Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2018 - 1 StR 320/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:130918B1STR320.17.0
bei uns veröffentlicht am13.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 320/17
vom
13. September 2018
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
1. Entscheidet ein Vorsitzender am Bundesgerichtshof, dass eine rechtskräftige
Senatsentscheidung nicht übersetzt wird, kann hiergegen die Entscheidung
des Gerichts eingeholt werden.
2. Ein Anspruch auf Übersetzung eines rechtskräftigen Urteils des Bundesgerichtshofs
besteht grundsätzlich nicht.
BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – 1 StR 320/17 – LG Tübingen
in der Strafsache
gegen
wegen Übersetzung der Senatsentscheidung
ECLI:DE:BGH:2018:130918B1STR320.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2018 beschlossen :
Die Entscheidung des Vorsitzenden wird bestätigt und der Antrag des Verurteilten, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Dezember 2017 in die litauische Sprache zu übersetzen, abgelehnt.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat gegen den Verurteilten – einen litauischen Staatsbürger – wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten erkannt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat der Senat durch Urteil vom 7. Dezember 2017 verworfen. Nach Bekanntgabe der schriftlichen Urteilsgründe hat die Rechtsanwältin des Verurteilten um Mitteilung gebe- ten, wann mit der Zustellung einer litauischen Übersetzung des „Beschlusses“ zu rechnen sei. Daraufhin ist ihr auf Veranlassung des Senatsvorsitzenden mitgeteilt worden, dass weder eine Übersetzung noch eine Zustellung des Urteils vorgesehen seien. Durch Schriftsatz vom 29. Januar 2018 hat sie hiergegen „vorsorglich Rechtsbehelf“ eingelegt.
2
Sie ist der Auffassung, auch das rechtskräftige Urteil sei zu übersetzen. Ein solcher Anspruch ergebe sich aus § 187 GVG bei europarechtskonformer Anwendung bzw. unmittelbar aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010. Schließlich erwachse ein Anspruch auf Übersetzung jedenfalls aus Art. 3 GG, dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK oder dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Soweit der Senat die Veranlassung einer Übersetzung dennoch nicht für erforderlich halte, bestehe eine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV.

II.


3
Der Senat ist zur Entscheidung berufen.
4
Für § 187 GVG ist anerkannt, dass die Entscheidung, ob eine schriftliche Übersetzung des vollständig abgefassten Urteils anzufertigen und dem Angeklagten zu übermitteln ist, in die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts fällt (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2018 – 4 StR 506/17 Rn. 3; OLG Hamburg, Beschluss vom 6. Dezember 2013 – 2 Ws 253/13, wistra 2014, 158; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 187 GVG Rn. 1a). Wegen der mit Urteilserlass eingetretenen Rechtskraft ist der Senat mit der Sache aber nicht mehr befasst, was grundsätzlich zur Beendigung seiner Zuständigkeit für Folgeentscheidungen führt (vgl. nur § 478 Abs. 1 Satz 1 StPO). Für die vorliegende Konstellation muss allerdings Anderes gelten:
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1. Bei der Frage, ob eine Gerichtsentscheidung zu übersetzen ist, handelt es sich um eine Form der Bekanntgabe, über die der Vorsitzende des entscheidenden Gerichts befindet, wie es sich aus § 36 Abs. 1 Satz 1 StPO ergibt. Auch die Prüfung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m.
§ 187 Abs. 1 und 2 GVG obliegt als Teil der Zustellungsanordnung dem Vorsitzenden (vgl. nur Löwe-Rosenberg/Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Aufl., § 37 Rn. 115). Dies umfasst aber nicht nur die Annahme der Voraussetzungen, sondern – wie hier geschehen – auch deren Ablehnung. Durch die unterbliebene Beauftragung einer Übersetzung zu dem Zeitpunkt, zu dem die schriftlichen Urteilsgründe zu den Akten gebracht worden sind, ist durch den Vorsitzenden bereits konkludent ein Anspruch auf Übersetzung verneint worden, was dem Verurteilten auch zeitnah mitgeteilt worden ist. Im Zusammenspiel mit dem Fehlen einer Zustellungsanordnung – über das der Verurteilte ebenfalls informiert worden ist – hat der Vorsitzende damit über die Art der Bekanntgabe entschieden.
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2. Dem Betroffenen muss ein Rechtsbehelf auf Überprüfung dieser Entscheidung zur Verfügung stehen.
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a) Die Prozessordnung stellt jedoch kein ordentliches Rechtsmittel zur Verfügung, sofern die Übersetzung durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgelehnt wurde (vgl. zur grundsätzlichen Beschwerdefähigkeit OLG Hamburg aaO). Denn gemäß § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO ist eine Entscheidung des Vorsitzenden eines Senats des Bundesgerichtshofs (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch auf Entscheidungen des Senatsvorsitzenden, BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 4 StR 77/12 Rn. 2) nicht mit der Beschwerde anfechtbar, da es kein übergeordnetes Gericht gibt.
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b) Auch für diese Konstellationen muss aber eine Rechtsschutzmöglichkeit bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 Rn. 4, BVerfGE 107, 395, 396 f.). Dies ergibt sich aus dem im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten verankerten allgemeinen Justizgewährungsanspruch (vgl. BVerfG aaO Rn. 16, 35 f., BVerfGE 107, 401, 407; Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 – 1 BvR 10/99 Rn. 19 ff., BVerfGE 108, 341, 347 und vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 Rn. 66 ff., BVerfGE 122, 248, 270 ff.). Denn das Recht auf Dolmetschleistungen für der Sprache nicht mächtige Beschuldigte ist von zentraler Bedeutung für die Wahrnehmung von Verfahrensrechten, der Anerkennung als Prozesssubjekt und damit der Gewährleistung eines fairen Verfahrens (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 Rn. 33 ff., BVerfGE 64, 135, 144 ff.; EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 – C-216/14 Rn. 37, 43, NJW 2016, 303, 304 f.; Erwägungsgründe 14 und 17 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren ; vgl. BT-Drucks. 17/12578, S. 12; Christl, NStZ 2014, 376 ff. mwN). An dem Recht auf ein faires Verfahren sind diejenigen Beschränkungen zu messen , die von den speziellen Gewährleistungen der grundgesetzlichen Verfahrensgrundrechte nicht erfasst werden (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 Rn. 69, BVerfGE 122, 248, 271). Mithin kann ein Beschuldigter grundsätzlich gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einen grundrechtlich gesicherten Anspruch auf Übersetzung haben (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 Rn. 33, BVerfGE 64, 135, 144 f.), für dessen Durchsetzung ihm eine Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung stehen muss.
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c) Es wäre aber untunlich, die Entscheidung über das Abhilfeersuchen in Ermangelung eines mit der Sache befassten Gerichts auf die Staatsanwaltschaft zu übertragen.
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Dieser Rechtsschutz kann vielmehr in effektiver und sachnaher Weise durch eine eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit entsprechend § 238 Abs. 2 StPO gewährleistet werden.
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Rechtsschutz gegen Akte eines Richters muss nicht zwingend zur Befassung einer höheren Instanz führen, es genügt, wenn die rechtsstaatlich notwendige Kontrolle des behaupteten Verfahrensfehlers anderweitig in hinreichender Weise gesichert werden kann (BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 Rn. 40, BVerfGE 107, 395, 408). Rechtsschutz kann vielmehr in effektiver Weise durch die Herbeiführung einer Entscheidung des gesamten Spruchkörpers gewährleistet werden. Damit wird dem Verurteilten die Möglichkeit eingeräumt, bei dem letztinstanzlich zuständigen Gericht auf Überprüfung der Entscheidung des Vorsitzenden über die unterlassene Übersetzung zu ersuchen. Ein solcher Rechtsbehelf fügt sich in das System strafprozessualen Rechtsschutzes, da hierdurch – wie in der § 238 Abs. 2 StPO zugrundeliegenden Verfahrenslage – die Verantwortlichkeit des gesamten Spruchkörpers für die Rechtsförmigkeit des Verfahrens aktiviert wird (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, BGHSt 51, 144, 147; Löwe-Rosenberg/ Becker, StPO, 26. Aufl., § 238 Rn. 2 und 16 mwN; vgl. auch BVerfG aaO Rn. 49, 54).
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d) Die Gewährung einer solchen Rechtsschutzmöglichkeit steht auch im Einklang mit der Gewährleistung aus Art. 2 Abs. 5 1. Halbsatz der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 (Amtsblatt der Europäischen Union L 280 vom 26. Oktober 2010), wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass eine Dolmetschleistungen ablehnende Entscheidung im Einklang mit den nach einzelstaatlichem Recht vorgesehenen Verfahren angefochten werden kann.

III.


