mit allen Verfahrensbeteiligten ausführlich erörtert zu haben. Die Kammer habe darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage und vorbehaltlich des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der Beweisaufnahme ein Schuldspruch wegen 27 Fällen des Betruges in besonders schwerem Fall jeweils in Tateinheit mit dem vorsätzlichen gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts in Betracht komme. Unter Berücksichtigung dieser Bewertung sowie eines angekündigten Geständnisses rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu II. 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und sechs Monaten verurteilt werde und der Beschwerdeführer zu II. 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und vier Monaten. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Dem Vorschlag stimmten die Beschwerdeführer zu II., ihre Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich zu. Auf die Einvernahme von Zeugen - mit Ausnahme des ermittelnden Polizeibeamten - wurde allseits verzichtet. Die Verteidiger gaben Erklärungen zur Sache ab, die sich die Beschwerdeführer zu II. jeweils zu eigen machten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf diesen Erklärungen und auf den Angaben des ermittelnden Polizeibeamten sowie den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Ergebnissen einer von der Polizei in Form von Fragebögen durchgeführten schriftlichen Zeugenbefragung. 

b) Mit ihrer Revision beanstandeten die Beschwerdeführer zu II. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhoben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 2. November 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Zu dem Belehrungsmangel führte er aus, dass eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen vorab zu belehren sei, nicht vorliege. Die verhängten Strafen überstiegen auch nicht die vom Gericht jeweils zugesicherte Höhe. Konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, so dass letztlich ein für sie günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 

3. a) Der Beschwerdeführer zu III. wurde als einer von zwei Angeklagten durch das Landgericht Berlin mit Urteil vom 15. März 2011 wegen zweier Fälle des schweren Raubes und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Der Vorsitzende hatte die Angeklagten nach Verlesung der Anklageschrift darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Raubtaten im Wesentlichen drei Möglichkeiten gebe. Die erste sei ein Freispruch, die zweite eine Verurteilung wegen eines oder zweier Fälle des schweren Raubes mit jeweils einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren nach streitiger Beweisaufnahme. In der zweitgenannten Konstellation - so die Urteilsgründe - „verspüre“ die Kammer angesichts dessen, dass es sich um Taten handele, die die Angeklagten als Polizeibeamte im Dienst begangen hätten, „wenig Neigung“ zur Annahme von minder schweren Fällen. Die dritte Möglichkeit schließlich sei hinsichtlich der Konsequenzen ein Mittelweg: Falls die Angeklagten sich zu Geständnissen, die eine Beweisaufnahme überflüssig machen, entschlössen, könne dieser Umstand bei der Gesamtabwägung, ob minder schwere Fälle vorliegen, eine entscheidende Rolle spielen und letztlich den Ausschlag zugunsten der Angeklagten geben. In diesem Fall seien Gesamtfreiheitsstrafen zu erwarten, deren Vollstreckung die Kammer zur Bewährung aussetzen könne. Während einer 85-minütigen Verhandlungspause hatten die Angeklagten Gelegenheit, über den Vorschlag des Gerichts nachzudenken und ihn mit ihren Verteidigern zu beraten. Der Vorsitzende mahnte derweil zur Eile. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu III. warnte ihn sein Verteidiger zudem vor der Möglichkeit einer „Saalverhaftung“, wenn er der vorgeschlagenen Verständigung nicht nähertrete. Nach der Verhandlungspause erklärten die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu dem Vorschlag des Gerichts, was entsprechend zu Protokoll genommen wurde. Nach allgemeiner und besonderer Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO legten die Angeklagten Geständnisse in Form einer schlichten Bestätigung des Anklagesatzes ab. Anschließend erklärten die Verteidiger jeweils, dass Fragen zur Sache nicht beantwortet würden. Auf die Vernehmung von Zeugen wurde allseits verzichtet. Nach den Plädoyers und dem letzten Wort der Angeklagten zog sich die Kammer zur Beratung zurück, trat sodann aber noch einmal in die Beweisaufnahme ein, um die Angeklagten zu fragen, ob sie bei den Taten ihre Dienstwaffen bei sich geführt hätten und ob diese geladen gewesen seien, was die Angeklagten bejahten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf den Erklärungen der Angeklagten und entsprechen weitgehend dem Anklagesatz. 

b) Mit seiner Revision machte der Beschwerdeführer zu III. im Wege der Verfahrensrüge Verstöße gegen § 244 Abs. 2 StPO und gegen § 136a StPO geltend und erhob daneben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPOals unbegründet und bemerkte lediglich ergänzend, dass er der Revision jenseits der vom Generalbundesanwalt zutreffend als unzulässig bewerteten Verfahrensrügen eine noch zulässig erhobene Beanstandung der Anwendung von § 257c StPO entnehme. Diese greife in der Sache aber nicht durch. Das Landgericht habe den Angeklagten vor Augen halten dürfen, dass im Verurteilungsfall nur unter der Voraussetzung eines Geständnisses der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (minder schwerer Fall) eröffnet sein könne. Eine Drohung mit einer willkürlich bemessenen „Sanktionsschere“ liege deshalb nicht vor. Zu allen darüber hinausgehenden Behauptungen unzulässigen Drucks fehle es schon an ausreichendem Revisionsvortrag. Abgesehen davon sei insoweit ersichtlich nichts erwiesen. 

III. 

1. Die Beschwerdeführer zu I. und zu II. rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbelastungsfreiheit und des fairen Verfahrens sowie dem Schuldprinzip, ferner Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 101 Abs. 1 GG durch das Unterlassen der von § 257c Abs. 5 StPO verlangten Belehrung vor Zustandekommen der Verständigung. Hilfsweise rügen sie die Verfassungswidrigkeit des § 257c StPOwegen Verstoßes insbesondere gegen das Schuldprinzip und das Rechtsstaatsgebot. 

a) Die Möglichkeit einer Beeinflussung des Verfahrensausgangs durch eine Verständigung übe mittelbar Druck auf den Angeklagten aus, ein Geständnis abzulegen. Eine freiverantwortliche, auf autonomer Einschätzung des damit verbundenen Risikos beruhende Entscheidung über die Abgabe eines Geständnisses setze voraus, dass der Angeklagte wisse, dass sich das Gericht über § 257c Abs. 4 StPOwieder von der Verständigung lösen könne. Die Gerichte hätten diese Aufgabe, die der Gesetzgeber der Belehrungspflicht zugewiesen habe, übersehen und § 257c Abs. 5 StPO unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG zu einer reinen Ordnungsvorschrift entwertet. Käme nämlich - worauf die Revisionsentscheidung hinauslaufe - ein Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO nur bei einer Abweichung des Gerichts von der Verständigung zum Tragen, so bliebe ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht letztlich in allen Fällen ohne Konsequenz, da bei einer Abweichung von der Verständigung das Geständnis schon wegen § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht verwertbar sei. Auch aus tatsächlicher Sicht überzeuge die Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht, da niemand wissen könne, ob bei ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung überhaupt zustande gekommen wäre. 

b) Die Vorschrift des § 257c StPO verstoße gegen das Schuldprinzip und das aus Rechtsstaatsgebot und Gleichheitssatz folgende Legalitätsprinzip, die beide die Ermittlung des wahren Sachverhalts verlangten. Das Bemühen um Gewährleistung einer - trotz der Verständigung - schuldangemessenen Strafe sei mit dem zugleich verfolgten Anliegen einer Verfahrensverkürzung unvereinbar. Dieser innere Widerspruch präge die gesamte Diskussion zu § 257c StPO. Die gesetzliche Regelung sei nicht geeignet, die Realität der Verständigungspraxis zu beeinflussen. Eine wirksame revisionsgerichtliche Kontrolle von Verständigungen sei nicht möglich. Die Verständigung laufe darauf hinaus, der gerichtlichen Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zugrundezulegen; dieses sei aber gerade nicht zur Findung der materiellen Wahrheit, sondern lediglich zu einer Verdachtsklärung bestimmt. Die Schöffen, die den Akteninhalt nicht kennten, seien für ihre Überzeugungsbildung auf den Inbegriff der Hauptverhandlung angewiesen. Im Falle eines Scheiterns der Verständigung sei die Neutralität des Richters im weiteren Verlauf des Verfahrens gefährdet. Dass dem unverteidigten Angeklagten faktisch die Möglichkeit einer Verständigung verschlossen bleibe, verstoße gegen den Gleichheitssatz. 

2. Der Beschwerdeführer zu III. rügt eine Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG. Der Bundesgerichtshof habe die Anforderungen an die Zulässigkeit von Verfahrensrügen in der Revision überspannt. Ferner verstoße die vom Landgericht angedrohte „Sanktionsschere“ gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Schließlich habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es das Geständnis nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft habe. 

IV. 

1. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Durch die Verständigung werde nicht ermöglicht, dass sich die Verfahrensbeteiligten ohne Ermittlung des wahren Sachverhalts auf ein bestimmtes Ergebnis einigten. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO stelle vielmehr klar, dass der Amtsermittlungsgrundsatz auch im Falle einer Verständigung unberührt bleibe. Entsprechendes gelte für die Strafzumessung, die sich weiterhin nach § 46 StGB bestimme. Der Angeklagte könne unabhängig vom Vorliegen einer Verständigung frei entscheiden, ob er sich geständig einlassen wolle oder nicht. § 257c StPO lasse daher die Selbstbelastungsfreiheit unberührt. Auch die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege werde durch die gesetzliche Regelung nicht beeinträchtigt. Vielmehr könne eine geständige Einlassung zu einer weniger umfangreichen Beweisaufnahme führen. Auch könnten Verständigungen eine Verbesserung des Opferschutzes bewirken, wenn ein Geständnis die Vernehmung von Opferzeugen in der Hauptverhandlung entbehrlich mache. 

2. Die Bayerische Staatsregierung, die sich zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. geäußert hat, hält diese für unbegründet. Ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren liege nicht vor. Zum einen habe sich das Gericht an die zugesagten Strafobergrenzen gehalten, zum anderen mache die bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Belehrung von der Verständigung insgesamt Abstand genommen hätten, das Verfahren nicht unfair. § 257c StPO verletze weder das Schuldprinzip noch den Legalitätsgrundsatz. Die nunmehr gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, ein Ermittlungs- oder Strafverfahren durch Einräumung von inneren und äußeren Umständen im Rahmen einer Verständigung abzukürzen, werde der Tatsache gerecht, dass dem Angeklagten aufgrund seiner Subjektqualität auch zugetraut werden müsse, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Außerdem lasse § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO die Amtsaufklärungspflicht unberührt. 

3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des 1., 3., 4. und 5. Strafsenats vorgelegt. 

a) Der Vorsitzende des 1. Strafsenats führt aus, eine frühe Einbeziehung des Angeklagten und seines Verteidigers in die Überlegungen zur Strafzumessung bis hin zu einer Verständigung stärke die Stellung des Angeklagten als Subjekt. An der Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung habe sich durch § 257c StPO nichts geändert. Seien die zur Wahrheitsfindung erforderlichen Tatsachen nach Überzeugung des Gerichts durch ein Geständnis umfassend erwiesen, komme einer weiteren Beweisaufnahme keine Bedeutung mehr zu. Sie werde von § 244 Abs. 2 StPO nicht gefordert und sei zur Vermeidung unnötiger Belastung des Angeklagten, der Tatopfer sowie zum effektiven Einsatz der Ressource Recht zu vermeiden. Eine überdurchschnittliche Fehlerquote könne der Senat bei dem Verständigungsverfahren gemäß § 257c StPO nicht konstatieren. Von den im Jahr 2011 beim 1. Strafsenat anhängig gewordenen 650 Revisionsverfahren habe dem Urteil nur in 34 Fällen (ca. 5 %) eine Verständigung zugrunde gelegen. Nur in drei Fällen habe es Anlass zu Kritik gegeben: In zwei Fällen habe eine unzulässige Vereinbarung über den Schuldspruch vorgelegen, im dritten Fall eine unvertretbare Nichtberücksichtigung eines besonders schweren Falles. 

b) Die Vorsitzenden des 3. und 4. Strafsenats verweisen auf Entscheidungen ihrer Senate. Der Vorsitzende des 5. Strafsenats verweist ebenfalls auf Entscheidungen seines Senats und teilt mit, die von seinem Strafsenat bislang entschiedenen Fälle ließen aus seiner Sicht noch keine generelle Beurteilung der Normanwendung durch die Tatgerichte aus der in diesem Bereich ohnehin eingeschränkten Sicht des Revisionsgerichts zu. Der Senat hege bislang keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 257c StPO.
 
4. Der Generalbundesanwalt hält § 257c StPO für grundsätzlich verfassungskonform. Die Norm ersetze nicht die bisherige Struktur des Strafprozesses durch ein adversatorisches Verfahren, sondern füge sich entsprechend dem Willen des Gesetzgebers in das bestehende System ein. Sie verletze weder das Schuldprinzip noch das Recht auf ein faires Verfahren. Die Unschuldsvermutung und die Selbstbelastungsfreiheit blieben ebenso unangetastet wie der Gleichheitssatz. Zwar führe die gesetzliche Zulassung von Verständigungen zu Spannungen mit zahlreichen Verfahrensmaximen des Strafprozesses. In Anbetracht des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers folge hieraus aber nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm. Erheblich für die Verfassungsmäßigkeit der Verständigung spreche, dass sie besonders geeignet sei, den - in seiner Bedeutung im Verhältnis zum Ideal der Wahrheitsfindung zuletzt deutlich aufgewerteten - Zweck der Herstellung von Rechtsfrieden zu erreichen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Verständigung auch auf einer angemessenen Einbeziehung und Interessenwahrung des Opfers beruhe. Eine Legitimation der Verständigung lasse sich teilweise auch aus dem Prinzip der Disponibilität von Rechten ableiten. Die Rechtsordnung gewähre dem Angeklagten in weitem Umfang die Möglichkeit, auf Verfahrensrechte zu verzichten und die Art seines Verteidigungsverhaltens autonom zu bestimmen. Anführen lasse sich für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Verständigungen ferner, dass diese Erledigungsart auf dem durchweg als modern und zeitgemäß empfundenen Gebot eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils aufbaue. 

Ungeachtet dessen entfalte die gesetzliche Verankerung der Verständigung eine erhebliche Sogwirkung in Richtung auf strukturelle Veränderungen des Strafprozesses. Die Anerkennung und Ausbreitung quasi-vertraglicher Erledigungsformen habe sich in mehreren Stufen mit bislang ungebrochen expansiver Tendenz vollzogen. Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten die normative Kraft des Faktischen nur nachholend bestätigen können, wobei gegenläufige, auf eine Kanalisierung der Verständigungspraxis gerichtete Bestrebungen bislang nicht in der Lage gewesen seien, die Dynamik der Entwicklung aufzuhalten. Ein wesentliches Motiv für die gewachsene Zahl von Verständigungen sei die in den vergangenen Jahrzehnten gestiegene Arbeitsbelastung der Justiz, mit der deren sachliche und personelle Ausstattung nicht Schritt gehalten habe. Angesichts dessen beziehe die Verständigung als Gegenmodell zur Durchführung einer aufwendigen streitigen Hauptverhandlung einen wesentlichen Teil ihrer Attraktivität aus der Möglichkeit für alle Beteiligten, das Verfahren drastisch abzukürzen, es möglichst weiterer rechtlicher Kontrolle zu entziehen und so über die Einsparung von Arbeitsaufwand im konkreten Fall die jeweiligen Erledigungsquoten - beim Verteidiger zudem mit positiven ökonomischen Folgen - zu erhöhen. 

Zur Sicherung der Verfassungskonformität sei daher einer weiteren Expansion von Formen der Verständigung im Strafprozess Einhalt zu gebieten. Dieser Erledigungsart könne im strafprozessualen System nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine ergänzende Funktion zukommen. Sie dürfe nicht zum Regelfall des Strafverfahrens werden. Um den mit ihr verbundenen mittelbaren Gefährdungen verfassungsrechtlich geschützter Verfahrensprinzipien auf Dauer entgegenzuwirken, bedürften Anwendungsbereich und Voraussetzungen des § 257c StPO in Fortführung bereits vorhandener Ansätze in der fachgerichtlichen Rechtsprechung einer einschränkenden Auslegung. Ferner seien die im Gesetz angelegten Restriktionspotenziale über die bisherige Rechtsanwendung hinaus weiter auszuschöpfen und weitere flankierende Maßnahmen geboten. 

Vor diesem Hintergrund hält der Generalbundesanwalt die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beruhensprüfung hinsichtlich des Belehrungsmangels sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. erachtet der Generalbundesanwalt dagegen auf der Grundlage der von ihm als notwendig erachteten verfassungskonformen Auslegung des § 257c StPOals nicht aussichtslos. Es fehle bereits an der plausiblen Darlegung der Eignung des Falles für eine Verständigung, auf die die Strafkammer vorschnell ausgewichen sei. Zudem habe das Landgericht das erkennbar auf eine reine Bestätigung der Anklage beschränkte Geständnis keiner weiteren Überprüfung unterzogen. Schließlich gehe die Verständigung auf ein verfassungsrechtlich bedenkliches Aufzeigen von Alternativstrafen zurück. 

5. Der Senat hat ferner Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer eingeholt. 
a) Der Deutsche Richterbund vertritt die Auffassung, das Verständigungsgesetz habe zwar einen erheblichen Gewinn an Rechtssicherheit gebracht; gleichwohl habe sich die gesetzliche Regelung aus Sicht der Praxis nicht uneingeschränkt bewährt. Das Risiko, dass eine Verständigung auch und gerade wegen des erwünschten Beschleunigungseffekts einen Verzicht auf gründliche und umfassende Sachaufklärung zur Folge haben könne, sei unübersehbar. Die Verkürzung der Hauptverhandlung führe außerdem dazu, dass der - in der Praxis in aller Regel von der Polizei erstellte - schriftliche Inhalt der Akten an Bedeutung gewinne. Die Justiz drohe die gebotene Kontrolle über die polizeilichen Ermittlungsergebnisse zu verlieren. Hinzu komme, dass es für alle Verfahrensbeteiligten verführerisch sei, sich die oft notwendige Erfassung, Auswertung und Beurteilung umfangreicher elektronisch gespeicherter Beweismittel durch eine Verständigung zu ersparen unter Inkaufnahme und im Bewusstsein des Umstandes, dadurch nur einen kleinen Teil des Beweisstoffes zur Kenntnis zu nehmen. Nicht von der Hand zu weisen sei die Gefahr, dass gerade bei Verfahren großen Umfangs das zu einem frühen Zeitpunkt aus echter Reue abgegebene Geständnis im Vergleich zu dem im Hinblick auf eine mögliche Verständigung taktisch zurückgehaltenen Geständnis entwertet werde. Damit verbunden sei die bedenkliche Tendenz, „kleine“, häufig unverteidigte Straftäter härter zu bestrafen, während die Justiz in Großverfahren aus Mangel an Mitteln immer nachgiebiger werde. Die in vielen Ländern unzureichende Personalausstattung der Justiz führe in der Kombination mit weiteren ungünstigen Rahmenbedingungen des deutschen Strafprozesses, deren Verbesserung bislang nicht gelungen sei, immer wieder zu Hauptverhandlungen, die der Öffentlichkeit nicht als dem hohen Gerechtigkeitsanspruch der deutschen Justiz entsprechend vermittelt werden könnten. Dadurch leide das Ansehen der Rechtspflege insgesamt. Hinzu komme, dass das Verständigungsverfahren zahlreiche noch offene Probleme aufweise. So würden die Öffentlichkeits- und Protokollierungspflichten teilweise als Belastung empfunden; zugleich würden vielfältige Hinweis- und Fürsorgepflichten des Tatrichters die Handhabung des § 257c StPO erschweren. Auch die umfangreichen Belehrungspflichten des § 257c Abs. 5 StPO hätten sich als wenig praxistauglich erwiesen. Der Ausschluss des Verzichts auf Rechtsmittel stehe im Widerspruch zu der Erwartung der Praxis, mit der ausgehandelten Verständigung eine rasche Rechtskraft des Ergebnisses zu erreichen. Die Verlockung, „es so zu machen wie früher“ und eine unzulässige „informelle“ Absprache außerhalb des § 257c StPO zu treffen, erscheine daher evident. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Gefahr, dass sich Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidiger dergestalt an Absprachen gewöhnten, dass die Beendigung des Verfahrens auf diese Weise zum Regelfall werde. Die Warnungen vor einem „schleichend eingeläuteten Systemwechsel“ seien ernst zu nehmen. Dem Zeitgeist folgend versuche der Gesetzgeber, unter dem Deckmantel der Förderung eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils Versäumnisse bei der Ausgestaltung und Praktikabilität des formellen und materiellen Rechts zu kompensieren. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die prozessualen Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Justiz ihrem gesetzlichen Strafverfolgungsauftrag gerecht werden könne, ohne sich auf Verhandlungen mit dem Angeklagten zulasten der materiellen Wahrheit und der Gerechtigkeit einlassen zu müssen. Um dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot Genüge zu tun und die Handlungsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten, kämen etwa eine Neuordnung des Ablehnungsrechts, die Befristung von Beweisanträgen, eine Neufassung des § 265 Abs. 3 StPO, Erleichterungen bei Beweistransfers aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung (etwa bei der Einführung von Urkunden) und eine Änderung des § 273 Abs. 3 StPO in Betracht. 

b) Der Deutsche Anwaltverein hält die Anwendung des § 257c StPO durch die Gerichte in den Ausgangsverfahren für verfassungswidrig und die Verfassungsbeschwerden daher für begründet. Insbesondere verstoße die Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO gegen das Recht auf ein faires Verfahren, da bei fehlender Belehrung die Willensfreiheit des Angeklagten im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abschluss der Verständigung nicht gegeben sei. Zudem bestünden an der Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO erhebliche Zweifel. Der Aufklärungsgrundsatz und das Schuldprinzip stünden dem mit § 257c StPO verfolgten Ziel einer Verfahrensverkürzung und -vereinfachung strukturell entgegen. Eine „Bändigung der Verständigung“ sei durch die gesetzliche Regelung nicht geglückt. Dieser Befund werde durch Erfahrungsberichte von Mitgliedern des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins bestätigt. In einem Fall habe etwa der Vorsitzende einer Strafkammer im Gespräch mit dem Verteidiger geäußert, dass das Urteil, das aufgrund der Verständigung zustande kommen sollte, einer revisionsgerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht standhalten würde. Dieses Risiko würde er aber eingehen, weil er davon ausgehe, dass sich alle Beteiligten an die Verständigung halten und daher keine Revision eingelegt werde. In einem anderen Fall habe die Kammer für die Abgabe umfassender Geständnisse im Sinne der Anklage eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich in Aussicht gestellt, obwohl sich der Sachverhalt in der Hauptverhandlung anders dargestellt habe. Da für die Angeklagten die Freiheit wichtiger gewesen sei als die Wahrheit, seien entsprechende, die Anklage bestätigende Geständnisse abgegeben worden. Die Gefahr falscher Geständnisse habe durch das Verständigungsgesetz eher zugenommen. Benachteiligt werde der Angeklagte, der schon früh im Ermittlungsverfahren gestanden habe, da er für eine Verständigung nichts mehr anzubieten habe. Die Förmlichkeiten und Beschränkungen des gesetzlich vorgesehenen Verständigungsverfahrens würden in der Praxis überwiegend umgangen. Die Revisionsgerichte ließen die Möglichkeiten zur „Domestizierung“ der Verständigung ungenutzt. 

c) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält § 257c StPO für verfassungsgemäß. Die Vorschrift stehe im Spannungsverhältnis zwischen den Verpflichtungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts und zur Bestimmung der schuldangemessenen Strafe als Elementen des Schuldprinzips, dem Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Gebot wirksamer Strafrechtspflege. Die gesetzliche Regelung sei ausgerichtet auf einen praktisch konkordanten Ausgleich zwischen diesen Grundsätzen. Sie schaffe im Vergleich zur früheren Rechtslage ein beträchtliches Maß an Rechtssicherheit. Tragende Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens seien nicht verletzt. Dies gelte insbesondere für den Amtsermittlungsgrundsatz, die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit und das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung. Das generell mit der Verurteilung auf der Grundlage eines Geständnisses verbundene Risiko eines Fehlurteils werde durch die gesetzlichen Verständigungsregelungen nicht signifikant erhöht. Dass der Bundesgerichtshof dazu neige, bei Verstößen gegen die formellen Voraussetzungen einer Verständigung, namentlich die Dokumentations-, Mitteilungs- und Belehrungspflichten, ein Beruhen des Urteils auszuschließen, sei der vom Gesetzgeber angestrebten Transparenz des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens allerdings nicht förderlich. Die Eindämmung „informeller“ Absprachen werde dadurch erschwert. Im Ergebnis sei ein struktureller Mangel des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren derzeit nicht erkennbar. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die unterbliebene Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO habe das Verfahren nicht insgesamt unfair gemacht, da das Gericht letztlich von der Verständigung nicht abgewichen sei. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. hält die Bundesrechtsanwaltskammer dagegen für begründet. Insbesondere habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es sich mit einem Formalgeständnis begnügt habe. Zudem sei dem Geständnis ein Aufzeigen von Alternativstrafen vorausgegangen. Dies stelle einen Verstoß gegen das Schuldprinzip dar. 

V. 

Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Altenhain, Universitätsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, mit der Durchführung einer repräsentativen empirischen Untersuchung zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren beauftragt. Zu diesem Zweck hat der Sachverständige im Zeitraum zwischen dem 17. April und 24. August 2012 insgesamt 190 mit Strafsachen befasste Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen befragt, von denen 117 als Strafrichter oder Vorsitzende eines Schöffengerichts und 73 als Vorsitzende einer Strafkammer tätig waren. Als Kontrollgruppe wurden daneben 68 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie 76 Fachanwältinnen und Fachanwälte für Strafrecht befragt. 

Nach Einschätzung der befragten Richter wurden im Kalenderjahr 2011 17,9 % der Strafverfahren an Amtsgerichten und 23 % der Strafverfahren an Landgerichten durch Absprachen erledigt. Auf die Frage, in wieviel Prozent der Fälle nach ihrer Einschätzung in der gerichtlichen Praxis die gesetzlichen Vorschriften zur Verständigung verletzt würde, gaben etwas mehr als die Hälfte der Richter an, dass dies in mehr als der Hälfte aller Verfahren mit Absprachen der Fall sein dürfte. So gaben 58,9 % der befragten Richter an, mehr als die Hälfte ihrer Absprachen „informell“, also ohne Anwendung des § 257c StPOdurchgeführt zu haben, 26,7 % gaben an, immer so vorgegangen zu sein. 33 % der befragten Richter gaben an, außerhalb der Hauptverhandlung Absprachen geführt zu haben, ohne dass dies in der Hauptverhandlung offengelegt wurde, während 41,8 % der Staatsanwälte und 74,7 % der Verteidiger angaben, dies schon erlebt zu haben. Die Offenlegungspflicht wird von einem nicht unbeachtlichen Teil der Richter als überflüssiger Formalismus empfunden. Die Regelung zum sogenannten Negativattest (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO) bleibt in der Praxis oft unbeachtet. 54,4 % der befragten Richter gaben an, eine nicht erfolgte Verständigung für im Protokoll nicht erwähnenswert zu halten. 46,7 % der befragten Richter weisen entgegen § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO nicht in den Urteilsgründen auf eine dem Urteil vorausgegangene Verständigung hin. Sehr häufiger Inhalt von Absprachen ist die Einstellung beziehungsweise Beschränkung des Verfahrens nach §§ 154, 154a StPO; in diesem Zusammenhang wird auch die Einstellung anderer, nicht in die Anklage einbezogener Verfahren im Rahmen sogenannter „Gesamtlösungen“ immer wieder thematisiert. (Im Rahmen einer von G. Schöch durchgeführten anonymisierten empirischen Erhebung zur Absprachepraxis in München sind sogar „Familienlösungen“ bekanntgeworden, bei denen etwa der Mann eine höhere Freiheitsstrafe erhält und im Gegenzug die Frau eine Bewährungsstrafe, um zu Hause die Kinder versorgen zu können, oder die zukünftigen Strafen von Familienangehörigen in anderen Verfahren gleich mit abgesprochen werden [vgl. G. Schöch, Urteilsabsprachen in der Strafrechtspraxis, 2007, S. 147]). Teilweise werden ausweislich der Studie von Prof. Dr. Altenhain durch § 257c Abs. 2 StPO ausdrücklich ausgeschlossene Inhalte wie etwa der Schuldspruch in die Absprache aufgenommen. Während 61,7 % der Richter angaben, die Glaubhaftigkeit von im Anschluss an eine Absprache abgelegten Geständnissen immer zu überprüfen, räumten 38,3 % der Richter ein, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses nicht immer, sondern nur häufig, manchmal, selten oder nie zu überprüfen. 35,3 % der befragten Richter haben nach eigenem Bekunden dem Angeklagten oder seinem Verteidiger in Verständigungsgesprächen neben der Strafobergrenze beziehungsweise dem bestimmten Strafmaß für den Fall einer Kooperation schon einmal eine zweite Strafe für den Fall einer „streitigen“ Hauptverhandlung genannt, 16 % gaben an, typischerweise so vorzugehen. Die Einlegung eines Rechtsmittels nach einer Absprache ist sehr selten. Nach Auskunft von 27,4 % der Richter wurde sogar bei Verständigungen gemäß § 257c StPO - entgegen § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO - ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet. Von den Richtern gaben 14,7 % an, dass bei ihnen nach einer Absprache „immer“ auf Rechtsmittel verzichtet werde; bei 56,6 % geschah dies „häufig“ (Staatsanwälte: 5,6 % bzw. 64,8 %; Verteidiger: 5,6 % bzw. 76,1 %). Nicht weniger als 16,4 % der Richter und 30,9 % der Staatsanwälte erklärten, sich im Rahmen einer Absprache schon auf eine ihrer Ansicht nach zu milde Strafe eingelassen zu haben.

Demgegenüber haben sich von den Verteidigern 30,3 % nach eigener Auskunft schon auf eine ihrer Ansicht nach zu hohe Strafe im Wege der Absprache eingelassen. Der „Strafrabatt“ im Anschluss an ein absprachegemäß abgelegtes Geständnis liegt nach Angaben der Befragten zumeist zwischen 25 % und 33,3 % der wahrscheinlich zu erwartenden Strafe nach „streitiger“ Verhandlung. 

VI. 

Mit Beschlüssen vom 22. Mai 2012 und vom 21. Juni 2012 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats auf Antrag der sich zu dieser Zeit in Strafhaft befindenden Beschwerdeführer zu I. und II. die Vollstreckung aus den angegriffenen Urteilen des Landgerichts München II bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden, längstens für sechs Monate, einstweilen ausgesetzt. Mit Beschlüssen vom 22. Oktober 2012 und vom 5. Dezember 2012 hat der Senat auf Antrag der Beschwerdeführer zu I. und II. die einstweiligen Anordnungen wiederholt. 

VII. 

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat Prof. Dr. Altenhain zu dessen im Auftrag des Senats angefertigter empirischer Studie über die Praxis der Verständigung im Strafverfahren gehört, zu den Erfahrungen und Einschätzungen bei den Tat- und Revisionsgerichten den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, Generalbundesanwalt Range, Vorsitzenden Richter am Landgericht Marburg Dr. Paul, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hildesheim Pohl, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg Dr. Tully und Vorsitzenden Richter am Landgericht Freiburg im Breisgau i.R. Royen. Prof. Dr. Frisch, Direktor der Abteilung 1 des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hat sich zum Schuldprinzip und dessen Bedeutung für die Legitimation staatlichen Strafens im Rechtsstaat und die Erfüllung der freiheitssichernden Funktion des Strafrechts sowie zur Vereinbarkeit der Verständigungspraxis und des § 257c StPO mit dem Schuldprinzip geäußert. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sowie Vertreter der Bundesregierung, des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer haben ihren schriftlichen Vortrag ergänzt und vertieft. Zur Verfassungsmäßigkeit von Verständigungen im Strafprozess hat ferner ein Vertreter der Neuen Richtervereinigung Stellung genommen. 

B. 

Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit sie sich gegen die angegriffenen Entscheidungen richten; im Übrigen haben sie keinen Erfolg. 

I. 

1. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz (BVerfGE 123, 267 <413>), der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht. Der Schuldgrundsatz hat Verfassungsrang; er ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert (vgl. BVerfGE 45, 187 <259 f.>; 86, 288 <313>; 95, 96 <140>; 120, 224 <253 f.>; 130, 1 <26>). 
a) Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Willensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 123, 267 <413>). Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmt Art. 1 Abs. 1 GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne (vgl. BVerfGE 95, 96 <140>) sowie den Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 80, 367 <378>; 90, 145 <173>; 123, 267 <413>). Die Strafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>; 110, 1 <13>). Eine solche strafrechtliche Reaktion wäre ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>). 

b) Das Rechtsstaatsprinzip ist eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes (BVerfGE 20, 323 <331>). Es sichert den Gebrauch der Freiheitsrechte, indem es Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt (BVerfGE 95, 96 <130>). Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 7, 89 <92>; 7, 194 <196>; 45, 187 <246>; 74, 129 <152>; 122, 248 <272>) und schließt den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate ein (vgl. BVerfGE 84, 90 <121>). Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen auch im Schuldgrundsatz aufgenommen (BVerfGE 95, 96 <130 f.>). Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <286>; 27, 18 <29>; 50, 205 <214 f.>; 120, 224 <241>; stRspr). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 5 <12>; 73, 206 <253>; 86, 288 <313>; 96, 245 <249>; 109, 133 <171>; 110, 1 <13>; 120, 224 <254>). In diesem Sinne hat die Strafe die Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BVerfGE 45, 187 <253 f.>; 109, 133 <173>; 120, 224 <253 f.>). 

2. Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244 <255>; 95, 96 <140>), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 118, 212 <231>; 122, 248 <270>; 130, 1 <26>). Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <371>). 

a) Der Staat ist von Verfassungs wegen gehalten, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272>; 130, 1 <26>). Der Schutz elementarer Rechtsgüter durch Strafrecht und seine Durchsetzung im Verfahren sind Verfassungsaufgaben (vgl. BVerfGE 107, 104 <118 f.>; 113, 29 <54>). Das erfordert, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten, also schuldangemessenen Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; 129, 208 <260>). Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren und die Vollstreckung rechtskräftig erkannter (Freiheits-)Strafen sicherzustellen. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, und der Anspruch aller in Strafverfahren Beschuldigten auf Gleichbehandlung erfordern grundsätzlich, dass der Strafanspruch durchgesetzt, also auch eingeleitete Verfahren fortgesetzt und rechtskräftig verhängte Strafen vollstreckt werden (BVerfGE 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>). 

b) Bei alledem darf der Beschuldigte im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Strafverfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 65, 171 <174 f.>; 66, 313 <318>). 

aa) Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 122, 248 <271 f.>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Strafverfahren - unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ (vgl. BVerfGE 110, 226 <253>) - in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in jeder Beziehung ausgeglichen werden müssten (vgl. BVerfGE 63, 45 <67>; 63, 380 <392 f.>; 122, 248 <272>); vielmehr sind angesichts der besonderen, zur Objektivität verpflichtenden Stellung der Staatsanwaltschaft Differenzierungen möglich. Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 64, 135 <145 f.>; 122, 248 <272>). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 <250>; 80, 367 <375>; 122, 248 <272>). Verfahrensgestaltungen, die den Erfordernissen einer wirksamen Strafrechtspflege dienen, verletzen daher nicht schon dann den grundrechtlichen Anspruch auf ein faires Strafverfahren, wenn verfahrensrechtliche Positionen des Angeklagten oder Beschuldigten dabei eine Zurücksetzung zugunsten einer wirksameren Strafrechtspflege erfahren (BVerfGE 122, 248 <273>). Das Beschleunigungsgebot ist bei der Konkretisierung des Rechts auf ein faires Verfahren ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 41, 246 <250>; 63, 45 <68 f.>; 122, 248 <273>), denn unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 88, 118 <124>; 93, 1 <13>) und die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage, sondern beeinträchtigen, da die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann, auch die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. BVerfGE 57, 250 <280>; 122, 248 <273>; 130, 1 <27>). 

bb) Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>). Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>; 110, 1 <31>). Er umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 56, 37 <49>; 109, 279 <324>). Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfGE 38, 105 <113>; 56, 37 <43>). Dies setzt voraus, dass er über seine Aussagefreiheit in Kenntnis gesetzt wird. 

cc) Die Unschuldsvermutung hat als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ebenfalls Verfassungsrang (BVerfGE 74, 358 <371>). Sie verbietet zum einen, im konkreten Strafverfahren ohne prozessordnungsgemäßen - nicht notwendiger Weise rechtskräftigen - Schuldnachweis Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln; zum anderen verlangt sie den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>). Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips enthält die Unschuldsvermutung - wie auch das Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren - allerdings keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote; ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dies ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers (BVerfGE 74, 358 <371 f.>; vgl. auch BVerfGE 7, 89 <92 f.>; 57, 250 <275 f.>; 65, 283 <291>). 

3. Das Grundgesetz gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 21, 139 <145 f.>; 23, 321 <325>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>). Neben der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs.1 und 2 GG) ist es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung im Sinne des Grundgesetzes, dass die richterliche Tätigkeit von einem „nicht beteiligten Dritten“ ausgeübt wird (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 4, 331 <346>; 21, 139 <145>; 27, 312 <322>; 48, 300 <316>; 87, 68 <85>; 103, 111 <140>). Diese Vorstellung von neutraler Amtsführung ist mit den Begriffen „Richter“ und „Gericht“ untrennbar verknüpft (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 60, 175 <214>; 103, 111 <140>). Die richterliche Tätigkeit erfordert daher unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten (BVerfGE 21, 139 <146>; 103, 111 <140>). Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt deshalb nicht nur einen Anspruch auf den sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergebenden Richter (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>), sondern garantiert auch, dass der Betroffene nicht vor einem Richter steht, der aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt (BVerfGE 21, 139 <146>; 89, 28 <36>). Dieses Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 37, 57 <65>). 

4. Das im Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Freiheitsrecht verankerte Recht auf ein faires Strafverfahren umfasst das Recht des Beschuldigten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfGE 66, 313 <318 f.>; 110, 226 <253>). Wenngleich das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote enthält, sondern der Konkretisierung durch den Gesetzgeber je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, untersagt es jedenfalls eine Ausgestaltung des Strafverfahrens, bei der rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind (BVerfGE 57, 250 <276>; 122, 248 <272>). Angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zukommt (vgl. BVerfGE 110, 226 <254>), verbietet es sich, im Strafprozess Verfahrensweisen vorzusehen, die - etwa aufgrund der Schaffung sachwidriger Anreize - erwarten lassen, dass dieses Vertrauen unterlaufen und damit das Recht auf eine effektive Verteidigung entwertet wird. 

II. 

Nach diesen Maßstäben kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat Verständigungen im Strafprozess lediglich in einem begrenzten Rahmen zugelassen und sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die bei der gebotenen präzisierenden Auslegung und Anwendung erwarten lassen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Strafprozesses erfüllt werden (1. und 2.). Eine das Verständigungsgesetz in nicht unerheblichem Umfang vernachlässigende Praxis belegt derzeit noch kein verfassungsrechtlich relevantes Regelungsdefizit (3.). Der Gesetzgeber ist allerdings gehalten, die Wirksamkeit der zur Wahrung eines verfassungskonformen Strafverfahrens vorgesehenen Vorkehrungen zu beobachten und erforderlichenfalls erneut über die Zulässigkeit sowie die Bedingungen von Verständigungen zu entscheiden (4.). 

1. Das Verständigungsgesetz statuiert nach dem in seinem Wortlaut und Normgefüge zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers (a) kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell. Vielmehr integriert es die von ihm zugelassene Verständigung mit dem Ziel in das geltende Strafprozessrechtssystem, weiterhin ein der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass eine Verständigung als solche niemals alleinige Urteilsgrundlage sein kann, sondern das Gericht weiterhin an die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Amtsaufklärungspflicht gebunden ist und die rechtliche Würdigung nicht der Disposition der Beteiligten an einer Verständigung unterliegt (b). Das Verständigungsgesetz regelt die Zulässigkeit einer Verständigung im Strafverfahren abschließend; es untersagt damit die beschönigend als „informell“ bezeichneten Vorgehensweisen bei einer Verständigung (c). Der Gesetzgeber hat sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die eine vollständige Transparenz und Dokumentation des zu einer Verständigung führenden Geschehens sicherstellen und so die vom Gesetzgeber als erforderlich bewertete vollumfängliche Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht ermöglichen sollen (d). Schließlich gewährleistet das Gesetz über eine Einschränkung der Bindungswirkung einer Verständigung die Neutralität des Gerichts und sieht mit der Pflicht zur Belehrung des Angeklagten über diese Einschränkung eine dessen Belangen dienende Sicherung vor (e). 

a) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. BVerfGE 1, 299 <312>; 11, 126 <130 f.>; 105, 135 <157>; stRspr). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. BVerfGE 11, 126 <130>; 105, 135 <157>). Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf (vgl. BVerfGE 122, 248 <283> - abw. M.). Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>). In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (vgl. BVerfGE 78, 20 <24> m.w.N.). Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fern liegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen (vgl. BVerfGE 122, 248 <284> - abw. M.).  

b) Der Gesetzgeber hat eine gesetzliche Regelung der Verständigung im Strafverfahren als notwendig erachtet, weil das in der Praxis entstandene und dort bedeutsame, aber stets umstritten gebliebene Institut der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung dringend klarer gesetzlicher Vorgaben bedürfe. Dabei war dem Gesetzgeber bewusst, dass sich auf das Urteil bezogene Verständigungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten nicht ohne Weiteres mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Strafverfahren, insbesondere hinsichtlich der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Schuldangemessenheit der Strafe und der Verfahrensfairness, würden in Einklang bringen lassen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1). Dementsprechend war es ausdrücklich sein zentrales Ziel, die Verständigung in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdenden Weise in das geltende Strafverfahrensrecht zu integrieren, ohne die den Strafprozess dominierenden Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung anzutasten. Die Auslegung und Anwendung des Verständigungsgesetzes hat sich zuvörderst an diesem gesetzgeberischen Konzept zu orientieren. Das gilt auch für das Bundesverfassungsgericht, das dann, wenn eine präzisierende Auslegung eines Gesetzes möglich ist, diese seiner Prüfung zugrunde zu legen hat (vgl. zur Bestimmtheit von Strafnormen BVerfGE 126, 170 <196 f.>; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 - 1 BvR 1509/10 -). Der Gesetzgeber wollte zwar eine offene, kommunikative Verhandlungsführung des Gerichts stärken, aber gerade kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell einführen. Vielmehr war es sein erklärtes Regelungsziel, weiterhin ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist (vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.), weshalb auch in der Verständigungssituation das Maß der Schuldangemessenheit weder über- noch unterschritten werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <594>, und vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 44). Um diese Aufgabenstellung zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber nicht nur den zulässigen Inhalt von Verständigungen und das Verständigungsverfahren „umfassend“ normieren wollen, sondern einen Schwerpunkt seines Regelungskonzepts in der Herstellung von Transparenz, Öffentlichkeit und einer vollständigen Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens gesehen, die wiederum die von ihm als erforderlich bewertete „vollumfängliche“ Rechtsmittelkontrolle ermöglichen und wirksam ausgestalten soll (vgl. nur Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f., 12, 15, sowie Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Das Verlangen nach umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens kennzeichnet die gesetzliche Regelung insgesamt (ebenso BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11 -, NStZ 2012, S. 347 <348>, und Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 349/11 -, StV 2012, S. 649 <652>). Hiernach muss sich eine Verständigung unter allen Umständen „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (BTDrucks 16/12310, S. 12). 

aa) Als Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Möglichkeiten einer Verständigung in das geltende Strafprozessrechtssystem zu integrieren, ist vor allem die Klarstellung des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zu verstehen, die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bleibe „unberührt“. Der Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO ist eindeutig; die Norm schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Damit wird hervorgehoben, dass eine Verständigung niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die - ausreichend fundierte - Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13). Dem Gesetzgeber waren die Besonderheiten des aufgrund einer Verständigung abgegebenen Geständnisses, insbesondere dessen erhöhte Fehleranfälligkeit infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wie auch sein Verteidiger befinden können, und demzufolge die Gefahr von „Falschgeständnissen“, bewusst, und er hat deshalb die Geltung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO ausdrücklich klargestellt. Dementsprechend bleibt das nach § 244 Abs. 2 StPO erforderliche Maß an Beweiserhebung stets insoweit unberührt, als ein wirksamer Verzicht auf (weitere) Beweisanträge und Beweiserhebungen sich nicht außerhalb dessen bewegen kann, was durch die unverändert geltende Sachaufklärungspflicht des Gerichtes bestimmt ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; siehe auch BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11 -, StV 2012, S. 653 <654>; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11 -, juris, Rn. 5). 

Die Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, nach der die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist, baut auf der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO auf und bestätigt die dargelegte Grundentscheidung des Gesetzgebers. Entsprechendes gilt für das die Zulässigkeit von Verständigungen nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPObeschränkende Kriterium der „geeigneten Fälle“, mit dem der Gesetzgeber nicht nur die Anwendung der Verständigung im Jugendstrafverfahren mit Blick auf den dieses beherrschenden Erziehungsgedanken einschränken, sondern vor allem auch sicherstellen wollte, dass das Gericht nicht vorschnell auf eine Verständigung ausweicht, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich und rechtlich überprüft zu haben (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 10, 13; siehe auch BGHSt 50, 40 <49>, sowie BGH, Beschlüsse vom 20. April 2004 - 5 StR 11/04 -, juris, Rn. 14 ff., und vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03 -, juris, Rn. 13 ff.). 

Aufgrund des klarstellenden Hinweises auf § 244 Abs. 2 StPO durch § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO bedurfte es auch keiner zusätzlichen ausdrücklichen Festlegung der an ein Geständnis zu stellenden „Qualitätsanforderungen“. Vielmehr genügt dieser Hinweis, um einerseits zu verdeutlichen, dass auch in der Verständigungssituation ein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis - vor allem, wenn die Beantwortung von Fragen zum Sachverhalt verweigert wird - oder gar die nicht einmal ein Geständnis darstellende schlichte Erklärung, der Anklage nicht entgegenzutreten, allein keine taugliche Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein können. Andererseits hat es der Gesetzgeber damit den Gerichten ermöglicht, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. 

Vor dem Hintergrund des Regelungsziels, die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts und der richterlichen Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen, kann § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zudem nur so verstanden werden, dass das verständigungsbasierte Geständnis zwingend auf seine Richtigkeit zu überprüfen ist. Diese Überprüfung hat sich - unter zusätzlicher Berücksichtigung des Grundanliegens des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen - durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO) zu vollziehen. Freilich kann dies nicht bedeuten, dass die Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses strengeren Anforderungen unterliegt als sie an eine Beweisaufnahme in der nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung nach Abgabe eines Geständnisses zu stellen wären; so bleiben etwa Vorhalte oder das Selbstleseverfahren nach den allgemeinen Regeln möglich. Es genügt jedoch nicht, das verständigungsbasierte Geständnis durch einen bloßen Abgleich mit der Aktenlage zu überprüfen (anders noch BGHSt 50, 40 <49>, in diese Richtung auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387 f.>), da dies keine hinreichende Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) darstellt und mit einem solchen Verständnis dem Transparenzanliegen des Verständigungsgesetzes und der Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile gerade nicht Rechnung getragen werden könnte. 

Dieses Verständnis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass hiernach der Raum für Verständigungen - insbesondere mit Blick auf das Ausmaß der ermöglichten Verfahrensabkürzung - spürbar eingeengt wird. Diese Wirkung ist nicht etwa Ausdruck einer unauflösbaren inneren Widersprüchlichkeit der Norm, sondern achtet das ausdrückliche Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung mit den Grundsätzen der Amtsaufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO und der richterlichen Überzeugungsbildung in Einklang zu bringen. Die Beschränkung des praktischen Anwendungsbereichs von Verständigungen ist die zwangsläufige Konsequenz der Einfügung von Verständigungsmöglichkeiten in das System des geltenden Strafprozessrechts. 

bb) Nach dem Regelungsziel des Gesetzgebers, weiterhin ein der Wahrheitserforschung und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen, bleiben nicht nur die tatsächlichen Feststellungen, sondern auch deren rechtliche Würdigung der Disposition der an einer Verständigung Beteiligten entzogen (ebenso BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 -, juris, Rn. 16). Unmittelbaren Ausdruck findet das gesetzliche Regelungsanliegen in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO, der den zulässigen Gegenstand von Verständigungen ausdrücklich auf die „Rechtsfolgen“ beschränkt, ferner in dem von § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO ausgesprochenen Verbot einer Verständigung über den Schuldspruch und dem Wegfall der Bindungswirkung einer Verständigung unter den Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO

Aus § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO folgt unter Berücksichtigung der Systematik und von Sinn und Zweck des gesetzlichen Regelungskonzepts insbesondere, dass eine Strafrahmenverschiebung nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich auf Sonderstrafrahmen für besonders schwere oder minder schwere Fälle im Vergleich zum Regelstrafrahmen bezieht. Zwar handelt es sich bei diesen Sonderstrafrahmen nach herrschender Meinung (vgl. BGHSt 23, 254 <256>; 26, 104 <105>; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 38 ff., Rn. 47; Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor §§ 46 ff. Rn. 18) um gesetzliche Strafzumessungsregeln, die mit Ausnahme von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht in den Urteilstenor aufzunehmen sind. Allerdings weist die Regelungstechnik der besonders schweren und minder schweren Fälle eine spezifische Nähe zu Qualifikations- und Privilegierungstatbeständen auf. Wesentliche Unterschiede zwischen diesen Regelungsbereichen sind im Hinblick auf die Schuldangemessenheit des Strafens nicht zu erkennen. So werden die Regelbeispiele besonders schwerer Fälle als „tatbestandsähnlich“ angesehen (vgl. BGHSt 33, 370 <374>; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1997 - 5 StR 328/97 -, NStZ 1998, S. 91 <92>; Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00 -, NStZ 2001, S. 642 <643>; Beschluss vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10 -, NStZ 2011, S. 167). Die Regelungstechnik unterfällt auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 45, 363 <371>) sowie dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2004 - 3 StR 113/04-, NStZ-RR 2004, S. 262, und vom 20. Juli 2004 - 3 StR 231/04 -, NStZ-RR 2005, S. 373 <374>). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Fall besonders schwer, wenn er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (vgl. BGHSt 28, 318, <319 f.>; BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - 3 StR 145/91 -, NStZ 1991, S. 529 <530>); für das Vorliegen eines minder schweren Falls ist zu prüfen, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, dass die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2000 - 5 StR 349/00 -, NJW 2000, S. 3580; Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02 -, NJW 2003, S. 1679 <1680>; Beschluss vom 26. August 2008 - 3 StR 316/08 -, NStZ 2009, S. 37). Auch die Sonderstrafrahmen sind daher - wie jeder Strafrahmen - Ausdruck des Unwert- und Schuldgehalts, den der Gesetzgeber einem unter Strafe gestellten Verhalten beigemessen hat. Mit der Normierung von Sonderstrafrahmen bringt der Gesetzgeber - nicht anders als bei Qualifikationen und Privilegierungen - zum Ausdruck, innerhalb eines Deliktstypus eine Differenzierung schon auf der Ebene der Strafrahmenwahl für geboten zu erachten. Bei umfassender Würdigung des dem Verständigungsgesetz zugrundeliegenden Regelungskonzepts kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe diese Bewertung für den Fall einer Verständigung aufgeben und den Begriff der „Rechtsfolge“ in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO auch auf Strafrahmenverschiebungen ausdehnen wollen. 
c) Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sogenannte informelle Absprachen sind unzulässig. 

aa) Bereits aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO, der Verständigungen nur „nach Maßgabe der folgenden Absätze“ zulässt, folgt, dass jegliche sonstigen „informellen“ Absprachen, Vereinbarungen und „Gentlemen‘s Agreements“ untersagt sind. Damit wird das Ziel der gesetzlichen Regelung, der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung durch ein „umfassendes und differenziertes Regelungskonzept“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 7 f., 9) klare Vorgaben zu setzen, verwirklicht. Hätte die Regelung keinen abschließenden Charakter, könnten die vom Gesetzgeber als erforderlich erachteten flankierenden Vorschriften, die Transparenz und Öffentlichkeit des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens sichern, die ihnen zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle von Verständigungen zugedachte Funktion von vornherein nicht wirksam erfüllen. Hierin liegt aber gerade ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers. So ist im Gesetzgebungsverfahren die in der Stellungnahme des Bundesrats kritisierte Regelung des sogenannten „Negativattests“ in § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO mit dem Argument verteidigt worden, dass mit ihrer Streichung „eine wichtige Regelung entfiele, die dazu dienen soll, mit höchst möglicher Gewissheit und in der Revision überprüfbar das Geschehen in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass ‚stillschweigend‘ und ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten eine Verständigung stattgefunden hat“ (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Schließlich findet sich in dem Anliegen, eine „vollumfängliche“ Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht zu gewährleisten, eine Bestätigung des abschließenden Charakters des gesetzlichen Regelungskonzepts. Diese Kontrolle soll nämlich gerade „einen unterstützenden Beitrag dazu leisten, dass Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). 

