Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2017 - LwZB 1/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:181017BLWZB1.17.0
18.10.2017
vorgehend
Amtsgericht Helmstedt, 1 LW 30/15, 02.11.2016
Oberlandesgericht Braunschweig, 2 U 143/16, 12.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
LwZB 1/17
vom
18. Oktober 2017
in der Landwirtschaftssache
ECLI:DE:BGH:2017:181017BLWZB1.17.0

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 18. Oktober 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Dr. Brückner und den Richter Dr. Göbel - gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 LwVG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter -

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Januar 2017 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 13.000 €.

Gründe:


I.


1
Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat die von dem Kläger in einer Landwirtschaftssache erhobene Klage abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils, das dem Kläger am 9. November 2016 zugestellt worden ist, wird das Landgericht Braunschweig als zuständiges Berufungsgericht bezeichnet. Mit einem per Telefax am 5. Dezember 2016 (Montag) um 15.48 Uhr bei dem Landgericht Braunschweig eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt. Durch Verfügung vom 12. Dezember 2016 hat der Vorsit- zende der Berufungskammer die Berufungsschrift unter „Eilt“ an das Oberlandesgericht Braunschweig weitergeleitet, wo sie am 14. Dezember 2016 eingetroffen ist. Gleichzeitig hat er die Prozessbevollmächtigten des Klägers über die Weiterleitung informiert mit der Erläuterung, für Berufungen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 LwVG sei das Oberlandesgericht Braunschweig zuständig. Nach einem Hinweis des Berufungssenats, dass die Berufung als unzulässig zu verwerfen sein dürfte, weil sie verspätet bei dem Oberlandesgericht eingegangen sei, hat der Kläger wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Oberlandesgericht - Senat für Landwirtschaftssachen - hat dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwehrt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde.

II.


