Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt insbesondere in Rheinland-Pfalz Breitbandkabelnetze unter anderem der Netzebene 2, über die Rundfunksignale an regionale Netze herangeführt werden, und der Netzebene 3, über welche die regionale Verteilung bis zu den Übergabepunkten zur Netzebene 4 erfolgt, der die Endnutzer angeschlossen sind. Für die Einspeisung von Rundfunkprogrammen erhielt sie im Jahr 2011 von deren Veranstaltern insgesamt Entgelte in Höhe von 163,5 Mio. €.

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Die Klägerin überträgt insbesondere die vom Beklagten, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, veranstalteten Fernseh- und Hörfunkprogramme. In Rheinland-Pfalz wurden 2011 knapp 40% der Haushalte über das Kabelnetz der Klägerin mit Hörfunk- und Fernsehsignalen versorgt. Die Fernsehprogramme des Beklagten werden den Zuschauern daneben über Satellit und terrestrische Sendenetze (DVB-T), ferner über kleinere Kabelnetzbetreiber und das Internet zur Verfügung gestellt.

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Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Länder einschließlich des Beklagten, das Zweite Deutsche Fernsehen, Deutschlandradio und ARTE G.E.I.E./ARTE Deutschland TV GmbH zahlten der Klägerin bisher auf der Grundlage eines zwischen ihnen und der Klägerin am 27. Februar 2008 geschlossenen Vertrags "über die Einspeisung und Verbreitung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen und -angeboten in Breitbandkabelnetze" (im Folgenden: Einspeisevertrag) ein jährliches Entgelt in Höhe von 27 Mio. € für die - im Vertrag vereinbarte - digitale und analoge Einspeisung in die Kabelnetze der Klägerin. Davon entfiel bezogen auf die Einspeisung in Rheinland-Pfalz auf den Beklagten ein Betrag von ca. 1,9 Mio. €. Nach § 8 des Vertrags blieb der Klägerin vorbehalten, von ihren Kunden und nachgelagerten Netzbetreibern Entgelte für ihre Leistungen, insbesondere die Signallieferung, zu verlangen. In Nummer 6 der Präambel hielten die Vertragsparteien ihre unterschiedlichen Auffassungen darüber fest, ob die Klägerin ihre digitalen Verbreitungsleistungen auch künftig nicht nur durch Zahlungen der Endnutzer, sondern auch durch Einspeiseentgelte der Rundfunkveranstalter finanzieren könne.

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Seit dem 30. April 2012 strahlen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Fernsehprogramme nur noch digital aus. Mit Schreiben vom 19. Juni 2012 erklärte der Beklagte, ebenso wie die anderen am Einspeisevertrag beteiligten Rundfunkveranstalter, dessen Kündigung zum 31. Dezember 2012. Die Klägerin speist die Rundfunksignale, die der Beklagte nach wie vor zur Verfügung stellt, weiterhin in ihre Netze ein. Der Beklagte leistet dafür kein Entgelt mehr.

5

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie begehrt in erster Linie die Feststellung, dass der Einspeisevertrag auch nach dem 31. Dezember 2012 für die Verbreitung in Rheinland-Pfalz fortbestehe (Klageantrag zu 1a). Mit gestaffelten Hilfsanträgen begehrt sie die Verurteilung des Beklagten zur Annahme eines von ihr vorgelegten Angebots zum Abschluss eines neuen Einspeisevertrags (Klageantrag zu 1b), die Verurteilung des Beklagten zum Abschluss eines Einspeisevertrags zu angemessenen und marktüblichen Bedingungen (Klageantrag zu 1c) sowie die Feststellung, dass der Beklagte zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet ist, die der Klägerin aus der mit anderen Rundfunkanstalten abgestimmten Kündigung des Einspeisevertrags und der Verweigerung des Abschlusses des von ihr angebotenen neuen Vertrags für den Zeitraum ab 1. Januar 2013 entstanden sind und noch entstehen werden (Klageantrag zu 1d). Weiter hilfsweise erstrebt sie die Feststellung, dass der Beklagte zum Ersatz der seit dem 1. Januar 2013 im Hinblick auf die Einspeisung der Programme entstandenen Aufwendungen und der Bereicherung verpflichtet ist (Klageantrag zu 1e), und die Feststellung, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, diese Programme in ihre Netze einzuspeisen und Kapazitäten hierfür vorzuhalten, soweit und solange zwischen ihr und dem Beklagten kein wirksamer Vertrag über die Einspeisung besteht (Klageantrag zu 1f).

6

Das Landgericht (LG Stuttgart, WuW/E DE-R 3952) hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit im Umfang des Hilfsantrags 1f abgetrennt, insoweit den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Stuttgart, ZUM 2015, 63). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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A. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Die Kündigung habe den Einspeisevertrag beendet. Sie sei nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte verpflichtet sei, umgehend einen gleichlautenden Vertrag abzuschließen.

10

Ein Kontrahierungszwang finde in den rundfunkrechtlichen Regelungen keine Stütze. Die Klägerin sei zwar nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV sowie § 33 LMG zur Übertragung der Programme des Beklagten verpflichtet. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass der Verpflichtung der Klägerin zur Übertragung eine Verpflichtung des Beklagten gegenüberstehe, hierfür eine Vergütung zu zahlen.

11

Auch aus dem Kartellrecht ergebe sich kein Kontrahierungszwang. Ein Anspruch auf Vertragsschluss könne nicht aus § 19 GWB abgeleitet werden. Es fehle jedenfalls am Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Der Beklagte erfülle seinen rundfunkrechtlichen Grundversorgungsauftrag bereits dadurch, dass er sein Programmsignal über Satellit und terrestrische Sendeanlagen bereitstelle. Soweit er auf diese Weise auch der Klägerin die Möglichkeit einräume, das Programmsignal in ihr Kabelnetz einzuspeisen, stelle dies nur einen Annex seines Grundversorgungsauftrags dar. Bereits mit der Weiterleitung des Programmsignals an die erstaufnehmende Verbreitungstechnik (Satellit oder terrestrische Sendeanlage) ende die mit dem Kernauftrag des Beklagten einhergehende Verbreitungslast. Werde der Klägerin das Programmsignal kostenlos zur Verfügung gestellt, könne es nicht als unbillig angesehen werden, wenn der Beklagte der Klägerin nicht noch zusätzlich ein Entgelt für die Übertragung leiste. Die Klägerin könne im Verhältnis zu den Betreibern von Satelliten und terrestrischen Sendeanlagen schon nicht als gleichartiges Unternehmen angesehen werden; zudem sei die unterschiedliche Behandlung sachlich dadurch gerechtfertigt, dass die Klägerin das Programmsignal nach ihrem Geschäftsmodell wirtschaftlich verwerte. Auf § 20 GWB könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil es sich bei ihr nicht um ein kleines oder mittleres Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift handele.

12

Das Verhalten des Beklagten verstoße auch nicht gegen § 1 GWB. Nachdem der Beklagte der Klägerin nicht zum Vertragsschluss verpflichtet sei, sei die Verabredung zur Kündigung des Einspeisevertrags ebenso wenig rechtswidrig gewesen wie die nachfolgende Verweigerung des (Neu-)Abschlusses eines solchen Vertrags. Dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gleichgerichtet gehandelt hätten, mache sie, da die Kündigung vertraglich zulässig gewesen sei, nicht zu Kartellanten.

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Habe die Klägerin keinen Anspruch auf Abschluss eines Einspeisevertrags gegen den Beklagten, könnten auch die Klageanträge zu 1b und 1c keinen Erfolg haben. Daraus ergebe sich weiter, dass der Klägerin kein Schadensersatzanspruch zustehe. Der Klageantrag zu 1e sei unbegründet, weil die Klägerin mit der Einspeisung nur ein eigenes Geschäft erbracht habe.

14

Der Klageantrag zu 1f ziele auf die Klärung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen sei. Die Berufung der Klägerin auf § 17 Abs. 2 GVG greife nicht durch, weil es nicht um einen einheitlichen prozessualen Anspruch gehe.

15

B. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht stand. Die Versagung der von der Klägerin mit dem Hauptantrag begehrten Feststellung, dass der Einspeisevertrag zwischen den Parteien auch nach Ablauf des 31. Dezember 2012 fortbestehe, hat mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung keinen Bestand. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Fortsetzung des Einspeisevertrags oder den Neuabschluss eines solchen Vertrags zu unveränderten Bedingungen (dazu I.). Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch nicht seine Beurteilung, § 1 GWB stehe der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen (dazu II.).

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I. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beendet eine an sich zulässige Kündigung den Vertrag nicht, wenn der Kündigende dem Vertragspartner gegenüber verpflichtet ist, einen Vertrag gleichen Inhalts neu abzuschließen, der sich an den gekündigten Vertrag unmittelbar anschließen würde (BGH, Urteil vom 30. September 1981 - IVa ZR 187/80, VersR 1982, 259 unter I 2 der Gründe; BGH, Urteil vom 7. März 1989 - KZR 15/87, BGHZ 107, 273, 279 - Lotterie-Bezirksstelle). Die Kündigung wäre in einem solchen Fall mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbaren.

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Die Klägerin stützt die von ihr geltend gemachte Unwirksamkeit der Kündigung zwar in erster Linie darauf, dass der Beklagte die Pflicht zur Zahlung eines Entgelts für die Übertragung der von ihm hergestellten Programme generell in Abrede stelle. Ihrem Vorbringen ist jedoch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sie der Auffassung ist, der Beklagte müsse den Einspeisevertrag zu den bisherigen Bedingungen fortführen. Nicht entscheidend für die rechtliche Beurteilung des Hauptantrags ist danach die von der Revision in den Vordergrund gestellte Frage, ob die Klägerin zur unentgeltlichen Übertragung der Programmsignale des Beklagten verpflichtet ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob den Beklagten die Pflicht trifft, mit der Klägerin einen Vertrag zu schließen, nach welchem er ihr weiterhin ein Entgelt für die Übertragung der Programmsignale in der bisherigen Höhe und zu den bisherigen Konditionen zu zahlen hat. Dies hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend verneint.

18

1. Eine solche Kontrahierungspflicht lässt sich, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, den Regelungen des Rundfunkrechts nicht entnehmen.

19

a) Die Klägerin ist als privatrechtlich tätige Betreiberin eines digitalen Kabelnetzes, über das auch Fernseh- und Hörfunkprogramme verbreitet werden, Betreiberin einer Plattform im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 13 RStV. Nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 RStV hat sie daher im Umfang von höchstens einem Drittel der für die digitale Verbreitung von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität sicherzustellen, dass die erforderlichen Kapazitäten für die bundesweite Verbreitung der gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme sowie für die Dritten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, einschließlich programmbegleitender Dienste, zur Verfügung stehen. Eine entsprechende Verpflichtung trifft die Klägerin nach § 52b Abs. 2 Nr. 1 RStV hinsichtlich der beitragsfinanzierten Hörfunkprogramme. Hierzu rechnen auch die vom Beklagten bereitgestellten Fernseh- und Hörfunkprogramme.

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Die Klägerin hat danach nicht nur entsprechende Kapazitäten für die Übertragung näher bezeichneter Programme bereitzustellen und gegebenenfalls den Veranstaltern der gesetzlich bezeichneten Programme deren Einspeisung und Verbreitung anzubieten. § 52b RStV verpflichtet den Plattformbetreiber vielmehr dazu, die betreffenden Programme einzuspeisen und zu übertragen. Dieses Verständnis der Norm entspricht den Vorgaben des Unionsrechts. Grundlage der landesrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtung der Betreiber von Kabelnetzen, beitragsfinanzierte Fernseh- und Hörfunkkanäle zu übertragen, ist die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie = UDRL) vom 7. März 2002 (ABl. L 108 vom 24. April 2002, S. 51). Nach Art. 31 Abs. 1 UDRL können die Mitgliedstaaten den ihrer Rechtshoheit unterliegenden Unternehmen, die für die öffentliche Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehrundfunkkanälen genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, zumutbare Übertragungspflichten auferlegen, wenn eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang solcher Kanäle nutzt. Für dieses Verständnis spricht ferner § 52b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, letzter Teilsatz RStV, der eine Pflicht zur Verbreitung der Landesfenster vorsieht. In die gleiche Richtung deutet § 52b Abs. 4 RStV, der die Entscheidung über die Belegung der Plattform grundsätzlich dem Betreiber zuweist und eine hoheitliche Kontrolle vorsieht. Eine vertragliche Regelung über die Einspeisung und Übertragung ist dadurch zwar nicht ausgeschlossen, doch wird die Übertragungspflicht des Betreibers der Plattform nicht erst durch einen solchen Vertrag begründet, sondern besteht kraft Gesetzes.

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b) § 52b RStV richtet sich nur an den Betreiber der Plattform, nicht an Programmanbieter wie den Beklagten (Wagner in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2012, § 52b RStV Rn. 2). Mit der gesetzlichen Pflicht der Kabelnetzbetreiber zur Einspeisung und Übertragung der gebührenfinanzierten Programme korrespondiert jedoch eine Pflicht der Anbieter dieser Programme, den Kabelnetzbetreibern das Programmsignal zur Verfügung zu stellen. Die Verpflichtung der beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, für die umfassende Verbreitung ihrer Programme zu sorgen, ergibt sich aus dem Grundversorgungsauftrag, wie er einfachgesetzlich in §§ 11, 19 RStV geregelt ist. Angesichts des Umstands, dass derzeit ein hoher Prozentsatz der Haushalte an das Breitbandkabelnetz angeschlossen ist, umfasst diese Pflicht auch die Verbreitung der Programme über dieses Netz. Dementsprechend legen die Parteien übereinstimmend zugrunde, dass der Beklagte der Klägerin die von ihm erstellten Programme zur Einspeisung und Übertragung zur Verfügung stellen muss.

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c) Nach § 52d Satz 1 RStV dürfen Anbieter von Programmen durch die Ausgestaltung der Entgelte und Tarife der Betreiber von Plattformen nicht unbillig behindert oder gegenüber gleichartigen Anbietern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden. Satz 2 bestimmt, dass die Verbreitung von Angeboten nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 RStV zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen hat. Auch diese Norm richtet sich nur an den Betreiber der Plattform. Sie begründet keine Verpflichtung des Programmanbieters, ein Entgelt für die Übertragung von Programmsignalen zu versprechen. Die Norm legt allerdings vertragliche Beziehungen zwischen dem Programmanbieter und dem Plattformbetreiber zugrunde und stellt für den Fall, dass eine Entgeltvereinbarung getroffen worden ist, bestimmte Anforderungen an deren Ausgestaltung oder Durchführung. Aus den Bestimmungen des Landesmediengesetzes über die Kabelbelegung in analoger Technik (§ 33 LMG Rheinland-Pfalz) ergibt sich nichts anderes.

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d) Den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags zur Übertragungspflicht lässt sich mithin schon keine Aussage darüber entnehmen, ob der Betreiber einer Plattform, der dieser Pflicht nachkommt, vom Programmveranstalter hierfür ein Entgelt verlangen kann, und erst recht nicht über dessen Höhe. Zu einer Regelung dieser Frage hat sich der Gesetzgeber in Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen, die hierzu spätestens seit 2008 vertreten wurden, auch bei den zeitlich nachfolgenden Änderungen des Rundfunkstaatsvertrags, insbesondere bei der letzten Änderung von § 52b RStV durch Art. 3 Nr. 8 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15. Dezember 2010, die zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, nicht veranlasst gesehen.

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e) Ein anderes Verständnis der angeführten rundfunkrechtlichen Regelungen ist auch durch das Unionsrecht nicht geboten.