In Anbetracht der strikten Bindung jeglicher Ausübung hoheitlicher Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) bedurfte die Absicht des Gesetzgebers, nur solche Verständigungen zuzulassen, die sich innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens bewegen, keiner weiteren ausdrücklichen Hervorhebung. 

bb) Aus dem gesetzlichen Regelungskonzept zum Inhalt, zum Zustandekommen und zu den Folgen einer Verständigung folgt unter anderem, dass ein wirksamer Rechtsmittelverzicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich die Beteiligten unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften verständigt haben (vgl. dazu bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. März 2012 - 2 BvR 1464/11 -, juris, Rn. 21 ff.; ebenso etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 <2630>; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <393>). Eine solche Verständigung unterliegt zudem der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO. Sollte in letzterem Fall ein Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erteilt werden, wäre dieses falsch und könnte den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) erfüllen. 

cc) Ebenso wenig können etwaige Zusagen der Staatsanwaltschaft, andere bei ihr anhängige Ermittlungsverfahren - etwa nach § 154 Abs. 1 StPO - einzustellen, eine Bindungswirkung oder ein schutzwürdiges Vertrauen auslösen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; anders noch zur Rechtslage vor dem Verständigungsgesetz BGHSt 37, 10 <13 f.>). Aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 und 2 StPO folgt, dass sich Verständigungen ausschließlich auf das „zugrundeliegende Erkenntnisverfahren“ beziehen dürfen, also sogenannte „Gesamtlösungen“ unter Einbeziehung anderer Verfahren und nicht in der Kompetenz des Gerichts liegende Zusagen unzulässig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10 -, wistra 2011, S. 28; siehe auch Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 34; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387>). Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen. Bei Einbeziehung anderer, nicht den Gegenstand der Hauptverhandlung bildender Verfahren ist insoweit eine wirksame Kontrolle der Verständigung - insbesondere durch die Öffentlichkeit - nicht gewährleistet. 

d) Einen Schwerpunkt des Regelungskonzeptes des Verständigungsgesetzes bildet die Gewährleistung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als „erforderlich“ bewerteten Transparenz und Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens als Voraussetzung einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.). Zur Erreichung dieses Ziels hat der Gesetzgeber spezifische, das Regelungskonzept prägende Schutzmechanismen vorgesehen. 

aa) In der Konzeption des Gesetzgebers kommt der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung eine zentrale Bedeutung zu. Mit dem Gebot, die mit einer Verständigung verbundenen Vorgänge umfassend in die Hauptverhandlung einzubeziehen, gewährleistet der Gesetzgeber nicht nur vollständige Transparenz; er legt zugleich besonderes Gewicht auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und bekräftigt damit, dass auch im Fall der Verständigung der Inbegriff der Hauptverhandlung die Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung bleibt (§ 261 StPO). 
(1) (a) Dem Gesetzgeber kam es maßgeblich darauf an, die Transparenz der strafgerichtlichen Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gerade im Falle einer Verständigung zu bewahren; die Verständigung müsse sich „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 12). Dementsprechend hat das Verständigungsgesetz umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten mit Bezug auf die Hauptverhandlung statuiert. Sie zielen darauf, nicht nur die Verständigung selbst, also den formalen Verständigungsakt des § 257c Abs. 3 StPO, sondern darüber hinausgehend auch die zu einer Verständigung führenden Vorgespräche in die Hauptverhandlung einzuführen. Zwar ist nach der Begründung des Regierungsentwurfs die „Vorbereitung“ einer Verständigung auch außerhalb der Hauptverhandlung möglich. Gegenstand einer Erörterung im Vorfeld der Hauptverhandlung kann es danach auch sein, Möglichkeit und Umstände einer Verständigung zu besprechen (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9, 12). Für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung verlangt § 243 Abs. 4 StPO eine Mitteilung deren „wesentlichen Inhalts“. Diese Mitteilung ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren. Demgegenüber sind hinsichtlich der Verständigung selbst gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Die Protokollierungspflicht hinsichtlich der Verständigung geht also über die Protokollierung der nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschriebenen Mitteilung hinaus. Dem liegt zugrunde, dass die Verständigung als solche nach § 257c Abs. 1 StPO nur in der Hauptverhandlung erfolgen kann. Die im Vergleich zur Verständigung selbst reduzierte Pflicht zur Dokumentation der Gespräche zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2, § 243 Abs. 4 StPO fügt sich in das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept der Stärkung der Transparenz und Dokumentation ein, weil die Verständigung selbst erst in der Hauptverhandlung stattfinden kann und § 273 Abs. 1a Satz 1 StPOdie Dokumentation der wesentlichen Abläufe, des Inhalts und des Ergebnisses dieser Verständigung gebietet. Alle wesentlichen Elemente einer Verständigung, zu denen angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Konzepts auch außerhalb der Hauptverhandlung geführte Vorgespräche zählen, sind zum Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung zu machen und unterliegen der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO

(b) Hinsichtlich des Inhalts möglicher Erörterungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten und der dabei bestehenden Transparenz- und Dokumentationspflichten ist zu unterscheiden: 

(aa) Möglich sind Gespräche, die ausschließlich der Organisation sowie der verfahrenstechnischen Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung dienen, etwa die Abstimmung der Verhandlungstermine. Mangels eines Bezugs auf das Verfahrensergebnis sind diese Gespräche dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen. Sie unterliegen deshalb nicht der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO

(bb) In Betracht kommen weiterhin Gespräche, die als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können und über deren wesentlichen Inhalt deshalb nach § 243 Abs. 4 StPO in der Hauptverhandlung zu informieren ist. Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 12) einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt. Im Zweifel wird in der Hauptverhandlung zu informieren sein. Zum mitzuteilenden Inhalt solcher Erörterungen gehört, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, juris; siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a; Altenhain/Haimerl, JZ 2010, S. 327 <336>; Schlothauer/Weider, StV 2009, S. 600 <603>). Fehlt im Hauptverhandlungsprotokoll der nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vorgeschriebene Hinweis auf eine Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO, ergibt sich daraus lediglich, dass eine solche Mitteilung in der Hauptverhandlung unterblieben ist, nicht aber, dass es keine Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung gegeben hat, weil diese Tatsache nicht von der negativen Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) umfasst ist (a.A. ohne nähere Begründung Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a a.E.). 

(cc) Die Verständigung selbst hat zwingend in der Hauptverhandlung stattzufinden, wo die vom Gesetzgeber verlangte Protokollierung nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO und damit eine Voraussetzung vollumfänglicher Kontrolle gewährleistet ist. Zum „wesentlichen Ablauf und Inhalt“ im Sinne dieser Norm gehört nach Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht insbesondere, wer die Anregung zu den Gesprächen gab und welchen Inhalt die einzelnen „Diskussionsbeiträge“ aller Verfahrensbeteiligten sowie der Richter hatten, insbesondere von welchem Sachverhalt sie hierbei ausgingen und welche Ergebnisvorstellungen sie äußerten (vgl. Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 71). 

(2) Darüber hinaus folgt aus dem Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung in das Licht der öffentlichen Hauptverhandlung zu stellen, dass er der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit besondere Bedeutung beigemessen hat. 

Der in § 169 GVG niedergelegte Öffentlichkeitsgrundsatz soll eine Kontrolle der Justiz durch die am Verfahren nicht beteiligte Öffentlichkeit ermöglichen und ist Ausdruck der demokratischen Idee. Die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz, die historisch als unverzichtbares Institut zur Verhinderung obrigkeitlicher Willkür eingeführt wurde (vgl. zum Ganzen Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff. m.w.N.), erhält als demokratisches Gebot durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verständigungen zusätzliches Gewicht. Dem hat der Gesetzgeber durch die Mitteilungspflicht in § 243 Abs. 4 StPO Rechnung getragen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 12). 
Die Öffentlichkeit kann ihre Kontrollfunktion nur ausüben, wenn sie die Informationen erhält, die zur Beurteilung der Angemessenheit einer etwaigen Verständigung erforderlich sind. Nur so bleibt der gerichtliche Entscheidungsprozess transparent und die Rechtsprechung auch in Verständigungsfällen für die Allgemeinheit durchschaubar. Dies ist notwendig, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit des Staates, mittels einer wirksamen Strafverfolgung öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten (vgl. zu dieser Aufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff.) und Gerechtigkeit im Einzelfall sowie eine gleichmäßige Behandlung aller zu garantieren, uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. 

(3) Die Einbeziehung des zu einer Verständigung führenden Geschehens in die öffentliche Hauptverhandlung hat auch die Aufgabe, deren Funktion als alleinige Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung zu wahren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Funktion der öffentlichen Hauptverhandlung unberührt bleiben. In den Materialien wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Überzeugung des Gerichts von dem festzustellenden Sachverhalt stets erforderlich bleibt und eine Verständigung als solche niemals die Grundlage eines Urteils bilden kann (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 13). Das Gericht bildet sich seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO). Dieser Grundsatz ist nicht zuletzt im Hinblick auf die während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter ausübenden Schöffen (§§ 30, 77 Abs. 1 GVG) von Bedeutung. Da aus § 257c Abs. 4 StPO folgt, dass der Gesetzgeber der Verständigung eine - wenn auch nur eingeschränkte - Bindungswirkung für das Gericht beigemessen hat, musste er zugleich gewährleisten, dass die Schöffen in das zu einer Verständigung führende Geschehen, soweit es in der Hauptverhandlung stattfindet, unmittelbar eingebunden und im Übrigen nach § 243 Abs. 4 StPO umfassend über dieses unterrichtet sind. Anderenfalls wäre ihnen eine verantwortbare Entscheidung über die Verständigung - insbesondere die damit verbundene Zusage einer Strafobergrenze und Ankündigung einer Strafuntergrenze - und über den Inhalt des nach einer Verständigung oder nach dem Scheitern von Verständigungsbemühungen ergehenden Urteils nicht möglich. Dementsprechend ermöglicht § 257c StPO es ausschließlich „dem Gericht“ - nicht nur dem Vorsitzenden oder nur den Berufsrichtern -, eine Verständigung mit den Verfahrensbeteiligten herbeizuführen. Damit ist es ausgeschlossen, dass ohne eine Beteiligung der Schöffen Strafgrenzen mit der Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 StPO in Aussicht gestellt werden. 

bb) Mit dem Erfordernis ihrer Zustimmung zu einer Verständigung weist der Gesetzgeber der Staatsanwaltschaft eine aktive Rolle bei der Verwirklichung seines Ziels zu, eine wirksame Kontrolle von Verständigungen zu gewährleisten. 

Ihr ist die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe; als Vertreterin der Anklage gewährleistet sie eine effektive Strafrechtspflege (vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einl. J Rn. 42). Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren fort (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO). Ihren Niederschlag hat diese Stellung der Staatsanwaltschaft in den Bestimmungen der Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 147 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gefunden. 

In der Verständigungssituation kommt der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft herausgehobene Bedeutung zu, weil sich Angeklagter und Gericht hinsichtlich des möglichen Verfahrensergebnisses einer - wenngleich eingeschränkten - Bindung unterwerfen. Die Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Verständigung hat damit vor allem den Zweck, deren Gesetzmäßigkeit zu sichern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23 f.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 -, StV 2011, S. 645 f.; BGH, Urteil vom 9. November 2011 - 1 StR 302/11 -, juris, Rn. 45). Dem Verständigungsgesetz liegt die Erwartung zugrunde, dass die Staatsanwaltschaft - entsprechend ihrer Rolle als „Wächter des Gesetzes“ (vgl. hierzu Promemoria der Staats- und Justiz-Minister von Savigny und Uhden über die Einführung der Staats-Anwaltschaft im Kriminal-Prozesse vom 23. März 1846, abgedruckt bei Otto, Die Preußische Staatsanwaltschaft, 1899, S. 40 ff.) - sich gesetzwidrigen Vorgehensweisen im Zusammenhang mit Verständigungen verweigert. Weisungsgebundenheit und Berichtspflichten ermöglichen es, einheitliche Standards für die Erteilung der Zustimmung zu Verständigungen sowie für die Ausübung der Rechtsmittelbefugnis aufzustellen und durchzusetzen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht nur gehalten, ihre Zustimmung zu einer gesetzwidrigen Verständigung zu versagen. Sie hat darüber hinaus gegen Urteile, die - beispielsweise von der Staatsanwaltschaft zunächst unerkannt - auf solchen Verständigungen beruhen, Rechtsmittel einzulegen. In Anbetracht der hohen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess auch in Verständigungsfällen beigemessen hat, werden Verstöße gegen die Vorgaben des Verständigungsgesetzes in der Regel von wesentlicher Bedeutung (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) und deshalb durch die Staatsanwaltschaft einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen sein. Auch kann es angezeigt sein, dass sich die Generalstaatsanwaltschaften dieser Aufgabe in besonderer Weise annehmen. 

cc) Schließlich verfolgen die in dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgesehenen Schutzmechanismen das Ziel, eine wirksame „vollumfängliche“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen. 

(1) Diese Kontrolle soll dazu beitragen, dass „Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). Hiernach verzichtete der Gesetzgeber darauf, nach vorangegangener Verständigung Rechtsmittel auszuschließen oder einzuschränken, um die Verständigung in einer insbesondere mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens und der daraus folgenden Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit in Einklang stehenden Weise in das geltende Strafverfahren integrieren zu können (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1 f., 8 f.; siehe auch Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 12). Mit dieser Zielsetzung grenzt sich das Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes ausdrücklich von dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren (BTDrucks 16/4197) ab, der die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen ein verständigungsbasiertes Urteil durch einen Ausschluss der Berufung sowie eine Beschränkung der Revision auf im Zusammenhang mit der Verständigung stehende Verfahrensfehler und die Revisionsgründe des § 338 StPO wesentlich einschränken wollte (vgl. Gesetzentwurf und Begründung des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 5 f., 7, 11 sowie die Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrucks 16/4197, S. 12). Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Möglichkeit eines Rechtsmittelverzichts nach gesonderter qualifizierter Belehrung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages verworfen, um sicherzustellen, dass sich die Berechtigten in Ruhe und ohne Druck überlegen können, ob sie Rechtsmittel einlegen wollen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 6, 15 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 16/13095, S. 7, 10). In bewusster Abkehr von den Entwürfen schränkt das Verständigungsgesetz die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen verständigungsbasierte Urteile nicht ein, sondern schließt - über die dem Regelungskonzept weitgehend zugrundeliegende Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 50, 40 ff.) hinausgehend - einen Rechtsmittelverzicht nach einer Verständigung generell aus (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) und sichert die Ermöglichung einer Rechtsmittelkontrolle durch das Erfordernis einer qualifizierten Belehrung noch zusätzlich ab. 

(2) Die Wirksamkeit der Kontrolle soll durch umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten sichergestellt werden. Diese Schutzmechanismen können nicht als bloße Ordnungsvorschriften verstanden werden. Die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung sowie eine vollständige Dokumentation im Verhandlungsprotokoll voraus. Dementsprechend kommt im Wortlaut der Normen, in der Systematik des Regelungskonzepts und in den Materialien unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der Transparenz- und Dokumentationspflichten für zulässig hält. Das gesetzliche Regelungskonzept ist damit als eine untrennbare Einheit aus Zulassung und inhaltlicher Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten zu begreifen. Dabei dienen die Verfahrensnormen in gleicher Weise wie die den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften und der Verweis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 244 Abs. 2 StPO dem Ziel, die mit einer urteilsbezogenen Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten verbundenen Risiken für die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess zu minimieren. Die Vorschriften zur Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung, zu dessen Dokumentation und zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle auch durch das Rechtsmittelgericht zählen zum Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts. 

(3) Ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten führt deshalb grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung. Hält sich das Gericht an eine solche gesetzwidrige Verständigung, wird ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen sein, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist. Diese Auslegung entspricht der Funktion dieser Vorschriften im Konzept des Verständigungsgesetzes. Dass Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden sind, steht einer Auslegung des § 337 Abs. 1 StPO nicht entgegen, derzufolge das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten - die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade zum Kern des dem Verständigungsgesetz zugrunde liegenden Schutzkonzepts gehören - nur in besonderen Ausnahmefällen wird ausschließen können (vgl. zur Verletzung von § 258 Abs. 2 und 3 StPOBGHSt 21, 288<290>; 22, 278 <280 f.>). 

(4) Kommt eine Verständigung nicht zustande und fehlt es an der gebotenen Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, wistra 2011, S. 72 f. = StV 2011, S. 72 f.) oder dem vorgeschriebenen Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, wird nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Schutzkonzepts ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 257c StPO grundsätzlich ebenfalls nicht auszuschließen sein (str., im Ergebnis wie hier Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <100>; Schlothauer, StV 2011, S. 205 <206>; in der Tendenz auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <390>; anders BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <593> zu § 243 Abs. 4 StPO), sofern nicht ausnahmsweise zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 32 Ss 87/11 -, juris, Rn. 11, 13). Bei einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten wird sich nämlich in den meisten Fällen nicht sicher ausschließen lassen, dass das Urteil auf eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgeht.

e) Aus der in § 257c Abs. 4 StPO getroffenen Regelung ergibt sich zwar einerseits, dass das Gericht (nur) an eine nach den Vorgaben des Gesetzes entsprechende Verständigung grundsätzlich gebunden ist. Andererseits stellt die Regelung zugleich klar, dass die Bindungswirkung entfällt, wenn das Gericht nach Zustandekommen der Verständigung zu der Überzeugung gelangt, dass der nach § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht (mehr) tat- und schuldangemessen ist. Die Bestimmung des § 257c Abs. 4 StPO ist somit Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, die richterliche Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen. Mit dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ist dort zudem eine dem Schutz des Angeklagten dienende Vorschrift enthalten, der im Vertrauen auf den Bestand einer Verständigung ein Geständnis abgegeben und damit von seinem Recht, sich nicht zur Sache einzulassen, keinen Gebrauch gemacht und der Verurteilung eine Grundlage verschafft hat. Mit dem Ziel, dem Angeklagten überhaupt eine autonome Entscheidung über das für ihn mit einer Mitwirkung an einer Verständigung verbundene Risiko zu ermöglichen, sieht schließlich § 257c Abs. 5 StPO vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und - wie sein Hinweis auf das Ziel der Ermöglichung einer autonomen Einschätzung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 15) bestätigt - zugleich die Autonomie des Angeklagten im weiten Umfang schützen. Der Angeklagte sieht sich durch die Aussicht, mit der Verständigung eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze zu erreichen und so Einfluss auf den Verfahrensausgang zu nehmen, einer besonderen Anreiz- und Verlockungssituation ausgesetzt. Der hiermit einhergehenden Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit soll unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO Rechnung getragen werden. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht wird daher im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung regelmäßig davon auszugehen sein, dass das Geständnis und damit auch das Urteil auf dem Unterlassen der Belehrung beruht. Ein Beruhen wird nur dann verneint werden können, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (vgl. zu dem in seiner Bedeutung für die Selbstbelastungsfreiheit ähnlich gelagerten Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPOBGHSt 38, 214<226 f.>). Nur so ist gewährleistet, dass die Schutzfunktion der Belehrungspflicht ihre vorgesehene Wirkung entfaltet. 

2. Das Verständigungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieses schließt Verständigungen im Strafprozess nicht schlechthin aus (a). Der Gesetzgeber hat ausreichende Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass sich Verständigungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren halten (b).

a) Verständigungen im Strafprozess berühren die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren (aa), der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, Verständigungen mit den zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit gebotenen Vorkehrungen zuzulassen (bb). 
aa) Der Strafprozess hat das Schuldprinzip zu verwirklichen und darf sich von dem ihm vorgegebenen Ziel der bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein unabhängiges und neutrales Gericht nicht entfernen. Das Fehlen eines nicht an den sachlichen Verfahrenszielen orientierten eigenen Interesses des Gerichts am Verfahrensausgang bildet im Zusammenwirken mit seiner Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) die Grundlage für die bestmögliche Ermittlung des wahren Sachverhaltes und die richtige Anwendung des materiellen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt. Dabei trägt das Gebot einer schuldangemessenen Bestrafung auch im Einzelfall dem Verlangen nach Rechtsgleichheit als einem der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate Rechnung. Das Maß der verwirklichten Schuld legitimiert die Differenzierung in den Rechtsfolgen und sichert so zugleich die gebotene Gleichbehandlung der Beschuldigten im Strafverfahren. 
(1) Das verfassungsrechtliche Schuldprinzip steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>). Dies schließt es nicht aus, den Strafverfolgungsbehörden Möglichkeiten zu einem Absehen von der Strafverfolgung zu eröffnen, namentlich in Fällen geringfügiger Kriminalität, in denen der Rechtsfrieden nicht ernsthaft beeinträchtigt und eine Kriminalstrafe zum Schuldausgleich nicht zwingend geboten ist, so dass ein öffentliches Interesse an einem Schuldspruch nicht besteht oder durch die Erfüllung von Auflagen oder/und Weisungen beseitigt werden kann. Solche Ausnahmen dürfen die Geltungskraft des Schuldprinzips nicht in Frage stellen und bedürfen stets einer gesetzlichen Regelung, wie sie der Gesetzgeber etwa in den §§ 153 ff. StPO getroffen hat. Als Ausnahmen von der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sind sie fest zu umgrenzen und bedürfen jeweils einer eigenständigen Legitimation (vgl. zu Beschränkungen der Sachverhaltsaufklärung BVerfGE 33, 367 <382 f.>; 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>; 129, 208 <260>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 77/96 -, NStZ 2001, S. 43 <44>). 

(2) Als unerlässliche Voraussetzung der Verwirklichung des Schuldprinzips unterliegt auch die Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit nicht der Disposition des Gesetzgebers. Sie ist das bestimmende Ziel, von dem sich der Strafprozess nicht entfernen darf. Allerdings ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln er die Verwirklichung des Schuldprinzips gewährleistet. Es ist dem Gesetzgeber auch nicht versagt, unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze für Fälle einfach gelagerter und eindeutiger Sachverhalte - etwa bei einer sich mit den Ermittlungsergebnissen deckenden geständigen Einlassung schon im Ermittlungsverfahren oder bei einem auf frischer Tat angetroffenen Beschuldigten - ein vereinfachtes Verfahren zur Gewinnung der richterlichen Überzeugung von Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten und der hieraus zu ziehenden Folgen ohne das Erfordernis einer öffentlichen Hauptverhandlung mit ihrer formalisierten Beweisaufnahme einzurichten, wie es die Strafprozessordnung mit dem Strafbefehlsverfahren gemäß § 407 Abs. 1 und 2 StPO vorsieht (vgl. dazu Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, Vor § 407 Rn. 25 f. m.w.N.). Ermöglichen es die in der Akte befindlichen Unterlagen und Beweismittel dem Richter, sich die Überzeugung von der Richtigkeit des dem Angeschuldigten zur Last gelegten Sachverhalts zu bilden, ist eine öffentliche Hauptverhandlung zur Gewinnung einer tragfähigen Grundlage für die Schuldfeststellung, die rechtliche Beurteilung und die Strafzumessung von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten, sofern es der Angeschuldigte in der Hand hat, durch einfache Erklärung die Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung zu erzwingen (vgl. BVerfGE 25, 158 <164 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Februar 1995 - 2 BvR 1950/94 -, NJW 1995, S. 2545 <2546> und vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00 -, NJW 2002, S. 3534 m.w.N.). 
(3) Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es jedoch aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in der Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht muss es untersagt bleiben, im Wege vertragsähnlicher Vereinbarungen mit den Verfahrensbeteiligten über die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit zu verfügen und sich von dem Gebot schuldangemessenen Strafens zu lösen. Es ist Gericht und Staatsanwaltschaft untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen (vgl. schon BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>) und mit dem Angeklagten einen bestimmten Schuldspruch oder auch nur eine konkrete Strafe zu vereinbaren. Der Rechtsanwendungspraxis ist es untersagt, das vom Gesetzgeber normierte Strafverfahren in einer Weise zu gestalten, die auf solche vertragsähnliche Erledigungsformen hinausläuft. 