2
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 9. Dezember 2016 abgelaufenen einmonatigen Berufungsfrist bei dem gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 LwVG zuständigen Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen sei. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Der Kläger sei nicht ohne sein Verschulden verhindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Die rechtsirrige Annahme, das Landgericht Braunschweig sei als Berufungsgericht funktionell zuständig, stelle ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten dar, das sich der Kläger zurechnen lassen müsse. Dieses Verschulden entfalle auch nicht mit Blick auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts. Entschuldbar sei ein hierauf beruhender Rechtsirrtum nur dann, wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig fehlerhaft und der durch sie verursachte Irrtum nachvollziehbar sei. Hieran gemessen habe von den Prozessbevollmäch- tigten des Klägers, bei denen es sich um Fachanwälte für Agrarrecht handele, erwartet werden können, dass ihnen bekannt sei, welches Gericht in Landwirtschaftssachen als Rechtsmittelgericht zuständig sei.
3
Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden und der Versäumung der Berufungsfrist werde nicht durch einen Fehler des Landgerichts unterbrochen. Der Kläger habe nicht damit rechnen können, dass die Berufung im ordentlichen Geschäftsgang vor Ablauf der Berufungsfrist an das Oberlandesgericht Braunschweig gelangen würde. Nach dem Eingang am 5. Dezember 2016 habe die Berufung zunächst der Eingangsgeschäftsstelle und sodann der Geschäftsstelle der zuständigen Berufungskammer vorgelegt werden müssen. Frühestens am 9. Dezember 2016 habe die Berufung dem Kammervorsitzenden vorliegen können. Eine von diesem veranlasste Weiterleitung der Berufung habe nicht mehr zu einem Eingang der Berufungsschrift am 9. Dezember 2016, einem Freitag, bei dem Oberlandesgericht Braunschweig führen können. Zu Eilmaßnahmen sei das angerufene Gericht nicht verpflichtet.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist.
5
1. Das Rechtsmittel ist zwar gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Es fehlt aber an den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung nicht unzumutbar erschwert und dessen Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284) nicht verletzt. Die Begründung, mit der es die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt hat, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist.
6
2. Dies gilt zunächst für die Annahme eines dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschuldens (§ 233 ZPO) seiner Prozessbevollmächtigten. Gemäß § 233 Satz 2 ZPO wird zwar ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Letzteres ist der Fall, weil in der Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts das Landgericht Braunschweig als zuständiges Berufungsgericht aufgeführt ist, obwohl gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 LwVG im zweiten Rechtszug die Oberlandesgerichte zuständig sind, hier also das Oberlandesgericht Braunschweig. Diese Vermutung ist aber widerlegt.
7
a) Wie das Berufungsgericht zutreffend sieht, darf sich allerdings auch eine anwaltlich vertretene Partei im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Belehrung durch das Gericht verlassen. Durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung wird ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigt, wenn die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten der Partei hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht. Ein vermeidbarer Rechtsirrtum ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschuldbar , wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig fehlerhaft und der durch sie verursachte Irrtum nachvollziehbar ist. Offenkundig fehlerhaft ist eine Rechtsmittelbelehrung, wenn sie - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte; unter dieser Voraussetzung ist die Vermutung des fehlenden Verschuldens gemäß § 233 Satz 2 ZPO widerlegt (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 178/15, juris Rn. 12 mwN; Beschluss vom 9. März 2017 - V ZB 18/16, juris Rn. 11 f.).
8
b) Nach diesem Maßstab ist der Rechtsirrtum nicht entschuldbar, weil die Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte und sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers deshalb auf die Richtigkeit dieser Belehrung nicht verlassen durften. Gegen diese Annahme des Berufungsgerichts werden auch von der Rechtsbeschwerde keine Einwendungen erhoben. Die in dem Landwirtschaftsverfahrensgesetz geregelte Zuständigkeit des Berufungsgerichts ist eindeutig. Nach dem Prinzip der sog. formellen Anknüpfung ist im zweiten Rechtszug gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 LwVG das Oberlandesgericht in sämtlichen Fällen zuständig, in denen in erster Instanz das Landwirtschaftsgericht entschieden hat. Es kommt deshalb für die Prüfung des zuständigen Berufungsgerichts nicht auf die - im Einzelfall nicht immer einfach zu beantwortende - Frage an, ob es sich bei der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts tatsächlich um eine Landwirtschaftssache i.S.d. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 LwVG handelt und ob das Landwirtschaftsgericht seine erstinstanzliche Zuständigkeit zu Recht angenommen hat (siehe zu der formellen Anknüpfung auch Senat, Urteil vom 13. Dezember 1991 - LwZR 2/91, NJW-RR 1992, 1152 Rn. 10 im Zusammenhang mit der Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit des Landwirtschaftssenats bei dem Oberlandesgericht). Die im Landwirtschaftsverfahrensgesetz getroffene Regelung unterscheidet sich damit maßgeblich von anderen Vorschriften wie beispielsweise § 72 Abs. 2 GVG in Wohnungseigentumssachen, auf deren Grundlage sich das zuständige Berufungsgericht nicht immer zweifelsfrei ermitteln lässt (vgl. zu § 72 Abs. 2 GVG BGH, Beschluss vom 9. März 2017 - V ZB 18/16, juris Rn. 13 ff.; Beschluss vom 28. September 2017 - V ZB 109/16, zur Veröffentlichung bestimmt

).