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aa) Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Übertragungspflicht des Kabelnetzbetreibers nur unter der Voraussetzung zu begründen, dass der begünstigte Programmanbieter im Gegenzug zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet wird, findet in Art. 31 UDRL keine Grundlage. Während der von der Europäischen Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf noch eine Pflicht der Mitgliedstaaten vorsah, die Unternehmen zu entschädigen, denen Übertragungspflichten auferlegt werden (Art. 26 Abs. 2 UDRL-E, ABl. Nr. C 365 E vom 19. Dezember 2000, S. 249), ist eine solche Pflicht in der Richtlinie nicht enthalten. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 UDRL sieht lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, in Bezug auf die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen gegebenenfalls ein angemessenes Entgelt festzulegen. Von dieser Möglichkeit wurde bei der Umsetzung der Richtlinie durch den Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien kein Gebrauch gemacht.

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bb) Die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Auferlegung von Übertragungspflichten findet nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 UDRL dort ihre Grenze, wo die Erfüllung dieser Pflicht den Unternehmen, die für die öffentliche Verbreitung von Hörfunk- oder Fernsehrundfunkkanälen genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, nicht zumutbar wäre. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es Sache der nationalen Gerichte zu prüfen, ob die wirtschaftlichen Folgen der Pflichten, die dem Kabelnetzbetreiber auferlegt werden, solcher Art sind, dass der Betreiber sie - im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Tätigkeiten - nicht unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen erfüllen kann (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 - C-336/07, Slg. 2008, I-10889 Rn. 46 ff. - Kabel Deutschland/NLM). Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Abschluss eines entgeltlichen Einspeisevertrags zu unveränderten Bedingungen käme danach unter dem Gesichtspunkt einer unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen rundfunkrechtlichen Regelungen in Betracht, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls anzunehmen wäre, dass die Klägerin unzumutbar belastet würde, wenn sie die Pflicht zur Übertragung der Programme des Beklagten erfüllen müsste, ohne dafür von diesem das bisher gezahlte Entgelt verlangen zu können.

27

Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden der Klägerin leitungsgebunden oder per Satellit zur Verfügung gestellt. Sie führt diese an die regionalen Netze heran (Netzebene 2) und verteilt sie dann über Breitbandkabelnetze regional (Netzebene 3). Dort werden die Signale in nachgelagerte Netze (Netzebene 4) eingespeist, an die die Haushalte als Endkunden angeschlossen sind. Die Klägerin beschränkt sich jedoch - anders als die Betreiber von Satelliten und terrestrischen Sendeanlagen - nicht auf die bloße Übertragung des Programmsignals, sondern bietet den Endkunden und der Wohnungswirtschaft verschiedene Kabelanschlussprodukte gegen Entgelt an. Für die Attraktivität des Angebots der Klägerin ist maßgeblich, welche Fernseh- und Hörfunkprogramme sie dem Endkunden über den Kabelanschluss zur Verfügung stellt. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass viele ihrer Endkunden an den Programmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und damit auch an den Programmen des Beklagten interessiert sind. Die Überlassung der Programmsignale ist für die Klägerin mithin von erheblichem wirtschaftlichem Wert, weil die Attraktivität ihres Angebots gegenüber den Endkunden und deren Bereitschaft, hierfür ein Entgelt zu zahlen, unter anderem davon abhängig ist, dass sie die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten empfangen können. Diese stellen der Klägerin die Programmsignale, abgesehen von der urheberrechtlichen Vergütung, die sie für die ihr eingeräumten Rechte zur Kabelweitersendung an eine Gemeinschaft von Wahrnehmungsgesellschaften zu zahlen hat, unentgeltlich zur Verfügung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung steht also der Leistung der Klägerin, die in der Einspeisung und Übertragung der Programmsignale und damit in deren Verbreitung an die an das Kabelnetz angeschlossenen Endkunden besteht, eine Leistung des Beklagten gegenüber, der der Klägerin diese Programmsignale kostenlos überlässt und ihr damit die Möglichkeit zu deren kommerzieller Verwertung eröffnet. Angesichts dessen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Klägerin die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Übertragung der Programmsignale des Beklagten nur dann zuzumuten sein sollte, wenn ein Einspeisevertrag geschlossen wird, der vorsieht, dass ihr für die Übertragung der Signale weiterhin das bislang vereinbarte Entgelt gezahlt wird. Die Revision zeigt weder auf, dass sich solches aus den festgestellten Tatsachen ergibt, noch dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft Vortrag der Klägerin hierzu übergangen hat. Der Hinweis darauf, dass der Beklagte sich bislang vertraglich zur Zahlung dieses Entgelts verpflichtet hatte, genügt hierfür nicht.

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f) Auch aus verfassungsrechtlichen Bestimmungen ergibt sich nicht, dass der Klägerin ein Anspruch gegen den Beklagten auf erneuten Abschluss des bisherigen Einspeisevertrags zusteht.

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aa) Die rundfunkrechtlichen Normen, die die Pflicht zur Übertragung der Programme des Beklagten begründen, greifen in das Eigentum der Klägerin an ihrem Kabelnetz ein. Es handelt sich um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die anhand von Art. 14 Abs. 1 GG und nicht nach Art. 14 Abs. 3 GG zu beurteilen ist, denn die Regelung entzieht keine konkreten Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben, sondern beschränkt die Klägerin in ihrer freien Disposition über das Kabelnetz.

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Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG muss der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Er muss sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse, die sich in diesem Rahmen halten, sind als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen.

31

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die gesetzliche Pflicht zur Übertragung der Programme des Beklagten zu einer unzumutbaren Belastung der Klägerin führt, wenn sie hierfür nicht weiterhin das bislang gezahlte Entgelt erhält. Die Übertragungspflicht dient der Erhaltung und Sicherstellung eines vielfältigen Programmangebots und verfolgt damit ein Ziel, das im allgemeinen Interesse liegt. Der Klägerin wird durch das Gesetz lediglich die Pflicht auferlegt, bestimmte Kapazitäten des von ihr betriebenen Kabelnetzes für die Übertragung im einzelnen bestimmter Fernseh- und Rundfunkprogramme, insbesondere der beitragsfinanzierten Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz bestimmt dabei zwar nicht, dass hierfür ein Entgelt zu zahlen ist, erst recht legt es die Höhe eines Entgelts nicht fest. Es bestimmt aber auch nicht, dass die Kabelnetzbetreiber die Programmsignale unentgeltlich übertragen müssen. Nach der gesetzlichen Regelung bleibt es vielmehr - weiterhin - den Beteiligten überlassen, die angemessenen Bedingungen der Einspeisung der Programmsignale, mit der die Programmanbieter ihre Verbreitungspflicht und die Kabelnetzbetreiber ihre Übertragungspflicht erfüllen, vertraglich festzulegen. Dabei können sie auch berücksichtigen, dass die Programmanbieter die Programmsignale unentgeltlich bereitstellen und der Klägerin die Möglichkeit eröffnen, sie kommerziell zu verwerten. Unter diesen Umständen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Klägerin die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Übertragung der Programmsignale des Beklagten nur dann zuzumuten sein sollte, wenn ein Einspeisevertrag geschlossen wird, der vorsieht, dass ihr für die Übertragung der Signale weiterhin das bislang vereinbarte Entgelt gezahlt wird. Die Revision zeigt weder auf, dass sich solches aus den festgestellten Tatsachen ergibt, noch dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft Vortrag der Klägerin hierzu übergangen hat.

32

bb) Eine andere Beurteilung ist auch im Hinblick auf Art. 12 GG nicht geboten. Die rundfunkrechtlichen Normen, die die Pflicht der Klägerin zur Übertragung der Programme des Beklagten begründen, greifen in die Freiheit der Berufsausübung der Klägerin ein. Für solche Regelungen gilt, dass sie mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie als zweckmäßig erscheinen lassen und das Grundrecht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird (BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1998 - 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228, 255). Die gleichen Erwägungen, aufgrund deren ein Verstoß gegen Art. 14 GG zu verneinen ist, stehen der Annahme eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit entgegen.

33

g) Der Hinweis der Revision auf die Entscheidung "Pay-TV-Durchleitung" (BGH, Urteil vom 19. März 1996 - KZR 1/95, WuW/E BGH 3058) greift nicht durch. Dort ging es darum, ob sich aus den damals maßgeblichen rechtlichen Regelungen ein Anspruch des Anbieters eines verschlüsselt ausgestrahlten, entgeltpflichtigen Programms gegenüber dem Kabelnetzbetreiber auf unentgeltliche Übertragung ergab. Demgegenüber setzt die Begründetheit der Klage mit dem Hauptantrag voraus, dass die Klägerin als Betreiberin eines Kabelnetzes gegen den Programmanbieter einen Anspruch auf Abschluss eines entgeltlichen Einspeisevertrags mit einer bestimmten Vergütung hat. Zu dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof in der angeführten Entscheidung nicht geäußert.

34

2. Eine Pflicht des Beklagten zum Wiederabschluss des bisherigen Einspeisevertrags mit der Klägerin ergibt sich auch nicht aus kartellrechtlichen Bestimmungen.

35

a) Eine Anwendung der Regelungen des Kartellrechts scheidet nicht deshalb aus, weil der Beklagte nicht als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts anzusehen wäre.

36

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union umfasst der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Soweit die neuere Rechtsprechung der Unionsgerichte die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich des europäischen Kartellrechts ausnimmt, sofern die erworbenen Waren oder Dienstleistungen nicht für wirtschaftliche, sondern hoheitliche Tätigkeiten verwendet werden sollen (EuG, Urteil vom 4. März 2003 - T-319/99, Slg. 2003, II-357 Rn. 36 ff., WuW/E EU-R 688 - FENIN, bestätigt durch EuGH, Urteil vom 11. Juli 2006 - C-205/03 P, Slg. 2006, I-6295 Rn. 26 = WuW/E EU-R 1213 - FENIN; ferner EuGH, Urteil vom 26. März 2009 - C-113/07 P, Slg. 2009, I-2207 Rn. 102 - SELEX/Kommission; kritisch Bornkamm in FS Blaurock 2013 S. 41 ff. mwN), entspricht dies nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. die Nachweise in BGH, Urteil vom 6. November 2013 - KZR 58/11, BGHZ 199, 1 Rn. 52 - VBL-Gegenwert).

37

Der Bundesgerichtshof hat bislang offen gelassen, ob diese Rechtsprechung der Unionsgerichte Anlass gibt, die gefestigte Rechtsprechung zum Unternehmensbegriff im deutschen Recht zu überprüfen. Die Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil der Beklagte zumindest auch wirtschaftlich tätig ist. Die Erstellung und Verbreitung der Hörfunk- und Fernsehprogramme des Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, dient zwar als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung (§ 11 RStV), der Beklagte verfolgt damit aber auch wirtschaftliche Ziele. So hängt die Höhe der Vergütung, die von den Kabelnetzbetreibern nach dem einschlägigen Tarif für das Recht der Kabelweitersendung zu zahlen ist, von den mit der Weitersendung erwirtschafteten Umsätzen ab. Der Beklagte finanziert sich ferner nicht allein durch Beiträge. Einnahmen kann er vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Sponsoring (§ 8 RStV) und Produktplatzierung (§ 15 RStV) erzielen, ferner durch Werbung, die ihm - zeitlich begrenzt - im Hörfunk gestattet ist (§ 16 Abs. 5 RStV). Der Beklagte hat damit auch ein wirtschaftliches Interesse an einer weiten Verbreitung seiner Programme. Schließlich sind den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach § 16a RStV in gewissem Umfang auch sonstige kommerzielle Tätigkeiten erlaubt, deren wirtschaftlicher Erfolg unter anderem von der Verbreitung ihrer Programme abhängig ist. Danach handelt der Beklagte auch nach Maßgabe der Kriterien der Unionsgerichte als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts.

38

b) Der Anwendung der Bestimmungen des Kartellrechts steht ferner nicht entgegen, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu entschlossen haben, den Einspeisevertrag nicht fortzuführen. Dies führt nicht dazu, dass es an einem Marktgeschehen fehlt.

39

Eine Überprüfung dieses Verhaltens nach den Regeln des Kartellrechts schiede aus, wenn dem Beklagten die Fortführung dieses Vertrags oder der Abschluss eines neuen, gleichartigen Vertrags rechtlich untersagt wäre (BGH, Urteil vom 10. Februar 2004 - KZR 7/02, WuW/E DE-R 1254, 1256 - Verbindung von Telefonnetzen). Es ist dem Beklagten ebenso wie den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten jedoch aus Rechtsgründen nicht verwehrt, erneut einen entgeltlichen Einspeisevertrag abzuschließen.

40

Ein entsprechendes Verbot ergibt sich, anders als der Beklagte meint, nicht aus § 19 RStV. Nach dieser Norm können die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem gesetzlichen Auftrag durch die Nutzung geeigneter Übertragungswege nachkommen. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Autonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erstreckt sich nicht nur auf die Entscheidung über Art und Umfang des Programms, sondern auch auf die Wahl der Verbreitungswege und -modalitäten (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89 u.a., BVerfGE 87, 181, 203; BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - 6 A 1/97, BVerwGE 107, 275, 287 f.). Bei dieser Wahl haben die Rundfunkanstalten zwar nach § 19 Satz 2 RStV die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Rundfunkanstalten bei der Auswahl der Verbreitungswege allein die hierfür anfallenden Kosten in den Blick zu nehmen haben. Sie dürfen und müssen vielmehr auch weitere Kriterien, insbesondere die technischen Möglichkeiten und das tatsächliche Rezeptionsverhalten der Zuschauer sowie deren Bereitschaft und Möglichkeit zum Wechsel des Übertragungswegs, aber auch die insbesondere für die Einkünfte aus Werbung bedeutsame Reichweite, die sie jeweils erzielen können, in ihre Überlegungen einbeziehen. Unter diesen Umständen lässt sich aus dem Bestehen einer gesetzlichen Übertragungspflicht der Kabelnetzbetreiber nicht der Schluss ziehen, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verwehrt wäre, einen entgeltlichen Einspeisevertrag abzuschließen (Binder in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht 3. Aufl. 2012 § 19 RStV Rn. 36).

41

c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Weigerung des Beklagten, den Einspeisevertrag mit der Klägerin fortzusetzen, sei als Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem durch die Nachfrage des Beklagten nach Übertragungsleistungen bestimmten Markt zu qualifizieren.

42

aa) In Fällen der Diskriminierung oder unbilligen Behinderung eines Unternehmens durch ein marktbeherrschendes Unternehmen kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Kontrahierungszwang in Betracht, wenn der Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen nur auf diese Weise beseitigt oder vermieden werden kann (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 26. Oktober 1961 - KZR 1/61, BGHZ 36, 91, 100 - Gummistrümpfe; Urteil vom 9. November 1967 - KZR 7/66, BGHZ 49, 90, 98 f. - Jägermeister; Urteil vom 26. Oktober 1972 - KZR 54/71, WuW/E BGH 1238, 1245 - Registrierkassen; Urteil vom 12. Mai 1998 - KZR 23/96, WuW/E DE-R 206, 209 - Depotkosmetik).

43

bb) Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch liegen hier, entgegen der Ansicht der Revision, nicht vor.

44

(1) Nachdem die Kündigung, deren Unwirksamkeit die Klägerin festgestellt wissen will, bereits 2012 erklärt worden ist, sind der Beurteilung grundsätzlich die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der damals geltenden Fassung zugrunde zu legen. Da sich jedoch inhaltlich keine Änderungen ergeben haben, wird im Folgenden auf die seit dem 30. Juni 2013 geltenden Normen abgestellt.