Demgegenüber steht das Grundgesetz unverbindlichen Erörterungen der Beurteilung der Sach- und Rechtslage zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten nicht entgegen. Eine offene, kommunikative Verhandlungsführung kann der Verfahrensförderung dienlich sein und ist daher heute selbstverständliche Anforderung an eine sachgerechte Prozessleitung. So begegnen etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche Formen der kommunikativen Verhandlungsführung stellen insbesondere nicht die Unvoreingenommenheit des Gerichts in Frage, solange sie transparent bleiben und kein Verfahrensbeteiligter hiervon ausgeschlossen ist. 

bb) Verständigungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Hauptverhandlung, die dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze zusagen und eine Strafuntergrenze ankündigen, tragen das Risiko in sich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang beachtet werden. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber in Anbetracht seiner Gestaltungsmacht von Verfassungs wegen nicht schlechthin verwehrt, zur Verfahrensvereinfachung Verständigungen zuzulassen. Er muss jedoch zugleich durch hinreichende Vorkehrungen sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt bleiben. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechanismen hat der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Ergibt sich, dass sie unvollständig oder ungeeignet sind, hat er insoweit nachzubessern und erforderlichenfalls seine Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen zu revidieren (vgl. BVerfGE 110, 141 <158> m.w.N.). 

b) Das Verständigungsgesetz sichert die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. 

aa) Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO dürfen Gegenstand einer Verständigung nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO schließt den Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung als Gegenstand einer Verständigung aus. Das Verständigungsgesetz entbindet das Gericht auch nicht von der Beachtung der Strafzumessungsregeln, wenn es in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO das Gericht ermächtigt, bei der Bekanntgabe des möglichen Inhalts einer Verständigung unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe anzugeben. Damit sind nicht nur, wie vom Schuldgrundsatz gefordert, Verständigungen über den Schuldspruch wirksam ausgeschlossen, sondern es ist auch sichergestellt, dass die aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens folgenden Grundsätze der Strafzumessung nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten stehen. Dem Gericht ist es nicht gestattet, im Wege der Verständigung seine Wertungen an die Stelle derjenigen des Strafgesetzgebers zu setzen. Dabei ist zu beachten, dass eine maßgebliche Bedeutung insoweit den gesetzlichen Strafrahmen zukommt, die mit ihren nach Straftat und Strafhöhe gestaffelten Sanktionen die Abstufung der verschiedenen Straftaten nach ihrem Unrechtsgehalt erst zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfGE 27, 18 <29>). Tatbestand und Rechtsfolge sind wechselseitig aufeinander bezogen und müssen - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung (BVerfGE 25, 269 <286>; 27, 18 <29>). Erst von einer differenzierenden Bewertung des Unwertgehaltes der verschiedenen Straftaten her wird die Abstufung der strafrechtlichen Sanktionen verständlich und sachlich gerechtfertigt (BVerfGE 27, 18 <29>). Innerhalb eines Deliktstypus kommt die differenzierende Bewertung des Unwertgehaltes vor allem durch Qualifikations- und Privilegierungstatbestände zum Ausdruck. Aber auch die Sonderstrafrahmen für besonders schwere und minder schwere Fälle nehmen an dieser Abstufung teil, auch wenn es sich hierbei nach überwiegender Auffassung um Strafzumessungsregeln handelt (Nachweise siehe oben unter B. II. 1. b) bb)). Diese Regelungstechnik ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt (vgl. BVerfGK 14, 177 <182>). Wenn er jedoch mit der Einführung solcher Sonderstrafrahmen zum Ausdruck gebracht hat, eine Differenzierung schon bei der Strafandrohung für erforderlich zu halten, ist diese Bewertung für die Rechtsanwendung bindend. 

bb) Das Verständigungsgesetz wahrt den Schuldgrundsatz auch insoweit, als eine Verfahrensverkürzung um den Preis der Erforschung der materiellen Wahrheit ausgeschlossen ist. Wie dargestellt, enthebt die Möglichkeit einer Verständigung das Gericht nicht von der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen. Ein Geständnis darf nicht zur „Handelsware“ werden und kann als Grundlage der Zusage einer Strafobergrenze nur akzeptiert werden, wenn es - aus sich heraus oder aufgrund der Beantwortung von Fragen - überprüfbar ist. Das im Zusammenhang mit der Zusage einer Strafobergrenze abgegebene Geständnis in der - die Grundlage der richterlichen Überzeugung über Schuld oder Unschuld und die daran zu knüpfenden Folgen bildenden - Hauptverhandlung ist auf seine Richtigkeit zu überprüfen, denn eine solche Zusage kann den Angeklagten zur Abgabe eines (teilweise) falschen Geständnisses veranlassen. 

cc) Mit den Bestimmungen zum Entfallen der Bindung des Gerichts an eine Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) hat der Gesetzgeber ferner die aus dem Schuldprinzip, der Pflicht des Gerichts zur Erforschung der materiellen Wahrheit und seiner Neutralitätspflicht sowie der Unschuldsvermutung zu ziehenden Konsequenzen für die Grenzen der richterlichen Selbstbindung an gegebene Zusagen konkretisiert. Es ist gewährleistet, dass die der Verständigung beigemessene Bindung entfällt, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung der in Aussicht gestellte eingegrenzte Strafrahmen als nicht (mehr) tat- oder schuldangemessen erweist. 

dd) Der insbesondere im Grundsatz der Verfahrensfairness verankerten Forderung, dass der Angeklagte autonom darüber entscheiden kann, ob er den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit aufgibt, sich auf eine Verständigung einlässt und mit einem Geständnis sich seines Schweigerechts begibt, genügt das Verständigungsgesetz ebenfalls. Das Strafverfahrensrecht trägt dem Anliegen, die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten zu wahren, bereits generell in allen Verfahrensstadien Rechnung. So haben Belehrungspflichten sowie die Freiheit von Willensentschließung und Willensbetätigung in den allgemeinen Vorschriften der §§ 136, 136a StPO und - beispielsweise - für das Ermittlungsverfahren in § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie für die Hauptverhandlung in § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO ihren Niederschlag gefunden. Wenn diese Sicherungen schon bei der Entscheidungsfindung über allgemeines Aussageverhalten greifen, so haben sie eine umso größere Bedeutung, wenn es um die Frage eines Schuldeingeständnisses geht, vor allem in der für eine Verständigung typischen Anreiz- und Verlockungssituation (vgl. oben B. II. 1. e)). Vor diesem Hintergrund kommt der in § 257c Abs. 5 StPOvorgesehenen Belehrung über die Reichweite der Bindungswirkung und die Folgen eines Scheiterns der Verständigung besondere Bedeutung zu, der auch revisionsrechtlich Rechnung zu tragen ist. 

Von ebenso hohem Gewicht ist, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit es dem Gericht verbietet, dem Angeklagten eine geständnisbedingte Strafmilderung in Aussicht zu stellen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Der Angeklagte darf infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen, aber auch nicht durch Täuschung oder Drohung zu einem Geständnis gedrängt werden. Letzteres hat in § 136a StPO bereits seinen Ausdruck gefunden (vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 859/83 -, NStZ 1984, S. 82; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>). Erst recht greift dieses Schutzgebot zugunsten eines Angeklagten, mit dessen Geständnis in der Hauptverhandlung der Ausgang des Verfahrens steht oder fällt. 
ee) Das Verständigungsgesetz trifft umfangreiche Vorkehrungen dahin, dass das maßgebliche Verständigungsgeschehen in die Hauptverhandlung einbezogen und dokumentiert wird, und gibt mit der in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO vorgesehenen Abhängigkeit der Verständigung von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft dieser ein Mittel zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards in die Hand, zu der die effektiv zu handhabende Überprüfung durch Rechtsmittel hinzutritt (vgl. oben B. II. 1. d)). Der Gesetzgeber begegnet damit der mit der Möglichkeit der Verfahrensverkürzung durch eine Verständigung einhergehenden Gefahr einer Motivationsverschiebung bei dem erkennenden Gericht und trägt dem mit der Zusage einer wesentlichen Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses verbundenen Anreiz für den Angeklagten Rechnung, ein (teilweise) falsches Geständnis abzulegen. Zugleich wirkt er dem Risiko entgegen, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Die verfahrensrechtlichen Sicherungen lassen jedenfalls in ihrem Zusammenwirken erwarten, dass die mit Verständigungen verbundenen rechtsstaatlichen Risiken beherrscht werden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob bestimmte Vorkehrungen von Verfassungs wegen unverzichtbar sind, solange ein ausreichendes Gewährleistungsniveau verwirklicht wird. 

ff) Schließlich hat der Gesetzgeber eindeutig entschieden, dass auf das Strafurteil bezogene „informelle“ Absprachen unzulässig sind. Ausweislich des § 257c Abs. 1 StPO sind Verständigungen über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nur nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig. Intransparente, unkontrollierbare „Deals“ sind im Strafprozess wegen der mit ihnen verbundenen Gefährdung des Schuldprinzips, der darin verankerten Wahrheitserforschungspflicht und des dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Prinzips des fairen Verfahrens bereits von Verfassungs wegen untersagt, und der Gesetzgeber hat derartige Vorgehensweisen in unmissverständlicher Weise verworfen. 

3. Der in erheblichem Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führt derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. 

a) Die repräsentative empirische Erhebung von Prof. Dr. Altenhain, die Anhörung der Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung, aber auch die schriftlichen Stellungnahmen zu den Verfassungsbeschwerden und die vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung zeigen zwar, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidigung in einer hohen Zahl von Fällen die gesetzlichen Vorgaben missachten und die Rechtsmittelgerichte der ihnen zugewiesenen Aufgabe der Kontrolle der Verständigungspraxis nicht immer in genügendem Maße nachgekommen sind. Aus diesem empirischen Befund kann jedoch derzeit noch nicht auf ein in der Norm selbst angelegtes und daher zu deren Verfassungswidrigkeit führendes Versagen der zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Vorgaben normierten Schutzmechanismen geschlossen werden. 

b) Eine gesetzliche Regelung, gegen die in der Rechtsanwendungspraxis in verfassungswidriger Weise verstoßen wird, verletzt nur dann auch selbst das Grundgesetz, wenn die verfassungswidrige Praxis auf die Vorschrift selbst zurückzuführen, mithin Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits ist. Ein solches Defizit kann im vorliegenden Zusammenhang nicht schon darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber urteilsbezogene Verständigungen, welche sich durch ihre Grundstruktur für die Verwirklichung des Schuldprinzips als gefährlich erweisen, überhaupt gestattet hat. Dies ließe unberücksichtigt, dass er ihre Zulassung an umfangreiche flankierende Schutzmechanismen gekoppelt hat, die die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess sicherstellen sollen (vgl. auch BVerfGE 81, 123 <129 f.>; 83, 24 <31>; 118, 212 <231 f.>). Verfassungswidrig wäre das gesetzliche Regelungskonzept nur, wenn die vorgesehenen Schutzmechanismen in einer Weise lückenhaft oder sonst unzureichend wären, die eine gegen das Grundgesetz verstoßende „informelle“ Absprachepraxis fördert, das Vollzugsdefizit also durch die Struktur der Norm determiniert wäre. 

c) Ein strukturelles Regelungsdefizit kann gegenwärtig nicht festgestellt werden. Die Gründe für den erheblichen, keineswegs auf Einzelfälle beschränkten Vollzugsmangel sind vielschichtig und finden sich nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht in einer Schutzlücke der gesetzlichen Regelung. Die gesetzliche Regelung traf auf Rahmenbedingungen, die von immer komplexer werdenden Lebenssachverhalten, einer stetigen Ausweitung des materiellen Strafrechts sowie immer differenzierteren Anforderungen an den Ablauf des Strafverfahrens geprägt sind, und hatte die schwierige Aufgabe, eine zuvor über drei Jahrzehnte in der Praxis entstandene und dort längst verfestigte Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Im Vergleich zu der lang andauernden und - wie auch die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt - immer weiter um sich greifenden Praxis jedenfalls gesetzlich nicht geregelter Absprachen ist der Zeitraum der bisherigen Geltungsdauer der gesetzlichen Schutzmechanismen noch sehr kurz, was dafür spricht, dass die Durchsetzung der strikt umgrenzten und stark formalisierten Verständigungsform entsprechend dem gesetzlichen Regelungskonzept noch nicht abgeschlossen ist und insbesondere die hohe Bedeutung der Schutzmechanismen von der Praxis noch nicht vollständig verinnerlicht wurde. Hierfür spricht auch, dass in der Literatur Stellungnahmen anzutreffen sind, die dahin verstanden werden können, dass die gesetzliche Regelung nicht abschließend sei und die Schutzmechanismen insbesondere des § 273 Abs. 1a und des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht für „informelle“ Vorgehensweisen außerhalb der Vorgaben des § 257c StPO gälten (vgl. etwa Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, wistra 2009, S. 414 <416>; Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <101>). Hinzu kommt die nicht selten anzutreffende Bewertung gerade der Schutzmechanismen als „praxisuntauglich“, welche die Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgaben als zentrale Aufgabenstellung des Strafverfahrensrechts übergeht. Dies verkennt, dass im Rechtsstaat des Grundgesetzes das Recht die Praxis bestimmt und nicht die Praxis das Recht. 
d) Weder das Ergebnis der empirischen Erhebung noch die in den Verfassungsbeschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen zwingen zu der Annahme, dass es strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzepts sind, die zu dem bisherigen Vollzugsdefizit geführt haben könnten. Als Hauptgrund für die Nichtbeachtung der gesetzlichen Regelungen wird in der empirischen Untersuchung vielmehr eine „fehlende Praxistauglichkeit“ der Vorschriften genannt. Dabei werden als praxisuntauglich oftmals die Begrenzung des zulässigen Inhalts von Verständigungen, die Transparenz- und Dokumentationspflichten - hier vor allem das Negativattest des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO - sowie das Verbot eines Rechtsmittelverzichts angeführt, also gerade diejenigen Vorschriften, die die Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gewährleisten sollen. So gaben viele Verteidiger in der Befragung an, die gesetzliche Regelung widerspreche dem „Wesen des Deals“; dieser sei informell. Auch dies spricht für ein bisher nur unzureichend ausgeprägtes Bewusstsein, dass es Verständigungen ohne die Einhaltung der Anforderungen des Verständigungsgesetzes nicht geben darf. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung stützen daher nicht die Annahme eines im gesetzlichen Regelungskonzept verankerten strukturellen Defizits, sondern sprechen für interessengeleitete Missverständnisse und Bestrebungen, die gesetzliche Regelung wegen ihrer - als unpraktisch empfundenen - Schutzmechanismen zu umgehen. 

4. Auch wenn derzeit aus dem defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes nicht auf eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung geschlossen werden kann, muss der Gesetzgeber die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in erheblichem Umfang über die gesetzlichen Regelungen hinwegsetzen und sollten die materiellen und prozeduralen Vorkehrungen des Verständigungsgesetzes nicht ausreichen, um das festgestellte Vollzugsdefizit zu beseitigen und dadurch die an eine Verständigung im Strafverfahren zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, muss der Gesetzgeber der Fehlentwicklung durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken (vgl. zu Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers BVerfGE 25, 1 <12 f.>; 49, 89 <130>; 95, 267 <314>; 110, 141 <158, 166>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. November 2009 - 1 BvR 213/08 -, GRUR 2010, S. 332 <334>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Januar 2011 - 1 BvR 3222/09 -, NJW 2011, S. 1578 <1582>). Unterbliebe dies, träte ein verfassungswidriger Zustand ein. 

5. Das Normgefüge des Verständigungsgesetzes gestattet nach der hier zugrunde gelegten Auslegung des einfachen Rechts keine Verfahrensweise im Strafprozess, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspräche. Die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften sind deshalb weder für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären noch besteht Anlass, sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einzugrenzen. Damit ist der Anwendungsbereich von § 79 BVerfGGnicht eröffnet. 

III.  

Die mit den Verfassungsbeschwerden angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen sind mit den Vorgaben des Grundgesetzes für eine Verständigung im Strafprozess nicht zu vereinbaren. 

1. Die von den Beschwerdeführern zu I. und II. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts München II und des Bundesgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und verstoßen gegen die Selbstbelastungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Im Anschluss an die in beiden Fällen unterbliebene Belehrung der Angeklagten über die Voraussetzungen und Folgen des Wegfalls der Bindung an eine Verständigung (§ 257c Abs. 5 StPO) hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung, ob die Urteile des Landgerichts München II auf dem Gesetzesverstoß beruhen, die grundlegende Bedeutung der Belehrungspflicht nach § 257c Abs. 5 StPOfür die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit verkannt. 

a) Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 15). Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt. 

Zwar muss der Angeklagte unabhängig von der Möglichkeit einer Verständigung darüber befinden, ob und gegebenenfalls wie er sich zur Sache einlässt. Mit der Aussicht auf eine Verständigung wird jedoch eine verfahrensrechtliche Situation geschaffen, in der es dem Angeklagten in die Hand gegeben wird, durch sein Verhalten spezifischen Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses zu nehmen. Anders als in einer nach der herkömmlichen Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung kann er nämlich mit einem Geständnis die das Gericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und damit Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens erreichen. Damit ist aus der Perspektive des Angeklagten das Festhalten an der Freiheit von Selbstbelastung nur noch um den Preis der Aufgabe der Gelegenheit zu einer das Gericht bindenden Verständigung und damit einer (vermeintlich) sicheren Strafobergrenze zu erlangen. Die Erwartung der Bindung des Gerichts bildet dementsprechend Anlass und Grundlage der Entscheidung des Angeklagten über sein prozessuales Mitwirken; damit entsteht eine wesentlich stärkere Anreiz- und Verführungssituation als es - mangels Erwartung einer festen Strafobergrenze - etwa in der Situation von § 136 Abs. 1 oder § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO der Fall ist. Der Angeklagte muss deshalb wissen, dass die Bindung keine absolute ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen - die er ebenfalls kennen muss - entfällt. Nur so ist es ihm möglich, Tragweite und Risiken der Mitwirkung an einer Verständigung autonom einzuschätzen. Die in § 257c Abs. 5 StPO verankerte Belehrungspflicht ist aus diesem Grund keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine zentrale rechtsstaatliche Sicherung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit. 

b) Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verkennen diese besondere Funktion des § 257c Abs. 5 StPO. Eine Verständigung ohne vorherige Belehrung nach dieser Vorschrift verletzt den Angeklagten grundsätzlich in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Bleibt die unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen und fließt das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht dieses auf der mit dem Verstoß einhergehenden Grundrechtsverletzung, es sei denn eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis kann ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. Hierzu müssen vom Revisionsgericht konkrete Feststellungen getroffen werden. Soweit der Bundesgerichtshof in beiden Fällen damit argumentiert, dass ein Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO nicht eingetreten sei, führt dies im Hinblick auf die Frage, ob die Urteile gerade wegen der Verwertung des nach einem Belehrungsmangel abgegebenen Geständnisses auf einer Verletzung der Autonomie des Angeklagten beruhen, nicht weiter. Wenn der Bundesgerichtshof im Fall der Beschwerdeführer zu II. ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO darüber hinaus mit der Erwägung verneint, konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, verkennt er die grundlegende Bedeutung des § 257c Abs. 5 StPO für den Grundsatz des fairen Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof bei Anwendung des oben genannten Maßstabs in beiden Fällen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Aus diesem Grund sind die angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs aufzuheben und die Sachen an diesen zurückzuverweisen. 

2. Die von dem Beschwerdeführer zu III. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Bundesgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG

a) Das Urteil des Landgerichts Berlin verstößt schon deshalb gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und die darin verankerte Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit, weil das Landgericht ein unter weitgehender Weigerung, Fragen zu beantworten, abgegebenes inhaltsleeres Formalgeständnis als Grundlage einer Verurteilung akzeptiert hat, ohne es - abgesehen von einer, dann auch beantworteten Frage zum Mitführen und Ladezustand der Dienstwaffen - durch eine weitere, auf eigenständige Spezifizierung seitens des Angeklagten zielende Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu überprüfen. Ein Geständnis, das sich in einer Bezugnahme auf die Anklage erschöpft, ist als Grundlage einer Verständigung bereits deshalb ungeeignet, weil es keine Grundlage für eine Überprüfung seiner Glaubhaftigkeit (§ 257c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO) bietet. Darüber hinaus beruht das angegriffene Urteil auf einer Verständigung, die infolge der Kopplung eines Geständnisses „im Sinne der Anklage“ an den Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen „zur Schuldfrage“ unzulässig über den Schuldspruch disponiert und zudem eine Strafrahmenverschiebung zum Gegenstand hat. Deshalb stellt sich das Urteil als ein vom Grundgesetz untersagter „Handel mit der Gerechtigkeit“ dar. 
Hinzu kommt, dass dieser „Handel mit der Gerechtigkeit“ auf einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit des Beschwerdeführers beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für den Fall einer Verurteilung ohne vorherige Verständigung für jede der beiden angeklagten schweren Raubtaten eine Mindeststrafe von drei Jahren in Aussicht gestellt wurde - so die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer im Revisionsverfahren - oder ob eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren im Raum stand, wie der Beschwerdeführer vorträgt. Entscheidend ist die vor dem Gebot schuldangemessenen Strafens nicht zu rechtfertigende Spannweite zwischen der zugesagten Strafobergrenze für den Fall einer Verständigung auf der einen Seite und der für den Fall einer Verurteilung in einer nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung im Raum stehenden Straferwartung auf der anderen Seite. Die Frage, wann die Grenze zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit überschritten ist, entzieht sich zwar einer exakten mathematischen Berechnung. Im vorliegenden Fall ist diese Grenze jedoch deutlich überschritten, nachdem eine schon für sich gesehen übermäßige Differenz zwischen den beiden Strafgrenzen noch zusätzlich mit der Zusage einer Strafaussetzung zur Bewährung verbunden wurde, die überhaupt nur aufgrund der ebenfalls zugesagten Strafrahmenverschiebung zu einem minder schweren Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) möglich war. 

b) Das Urteil des Landgerichts Berlin ist aus diesen Gründen aufzuheben; gleiches gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs, mit dem die Grundrechtsverletzung perpetuiert worden ist. Die Sache ist an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen. 

C. 