9
3. Die Zulassung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, der Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Fristversäumung werde nicht durch einen Fehler des Landgerichts unterbrochen.
10
a) Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass keine generelle Fürsorgepflicht des unzuständigen Rechtsmittelgerichts besteht, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur an dem Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss. Einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten muss die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Ge- richts „ohne weiteres“ bzw. „leicht und einwandfrei“ zu erkennen war und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gegebenen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht. In diesen Fällen stellt es für die Funktionsfähigkeit des angerufenen Gerichts keine nennenswerte Belastung dar, einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Geschieht dies nicht, geht die nachfolgende Fristversäumnis nicht zu Lasten des Rechtsuchenden ; das Verschulden des Prozessbevollmächtigten wirkt sich dann nicht mehr aus (BVerfG, NJW 2006, 1579; BGH, Beschluss vom 12. November 2015 - V ZB 36/15, NJW-RR 2016, 255 Rn. 15; Beschluss vom 11. Dezember 2015 - V ZB 103/14, NZM 2016, 446 Rn. 10).
11
b) Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend sieht, sind über das übliche Maß hinausgehende Anstrengungen des unzuständigen Gerichts - außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs - wie eine sofortige Prüfung der Zuständigkeit oder eine beschleunigte Weiterleitung unrichtig adressierter Schriftsätze auch von Verfassungs wegen nicht geboten (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1343; BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 - IX ZB 75/15, juris Rn. 16). Insbesondere besteht keine Verpflichtung des Gerichts, die Partei oder ihre Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung beim unzuständigen Gericht zu unterrichten (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 - XII ZB 394/12, NJW-RR 2014, 2 Rn. 20; Beschluss vom 27. Juli 2016 - XII ZB 203/15, NJW-RR 2016, 1340 Rn. 13). Denn sonst würde der Partei die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Schriftsätze vollständig abgenommen und dem nicht empfangszuständigen Gericht übertragen (BVerfG, NJW 2001, 1343; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 - XII ZB 394/12, NJW-RR 2014, 2 Rn. 20 mwN).
12
c) Danach konnte der Kläger nicht erwarten, dass die Berufungsschrift im Falle der durch das Landgericht gebotenen Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch bis zum 9. Dezember 2016 (Freitag) bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingehen würde. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Vorlage der Berufungsschrift an den Vorsitzenden der bei dem Landgericht zuständigen Berufungskammer frühestens an diesem Tag erfolgt wäre. Selbst wenn der Vorsitzende sogleich reagiert hätte, wäre der Schriftsatz erst nach dem 9. Dezember 2016, an dem die Berufungsfrist ablief, bei dem Berufungsgericht eingegangen.
13
d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Landgericht nicht ausnahmsweise deshalb verpflichtet, außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs auf einen rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift bei dem zuständigen Gericht hinzuwirken, weil die Rechtsmittelbelehrung in dem Urteil des Amtsgerichts unzutreffend war. Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus dem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz noch aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der Gerichte. Effektiver Rechtsschutz wird einer Partei im Rahmen der Wiedereinsetzungsvorschriften bereits dadurch gewährt, dass sie sich grundsätzlich auf die Richtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung verlassen darf (§ 233 Satz 2 ZPO). Ist dies jedoch nicht der Fall, weil - wie hier - eine Rechtsmittelbelehrung nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermag, ist es nicht gerechtfertigt, dem unzuständigen Gericht eine gesteigerte Fürsorgepflicht aufzuerlegen. Ebenso wie das offensichtlich unzuständige Gericht nicht gehalten ist, den Fristablauf zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2016 - XII ZB 203/15, NJW-RR 2016, 1340 Rn. 13), bedarf es auch keiner Prüfung, worauf die Anrufung des unzuständigen Gerichts beruht. Vielmehr kann sich das Gericht auf die Weiterleitung des Rechtsmittels an das zuständige Gericht im üblichen Geschäftsgang beschränken.

IV.


14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über den Beschwerdewert folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.
Stresemann Brückner Göbel

Vorinstanzen:
AG Helmstedt, Entscheidung vom 02.11.2016 - 1 LW 30/15 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 12.01.2017 - 2 U 143/16 (Lw) -

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

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(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigt, wenn die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten der Partei hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht. Auch eine anwaltlich vertretene Partei darf sich im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Belehrung durch das Gericht verlassen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese gesetzlich vorgeschrieben ist oder nicht (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, V ZB 19V ZB 199/11, NJW 2012, 2443 Rn. 10 mwN; siehe auch Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 178/15, juris Rn. 11).