45

(2) Für die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts kommt es auf die Sicht der Marktgegenseite an (BGH, Urteil vom 12. November 2002 - KZR 11/01, BGHZ 152, 347, 356 - Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge). Geht es - wie hier - darum, dass eine marktbeherrschende Stellung des Beklagten als Nachfrager behauptet wird, sind mithin die Ausweichmöglichkeiten der Klägerin als Anbieterin maßgeblich. Danach kommt es allein auf die Nachfrage nach der Übertragung von Programmsignalen über Breitbandkabel an. Die Übertragung von Programmsignalen via Satellit oder über terrestrische Sendeanlagen hat außer Betracht zu bleiben, weil die Klägerin sie nicht anbietet.

46

Eine marktbeherrschende Stellung des Beklagten als Nachfrager auf dem regulierten Markt für Einspeisekapazitäten ergibt sich aus den rundfunkrechtlichen Regelungen, die die Klägerin gesetzlich verpflichten, einen Teil der Kapazität ihres Kabelnetzes ausschließlich für die Übertragung der gebührenfinanzierten Programme - auch derjenigen des Beklagten - freizuhalten. Durch diese gesetzliche Regelung ist die Klägerin daran gehindert, die für den Beklagten und die anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten reservierten Kapazitäten an andere Programmanbieter zu vergeben. Der Beklagte muss sich deshalb bei der Nachfrage nach Übertragungsleistungen hinsichtlich dieses Teils der Kapazitäten nicht dem Wettbewerb solcher Unternehmen stellen, deren Programme nicht unter die gesetzliche Übertragungspflicht fallen. Hinzu kommt, dass der Beklagte insoweit auch keinem Wettbewerb der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgesetzt ist, weil die nach § 52b RStV vorzuhaltenden Kapazitäten ausreichen, um sämtliche gebührenfinanzierten Programme zu übertragen.

47

(3) Die Weigerung des Beklagten, mit der Klägerin einen Vertrag zu gegenüber dem bisherigen Einspeisevertrag unveränderten Konditionen abzuschließen, stellt keinen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 GWB dar.

48

(a) Nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB liegt ein Missbrauch insbesondere dann vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager ein anderes Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen. Der Beklagte behandelt die Klägerin nicht anders als andere Kabelnetzbetreiber. Er zahlt auch anderen Betreibern solcher Netze kein Entgelt für die Übertragung von Programmsignalen.

49

(b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, ein missbräuchliches Verhalten des Beklagten im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB19 Abs. 4 Nr. 2 GWB aF) ergebe sich daraus, dass er die Zahlung eines Entgelts für die Übertragungsleistung der Klägerin verweigere, während private Fernsehsender, unabhängig davon, ob die von ihnen erstellten Programme unter die Übertragungspflicht nach § 52b Abs. 1 RStV fielen oder nicht, weiterhin ein angemessenes Entgelt zahlten.

50

Das Regelbeispiel nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB knüpft daran an, dass die Konditionen auf dem betroffenen Markt von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Ein solcher Schluss wird insbesondere dann naheliegen, wenn sich auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb andere Konditionen herausbilden. Die Behauptung der Klägerin, private Sender zahlten ihr ein angemessenes Entgelt, ist unzureichend, insbesondere fehlen nähere Angaben dazu, wofür und in welcher Höhe ein Entgelt gezahlt wird. Damit fehlt es an einer Grundlage für einen Vergleich mit den Verhältnissen zwischen der Klägerin und dem Beklagten, der die Schlussfolgerung tragen könnte, der Beklagte müsse weiterhin das bisherige Entgelt entrichten.

51

(c) Nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB19 Abs. 4 Nr. 3 GWB aF) handelt ein marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich, wenn es als Nachfrager ungünstigere Konditionen fordert, als es selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Anbietern verlangt, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist. Ob für unterschiedliche Konditionen eine sachliche Rechtfertigung besteht, ist aufgrund einer Abwägung aller beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beantworten (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 5/10, WuW/E DE-R 3145 Rn. 23 - Entega II).

52

Der Beklagte nimmt die Leistungen von Anbietern anderer Übertragungstechniken - per Satellit und über terrestrische Sendeanlagen - weiterhin gegen Entgelt in Anspruch. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch grundsätzlich sachlich gerechtfertigt, da die Betreiber von Satelliten und terrestrischen Sendeanlagen, anders als die Betreiber von Kabelnetzen, nicht in vertraglicher Beziehung mit den Endkunden stehen und von diesen kein Entgelt dafür erhalten, dass sie die tatsächlichen Voraussetzungen für den Empfang von Hörfunk- und Fernsehprogrammsignalen schaffen, sondern sich auf die Übertragungsleistung beschränken. Angesichts dessen kann aus dem bloßen Umstand, dass der Beklagte solchen Anbietern ein Entgelt zahlt, nicht geschlossen werden, er fordere mit der Weigerung, den bisherigen Einspeisevertrag fortzusetzen, von der Klägerin ungünstigere Konditionen als er sie auf vergleichbaren Märkten mit gleichartigen Anbietern vereinbart hat.

53

II. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kündigung sei nicht wegen Verstoßes gegen § 1 GWB unwirksam, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

54

1. Nach § 1 GWB sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.

55

a) Nach dem Vortrag der Klägerin hat der Beklagte mit den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vereinbart, den Einspeisevertrag vom 27. Februar 2008 zu kündigen und keinen neuen Einspeisevertrag abzuschließen. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, der Beklagte habe die Kündigung des Einspeisevertrags in Vollzug dieser Absprache erklärt. Die Richtigkeit dieses Vorbringens ist revisionsrechtlich zu unterstellen, nachdem das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat.

56

b) Diese Vereinbarung ist auf eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs gerichtet. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen insbesondere hinsichtlich der Finanzierung ihres Programmangebots sowohl untereinander als auch mit den privaten Rundfunkanbietern in Wettbewerb. Danach war es ihnen kartellrechtlich verboten, ihr Verhalten gegenüber der Klägerin und anderen Kabelnetzbetreibern zu koordinieren, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. Ob dies auch gilt, soweit es um die Übertragung der Gemeinschaftsprogramme der in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten geht, kann offenbleiben, weil die Übertragung solcher Programme nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist.

57

c) Ein Verstoß gegen § 1 GWB scheidet - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht deshalb aus, weil der Beklagte berechtigt war, den Einspeisevertrag zu kündigen. § 1 GWB schützt die wirtschaftliche Handlungs- und Betätigungsfreiheit des Unternehmens und damit auch die Freiheit der Entschließung, ob und unter welchen Voraussetzungen es die Geschäftsbeziehung mit einem Dritten aufrechterhalten will. Die Unwirksamkeit ergreift damit Vereinbarungen darüber, bestimmte Geschäftsbeziehungen zu beendigen oder nicht aufzunehmen, auch dann, wenn dem daran beteiligten Unternehmen an sich - bei autonomer Entscheidung - die Befugnis zur Kündigung und zur Verweigerung eines Vertragsschlusses zustünde (BGH, Urteil vom 25. Januar 1983 - KZR 12/81, BGHZ 86, 324, 327 - Familienzeitschrift).

58

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Vertrag gemeinsam abgeschlossen haben. Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass der Vertrag nur gemeinsam gekündigt werden konnte. Lag die Entscheidung über eine Kündigung oder Fortsetzung des Vertrags - jedenfalls soweit es nicht um die Übertragung von gemeinschaftlich veranstalteten Programmen geht - mithin bei den einzelnen Rundfunkanstalten, war es diesen durch § 1 GWB untersagt, ihr Verhalten zu koordinieren.

59

2. Die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung des Einspeisevertrags war unwirksam, wenn er den Entschluss hierzu nicht aufgrund einer autonomen Entscheidung gefasst, sondern in Vollziehung der kartellrechtswidrigen Absprache gehandelt hat.

60

Eine Abrede, die gegen § 1 GWB verstößt, ist nach § 134 GWB nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Wirksamkeit der - revisionsrechtlich zu unterstellenden - Absprache zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern um die Wirksamkeit der Kündigung, die - wie ebenfalls revisionsrechtlich zu unterstellen ist - in Umsetzung dieser Absprache erklärt worden ist. Die in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht erörterte Frage, ob eine Kündigung, die in Umsetzung einer kartellrechtswidrigen Absprache erfolgt, als unwirksam anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen danach zu beantworten, wie die Freiheit des Wettbewerbs effektiv gewährleistet werden kann.

61

Haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihr Verhalten gegenüber der Klägerin hinsichtlich der Kündigung des bisherigen und der Verweigerung des Abschlusses eines neuen Einspeisevertrags gemeinsam festgelegt, erfolgte die Kündigung nicht - wie vom Kartellrecht gefordert - aufgrund einer selbständigen unternehmerischen Entscheidung. In einem ähnlich gelagerten Fall, in dem die beteiligten Unternehmen vereinbart hatten, bestimmte Vertragsangebote nicht anzunehmen, hat der Bundesgerichtshof eine Verfügung der Kartellbehörde gebilligt, mit welcher den an der verbotenen Absprache beteiligten Unternehmen deren weitere Umsetzung untersagt worden ist (BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 Rn. 57 ff. - Lottoblock). Diese Verfügung bedeutete, wie der Senat ausgeführt hat, nicht, dass die betroffenen Unternehmen Vertragsangebote dieser Art bedingungslos anzunehmen hätten. Sie verpflichtete sie jedoch zu einer autonomen, d.h. nicht durch die kartellrechtswidrige Absprache bestimmten, sondern aufgrund selbständiger unternehmerischer Überlegungen getroffenen Entscheidung über solche Angebote.

62

Geht es - wie hier - um die Durchsetzung des Kartellrechts mit den Mitteln des Privatrechts, entspricht dem die Folgerung, dass die Kündigung eines Vertrags, die in Umsetzung einer kartellrechtswidrigen Absprache ausgesprochen worden ist, grundsätzlich als unwirksam anzusehen ist. Der Vertrag bleibt damit zunächst bestehen. Eine wirksame Kündigung ist nicht auf Dauer ausgeschlossen, sie setzt jedoch voraus, dass das Unternehmen eine autonome Entscheidung darüber trifft, ob es den Vertrag beenden will.

63

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von Folgeverträgen (BGH, Urteil vom 4. Mai 1956 - I ZR 194/54, WuW/E BGH 152 - Spediteurbedingungen; Beschluss vom 9. Juli 1984 - KRB 1/84, WuW/E BGH 2100, 2102 - Schlussrechnung; vgl. Karsten Schmidt in FS Möschel, 2011, S. 559, 575) ergibt sich nichts anderes. Im Streitfall geht es nicht um eine vertragliche Vereinbarung, die mit Dritten getroffen worden ist, sondern um deren Kündigung und damit um eine einseitige Maßnahme. Zudem liegt ein besonderes Schutzbedürfnis der Marktgegenseite nicht vor. Die behauptete Absprache betrifft nur einige wenige Einspeiseverträge, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit den großen Kabelnetzbetreibern, darunter der Klägerin, geschlossen haben. Ein Interesse der Klägerin daran, die Kündigung gegen sich gelten zu lassen, liegt fern. Soweit der Einspeisevertrag Pflichten der Klägerin begründet, stellen diese sich im Wesentlichen nur als Konkretisierung der ihr ohnehin gesetzlich auferlegten Übertragungspflicht dar. Ihr Interesse ist mithin vor allem darauf gerichtet, dass die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Zahlung des vereinbarten Entgelts bestehen bleibt. Im Übrigen wäre es dem Beklagten im Verhältnis zur Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf eine solche Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen.

64

3. Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu klären haben, ob der Beklagte, wie von der Klägerin behauptet, mit den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vereinbart oder sich mit ihnen dahin abgestimmt hat, den Einspeisevertrag zu kündigen und keinen neuen Einspeisevertrag abzuschließen, und ob die von ihm ausgesprochene Kündigung auf einer solchen Absprache beruht. Nach der Lebenserfahrung wird ein solcher Ursachenzusammenhang im Allgemeinen bejaht werden können, wenn die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung auf das beanstandete Verhalten gerichtet war und die entsprechende Handlung mit der Abrede in einem unmittelbaren Zusammenhang steht (BGHZ 86, 324, 328 - Familienzeitschrift; BGH WuW/E DE-R 2408 Rn. 43 - Lottoblock). Wäre solches im Streitfall festzustellen, hätte sich der Beklagte mit seinem Verhalten über die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung hinweggesetzt.

65

Ein solcher ursächlicher Zusammenhang bedarf jedoch gesonderter Feststellung. Ein Unternehmen, das sich an einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung beteiligt hat, die auf eine bestimmte, für sich genommen nicht kartellrechtswidrige Verhaltensweise gerichtet war, ist nicht auf alle Zeiten an der betreffenden Handlung gehindert. Diese ist vielmehr dann nicht zu beanstanden, wenn es sich hierzu aufgrund autonomer Entscheidung - erneut - entschließt. Ob die Voraussetzungen hierfür, wie der Beklagte behauptet, erfüllt sind, bedarf einer sorgfältigen Prüfung unter Würdigung der Umstände des Streitfalls.

66

C. Für den Fall, dass die Klage mit dem Hauptantrag erfolglos bleiben sollte, weist der Senat auf Folgendes hin:

67

I. Aus den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags kann - wie ausgeführt - nicht abgeleitet werden, dass eine Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Einspeisung und Übertragung ihrer Programme durch die Klägerin zu vergüten, von vornherein ausscheidet. Der Gesetzgeber hat diese Regelungen zu einer Zeit geschaffen, zu der zwischen den großen Kabelnetzbetreibern und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Einspeiseverträge bestanden. Er hat sich in dieser Situation darauf beschränkt, einerseits im öffentlichen Interesse die Pflicht der Kabelnetzbetreiber zur Übertragung der gebührenfinanzierten Programme gesetzlich abzusichern (§ 52b RStV) und andererseits festzuschreiben, dass die Programmanbieter durch ein für die Verbreitung des Programmsignals zu zahlendes Entgelt nicht unbillig behindert oder diskriminiert werden dürfen (§ 52d RStV). Aus diesen Regelungen kann, wie oben ausgeführt, keine Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hergeleitet werden, die Einspeiseverträge zu den bisherigen Konditionen fortzuführen. Ihnen kann aber auch nicht entnommen werden, dass eine Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - und damit auch des Beklagten - der Klägerin ein Entgelt für die Einspeisung und Übertragung des Programmsignals zu zahlen, von vornherein ausscheidet. Die gesetzliche Pflicht zur Einspeisung und Übertragung bestimmter gebührenfinanzierter Programme wurde im öffentlichen Interesse geschaffen. Sie soll sicherstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Grundversorgungsauftrag nachkommen können, dient jedoch nicht dazu, diese wirtschaftlich zu begünstigen. Die Einspeisung hat daher zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen, deren Festlegung den Beteiligten obliegt. Verhandlungen hierüber könnten auf Seiten der Programmanbieter - nicht nur hinsichtlich der Gemeinschaftsprogramme, sondern insgesamt - von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemeinsam geführt werden, ohne dass darin bereits ein Verstoß gegen § 1 GWB läge. Die Entscheidung darüber, ob das Ergebnis solcher Verhandlungen in eine rechtlich bindende Regelung umgesetzt wird, hätte allerdings jede Rundfunkanstalt in eigener Verantwortung zu treffen.

68

Die Einspeisung und Übertragung seines Programmsignals verschafft dem Beklagten erhebliche Vorteile. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, dass er seinem Grundversorgungsauftrag nur dann umfassend nachkommen kann, wenn das Signal auch in das Breitbandkabelnetz eingespeist wird. Dies gilt jedenfalls so lange, wie eine erhebliche Zahl von Zuschauerhaushalten an das Kabelnetz angeschlossen ist und die Programme des Beklagten aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht ohne weiteres auf andere Weise empfangen kann. Die Zahl der Zuschauer und Zuhörer, die das Programmsignal des Beklagten empfangen können, ist zudem für die wirtschaftlichen Aktivitäten des Beklagten, insbesondere den Wert der von ihm verkauften Werbezeit, von erheblicher Bedeutung. Der Beklagte kann der Forderung der Klägerin nach einer Vergütung der Übertragung daher nicht erfolgreich mit dem Hinweis begegnen, er habe an der Einspeisung und Übertragung seines Programmsignals durch die Klägerin kein eigenes Interesse.