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 315/15
vom
18. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:180716B1STR315.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 18. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Oktober 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 29 Fällen in Tatmehrheit mit Betrug in fünf Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Die Revision dringt mit einer Verfahrensrüge durch. Dies führt zur gesamten Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen.
3
a) Die Revision rügt die Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO. Der Vorsitzende der Strafkammer habe über den Inhalt eines am 15. Juli 2014 außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächs in öffentlicher Hauptverhandlung nur unvollständig berichtet und die Mitteilung über dieses Gespräch entsprechend unvollständig ins Protokoll aufgenommen.
4
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Jedenfalls die von Rechtsanwältin G. erhobene Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
5
c) Der Beanstandung liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
6
Die am 7. Oktober 2013 gegen den Angeklagten und vier Mitangeklagte begonnene Hauptverhandlung endete am 30. Oktober 2014, dem 44. Hauptverhandlungstag. Bereits am dritten Hauptverhandlungstag, dem 28. Oktober 2013, verlas der Vorsitzende der Strafkammer einen Verständigungsvorschlag des Gerichts im Sinne von § 257c StPO. Alle Angeklagten wurden gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt. Der Verständigungsvorschlag hatte hinsichtlich des Angeklagten den Inhalt, das Landgericht werde für den Fall, dass der Angeklagte ein qualifiziertes und damit selbstbelastendes und konkretes Geständnis abgebe, das kein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis sei, eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen sechs Jahren und sechs Jahren und neun Monaten verhängen. Eine Verständigung bezüglich des Angeklagten konnte nicht erzielt werden.
7
In seiner Einlassung bestritt der Angeklagte die Tatvorwürfe der Steuerhinterziehung insgesamt (UA S. 101 ff.); demgegenüber legte er auch ohne Verständigung gemäß § 257c StPO hinsichtlich der ihm zur Last liegenden Betrugstaten ein weitgehendes, wenngleich nicht vollumfängliches Geständnis ab (UA S. 143 f., 154).
8
Auf Anregung der Verteidiger des Angeklagten fand am 34. Hauptverhandlungstag , dem 15. Juli 2014, außerhalb der Hauptverhandlung ein weiteres Verständigungsgespräch statt. An den Erörterungen nahmen neben den Berufsrichtern und den Schöffen ein Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie die Verteidiger des Angeklagten und der Mitangeklagten teil. Bei dem Gespräch fragte der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt A. , an, ob von Seiten der Strafkammer im Falle eines Geständnisses eine Straferwartung zwischen vier und fünf Jahren als realistisch betrachtet werden würde. Der Vorsitzende nahm Stellung zum Stand der Beweisaufnahme und teilte mit, dass die Strafkammer davon ausgehe, dass der Steuerschaden deutlich niedriger liegen dürfte als in der Anklage angenommen und sich die Vorgehensweise der Angeklagten eher dilettantisch darstelle (vgl. die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 15. Juli 2015). Dennoch wolle die Strafkammer die in dem Verständigungsangebot vom dritten Hauptverhandlungstag in Aussicht gestellten Grenzen für die zu verhängende Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren als Untergrenze und sechs Jahren und neun Monaten als Obergrenze beibehalten. Das Verständigungsgespräch endete ohne Ergebnis, da die Vorstellung der Verteidiger des Angeklagten mit einem Rahmen von vier bis fünf Jahren Freiheitsstrafe von der Strafkammer als nicht zustimmungsfähig erachtet wurde.
9
Am 16. Juli 2014, dem 35. Hauptverhandlungstag, berichtete der Vorsitzende der Strafkammer in öffentlicher Hauptverhandlung über den Inhalt des Verständigungsgesprächs und nahm folgende Mitteilung ins Protokoll auf: „Der Vorsitzende gab bekannt, dass sich in dem von den Verteidi- gern des Angeklagten angeregten Gespräch eine Verständigung nicht erzielen ließ, wobei das Gericht im Rahmen dieses Gesprächs in Aussicht gestellt hat, sich angesichts des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme und des persönlichen Eindrucks vom Angeklagten am ursprünglichen Verständigungsvorschlag festhalten zu lassen für den Fall eines qualifizierten und selbstbelastenden Geständnisses.“
10
Die protokollierte Mitteilung gab seine mündlichen Ausführungen zutreffend wieder.
11
Nach dem ergebnislosen Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 machte der Angeklagte in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben mehr. In Anknüpfung an dieses Verständigungsgespräch stellte die Staatsanwaltschaft am 37. Verhandlungstag noch fünf Beweisanträge, die jeweils an dem Inhalt des Verständigungsgesprächs vom 15. Juli 2014 anknüpften.
12
d) Die Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO im Hinblick auf das am 15. Juli 2014 erfolgte Verständigungsgespräch verletzt.
13
aa) Allerdings liegt, soweit die Revision mit Blick auf dieses Verständigungsgespräch eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, ein Rechtsfehler bereits nach ihrem Vortrag nicht vor. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO eine Erörterung nicht vollständig bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, ergibt sich aus der Wiedergabe der unvollständigen Mitteilung im Protokoll kein zusätzlicher Rechtsfehler; vielmehr gibt dieses den Gang der Hauptverhand- lung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2015 – 1 StR 235/14, Rn. 20; vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, Rn. 12, NStZ-RR 2015, 223 mwN, insoweit in BGHSt 60, 150 nicht abgedruckt und vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). So liegt es hier. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann deshalb nicht verletzt sein.
14
bb) Verletzt ist aber § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende des Gerichts mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
15
(1) Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 – 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 – 1 StR 210/14, NStZ 2015, 48). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wur- den und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 3. Dezember 2013 – 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Nur so wird eine effektive Kontrolle in der Revisionsinstanz ermöglicht.
16
(2) Nach Maßgabe dessen erweist sich die in öffentlicher Hauptverhandlung vorgenommene Mitteilung des Vorsitzenden über das am 15. Juli 2014 geführte Verständigungsgespräch als unzureichend. Denn wesentliche Informationen , die Ablauf und Inhalt des Gesprächs offen gelegt hätten, teilte der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht mit. Es blieb offen, welche Standpunkte von den Teilnehmern des Gesprächs, insbesondere von der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, vertreten wurden und ob sie bei den anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sind. Auch fehlte der Hinweis darauf, dass der Vorsitzende bei dem Verständigungsgespräch davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe sich eher dilettantisch verhalten und der Steuerschaden habe sich gegenüber der Anklage deutlich verringert. Schließlich enthielt die Mitteilung des Vorsitzenden auch keine Angaben zur Reaktion der Staatsanwaltschaft auf den Verständigungsvorschlag des Gerichts und ggf. ihre Vorstellung über das Strafmaß und ihre Erwartungen an das Prozessverhalten des Angeklagten. Die Erwartungen der Verfahrensbeteiligten an den weiteren Prozessverlauf sind danach unklar geblieben; das aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Transparenzgebot ist dadurch verletzt.
17
cc) Unter den gegebenen Umständen kann der Senat nicht ausschließen , dass das Urteil auf diesem Rechtsverstoß beruht.
18
(1) Von einem Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO ist auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
19
Der Gesetzgeber hat Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung, zu denen auch die Transparenz- und Dokumentationspflichten gehören, nicht als absolute Revisionsgründe eingestuft (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 223, Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, Rn. 29, NStZ 2015, 170, 172). Die Revisionsgerichte haben daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das Urteil auf dem Transparenzverstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfG aaO, BVerfGE 133, 168, 223, Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 – 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 153 f. mwN). Bei der Prüfung durch die Revisionsgerichte sind auch Art und Schwere des Verstoßes in den Blick zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, Rn. 29, NStZ 2015, 170, 172).
20
(2) Auch wenn hier auszuschließen ist, dass der Transparenzverstoß auf die Verschleierung gesetzwidriger „informeller“ Verständigungsbemühungen gerichtet war, kann der Senat gleichwohl nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Transparenzverstoß beruht.
21
(a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 29 Fällen.
22
Der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO hatte insoweit erhebliches Gewicht, weil in der Mitteilung die Neubewertung der Beweislage und des Hinterziehungsumfangs durch die Strafkammer fehlte, die für das Verteidigungsverhalten des Angeklagten von großer Bedeutung sein konnte, nämlich dass der Steuerschaden deutlich niedriger liegen dürfte als in der Anklage angenommen und sich die Vorgehensweise des Angeklagten als eher dilettantisch darstellte. Der Angeklagte hatte diese Tatvorwürfe insgesamt bestritten und äußerte sich nach der Mitteilung über das Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 nicht mehr. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte nunmehr eingelassen und anders als bisher verteidigt hätte , wenn ihm vom Vorsitzenden die neue Einschätzung der Strafkammer zur Beweissituation mitgeteilt worden wäre. Ebenso wenig kann der Senat ausschließen , dass der Angeklagte nach einer solchen Mitteilung noch ein Geständnis abgelegt hätte, um eine Strafe in dem vom Gericht genannten Rahmen zu erhalten. Die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, zu welcher der Angeklagte verurteilt worden ist, liegt oberhalb dieses Rahmens.
23
(b) Für Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen und versuchten Betruges kann im Ergebnis nichts anderes gelten.
24
Zwar hatte der Angeklagte die Tatvorwürfe des Betruges und versuchten Betruges bereits nach dem Verständigungsvorschlag des Gerichts vom dritten Hauptverhandlungstag – mithin ohne die Absicherung durch eine Verständigung – im Wesentlichen gestanden (UA S. 143 f., 149 ff.). Aufgrund der Mitteilung des Vorsitzenden über das Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 erfuhr er, dass die Strafkammer an ihrem Verständigungsvorschlag festhalten wolle. Angesichts des bereits vorher abgegebenen Geständnisses liegt es nahe , dass sich der Angeklagte hinsichtlich dieser Tatvorwürfe nicht anders eingelassen hätte, wenn der Vorsitzende ihn – der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO entsprechend – darüber informiert hätte, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer bei dem Verständigungsgespräch vertraten und wie die Strafkammer die Beweissituation einschätzte.
25
Letztlich kann der Senat gleichwohl nicht ausschließen, dass auch die Verurteilung wegen der Betrugstaten auf dem Verfahrensverstoß beruht. Denn das Geständnis des Angeklagten enthielt Einschränkungen zu seiner Beteiligung an bandenmäßig begangenen Betrugstaten. Das Landgericht hat den Angeklagten , auch wenn dies nur in den Urteilsgründen und nicht im Tenor zum Ausdruck kommt, jeweils wegen des Qualifikationstatbestandes des (versuchten ) banden- und gewerbsmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) verurteilt. Der Senat kann daher letztlich nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte gerade zu seiner Bandenmitgliedschaft nach einer vollständigen Mitteilung des Vorsitzenden über das Verständigungsgespräch vom 15. Juli 2014 anders als zuvor eingelassen hätte.
26
2. Angesichts der vollständigen Aufhebung des Urteils, soweit es den Angeklagten betrifft, bedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrüge, mit der die Revision die Annahme der Unerreichbarkeit des Zeugen D. im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO beanstandet hat. Allerdings weist der Senat darauf hin, dass das Tatgericht, sofern es vom Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO keinen Gebrauch macht, nur bei Vorliegen besonderer Umstände von einer von einem Auslandszeugen angebotenen audiovisuellen Vernehmung absehen und den Zeugen als unerreichbar ansehen darf (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11; Rose, NStZ 2012, 18, 20).
Raum Graf Jäger
Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR470/14
vom
25. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Februar 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 9. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in fünf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und wegen erlittener Auslieferungshaft eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Der Rüge liegt Folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Nach Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse und Verlesung der Anklageschrift wurde die Hauptverhandlung vom 9. Juli 2014 um 11.28 Uhr unterbrochen und um 12.10 Uhr fortgesetzt. Weiter heißt es im Hauptverhandlungsprotokoll: „Der Vorsitzende wies darauf hin, dass eine Verständigung den Inhalt haben könnte, dass, wenn der Angeklagte eine geständige Einlassung zu den Anklagepunkten 2, 3, 4, 6 und 7 abgeben würde, eine Gesamtfreiheitsstrafe im Bereich von zwei Jahren sechs Monaten bis zu drei Jahren im Raum steht.
Der Vorsitzende erteilt den rechtlichen Hinweis, dass statt des schweren Bandendiebstahls auch eine Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Betracht kommt.“
4
Nach Belehrung des Angeklagten gemäß § 257c StPO stimmten dieser, sein Verteidiger und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft dem Vorschlag der Strafkammer zu. Das Hauptverhandlungsprotokoll enthält insoweit den Ver- merk: „Die Verständigung ist somit zustande gekommen.“
5
Der Beschwerdeführer rügt einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO und macht hierzu unter anderem geltend, im Rahmen der öffentlichen Hauptverhandlung hätte im Einzelnen dargelegt und protokolliert werden müssen, dass während der knapp vierzigminütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung ein Rechtsgespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten stattgefunden und welchen wesentlichen Inhalt dieses Rechtsgespräch gehabt habe.
6
2. Die Verfahrensrüge ist zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, NJW 2013, 3046). Sie ist auch begründet.
7
Der vom Beschwerdeführer gerügte Verfahrensverstoß liegt vor.
8
a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung im Sinne von § 257c StPO gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13, NStZ 2013, 610). Diese Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verfahren eröffnen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 272/13, StV 2014, 67; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f.). Alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit (vgl. dazu jüngst BVerfG, NStZ 2015, 170, 171; NStZ 2015, 172, 173) sollen nicht nur darüber informiert werden, ob solche Erörterungen stattgefunden haben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 aaO). Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen.
9
b) Im vorliegenden Fall weist das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 9. Juli 2014, was die Revision zu Recht beanstandet, weder aus, dass, was nach dem von der Revision mitgeteilten Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls nahe liegt, in der vierzigminütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung ein Verständigungsgespräch stattgefunden noch, welchen wesentlichen Inhalt dieses Rechtsgespräch in dem vorstehend dargestellten Sinne gehabt hat.
10
c) Ein Mangel an Transparenz und Dokumentation der Gespräche, die mit dem Ziel der Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung durchgeführt wurden, führt – ebenso wie die mangelhafte Dokumentation einer Verständigung – regelmäßig dazu, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht ausgeschlossen werden kann (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 aaO; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. März 2013 aaO). Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 1 5 / 1 4
vom
15. Januar 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zum Beruhen bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4
Satz 1 StPO.
BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14 - LG Magdeburg
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Halle - Wirtschaftsstrafkammer - zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Der Beanstandung des Angeklagten liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand im Zwischenverfahren am 15. Dezember 2011 ein Rechtsgespräch mit dem Ziel einer Verständigung statt. An diesem Gespräch nahmen die Berufsrichter der Strafkammer, der Verteidiger des Angeklagten, die Verteidiger der drei nicht revidierenden Mitangeklagten und zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft teil. Die Kammer signalisierte Bereitschaft, den Prozessstoff im Falle einer Verständigung auf eine der drei angeklagten Taten zu beschränken. Die Vertreter der Staatsanwalt- schaft äußerten sich zu ihrer Straferwartung dergestalt, dass bei Geständnisbereitschaft der Angeklagten Strafhöhen im bewährungsfähigen Bereich denkbar seien. Nachdem auch die Verteidiger der Angeklagten zu ihren Erwartungen über das Verfahrensergebnis Stellung bezogen hatten, endete das Rechtsgespräch ohne Ergebnis.
4
Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 8. Januar 2013, nahm der Vorsitzende folgende Mitteilung ins Protokoll auf:
5
„Es wurde festgestellt, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung Erörterun- gen mit den Prozessbeteiligten gemäß § 243 Abs. 4 n.F. stattgefunden haben. Am 15. Dezember 2011 fand ein Gespräch mit den Prozessbeteiligten statt mit dem Ziel einer Möglichkeit der Verständigung. Im Ergebnis wurde keine Einigung erzielt.“
6
Der Angeklagte ließ sich am ersten Verhandlungstag in Gestalt einer Erklärung seines Verteidigers umfassend zur Sache ein.
7
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand am siebten Hauptverhandlungstag während laufender Hauptverhandlung erneut ein Rechtsgespräch mit dem Ziel der Verständigung über den Verfahrensausgang statt, welches ebenfalls nicht zu einer Einigung führte. Ein weiterer ergebnisloser Verständigungsversuch trug sich außerhalb der Hauptverhandlung am 14. Hauptverhandlungstag zu. In das Protokoll über die Hauptverhandlung fand dieser Eingang wie folgt:
8
„In der Verhandlungspause haben die Berufsrichter, die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Vertreter des Finanzamtes und die Verteidi- ger die Sach- und Rechtslage erörtert. Auch in diesem Gespräch ist es zu keiner Einigung gekommen.“
9
Der Angeklagte war durch seine Verteidiger über den Inhalt der geführten Gespräche jeweils informiert worden.
10
Die Revision rügt, das Landgericht habe seinen sich aus § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ergebenden Mitteilungspflichten nicht genügt; auf der unzureichenden Transparenz der ohne den Angeklagten geführten Gespräche beruhe das Urteil, obschon dieser von seinem Verteidiger darüber unterrichtet worden sei, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser sein Prozessverhalten bei gesetzmäßiger Unterrichtung durch den Vorsitzenden anders ausgerichtet hätte.
11
2. Die Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bereits in Bezug auf die im Zwischenverfahren erfolgten Verständigungsgespräche verletzt. Unter den hier konkret gegebenen Umständen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsverstoß beruht.
12
a) Allerdings liegt, soweit die Revision mit Blick auf die erfolgten Verständigungsgespräche eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt, ein Rechtsfehler bereits nach ihrem Vortrag nicht vor. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine Erörterung , die vor der Eröffnung des Hauptverfahrens stattgefunden hat (§ 202a StPO), nach Beginn der Hauptverhandlung nicht bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, so ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls kein zusätzlicher Rechtsfehler; im Gegenteil gibt dieses den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.; Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). So liegt es hier. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann deshalb nicht verletzt sein.
13
b) Verletzt ist aber § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Danach teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt.
14
aa) Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 - 1 StR 210/14). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Nur so wird eine effektive Kontrolle in der Revisionsinstanz ermöglicht.
15
bb) Nach Maßgabe dessen erweist sich die Mitteilung des Vorsitzenden über das im Zwischenverfahren geführte Verständigungsgespräch als rechtsfehlerhaft. Denn die formelhafte Wendung, ein abgehaltenes Verständigungsgespräch sei ergebnislos verlaufen, reicht nicht aus. Die wesentlichen Informationen , die Ablauf und Inhalt des Gesprächs offengelegt hätten, wie etwa das Angebot einer Verfahrensbeschränkung durch die Strafkammer oder die Vorstellung der Staatsanwaltschaft über das Strafmaß und ihre Erwartungen an das Prozessverhalten des Angeklagten, hat der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt. Die Erwartungen der Verfahrensbeteiligten an den Prozessverlauf und sich hieraus möglicherweise ergebende Folgen sind nach seiner Mitteilung unklar geblieben; das aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Transparenzgebot ist dadurch verletzt.
16
cc) Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen , dass das Urteil auf diesem Rechtsverstoß beruht.
17
(1) Von einem Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung sind nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden, so dass eine Beruhensprüfung (§ 337 Abs. 1 StPO) in jedem Einzelfall vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 - 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.).
18
(2) Das Schutzkonzept der gesetzlichen Regelungen über die Verständi- gung erstreckt sich auch auf die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kon- trolle verständigungsbasierter Urteile im Sinne umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung durch Mitteilung und Dokumentation im Verhandlungsprotokoll (BVerfGE 133, 168, 222 Rn. 96). Ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht wird deshalb grundsätzlich dann nie ausgeschlossen werden können, wenn zu besorgen ist, das Urteil könne auf gesetzwidrige „informelle Absprachen“ oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgehen (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Ebenso liegt es, wenn eine „informelle Absprache“ - wie hier - zwar ergebnislos geblieben und eine Einigung nicht zustande gekommen ist, hierauf gerichtete Gesprächsbemühungen aber außerhalb der öffentlichen Hauptverhandlung stattgefunden haben. Da der Schutzmechanismus des Verständigungsgesetzes auch durch erfolglose Verständigungsbemühungen verletzt werden kann, verlangt § 243 Abs. 4 StPO für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung eine Mitteilung deren wesentlichen Inhalts, die gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren ist. Hinsichtlich der in der Hauptverhandlung selbst zustande kommenden Verständigung ist demgegenüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO nur der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Weitergehender Informationsbedarf besteht hier für die Öffentlichkeit nicht, denn sie hat dem Zustandekommen der Verständigung - anders als den Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung - beigewohnt. Dieses zwar primär auf die Herstellung von Öffentlichkeit ausgerichtete Verfahren ist mittelbar zugleich Teil des dem Angeklagten zugedachten Individualrechtsschutzes , denn es gewährleistet ihm ein bestimmtes Maß an Rechtsstaatlichkeit. Diese Erwägung liegt auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde, nach der das Beruhen eines Urteils auf Verstößen gegen die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97).
19
Dennoch führt auch die Beachtung dieser Schutzgüter nicht bei jedem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht zu dem Ergebnis, dass ein Beruhen des Urteils hierauf nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dem Unterbleiben der nach § 243 Abs. 4 StPO erforderlichen Mitteilung darf nicht per se auf die Bemühung um Herbeiführung einer „informellen Absprache“ geschlossen werden. Bei der - stets an den Umständen des Einzelfalles ausgerichteten - Beruhensprüfung ist vielmehr im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang das Gericht Essentialia aus den Vorgesprächen unerwähnt gelassen hat. Verstöße gegen die Mitteilungspflicht sind in einer sehr weit gestreuten Bandbreite denkbar. Sie können von kleinen Ungenauigkeiten und Auslassungen bis hin zur gänzlichen Unterlassung der Mitteilung oder bewussten Falschmitteilung reichen. Dies liegt daran, dass die Mitteilungspflicht sehr früh eingreift und inhaltlich - wie oben dargelegt - von erheblichem Umfang ist. Der Verfahrensverstoß bedarf deshalb einer an seiner Auswirkung zu bemessenden Gewichtung. Sind also insbesondere neben dem Umstand, dass überhaupt Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben, auch die vorbenannten Aspekte in ihren wesentlichen Umrissen deutlich geworden, wird ein Beruhen des Urteils im Sinne von § 337 StPO auch dann auszuschließen sein, wenn die Mitteilung einzelne notwendige Informationen vermissen lässt.
20
(3) Diese Grundsätze gelten auch für die Konstellation, in der der Verteidiger den Angeklagten über den Inhalt eines zuvor geführten Verständigungsgesprächs informiert hat.
21
In besonders gelagerten Einzelfällen (vgl. Landau NStZ 2014, 425, 430) kann ein Ausschluss des Beruhens im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO möglich sein, wenn der Instanzverteidiger den Angeklagten über Ablauf und Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche zuverlässig unterrichtet und so ein Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418; Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 169/14, NStZ-RR 2014, 315; Beschluss vom 16. Juli 2014 - 5 StR 227/14). Aus den dargelegten Erwägungen kann die Frage, ob die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung über sein weiteres Prozessverhalten auf einer tragfähigeren Grundlage beruht, wenn er nicht nur von seinem Verteidiger zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, sondern durch das Gericht durch Mitteilung in der Hauptverhandlung (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314 und vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 603), nicht allgemeingültig beantwortet werden. Auch insoweit ist eine Betrachtung des Einzelfalles im Lichte des Schutzzwecks des § 243 Abs. 4 StPO erforderlich.
22
Generell kann das Gespräch des Angeklagten mit seinem Verteidiger die Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung - auch im Rahmen der Beruhensprüfung - nicht ersetzen. Dem steht bereits das Schutzgut der Gewährleistung öffentlicher Kontrolle des Verständigungsprozesses entgegen, welches dem Risiko des Angeklagten angemessen Rechnung tragen will, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu seinem Nachteil auswirkt (BVerfGE 133, 168, 232 Rn. 114). Richterliche und nicht richterliche Mitteilungen sind strafprozessual auch dem Grunde nach nicht von identischer Qualität. Vielmehr liegt der Strafprozessordnung an verschiedenen Stellen die Wertung zugrunde, wonach Authentizität, Vollständigkeit und Verständlichkeit einer Mitteilung oder Belehrung (nur) durch richterliches Handeln verbürgt sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014, 513).
23
Die Information des Angeklagten durch seinen Verteidiger bei fehlender oder unzureichender gerichtlicher Mitteilung über den Inhalt eines gescheiterten Verständigungsgesprächs gemäß § 243 Abs. 1 StPO lässt deshalb einen Ausschluss des Beruhens nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu. Je einfacher sich die dem Verständigungsversuch zugrunde liegende Sach- und Rechtslage darstellt, desto weniger stark wird die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten gefährdet und umso eher wird auszuschließen sein, dass die Verständigung rechtswidrig war und das Gericht bei regelhafter Vornahme und Protokollierung der Mitteilung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Informationen etwa über leicht erfassbare tatsächliche Umstände wird der Verteidiger dem Angeklagten einfacher vermitteln können, als vielschichtige Rechts- und Verfahrensfragen. Bei komplexen Rechts- oder Verfahrensfragen wird sich dagegen regelmäßig nicht ausschließen lassen, dass die Information des Angeklagten durch das Gericht auf sein Prozessverhalten Einfluss genommen hätte.

24
(4) Nach Maßgabe dessen liegt jedenfalls unter den vorliegenden Umständen hier kein Ausnahmefall vor, in dem das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden kann.
25
Aufgrund der Beschränkung der Mitteilung auf die äußerst dürftige Information , es hätten Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung ergebnislos stattgefunden, liegt ein Ausschluss des Beruhens schon aus Transparenzgründen fern. Die Mitteilung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gibt nicht einmal ansatzweise wieder, was Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Selbst wenn der Angeklagte von seinem Verteidiger darüber hinreichend informiert wurde, ist das gesetzliche Schutzkonzept dennoch berührt, denn jedenfalls die Gewährleistung effektiver Kontrolle des mit der Verständigung verbundenen Geschehens durch die Öffentlichkeit konnte hierdurch nicht ersetzt werden. Schon dies steht der Gleichschaltung der Verteidigerinformation mit einer Mitteilung durch das Gericht in laufender Hauptverhandlung entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014,

513).