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

11
(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigt, wenn die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten der Partei hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht. Auch eine anwaltlich vertretene Partei darf sich im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Belehrung durch das Gericht verlassen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese gesetzlich vorgeschrieben ist oder nicht (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, V ZB 19V ZB 199/11, NJW 2012, 2443 Rn. 10 mwN; siehe auch Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 178/15, juris Rn. 11).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 109/16
vom
28. September 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch ein Rechtsanwalt, der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
ist, darf in der Regel darauf vertrauen, dass die Rechtsmittelbelehrung
in Wohnungseigentumssachen und in Zivilsachen mit wohnungseigentumsrechtlichem
Bezug zutreffend ist (Fortführung von Senat, Beschluss vom
9. März 2017 - V ZB 18/16, ZWE 2017, 293).
BGH, Beschluss vom 28. September 2017 - V ZB 109/16 - LG Frankfurt am Main
AG Fulda
ECLI:DE:BGH:2017:280917BVZB109.16.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main - 9. Zivilkammer - vom 13. Juli 2016 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft; der Beklagte ist der frühere Verwalter der Klägerin. Mit der vor dem Amtsgericht Fulda erhobenen Klage verlangt die Klägerin die Herausgabe von Unterlagen nach Ende der Verwaltertätigkeit. Die für Wohnungseigentumssachen zuständige Amtsrichterin hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin , einem in Fulda ansässigen Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht , am 30. Oktober 2015 zugestellt worden. In der Rechtsmittelbelehrung wird das Landgericht Fulda als zuständiges Berufungsgericht bezeichnet.
2
Mit einem am 25. November 2015 eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Berufung bei dem Landgericht Fulda eingelegt. Nach einem am 3. Dezember 2015 erfolgten gerichtlichen Hinweis auf die Unzuständigkeit des Landgerichts Fulda hat er am 10. Dezember 2015 die dort eingelegte Berufung zurückgenommen und Berufung bei dem Landgericht Frankfurt am Main als dem gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG für Wohnungseigentumssachen zuständigen Berufungsgericht eingelegt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