13
Ein Anspruch auf Übersetzung des letztinstanzlichen und rechtskräftigen Urteils des Bundesgerichtshofs besteht nicht.
14
1. Es ist bereits durchgreifend zweifelhaft, dass der Verurteilte der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist und damit überhaupt Dolmetschleistungen bedarf. Anknüpfend an die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hält er sich schon seit etwa 15 Jahren durchgehend in Deutschland auf, seine Lebensgefährtin ist Deutsche, er hat engen Kontakt mit seinen drei minderjährigen Söhnen, die Deutsche sind und in Deutschland leben. Er war in Deutschland berufstätig und betrieb nebenberuflich einen Handel mit Baustoffen. Für eine ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache spricht auch der Umstand, dass der Verurteilte handschriftlich gefertigte, flüssig formulierte mehrseitige Eingaben in deutscher Sprache im Rahmen seiner Verteidigung zur Akte gereicht hat. Vortrag zur Sprachunkundigkeit lässt sich seinem Vorbringen zum Übersetzungsbegehren hingegen nicht entnehmen.
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2. Aber selbst wenn der Verurteilte der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sein sollte, kann er eine Übersetzung des rechtskräftigen Urteils nicht verlangen.
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a) Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten nur nicht rechtskräftige Urteile in der Regel zu übersetzen sind.
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Diese Fassung der Vorschrift geht auf das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren zurück, welches am 6. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Damit wollte der Gesetzgeber die zur Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 (ABl. EU L 280 vom 26. Oktober 2010, S. 1 - 7; im Folgenden : Richtlinie) erforderlichen Anpassungen vornehmen. Nach dieser Fassung ist eine Übersetzung von rechtskräftigen Urteilen ausdrücklich nicht vorgesehen.
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Zwar ist dem Verurteilten darin beizupflichten, dass die Richtlinie nach dem Wortlaut der deutschen Übersetzung des Art. 3 Abs. 1 und 2 eine Ver- pflichtung zur Übersetzung „jeglicher Urteile“ vorsieht, jedoch ist der Gesetzge- ber hiervon für zwei Fallkonstellationen bewusst abgewichen, nämlich wenn die Entscheidung rechtskräftig ist oder die beschuldigte Person einen Verteidiger hat (BT-Drucks. 17/12578, S. 1, 7). Hierzu heißt es in den Begründung zu dem Gesetzentwurf u.a. (aaO S. 10 f.): „§ 187 Absatz 2 GVG-E dient der Umsetzung von Artikel 3 der Richtlinie 2010/64/EU, der den Anspruch auf Übersetzung inhaltlich konkretisiert. Die Richtlinie sieht in Artikel 3 Absatz 1 insbesondere vor, dass von der förmlichen Mitteilung der Beschuldigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Erkenntnisverfahrens alle Unterlagen zu übersetzen sind, die mit Blick auf die Wahrnehmung der Verteidigung und die Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren notwendig sind. … Eine generelle Verpflichtung zur vollständigen Übersetzung des Urteils, wie sie Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie durch die Formulierung ‚jegliches Urteil‘ eindeutig fordert, ist daher dem geltenden Recht ebenso wie der deutschen Gerichtspraxis fremd. Gleichwohl schließt die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung unter Verweis auf die Gewährleistung eines fairen Verfahrens nicht aus, dass ein der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtiger Angeklagter einen Anspruch auf Übersetzung in diesem Umfang haben kann, namentlich dann, wenn er nicht verteidigt ist und ein Rechtsmittel einlegen möchte … Für den wohl praktisch wichtigsten Anwendungsfall der Urteilsübersetzung soll bereits im Wortlaut des § 187 Absatz 2 Satz 1 GVG-E durch die Formulierung ‚nicht rechtkräftige Urteile‘ eine erste wichtige Weichenstellung getroffen werden: Gestützt auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 2010/64/EU, die in Artikel 1 Absatz 2 auf den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abstellt, soll eine Pflicht zur Übersetzung dann nicht bestehen, wenn ein Rechtsmittel dagegen nicht eingelegt wurde.“
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Diese Begründung unterstreicht die sich bereits aus dem Wortlaut ergebende Aussage. Danach hat der Gesetzgeber den Anspruch auf Übersetzung eines Urteils auf die Fälle beschränkt, in denen der Beschuldigte auf die Kenntnis des Urteils angewiesen ist, um seine Verfahrensrechte durch Einlegung eines Rechtsmittels wahrzunehmen. Daran fehlt es bei einem rechtskräftigen Urteil, da hiergegen kein Rechtsmittel möglich ist.
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b) Dem Wortlaut nach schließt § 187 Abs. 2 GVG allerdings nicht aus, auch rechtskräftige Urteile durch das Gericht übersetzen zu lassen. Der Senat hat deswegen geprüft, ob über die nicht abschließend formulierte Aufzählung in § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG (vgl. Löwe-Rosenberg/Krauß, StPO, 26. Aufl., § 187 Rn. 12) hinaus ein Anspruch des Verurteilten auf Übersetzung bestehen könnte , dies aber verneint.
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aa) Ein solcher Anspruch lässt sich entgegen dem Vorbringen des Verurteilten nicht aus der Richtlinie ableiten. Diese erfordert eine schriftliche Übersetzung nur dann, wenn es zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Verurteilten erforderlich ist, was auch dem Maßstab des § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG entspricht. An diesem Erfordernis fehlt es.
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(1) Soweit Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie dem Wortlaut nach „jegliches Ur- teil“ (amtliche englische Fassung: „any judgment“) erfasst, bezieht sich dieser Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensstadium, er ist damit in zeitlicher und sachlicher Hinsicht begrenzt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Die Auslegung der Richtlinie unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs und der Ziele, die mit ihr verfolgt werden (vgl. zu diesem Maßstab EuGH, Urteile vom 15. Oktober 2015 – C-216/14, NJW 2016, 303, 304 Rn. 29 und vom 21. Mai 2015 – C-65/14, NJW 2015, 3291, 3293 Rn. 43 mwN; vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung auch BGH, Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2597 Rn. 24 ff.), ergibt zweifelsfrei, dass ein Anspruch auf Übersetzung nur solange gewährleistet werden soll, wie dies zur Wahrnehmung von Verfahrensrechten erforderlich ist. Die Richtlinie ist auf der Grundlage von Art. 82 AEUV erlassen worden, um die gegenseitige Anerkennung von Urteilen und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern. Zu diesem Zweck hat der Unionsgesetzgeber für den Schutz der Rechte von verdächtigen oder beschuldigten Personen gemeinsame Mindestvorschriften zum Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen im Sinne von elementaren verfahrensrechtlichen Gewährleistungen vorgesehen (Richtlinie, insb. Erwägungsgründe 1, 3, 8, 9; EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 – C-216/14, NJW 2016, 303, 304 Rn. 35 f.; Schlussanträge des Generalanwalts vom 7. Mai 2015 – C-216/14 Rn. 28 ff.). Diese Mindestvorschriften sollen gewährleisten, dass es unentgeltliche und angemessene sprachliche Unterstützung gibt, damit verdächtige oder beschuldigte Personen, die die Sprache des Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen, ihre Verteidigungsrechte in vollem Umfang wahrnehmen können und ein faires Verfahren gewährleistet wird (Richtlinie, insb. Erwägungsgründe 8, 14, 17, 19, 22, 30; EuGH aaO Rn. 37; Urteil vom 12. Oktober 2017 – C-278/16, NJW 2018, 142, 143 Rn. 25).
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(2) Mit Abschluss des Verfahrens, wie hier mit Erlass einer nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbaren rechtskräftigen Entscheidung, besteht keine Möglichkeit mehr, Verfahrensrechte im Strafverfahren als Beschuldigter (zur Beschränkung auf das Erkenntnisverfahren OLG Köln, Beschluss vom 28. August 2013 – 2 Ws 426/13, StV 2014, 552; vgl. hierzu auch Kühne, StV 2014, 553 f.) wahrzunehmen. Der Zeitraum, für den die Gewährleistungen der Richtlinie von Relevanz sein können, ist damit beendet. Eine solche Begrenzung findet eindeutigen Niederschlag auch in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie, wonach das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren bis zum Abschluss des Verfahrens gilt, worunter die endgültige Klärung der Frage zu verstehen ist, ob die beschuldigte Person die Straftat begangen hat, gegebenenfalls einschließlich der Festlegung des Strafmaßes und der abschließenden Entscheidung in einem Rechtsmittelverfahren (vgl. EuGH, Urteile vom 12. Oktober 2017 – C-278/16, NJW 2018, 142, 143 Rn. 26 und vom 9. Juni 2016 – C-25/15Rn. 36). Mit der das erstinstanzliche Urteil bestätigenden rechtskräftigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist das Strafverfahren abgeschlossen , die Fragen der Strafbarkeit und des Strafmaßes sind abschließend geklärt, das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen soll nach der eindeutigen Regelung der Richtlinie keine Geltung mehr beanspruchen. Dies steht auch im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie, die gegenseitige Anerkennung von Urteilen zu erleichtern.
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(3) Diese Auslegung ist auch aufgrund des Umstands gerechtfertigt, dass das Recht auf Übersetzung gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie zum Ziel hat, dass die verdächtigen oder beschuldigten Personen wissen, was ihnen zur Last gelegt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 – C-216/14, NJW 2016, 303, 305 Rn. 46). Die Entscheidung des Senats enthält insoweit aber lediglich eine Zusammenfassung der bestandskräftigen Feststellungen des mit der Entscheidung bestätigten landgerichtlichen Urteils und keine eigenen Feststellungen.
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(4) Auch in Verbindung mit einem europäisch geprägten Verständnis des fair-trial-Grundsatzes ergibt sich kein Anspruch auf Übersetzung eines rechtskräftigen Urteils aus der Richtlinie. Durch die Richtlinie sollen die Gewährleistungen aus Art. 6 EMRK bzw. Art. 48 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geachtet und umgesetzt, bzw. die praktische Anwendung dieser Rechte erleichtert werden (Richtlinie, Erwägungsgründe 5, 7, 14). Für die Auslegung und Umsetzung verweist die Richtlinie auf die Auslegung der in Art. 6 EMRK verbürgten Rechte durch den EGMR (Richtlinie, Erwägungsgründe 14 und 33), um die Rechtsgarantien aus verschiedenen europarechtlichen Quellen zu harmonisieren (vgl. Christl, NStZ 2014, 376, 379 mwN).
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Nach der Rechtsprechung des EGMR besteht ein Anspruch des Beschuldigten auf Übersetzung solcher Schriftstücke, auf deren Kenntnis er angewiesen ist, um ein faires Verfahren zu haben (EGMR, Urteil vom 28. November 1978 – 6210/73, NJW 1979, 1091, 1092 Rn. 48). Um die Anforderungen an ein faires Verfahren zu erfüllen, bedarf es danach nicht der schriftlichen Übersetzung jedes Beweises oder jeden Aktenstücks, es ist lediglich sicherzustellen , dass der Beschuldigte verstehen kann, was ihm vorgeworfen wird und sich verteidigen kann (EGMR, Urteile vom 19. Dezember 1989 – 9783/82,EGMR-E 4, 450, 471 ff. und vom 19. Dezember 1989 – 10964/84, EGMR-E 4, 438, 446 f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 aaO Rn. 39; Kreicker in Sieber, Europäisches Strafrecht, 2. Aufl., § 51 Rn. 35).
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Maßgeblich ist danach, ob der Beschuldigte für seine weitere Verteidigung auf den Wortlaut der Entscheidung angewiesen ist (EGMR, Urteil vom 19. Dezember 1989 – 9783/82, EGMR-E 4, 450, 471 ff.; weitere Nachweise bei Christl, NStZ 2014, 376, 378). Dies ist aber hier zweifellos nicht mehr der Fall, da das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, mithin eine Verteidigung gegen die rechtskräftige Entscheidung nicht mehr möglich ist. Zumal da der Verurteilte im Hinblick auf das landgerichtliche Urteil nicht auf den Wortlaut dieser Entscheidung angewiesen ist, um zu verstehen, was ihm vorgeworfen wird.
29
Hinzu tritt, dass der Verurteilte zwei Rechtsanwälte mit seiner Vertretung beauftragt hat – wobei sich die zweite Rechtsanwältin am 18. Dezember 2017, mithin nach rechtskräftigem Abschluss des Erkenntnisverfahrens für ihn gemeldet hat – mit denen er sein weiteres Vorgehen, insbesondere die Erfolgsaussichten außerordentlicher Rechtsbehelfe abstimmen kann.
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(5) Etwas anderes ergibt sich entgegen dem Vorbringen des Verurteilten auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Verurteilte möglicherweise gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde einlegen oder das Wiederaufnahmeverfahren beschreiten möchte. Denn bei beidem handelt es sich nicht um Rechtsmittel , die gegen das Urteil des Senats eingelegt werden könnten. Insoweit ist von dem unionsrechtlich geprägten Begriff des Rechtsmittels auszugehen, wonach die Verfassungsbeschwerde ebenso außer Betracht zu bleiben hat wie die Möglichkeit des Wiederaufnahmeverfahrens (Streinz in Ehricke, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 267 Rn. 42; Wegener in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 267 Rn. 27 jeweils mwN). Soweit dagegen vereinzelt eingewandt wird, der Begriff des Rechtsmittelverfahrens in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie sei nicht in einem technischen Sinne zu verstehen (so Schneider, StV 2015, 379, 380, die ihr divergierendes Verständnis an der Begrifflichkeit „any appeal“ festmacht; vgl. hierzu auch Oglakcioglu in MünchKomm, StPO, 1. Aufl., § 187 GVG Rn. 47), lässt dies sowohl den offenkundigen Gesamtzusammenhang der Vorschrift, in welcher der Abschluss des Strafverfahrens als zeitliche Grenze beschrieben wird („… until the conclusion of the proceedings, which is understood to mean the final determination of the question whether they have committed the of- fence, including, where applicable sentencing and the resolution of any appeal“), als auch die Ziele der Richtlinie und das herkömmliche unionsrechtli- che Verständnis des Begriffs Rechtsmittelverfahren unbeachtet.
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Anhaltspunkte dafür, dass die rechtskundigen Verteidiger ihrer Aufgabe, die Rechte des Verurteilten wahrzunehmen, nicht gewachsen sein könnten, wenn nicht der rechtsunkundige Verurteilte in den Stand gesetzt werde, von sich aus aufgrund eigener Kenntnis der Urteilsgründe Hilfen anzubieten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 Rn. 57, BVerfGE 64, 135, 155; zum ausnahmsweise berechtigten Interesse des fachkundigen Angeklagten , vgl. Krauß aaO Rn. 14), sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
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bb) Für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 187 GVG in dem vom Verurteilten erstrebten Sinne ist nach alldem ebenso wenig Raum wie – schon ungeachtet ihrer vollständigen Umsetzung in das deutsche Recht – für einen Anspruch auf Übersetzung unmittelbar aus der Richtlinie.
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cc) Die von der Verteidigung hilfsweise beantragte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist schon deswegen nicht veranlasst, weil die dargelegte Auslegung der Richtlinie offenkundig und zweifelsfrei ist (vgl. zum Maßstab BVerfG, Beschlüsse vom 9. Mai 2018 – 2 BvR 37/18 Rn. 26 ff. mwN und vom 30. August 2010 – 1 BvR 1631/08, NJW 2011, 288 Rn. 47 ff.; EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs 283/81, NJW 1983, 1257 f.; BGH, Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/14, NJW 2014, 2595, 2598 Rn. 33 mwN).
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c) Ein Anspruch auf Übersetzung kann sich auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG ergeben. Vom Schutzbereich des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör wird die Frage nicht mehr umgriffen, ob und in welchem Umfang ein der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtiger Verfahrensbeteiligter einen Anspruch darauf hat, dass das Gericht ihm über einen Dolmetscher oder Übersetzer zur Überbrückung von Verständigungsschwierigkeiten verhilft. Das Grundgesetz begegnet den aus solchen Verständigungsproblemen erwachsenden Gefährdungen nicht durch Art. 103 Abs. 1 GG, sondern durch die Gewährleistung eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens, auf das der im Strafverfahren Angeklagte gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einen grundrechtlich gesicherten Anspruch hat (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 Rn. 33, BVerfGE 64, 135, 144 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 1961/09).
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d) Aber auch aus der Gewährleistung eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens folgt bei rechtskräftigem Abschluss des strafrechtlichen Erkenntnisverfahrens kein Anspruch auf Übersetzung. An dem Recht auf ein faires Verfahren sind diejenigen Beschränkungen zu messen, die von den speziellen Gewährleistungen der grundgesetzlichen Verfahrensgrundrechte nicht erfasst werden. Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht – auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte – ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 Rn. 69 ff., BVerfGE 122, 248, 271 ff. mwN). Das ist nach den oben dargelegten Erwägungen (b) nicht der Fall.
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e) Der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG, nach dem niemand wegen seiner Sprache benachteiligt oder bevorzugt werden darf, ist nicht verletzt. Nicht jede Benachteiligung oder Bevorzugung reicht für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 3 GG aus, vielmehr hat dieses Differenzierungsverbot nur die Bedeutung, dass die aufgeführte Verschiedenheit keine rechtlichen, nicht aber auch, dass sie keine sonstigen Wirkungen haben dürfte. Der Verurteilte wird dadurch, dass rechtskräftige Strafurteile ihm, wie jedermann, nur in dieser Form schriftlich bekannt gegeben werden, rechtlich nicht benachteiligt. Denn damit wird seine Sprache nicht als Anknüpfungspunkt für Rechtsnachteile verwendet. Zum Ausgleich sprachbedingter Erschwernisse, die im Tatsächlichen auftreten, verpflichtet das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 Rn. 61 ff., BVerfGE 64, 135, 156 f.).
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3. Darauf, dass der Verurteilte rechtsanwaltlichen Beistand hat, kommt es danach nicht mehr tragend an. Ausgehend vom abgestuften System in § 187 Abs. 2 GVG (BT-Drucks. 17/12578, S. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 187 GVG Rn. 4) ist eine schriftliche Übersetzung regelmäßig dann nicht notwendig, wenn der Angeklagte verteidigt ist (§ 187 Abs. 2 Satz 5 GVG). In diesem Fall wird die effektive Verteidigung des sprachunkundigen Angeklagten schon für nicht rechtskräftige Urteile dadurch ausreichend gewährleistet, dass der Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt und der Angeklagte die Möglichkeit hat, das Urteil mit ihm – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – zu besprechen (BT-Drucks. 17/12578, S. 12; vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 Rn. 33 ff., BVerfGE 64, 135, 144 ff.; BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2018 – 4 StR 506/17 Rn. 5; vom 30. November 2017 – 5 StR 455/17, NStZ-RR 2018, 57, 58 und vom 9. Februar 2017 – StB 2/17, NStZ 2017, 601, 602; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11. Mai 2016 – 1 Ws 82/16, juris Rn. 11; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Januar 2014 – 2 StE 2/12, StV 2014, 536, 537).
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ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2018 - 1 StR 320/17