26
Im Übrigen bekräftigen auch die weiteren Umstände des Falles dieses Ergebnis:
27
Am ersten Tag der Hauptverhandlung, an dem u.a. die Einlassung des Angeklagten zur Sache erfolgte, lag das gescheiterte Verständigungsgespräch bereits länger als ein Jahr zurück. Schon aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands zum Beginn der Verhandlung lässt sich nicht ausschließen, dass dem Angeklagten Inhalt und Bedeutung der Gespräche nicht (mehr) hinreichend bekannt waren. Unklarheit über deren Bedeutung hätte demgegenüber nicht ein- treten können, wenn der Vorsitzende den Angeklagten zu Beginn der Verhandlung auf der Grundlage der von ihm vorgenommenen Dokumentation die von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte Mitteilung an den Angeklagten gerichtet hätte.
28
Hinzu kommt, dass es sich bei den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwürfen nicht etwa um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach überschaubaren Sachverhalt gehandelt hat. Im vorliegenden Fall war Verfahrensgrundlage eine 45-seitige Anklageschrift, mit welcher die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwarf, sich während eines Zeitraums von rund drei Jahren der Steuerhinterziehung in zwei Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben; das Beweismittelverzeichnis der Anklage erstreckt sich über sieben Seiten. Neben dem Angeklagten waren drei weitere Personen angeklagt. Schon die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gebot eine verständliche und vollständige Mitteilung der Bedeutung der Verständigungsgespräche durch das Gericht.
29
Unter wertender Betrachtung von Art und Ausmaß des Verstoßes lässt sich unter den konkreten Umständen des Falles schon nicht zweifelsfrei ausschließen , dass das Verständigungsgespräch während des Zwischenverfahrens möglicherweise im Sinne des § 257c StPO rechtswidrige Inhalte hatte. Auch der Ausschluss einer auf fehlerhaftem oder verkürztem Verständnis des Verteidigers beruhenden unzureichenden Information des Angeklagten - verstärkt durch den zwischenzeitlich eingetretenen zeitlichen Abstand - war hier alleine durch eine vollständige Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung möglich.
30
Der Senat kann nach alldem nicht ausschließen, dass sich der Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auf den Verfahrensausgang ausgewirkt hat.
31
3. Ob das Urteil auch auf dem (weiteren) Verstoß gegen die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO im Hinblick auf das während des Hauptverfahrens geführte Verständigungsgespräch beruht, kann für die Entscheidung über das Rechtsmittel dahinstehen.
32
4. Der Senat hat gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Halle zurückzuverweisen.
Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 6 1 2 / 1 3
vom
9. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 24. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit es ihn betrifft. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in Tatmehrheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Es hat ihn hierfür unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten Wertersatzverfall in Höhe von 4.500 Euro angeordnet. Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Die Revision macht zu Recht geltend, § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO sei verletzt worden.
3
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Nach Verlesung der Anklageschrift und Feststellung der Haftdaten wurde die Hauptverhandlung für etwa vier Stunden unterbrochen. Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung gab die Vorsitzende bekannt, dass zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und allen Verteidigern des Angeklagten und der Mitangeklagten in der Verhandlungspause Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden hätten. Hinsichtlich des Angeklagten sei eine Verständigung nicht zustande gekommen. Das Gericht unterbreitete sodann in der Hauptverhandlung für den Angeklagten einen Verständigungsvorschlag mit einem für die Gesamtfreiheitsstrafe in Aussicht gestellten Strafrahmen mit einer Untergrenze von sechs Jahren und sechs Monaten und einer Obergrenze von sieben Jahren bei Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO. Dieser Vorschlag wurde von der Verteidigung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft nicht akzeptiert.
5
Nach einer erneuten Unterbrechung der Hauptverhandlung gab die Vorsitzende bekannt, dass zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigern weitere Gespräche „über eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung“ stattge- funden hätten. Abschließende Äußerungen hierzu seien aber insbesondere von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht möglich, da Überprüfungen der Beweismittel noch stattfinden müssten. Im Hinblick auf diese noch laufenden Gespräche hätten die Verteidiger für ihre Mandanten erklärt, dass derzeit keine Einlassungen erfolgen sollten. Das Gericht werde versuchen, mit Staatsanwaltschaft und Verteidigern den weiteren Verfahrensablauf telefonisch zu klären und davon die jeweiligen Ladungen von Zeugen abhängig zu machen.
6
Im darauf folgenden Fortsetzungstermin gab die Vorsitzende bekannt, dass zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung in der Zwischenzeit über den vom Gericht am ersten Hauptverhandlungstag gemachten Verständigungsvorschlag weitere Gespräche stattgefunden hätten. Im Hinblick hierauf unterbreitete das Gericht betreffend den Angeklagten einen neuen Verständigungsvorschlag , in dem es ihm für den Fall eines näher beschriebenen Teilgeständnisses wiederum eine Strafuntergrenze von sechs Jahren und sechs Monaten und eine Strafobergrenze von sieben Jahren in Aussicht stellte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlangte ein weitergehendes Geständnis, der Verteidiger des Angeklagten lehnte demgegenüber ein Geständnis hinsicht- lich des Tatvorwurfs des bewaffneten Handeltreibens „definitiv“ ab. Die Vorsit- zende stellte daraufhin fest, dass eine Verständigung nicht zustande gekommen sei.
7
In Anschluss hieran gab der Verteidiger des Angeklagten für diesen eine Erklärung ab, die dieser als die seine anerkannte. Der Verteidiger erklärte hierzu , er gehe davon aus, dass es bei dem Verständigungsvorschlag des Gerichts verbleibe. Im Hinblick auf die Erklärung des Angeklagten stellte die Strafkammer das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft hinsichtlich einiger Tatvorwürfe gemäß §§ 154, 154a StPO ein. Zudem gab die Vorsitzende bekannt, „dass sich das Gericht im Hinblick auf die vom Angeklagten P. abgege- bene Erklärung an den im Verständigungsvorschlag gemachten Strafrahmen gebunden fühlt“.
8
b) Die Rüge des Angeklagten, es liege eine Verletzung der mit Verständigungsgesprächen einhergehenden Mitteilungspflichten gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO vor, ist zulässig und begründet.
9
aa) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlicher Inhalt. Diese Mitteilungspflicht greift bei sämtlichen Vorgesprächen ein, die auf eine Verständigung abzielen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13 mwN). Sie ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verfahren eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13 mwN). Die Bestimmung des § 243 Abs. 4 StPO verlangt deshalb, dass in der Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen zu informieren ist. Hierzu gehört auch dann, wenn keine Verständigung zustande gekommen ist, jedenfalls der Verständigungsvorschlag und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 5 StR 411/13).
10
bb) Gemessen hieran ist der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht in hinreichendem Umfang entsprochen worden. Die Vorsitzende hat zwar über die Tatsache informiert, dass mehrfach außerhalb der Hauptverhandlung im Ergebnis erfolglose Verständigungsgespräche stattgefunden haben. Dies genügte jedoch nicht, denn die Mitteilungspflicht erstreckt sich auch darauf, welcher Verfahrensbeteiligte jeweils welchen Verständigungsvorschlag gemacht hat. Da die Vorsitzende nicht mitgeteilt hat, von wem die ursprüngliche Initiative zu Verständigungsgesprächen ausgegangen ist und welchen Inhalt die in der Verhandlungspause erörterten Verständigungsvorschläge hatten, blieb letztlich offen, aus welchen Gründen es nicht zu einer Verständigung gekommen ist. Die Mitteilung des Inhalts dieser Verständigungsgespräche ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Gericht in der Hauptverhandlung weitere Verständigungsvorschläge gemacht hat, denn diese Vorschläge können sich aus den vorangegangenen Verständigungsgesprächen ergeben haben.
11
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht.
12
aa) Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Urteil auf dem Verstoß beruht; lediglich in Ausnahmefällen ist Abweichendes vertretbar (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13 mwN). Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. März 2013 im Einzelnen dargelegt hat, hält der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der umfassenden Transparenzund Dokumentationspflichten für zulässig, weshalb das gesetzliche Regelungskonzept eine untrennbare Einheit aus Zulassung und Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungsund Dokumentationspflichten darstellt (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 Bv2 BvR 2883/10 und 2 BvR 22 BvR 2155/11, Rn. 96, NJW 2013, 1058, 1066). Die Mitteilung des Inhalts sämtlicher auf eine Verständigung abzielender Gespräche dient dabei nicht nur der notwendigen Information der Öffentlichkeit, sondern auch der des Angeklagten, der - wie hier - bei derartigen Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung in der Regel nicht anwesend ist. Für die Willensbildung im Rahmen einer Verständigung ist für den Angeklagten auch von Bedeutung, dass er durch das Gericht umfassend über sämtliche vor und außerhalb der Hauptverhandlung mit den übrigen Verfahrensbeteiligten geführten Verständigungsgespräche informiert wird (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13 Rn. 16).
13
bb) Der Senat kann hier das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO auch nicht im Hinblick auf die (im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkte) Feststellung der Vorsitzenden, dass keine Verständigung stattgefunden habe, ausschließen. Denn auch im Falle einer im Ergebnis nicht zustande gekommenen Verständigung kann das Prozessverhalten des Angeklagten durch die vorangegangenen Verständigungsgespräche beeinflusst worden sein. Solches liegt hier im Hinblick auf den weiteren Verfahrensgang nach den Verständigungsgesprächen sogar nahe. So hat der Verteidiger des Angeklagten trotz gescheiterter Verständigung für diesen eine Erklärung abgegeben, die er mit der geäußerten Erwartung verbunden hat, dass es bei dem Verständigungsvorschlag des Gerichts verbleibe. Im Hinblick auf diese als Teilgeständnis gewertete Erklärung beantragte der Sitzungsstaatsanwalt eine Teileinstellung des Verfahrens. Im Anschluss an die Vornahme der beantragten Verfahrensbeschränkung gab schließlich das Gericht bekannt, es fühle sich im Hinblick auf die vom Angeklagten abgegebene Erklärung an den im Verständigungsvorschlag gemachten Strafrahmen gebunden.
14
2. Ergänzend bemerkt der Senat: Sollte die neue Strafkammer wieder zu der Feststellung gelangen, dass das Leben des Angeklagten vor seiner Verhaftung in dieser Sache weitgehend durch seinen Drogenkonsum geprägt war und dass er danach noch für die Dauer von drei bis vier Monaten unter Entzugserscheinungen litt, wird sie diese Umstände bei der Prüfung, ob bei dem Angeklagten ein Hang i.S.d. § 64 StGB, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, gegeben war, in den Blick zu nehmen haben (zum Begriff des Hangs i.S.v. § 64 StGB vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 - 1 StR 655/13 Rn. 11 mwN).
Raum Jäger Cirener
Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 3 8 1 / 1 3
vom
5. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Die Rüge eines Verstoßes gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten gemäß
§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO setzt nicht voraus, dass der Verteidiger zuvor von
dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat.
BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13 - LG Frankfurt am Main
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2014 in der Sitzung am 5. Juni 2014, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten A. wird verworfen. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sowie den Angeklagten A. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten H. führt auf die Verfahrensrüge hin zur Aufhebung des gegen ihn ergangenen Urteils. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. hat hingegen mit der Sachrüge lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen verkaufte der weitgehend geständige Angeklagte H. jeweils auf Weisung des gesondert verfolgten B. gegen Provision im Zeitraum August 2010 bis Oktober 2011 an den gesondert verfolgten P. in 30 Fällen Heroin in Mengen zwischen 10 bis 50 Gramm mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 5 %. Im Zeitraum Anfang März 2011 bis zum 16. Februar 2012 verkaufte er wiederum im Auftrag B. 's in 11 Fällen Heroin in Mengen zwischen 70 bis 200 Gramm an die gesondert verfolgte M. . Am 4. Oktober und am 4. Dezember 2012 verkaufte er - diesmal im Auftrag des Mitangeklagten A. - ihm von diesem ausgehändigtes Rauschgift, ca. 50 bzw. 45 g Heroin mit Wirkstoffanteilen von 6,2 bzw. 5,6 %, an die gesondert verfolgten K. und Pe. . Bei einer Wohnungsdurchsuchung des Angeklagten H. im Januar 2013 wurden u.a. zwei Cannabisplatten mit einem Gesamtgewicht von ca. 185 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 15,9 Gramm sichergestellt, die teils zum Eigenkonsum, überwiegend aber zum Verkauf bestimmt waren.

II.

3
Während die übrigen Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg bleiben, führt die Rüge eines Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 StPO zur Aufhebung des gegen den Angeklagten H. ergangenen Urteils.
4
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
5
Für den ersten Hauptverhandlungstag, den 9. April 2013, weist das Protokoll nach Verlesung des Anklagesatzes folgendes Geschehen aus: "Weiter wurde festgestellt, dass Erörterungen gem. §§ 202a und 212 StPO, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO gewesen ist, nicht stattgefunden haben. Die Angeklagten wurden darauf hingewiesen, dass es ihnen freistehe , sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Der Angeklagte A. erklärte sich derzeit zur Äußerung nicht bereit. RAin. Ha. regte ein Rechtsgespräch an. Die HV wurde um 09.47 Uhr unterbrochen und fortgesetzt um 10.17 Uhr. Alle vorher erschienenen Prozessbeteiligten waren wieder anwesend. Es wurde festgestellt, dass ein Rechtsgespräch geführt, jedoch keine Verständigung getroffen wurde. Im Rahmen des Gesprächs hat der StA. zum Ausdruck gebracht, dass eine geständige Einlassung des Angeklagten H. werthaltiger sein könnte, sofern sie auch Angaben zur Tatbeteiligung des Angeklagten A. enthalte.
Es bestand Gelegenheit zur Stellungnahme. Erklärungen wurden nicht abgegeben."
6
2. Die Revisionen rügen, es seien weder Erklärungen zur "personellen Beteiligung" an diesem Rechtsgespräch, an dem alle professionellen Verfahrensbeteiligten sowie die beiden Schöffen teilgenommen hatten, noch zu dessen vollständigem Inhalt erfolgt. So habe der Vertreter der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten H. eine Straferwartung von über sechs Jahren geäußert, die sich bei einer geständigen, den Mitangeklagten A. belastenden Einlassung verringern könne. Der Vorsitzende Richter habe eine Strafhöhe von fünf bis sechs Jahren in den Raum gestellt, was die Verteidigung des Angeklagten H. als nicht akzeptabel bezeichnet habe. Hinsichtlich des Angeklagten A. seien von keiner Seite irgendwelche Straferwartungen geäußert worden, dies auch deshalb, weil dessen Verteidiger "schweigend verteidigt" und sich deshalb an den Gesprächen nicht aktiv beteiligt habe.
7
Durch die unvollständige Unterrichtung seitens des Vorsitzenden habe die Strafkammer ihre Verpflichtung zur Transparenz und Dokumentation verletzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil - auch wenn keine Verständigung zustande gekommen sei - auf den nicht mitgeteilten Gesprächsinhalten beruhe.
8
3. Eine von den Revisionsführern vorgelegte anwaltliche Versicherung des Instanzverteidigers des Angeklagten A. , RA S. , bestätigt das Revisionsvorbringen. Aus eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Sitzungsstaatsanwalts und der Berufsrichter ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft eine Straferwartung von "nicht unter 6-7 Jahren" gehabt habe. Seitens des Gerichts seien entgegen dem Revisionsvorbringen keine Strafvorstellungen geäußert worden.
9
4. Die Revision macht zu Recht geltend, es liege ein Verstoß gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vor.
10
a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315, 316). Diese Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67 und vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 243 Rn. 18c). Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verhalten eröffnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73, vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67, vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). Die Pflicht zur Dokumentation der zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung unter Umständen erfolglos geführten Gespräche ist zwar im Vergleich zur tatsächlichen Verständigung reduziert. Gleichwohl sollen alle Verfahrensbeteiligte und die Öffentlichkeit nicht nur darüber informiert werden, dass solche Erörterungen stattgefunden haben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f., vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber - sofern sie nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschrieben ist - gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen.
11
Gemessen daran enthält die Mitteilung des Vorsitzenden nicht alle Informationen , die zur Transparenz und Dokumentation von Verfahrensabläufen im Zusammenhang mit möglichen Verständigungen nach § 257c StPO mitgeteilt werden müssen. So hat es der Vorsitzende - was sich aus dem Protokoll, den eingeholten dienstlichen Erklärungen und der anwaltlichen Versicherung ergibt - rechtsfehlerhaft unterlassen, jedenfalls die von der Staatsanwaltschaft für den Angeklagten H. geäußerte Straferwartung mitzuteilen.
12
b) Der Angeklagte ist mit seiner darauf gerichteten Revisionsrüge nicht deshalb präkludiert, weil er es unterlassen hat, von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch zu machen. Kommt der Vorsitzende ungeachtet eines ihm zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum seinen Mitteilungs- und Dokumentationspflichten nur unzureichend nach, muss dies - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - von dem Verteidiger nicht entsprechend § 238 Abs. 2 StPO beanstandet werden (so im Ergebnis auch Schneider, NStZ 2014, 252; a.A. Altvater, StraFo 2014, 221, 226; offengelassen von BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14). Dies gilt selbst dann, wenn dem Verteidiger - wie hier - ausdrücklich Gelegenheit gegeben wird, sich zur Unterrichtung durch den Vorsitzenden zu erklären.
13
aa) Der Senat lässt offen, ob der Rechtsansicht zu folgen wäre, wonach ein Verteidiger die Unvollständigkeit von Mitteilungen schon deswegen nicht nach § 238 Abs. 2 StPO rügen müsse (und könne), weil solchen Mitteilungen nach dem Verständigungsgesetz die Funktion abgehe, auf das Verhalten des Verfahrensbeteiligten sachleitend Einfluss zu nehmen, es sich mithin nur um bloße, dem Anwendungsbereich des § 238 Abs. 2 StPO thematisch entzogene bloße Wissensentscheidungen handele (so Schneider NStZ 2014, 252).
14
bb) Entscheidend ist, dass keine eine Rügeobliegenheit begründende Mitwirkungspflicht des Verteidigers im Verständigungsverfahren besteht, was die Mitteilung und Protokollierung von außerhalb der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführten Gespräche anbelangt.
15
Der mit dem Verständigungsgesetz eingeführte § 243 Abs. 4 StPO überantwortet die Informationspflicht für außerhalb der Hauptverhandlung geführte Verständigungsgespräche ausschließlich dem Vorsitzenden des Gerichts. Wie der Senat bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 10. Juli 2013 (2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314) näher ausgeführt hat, will das Gesetz die Transparenz der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt werden, durch die Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts in der Verhandlung für die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber für den Angeklagten herbeiführen. Durch die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO und deren Protokollierung gemäß § 273 Abs. 1a StPO werden außerhalb der Hauptverhandlung im Hinblick auf eine Verständigung erfolgte Geschehnisse festgeschrieben und einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht. Zudem soll dem Angeklagten eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht werden, wie er sein eigenes Verteidigungsverhalten einrichtet.
16
Die Zuweisung der Mitteilungs- und Informationspflicht ausschließlich an den Vorsitzenden folgt auch aus den Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts zur Schutzfunktion des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO, wonach eine "vollum- fängliche Rechtsmittelkontrolle" des Verständigungsgeschehens erfolgen soll (BVerfGE 133, 168, 204, 207). Gewollt ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für den Angeklagten durch revisionsgerichtliche Verfahrenskontrolle. Unzulässige "deals", aber auch informelle Absprachen hinter dem Rücken des Angeklagten auszuschließen, entspricht der Intention des Gesetzgebers und des Bundesverfassungsgerichts. Danach gilt es u.a. zu verhindern, "dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt" (BVerfGE 133, 168, 232). "Die Transparenzvorschriften des Verständigungsgesetzes dienen somit dem Schutz der Grundrechte des von einer Verständigung betroffenen Angeklagten vor einem im Geheimen sich vollziehenden 'Schulterschluss' zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung" (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14). Vor diesem Hintergrund kommt der Informationspflicht durch den Vorsitzenden auch die Funktion zu, den Angeklagten vor einer fehlerhaften Beratung durch seine Verteidiger zu schützen. Diese Schutzfunktion wäre jedoch eingeschränkt, würde man - z.B. nach einem Verteidigerwechsel zwischen den Instanzen - die Zulässigkeit einer auf die Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO gestützten Rüge davon abhängig machen, dass der Instanzverteidiger , der zuvor unter Umständen an einer informellen Absprache hinter dem Rücken des Revisionsführers mitgewirkt hat, eine dies verschweigende Mitteilung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung beanstandet hat.
17
cc) Im Übrigen könnte § 238 Abs. 2 StPO, der darauf abzielt, die Verantwortung des gesamten Spruchkörpers für die Rechtsförmigkeit der Verhandlung zu aktivieren, von vornherein nur dann zum Tragen kommen, wenn die Verständigungsgespräche zuvor in Gegenwart sämtlicher zur Entscheidung berufener Mitglieder des Gerichts geführt worden wären. Verständigungsgespräche vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgen jedoch regelmäßig ohne die Schöf- fen; vorbereitende Gespräche während, aber außerhalb laufender Verhandlung, z.B. an Nichtsitzungstagen, müssen nicht zwingend von dem gesamten Spruchkörper geführt werden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221). In diesen Fällen müsste eine Befassung des gesamten Spruchkörpers mit der Frage der Vollständigkeit der Information leerlaufen. Letztlich würde damit eine Rügeverpflichtung von Zufälligkeiten des Einzelfalles abhängen.
18
c) Auf der Verletzung der Informationspflichten aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO beruht das Urteil zum Nachteil des Angeklagten H. .
19
Zwar hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, den Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, StV 2013, 740 [für § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO]; vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, NJW 2014, 1254, 1256); indes ist, sofern die Mitteilung über das Gespräch unterbleibt oder sich auf eine unzureichende Darstellung beschränkt, grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten tangiert (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 f.; BGH, Beschluss vom 25. November 2013 - 5 StR 502/13, NStZ-RR 2014, 52). Nur in besonderen Ausnahmefällen ist ein Beruhen auszuschließen (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, NStZ 2014, 217, 218). Dies gilt selbst dann, wenn - wie hier - im Ergebnis eine Verständigung nicht zustande kommt, weil auch in einem solchen Fall nicht auszuschließen ist, dass das Prozessverhalten des Angeklagten durch die vorangegangenen Verständigungsgespräche beeinflusst wurde (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219, 220 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417 f.). Ein solcher das Beruhen ausschließender Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
20
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Instanzverteidiger den Angeklagten über den Ablauf und den Inhalt außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche unterrichtet und so ein etwaiges Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat oder ob dies möglich gewesen wäre. Für die Entscheidung des Angeklagten, die meist mit der Frage nach einem Geständnis in der Hauptverhandlung verbunden wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob er über die Einzelheiten der in seiner Abwesenheit geführten Gespräche nur zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise von seinem Verteidiger nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, oder ob ihn das Gericht unter Dokumentation seiner Mitteilungen im Protokoll der Hauptverhandlung unterrichtet (BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314; anders wohl BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418, 419 und Schneider, NStZ 2014, 252, 253).

III.