3
Das Berufungsgericht meint, Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung sei nicht ursächlich für die Fristversäumung. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei ein vermeidbarer und nicht entschuldbarer Rechtsirrtum unterlaufen. Die Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts sei offensichtlich falsch gewesen. Sie hätte den mit der Spezialmaterie des Wohnungseigentumsrechts vertrauten Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu einer weiteren Überprüfung veranlassen müssen. Die in § 72 Abs. 2 GVG vorgesehene besondere Zuständigkeit für Berufungen in Woh- nungseigentumssachen gehöre zu den Grundkenntnissen des Verfahrens- und Rechtsmittelrechts.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ein Zulassungsgrund ist gegeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat der Klägerin den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt ihren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368 mwN).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch in der Sache begründet.
7
a) Die bei dem Landgericht Fulda eingelegte Berufung hat die Frist des § 517 ZPO nicht gewahrt. Zuständiges Berufungsgericht ist nämlich gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG das Landgericht Frankfurt am Main, weil das Verfahren eine Streitigkeit zwischen einer Wohnungseigentümergemeinschaft und einem früheren Hausverwalter über die Herausgabe von Unterlagen nach Ende der Verwaltertätigkeit betrifft und es sich damit um eine Wohnungseigentumssache gemäß § 43 Nr. 3 WEG handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - V ZB 190/10, WuM 2011, 185 Rn. 11).
8
b) Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts hat dazu geführt, dass die Klägerin die Berufungsfrist ohne ihr Verschulden versäumt hat. Aus diesem Grund ist ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO).
9
aa) Die inhaltlich unzutreffende Rechtsmittelbelehrung war entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kausal für die Versäumung der Berufungsfrist. Daran bestehen nach dem tatsächlichen Ablauf keine Zweifel, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung befolgt hat (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, V ZB 19V ZB 199/11, NJW 2012, 2443 Rn. 8 mwN).
10
bb) Die Klägerin hat die Frist unverschuldet versäumt.
11
(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigt, wenn die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten der Partei hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht. Auch eine anwaltlich vertretene Partei darf sich im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Belehrung durch das Gericht verlassen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese gesetzlich vorgeschrieben ist oder nicht (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, V ZB 19V ZB 199/11, NJW 2012, 2443 Rn. 10 mwN; siehe auch Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 178/15, NJW 2017, 1112 Rn. 11; Beschluss vom 9. März 2017 - V ZB 18/16, ZWE 2017, 293 Rn. 11).
12
(2) Anders als das Berufungsgericht meint, befand sich der Prozessbevollmächtige der Klägerin in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.
13
(a) Ein Rechtsirrtum ist, unabhängig von seiner Vermeidbarkeit, schon dann entschuldbar, wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig fehlerhaft und der durch sie verursachte Irrtum nachvollziehbar ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, V ZB 19V ZB 199/11, NJW 2012, 2443 Rn. 11 mwN; Beschluss vom 9. März 2017- V ZB 18/16, ZWE 2017, 293 Rn. 11). Diese Frage erörtert das Berufungsgericht zwar. Es stellt aber zu geringe Anforderungen an die Offenkundigkeit der Fehlerhaftigkeit. Offenkundig fehlerhaft ist eine Rechtsmittelbelehrung dann, wenn sie - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 178/15, NJW 2017, 1112 Rn. 12 mwN); unter dieser Voraussetzung ist die Vermutung des fehlenden Verschuldens gemäß § 233 Satz 2 ZPO widerlegt (vgl. dazu MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 232 Rn. 13). Hiernach bemisst sich, ob der Rechtsirrtum nachvollziehbar ist oder nicht.
14
(b) Wie der Senat - allerdings nach Erlass des angefochtenen Beschlusses - entschieden hat, unterliegt der Rechtsanwalt in aller Regel einem unverschuldeten Rechtsirrtum, wenn er die Berufung in einer Wohnungseigentumssache aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen Berufungsgericht, sondern bei dem für allgemeine Zivilsachen zuständigen Berufungsgericht einlegt. Denn eine solche Rechtsmittelbelehrung ist regelmäßig nicht offenkundig in einer Weise fehlerhaft , dass sie - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermag (Senat, Beschluss vom 9. März 2017 - V ZB 18/16, ZWE 2017, 293 Rn. 13). Die Zuständigkeit des Berufungsgerichts in Wohnungseigentumssachen und in Zivilsachen mit wohnungseigentumsrechtlichem Bezug hängt nämlich von zwei Unwägbarkeiten ab. Zum einen ist nach § 72 Abs. 2 Satz 2 GVG nicht zwingend das in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG genannte Landgericht am Sitz des Oberlandesgerichts für Berufungen in Wohnungseigentumssachen zuständig , weil die Länder durch Rechtsverordnung ein anderes Landgericht bestimmen können. Zum anderen tritt die Zuständigkeitskonzentration nicht schon dadurch ein, dass - wie hier - der für Wohnungseigentumssachen zuständige Amtsrichter entschieden hat; maßgeblich ist allein, ob es sich um eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 oder Nr. 6 WEG handelt (Senat, Beschluss vom 9. März 2017 - V ZB 18/16, aaO Rn. 14 f.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 12. November 2015 - V ZB 36/15, ZMR 2016, 247 Rn. 10). Die Rechtsmittelzuständigkeit kann deshalb für den Anwalt, auch wenn er am Ort des Prozessgerichts ansässig ist, fraglich sein.
15
Der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von einem Anwalt, der über die Fachanwaltsqualifikation nicht verfügt. Für ihn ergeben sich in Bezug auf die Frage des zuständigen Berufungsgerichts die genannten Unwägbarkeiten gleichermaßen. Auch ein Rechtsanwalt, der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist, darf deshalb in der Regel darauf vertrauen, dass die Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen und in Zivilsachen mit wohnungseigentumsrechtlichem Bezug zutreffend ist.
16
cc) Die weiteren Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist liegen vor.
17
3. Soweit die Klägerin auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt hat, bedarf es keiner Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Nach Aktenlage ist die Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO offensichtlich gewahrt. Die Berufungsbegründung ist am 30. Dezember 2015 und damit innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung des Urteils bei dem zuständigen Gericht eingegangen. Eine teilweise Zurückweisung der Rechtsbeschwerde ist damit nicht verbunden.
18
4. Der die Berufung verwerfende Beschluss wird mit der Wiedereinsetzung gegenstandslos (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04, FamRZ 2005, 791, 792). Seine Aufhebung erfolgt nur klarstellend.