69

Erbringt die Klägerin danach für den Beklagten wirtschaftlich werthaltige Leistungen, hat der Beklagte diese grundsätzlich zu vergüten. Als marktbeherrschendes Unternehmen ist es ihm verwehrt, Geschäftsbedingungen zu fordern, die von denen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB). Es darf andererseits nicht aus dem Blick geraten, dass auch der Beklagte eine wirtschaftlich wertvolle Leistung bereitstellt, indem er der Klägerin das Programmsignal kostenlos überlässt und ihr damit die Möglichkeit zu dessen kommerzieller Verwertung eröffnet. Für die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin von dem Beklagten für die Einspeisung und Übertragung des Programmsignals ein Entgelt verlangen kann, wird es mithin maßgeblich darauf ankommen, in welchem Verhältnis die Werte der beiderseitigen Leistungen nach der Beurteilung des Marktes oder eines Vergleichsmarktes stehen. Der Klägerin wird gegebenenfalls Gelegenheit zu geben sein, ihren Vortrag hierzu zu ergänzen und, soweit erforderlich, ihre Klageanträge anzupassen.

70

II. Hinsichtlich des Klageantrags zu 1f wird gegebenenfalls zu klären sein, ob dieser, wie das Berufungsgericht gemeint hat, auf die Klärung der öffentlich-rechtlichen Frage gerichtet ist, ob die Klägerin verpflichtet ist, die Programme des Beklagten in ihr Netz einzuspeisen und Kapazitäten hierfür bereitzustellen, soweit und solange zwischen ihr und dem Beklagten kein wirksamer Vertrag über die Einspeisung besteht. Sollte der Antrag auf die abstrakte Beantwortung der Frage zielen, welche Pflichten der Klägerin durch den Rundfunkstaatsvertrag auferlegt sind, wäre er nicht auf die Klärung eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien gerichtet. Indes begehrt die Klägerin diese Feststellung nicht etwa gegenüber der mit der Durchführung des Rundfunkrechts betrauten Landesbehörde, der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland Pfalz, sondern gegenüber dem Beklagten. Zur Begründung ihres Antrags hat sie auf eine Entscheidung des Senats (BGH, WuW/E BGH 3058 - Pay-TV-Durchleitung) Bezug genommen. Danach dürfte es näher liegen, diesen Klageantrag dahin zu verstehen, dass er auf die Klärung eines (privatrechtlichen) Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien gerichtet ist. Ob ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer solchen Feststellung besteht, hinge dann insbesondere davon ab, ob sich der Beklagte eines solchen Anspruchs berühmt hat.

71

Im Übrigen ist das Berufungsgericht nach § 17a Abs. 5 GVG daran gebunden, dass das Landgericht die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs - stillschweigend - bejaht hat. Das Landgericht hat die Klage auch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Klageantrags zu 1f abgewiesen, ohne auf die Zulässigkeit des Rechtswegs einzugehen, die in erster Instanz von den Parteien nicht angesprochen und vom Beklagten nicht gerügt worden war. Das Oberlandesgericht, das über die Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung in der Hauptsache zu befinden hatte, war, wie die Revision zu Recht geltend macht, nach § 17a Abs. 5 GVG daran gehindert zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn es an einer ausdrücklichen Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über die Zuständigkeit des Rechtswegs fehlt, weil dieses seine Zuständigkeit annimmt und keine der Parteien eine Rüge erhebt (BGH, Beschluss vom 18. September 2008 - V ZB 40/08, NJW 2008, 3572, 3573).

Limperg                     Meier-Beck                         Kirchhoff

                 Bacher                           Deichfuß

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

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(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17


(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht w

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(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 7/02 Verkündet am:
10. Februar 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verbindung von Telefonnetzen

a) Nimmt ein Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen über einen ihm
hierfür zur Verfügung gestellten Zugang Leistungen eines marktbeherrschenden
Anbieters zum Aufbau und Halten von Telefonverbindungen zwischen
einem eigenen öffentlichen oder geschlossenen Netz und Gesprächsteilnehmern
aus dem öffentlichen Telefonnetz des Marktbeherrschers in Anspruch
, wird ihm unabhängig von der technischen Ausgestaltung des Zugangs
damit regelmäßig besonderer Netzzugang im Sinne des § 35 Abs. 1
TKG gewährt.

b) Für in diesem Rahmen erbrachte Leistungen darf das marktbeherrschende
Unternehmen keine Entgelte nach Sprachtelefondiensttarifen, sondern nur
Entgelte für die Gewährung von besonderem Netzzugang verlangen, die der
Entgeltregulierung nach § 39 i.V.m. §§ 24, 25 Abs. 1 und 3 TKG unterliegen.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2004 - KZR 7/02 - OLG Düsseldorf
LG Köln
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm,
und Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist die Deutsche Telekom AG, die Klägerin ist ein mit ihr im Wettbewerb stehendes Telekommunikationsunternehmen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die teilweise Erstattung von Entgelten, die seit dem 1. November 1996 zunächst ihre Rechtsvorgängerin, die C. GmbH & Co. KG, und in der Zeit vom 9. Dezember 1996 bis zum 31. März 1999 sie selbst (im folgenden beide als Klägerin bezeichnet) an die Beklagte für Telekommunikationsdienstleistungen gezahlt haben. Dabei sind
die Zeitabschnitte 1996/97 einerseits und 1998/99 andererseits zu unterscheiden.
Im Hinblick auf das bis zum 31. Dezember 1997 bestehende gesetzliche Monopol der Beklagten beim Angebot von Sprachtelefondienstleistungen an die Öffentlichkeit war die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt lediglich als Anbieterin von Telefondiensten für Firmennetze ("Corporate Network", im folgenden: CN) und geschlossene Benutzergruppen ("Closed User Groups", im folgenden: CUG) tätig. Bei den CN- und CUG-Diensten erbringt der Anbieter die Sprachtelefondienste innerhalb des Firmennetzes oder der geschlossenen Benutzergruppe über ein eigenes oder gemietetes Telefonnetz; für die Verbindung seines Kunden mit Gesprächspartnern aus dem öffentlichen Telefonnetz ist er auf die Herstellung einer Verbindung mit diesem Netz angewiesen. Die Beklagte stellte der Klägerin die hierzu erbrachten Leistungen nach ihren seinerzeit gültigen Tarifen "AGB-Standard", "Dial & Benefit" (im folgenden: "D&B") und "Dial & Benefit CN" (im folgenden: "D&B CN") in Rechnung. Bei dem Tarif "AGBStandard" handelte es sich um einen nicht rabattierten Endkundentarif. Der Tarif "D&B" war ein Optionstarif, der auf Geschäftskunden ausgerichtet war und in bestimmten Leistungsbereichen Rabatte vorsah; der Tarif "D&B CN" war eine besondere Form dieses Tarifs, der für Betreiber geschlossener Netzwerke konzipiert war. Alle drei Tarife waren vom Bundesminister für Post und Telekommunikation als bis zum 31. Dezember 1997 zuständiger Regulierungsbehörde genehmigt.
Anfang 1996 wandte sich die Klägerin zusammen mit weiteren Unternehmen an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit dem Vorwurf , die Beklagte nutze ihre marktbeherrschende Stellung mißbräuchlich aus, indem sie ihre (Endkunden-)Tarife auch gegenüber mit ihr konkurrierenden CN-
und CUG-Diensteanbietern anwende und dadurch einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt der Sprachtelefondienste für Firmennetze und geschlosse- ne Benutzergruppen verhindere. Die Kommission leitete daraufhin ein Vorermittlungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein, das im Februar 1997 auch auf die Beklagte erstreckt wurde. Im Verlaufe dieses Vorermittlungsverfahrens entwickelte die Beklagte einen Tarif "AfCN" (Anschluß für Corporate-Network-Anbieter, im folgenden: "AfCN" [alt]), der speziell auf den Netzzugang für Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für Firmennetze und geschlossene Benutzergruppen ausgerichtet war.
Das ihr von der Beklagten unterbreitete Angebot zum Abschluß eines Vertrages zu diesem Tarif nahm die Klägerin jedoch nicht an. Sie wandte sich vielmehr erneut an die Kommission und machte geltend, auch die Preise des Tarifs "AfCN" [alt] seien überhöht. Ein daraufhin von der Kommission eingeholtes (Vergleichsmarkt-)Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. kam zu dem Ergebnis, daß die Entgelte des Tarifs "AfCN" [alt] das jeweils (durch einen Aufschlag von 100 % auf den Vergleichsmarktpreis ermittelte) zulässige Maximum um 71 bis 348 % überstiegen. Die Beklagte erklärte sich daraufhin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die Entgelte des Tarifs "AfCN" auf die in dem Gutachten ermittelten Maxima abzusenken. Den entsprechenden Tarif (im folgenden: "AfCN" [neu] bot die Beklagte am 28. November 1997 u.a. der Klägerin zum Vertragsabschluß an, wobei sie zugleich ankündigte, daß sie rückwirkend zum 1. November 1996 die Differenz zwischen den nach dem Tarif "D&B CN" berechneten Entgelten und dem Tarif "AfCN" [neu] erstatten werde.
Nachdem Wettbewerber der Klägerin dieses Angebot angenommen hatten, wurde der Tarif "AfCN" [neu] einschließlich einer Erstattung der Diffe-
renz zwischen den Entgelten der Tarife "D&B CN" und "AfCN" [neu] für die Zeit ab dem 1. November 1996 mit Verfügung vom 16. Oktober 1998 von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post genehmigt. Die Klägerin nahm das Vertragsangebot hingegen nicht an. Gleichwohl erstattete die Beklagte auch ihr für den Zeitraum zwischen dem 1. November 1996 und dem 31. Mai 1998 den Differenzbetrag zwischen den Entgelten der Tarife "D&B CN" und "AfCN" [neu] einschließlich Zinsen und Umsatzsteuer in Höhe von rund 21 Millionen DM.
Mit der Klage begehrt die Klägerin, nach den Tarifen "AGB-Standard" sowie "D&B" abgerechnete Leistungen wie Leistungen nach dem Tarif "D&B CN" zu behandeln, und demgemäß auch die Erstattung des Unterschiedsbetrags zwischen den Entgelten der Tarife "AGB-Standard" sowie "D&B" und dem Tarif "AfCN" [neu]. Den Überzahlungsbetrag beziffert sie für die Zeit zwischen dem 1. November 1996 und dem 31. Dezember 1997 einschließlich Umsatzsteuer auf insgesamt 10.745.624,11 21.016.614,- DM).
In dem zweiten Zeitabschnitt, der dem Schadensersatzbegehren zugrunde liegt und mit dem Wegfall des gesetzlichen Monopols der Beklagten zum 1. Januar 1998 beginnt, bot die Klägerin auch Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit an. Um bei der eröffneten Anbietervielfalt die netzübergreifende Erreichbarkeit der Anschlußinhaber zu gewährleisten, sieht das Telekommunikationsgesetz die Zusammenschaltung öffentlicher Telekommunikationsnetze vor. Technisch bestehen hierfür verschiedene Möglichkeiten. So kann ein (bis zu dreißig parallele Verbindungen umfassender) Primärmultiplexanschluß verwendet werden. Die Netzzusammenschaltung kann aber auch über einen von der Beklagten speziell für Telekommunikationsdienstleister eingerichteten Netzzugang bewerkstelligt werden, der mit einem anderen, als
"ZGS Nr. 7" bezeichneten Zeichengabeprotokoll arbeitet. Der Tarif "AfCN" [neu] setzte einen Netzzugang unter dem Zeichengabeprotokoll "ZGS Nr. 7" voraus. Das gleiche gilt für den von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post genehmigten "IC"-Tarif, den die Beklagte seit dem 1. Januar 1998 für Netzzusammenschaltungen zur Verfügung stellte.
Das Netz der Klägerin ist aufgrund einer Vereinbarung vom 25. November 1997 seit dem 1. Januar 1998 mit dem öffentlichen Netz der Beklagten über Anschlüsse verbunden, die das Zeichengabeprotokoll "ZGS Nr. 7" verwenden; die Leistungen der Beklagten wurden insoweit nach dem "IC"-Tarif abgerechnet. Daneben bestanden Netzzugänge über Primärmultiplexanschlüsse , die von der Beklagten nach den Tarifen "AGB-Standard", "D&B" und "D&B CN" abgerechnet wurden. Die Klägerin begehrt hinsichtlich der nach diesen Tarifen abgerechneten Leistungen die Erstattung der Differenz zu dem "IC"Tarif , die sie für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. März 1999 auf 19.256.837,12 37.663.099,74 DM) beziffert.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 894).
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter; die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 86 EGV (jetzt Art. 82 EG) wegen der an die Beklagte gezahlten, nach Meinung der Klägerin mißbräuchlich überhöhten Entgelte verneint. Dabei hat es dahinstehen lassen, ob mit der Berechnung von (Endkunden-)Entgelten nach den Tarifen "AGB-Standard" und "D&B" zu Lasten der Klägerin eine Preisschere geöffnet und im Ergebnis ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt der Erbringung von Sprachtelefondienstleistungen für geschlossene Benutzergruppen und nach dem 31. Dezember 1997 auch für die Öffentlichkeit verhindert worden sei. Denn der Beklagten sei die Geltendmachung eines möglicherweise überhöhten Entgelts nicht als kartellrechtswidriges Verhalten zuzurechnen. Da sowohl der Tarif "AGB-Standard" als auch der Tarif "D&B" vom Bundesminister für Post und Telekommunikation genehmigt worden seien, sei die Beklagte zur Anwendung dieser Tarife gesetzlich verpflichtet gewesen. Über einen hinreichenden Entscheidungsspielraum habe die Beklagte auch nicht deshalb verfügt, weil es ihre freie Entscheidung gewesen sei, welche Entgelte sie zur Genehmigung vorlegte. Der Entgeltantrag der Beklagten habe lediglich zur Folge, daß das vorgeschriebene Genehmigungsverfahren in Gang komme; auf den Verlauf des Genehmigungsverfahrens, den Umfang der Entgeltüberprüfung und den Inhalt der Genehmigungsentscheidung und damit namentlich auf die Höhe der zukünftig zu berechnenden Entgelte habe die Beklagte keinerlei Einfluß.
Ebensowenig stehe der Klägerin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Die Beklagte habe von der Klägerin nur diejenigen Leistungsentgelte vereinnahmt, die diese nach den jeweils genehmigten Tarifen geschuldet habe; eine rechtsgrundlose Überzahlung liege damit nicht vor.
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, daß die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten nicht in Betracht käme, wenn diese hinsichtlich der Höhe der von der Klägerin verlangten Entgelte über keinen Entscheidungsspielraum verfügt hätte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gelten die Art. 85 und 86 EGV (Art. 81 und 82 EG) nämlich nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die Unternehmen aus eigener Initiative an den Tag legen (EuGH, Slg. 1985, 873, 880, 885 f. - Italien/Kommission; Slg. 1991, I-5941, 5973, 5980 - Régie des télégraphes et des téléphones/GB-Inno-BM; Urt. v. 9.9.2003 - C-198/01, WuW/E EU-R 727, 730, Tz. 66 ff. - CIF/Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato). Wird den Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben oder bilden diese einen rechtlichen Rahmen, der selbst jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten ausschließt, so sind die Art. 81 und 82 EG nicht anwendbar , da die Wettbewerbsbeschränkung in diesem Fall nicht, wie es diese Vorschriften voraussetzen, in selbständigen Verhaltensweisen der Unternehmen ihre Ursache finden (EuGH, Slg. 1997, I-6301, 6312 - Kommission/ Ladbroke).
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keinen solchen Entscheidungsspielraum gehabt, weil sie zur Einforderung der verlangten und genehmigten Entgelte verpflichtet gewesen sei, hält jedoch der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Bedenken gegen diese tragende Erwägung des Berufungsurteils ergeben sich bereits aus dem Umstand, daß damit nur das Verhalten der Beklagten
nach Genehmigung der von ihr verlangten Tarife in den Blick genommen wird. Anders als in denjenigen Fällen, in denen das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens unmittelbar durch nationale Rechtsvorschriften determiniert wird, beruht jedoch die telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung auf dem Genehmigungsantrag des Anbieters. Auch wenn das behördliche Prüfungsverfahren darauf abzielt, keine Entgelte zu genehmigen, die sich als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen (vgl. § 4 Abs. 2 PTRegG, § 24 Abs. 2 TKG), schließt dies die tatsächliche Möglichkeit nicht aus, daß ein Unternehmen einen Tarif vorlegt, mit dem es seine marktbeherrschende Stellung mißbraucht, und hierfür eine Genehmigung erwirkt, weil der Mißbrauch im Prüfungsverfahren nicht aufgedeckt wird. Von diesem für die Anwendbarkeit des Art. 86 EGV (Art. 82 EG) wesentlichen Gesichtspunkt ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit und mit Wirkung für welche Beteiligten gegebenenfalls im Einzelfall aufgrund einer bestandskräftigen Entgeltgenehmigung feststeht, daß ein genehmigtes Entgelt keinen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt. Das ist jedoch keine Frage des Entscheidungsspielraums des Marktbeherrschers, sondern vielmehr der Bindungswirkung einer Entgeltgenehmigung.
Jedoch bedarf weder die Frage des in einem System der Entgeltregulierung verbleibenden Entscheidungsspielraums noch die Frage, inwieweit eine bestandskräftige Genehmigung die Beurteilung eines Schadensersatzanspruchs wegen mißbräuchlich überhöhter Entgelte präjudiziert, abschließender Klärung, da die in Streit stehenden von der Beklagten verlangten Entgelte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von keiner der erteilten Entgeltgenehmigungen erfaßt werden.