21
1. Die auch von dem Angeklagten A. erhobene Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 StPO führt hinsichtlich dieses Angeklagten nicht zur Urteilsaufhebung, weil der Senat insoweit ein Beruhen des Urteils auf dem unter II. festgestellten Verfahrensverstoß ausschließt. Der Verteidiger des "sich schweigend verteidigenden" Angeklagten A. hat sich an den Verständigungsgesprächen nicht aktiv beteiligt. Welche Straferwartung die Staatsanwaltschaft für den wegen der Beteiligung an insgesamt 44 Fällen des Betäubungsmittelhandels angeklagten H. hatte, war für den nur in zwei Fällen als Täter Angeklagten A. ohne Aussagekraft und für seine Entscheidung , sich nicht einzulassen, erkennbar ohne Belang (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14 sowie BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.). Soweit die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Verständigungsgesprächs den Angeklagten H. darauf hingewiesen hat, belastende Angaben zu seinem Mitangeklagten könnten sein Geständnis werthaltiger machen, ist dieser für A. bedeutende Umstand - nach anwaltlicher Versicherung seines Verteidigers auf dessen Initiative - vom Vorsitzenden entsprechend mitgeteilt und protokolliert worden.
22
2. Während der Schuldspruch betreffend des Angeklagten A. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts auch auf die Sachrüge hin nicht zu beanstanden ist, unterliegt der Strafausspruch der Aufhebung , weil das Landgericht die durch § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung nicht angeklagter Taten überschritten hat.
23
Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und dabei namentlich auch sein Vorleben zu berücksichtigen. Insoweit ist er bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den Anklagegrundsatz (§§ 155, 264 StPO) nicht beschränkt und kann daher auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage sind, bzw. die nach § 154 StPO eingestellt worden sind, soweit diese für die Persönlichkeit eines Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf dessen Tatschuld gestatten. Allerdings müssen solche Taten - wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03, NStZ-RR 2004, 359 [Pfister]; Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13, NJW 2014, 645, 646 mwN; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rn. 41 f.).
24
Diesen Anforderungen genügen die insoweit rudimentären Urteilsgründe nicht. Das Landgericht hat hinsichtlich des Angeklagten A. strafschärfend gewertet, dass die "hier abgeurteilten Taten nur die Spitze des Eisberges" darstellen , was sich nicht zuletzt etwa aus den Angaben des Zeugen Pe. ergebe , mehrfach in gleicher Weise von den Angeklagten Heroin erworben zu haben (UA 26). Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es dazu, es hätten "auch weitere vermutliche Rauschgiftübergaben, die jedoch nicht konkret aufgeklärt werden konnten", stattgefunden (UA 18), und der Zeuge Pe. habe glaubhaft ausgesagt, insgesamt dreimal zum Rauschgiftkauf nach F. gefahren zu sein. In den ersten beiden Fällen vom 13. November 2012 und am 4. Dezember 2012 habe er das Rauschgift von dem Angeklagten H. im dritten Fall, wohl am 19. Januar 2013, von dem Angeklagten A. erhalten.
25
Solche Ausführungen belegen, dass die nur vermeintlich begangenen Rauschgiftgeschäfte nicht konkretisiert werden konnten; es bleibt demnach offen , ob, welche und wie viele Straftaten die Angeklagten über die hier abgeurteilten Taten hinaus noch begangen haben sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 1991 - 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14). Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.
26
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch insgesamt auf den rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht; die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben. Fischer Appl Schmitt Krehl Ott

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 4 2 2 / 1 4
vom
2. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2014 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Lübeck vom 15. April 2014 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zur Rüge der Verletzung formellen
Rechts:
Der Angeklagte beanstandet, das Landgericht habe gegen § 243 Abs. 4
Satz 1 StPO verstoßen, weil sich der Vorsitzende in seiner in der Hauptverhandlung
gemachten Mitteilung über die letztlich gescheiterten verständigungsorientierten
Gespräche nicht zu der Frage verhalten habe, auf wessen Initiative
die Gespräche zurückgegangen waren. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
1. Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO hat der Vorsitzende mitzuteilen, ob
Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand
die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und
wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass
Gespräche, welche die Möglichkeit einer Verständigung zum Gegenstand hatten
, stets in der Hauptverhandlung zur Sprache kommen (Transparenzgebot;
vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133,
168, 215; BGH, Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418).
Zu dem mitzuteilenden Inhalt gehört auch dann, wenn keine Verständigung zustande
gekommen ist, jedenfalls der Verständigungsvorschlag und die zu diesem
abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 411/13, NStZ 2013, 722 und vom
9. April 2014 – 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416).
2. Demgegenüber gehört die Frage, von wem die Initiative zu dem Gespräch
ausgegangen ist, in dem ein Verständigungsvorschlag unterbreitet oder
über die Möglichkeit einer Verständigung gesprochen wurde, nicht zu dem gemäß
§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mitzuteilenden wesentlichen Inhalt des Gesprächs.
Sie betrifft allein den äußeren Ablauf des Verfahrens, nicht aber den
Inhalt von Verständigungsgesprächen (vgl. Schneider, NStZ 2014, 192, 200).

a) Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 243 Abs. 4 Satz 1
StPO, der die Mitteilungspflicht lediglich auf den „Inhalt“ des Gesprächs be-
zieht, nicht aber auf die Art und Weise, wie es zustande gekommen ist. Vom
Begriff „Inhalt“ ist die Frage, auf wessen Initiative es zu einem Gespräch kam,
nicht umfasst.

b) Dieses Ergebnis entspricht auch der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts
in seinem Urteil vom 19. März 2013 (BVerfG, aaO). Das Bundesverfassungsgericht
bezieht darin die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO
nur auf den Gesprächsinhalt und nicht auf die Gesprächsgenese (BVerfG, aaO
S. 215 Rn. 85). Zu dem mitzuteilenden Gesprächsinhalt gehört nach dem Bundesverfassungsgericht
, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern
vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung
aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung
oder Ablehnung gestoßen ist (BVerfG, aaO). Eine Mitteilungspflicht hin-
sichtlich der Frage, wer die Initiative zur Verständigung ergriffen hat, besteht
deshalb auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nur insoweit
, als gerade dieser Umstand Inhalt des mitzuteilenden Gesprächs war.
Deshalb unterfällt der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO lediglich die
Frage, wer in einem auf Verständigung abzielenden Gespräch die Frage der
Verständigung aufgeworfen hat.
Dies wird auch aus der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen
Differenzierung zwischen Mitteilungspflichten über außerhalb der Hauptverhandlung
geführte Gespräche einerseits und Dokumentationspflichten bezüglich
innerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche andererseits deutlich.
Bei letzteren verlangt das Bundesverfassungsgericht – nicht nur im Wortlaut,
sondern auch in der Reihenfolge deutlich abweichend von den bei § 243 Abs. 4
StPO genannten Mitteilungsinhalten – die Protokollierung, wer die Anregung zu
den Gesprächen gab und welchen Inhalt die einzelnen Diskussionsbeiträge
aller Verfahrensbeteiligten sowie der Richter hatten, insbesondere von welchem
Sachverhalt sie hierbei ausgingen und welche Ergebnisvorstellungen sie
äußerten (BVerfG, aaO Rn. 86). Dies alles sind Umstände, die das in öffentlicher
Hauptverhandlung passierende Verständigungsgeschehen prägen, in dieser
wahrgenommen werden können und deshalb der erweiterten Protokollierungspflicht
unterfallen (vgl. auch § 273 Abs. 1a Satz 1 in Vergleich zu § 273
Abs. 1a Satz 2 StPO).

c) Soweit der Senat in verschiedenen Entscheidungen, auf die sich die
Revision bezieht, auch von einer Mitteilungspflicht zu der Frage ausgeht, auf
wessen Initiative es zu dem Verständigungsgespräch gekommen ist (vgl. Senat
, Beschlüsse vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416; vom
22. Juli 2014 – 1 StR 210/14, NStZ 2015, 48; vom 8. Oktober 2014 – 1 StR
352/14 und vom 18. Dezember 2014 – 1 StR 242/14; enger hingegen noch Senat
, Beschlüsse vom 2. Oktober 2013 – 1 StR 386/13, NStZ 2014, 168 und
vom 29. November 2013 – 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221), hält er hieran aus
den oben genannten Gründen nicht fest.
Auch die übrigen Strafsenate des Bundesgerichtshofs haben anknüpfend
an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (BVerfG,
aaO) die aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Mitteilungspflicht gemäß dem Wortlaut
der Norm bislang – soweit ersichtlich – tragend lediglich auf den Inhalt von
verständigungsorientierten Vorgesprächen bezogen, nicht aber auf die Art und
Weise, wie solche Gespräche zustande gekommen sind (vgl. BGH, Urteil vom
10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310; Beschlüsse vom 8. Oktober 2013
– 4StR 272/13, StV 2014, 67; vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 411/13, NStZ
2013, 722 m. Anm. Mosbacher; vom 25. November 2013 – 5 StR 502/13,
NStZ-RR 2014, 52; vom 3. Dezember 2013 – 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219;
vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418; vom 29. April 2014 – 3 StR
24/14, NStZ 2014, 529 m. Anm. Allgayer; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR
381/13, NStZ 2014, 601 m. Anm. Grube; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 – 5 StR
217/14, NStZ-RR 2014, 315; vom 29. Juli 2014 – 4 StR 126/14, NJW 2014,
3385).
3. Die Revision rügt nicht, dass die hier vom Vorsitzenden unter Verle-
sung seines Vermerks über das „Vorgespräch vom 26. Februar 2014“ erfolgte
Unterrichtung über den Inhalt dieses Gesprächs den Anforderungen des § 243
Abs. 4 Satz 1 StPO nicht entspricht. Der Vermerk enthielt jedenfalls die Information
, wer an dem Gespräch im Vorfeld der Hauptverhandlung teilgenommen
hatte, Angaben zum Ablauf des Gesprächs, die Mitteilung, welche Gesprächsteilnehmer
in welcher Reihenfolge welche Vorstellungen zur Strafhöhe geäu-
ßert hatten, und schließlich die Wiedergabe des dann von den Berufsrichtern
unterbreiteten Verständigungsvorschlags. Die von der Revision vermisste Angabe
, von wem die Initiative zu dem Gespräch als solchem ausgegangen war
(es war nach der unwidersprochenen dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden
der frühere Verteidiger des Angeklagten), hätte auch zum Verständnis des Inhalts
des Gesprächs nichts beitragen können.
Rothfuß Jäger Radtke
Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 3 5 / 1 4
vom
11. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2015 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten A. gegen das Urteil
des Landgerichts Regensburg vom 27. November 2013 wird als
unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf
Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Revision beanstandet u.a., die Vorsitzende habe ihrer
Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht genügt,
als sie am 13. Hauptverhandlungstag über eine im Anschluss an
den davor liegenden Verhandlungstag stattgefundene Erörterung
mit dem Ziel einer Verständigung berichtet habe. So hätten die
Argumente der Verteidigung und die Frage, von wem die Initiative
zu dem Gespräch ausgegangen sei, sowie die vom Gericht geäußerten
Vorstellungen dokumentiert werden müssen. Die Rüge hat
keinen Erfolg.

a) Soweit sie sich dagegen richtet, dass die Mitteilung nicht
die Information darüber umfasst habe, dass die Initiative zu dem
Gespräch mit dem Ziel einer Verständigung von der Verteidigung
ausgegangen sei, ist die Rüge jedenfalls unbegründet. Eine da-
hingehende Mitteilungspflicht besteht nicht (vgl. Senat, Beschluss
vom 2. Dezember 2014 – 1 StR 422/14).

b) Soweit die Revision beanstandet, die Argumente der
Verteidigung seien nicht mitgeteilt worden, ist – ungeachtet der
Zulässigkeit der Rüge – ebenfalls kein durchgreifender Rechtsfehler
aufgezeigt. Aus der Mitteilung ergibt sich, dass Gegenstand
der Erörterungen war, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen
eine bewährungsfähige Strafe in Betracht kommt, auch
die ablehnende Position der Staatsanwaltschaft ist detailliert enthalten.
Dem kann sowohl durch den Angeklagten als auch durch
die Öffentlichkeit ohne weiteres entnommen werden, dass die
Verteidigung für eine bewährungsfähige Strafe eingetreten ist.
Weitergehende Mitteilungspflichten, etwa im Hinblick auf die von
der Verteidigung in dem Gespräch im Einzelnen angeführten
Strafzumessungsaspekte, bestehen nicht.
Mitzuteilen sind die von den Gesprächsteilnehmern vertretenen
Standpunkte (BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 86 mwN). Eine
bis in Einzelheiten der Argumentation für den jeweiligen „Standpunkt“
reichende Mitteilungspflicht ist damit nicht verbunden. Die
Anforderungen an den Inhalt der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs.
4 Satz 1 und Satz 2 StPO ergeben sich aus den mit der Mitteilung
verfolgten Zwecken, nämlich vor allem die Eröffnung einer Kontrollmöglichkeit
von Verfahrensabsprachen durch die Öffentlichkeit
sowie die Sicherstellung einer umfassenden Information des
Angeklagten, um diesem eine autonome Entscheidung über die
Beteiligung an der Verständigung zu ermöglichen (vgl. zusam-
menfassend nochmals BVerfG, NStZ 2015, 170). Keiner der beiden
Zwecke erfordert Mitteilungen über die Argumentation von
Gesprächsbeteiligten in Details.
Jedenfalls aber kann angesichts der Besonderheiten des
Verfahrensablaufs ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf
der unterbliebenen ausdrücklichen Mitteilung sowohl über die Äu-
ßerung des Verteidigers, aus seiner Sicht könne „bei einer geständigen
Einlassung … auch zu diesem relativ späten Zeitpunkt
eine bewährungsfähige Strafe durchaus in Betracht kommen“, als
auch über die hierfür angeführten Argumente beruht. Denn die
Vorsitzende hat offen gelegt, dass ein Gespräch stattgefunden
hat, in dem die Möglichkeit einer bewährungsfähigen Strafe erörtert
und eine Einigung nicht erzielt worden ist. Die Details des von
der Verteidigung vertretenen Standpunkts und ihre Rolle bei dem
Verständigungsgespräch lassen sich der Revisionsbegründung
entnehmen. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass der Inhalt des
Gesprächs nicht auf eine inhaltlich unzulässige Absprache gerichtet
war, die auch von der Verteidigung nicht behauptet wird und
nach dem Verfahrensgang (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom
24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 24 ff.) ohnehin
fernliegt. Vor diesem Hintergrund wäre das Unterlassen einer
solchen Mitteilung nach Art und Schwere als untergeordnet im
Hinblick auf den Zweck der Transparenz- und Dokumentationspflichten
– der Verhinderung gesetzeswidriger Absprachen – anzusehen
(vgl. hierzu BVerfG, NStZ 2015, 170, 172.). Dass das
Verteidigungsverhalten des Angeklagten beeinflusst worden sein
könnte, ist angesichts dieser Besonderheiten ebenfalls auszuschließen.

c) Die auf die Unterlassung der Mitteilung der vom Gericht
geäußerten Vorstellungen gerichtete Beanstandung belegt keinen
Rechtsfehler. Der Vortrag der Revision, das Gericht habe bei dem
Gespräch „im Wesentlichen die Position der Staatsanwaltschaft“
geteilt, ist nicht bewiesen. Da die Sitzungsstaatsanwältin dem
schon im Rahmen der Gegenerklärung entgegen getreten war,
hat der Senat im Wege des Freibeweisverfahrens die anderen an
dem Gespräch teilnehmenden Personen hierzu befragt. Die beteiligten
Richter haben substantiiert und sich schlüssig in die Verfahrenslage
einfügend dargelegt, zum Standpunkt der Staatsanwaltschaft
keine Äußerung abgegeben zu haben. Dies deckt sich mit
den Angaben der Sitzungsstaatsanwältin; auch die Schöffen haben
keine Erinnerung an eine Stellungnahme zu Strafvorstellungen
durch das Gericht. Damit ist der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt
, weitere Erkenntnismöglichkeiten standen nicht zur Verfügung.
Danach und im Hinblick auf den unkonkret bleibenden Vortrag
der Revision zur behaupteten Äußerung des Gerichts, hat der
Senat keinen Zweifel, dass das Gericht sich nicht zu Strafvorstellungen
geäußert hat.
2. Die Rüge, die Mitteilung sei nicht gemäß § 273 Abs. 3
StPO vorgelesen und genehmigt worden, hat ebenfalls keinen Erfolg.
Dies gilt schon deswegen, weil das Urteil hierauf nicht beruhen
kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Februar 1993 – 3 StR
443/92; Löwe/Rosenberg-Stuckenberg, StPO 26. Aufl., § 273
Rn. 67).
Graf Cirener Radtke
RinBGH Dr. Fischer ist wegen
Urlaubsabwesenheit an der
Unterschriftsleistung gehindert.
Mosbacher Graf

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 1 5 / 1 4
vom
15. Januar 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zum Beruhen bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4
Satz 1 StPO.
BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14 - LG Magdeburg
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Halle - Wirtschaftsstrafkammer - zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Der Beanstandung des Angeklagten liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand im Zwischenverfahren am 15. Dezember 2011 ein Rechtsgespräch mit dem Ziel einer Verständigung statt. An diesem Gespräch nahmen die Berufsrichter der Strafkammer, der Verteidiger des Angeklagten, die Verteidiger der drei nicht revidierenden Mitangeklagten und zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft teil. Die Kammer signalisierte Bereitschaft, den Prozessstoff im Falle einer Verständigung auf eine der drei angeklagten Taten zu beschränken. Die Vertreter der Staatsanwalt- schaft äußerten sich zu ihrer Straferwartung dergestalt, dass bei Geständnisbereitschaft der Angeklagten Strafhöhen im bewährungsfähigen Bereich denkbar seien. Nachdem auch die Verteidiger der Angeklagten zu ihren Erwartungen über das Verfahrensergebnis Stellung bezogen hatten, endete das Rechtsgespräch ohne Ergebnis.
4
Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 8. Januar 2013, nahm der Vorsitzende folgende Mitteilung ins Protokoll auf:
5
„Es wurde festgestellt, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung Erörterun- gen mit den Prozessbeteiligten gemäß § 243 Abs. 4 n.F. stattgefunden haben. Am 15. Dezember 2011 fand ein Gespräch mit den Prozessbeteiligten statt mit dem Ziel einer Möglichkeit der Verständigung. Im Ergebnis wurde keine Einigung erzielt.“
6
Der Angeklagte ließ sich am ersten Verhandlungstag in Gestalt einer Erklärung seines Verteidigers umfassend zur Sache ein.
7
Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand am siebten Hauptverhandlungstag während laufender Hauptverhandlung erneut ein Rechtsgespräch mit dem Ziel der Verständigung über den Verfahrensausgang statt, welches ebenfalls nicht zu einer Einigung führte. Ein weiterer ergebnisloser Verständigungsversuch trug sich außerhalb der Hauptverhandlung am 14. Hauptverhandlungstag zu. In das Protokoll über die Hauptverhandlung fand dieser Eingang wie folgt:
8
„In der Verhandlungspause haben die Berufsrichter, die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Vertreter des Finanzamtes und die Verteidi- ger die Sach- und Rechtslage erörtert. Auch in diesem Gespräch ist es zu keiner Einigung gekommen.“
9
Der Angeklagte war durch seine Verteidiger über den Inhalt der geführten Gespräche jeweils informiert worden.
10
Die Revision rügt, das Landgericht habe seinen sich aus § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ergebenden Mitteilungspflichten nicht genügt; auf der unzureichenden Transparenz der ohne den Angeklagten geführten Gespräche beruhe das Urteil, obschon dieser von seinem Verteidiger darüber unterrichtet worden sei, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser sein Prozessverhalten bei gesetzmäßiger Unterrichtung durch den Vorsitzenden anders ausgerichtet hätte.
11
2. Die Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bereits in Bezug auf die im Zwischenverfahren erfolgten Verständigungsgespräche verletzt. Unter den hier konkret gegebenen Umständen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsverstoß beruht.
12
a) Allerdings liegt, soweit die Revision mit Blick auf die erfolgten Verständigungsgespräche eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt, ein Rechtsfehler bereits nach ihrem Vortrag nicht vor. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine Erörterung , die vor der Eröffnung des Hauptverfahrens stattgefunden hat (§ 202a StPO), nach Beginn der Hauptverhandlung nicht bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, so ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls kein zusätzlicher Rechtsfehler; im Gegenteil gibt dieses den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.; Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). So liegt es hier. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann deshalb nicht verletzt sein.
13
b) Verletzt ist aber § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Danach teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt.
14
aa) Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 - 1 StR 210/14). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Nur so wird eine effektive Kontrolle in der Revisionsinstanz ermöglicht.
15
bb) Nach Maßgabe dessen erweist sich die Mitteilung des Vorsitzenden über das im Zwischenverfahren geführte Verständigungsgespräch als rechtsfehlerhaft. Denn die formelhafte Wendung, ein abgehaltenes Verständigungsgespräch sei ergebnislos verlaufen, reicht nicht aus. Die wesentlichen Informationen , die Ablauf und Inhalt des Gesprächs offengelegt hätten, wie etwa das Angebot einer Verfahrensbeschränkung durch die Strafkammer oder die Vorstellung der Staatsanwaltschaft über das Strafmaß und ihre Erwartungen an das Prozessverhalten des Angeklagten, hat der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt. Die Erwartungen der Verfahrensbeteiligten an den Prozessverlauf und sich hieraus möglicherweise ergebende Folgen sind nach seiner Mitteilung unklar geblieben; das aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Transparenzgebot ist dadurch verletzt.
16
cc) Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen , dass das Urteil auf diesem Rechtsverstoß beruht.
17
(1) Von einem Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung sind nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden, so dass eine Beruhensprüfung (§ 337 Abs. 1 StPO) in jedem Einzelfall vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 - 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.).
18
(2) Das Schutzkonzept der gesetzlichen Regelungen über die Verständi- gung erstreckt sich auch auf die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kon- trolle verständigungsbasierter Urteile im Sinne umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung durch Mitteilung und Dokumentation im Verhandlungsprotokoll (BVerfGE 133, 168, 222 Rn. 96). Ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht wird deshalb grundsätzlich dann nie ausgeschlossen werden können, wenn zu besorgen ist, das Urteil könne auf gesetzwidrige „informelle Absprachen“ oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgehen (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Ebenso liegt es, wenn eine „informelle Absprache“ - wie hier - zwar ergebnislos geblieben und eine Einigung nicht zustande gekommen ist, hierauf gerichtete Gesprächsbemühungen aber außerhalb der öffentlichen Hauptverhandlung stattgefunden haben. Da der Schutzmechanismus des Verständigungsgesetzes auch durch erfolglose Verständigungsbemühungen verletzt werden kann, verlangt § 243 Abs. 4 StPO für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung eine Mitteilung deren wesentlichen Inhalts, die gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren ist. Hinsichtlich der in der Hauptverhandlung selbst zustande kommenden Verständigung ist demgegenüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO nur der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Weitergehender Informationsbedarf besteht hier für die Öffentlichkeit nicht, denn sie hat dem Zustandekommen der Verständigung - anders als den Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung - beigewohnt. Dieses zwar primär auf die Herstellung von Öffentlichkeit ausgerichtete Verfahren ist mittelbar zugleich Teil des dem Angeklagten zugedachten Individualrechtsschutzes , denn es gewährleistet ihm ein bestimmtes Maß an Rechtsstaatlichkeit. Diese Erwägung liegt auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde, nach der das Beruhen eines Urteils auf Verstößen gegen die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97).
19
Dennoch führt auch die Beachtung dieser Schutzgüter nicht bei jedem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht zu dem Ergebnis, dass ein Beruhen des Urteils hierauf nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dem Unterbleiben der nach § 243 Abs. 4 StPO erforderlichen Mitteilung darf nicht per se auf die Bemühung um Herbeiführung einer „informellen Absprache“ geschlossen werden. Bei der - stets an den Umständen des Einzelfalles ausgerichteten - Beruhensprüfung ist vielmehr im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang das Gericht Essentialia aus den Vorgesprächen unerwähnt gelassen hat. Verstöße gegen die Mitteilungspflicht sind in einer sehr weit gestreuten Bandbreite denkbar. Sie können von kleinen Ungenauigkeiten und Auslassungen bis hin zur gänzlichen Unterlassung der Mitteilung oder bewussten Falschmitteilung reichen. Dies liegt daran, dass die Mitteilungspflicht sehr früh eingreift und inhaltlich - wie oben dargelegt - von erheblichem Umfang ist. Der Verfahrensverstoß bedarf deshalb einer an seiner Auswirkung zu bemessenden Gewichtung. Sind also insbesondere neben dem Umstand, dass überhaupt Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben, auch die vorbenannten Aspekte in ihren wesentlichen Umrissen deutlich geworden, wird ein Beruhen des Urteils im Sinne von § 337 StPO auch dann auszuschließen sein, wenn die Mitteilung einzelne notwendige Informationen vermissen lässt.
20
(3) Diese Grundsätze gelten auch für die Konstellation, in der der Verteidiger den Angeklagten über den Inhalt eines zuvor geführten Verständigungsgesprächs informiert hat.
21
In besonders gelagerten Einzelfällen (vgl. Landau NStZ 2014, 425, 430) kann ein Ausschluss des Beruhens im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO möglich sein, wenn der Instanzverteidiger den Angeklagten über Ablauf und Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche zuverlässig unterrichtet und so ein Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418; Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 169/14, NStZ-RR 2014, 315; Beschluss vom 16. Juli 2014 - 5 StR 227/14). Aus den dargelegten Erwägungen kann die Frage, ob die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung über sein weiteres Prozessverhalten auf einer tragfähigeren Grundlage beruht, wenn er nicht nur von seinem Verteidiger zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, sondern durch das Gericht durch Mitteilung in der Hauptverhandlung (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314 und vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 603), nicht allgemeingültig beantwortet werden. Auch insoweit ist eine Betrachtung des Einzelfalles im Lichte des Schutzzwecks des § 243 Abs. 4 StPO erforderlich.
22
Generell kann das Gespräch des Angeklagten mit seinem Verteidiger die Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung - auch im Rahmen der Beruhensprüfung - nicht ersetzen. Dem steht bereits das Schutzgut der Gewährleistung öffentlicher Kontrolle des Verständigungsprozesses entgegen, welches dem Risiko des Angeklagten angemessen Rechnung tragen will, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu seinem Nachteil auswirkt (BVerfGE 133, 168, 232 Rn. 114). Richterliche und nicht richterliche Mitteilungen sind strafprozessual auch dem Grunde nach nicht von identischer Qualität. Vielmehr liegt der Strafprozessordnung an verschiedenen Stellen die Wertung zugrunde, wonach Authentizität, Vollständigkeit und Verständlichkeit einer Mitteilung oder Belehrung (nur) durch richterliches Handeln verbürgt sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014, 513).
23
Die Information des Angeklagten durch seinen Verteidiger bei fehlender oder unzureichender gerichtlicher Mitteilung über den Inhalt eines gescheiterten Verständigungsgesprächs gemäß § 243 Abs. 1 StPO lässt deshalb einen Ausschluss des Beruhens nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu. Je einfacher sich die dem Verständigungsversuch zugrunde liegende Sach- und Rechtslage darstellt, desto weniger stark wird die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten gefährdet und umso eher wird auszuschließen sein, dass die Verständigung rechtswidrig war und das Gericht bei regelhafter Vornahme und Protokollierung der Mitteilung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Informationen etwa über leicht erfassbare tatsächliche Umstände wird der Verteidiger dem Angeklagten einfacher vermitteln können, als vielschichtige Rechts- und Verfahrensfragen. Bei komplexen Rechts- oder Verfahrensfragen wird sich dagegen regelmäßig nicht ausschließen lassen, dass die Information des Angeklagten durch das Gericht auf sein Prozessverhalten Einfluss genommen hätte.

24
(4) Nach Maßgabe dessen liegt jedenfalls unter den vorliegenden Umständen hier kein Ausnahmefall vor, in dem das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden kann.
25
Aufgrund der Beschränkung der Mitteilung auf die äußerst dürftige Information , es hätten Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung ergebnislos stattgefunden, liegt ein Ausschluss des Beruhens schon aus Transparenzgründen fern. Die Mitteilung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gibt nicht einmal ansatzweise wieder, was Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Selbst wenn der Angeklagte von seinem Verteidiger darüber hinreichend informiert wurde, ist das gesetzliche Schutzkonzept dennoch berührt, denn jedenfalls die Gewährleistung effektiver Kontrolle des mit der Verständigung verbundenen Geschehens durch die Öffentlichkeit konnte hierdurch nicht ersetzt werden. Schon dies steht der Gleichschaltung der Verteidigerinformation mit einer Mitteilung durch das Gericht in laufender Hauptverhandlung entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014,

513).