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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Strafprozeßordnung - StPO | § 304 Zulässigkeit


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Strafprozeßordnung - StPO | § 238 Verhandlungsleitung


(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person

Strafprozeßordnung - StPO | § 37 Zustellungsverfahren


(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der z

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 187


(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Besc

Strafprozeßordnung - StPO | § 478 Form der Datenübermittlung


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Strafprozeßordnung - StPO | § 36 Zustellung und Vollstreckung


(1) Die Zustellung von Entscheidungen ordnet der Vorsitzende an. Die Geschäftsstelle sorgt dafür, daß die Zustellung bewirkt wird. (2) Entscheidungen, die der Vollstreckung bedürfen, sind der Staatsanwaltschaft zu übergeben, die das Erforderliche ve

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(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

3
1. Die nach § 187 GVG zu beurteilende Entscheidung, ob eine schriftliche Übersetzung des vollständig abgefassten Urteils anzufertigen und dem Angeklagten zu übermitteln ist, fällt in die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts; als Maßnahme der Verfahrensleitung entscheidet der Vorsitzende (OLG Hamburg, Beschluss vom 6. Dezember 2013 – 2 Ws 253/13, inso- fern nicht abgedruckt in StV 2014, 534; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl., § 186 GVG Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 187 GVG Rn. 1a; Kissel/ Mayer, GVG, 8. Aufl., § 186 Rn. 15 und § 187 Rn. 8).

Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 können auch durch Überlassung von Kopien aus den Akten erfolgen.

(1) Die Zustellung von Entscheidungen ordnet der Vorsitzende an. Die Geschäftsstelle sorgt dafür, daß die Zustellung bewirkt wird.

(2) Entscheidungen, die der Vollstreckung bedürfen, sind der Staatsanwaltschaft zu übergeben, die das Erforderliche veranlaßt. Dies gilt nicht für Entscheidungen, welche die Ordnung in den Sitzungen betreffen.

(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(3) Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.

(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

2
Die Beschwerde ist unzulässig. Gegen die Entscheidung des Senatsvorsitzenden gemäß § 350 Abs. 3 StPO ist ein Rechtsmittel nicht statthaft. Der Zulässigkeit einer Beschwerde steht entgegen, dass Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nach § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht anfechtbar sind; dies gilt auch für Entscheidungen eines Senatsvorsitzenden des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 27. April 2001 – 3 StR 112/01, NStZ 2001, 551; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 304 Rn. 10).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

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Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung wird überwiegend aus Art. 4 Abs. 3 EUV (früher: Art. 10 EGV) und aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (früher : Art. 249 Abs. 3 EGV) abgeleitet (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 52; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 6 ff.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 37). Richtlinienkonform auszulegen sind dabei zunächst diejenigen Vorschriften, die unmittelbar der Umsetzung einer EU-Richtlinie dienen (Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 63; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10); darüber hinaus ist aber auch das sonstige nationale Recht im Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts auszulegen, selbst wenn es sich um Vorschriften handelt, die vor oder unabhängig von dem Erlass der Richtlinie ergangen sind (EuGH, Urteil vom 13. November 1990 – C-106/89; Urteil vom 14. Juli 1994 – C-91/92, NJW 1994, 2473, 2474; Urteil vom 16. Juli 1998 – C-355/96, NJW 1998, 3185, 3187).

Tenor

Der Antrag des Untergebrachten auf Übersetzung der Senatsentscheidung vom 16.08.2013 – 2 Ws 426/13 – in die arabische Sprache wird abgelehnt.


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(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

Tenor

1. Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 20. Dezember 2017 - 1 Ausl (A) 53/17 (54/17) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes; er wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückverwiesen.

3. Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, nach Rumänien zum Zwecke der Strafvollstreckung. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen mit Blick auf die dortigen Haftbedingungen.

I.

2

1. Auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Urziceni (Rumänien) vom 26. Februar 2016 wurde der Beschwerdeführer am 24. Oktober 2017 festgenommen. Dem Haftbefehl liegt eine Entscheidung des Berufungsgerichts in Bukarest vom 18. Februar 2016 zugrunde, in der die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie Fahrens mit einem nicht zugelassenen Fahrzeug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten in zweiter Instanz rechtskräftig bestätigt wurde.

3

2. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2017 ordnete das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein die Auslieferungshaft gegen den Beschwerdeführer an. Die Auslieferung erscheine nicht von vornherein unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats spreche unter Beachtung der Vorgaben der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 5. April 2016 (EuGH, Ur- teil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C-404/15 und C-659/15 PPU, EU:C:2016:198) grundsätzlich nichts gegen die Zulässigkeit einer Auslieferung nach Rumänien.

4

3. Daraufhin ersuchte die Generalstaatsanwaltschaft unter Verweis auf das Urteil des EuGH das Amtsgericht Urziceni unter dem 10. November 2017 um eine genaue Beschreibung der Haftbedingungen, die den Beschwerdeführer in Rumänien erwarten würden, insbesondere die Größe des Haftplatzes, die Dauer der täglichen Unterbringung in der Zelle sowie die Abtrennung sanitärer Einrichtungen.

5

4. In einer Stellungnahme vom 23. November 2017 stellten die rumänischen Behörden die im Fall der Auslieferung zu erwartenden Haftbedingungen dar. Die Nationalverwaltung der Justizvollzugsanstalten versichere insbesondere, dass der Beschwerdeführer die Strafe höchstwahrscheinlich in der Justizvollzugsanstalt Constanta - Poarta Alba oder in einer anderen Vollzugsanstalt verbüßen werde, wo ihm im Fall der Strafvollstreckung in einem halboffenen oder offenen Haftregime ein individueller Mindestraum von 2 m2, einschließlich Bett und Möbel, zur Verfügung stehen werde.

6

5. Mit Verfügung vom 28. November 2017 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig zu erklären. Aus der Stellungnahme der rumänischen Behörden ergäben sich Haftbedingungen, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) nicht erkennen ließen.

7

6. Dem trat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 entgegen. Maßgeblich für die Beachtung von Art. 4 GRCh seien die in der Entscheidung vom 5. April 2016 (EuGH, Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C-404/15 und C-659/15 PPU, EU:C:2016:198) aufgestellten Maßstäbe. In der Stellungnahme der rumänischen Behörden werde ein individueller Mindestraum von 2 m2 zugesichert, inklusive der Stellfläche für Bett und Möbel. Dies genüge unter keinen Umständen menschenrechtlichen Mindeststandards und könne auch nicht durch die Möglichkeit kompensiert werden, sich tagsüber relativ frei zu bewegen.

8

7. Mit angegriffenem Beschluss vom 20. Dezember 2017 erklärte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig. Gegen die beabsichtigte Bewilligung der Auslieferung würden mit der Maßgabe, dass die Freiheitsstrafe während ihrer gesamten Dauer ausschließlich in Haftanstalten vollzogen werde, die den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen entsprächen, sowie mit der Maßgabe, dass Angehörigen der Deutschen Botschaft jederzeit kurzfristig Gelegenheit gegeben werde, den Beschwerdeführer in der Haft aufzusuchen und sich über die konkreten Haftbedingungen zu informieren, keine Bedenken geltend gemacht.

9

Die in Rumänien herrschenden Haftbedingungen ließen eine Auslieferung nicht als unzulässig erscheinen. Dem Senat sei aus mehreren Verfahren bekannt, dass Auslieferungshäftlinge zunächst einen Zeitraum von drei Wochen in einer zentralen Haftanstalt verbrächten und dann von dort in andere Haftanstalten verlegt würden, die insgesamt den Anforderungen entsprächen, die der Europäische Gerichtshof als Mindeststandard fordere. Dass dies auch im vorliegenden Fall so sein werde, ergebe sich aus den ergänzenden Informationen, die das Amtsgericht Urziceni auf Bitte des Generalstaatsanwalts des Landes Schleswig-Holstein übersandt habe. Diesen Erklärungen dürfe im "gemeinsamen europäischen Rechtsraum des Vertrauens" ohne Weiteres geglaubt werden. Es sei nicht bekannt, dass Erklärungen der rumänischen Behörden im Einzelfall nicht eingehalten worden seien.

10

Ob das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Zulässigkeit von Auslieferungen nach Rumänien unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der sich aus dem Grundgesetz ergebenden Grundrechte Anforderungen an die Haftbedingungen stellen werde, die über diejenigen des Europäischen Gerichtshofs und der Europäischen Menschenrechtskonvention hinausgingen, stehe zurzeit nicht fest. Wenn eine Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für unzulässig, weil grundrechtswidrig, erklärt werden sollte, käme dies nach Auffassung des Senats im Übrigen einer Bankrotterklärung des deutschen Rechtshilferechts gleich.

11

Der Beschluss ging dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 2. Januar 2018 zu.

12

8. In einer Gegenvorstellung vom 3. Januar 2018 widersprach der Beschwerdeführer der Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts insofern, als darin konkludent angenommen werde, dass durch die Stellungnahme der rumänischen Behörden den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Genüge getan werde. Seitens der rumänischen Behörden sei für die Haftzeit ein Haftraum von mindestens 2 m2 inklusive Bett und Schrank zugesagt worden. Der Gerichtshof habe aber bereits entschieden, dass ein Mindesthaftraum von unter 3 m2 exklusive Bett und Schrank die Europäische Menschenrechtskonvention verletze (EGMR , Muršić v. Croatia, Urteil vom 20. Oktober 2016, Nr. 7334/13).