a) Das gilt zunächst für die Genehmigung des Tarifs "AfCN" [neu]. In der Verfügung der Regulierungsbehörde vom 16. Oktober 1998 (Anl. K 7) werden lediglich die Entgelte für Verbindungsleistungen "für die vorgelegten AfCNVerträge für den Zeitraum ab der tatsächlichen Inanspruchnahme der "D&BCN" -Leistung bis zu dem Zeitpunkt, an dem jeweils beide Vertragspartner rechtlich (Lizenz und Abschluß eines IC-Vertrages) und technisch in der Lage waren, die einzelnen "D&B-CN"-Anschlüsse auf IC-Anschlüsse zu überführen", genehmigt. Das besagt nichts darüber, welche Entgelte die Beklagte außerhalb von AfCN-Verträgen verlangen konnte, und demgemäß nichts darüber, ob die Beklagte von der Klägerin, soweit diese keine "D&B-CN"-Leistungen in Anspruch genommen hatte, Entgelte nach den Tarifen "AGB-Standard" und "D&B" fordern durfte.

b) Daß der Beklagten entsprechende Entgelte zustanden, folgt auch nicht daraus, daß die Tarife "AGB-Standard" und "D&B" ihrerseits - gemäß § 97 Abs. 3 TKG noch vom Bundesminister für Post und Telekommunikation nach den Vorschriften des Gesetzes über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens - genehmigt waren.
aa) Denn die Tarife "AGB-Standard" und "D&B" sind als Sprachtelefondiensttarife genehmigt worden, die jedem Nutzer der Dienstleistungen der Beklagten offenstanden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Leistungen der Beklagten - nämlich den Aufbau und das Halten einer Telefonverbindung zwischen einem Netz der Klägerin und dem jeweiligen Gesprächsteilnehmer aus dem öffentlichen Telefonnetz - jedoch auch insoweit, als ihnen nicht der Tarif "D&B CN", sondern die Tarife "AGBStandard" und "D&B" zugrunde gelegt worden sind, als Anbieterin von Telekommunikationsdiensten zur Erbringung ihrer CN- und CUG-Dienste in An-
spruch genommen. In einem solchen Fall ist grundsätzlich anzunehmen, daß der Diensteanbieter von der Beklagten nicht Sprachtelefondienstleistungen verlangt, sondern (besonderen) Netzzugang begehrt. Gegenteiliges ist auch im Streitfall nicht festgestellt.
Der Netzzugang unterliegt jedoch nicht den Vorschriften des Gesetzes über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens, sondern ist seit dem Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes am 1. August 1996 (§ 100 Nr. 1 Satz 3 TKG) in den §§ 33 ff. TKG geregelt, dessen Vorschriften demgemäß für den hier in Rede stehenden Zeitraum vom 1. November 1996 bis zum 31. Dezember 1997 bereits anwendbar sind.
bb) Der Qualifikation der in Anspruch genommenen Leistung der Beklagten als Gewährung von (besonderem) Netzzugang steht nicht entgegen, daß der Zugang insoweit nicht unter Verwendung des Zeichengabeprotokolls "ZGS Nr. 7" erfolgt ist.
In Literatur und Rechtsprechung ist allerdings umstritten, ob der besondere Netzzugang im Sinne des § 35 TKG technisch definiert ist oder funktional als Zugang, der die Inanspruchnahme von Leistungen gemäß § 35 Abs. 1 TKG durch Nutzer ermöglicht, die diese Leistungen als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen oder als Betreiber von Telekommunikationsnetzen nachfragen, um Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten (§ 1 Abs. 2 NZV). Letzteres entspricht der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (Fischer/Heun/Sörup in Heun, Hdb. Telekommunikationsrecht, Teil 4 Rdn. 27, 29a; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 93; Immenga, MMR 2000, 141, 143 f.; Piepenbrock in BeckTKG-Komm., 2. Aufl., § 35 Rdn. 16 f.; Schuster in BeckTKG-Komm., 2. Aufl., § 3 Rdn. 12e;
Spoerr, MMR 2000, 674, 679; ders. in Trute/Spoerr/Bosch, TKG mit FTEG, § 35 TKG Rdn. 22; a.A. Glahs in Scheurle/Mayen, TKG, § 35 Rdn. 10; unklar Kleinlein, Festschr. f. Bezzenberger, S. 673 f.; Manssen, Telekommunikationsund Multimediarecht, § 35 TKG Rdn. 9; Mestmäcker/Schweitzer, Netzwettbewerb , Netzzugang und "Roaming" im Mobilfunk, S. 44 f.). Die erst- und zweitinstanzliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nimmt hingegen an, daß der besondere Netzzugang über eine ihrer Art nach andere Schnittstelle erfolgen muß, als sie sämtlichen Nutzern zur Verfügung gestellt wird (VG Köln MMR 2000, 227, 230; MMR 2002, 840, 841; OVG Münster MMR 2000, 779, 781).
Für einen besonderen Netzzugang ist es als ausreichend zu erachten, wenn der konkrete Zugang ausschließlich einem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen oder Betreiber eines Telekommunikationsnetzes zur Verfügung gestellt wird, mögen auch technisch gleichartige Zugänge sämtlichen Nutzern offenstehen. Zwar könnte der Wortlaut des Gesetzes darauf hindeuten, der Gesetzgeber habe angenommen, daß der Netzzugang für den Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen in der Regel auch technisch über einen nicht für sämtliche Nutzer bestimmten Netzzugang erfolge, und habe deshalb in § 35 Abs. 3 TKG die Bereitstellung eines besonderen Netzzugangs davon abhängig gemacht, daß der Nutzer die für den beantragten Netzzugang erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde besitzt. Dem Zweck der Norm entspricht es jedoch, den besonderen Netzzugang - und als seine Unterform die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen - hiervon unabhängig zu definieren. Denn die Regelung des besonderen Netzzugangs in § 35 TKG gründet auf der zentralen Bedeutung des Zugangs zum Telekommunikationsnetz des marktbeherrschenden Netzbetreibers für die Marktzutrittschancen der Wettbewerber (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P., BT-Drs. 13/3609, S. 33 ff.; BVerwGE 114, 160,
176; BVerwG, Urt. v. 25.6.2003 - 6 C 17.02, MMR 2003, 734, 736). Der beson- dere Netzzugang unterliegt demgemäß nach § 35 Abs. 5 TKG besonderen, durch Rechtsverordnung zu erlassenden Vorschriften, die regeln sollen, in welcher Weise der Netzzugang durch Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen zu ermöglichen ist. Hingegen soll die nach § 41 TKG zu erlassende Kundenschutzverordnung zum Schutze der Nutzer, namentlich der Verbraucher , insbesondere Regelungen über nähere Bedingungen für die Bereitstellung und Nutzung allgemeiner Netzzugänge treffen (§ 41 Abs. 3 Nr. 3 TKG). Dieser Zielrichtung des Gesetzes widerspräche es, wenn der marktbeherrschende Betreiber eines Telekommunikationsnetzes die Anwendbarkeit dieser oder jener Vorschriften dadurch bestimmen könnte, daß er eine bestimmte technische Form des Netzzugangs für sämtliche Nutzer zur Verfügung stellt oder nicht.
Nicht überzeugend ist es auch, wenn in der Literatur (s. Rudolf, Das Recht auf Netzzugang in der Telekommunikation, S. 92 f.) versucht wird, eine Abgrenzung nach der technischen Ausgestaltung des Anschlusses gemeinschaftsrechtlich mit dem Hinweis zu rechtfertigen, auch Diensteanbieter zählten zu den Nutzern, denen nach der Sprachtelefondienstrichtlinie - sowohl in ihrer ursprünglichen Fassung (RL 95/62 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1995 zur Einführung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst, ABl. EG Nr. L 321, S. 6) als auch in der Fassung der Richtlinie 98/10 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ABl. EG Nr. L 101, S. 24) - und der Zusammenschaltungsrichtlinie (RL 97/33 EG vom 30. Juni 1997, ABl. EG Nr. L 199, S. 32) der allgemeine Netzzugang offenstehen müsse. Die Erwägung , es widerspräche dem Ziel der ONP-Richtlinien, Wettbewerb zu schaffen,
wenn seine Dienste nicht anbieten könnte, wer aus Kostengründen auf einen besonderen Netzzugang verzichten wolle, trägt die daraus gezogene Schlußfolgerung nicht. Denn es dient gerade der Ermöglichung von Wettbewerb auf dem Gebiet der Telekommunikationsdienstleistungen, wenn die Vorschriften über den besonderen Netzzugang und die daran anknüpfenden Entgeltmaßstäbe , die jedenfalls regelmäßig einen Abstand zwischen den Entgelten für Endkunden und den Entgelten für Vorleistungen an Wettbewerber gebieten werden (Schuster/Stürmer in BeckTKG-Komm., 2. Aufl., § 24 Rdn. 26 ff.; Spoerr in Trute/Spoerr/Bosch aaO § 24 TKG Rdn. 53; einschränkend Geppert/ Ruhle/Schuster, Hdb. Recht und Praxis der Telekommunikation, 2. Aufl., Rdn. 548; Schroeder, WuW 1999, 14, 24), für jeden Diensteanbieter unbeschadet der technischen Ausgestaltung des verwendeten Netzzugangs Anwendung finden.
Der Wertung der Leistungen der Beklagten als Leistungen im Rahmen eines besonderen Netzzugangs steht auch § 35 Abs. 3 TKG nicht entgegen. Ermöglicht das marktbeherrschende Unternehmen dem Zugangspetenten den begehrten Netzzugang, kommt es auf die Prüfung nach § 35 Abs. 3 TKG nicht mehr an. Es kann daher dahinstehen, ob die Vorschrift nicht ohnedies nur Anwendung findet, wenn der besondere Netzzugang dem Zugangspetenten Einwirkungen auf das Netz erlaubt, die der Allgemeinheit der Nutzer nicht möglich sind, also auch in technischer Hinsicht ein "besonderer" Zugang ist.
cc) Soweit ein besonderer Netzzugang nach § 35 TKG zu ermöglichen ist, sind auch Verbindungen über diesen besonderen Netzzugang als Leistungen im Rahmen dieses Netzzugangs zu werten (BVerwG MMR 2003, 734, 739) und gehören die hierfür geschuldeten Gegenleistungen zu den Entgelten für die Gewährung von Netzzugang im Sinne des § 39 TKG. Entgelte nach Sprachte-
lefondiensttarifen dürfen hierfür nicht berechnet werden. Die in anderem Zusammenhang angestellte Erwägung des Berufungsgerichts, es habe dem Bundesminister für Post und Telekommunikation freigestanden, die Tarife "AGBStandard" und "D&B" ausschließlich als Endkundentarife zu genehmigen, was er jedoch nicht getan habe, greift deshalb nicht durch. Die Tarife "AGBStandard" und "D&B" sind nicht als Netzzugangstarife genehmigt worden, für deren Genehmigung der Bundesminister für Post und Telekommunikation gar nicht zuständig war, und daher auf Leistungen der Beklagten im Rahmen der Gewährung eines besonderen Netzzugangs für einen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen von vornherein nicht anwendbar.
dd) Für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1998 gilt das vorstehend Ausgeführte entsprechend. Da die Klägerin seit dem 1. Januar 1998 ein öffentliches Telekommunikationsnetz betrieb, handelt es sich bei dem erörterten besonderen Netzzugang seither um eine Zusammenschaltung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 3 TKG. Im vorliegenden Zusammenhang ergibt sich hieraus kein rechtlich relevanter Unterschied.
Das Berufungsgericht hat allerdings ausgeführt, zwischen den Parteien sei außer Streit, daß die Klägerin am 25. November 1997 mit der Beklagten eine Zusammenschaltungsvereinbarung nach Maßgabe des "IC"-Tarifs abgeschlossen habe und daß Inhalt dieser Vereinbarung (auch) das einvernehmlich festgelegte Erfordernis eines Schnittstellenzugangs "ZGS Nr. 7" sei. Vor diesem Hintergrund sei der jetzige Prozeßvortrag, für die Zusammenschaltung habe es eines solchen Schnittstellenzugangs nicht notwendig bedurft, nicht nachvollziehbar. Erst recht reiche der Sachvortrag der Klägerin nicht aus, um schlüssig eine kartellrechtswidrige Behinderung im Sinne von Art. 82 EG darzulegen. Denn für eine mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung
wäre erforderlich, daß die Beklagte kein hinreichend berechtigtes Interesse daran geltend machen könne, eine Netzzusammenschaltung nur in Verbindung mit der gleichzeitigen Nutzung eines Schnittstellenzugangs "ZGS Nr. 7" anzubieten. Das lasse sich nicht feststellen. Die Beklagte mache in diesem Zusammenhang unwidersprochen geltend, es entspreche ständiger Praxis der Regulierungsbehörde und sei zudem Industriestandard, die Zusammenschaltung von der Nutzung einer Schnittstelle "ZGS Nr. 7" abhängig zu machen. Eine indizielle Bestätigung finde dieser Sachvortrag in der Tatsache, daß sich die Klägerin in der Vereinbarung vom 25. November 1997 auf diese Forderung widerspruchslos eingelassen habe. Bei dieser Sachlage sei es Sache der Klägerin, den erhobenen Vorwurf einer ungerechtfertigten Koppelung von Zusammenschaltung und Schnittstellennutzung darzulegen.
Das trifft jedoch nicht den zutreffenden rechtlichen Ansatz. "Zusammenschaltung" ist nach § 3 Nr. 24 TKG derjenige Netzzugang, der die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, um Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet sind, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte, wie das Berufungsgericht unter Berufung auf eine ständige Praxis der Regulierungsbehörde und einen Industriestandard meint, berechtigt ist, für eine Zusammenschaltung die Nutzung eines Schnittstellenzugangs mit dem Zeichengabeprotokoll "ZGS Nr. 7" zu verlangen, was nach § 35 Abs. 2 TKG zu beurteilen wäre. Denn selbst wenn dem so sein sollte, bedeutet dies nicht, daß umgekehrt eine Zusammenschaltung, für die dieses Zeichengabeprotokoll tatsächlich nicht genutzt wird, deshalb nicht als Zusammenschaltung gälte. Vielmehr ist ein Netzzugang, der im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, im Rechtssinne auch dann eine Zusammenschaltung, wenn eine technisch anders
ausgestaltete Schnittstelle verwendet wird, und unterliegt damit den Vorschriften des Vierten Teils des Telekommunikationsgesetzes und der Entgeltregulie- rung nach § 39 TKG.
3. Daher geht auch die Erwägung des Berufungsgerichts ins Leere, es schließe unter dem Gesichtspunkt eines ganz überwiegenden Mitverschuldens den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch in vollem Umfang aus, daß die Klägerin wegen der geltend gemachten Bedenken gegen die Angemessenheit der angebotenen Tarifentgelte davon abgesehen habe, das Angebot der Beklagten zum Abschluß eines "AfCN"-Vertrages anzunehmen.
Ebensowenig steht es einem Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegen , daß sie nicht - sei es unmittelbar gegenüber der Beklagten, sei es durch irgendeinen Rechtsbehelf - auf Vereinbarung und Genehmigung eines Entgelts für die Inanspruchnahme der nach den Tarifen "AGB-Standard" und "D&B" abgerechneten Netzzugänge hingewirkt hat. Denn dies hätte nur dazu führen können, daß die Klägerin den ein angemessenes Zugangsentgelt übersteigenden Teil der gezahlten Beträge, den sie nunmehr zurückfordert, gar nicht erst hätte zahlen müssen, und kann daher den Klageanspruch nicht ausschließen.
III. Das Berufungsgericht wird hiernach festzustellen haben, welche Entgelte die Beklagte unter Beachtung der hierfür geltenden Maßstäbe der Entgeltregulierung für die Inanspruchnahme des besonderen Netzzugangs bzw. für die Zusammenschaltung hätte fordern dürfen. Dabei wird es sich an den Tarifen "AfCN" [neu] und "IC" orientieren können, jedoch zu berücksichtigen haben, inwieweit die technisch abweichenden Zugangswege die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 39 i.V.m. § 24 Abs. 1 TKG) beeinflußt haben.