IV.


19
Den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Senat nach der Wertfestsetzung des Berufungsgerichts bestimmt.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Fulda, Entscheidung vom 27.10.2015 - 37 C 14/14 (G) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 13.07.2016 - 2-9 S 12/16 -
15
a) Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass keine generelle Fürsorgepflicht des unzuständigen Rechtsmittelgerichts besteht, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur an dem Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss. Einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten muss die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts „ohne weiteres“ bzw. „leicht und einwandfrei“ zu erkennen war und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gegebenen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht. In diesen Fällen stellt es für die Funktionsfähigkeit des angerufenen Gerichts keine nennenswerte Belastung dar, einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09, WuM 2010, 592 Rn. 7 f.; Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 67/11, NJW 2011, 3306 Rn. 11, jeweils mwN).
10
aa) Anders als in Fällen, in denen fristgebundene Rechtsmittelschriftsätze irrtümlich bei dem im vorangegangen Rechtszug mit der Sache bereits befassten Gericht eingereicht werden, besteht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Rechtsmittelgerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern (Senat, Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09, ZMR 2010, 774 Rn. 7 mwN). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Un- zuständigkeit des angerufenen Gerichts „ohne Weiteres“ bzw. „leicht und einwandfrei“ zu erkennen ist und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gege- benen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht. In diesen Fällen stellt es für die Funktionsfähigkeit des angerufenen Gerichts keine nennenswerte Belastung dar, einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsganges an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Geschieht dies nicht, geht die nachfolgende Fristversäumnis nicht zu Lasten des Rechtsuchenden; das Verschulden des Prozessbevollmächtigten wirkt sich dann nicht mehr aus (vgl. BVerfG, NJW 2006, 1579; Senat, Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09, ZMR 2010, 774 Rn. 8). Solange die Akte im ordnungsgemäßen Geschäftsgang dem Richter nicht vorgelegen hat, kommt es für die leichte Erkennbarkeit der Unzuständigkeit auf den Wissenstand des zuständigen Geschäftsstellenbeamten an (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - IV ZB 17/10, NJW 2012, 78 Rn. 15).
16
(2) Über das übliche Maß hinausgehende Anstrengungen des unzuständigen Gerichts wie eine sofortige Prüfung der Zuständigkeit oder eine beschleunigte Weiterleitung unrichtig adressierter Schriftsätze sind auch von Verfassungs wegen nicht geboten (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09, WuM 2010, 592 Rn. 10; vom 12. Juni 2013, aaO Rn. 20 mwN). Das im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge Gebotene darf sich nicht nur an dem Interesse der Rechtssuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen , dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss, weshalb der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die zutreffende Adressierung eines Schriftsatzes nicht allgemein abgenommen und auf das unzuständige Gericht verlagert werden kann (BVerfGE 93, 99, 114; BVerfG, NJW 2006, 1579 Rn. 10).
20
Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung, den Beteiligten oder dessen Verfahrensbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung des Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von Verfassungs wegen jedoch nicht. Denn sonst würde dem Beteiligten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Schriftsätze vollständig abgenommen und dem nicht empfangszuständigen Gericht übertragen (BVerfG FamRZ 2001, 827; ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2013 - XII ZB 6/13 - FamRZ 2013, 779 Rn. 12; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 12 und vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 22).
13
cc) Gemessen daran konnte die Antragsgegnerin nicht erwarten, dass die Beschwerdebegründung noch bis zum 26. Januar 2015 beim Oberlandesgericht eingehen würde. Der zuständige Richter verfügte am 21. Januar 2015 die Weiterleitung der am 20. Januar 2015 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerdebegründung an das Oberlandesgericht. Insoweit unterscheidet sich der Fall von der mit der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 (II ZB 24/05 – NJW 2006, 3499). In jenem Fall war die Weiterleitung vom Vorsitzenden erst 15 Tage nach Eingang verfügt worden und betrug die in der Entscheidung angenommene übliche Postlaufzeit zwischen Land- und Oberlandesgericht nur zwei Tage. Das lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres übertragen, weil hier die Versendung durch Kurier erfolgt ist. Dass der Schriftsatz nicht binnen der folgenden drei Arbeitstage (22., 23. und 26. Januar 2015) beim Oberlandesgericht einging und die Kuriersendung erst am 26. Januar 2015 abging, widerspricht nicht dem ordentlichen Geschäftsablauf und begründet daher nicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Denn das Amtsgericht war als unzuständiges Gericht nur gehalten, die ersichtlich in die Empfangszuständigkeit des Oberlandesgerichts fallende Beschwerdebegründung an dieses wei- terzuleiten. Es war hingegen nicht verpflichtet, den Fristablauf zu prüfen und den Schriftsatz sodann als besonders eilig oder etwa per Fax weiterzuleiten. Die Rechtsbeschwerde verkennt schließlich nicht, dass auch keine Verpflichtung des Amtsgerichts bestand, die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin telefonisch über ihren Fehler zu informieren (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2014 – XII ZB 571/12 – FamRZ 2014, 550 Rn. 15 mwN).
20
Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung, den Beteiligten oder dessen Verfahrensbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung des Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von Verfassungs wegen jedoch nicht. Denn sonst würde dem Beteiligten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Schriftsätze vollständig abgenommen und dem nicht empfangszuständigen Gericht übertragen (BVerfG FamRZ 2001, 827; ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2013 - XII ZB 6/13 - FamRZ 2013, 779 Rn. 12; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 12 und vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 22).