13

9. Am 22. Dezember 2017 bewilligte die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein die Auslieferung des Beschwerdeführers unter den in der Zulässigkeitsentscheidung aufgeführten Maßgaben.

II.

14

1. Mit seiner am 8. Januar 2018 fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 20. Dezember 2017 und rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG.

15

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und verweist auf die erhebliche Vergleichbarkeit des Falles mit dem beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren 2 BvR 424/17. Ergänzend führt er im Wesentlichen Folgendes aus: Auslieferungsrechtliche Fragestellungen seien grundsätzlich auf der Ebene des Unionsrechts zu prüfen; eine Prüfung aufgrund nationalen Rechts komme nur noch nach Maßgabe der Identitätskontrolle (BVerfGE 140, 317) in Betracht. Dabei sei nicht ausgeschlossen, dass nationale Schutzvorschriften weiter gehen könnten als unionsrechtliche, da die Schutzvorschriften insbesondere der EMRK lediglich ein unionsrechtliches Minimum normierten und bei der Auslegung der nationalen Grundrechte ergänzend heranzuziehen seien. Vorliegend habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 20. Oktober 2016, Muršić v. Croatia, Nr. 7334/13, bereits entschieden, dass eine starke Vermutung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe, wenn der persönliche Raum des Häftlings unter 3 m2 falle. Der in Rumänien zu erwartende Mindestraum von 2 m2 stelle danach sowohl einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK als auch gegen Art. 1 Abs. 1 GG dar.

16

2. Auf den mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die 2. Kammer des Zweiten Senats mit Beschluss vom 12. Januar 2018 die Übergabe des Beschwerdeführers an die rumänischen Behörden bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, auf Grundlage einer Folgenabwägung untersagt (vgl. § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, § 32 Abs. 1 BVerfGG).

17

3. Dem Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Das Ministerium hat mitgeteilt, von einer Stellungnahme abzusehen.

18

4. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Ihnen ist zu entnehmen, dass das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Auslieferungshaftbefehl mit Beschluss vom 28. Februar 2018 unter Auflagen außer Vollzug gesetzt hat; der Beschwerdeführer wurde am selben Tag aus der Haft entlassen.

B.

19

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt.

I.

20

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere genügt sie - auch unter den erhöhten Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Identitätskontrolle - den aus § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz und § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen. Danach muss im Einzelnen substantiiert dargelegt werden, inwieweit im konkreten Fall die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Garantie der Menschenwürde verletzt ist (vgl. BVerfGE 140, 317 <341 f. Rn. 50>). Der Beschwerdeführer setzt sich unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs der Europäischen Union mit der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Haftraumgröße auseinander und legt dar, dass und warum eine Verletzung der Menschenwürdegarantie durch die im Zielstaat konkret in Aussicht stehenden Haftbedingungen möglich erscheint.

II.

21

Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

22

Die angegriffene Entscheidung verletzt das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Beschwerdeführer hat einen solchen Verfassungsverstoß zwar nicht ausdrücklich gerügt, dies hindert das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht, im Rahmen einer zulässigen Verfassungsbeschwerde seine Prüfung hierauf zu erstrecken (vgl. BVerfGE 6, 376 <385>; 17, 252 <258>; 54, 117 <124>; 58, 163 <167>; 71, 202 <204>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 36).

23

1. a) Bei Zweifelsfragen über die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht haben die Fachgerichte diese zunächst dem EuGH vorzulegen. Dieser ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 f.>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 Rn. 177>; stRspr). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 f. Rn. 177>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des EuGH nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316 Rn. 91>), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 Rn. 177>).

24

aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, Slg. 1982, S. 3415 ff. Rn. 21) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>; 135, 155 <231 Rn. 178>; 140, 317 <376 Rn. 125>).

25

bb) Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Normen, die die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung regeln, jedoch nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 Rn. 179>). Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Vielmehr ist das Bundesverfassungsgericht gehalten, seinerseits die Kompetenzregeln zu beachten, die den Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung übertragen (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>; 135, 155 <231 Rn. 179>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 39).

26

b) Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV. Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 f. Rn. 180>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 180>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; 135, 155 <232 Rn. 180>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 40).

27

aa) Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195>; 126, 286 <316>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 181>). Dies gilt erst recht, wenn sich das Gericht hinsichtlich des (materiellen) Unionsrechts nicht hinreichend kundig macht. Es verkennt dann regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht (vgl. BVerfGK 8, 401 <405>; 11, 189 <199>; 13, 303 <308>; 17, 108 <112>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 41). Dies gilt auch, wenn es offenkundig einschlägige Rechtsprechung des EuGH nicht auswertet. Um eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu ermöglichen, hat es die Gründe für seine Entscheidung über die Vorlagepflicht anzugeben (BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Dezember 2014 - 2 BvR 1549/07 -, juris, Rn. 21 und vom 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08 -, juris, Rn. 56; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2017 - 2 BvR 987/16 -, juris, Rn. 7).

28

bb) Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 182>).

29

cc) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des EuGH hingegen noch nicht vor, hat die bestehende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <317>; 128, 157 <188>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 f. Rn. 183>). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte éclairé" willkürlich bejahen. Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des EuGH muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; 135, 155 <233 Rn. 184>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 135, 155 <233 Rn. 184>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé"; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; 135, 155 <233 Rn. 184>). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage ohne sachliche Begründung bejaht (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 135, 155 <233 Rn. 185>).

30

2. Die Voraussetzungen einer Vorlage an den EuGH lagen vor (a). Das Oberlandesgericht hat angesichts einer unvollständigen Rechtsprechung des EuGH (b) mit der Nichtvorlage seinen Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten (c) und damit das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

31

a) Die Voraussetzungen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH lagen vor.

32

aa) Gemäß Art. 51 GRCh sind die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts an die in der Charta niedergelegten Grundrechte gebunden. Fragen zu deren Inhalt und Reichweite können beziehungsweise müssen dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt werden (vgl. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 267 AEUV Rn. 22 ). Dies ist in dem unionsrechtlich determinierten Verfahren der Auslieferung im Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl der Fall (vgl. BVerfGE 140, 317 <343 Rn. 52>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 46).

33

bb) Das Oberlandesgericht ist auch ein zur Vorlage verpflichtetes Gericht im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV, weil seine Entscheidungen im Auslieferungsverfahren nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

34

cc) Der Schutzumfang der Unionsgrundrechte, insbesondere von Art. 4 GRCh, im unionsrechtlich determinierten Verfahren einer Auslieferung auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls und die Frage nach den unionsgrundrechtlich gebotenen Ausnahmen von der im Rahmenbeschluss angelegten Verpflichtung zur Befolgung eines Auslieferungsgesuchs sind angesichts defizitärer Haftbedingungen im Zielstaat auch entscheidungserheblich (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 48). Zu klären ist insbesondere, inwieweit Art. 4 GRCh unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auszulegen ist (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh) und ob die Prüfung der Vereinbarkeit der Haftbedingungen mit Unionsgrundrechten eine Gesamtbetrachtung erfordert (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 48).

35

dd) Angesichts der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des EuGH (dazu unten b) sind auch keine Ausnahmen von der unionsrechtlichen Vorlagepflicht des Oberlandesgerichts ersichtlich, etwa weil die entscheidungserhebliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, Slg. 1982, S. 3415 ff. Rn. 21).

36

b) Die Rechtsprechung des EuGH zu der entscheidungserheblichen Frage ist nicht vollständig. Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. April 2016 festgestellt, dass die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der betroffenen Person im Zielstaat führen dürfe und dass eine Verpflichtung der vollstreckenden Justizbehörden bestehe, bei Vorliegen von Anhaltspunkten für systemische Mängel im Strafvollzug des Zielstaats zu prüfen, ob es unter den konkreten Umständen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gebe, die betroffene Person werde im Anschluss an ihre Übergabe der echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung in diesem Mitgliedstaat ausgesetzt sein (EuGH, Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C-404/15 und C-659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 88 ff.). Könne das Vorliegen einer solchen Gefahr nach Anforderung zusätzlicher Informationen vom Zielstaat und Anordnung eines Aufschubs der Auslieferung nicht innerhalb einer angemessenen Frist ausgeschlossen werden, müsse die vollstreckende Justizbehörde darüber entscheiden, ob das Übergabeverfahren zu beenden sei (EuGH, Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C-404/15 und C-659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 103 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 50).

37

Der Gerichtshof hat jedoch die hier entscheidungserhebliche Frage, welche Mindestanforderungen an Haftbedingungen aus Art. 4 GRCh konkret abzuleiten sind und nach welchen Maßstäben Haftbedingungen unionsgrundrechtlich zu bewerten sind, bisher nicht abschließend geklärt. Zwar ist mit Blick auf Art. 52 Abs. 3 GRCh und dessen Zweck, ein Auseinanderlaufen der Gewährleistungen der Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention zu verhindern, davon auszugehen, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK bei der Bestimmung des Gewährleistungsgehalts von Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist. Der EuGH hat aber eine vollständige Übertragung dieser Rechtsprechung weder in seinem Urteil in den Sachen Aranyosi und Căldăraru noch in vorangegangenen Entscheidungen explizit vorgenommen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 -, juris, Rn. 51 m.w.N.). Auch nach dem Urteil des Gerichtshofs in den Sachen Aranyosi und Căldăraru bleibt dessen Rechtsprechung hinsichtlich der Frage, welche Anforderungen Art. 4 GRCh an die Haftbedingungen im Zielstaat einer Auslieferung stellt, demnach unvollständig.