IV. Die Klägerin hat erstinstanzlich den geltend gemachten Schadenser- satzanspruch auch darauf gestützt, daß die Beklagte eine Migration der Primärmultiplex - auf IC-Anschlüsse verzögert und dadurch eine frühere Inanspruchnahme des "IC"-Tarifs durch sie - die Klägerin - verhindert habe.
Das Berufungsgericht hat sich mit diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht befaßt, weil die Klägerin hierauf in zweiter Instanz nicht mehr zurückgekommen sei, was die Revision als rechtsfehlerhaft rügt. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls auch mit dieser Begründung für das Schadensersatzbegehren der Klägerin zu befassen.
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 11/01 Verkündet am:
12. November 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge
GWB §§ 1, 4 Abs. 2

a) Beschaffen sich Gemeinden Waren
über eine von einem kommunalen Spitzenverband gegründete Gesellschaft,
die gemeinsame Ausschreibungen durchführt und so die Nachfrage der Gemeinden
bündelt, dann liegt darin ein unter das Kartellverbot nach § 1 GWB
fallendes Verhalten.

b) Auch kleine und mittlere Gemeinden können Einkaufsgemeinschaften im
Sinne des § 4 Abs. 2 GWB bilden.
BGH, Urteil vom 12. November 2002 - KZR 11/01 - OLG Celle
LG Hannover
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. November 2002 durch den
Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter
Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Raum

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats bei dem Oberlandesgericht Celle vom 31. Mai 2001 wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerinnen sind Handelsunternehmen, die in unterschiedlichem Umfang niedersächsische Kommunen mit Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge beliefern. Die 1995 gegründete Beklagte ist eine 100%ige Tochter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes e.V., in dem 80 % der niedersächsischen Kommunen organisiert sind. Die Beklagte wurde errichtet, um den Einkauf der Kommunen zu koordinieren. In den Jahren 1995 und 1996 informierte der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund e.V. seine Mitgliedsgemeinden , daß der Einkauf von Feuerwehrfahrzeugen und dazu gehörigen Ausrüstungsgegenständen über die Beklagte im Wege einer Sammelbestellung erfolgen solle. Er bezog sich dabei auf eine Initiative, die er gemeinsam
mit dem Niedersächsischen Innenministerium ergriffen hatte, um künftig Feuerwehrbedarf durch Sammelbestellungen zu befriedigen. Im November 1996 forderte der kommunale Spitzenverband seine Mitgliedsgemeinden auf, entsprechende Bedarfsmeldungen an die Beklagte zu richten und die Beschaffung von Preßluftatmern und Tragkraftspritzen über diese zu veranlassen. Nachdem im Oktober 1996 bereits eine erste Ausschreibung stattgefunden hatte, schrieb die Beklagte am 16. Juli 1997 insgesamt 27 Tragkraftspritzen und 241 Preßluftatmer europaweit aus. Auf diese Ausschreibung hin gaben unter anderem auch Hersteller dieser Produkte direkt an die Beklagte Angebote ab.
Die Klägerinnen wenden sich gegen diese Ausschreibungspraxis der Beklagten. Sie begehren mit ihrer Klage die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung von Nachfragebündelungen und gemeinsamen Ausschreibungen. Nach ihrer Auffassung begründet die Bündelung von Nachfragemacht ein verbotenes Kartell im Sinne des § 1 GWB; die Freistellungsklausel nach § 4 Abs. 2 GWB sei auf Kommunen nicht anwendbar, weil diese nicht miteinander im Wettbewerb stünden und mithin ihre Wettbewerbssituation auch nicht verbessert werden könne.
Die Klägerinnen hatten vor dem Landgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen (OLG Celle NJW-RR 2002, 476). Mit ihrer Revision erstreben die Klägerinnen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Klägerinnen bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 33 i.V. mit § 1 GWB verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob die durch die Beklagte vorgenommene Zusammenführung der Nachfrage der einzelnen Kommunen überhaupt dem Kartellverbot nach § 1 GWB unterfalle. Ebenso könne offenbleiben, inwieweit diese Nachfragebündelung die Spürbarkeitsschwelle nach § 1 GWB überschreite. Das Verhalten der Beklagten erfülle jedenfalls den Privilegierungstatbestand des § 4 Abs. 2 GWB. Diese Regelung sei auf das Beschaffungsverhalten der öffentlichen Hand anwendbar. Für kleinere und mittlere Gemeinden gelte insofern gleichermaßen der Grundgedanke, strukturelle Nachteile, die auf der geringen Größe der Kommunen beruhten, durch die Bildung von Einkaufskooperationen auszugleichen. Bei der hier gewählten Form der Beschaffung werde für die einzelne Gemeinde auch kein über den Einzelfall hinausgehender Bezugszwang begründet.
Der Ausschlußtatbestand des § 4 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 GWB liege nicht vor, weil der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Bei der Bestimmung des relevanten Marktes sei dabei sowohl auf die Anbieterseite als auch auf die Nachfragerseite abzustellen. Der räumlich relevante Markt erstrecke sich auf das Gebiet der gesamten Bundesrepublik; dies belege auch die Marktstruktur, die durch mehrere überregional tätige Händler geprägt sei. Das Nachfragepotential des gesamten Bedarfs für Freiwillige Feuerwehren in Niedersachsen betrage bei Tragkraftspritzen etwa 13 % und bei
Preßluftatmern etwa 10 %. Selbst wenn es der Beklagten gelänge, 75 % dieses Nachfragepotentials zu bündeln, ergäbe sich damit ein Nachfragepotential der Beklagten, das insgesamt unter 10 % läge. Damit könne aber von einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht ausgegangen werden. Selbst soweit sich gelegentlich größere Kommunen an einer gemeinsamen Beschaffung durch die Beklagte beteiligten, lasse dies den Erlaubnistatbestand nicht entfallen, weil auch dann der Zweck der Beseitigung von Nachteilen für kleine und mittlere Unternehmen gewahrt bleibe.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis vorliegt, weil die Beklagte das Nachfrageverhalten der Kommunen bündelt.

a) Die Beklagte koordiniert das Nachfrageverhalten der sie beauftragenden Kommunen, die im Hinblick auf die Ausrüstungsgegenstände miteinander im Nachfragewettbewerb stehen. Sie übt diese Koordinierungstätigkeit als 100%ige Tochter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes e.V. aus. Dieser Spitzenverband hat die Beklagte gegründet, um durch sie das Nachfrageverhalten der Kommunen zu bündeln. Insoweit hat er die Steuerung des Nachfrageverhaltens der Gemeinden auf die Beklagte verlagert. Die Beklagte nimmt in erheblichem Umfang die Nachfrage für die Gemeinden wahr. Die Funktion der Beklagten besteht darin, den Bedarf hinsichtlich der einzelnen Feuerwehrausrüstungsgegenstände zusammenzuführen und dadurch günstigere Preise und Bedingungen im Einkauf zu erzielen. Die Beklagte bewirkt hierdurch aber zugleich eine Abstimmung der Gemeinden im Nachfrageverhalten.
Da die Gemeinden als Nachfrager jeweils auf derselben Ebene stehen, liegt eine Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis vor. Ein solches Verhalten unterfällt dem Kartellverbot des § 1 GWB (vgl. BGH, Beschl. v. 9.3.1999 - KVR 20/97, WuW/E DE-R 289, 294 - Lottospielgemeinschaft).

b) Die Beklagte tritt dabei nicht als selbständiger Zwischenhändler auf. Sie nimmt nur die Funktion eines Vermittlers der von dem Spitzenverband bezweckten Nachfragekoordination wahr. Die Beklagte trägt kein eigenes Risiko, weil die Gemeinden, die sie hinsichtlich einer jeweils konkreten Beschaffungsmaßnahme beauftragen, dann zur Abnahme der Ware und zur Zahlung eines Fixums in Höhe von 3 % des Einkaufspreises verpflichtet sind. Da die Beklagte ihrer Zweckbestimmung nach für den kommunalen Spitzenverband das Nachfrageverhalten der einzelnen Gemeinden abstimmt, hat das Berufungsgericht zu Recht in den jeweiligen Einzelaufträgen der Kommunen auch keine Vertikalvereinbarungen im Sinne der §§ 14 ff. GWB gesehen. Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt nämlich nicht im Verhältnis der einzelnen Gemeinden zur Beklagten , sondern in den Beziehungen zwischen den Gemeinden, die ihr Wettbewerbsverhältnis als Nachfrager untereinander faktisch dadurch aufheben, daß sie jeweils die Beklagte beauftragen.

c) Zwar haben die Gemeinden selbst als Nachfrager keine entsprechende Absprache oder Abstimmung vorgenommen. Eine Koordination ihres Nachfrageverhaltens kann aber auch über sogenannte "Sternverträge" erfolgen (vgl. Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 1 Rdn. 186). In diesen Fällen wird die Verhaltensabstimmung über die Vielzahl gleichartiger Beauftragungen eines Dritten bewirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.1975 - KVR 2/74, WuW/E 1367, 1369 - Zementverkaufsstelle Niedersachsen). Entscheidend ist insoweit, daß die jeweiligen Gemeinden über die Beklagte eine Nachfragebündelung be-
absichtigt und erreicht haben. Dabei geht die Tätigkeit der Beklagten über die bloße Vermittlung jeweils zugunsten der einzelnen Gemeinde hinaus. Sie liegt in der Zusammenführung mehrerer gleichgerichteter Beschaffungsvorhaben verschiedener Gemeinden, um so in einer Hand ein größeres Marktnachfragepotential zu erreichen. Insoweit vermittelt die Beklagte die Abstimmung der sich an dem Beschaffungsvorgang beteiligenden Gemeinden, die dann ihrerseits - jedenfalls hinsichtlich des konkreten Nachfragevorgangs - als eigene Nachfrager am Markt ausscheiden. Unter dem Gesichtspunkt des § 1 GWB ist es dabei unschädlich, daß die Verhaltensabstimmung über einen Dritten bewirkt wird (Zimmer in Immenga/Mestmäcker aaO § 1 Rdn. 111). Die Beauftragung der Beklagten dient nämlich dazu, die (für sich betrachtet) jeweils geringere Nachfragemacht der Gemeinden zu bündeln und hierdurch niedrigere Preise und günstigere Einkaufskonditionen für die beteiligten Gemeinden zu erzielen.

d) Die Gemeinden stehen als Nachfrager untereinander im Wettbewerb. Als Träger hoheitlicher Gewalt unterfallen sie nach dem funktionellen Unternehmensbegriff dann dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wenn sie sich wirtschaftlich betätigen (§ 130 Abs. 1 GWB). Die wirtschaftliche Betätigung liegt hier in der Nachfrage der Gemeinden, die sich auf dem Markt mit Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge eindecken. Dabei spielt es weder eine Rolle, ob sich die Nachfrage auf Gegenstände richtet, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit stehen, noch ob die Gemeinde im Hinblick auf den nachgefragten Gegenstand Endverbraucher ist. Greift ein Hoheitsträger im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Aufgaben zu den von der Privatrechtsordnung bereitgestellten Mitteln, unterliegt er in diesem Bereich den gleichen Beschränkungen wie jeder andere Teilnehmer und hat dabei insbesondere die durch das Wettbewerbsrecht gezogenen Grenzen
einer solchen Tätigkeit zu beachten (BGHZ 107, 40, 43 ff. - Krankentransportbestellung ; BGH WuW/E DE-R 289, 293 - Lottospielgemeinschaft).

e) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch unberücksichtigt gelassen, daß eine entsprechende Nachfragebündelung geeignet ist, dem Sparsamkeitsgebot in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Dieser Grundsatz, der den Trägern hoheitlicher Gewalt die Pflicht zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung überbürdet (§ 6 Abs. 1 HGrG; § 82 Abs. 2 NGO), vermag das Kartellverbot nach § 1 GWB nicht einzuschränken oder zu modifizieren. Insoweit findet eine Rechtsgüterabwägung nicht statt (vgl. Bunte, WuW 1998, 1037, 1042 f.; derselbe in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 1 GWB Rdn. 214). Eine Berücksichtigung des Sparsamkeitsgebotes liefe im Ergebnis darauf hinaus, daß die sich am Wettbewerb beteiligenden Träger hoheitlicher Gewalt letztlich zu Lasten anderer Marktteilnehmer Vorteile erlangen könnten (vgl. zu einer ähnlichen Problemlage bei der Berücksichtigung sportpolitischer Ziele BGHZ 137, 297, 311 f. - Europapokalheimspiele ). Die jeweilige Kommune hat vielmehr ihre Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit innerhalb der allgemein geltenden kartellund wettbewerbsrechtlichen Regelungen zu erfüllen (vgl. zu dem ebenfalls als Rechtfertigung eines Kartells angeführten Abwehreinwand BGH, Beschl. v. 13.1.1998 - KVR 40/96, WuW/E DE-R 115, 121 - Carpartner). In diesem Sinne ist das Sparsamkeitsgebot dem Kartellverbot nachgelagert.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des Freistellungstatbestandes nach § 4 Abs. 2 GWB bejaht.