26
Im Übrigen bekräftigen auch die weiteren Umstände des Falles dieses Ergebnis:
27
Am ersten Tag der Hauptverhandlung, an dem u.a. die Einlassung des Angeklagten zur Sache erfolgte, lag das gescheiterte Verständigungsgespräch bereits länger als ein Jahr zurück. Schon aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands zum Beginn der Verhandlung lässt sich nicht ausschließen, dass dem Angeklagten Inhalt und Bedeutung der Gespräche nicht (mehr) hinreichend bekannt waren. Unklarheit über deren Bedeutung hätte demgegenüber nicht ein- treten können, wenn der Vorsitzende den Angeklagten zu Beginn der Verhandlung auf der Grundlage der von ihm vorgenommenen Dokumentation die von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte Mitteilung an den Angeklagten gerichtet hätte.
28
Hinzu kommt, dass es sich bei den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwürfen nicht etwa um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach überschaubaren Sachverhalt gehandelt hat. Im vorliegenden Fall war Verfahrensgrundlage eine 45-seitige Anklageschrift, mit welcher die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwarf, sich während eines Zeitraums von rund drei Jahren der Steuerhinterziehung in zwei Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben; das Beweismittelverzeichnis der Anklage erstreckt sich über sieben Seiten. Neben dem Angeklagten waren drei weitere Personen angeklagt. Schon die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gebot eine verständliche und vollständige Mitteilung der Bedeutung der Verständigungsgespräche durch das Gericht.
29
Unter wertender Betrachtung von Art und Ausmaß des Verstoßes lässt sich unter den konkreten Umständen des Falles schon nicht zweifelsfrei ausschließen , dass das Verständigungsgespräch während des Zwischenverfahrens möglicherweise im Sinne des § 257c StPO rechtswidrige Inhalte hatte. Auch der Ausschluss einer auf fehlerhaftem oder verkürztem Verständnis des Verteidigers beruhenden unzureichenden Information des Angeklagten - verstärkt durch den zwischenzeitlich eingetretenen zeitlichen Abstand - war hier alleine durch eine vollständige Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung möglich.
30
Der Senat kann nach alldem nicht ausschließen, dass sich der Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auf den Verfahrensausgang ausgewirkt hat.
31
3. Ob das Urteil auch auf dem (weiteren) Verstoß gegen die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO im Hinblick auf das während des Hauptverfahrens geführte Verständigungsgespräch beruht, kann für die Entscheidung über das Rechtsmittel dahinstehen.
32
4. Der Senat hat gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Halle zurückzuverweisen.
Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR20/15
vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen ausbeuterischer Zuhälterei u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay,
Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt L.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin der Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwältin C.
als Vertreterin der Nebenklägerinnen A. , Be. , D.
und Ko. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. Februar 2014 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die hierdurch den Nebenklägerinnen entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts ließen der Angeklagte und seine mitangeklagte Ehefrau sowie seine gleichfalls mitangeklagte Tochter über mehrere Jahre hinweg die Nebenklägerinnen – fünf bulgarische Prostituierte – für sich arbeiten. Sie nahmen ihnen sämtliche Prostitutionseinnahmen ab und verbrauchten diese für ihren Lebensbedarf. Die Nebenklägerinnen erhielten entgegen vorab erteilten Zusicherungen, die Einnahmen hälftig aufzuteilen, über den gesamten Zeitraum ihrer Tätigkeit hinweg neben Kost und Logis nur kleinere Beträge.
3
Nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch schlug der Angeklagte die Nebenklägerin Ko. in angetrunkenem Zustand mit den Handflächen sowie Fäusten und dann mit einer vereisten Wasserflasche ins Gesicht, weil sie mit einem Albaner getanzt hatte. Er fügte ihr hierdurch eine blutende Platzwunde unter der linken Augenbraue zu. Es blieb eine Narbe zurück.

II.


4
Das Urteil des Landgerichts hält rechtlicher Prüfung stand.
5
1. Die Revision beanstandet eine Verletzung der „§§ 257c, 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO“, weil der Vorsitzende das Stattfinden und den Inhalt eines am 14. Februar 2014 mit dem Ziel der Verständigung geführten Gesprächs nicht in der Hauptverhandlung mitgeteilt und dokumentiert hat. Damit vermag sie letztlich nicht durchzudringen.
6
a) Im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
7
Nach einem außerhalb der Verhandlung zwischen einem beisitzenden Richter und einem Verteidiger zustande gekommenen Kontakt zur Frage einer Verständigung erkundete das Gericht am 33. Hauptverhandlungstag (14. Februar 2014) in öffentlicher Hauptverhandlung, ob bei der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft Interesse an Verständigungsgesprächen bestehe. Dies wurde bejaht. Daraufhin wurde im Gerichtssaal ein Gespräch geführt, an dem mit Ausnahme der Angeklagten alle Verfahrensbeteiligten teilnahmen. Die Ver- teidiger stellten den Aspekt weiterer Inhaftierung ihrer Mandanten in den Vordergrund. Der Verteidiger der nicht revidierenden Tochter des Angeklagten sprach die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich seiner Mandantin an. Die Staatsanwältin bewertete die Rechtslage zur Strafbarkeit wegen Menschenhandels nach dem Stand der Beweisaufnahme. Ferner wurden namentlich von den Vertretern der Nebenklägerinnen Schadensersatzzahlungen thematisiert. Strafvorstellungen wurden weder vom Gericht noch von anderer Seite verlautbart. Nach Beendigung des Gesprächs wurde der Angeklagte durch seinen Verteidiger ohne Mitteilung von Details darüber informiert, dass das Gespräch ohne Ergebnis geendet habe.
8
Am 34. Verhandlungstag (18. Februar 2014) unterbreitete das Gericht für den Fall einer geständigen Einlassung der Angeklagten einen umfangreichen Verständigungsvorschlag. Dem Beschwerdeführer wurde eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten bis zu vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht gestellt. Gegenstand des Vorschlags war weiterhin ein Schuldanerkenntnis der drei Angeklagten, in dem sie sich gesamtschuldne- risch zur Zahlung von je 7.500 € an die fünf Nebenklägerinnen verpflichten soll- ten. Bei Zustimmung der Staatsanwaltschaft sollten in Bezug auf eine Reihe von Anklagevorwürfen Verfahrensbeschränkungen nach §§ 154, 154a StPO erfolgen. Die Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 StPO wurde erteilt. Darüber hinaus brachte der Vorsitzende zum Ausdruck, er gehe davon aus, dass der Vorschlag nur bei Beteiligung aller drei Angeklagten Bestand haben könne. Stattfinden , Ablauf und Inhalt des Gesprächs vom 14. Februar 2014 gab das Gericht an diesem Tag wie auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nicht bekannt. Dementsprechend wurde diesbezüglich auch keine Mitteilung protokolliert.
9
Noch am 18. Februar 2014 machte der Verteidiger des Angeklagten schriftsätzlich geltend, dass die Bedingung der Zustimmung aller Angeklagten unzulässig sei. Am 35. Verhandlungstag (19. Februar 2014) stellte der Vorsitzende in öffentlicher Hauptverhandlung klar, dass die Zustimmung aller Angeklagten keine Bedingung des Gerichts sei. Er gehe aber davon aus, dass die Staatsanwaltschaft diese Bedingung stelle. Dies wurde von der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bestätigt. Die Frage des Gerichts, ob dem Verständigungsvorschlag zugestimmt werde, verneinte der Angeklagte. Die Sitzung wurde unterbrochen.
10
Der Verteidiger befragte den Vorsitzenden, ob eine „Ausschöpfung des Strafrahmens nach unten“ denkbar sei. Der Vorsitzende verwies auf den in der Hauptverhandlung unterbreiteten gerichtlichen Vorschlag, dem der Angeklagte zustimmen könne oder eben nicht. Nach Unterrichtung durch den Verteidiger, dass es keine (weitere) Äußerung des Gerichts gebe, erklärte der Angeklagte dem Verteidiger, nunmehr zustimmen zu wollen. Der Verteidiger erkundigte sich beim Vorsitzenden, welchen Geständnisinhalt das Gericht erwarte, worauf der Vorsitzende in Anwesenheit der Berufsrichter bekundete, das Gericht sei bei dem Verständigungsvorschlag davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Nebenklägerinnen die Hälfte der Prostitutionseinnahmen zugesichert, ihnen jedoch dann nur kleinere Beträge und an eine Nebenklägerin einmal 1.500 € bezahlt sowie dass er die Nebenklägerin Ko. geschlagen habe. Ein Geständnis dieses Inhalts sei mithin die Basis des Verständigungsvorschlags. Dies teilte der Verteidiger dem Angeklagten mit.
11
Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung stimmten alle Angeklagten dem Verständigungsvorschlag zu. Der Angeklagte ließ sich zur Sache ein und räumte die vorgenannten Umstände ein. Sämtliche Angeklagten erklärten ein Schuldanerkenntnis im Sinne des Vorschlags.
12
b) Bei dem geschilderten Verfahrensablauf ist eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO gegeben. Nach dieser Bestimmung hat der Vorsitzende das Stattfinden und den wesentlichen Inhalt von während des Verlaufs der Hauptverhandlung geführten Erörterungen (§§ 212 i.V.m. 202a StPO) mitzuteilen, sofern deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist. Dies war bei dem Gespräch vom 14. Februar 2014 der Fall.
13
Das Gespräch erfolgte in Unterbrechung der Hauptverhandlung auf die ausdrückliche Frage des Gerichts nach etwaigem Verständigungsinteresse hin. In dessen Verlauf wurden in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Angeklagten unter anderem mit dem Gesichtspunkt der Haft, der Strafaussetzung zur Bewährung in Bezug auf die Tochter des Angeklagten und von Schadensersatzzahlungen aller Angeklagten Themen aufgeworfen, die einer Verständigung zugänglich sind (vgl. KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, 7. Aufl., § 257c Rn. 15 mwN). Dies überschreitet – anders als der erste Kontakt zwischen dem beisitzenden Richter und einem Verteidiger – sowohl nach den äußeren Umständen als auch dem Inhalt der Unterredung den Bereich einer „unverbindlichen Fühlungsaufnahme“ (hierzu Schmitt, StraFo 2012, 386, 391; Sander, Karlsruher Strafrechtsdialog 2013, S. 53, 55). Dass die Besprechung zum Inhalt einer Verständigung wenig konkret war, namentlich von keinem Beteiligten Strafvorstellungen zur Diskussion gestellt wurden, vermag daran nichts zu ändern.
14
c) Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen jedoch ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsverstoß (§ 337 Abs. 1 StPO) sicher ausschließen. Dass ein Ausschluss des Beruhens bei Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten, die einem Unterlaufen des Schutzkonzepts entgegenwirken sollen, in Ausnahmefällen möglich ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 f. Rn. 98; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14 Rn. 28 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt], NJW 2015, 645 Rn. 14, 17 ff.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.
15
aa) Allerdings ist dem Landgericht mit dem völligen Unterlassen der gebotenen Mitteilung unter dem Blickwinkel des Transparenzgebots in Verbindung mit dem Gebot des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14 Rn. 19 ff. mwN) eine gewichtige Rechtsverletzung unterlaufen. Das Schutzkonzept der strafprozessualen Verständigungsregelungen erfordert es, dass Erörterungen mit dem Ziel der Verständigung stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, um einem informellen und unkontrollierbaren Verhalten unter Umgehung strafprozessualer Grundsätze möglichst keinen Raum zu lassen (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 f. Rn. 98; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14 Rn. 28).
16
Indessen sind hier bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO Rn. 19) Umstände vorhanden, die die Rechtsverletzung letztlich in einem milderen Licht erscheinen lassen. Insbesondere erfolgte die Initiative für das Gespräch von Seiten des Gerichts in öffentlicher Hauptverhandlung. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten offenkundig, dass Verständigungsgespräche durchgeführt werden würden. Ferner kann nach dem Revisionsvortrag zum Verlauf des Gesprächs, der in dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft seine Bestätigung gefunden hat, mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass das Gespräch auf eine gesetzwidrige Absprache gerichtet war. Es handelte sich auch nicht etwa um einen Verständigungsversuch, der aufgrund widerstreitender Interessen fehlgeschlagen war. Vielmehr wurden einige Positionen lediglich eher abstrakt thematisiert. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich die Strafkammer durch das Gespräch einen Eindruck verschaffen wollte, um in der Verhandlungspause einen umfassenden Verständigungsvorschlag entwickeln zu können. Dieser wurde am darauffolgenden 34. Verhandlungstag in öffentlicher Verhandlung bekanntgegeben, ohne dass Verlauf und Inhalt des Vorgesprächs in irgendeiner Weise für das öffentliche Verständnis der Absprache Bedeutung erlangen konnten. Demgemäß hat sich die Verständigung trotz der Mitteilungs- und Dokumentationsverletzung in ihrer entscheidenden Gestalt letztlich doch „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbart“ (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 Rn. 82). Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob nicht sogar – was durchaus nicht fernliegt, wozu aber die Revision nicht vorträgt – der Gerichtssaal während des Gesprächs vom 14. Februar 2014 der Öffentlichkeit zugänglich gewesen ist.
17
bb) Aufgrund dieser Besonderheiten kann der Senat darüber hinaus sicher ausschließen, dass infolge der unterlassenen gerichtlichen Mitteilung sowie Dokumentation die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten in relevanter Weise beeinträchtigt worden ist und das Gericht bei ordnungsgemäßer Bekanntgabe sowie deren Protokollierung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Der Angeklagte war durch die am 33. Verhandlungstag in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgte gerichtliche Anfrage und die von den anderen Verfahrensbeteiligten bekundete Verständigungsbereitschaft darüber informiert, dass es sogleich zu durch das Gericht initiierten Verständigungsgesprächen kommen werde. Er wurde nach dem Gespräch durch seinen Verteidiger (zutref- fend) darüber unterrichtet, dass es (noch) kein Ergebnis gegeben habe. Der inhaltlich nicht etwa auf bestimmten im Gespräch vom 14. Februar 2014 vertretenen Positionen fußende Verständigungsvorschlag wurde am 18. Februar 2014 in der Hauptverhandlung bekanntgegeben und mit ihm erörtert, woraufhin am 19. Februar 2014 nach ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung zustande kam. Unter diesen Vorzeichen bestand nicht im Ansatz die Gefahr eines dem Angeklagten abträglichen Interessengleichlaufs von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung (vgl. BVerfGE 133, 168, 232 Rn. 114). Genauso wenig kann angenommen werden, dass das beim Angeklagten bestehende Informationsdefizit über Inhalt und Verlauf des Gesprächs vom 14. Februar 2014 dessen Fähigkeit zu autonomer Willensbildung vor allem in Richtung der Begebung seiner Selbstbelastungsfreiheit (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO Rn. 21 f. mwN) in irgendwie fassbarer Weise beeinträchtigt haben könnte. Das gilt im Besonderen für die durch die Revision hervorgehobene „Position der Staatsanwaltschaft“, die sich lediglich in einer vorläufigen rechtlichen Bewertung zum (dann ausgeschiedenen) Anklagevorwurf des Menschenhandels erschöpfte.
18
d) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, liegt bereits nach seinem Vortrag ein Rechtsfehler nicht vor. Denn das zu einer – tatsächlich nicht erfolgten – Mitteilung schweigende Protokoll gibt den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO Rn. 12 mwN).
19
e) Der Senat muss nicht die – naheliegend zu verneinende – Frage entscheiden , ob die ersichtlich auf dem Ergebnis der zuvor über 30 Verhandlungstage andauernden Hauptverhandlung und dabei vor allem der Vernehmung von zwei Nebenklägerinnen fußende Auskunft des Vorsitzenden über den Gegen- stand des vom Angeklagten erwarteten Geständnisses als „Erörterung“ im Sin- ne von § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO gelten und damit Mitteilungs- und Dokumentationspflichten auszulösen geeignet sein könnte. Denn eine solche Rechtsverletzung macht die Revision nicht geltend. Die Angriffsrichtung bestimmt aber den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt], NJW 2015, 265, 266 Rn. 14; jeweils mwN). Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Verständigung sämtlichen Anforderungen des § 257c StPO genügt hat.
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2. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung der „§§ 257c, 136a, 261 StPO“. Er beanstandet insoweit, dass die Staatsanwaltschaft ihre Zustim- mung zur Verständigung gesetzwidrig von einer Zustimmung aller Angeklagten abhängig gemacht habe. Hierdurch sei für den Beschwerdeführer eine psychische Drucksituation entstanden, weil er um die Belange seiner mitangeklagten Ehefrau und seiner gleichfalls mitangeklagten Tochter besorgt gewesen sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vortrag den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in jeder Hinsicht genügt. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
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a) Weder dem gesetzlichen Schutzkonzept zur Verständigung noch übergeordneten Grundsätzen lässt sich ein an Gericht oder Staatsanwaltschaft gerichtetes Verbot entnehmen, in einem gegen mehrere Angeklagte gerichteten Strafverfahren nur an einer „Gesamtverständigung“ mitzuwirken. Ein subjekti- ves Recht eines Angeklagten auf Verständigung existiert nicht (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 257c Rn. 6; OLG Celle NStZ 2012, 285, 286). Gerade in Umfangsverfahren wie dem vorliegenden kann eine Verständigung mit nur einzelnen Angeklagten unter dem Aspekt der Verfah- rensökonomie im Wesentlichen wertlos sein, im Gegenteil sogar gewisse Gefahren für den Bestand des Urteils in sich bergen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2013 − 1 StR 386/13, NStZ 2014, 168 mwN; vgl. KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, aaO, § 257c Rn. 11; Schneider, NStZ 2014, 252, 261). Dies gilt zumal dann, wenn die Tatbeiträge der Angeklagten – wie hier – in besonderer Weise miteinander verwoben sind. Die drei Angeklagten verübten die ausbeuterische Zuhälterei in arbeitsteiliger Organisation. Ihnen flossen die Prostitutionseinnahmen der Nebenklägerinnen auch gemeinsam zu. Dementsprechend war Gegenstand der Verständigung ein von allen Angeklagten abgegebenes Schuldanerkenntnis zu gesamtschuldnerischer Schadenser- satzzahlung an die Nebenklägerinnen. Für die Ablehnung einer „Partikularlösung“ können danach im Einzelfall sachgemäße Gründe von Gewicht sprechen.
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b) An der Gesetzmäßigkeit der durch die Staatsanwaltschaft konkret abgegebenen Erklärung vermag auch eine in der Revisionsbegründung freilich eher abstrakt benannte „psychische Drucksituation“ des Angeklagten aufgrund seiner familiären Bindungen zu den in den Verständigungsversuch eingebundenen Mitangeklagten nichts zu ändern. Allein hierdurch wird nicht eine Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Angeklagten ausgelöst, die der in § 136a StPO bezeichneten entsprechen oder nahekommen und eine eingegangene Verständigung deswegen vielleicht unwirksam machen könnte. Auch sind Anhaltspunkte für einen irgendwie gearteten „Missbrauch“ von Seiten der Staatsanwaltschaft oder gar des Gerichts nicht vorhanden. Dass die Staatsanwaltschaft die Lage des Angeklagten auch nur durch entsprechende Hinweise instrumentalisiert hätte, um ihn zu einer Zustimmung zu drängen, trägt die Revision nicht vor. Dem Umstand, dass die ty- pischerweise gegebene „Anreiz- und Verlockungssituation“ des Angeklagten (vgl. BVerfGE 133, 168, 208 Rn. 68) in Konstellationen wie der vorliegenden unter Umständen verstärkt wird, kann das Tatgericht vor allem im Rahmen der Aufklärung und dann gegebenenfalls der Beweiswürdigung Rechnung tragen.
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3. Auch der Rüge der Verletzung „der §§ 240, 265 StPO, Art.6 Abs. 1, 3d MRK“ bleibt der Erfolg versagt.
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a) Ihr liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
25
Nach einer sich über mehrere Tage erstreckenden Vernehmung der Zeugin und Nebenklägerin D. regte der Verteidiger des Angeklagten an, wegen massiver Widersprüche zwischen ihrer Aussage vor Gericht und in früheren polizeilichen Vernehmungen von einer weiteren Befragung abzusehen, weil ihre Aussage zur Überprüfung der Anklagevorwürfe nicht geeignet sei. Nach einer Besprechung zwischen den Verfahrensbeteiligten gab der Vorsitzende in der Hauptverhandlung den Hinweis (§§ 257b, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO), dass die weitere Befragung der Zeugin aus Sachaufklärungsgründen nicht geboten sei. Die Aussageschwächen wie fehlende Konstanz und Genauigkeit seien so eklatant, dass das Anerbieten der Verteidiger zur verkürzten Zeugenbefragung zu sachlich gebotener Verfahrensbeschleunigung führen werde. Die Zeugin wurde vor einer eingehenden Befragung durch die Verteidigung entlassen und im weiteren Verlauf nicht mehr vernommen. Der Verteidiger widersprach bei der Entlassung der Verwertung der Aussage der Zeugin. Er begründete dies mit (behaupteten) rechtsstaatswidrigen Vernehmungen bulgarischer Staatsorgane.
26
In der Beweiswürdigung zog die Strafkammer die Angaben der Zeugin D. zum Anklagevorwurf der durch den Angeklagten verübten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin Ko. insofern heran, als sie die Glaubhaftigkeit des hierzu abgegebenen Geständnisses des Ange- klagten indiziell bestätigten; die Zeugin habe dieses Geschehen trotz des ansonsten geringen Beweiswerts ihrer Aussage detailliert, schlüssig und anschaulich beschrieben, wobei sich ihre Bekundungen mit denen des Angeklagten deckten (UA S. 13). Hinsichtlich des Vorwurfs der durch die Angeklagten über mehrere Jahre hinweg verübten ausbeuterischen Zuhälterei verwertete das Landgericht die Aussage nicht.
27
b) Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn die Revision hat die Niederschriften über die polizeilichen Vernehmungen der Zeugin nicht vorgelegt, auf die sie sich zur Begründung ihrer Anregung der Nichtweitervernehmung tragend gestützt hat. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob die Bekundungen der Zeugin auch zu diesem gegenüber dem Vorwurf langjähriger Ausbeutung mehrerer Prostituierter leicht fassbaren Teilaspekt im Vergleich zu ihrer Aussage vor Gericht Inkonstanzen gravierender Art aufwiesen. Allenfalls unter dieser Voraussetzung könnte an einen durch die Verfahrensweise der Strafkammer geschaffenen Vertrauenstatbestand gedacht werden, dass sie die hierzu erfolgte und sich mit der geständigen Einlassung des Angeklagten im Detail deckende Aussage nicht als Indiz für deren Glaubhaftigkeit in Ansatz bringen würde.
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4. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachbeschwerde deckt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
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a) Die Beweiswürdigung ist tragfähig vorgenommen. Das Landgericht hat die geständige Einlassung des Angeklagten und die sich damit deckenden geständigen Aussagen der Mitangeklagten hinreichend mit den Ergebnissen der mehr als 30 Tagen dauernden Verhandlung abgeglichen und auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht. Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die Hauptverhandlung vom 19. Februar 2014, die dem Senat aufgrund der unter Ziffer 1 erörterten Verfahrensrüge zugänglich gewesen ist, hat sich der Angeklagte da- bei nicht auf ein „Formalgeständnis“ etwa in Form einer von ihm bestätigten Erklärung seines Verteidigers beschränkt. Vielmehr hat er mindestens 40 Minuten bis maximal eine knappe Stunde lang zur Sache ausgesagt und dabei Fragen beantwortet. Dies hat auch in den Urteilsgründen seinen Niederschlag gefunden (UA S. 11 ff.).
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Besonderen Stellenwert im Rahmen der Beweiswürdigung nahmen die Aussagen der Nebenklägerinnen A. und K. ein. Entgegen der Auf- fassung der Revision hat sich die Strafkammer dabei nicht nur „floskelhaft“ mit einem denkbaren Falschbelastungsmotiv wegen in Aussicht stehenden Schadensersatzes befasst (UA S. 11 f.). Auch die Aussage der Zeugin D. ist mit der gebotenen Zurückhaltung gewürdigt (UA S. 12 f.). Dass sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit der Frage befasst hat, ob der Angeklagte (wie dann auch die mitangeklagte Ehefrau und die mitangeklagte Tochter) möglich- erweise in dem Bestreben ein „Falschgeständnis“ abgelegt hat, die Verkürzung der Haft seiner Ehefrau und seiner Tochter zu erreichen, begründet schon angesichts der hier gegebenen klaren Beweislage keinen durchgreifenden Darstellungsmangel (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12 Rn. 7).
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b) Die Entscheidung nach § 111i StPO ist noch hinreichend begründet. Soweit das Landgericht bei der Berechnung des (auch) durch den Angeklagten aus der Straftat der ausbeuterischen Zuhälterei Erlangten (UA S. 19) möglicherweise Zeiten einbezogen hat, die vor Inkrafttreten des § 111i StPO am 1. Januar 2007 liegen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. April 2013 – 1StR 22/13, NStZ-RR 2013, 254, 255 mwN), würde das Urteil hierauf nicht beruhen. Denn auch die nach diesem Zeitpunkt gemäß der durch die Straf- kammer vorgenommenen, ansonsten rechtsfehlerfreien „Hochrechnung“ erlang- ten Beträge übersteigen die durch sie letztlich angenommene Summe von 37.500 € bei weitem. Angesichts der dem Angeklagten überaus günstigen Schätzung schließt der Senat ferner aus, dass die Festsetzung des Verfallsbetrags noch niedriger ausgefallen wäre, wenn das Landgericht die Härtefallvorschrift des § 73c Abs. 1 StGB explizit erörtert hätte.
Sander König Berger
Bellay Feilcke

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.