38

c) Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer jedenfalls dadurch in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, dass es den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen im Hinblick auf seine Vorlagepflicht in unvertretbarer Weise überschritten hat. Die einschlägige und von dem Beschwerdeführer im Verfahren in Bezug genommene Rechtsprechung des EuGH und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat das Oberlandesgericht nicht ausgewertet. Stattdessen geht das Gericht ohne weitere Begründung und damit offensichtlich unhaltbar davon aus, die von dem Beschwerdeführer in Rumänien zu erwartenden Haftbedingungen entsprächen den Anforderungen, die der EuGH beziehungsweise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als Mindeststandard fordere. Dabei bleibt offen, von welchen Mindeststandards das Oberlandesgericht überhaupt ausgeht und welche Auswirkungen sich aus der von dem Beschwerdeführer im Verfahren angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf diese Standards ergeben. Ebenso fehlt eine sachliche Begründung dafür, warum im Hinblick auf den Gewährleistungsgehalt von Art. 4 GRCh in Bezug auf konkrete Haftbedingungen eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage vorliegen soll.

39

3. Ob die angegriffenen Entscheidungen auch die Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 Abs. 1 GG verletzen, kann angesichts des festgestellten Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG derzeit dahinstehen.


C.

40

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Dezember 2007 - I ZR 94/05 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. April 2008 - I ZR 94/05 - gegenstandslos.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen die Frage, ob der Bundesgerichtshof mit der Ablehnung einer Vergütungspflicht ("Geräteabgabe") für Drucker und Plotter auf der Grundlage von § 54a Urheberrechtsgesetz in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 25. Juli 1994, BGBl I S. 1739 (im Folgenden: UrhG a.F.) verfassungsmäßige Rechte von Urhebern oder der Beschwerdeführerin als Verwertungsgesellschaft verletzt.

I.

2

Nach der urheberrechtlichen Schrankenregelung des § 53 UrhG sind Vervielfältigungen eines Werkes zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch in gewissen Grenzen zulässig. Zum Ausgleich haben - nach dem im Streitfall anwendbaren Recht - der Hersteller sowie der Importeur von Geräten, die zur Vornahme von Vervielfältigungen bestimmt sind, eine angemessene Vergütung für die durch die Veräußerung oder sonstiges Inverkehrbringen der Geräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen, an die Urheber zu leisten, wenn nach der Art eines Werkes zu erwarten ist, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigt wird, § 54a Abs. 1 UrhG a.F. Dieser Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden, § 54h UrhG a.F. Als angemessene Vergütung gelten nach § 54d Abs. 1 UrhG a.F. die in der Anlage zu dieser Vorschrift bestimmten Sätze, soweit nicht etwas anderes vereinbart wird. Diese Form einer Geräteabgabe hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß angesehen (vgl. BVerfGE 31, 255 <265 ff.>; 79, 1 <26 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 1996 - 1 BvR 1767/92 -, GRUR 1997, S. 123). Denn die Aneignung fremder Urheberleistung werde von den Geräteherstellern "unmittelbar zweckveranlasst" (vgl. BVerfGE 79, 1 <26>).

3

Der Bundesgerichtshof hat in früheren Entscheidungen die Geräteabgabe unter anderem bei Readerprintern für anwendbar gehalten, also Geräten, mit denen mikroverfilmtes Material lesbar sowie kopierbar gemacht werden kann (vgl. BGHZ 121, 215). Er hat es dabei für die Zweckbestimmung im Sinne von § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. genügen lassen, dass die Geräte ihrem Zweck entsprechend jedenfalls auch zum Kopieren geschützten Materials eingesetzt würden. Hier und in einer weiteren Entscheidung zu Telefaxgeräten (vgl. BGHZ 140, 326 <329 ff.>) hat der Bundesgerichtshof betont, es komme bei der Prüfung der Vergütungspflichtigkeit nach § 54a UrhG a.F. nicht auf den Umfang der urheberrechtsrelevanten Verwendung an, sondern auf die durch die Veräußerung der Geräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen. Bei Telefaxgeräten mit Einzugsschlitz oder Stapeleinzug ging der Bundesgerichtshof allerdings von einem geringen Umfang der urheberrechtsrelevanten Verwendung aus, so dass nicht die gesetzlichen Vergütungssätze der Anlage zu § 54d UrhG a.F., sondern eine geringere "angemessene Vergütung" geschuldet sei, dies auch angesichts der niedrigen Preise, zu denen solche Geräte angeboten würden (vgl. BGHZ 140, 326 <333 f.>). Schließlich hatte der Bundesgerichtshof in einem weiteren Rechtsstreit die Frage zu beurteilen, wie die Vergütungspflicht im Falle einer Funktionseinheit mehrerer Geräte - PC, Scanner, Drucker - auszugestalten ist. Hierbei sei das Gerät mit der urheberrechtlichen Vergütung zu belasten, das am deutlichsten dazu bestimmt sei, wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden, somit der Scanner (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - I ZR 335/98 -, GRUR 2002, S. 246).

4

Das Urheberrecht wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2008 durch das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 (BGBl I S. 2513) gerade auch im Hinblick auf die hier in Frage stehende Vergütung für erlaubte Privatkopien grundlegend novelliert. Drucker und Plotter dürften nach der neuen Fassung von § 54 Abs. 1 UrhG zu den vergütungspflichtigen Geräten gehören (so z.B. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 54 Rn. 6 f.). Übergangsweise galten die früheren Sätze nach § 27 Abs. 1 Satz 3 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl I S. 1294) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 (WahrnG n.F.) bis zum 1. Januar 2010 fort, sofern zuvor noch keine entsprechenden Tarife aufgestellt waren.

II.

5

1. Die Beschwerdeführerin nimmt die Urheberrechte der ihr angeschlossenen Wortautoren wahr. Sie wurde im Ausgangsverfahren zugleich im Auftrag der Verwertungsgesellschaft B-K... als Prozessstandschafterin tätig. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens importiert und verkauft unter anderem Drucker und Plotter (künftig teilweise einfach: Drucker).

6

Die Parteien stritten darüber, ob Drucker und Plotter zu den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. gehören. Die Beschwerdeführerin nahm die Beklagte auf Auskunft über die Art und Anzahl der durch sie seit dem 1. April 2001 im Inland veräußerten oder sonst in Verkehr gebrachten Drucker und Plotter, über die Leistung dieser Geräte sowie über ihre inländischen Bezugsquellen in Anspruch. Sie begehrte zudem die Feststellung, dass die Beklagte ihr für jedes Gerät einen Betrag gemäß dem von ihr zusammen mit der Verwertungsgesellschaft B-K... aufgestellten und im Bundesanzeiger (Nr. 63 vom 30. März 2001, S. 5667) veröffentlichten Tarif zu zahlen habe.

7

Die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) bejahte in ihrem Einigungsvorschlag dem Grunde nach eine Vergütungspflicht der Hersteller und Importeure von Druckern und Plottern und schlug Vergütungssätze vor, die unterhalb der in der Anlage zu § 54d UrhG a.F. vorgesehenen Sätze und auch noch unterhalb der von den Verwertungsgesellschaften aufgestellten Sätze lagen. Die Beklagte nahm diesen Vorschlag nicht an.

8

Landgericht und Oberlandesgericht gaben den Auskunftsansprüchen der Beschwerdeführerin in vollem Umfang und dem Feststellungsantrag dem Grunde nach statt.

9

2. Der Bundesgerichtshof hat hingegen mit Urteil vom 6. Dezember 2007 das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (veröffentlicht unter anderem in BGHZ 174, 359). Der Beschwerdeführerin stehe kein Zahlungsanspruch und demzufolge auch kein Auskunftsanspruch zu. Denn bei Druckern und Plottern handle es sich nicht um Geräte, die im Sinne des § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. zur Vornahme von Vervielfältigungen durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung bestimmt seien.

10

a) Soweit ein Drucker im Zusammenspiel mit einem Scanner und einem PC verwendet wird, sei er zwar geeignet, aber nicht dazu bestimmt, Vervielfältigungen in einem Verfahren vorzunehmen, das eine der Ablichtung vergleichbare Wirkung hat. Innerhalb der aus Scanner, PC und Drucker gebildeten Funktionseinheit sei nur der Scanner zur Vornahme von Vervielfältigungen bestimmt und damit vergütungspflichtig. Können Geräte nur im Zusammenwirken mit anderen Geräten die Funktion eines Vervielfältigungsgeräts erfüllen, unterfielen grundsätzlich nicht sämtliche Geräte der Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. Eine derartige Aufteilung der Vergütungspflicht würde schon deswegen der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen, weil im Gesetz feste Vergütungssätze vorgesehen seien. Die im Streitfall anwendbare (frühere) gesetzliche Regelung lasse eine Aufteilung der Vergütung auf funktionell zusammenwirkende Geräte nach dem Maß, in dem die Geräte als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen genutzt werden, nicht zu. Wäre für alle oder mehrere Geräte einer solchen Funktionseinheit jeweils der für ein Vervielfältigungsgerät gesetzlich festgelegte Vergütungssatz zu zahlen, würde dies entgegen § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. zu einer unangemessenen Vergütung führen, weil die Leistung der gesamten Funktionseinheit nur der Leistung eines Vervielfältigungsgeräts entspreche. Es sei dasjenige Gerät vergütungspflichtig, das am deutlichsten dazu bestimmt sei, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden, also der Scanner.