a) Die Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 GWB ist auf Gemeinden und die von ihnen gebildeten Einkaufskartelle anwendbar. Zwar wird dies aus dem
Wortlaut der Bestimmung nicht ohne weiteres deutlich, weil nach der gesetzli- chen Überschrift "Mittelstandskartelle" geregelt werden sollen und es um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen geht. Aus dem Regelungszusammenhang sowie dem Normzweck der Vorschrift erschließt sich jedoch ihre Anwendbarkeit auch auf kommunale Einkaufskartelle. Wenn Gemeinden im Blick auf ihre wirtschaftliche Betätigung als Unternehmen im Sinne des § 1 GWB anzusehen sind, kommt auf der Privilegierungsebene des § 4 Abs. 2 GWB keine andere Auslegung des Unternehmensbegriffes in Betracht. Entgegen der Auffassung der Revision besteht hinsichtlich der Beschaffung von Gütern zwischen den Kommunen - wie oben ausgeführt - ein Wettbewerbsverhältnis. Insoweit wird die Nachfragetätigkeit der Kommunen auch vom Normzweck des § 4 Abs. 2 GWB umfaßt (vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 153 f.). Maßgebliches Ziel des Gesetzgebers war es, strukturelle Nachteile zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber Großunternehmen auszugleichen, die schon allein aufgrund ihrer Größe am Markt privilegiert sind. Dieses strukturelle Defizit, das sich darin ausdrückt, daß günstige Beschaffungskonditionen schwieriger zu erzielen sind, besteht aber im Verhältnis von kleinen zu großen Gemeinden in gleicher Weise wie im Verhältnis von kleinen zu großen Wirtschaftsbetrieben (vgl. Bunte, WuW 1998, 1037, 1046). Eine Differenzierung zwischen privatrechtlich und öffentlich-rechtlich strukturierten Unternehmen verbietet sich deshalb unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten.

b) Die über die Beklagte bewirkte Bündelung der Nachfrage dient dazu, die Wettbewerbsfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit Abs. 2 GWB zu verbessern. Insoweit ist nach dem Schutzzweck dieser Vorschrift allein auf den Nachfragemarkt abzustellen, weil sie strukturelle Defizite in der Nachfragemacht , die sich allein aufgrund der geringeren Größe ergeben, ausgleichen soll
(vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 153 f.). Durch eine Nachfragebündelung werden auf seiten der Kommunen bessere Einkaufsbedingungen erreicht. Damit ist diese Voraussetzung erfüllt.
Dabei ist unerheblich, ob die Dienstleistungen der Beklagten bei der Beschaffung auch großen Kommunen offenstehen. Maßgeblich ist nämlich nicht der Ausschluß großer Unternehmen bzw. Kommunen, sondern daß die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Kommunen hierdurch verbessert wird. Dies läßt sich "erst recht" erreichen, wenn sich große Kommunen beteiligen, weil von deren Nachfragepotential die kleinen und mittleren Gemeinden regelmäßig profitieren werden (Bunte, WuW 1998, 1037, 1046). Eine andere - und hiervon zu trennende - Frage ist, ob durch die Beteiligung von großen Kommunen ebenso wie von Großunternehmen die Nachfragemacht in einem Maße verstärkt wird, daß hierdurch der Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt wird. Diese (negative) Voraussetzung ist jedoch im Rahmen des Ausschlußtatbestandes des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB zu prüfen, der auch für Einkaufskooperationen nach § 4 Abs. 2 GWB gilt (vgl. Immenga in Immenga/Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 71 f.).

c) Entgegen der Auffassung der Revision besteht auch kein über den Einzelfall hinausgehender Bezugszwang für die Gemeinden. Die Gemeinden verpflichten sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar gegenüber der Beklagten, das ausgeschriebene und für die jeweilige Kommune erworbene Gerät abzunehmen, wenn sie dort ihren Bedarf zum Zwecke der Ausschreibung anmelden. Sie sind jedoch generell frei, sich überhaupt an den über die Beklagte veranlaßten Ausschreibungen zu beteiligen. Insoweit können die jeweiligen Gemeinden von Fall zu Fall entscheiden, ob sie die Beklagte mit der Beschaffung beauftragen. Allein der Umstand, daß sich Gemeinden aus dem
Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit möglicherweise gedrängt sehen könnten, die Beklagte praktisch immer einzuschalten, begründet ebensowenig einen allgemeinen Beschaffungszwang über die Beklagte wie der Umstand, daß Alleingesellschafter der Beklagten ein kommunaler Spitzenverband ist. Die bloße Möglichkeit zu einem häufig günstigeren Einkauf ist der Zweck sämtlicher Einkaufskooperationen und in diesem Institut regelmäßig angelegt. Diese wirtschaftliche Sogwirkung ist systemimmanent und wird vom Gesetz hingenommen. Einen generellen Bezugszwang begründet dieser regelmäßig für eine Nachfragebündelung sprechende wirtschaftliche Vorteil nicht (vgl. die Begründung des RegE zur 5. GWB-Novelle - § 5c GWB a.F. - BT-Drs. 11/4610, S. 15). Der Umstand, daß die Kommunen gesetzlich zu sparsamer Wirtschaftsführung angehalten sind, ändert hieran nichts. Das Sparsamkeitsgebot verpflichtet sie nicht unmittelbar zum Bezug über die Beklagte. Es kann allenfalls mittelbar die einzelne Gemeinde veranlassen, über die Beklagte zu beziehen. Dies reicht aber für die Annahme eines allgemeinen Bezugszwanges nicht aus. Zudem bleiben Sachverhaltskonstellationen denkbar, in denen der Bezug über einen lokalen Händler (etwa verbunden mit einem Service- und Wartungspaket) die wirtschaftlich insgesamt günstigste Lösung darstellen kann. Darüber hinausgehende tatsächliche oder rechtliche Druckmittel, welche die einzelnen Gemeinden zu einer Beschaffung über die Beklagte nötigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

d) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 4 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 GWB ausgeschlossen.
aa) Mit der Einfügung dieser einschränkenden Voraussetzung wollte der Gesetzgeber die Erlangung einer allzu großen Marktstärke der Einkaufsge-
meinschaften verhindern (vgl. Begründung aaO S. 16). Erreicht die Einkaufskooperation ihrerseits als Nachfrager auf dem Beschaffungsmarkt eine erhebliche Stärke, ist dies für die dort herrschenden Wettbewerbsbedingungen im Ergebnis schädlich (so ausdrücklich nochmals die Begründung des RegE zur 6. GWB-Novelle BR-Drs. 852/97, S. 34). Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB bedeutet daher nicht, daß - wie die Revision meint - die Marktverhältnisse so fortbestehen müßten, wie sie sich bislang ohne die Einkaufskooperation entwickelt hatten. Es kommt weder auf die Erhaltung der bisherigen Strukturen noch darauf an, ob die Bildung einer solchen Einkaufskooperation das Beschaffungsverhalten von deren Mitgliedern wesentlich verändert. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Einkaufskooperation selbst eine zu hohe Nachfragemacht erreicht. Die Grenze der Zulässigkeit liegt dabei unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung (vgl. Begründung, BT-Drs. 11/4610, S. 16). Sie ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtabwägung von quantitativen und qualitativen Kriterien zu bestimmen. Qualitativ spielen dabei Art und Intensität der Wettbewerbsbeschränkung eine entscheidende Rolle (vgl. Immenga in Immenga /Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 60). Quantitativ bildet der auf die Kooperative entfallende Umsatzanteil im Vergleich zu dem am Markt insgesamt bestehenden Nachfragevolumen das insoweit maßgebende Entscheidungskriterium.
bb) Zur Prüfung einer Wettbewerbsbeeinträchtigung ist deshalb zunächst die Bestimmung des relevanten Marktes erforderlich. Für die Abgrenzung des relevanten Marktes kommt es auf die Sicht der Marktgegenseite (hier: der Anbieter der Feuerwehrartikel) an (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1990 - KZR 25/89, WuW/E 2683, 2685 - Zuckerrübenanlieferungsrecht; Urt. v. 23.2.1988 - KZR 17/86, WuW/E 2483, 2487 f. - Sonderungsverfahren). Maßgeblich ist also , wie sich die Nachfragebündelung auf diese auswirkt und über welche Aus-
weichmöglichkeiten die Anbieter bzw. Lieferanten verfügen. Dies ergibt sich schon aus dem Schutzzweck der Vorschrift, lediglich Größennachteile kleinerer Unternehmen auszugleichen, ohne dadurch den Wettbewerb insgesamt zu beeinträchtigen. Diese potentiell negativen Auswirkungen, die hierdurch begrenzt werden sollen, können sich nur auf die Marktgegenseite beziehen, weil nur diese durch eine Kartellierung der Nachfrage beeinträchtigt sein kann (vgl. Immenga in Immenga/Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 131 ff.).
Im vorliegenden Fall hat allerdings das Berufungsgericht eine Marktabgrenzung sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite vorgenommen. Dies wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus, weil das Berufungsgericht die Prüfung kumulativ durchgeführt und weder im Blick auf die Nachfragenoch auf die Angebotsseite eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs festgestellt hat.
cc) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf der Seite der Anbieter verneint hat, lassen jedenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Markt für Ausrüstungsgegenstände von Feuerwehrfahrzeugen als eigenständigen und nicht regional begrenzten Markt angesehen. Dies hat es zu Recht daraus gefolgert, daß Anbieter bundesweit tätig sind und die Versorgung von Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge in Niedersachsen zu etwa 50 % durch ein in Süddeutschland ansässiges Unternehmen erfolgt. Weiterhin sind noch zwei größere Unternehmen bundesweit tätig; im übrigen verkauft auch die Klägerin zu 6 überregional vorwiegend in den süddeutschen Raum. Weder regionale Eigentümlichkeiten noch höhere Transportkosten legen eine räumliche Einschränkung nahe. Gerade die Existenz überregional tätiger
Händler zeigt, daß die Marktgegebenheiten eine entsprechende räumliche Begrenzung nicht erfordern.
Soweit die Revision auf die vor allem im niedersächsischen Raum regional tätigen kleineren Händler abhebt, vermag sie nicht zu belegen, daß deren begrenztes Einzugsgebiet mit den Besonderheiten des Marktes in Zusammenhang steht. Die Existenz etlicher kleiner Händler zwingt nicht dazu, die Marktabgrenzung ausschließlich an deren jetzigen, auf die Erhaltung des status quo gerichteten Bedürfnissen vorzunehmen. Vielmehr ist auch hier zu prüfen, ob diese Händler räumlich weiter entfernte Nachfragekreise bedienen können und ihnen das auch wirtschaftlich zumutbar ist. Eine Ausweitung des räumlichen Bezirks, innerhalb dessen Absatzbemühungen stattfinden, wird auch kleineren Händlern ohne größeren Aufwand möglich sein, zumal das Feuerlöschzubehör häufig im Wege von allgemeinen Ausschreibungen nachgefragt wird. Deshalb wird sich die Notwendigkeit einer Kundenpflege, die über große Distanzen durch kleinere Händler ohne Zweigstellen nur schwierig zu bewerkstelligen wäre , hier in geringerem Umfang ergeben. Eine räumliche Ausdehnung der Angebotspraxis läßt sich ohne erhebliche betriebliche Umstrukturierung erreichen.
Der Einwand der Revision, die Gewohnheiten der Nachfrager seien durch starke traditionelle Bindungen bestimmt und erschwerten so wesentlich das Ausweichen auf andere Nachfrager, überzeugt nicht. Die übrigens nicht nur in Niedersachsen, sondern im gesamten Bundesgebiet im Vordringen befindliche Tendenz zur Bündelung der Nachfrage und die damit verbundene wesentliche Erweiterung von europaweiten Ausschreibungen bedingen insgesamt eine Objektivierung des Wettbewerbs. Durch die Notwendigkeit, das wirtschaftlich günstigste Angebot abgeben zu müssen, werden sich - bislang ohne Ausschreibung bestehende - traditionelle Absatzbeziehungen einem Preiswettbe-
werb stellen müssen. Eine insgesamt durch eine zunehmende Anzahl von Ausschreibungen geprägte Entwicklung des bundesweiten Markts für Ausrüstungsgegenstände von Feuerlöschfahrzeugen mag zwar für kleinere Händler die Absatzchancen im Hinblick auf ihre angestammten kommunalen Abnehmer beeinträchtigen. Eine solche Entwicklung erhöht jedoch auch die Möglichkeit kleinerer Händler, neue Abnehmer zu gewinnen. Sie eröffnet ihnen gleichzeitig die Chance, bei den regelmäßig umfangreichen Ausschreibungen im Falle eines Zuschlages dann höhere Umsätze zu erzielen.
Der Schutzzweck des Kartellgesetzes gebietet es nicht, solchen häufig ohne Ausschreibung begründeten Lieferverhältnissen quasi Bestandsschutz zuzugestehen. Dies wäre aber die Folge einer - von der Revision erstrebten - sich auf traditionelle Bindungen stützenden Marktabgrenzung. Eine solche Abgrenzung entspricht nicht den gegebenen Marktstrukturen. Vielmehr ist es den kleineren Händlern jedenfalls möglich und zumutbar, ihre Vertriebskonzepte den dann veränderten Marktverhältnissen anzupassen und ihre Absatzaktivitäten auch auf potentielle Abnehmer auszudehnen, die in größerer räumlicher Entfernung angesiedelt sind.
dd) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Marktabgrenzung in sachlicher Hinsicht ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Die hier von der Revision angestrebte Einbeziehung von Beratungs-, Service- und Reparaturleistungen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß abgelehnt. Danach sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die eine zwingende Verbindung zwischen diesen Serviceleistungen einerseits und dem Verkauf der Ausrüstungsgegenstände andererseits herstellen könnten. Nach den getroffenen Feststellungen sind diese Produkte weder so beschaffen, daß die Wartungsarbeiten nur von speziell geschultem Personal hochspezialisierter Betriebe auszuführen wären noch daß
wegen der Art der Aufgabe eine besondere Form der Ersatzteilvorratshaltung erforderlich wäre, die nur durch in der Nähe ansässige lokale Unternehmen erbracht werden könnte. Wenn die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß bei einer solchen Beschränkung des Marktes für die kleineren Händler nur noch Kleinteile übrig blieben und das Wegbrechen des Handels mit Ausrüstungsgegenständen zu einer Existenzbedrohung dieser Händler führen würde, dann zeigt dieser Gesichtspunkt nicht ohne weiteres eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf. Maßgeblich ist nämlich auch insoweit die Möglichkeit des Ausweichens auf andere Nachfrager und auch die räumliche Ausdehnung der Verkaufsanstrengungen, um möglicherweise neue Kunden zu erreichen. Hierzu hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der betreffende Markt es ohne weiteres erlaubt, den Vertriebskreis auszuweiten und so Umsatzeinbrüche im lokalen Geschäft zu kompensieren. Wenn die kleineren Händler dies bislang unterlassen haben, dann beruht die lokale Beschränkung ihrer Betätigung auf ihrer eigenen unternehmerischen Entscheidung. Solche unternehmensstrategischen Gesichtspunkte , die sich nicht notwendig aus den Bedingungen des Marktes ergeben, sind aber für die Bestimmung des relevanten Marktes ohne Belang (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.1993 - KZR 1/92, WuW/E 2855, 2857 - Flaschenkästen).
ee) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm zutreffend vorgenommenen Marktabgrenzung das Merkmal der "nicht wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs" ohne Rechtsfehler bejaht. Es hat die auf die gebündelte Nachfrage entfallenden Umsatzanteile rechtsfehlerfrei bestimmt. Bezogen auf den gesamten Bedarf in Deutschland hat es zunächst die auf Niedersachsen entfallende Quote für die von den Kommunen getragenen Freiwilligen Feuerwehren errechnet und dabei einen Umsatzanteil von 13,06 % bezüglich des Artikels "Tragkraftspritze" und von 10,3 % bezüglich des Artikels
"Preßluftatmer" festgestellt. Soweit der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch andere Ausrüstungsgegenstände für Feuerwehren erfassen soll, lassen sich auch insoweit keine höheren Quoten feststellen.
Das Berufungsgericht ist weiterhin lebensnah davon ausgegangen, daß höchstens 75 % des gesamten Beschaffungsbedarfs der Kommunen über die Beklagte geleitet wird. Schon bei Zugrundelegung dieser Zahlen ergibt sich, daß die betroffenen Umsatzanteile unter 10 % liegen. Zusätzlich muß aber noch der Bedarf berücksichtigt werden, der bei betrieblichen Feuerwehren, Berufsfeuerwehren , Flughafenfeuerwehren und sonstigen privaten Feuerwehren entsteht. Die Hinzurechnung dieses auf dieselben Waren gerichteten Nachfragepotentials würde nochmals zu einer niedrigeren Quote führen. Jedenfalls auf diesen Märkten ist damit die Grenze der "nicht wesentlichen Beeinträchtigung" nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erreicht. Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten.
In Anbetracht dieser Zahlenverhältnisse kann - entgegen der Auffassung der Revision - dahinstehen, ob die Nachfragebündelung im Ergebnis dazu führt, daß die Hersteller sich unmittelbar an den Ausschreibungen beteiligen. Selbst wenn auf diese Weise in dem festgestellten Umfang die Handelsebene insgesamt ausgeschaltet würde, wäre aufgrund der Größenordnungen des Nachfragepotentials dieser Umstand nicht geeignet, eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung zu begründen.
3. Eine Verletzung von § 1 UWG ist gleichfalls nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen, daß die Klägerinnen zu den spezifisch wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen in den Tatsacheninstanzen bislang nicht vorgetragen haben,
scheidet ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 1 UWG deshalb aus, weil die Vorgehensweise der Beklagten jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne dieser Bestimmung ist. Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch kein Verstoß gegen die landesrechtliche Vorschrift des § 108 NGO vor, die gegenüber den Gemeinden die Befugnis zur Errichtung eigener wirtschaftlicher Unternehmen begrenzt. Damit soll aber nur eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der Gemeinden unterbunden werden. Die bloße Beschaffungstätigkeit der Gemeinden - auch wenn sie über eine ausgegliederte Person des Privatrechts erfolgt - erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Im übrigen führt allein der Verstoß gegen eine entsprechende öffentlich-rechtliche Vorschrift nicht zu einem Anspruch anderer Marktteilnehmer nach § 1 UWG (vgl. BGHZ 150, 343 ff. - Elektroarbeiten