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

13
cc) Gemessen daran konnte die Antragsgegnerin nicht erwarten, dass die Beschwerdebegründung noch bis zum 26. Januar 2015 beim Oberlandesgericht eingehen würde. Der zuständige Richter verfügte am 21. Januar 2015 die Weiterleitung der am 20. Januar 2015 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerdebegründung an das Oberlandesgericht. Insoweit unterscheidet sich der Fall von der mit der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 (II ZB 24/05 – NJW 2006, 3499). In jenem Fall war die Weiterleitung vom Vorsitzenden erst 15 Tage nach Eingang verfügt worden und betrug die in der Entscheidung angenommene übliche Postlaufzeit zwischen Land- und Oberlandesgericht nur zwei Tage. Das lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres übertragen, weil hier die Versendung durch Kurier erfolgt ist. Dass der Schriftsatz nicht binnen der folgenden drei Arbeitstage (22., 23. und 26. Januar 2015) beim Oberlandesgericht einging und die Kuriersendung erst am 26. Januar 2015 abging, widerspricht nicht dem ordentlichen Geschäftsablauf und begründet daher nicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Denn das Amtsgericht war als unzuständiges Gericht nur gehalten, die ersichtlich in die Empfangszuständigkeit des Oberlandesgerichts fallende Beschwerdebegründung an dieses wei- terzuleiten. Es war hingegen nicht verpflichtet, den Fristablauf zu prüfen und den Schriftsatz sodann als besonders eilig oder etwa per Fax weiterzuleiten. Die Rechtsbeschwerde verkennt schließlich nicht, dass auch keine Verpflichtung des Amtsgerichts bestand, die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin telefonisch über ihren Fehler zu informieren (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2014 – XII ZB 571/12 – FamRZ 2014, 550 Rn. 15 mwN).

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.