11

b) Werde hingegen ein Drucker nur in Kombination mit einem PC verwendet, sei er schon nicht geeignet, Vervielfältigungen im Sinne des § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. vorzunehmen.

12

aa) Die Regelung des § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. gelte unmittelbar nur für Vervielfältigungen, die durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vorgenommen würden. Mit der Ablichtung eines Werkstücks sei nach den Gesetzesmaterialien dessen fotomechanische Vervielfältigung im Wege der - unter dem einheitlichen Begriff der Reprographie zusammengefassten - Vervielfältigungstechniken der Fotokopie und der Xerokopie gemeint. Soweit mit der aus PC und Drucker zusammengesetzten Funktionseinheit Vervielfältigungen erstellt würden, geschehe dies auch nicht in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung. Denn darunter seien nur Verfahren zur Vervielfältigung von Druckwerken zu verstehen. Mit einer aus PC und Drucker bestehenden Gerätekette könnten keine (analogen) Druckwerke, sondern nur digitale Vorlagen vervielfältigt werden. Maßgeblich sei jedoch, dass die Vervielfältigung - wie bei einer Ablichtung - bewirke, dass von einem analogen Werkstück (etwa einem Buch) analoge Vervielfältigungsstücke (vor allem auf Papier) entstehen. Die Systematik des Gesetzes deute gleichfalls darauf hin, dass § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. nur für die Vervielfältigung von Druckwerken gelte.

13

Den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber des Jahres 1985 mit § 54 Abs. 2 UrhG - der Vorgängerregelung zu § 54a UrhG a.F. - eine Vergütungspflicht für Geräte habe schaffen wollen, die zur Vervielfältigung von Druckwerken verwendet werden könnten. Gehe es darum, wie ein bei Schaffung des Gesetzes noch nicht bekannter Vorgang urheberrechtlich zu beurteilen sei, könne die Antwort häufig nicht allein anhand der Begriffe gefunden werden; vielmehr sei zu fragen, ob der in Rede stehende Vorgang funktional dem entspreche, was der Gesetzgeber als regelungsbedürftig angesehen habe. Die Funktionalität einer Gerätekombination aus PC und Drucker entspreche nicht derjenigen eines herkömmlichen Kopiergeräts, weil mit einer derartigen Funktionseinheit nur digitale, nicht aber analoge Vorlagen vervielfältigt werden könnten.

14

bb) Eine entsprechende Anwendung des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. komme gleichfalls nicht in Betracht. Denn die Interessenlage bei der - mit der Gerätekombination aus PC und Drucker allein möglichen - Vervielfältigung digitaler Vorlagen sei mit der - vom Gesetzgeber als regelungsbedürftig angesehenen - Interessenlage bei der Vervielfältigung gedruckter Vorlagen nicht vergleichbar.

15

Der Vergütungsanspruch des § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. setze Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG voraus. Er solle dem Urheber einen Ausgleich für die ihm aufgrund der gesetzlichen Lizenz entgehenden individual-vertraglichen Lizenzeinnahmen verschaffen. Der Vergütungsanspruch bestehe daher nicht, soweit die Vervielfältigungen nicht der gesetzlichen Lizenz des § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG bedürften, weil sie bereits aufgrund einer Einwilligung des Berechtigten zulässig seien. Anders als bei Druckwerken liege bei digitalen Vorlagen häufig eine solche Einwilligung des Berechtigten vor. Im Übrigen müsse ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich mache, zumindest damit rechnen, dass diese Inhalte heruntergeladen oder ausgedruckt würden; mit Rücksicht hierauf könne unter Umständen eine konkludente Einwilligung in Vervielfältigungen anzunehmen sein. Das unberechtigte Vervielfältigen digitaler Werke könne außerdem mithilfe technischer Schutzmaßnahmen (sog. Digital-Rights-Management-Systeme) jedenfalls erschwert werden, während es für Druckwerke keine entsprechenden Schutzvorkehrungen gegen ein Vervielfältigen etwa durch Fotokopieren oder Scannen gebe.

16

Die Wahrscheinlichkeit, dass von digitalen Vorlagen ohne Einwilligung des Berechtigten Ausdrucke angefertigt würden, sei demnach deutlich geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass Druckwerke ohne Einwilligung des Berechtigten vervielfältigt würden. Unter diesen Umständen sei eine entsprechende Anwendung des § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. auf die Vervielfältigung digitaler Vorlagen nicht gerechtfertigt. Andernfalls hätten die Hersteller, Importeure und Händler sowie letztlich die Erwerber von Druckern die wirtschaftliche Last der urheberrechtlichen Vergütung zu tragen, obwohl Drucker im Vergleich zu den von der gesetzlichen Regelung erfassten Kopiergeräten nur zu einem wesentlich geringeren Anteil für urheberrechtlich relevante Vervielfältigungen eingesetzt würden. Hinzu komme, dass das Gesetz Hersteller, Importeure und Händler von Kopiergeräten ohnehin nur aus Praktikabilitätsgründen mit einer Vergütungspflicht belaste, obwohl nicht sie selbst, sondern allenfalls die Käufer mit den Geräten urheberrechtlich relevante Kopien anfertigten. Auch aus diesem Grunde sei der Rechtsprechung eine Ausweitung der die Hersteller, Importeure und Händler treffenden Vergütungspflicht auf von der gesetzlichen Regelung nicht erfasste Geräte verwehrt. Auch der Beteiligungsgrundsatz, der besage, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes tunlichst angemessen zu beteiligen sei (vgl. § 11 Satz 2 UrhG), rechtfertige es nicht, einen Dritten, der selbst nicht Nutzer des urheberrechtlichen Werkes sei, über den im Gesetz festgelegten Rahmen hinaus zu belasten.

17

3. Die Anhörungsrüge gegen dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 3. April 2008 zurückgewiesen.

18

Ohne Erfolg mache die Beschwerdeführerin geltend, der Senat sei nicht darauf eingegangen, dass sie eine Studie vorgelegt habe, aus der sich ergebe, dass Drucker in durchaus beträchtlichem Maße für die Herstellung von urheberrechtlich relevanten Vervielfältigungsstücken eingesetzt würden. Die vorgelegte Studie betreffe, so der Bundesgerichtshof, nicht nur urheberrechtlich relevante Dateien, sondern sämtliche Dateien fremden Inhalts oder Ursprungs und damit beispielsweise auch urheberrechtlich nicht geschütztes Material. Die Studie sei daher nicht verwertbar gewesen.

19

Das Urteil gehe auch keineswegs von einer generellen Einwilligung der Urheber in Vervielfältigungen oder von einem Verzicht der Urheber auf Vergütungsansprüche aus, sondern davon, dass die von digitalen Vorlagen hergestellten Ausdrucke überwiegend mit Einwilligung des Rechtsinhabers erfolgten. Der Senat habe mit Rücksicht darauf, dass ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich mache, zumindest damit rechnen müsse, dass diese Inhalte heruntergeladen oder ausgedruckt würden, auch nicht etwa angenommen, es könne von einer konkludenten Einwilligung in Vervielfältigungen ausgegangen werden, sondern er habe lediglich darauf hingewiesen, es könne unter Umständen eine konkludente Einwilligung in Vervielfältigungen anzunehmen sein.

20

Die Beschwerdeführerin mache schließlich ohne Erfolg geltend, sie habe in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es Sache des nationalen Gesetzgebers sei, wie er den nach der Richtlinie 2001/29/EGvom 22. Mai 2005 [gemeint: 2001] gebotenen gerechten Ausgleich herstelle, zudem habe sie eine Vorlage zum Zweck der Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (jetzt Gerichtshof der Europäischen Union; im Folgenden: Gerichtshof) angeregt. Die Gerichte seien, so der Bundesgerichtshof, nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen sei es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden.

III.

21

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.

22

1. Der Verfassungsbeschwerde komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil das angegriffene Urteil den Grundsatz infrage stelle, dass dem Urheber nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das vermögenswerte Ergebnis seiner Leistung in Form eines Vergütungsanspruchs zuzuordnen sei. Das Urteil stelle die Urheber für sämtliche Vervielfältigungen einer digitalen Vorlage kompensationslos. In der Rechtsprechung der Fachgerichte sei diese Frage umstritten. Sie sei zudem für weitere dem Bundesgerichtshof vorliegende Verfahren von Relevanz. Dabei gehe es im Hinblick auf Drucker um urheberrechtlich relevante Vervielfältigungsvorgänge von großer Zahl. Darüber hinaus sei die Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin und der Urheber angezeigt.

23

2. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, insbesondere auch im Hinblick auf die Beschwerdebefugnis, sowie begründet.

24

a) Der Bundesgerichtshof habe die Eigentumsgarantie bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts grundlegend verkannt. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantiere dem Urheber zum einen ein Verfügungs- und Verbotsrecht, zum anderen ein Verwertungsrecht. Insbesondere habe der Urheber Anspruch darauf, dass ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zuteil werde. In das grundrechtlich gewährleistete Verwertungsrecht werde eingegriffen, indem der Bundesgerichtshof für analoge Vervielfältigungen digitaler Vorlagen einen Vergütungsanspruch verneine. Dieser Eingriff könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur durch ein gesteigertes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden.