).


Hirsch Goette Ball
Bornkamm Raum

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Dies gilt auch für Bewerber, denen keine Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt wurde, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist.

(2) Ein Vertrag darf erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information nach Absatz 1 geschlossen werden. Wird die Information auf elektronischem Weg oder per Fax versendet, verkürzt sich die Frist auf zehn Kalendertage. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber; auf den Tag des Zugangs beim betroffenen Bieter und Bewerber kommt es nicht an.

(3) Die Informationspflicht entfällt in Fällen, in denen das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen besonderer Dringlichkeit gerechtfertigt ist. Im Fall verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer Aufträge können öffentliche Auftraggeber beschließen, bestimmte Informationen über die Zuschlagserteilung oder den Abschluss einer Rahmenvereinbarung nicht mitzuteilen, soweit die Offenlegung den Gesetzesvollzug behindert, dem öffentlichen Interesse, insbesondere Verteidigungs- oder Sicherheitsinteressen, zuwiderläuft, berechtigte geschäftliche Interessen von Unternehmen schädigt oder den lauteren Wettbewerb zwischen ihnen beeinträchtigen könnte.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 40/08
vom
18. September 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Rechtsmittelgericht ist nach § 17a Abs. 5 GVG auch dann an die durch die
Entscheidung in der Hauptsache in dem angefochtenen Urteil stillschweigend
bejahte Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gebunden, wenn das erstinstanzliche
Gericht mangels Rüge einer Partei von einer Vorabentscheidung
über die Zulässigkeit des Rechtswegs durch Beschluss nach § 17a Abs. 3 GVG
absehen durfte.
BGH, Beschl. v. 18. September 2008 - V ZB 40/08 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. September 2008 durch
die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Februar 2008 aufgehoben. Die weitergehende Beschwerde und der Verweisungsantrag der Beklagten werden zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 204.400 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W. und P. gesellschaft mbH (im Folgenden: Schuldnerin).
2
Die Schuldnerin, die als Bauträgerin tätig war, erwarb auf Grund notariellen Kaufvertrages vom 5. Februar 1992 von der Rechtsvorgängerin der beklagten Gemeinde (fortan: Beklagte) ein rund 7,6 ha großes Grundstück zur Errichtung eines Wohngebietes mit 870 Wohnungen, 8 Ladeneinheiten, einer Sporthalle und einer Kindertagesstätte gemäß einem von ihr erstellten Vorhabenund Erschließungsplan.
3
Vor dem Hintergrund der Absprachen in einem städtebaulichen Vertrag schloss die Schuldnerin mit der Beklagten am 7. Juli 1994 in notarieller Form einen als "Schenkungs- und Übereignungsvertrag" bezeichneten Vertrag, in dem sie sich verpflichtete, zwei noch zu vermessende Teilflächen, die für die Verkehrsflächen bzw. für den Bau einer Sporthalle sowie einer Kindertagesstätte vorgesehen waren, an die Beklagte zu übereignen und beide Gebäude auf eigene Kosten zu errichten, während die Beklagte auf einen Ausgleich weiterer Folgekosten aus dem Vorhaben- und Erschließungsplan verzichtete.
4
Die Sporthalle und die Kindestagesstätte wurden gebaut und der Beklagten übergeben, auf Grund von früheren Teilungserklärungen der Schuldnerin jedoch als in deren Eigentum stehende Teileigentumseinheiten in das Grundbuch eingetragen. Nach einer Vermessung erklärten die Schuldnerin und die Beklagte in einer notariellen Urkunde vom 31. August 1998 die Auflassung der neu gebildeten Flurstücke. Zu einer Umschreibung des Eigentums auf die Beklagte kam es nicht.
5
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Räumung der Gebäude und die Zahlung von Nutzungsentgelt für die Zeit seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 9. Juli 2002. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, ohne auf die Zulässigkeit des Rechtswegs einzugehen, die in erster Instanz von keiner der Parteien angesprochen und von der Beklagten auch nicht gerügt worden war. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts beantragt, den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen. Das Oberlandesgericht hat daraufhin durch den angefochtenen Beschluss den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Verweisungsantrag weiter.

II.

6
Das Berufungsgericht meint, zwar habe das Rechtsmittelgericht nach Entscheidung der Hauptsache durch das erstinstanzliche Gericht gemäß § 17a Abs. 5 GVG grundsätzlich nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig sei. Dies gelte aber nicht, wenn die Parteien und das Gericht der ersten Instanz die Rechtswegfrage nicht gesehen hätten. In solch einem Falle habe das Rechtsmittelgericht im Verfahren nach § 17a Abs. 2 bis 4 GVG die erforderliche Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges nachzuholen.

III.

7
Die auf Grund Zulassung durch das Berufungsgericht nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

A.

8
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten allerdings rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtsweges hätte nicht ergehen dürfen.
9
1. Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden hat, darf nach § 17a Abs. 5 GVG nicht prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die Bindung des Rechtsmittelgerichts an die von dem erstinstanzlichen Gericht bejahte Zulässigkeit des Rechtsweges ist das Kernstück der Neuregelung der Rechtswegvorschriften durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I 2809). Damit soll vermieden werden, dass – wie nach früherer Rechtslage möglich – in einem (manchmal bereits jahrelang anhängigen ) Rechtsstreit erst in der Berufungs- oder Revisionsinstanz die Unzu- lässigkeit des Rechtsweges festgestellt und daraufhin der Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht des für zulässig erachteten Rechtsweges verwiesen wird, bei dem die Sache im Ganzen neu zu verhandeln ist (BT-Drs. 11/7030, S. 36). Die Rechtswegfrage ist nach § 17a GVG vor der Verhandlung zur Sache in der ersten Instanz abschließend zu klären. Das weitere Verfahren darf nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtsweges belastet werden. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist nur dann in den Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren von dem Rechtsmittelgericht zu entscheiden, wenn – auf Rüge des Beklagten – ein rechtsmittelfähiger Beschluss nach § 17a Abs. 3 GVG ergangen ist; in einem Berufungsoder Revisionsverfahren gegen ein in der Hauptsache ergangenes Urteil ist die Rechtswegfrage dagegen einer Prüfung durch das Rechtsmittelgericht entzogen (BT-Drs. 11/7030, S. 36).
10
Hat das erstinstanzliche Gericht, die Zulässigkeit des Rechtsweges ausdrücklich oder unausgesprochen bejaht, muss das mit der Hauptsache befasste Rechtsmittelgericht dies daher hinnehmen (std. Rspr.: BGHZ 114, 1, 3; 127, 297, 300; BAGE 92, 1, 3; BFHE 184, 266, 272; BSG, SozR 4-2500, § 132a SGB V, Nr. 2 Tz 35; BVerwG NVwZ-RR 1995, 301, 392).
11
2. Das Berufungsgericht geht zwar von einer grundsätzlichen Bindung des Rechtsmittelgerichts an die von dem erstinstanzlichen Gericht bejahte Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 17a Abs. 5 GVG aus, meint aber, dass es an der Grundlage für eine Bindung, nämlich einer erstinstanzlichen Entscheidung über die Rechtswegfrage, fehle, wenn weder das erstinstanzliche Gericht noch die Parteien im ersten Rechtszug die damit zusammenhängenden Fragen gesehen und erörtert hätten (ebenso: OLG Rostock NJW 2006, 2563; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 17a GVG Rdn. 20). Dies geht fehl.
12
a) Dem Berufungsgericht ist nur in dem Ausgangspunkt zu folgen, dass die Beschränkung der Prüfungsbefugnis in § 17a Abs. 5 GVG nicht ausnahmslos gilt. Nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ist über die Zulässigkeit des Rechtsweges vorab durch einen mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschluss zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt. Ist das unterblieben, muss die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges im Rechtsmittelverfahren nachgeholt werden. Andernfalls wäre der Partei, welche die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt hat, das von dem Gesetzgeber vorgesehene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde deshalb abgeschnitten, weil das Gericht verfahrensfehlerhaft erst mit der Entscheidung über die Hauptsache ausdrücklich oder konkludent auch über die Zulässigkeit des Rechtsweges entschieden hat (std. Rspr.: BGHZ 119, 246, 250; 121, 367, 371; Senat: BGHZ 130, 159, 163; Urt. v. 19. November 1993, V ZR 269/92, NJW 1994, 387).
13
So verhält es sich hier jedoch nicht. Da die Zulässigkeit des Rechtsweges in erster Instanz von keiner Partei gerügt worden ist, musste das Landgericht nicht nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vor der Entscheidung über die Klage über die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden.
14
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt das auch in den Fällen, in denen die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zweifelhaft ist. Die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 GVG entfällt dadurch nicht.
15
aa) § 17a GVG zwingt das erstinstanzliche Gericht nämlich nicht dazu, über die Zulässigkeit des Rechtsweges vorab durch besonderen Beschluss zu entscheiden, wenn es hiervon ausgeht und keine der Parteien eine Rüge erhebt. Das Gericht der ersten Instanz ist zwar nach § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG befugt, so zu verfahren, um damit für den weiteren Rechtsstreit eine Klärung der Rechtswegfrage nach § 17a Abs. 1 GVG herbeizuführen. Ein solches Vorgehen wird vor Allem dann in Betracht kommen, wenn das Gericht Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtsweges hat und die Herbeiführung der Entscheidungsreife der Hauptsache einen erheblichen Verfahrensaufwand erfordert. Ob das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt jedoch allein in seinem Ermessen, dessen Ausübung im Rechtsmittelverfahren nicht zu prüfen ist (Senat, BGHZ 120, 204, 206; BGH, Beschl. v. 29. Juli 2004, III ZB 2/04, NJWRR 2005, 142, 143).
16
Nach der Regelung in § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG kann zwar jede Partei eine beschwerdefähige Entscheidung des Gerichts der ersten Instanz erreichen , indem sie die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt. Macht sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch, steht dies der Anwendbarkeit von § 17a Abs. 5 GVG in der Rechtsmittelinstanz nicht entgegen (vgl. Brückner, NJW 2006, 13, 14; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers, VwGO [Stand: 2007], § 17a GVG Rdn. 28).
17
bb) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges zulässigerweise von einer Vorabentscheidung abgesehen, so ist das Rechtsmittelgericht auch dann nach § 17a Abs. 5 GVG gebunden, wenn die Zulässigkeit des Rechtsweges in dem erstinstanzlichen Urteil nicht ausdrücklich, sondern stillschweigend – durch die Sachentscheidung – bejaht wird.
18
Mit der Entscheidung über die Hauptsache ist nämlich auch über den Rechtsweg entschieden worden. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist eine von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Das erstinstanzliche Gericht darf ein Urteil über den mit der Klage verfolgten Anspruch nicht fällen, wenn es den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für nicht gegeben erachtet.
19
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist auch in "schwierigen Fällen" davon auszugehen, dass das Gericht die Zulässigkeit des Rechtswegs geprüft und bejaht hat, selbst wenn es in seinem Urteil nicht ausdrücklich auf die Rechtswegfrage eingegangen ist. Das erhöht zwar die Gefahr einer Fehlentscheidung, erweitert aber nicht die durch § 17a Abs. 5 GVG beschränkte Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm auch den Bestand von Urteilen, die auf einer rechtsfehlerhaften Bejahung der Zulässigkeitsfrage durch das erstinstanzliche Gericht beruhen, im Interesse der Vorverlagerung des Rechtswegestreits in die erste Instanz hingenommen (Senat, Urt. v. 19. März 1993, V ZR 247/91, WM 1993, 998, 1000). Ob das erstinstanzliche Gericht bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Rechtsfragen übersehen oder diese rechtsfehlerhaft beantwortet hat, ist unerheblich.

B.

20
Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt danach in der Sache ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat sich nach § 17a Abs. 5 GVG einer Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu enthalten. Es ist daher weder zu der getroffenen (die Zulässigkeit des Rechtswegs bejahenden) Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 GVG noch zu der von der Beklagten erstrebten Feststellung der Unzulässigkeit der Rechtsweges und Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht nach § 17a Abs. 2 GVG befugt. Die Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde gegen den unter Verletzung des § 17a Abs. 5 GVG erlassenen Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtsweges hat dahin zu ergehen, dass die angefochtene Entscheidung aufgehoben wird und die weitergehende Rechtsbeschwerde und der Verweisungsantrag zurückgewiesen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 3. August 1995, IX ZB 80/94 – veröffentlicht in juris).

V.

21
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO, da die Beklagte mit ihrem Verweisungsantrag in der Sache unterlegen ist. Den Streit- wert hat der Senat auf 1/5 des Wertes der Hautsache festgesetzt (vgl. Senat, Beschl. v. 30. September 1999, V ZB 24/99, NJW 1999, 3785, 3786). Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 14.03.2007 - 1 O 291/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 28.02.2008 - 5 U 45/07 -