25

Den Vergütungsanspruch zu bejahen, wäre nach Auffassung der Beschwerdeführerin ohne weiteres methodisch möglich gewesen, wie die Entscheidungen der Vorinstanzen, die Ausführungen der Schiedsstelle sowie die ganz herrschende Auffassung in der Literatur zeigten. Der gleichwohl erfolgte Eingriff sei nicht durch ein gesteigertes öffentliches Interesse gerechtfertigt. Der Bundesgerichtshof habe dieses Kriterium grundsätzlich verkannt. Schon seinen Ausführungen zum Wortlaut der Norm, der Systematik, den Gesetzgebungsmaterialien sowie zur urheberrechtlichen Beurteilung des infrage stehenden technisch neuen Vorgangs sei zu entnehmen, dass es keine zwingenden Argumente gegen einen Vergütungsanspruch gebe; eine verfassungskonforme Auslegung habe der Bundesgerichtshof nicht geprüft. Auch die Frage einer entsprechenden Anwendung von § 54a UrhG a.F. prüfe der Bundesgerichtshof jenseits der Verfassung. Aufgrund bestrittener, nicht im Wege der Beweisaufnahme festgestellter Tatsachen gelange er zu dem Ergebnis, die Interessenlage bei der Vervielfältigung digitaler Vorlagen sei nicht mit der Interessenlage bei der Vervielfältigung gedruckter Vorlagen vergleichbar.

26

Der Bundesgerichtshof verquicke Ob und Höhe des Vergütungsanspruchs, wenn er meine, in der Funktionskette aus Scanner, PC und Drucker sei nur der Scanner vergütungspflichtig, da es sonst zu Überkompensationen komme. Denn nach der eigenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten die Vergütungssätze der Höhe nach flexibel gehandhabt werden und komme es für die Frage, ob Geräte vergütungspflichtig sind, nicht auf den Umfang der urheberrechtsrelevanten Verwendung an, sondern nur auf die Möglichkeit zur Vornahme solcher Vervielfältigungen. Eine Reduktion des Vergütungsanspruchs stelle jedenfalls gegenüber der vollständigen Verweigerung der Vergütung das mildere Mittel dar.

27

Der Bundesgerichtshof lege seiner Auslegung den Stand der Technik der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu Grunde. Er ignoriere die spätere Klarstellung des Gesetzgebers, dass auch digitale Vervielfältigungen von § 53 UrhG erfasst seien. Aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebe sich jedoch die Pflicht, das Urhebergesetz technologieoffen auszulegen. Durch technische Neuerungen solle der Schutz des Urheberrechts nicht unterlaufen werden.

28

Das Abstellen des Bundesgerichtshofs auf angeblich häufige Einwilligungen in die Vervielfältigung digitaler Vorlagen sei unzulässig. Die Zulässigkeit solcher Vervielfältigungen ergebe sich bereits aus der gesetzlichen Lizenz des § 53 UrhG. Selbst eine unterstellte Einwilligung des Urhebers ließe dessen Vergütungsanspruch nicht entfallen; dieser sei nach § 63a UrhG sogar unverzichtbar. Schon gar nicht begründbar sei, warum der Urheber in den Fällen, in denen keine Einwilligung vorliege, kompensationslos bleiben solle. Der Verweis des Bundesgerichtshofs auf die Möglichkeit technischer Schutzmaßnahmen gegen unberechtigte Vervielfältigungen gehe fehl. Der Urheber könne nicht verpflichtet sein, Vorkehrungen gegen Urheberrechtsverletzungen Dritter zu treffen. Der Staat dürfe seine Schutzverpflichtung nicht auf den Grundrechtsträger abwälzen. Die Geräteabgabe sei kein notwendiges Übel, dessen Anwendungsbereich auf ein Minimum zu reduzieren sei, sondern vielmehr die einzig praktikable und damit von der Verfassung geforderte Möglichkeit, die Vergütungsansprüche des Urhebers bei privaten Vervielfältigungen zu wahren. Eine unverhältnismäßige Belastung der Hersteller und Importeure stehe nicht zu befürchten, da im Ergebnis der Endkunde die Vergütung trage.

29

b) Das angegriffene Urteil verstoße ferner gegen den Gleichheitsgrundsatz. Urheber digitaler Vorlagen würden gegenüber Urhebern analoger Vorlagen ungleich behandelt, selbst wenn am Ende des Vervielfältigungsvorgangs in beiden Fällen eine Kopie auf Papier stehe. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei nicht einzusehen, warum Urhebern digitaler Vorlagen, die nicht in einen Ausdruck eingewilligt hätten, ein Vergütungsanspruch vorenthalten bleiben solle, während sogar dem Urheber analoger Vorlagen, der in die Vervielfältigung eingewilligt habe, ein solcher Anspruch zustehe.

30

c) Der Bundesgerichtshof habe weiter seine Vorlageverpflichtung an den Gerichtshof in offensichtlich willkürlicher Weise verletzt und damit der Beschwerdeführerin ihren gesetzlichen Richter entzogen. Der Bundesgerichtshof hätte dem Gerichtshof die Frage vorlegen müssen, ob seine Auslegung den zwingenden Vorgaben aus Art. 5 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Urheberrechtsrichtlinie; ABlEG L 167/10) zuwiderlaufe, wonach Vervielfältigungen auf Papier mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung nur unter der Bedingung zulässig seien, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhielten. Der Bundesgerichtshof erwähne das Gemeinschaftsrecht mit keinem Wort, obwohl im Ausgangsverfahren die Frage diskutiert worden sei, ob die Vervielfältigung durch Drucker ein Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne der Richtlinie darstelle. Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 54a UrhG a.F. hätte zu einer Vergütungspflicht für Drucker führen müssen.

31

d) Schließlich verletze das angegriffene Urteil den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör und beruhe darauf. Das Urteil lasse eine von der Beschwerdeführerin überreichte Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK-Studie) unberücksichtigt, derzufolge drei von vier Personen ihren PC am Arbeitsplatz für privates Vervielfältigen und Speichern urheberrechtlich relevanten Materials nutzten, von denen wiederum zwei Drittel das Material auf ihren betrieblichen Druckern ausdruckten. Erstmals im Anhörungsrügenbeschluss führe das Gericht aus, die Studie betreffe auch die Nutzung urheberrechtlich nicht geschützten Materials und sei daher nicht verwertbar. Dies ändere jedoch nichts daran, dass schon nach der Lebenserfahrung - ebenso wie nach den beiden vorinstanzlichen Urteilen sowie dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle - zumindest ein ganz erheblicher Anteil der Dateien fremden Inhalts urheberrechtlichen Schutz genieße. Jedenfalls habe der Bundesgerichtshof das in beiden Tatsacheninstanzen gemachte Beweisangebot der Beschwerdeführerin berücksichtigen müssen, welches sich auf die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens für den Fall bezog, dass das Gericht der Auffassung sein sollte, die vorgelegte Studie belege nicht hinreichend die Vervielfältigung urheberrechtlich relevanter Bilder und Texte. Ungeachtet des Bestreitens der Beschwerdeführerin unterstelle der Bundesgerichtshof das Vorliegen konkludenter Einwilligungen in die Vervielfältigung digitaler Vorlagen sowie die Annahme, Drucker würden im Vergleich zu Kopiergeräten nur zu einem wesentlich geringeren Anteil urheberrechtlich relevant genutzt.

IV.

32

Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Beklagte des Ausgangsverfahrens, der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) und die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR) Stellung genommen. In den einen ähnlichen Sachverhalt betreffenden und vom Bundesgerichtshof im Ergebnis in gleicher Weise entschiedenen Verfahren 1 BvR 2742/08, 1 BvR 2760/08, 1 BvR 3461/08 und 1 BvR 506/09 haben sich die Beklagten der jeweiligen Ausgangsverfahren mit Relevanz auch für das vorliegende Verfahren geäußert. Die Bundesregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen.

33

1. In den Stellungnahmen der jeweiligen Beklagten sowie des Bundesverbands BITKOM wird die grundsätzliche Bedeutung der Sache im Hinblick darauf bestritten, dass § 54a UrhG a.F. durch die Urheberrechtsnovelle 2008 durch eine andere Regelung ersetzt wurde und daher für künftige Fälle keine Relevanz mehr entfalte. Auch zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin oder von ihr vertretener Urheber sei die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, unter anderem wegen fehlender Beschwerdebefugnis, soweit die Beschwerdeführerin für die Verwertungsgesellschaft B-K... auftrete. Sie sei auch unbegründet; selbst nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin liege jedenfalls keine grobe Verkennung der grundrechtlichen Vorgaben vor.

34

a) Insbesondere sei eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu erkennen. Der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hinsichtlich des normativ geprägten "geistigen Eigentums" korrespondiere eine Zurückhaltungspflicht der Gerichte. In diesem Sinne habe sich der Bundesgerichtshof zu Recht geweigert, in § 54a UrhG a.F. Inhalte hineinzulesen, die der Gesetzgeber erstmals mit der Urheberrechtsnovelle 2008 habe regeln wollen. Zuvor - seit 1985 und noch bis zum Beginn des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2006 - sei es dem Gesetzgeber stets um die Vergütungspflicht für Kopien von Druckwerken gegangen.

35

Zu einer Rechtsfortbildung praeter oder contra legem habe kein Anlass bestanden. Zum einen habe es nicht dem Bundesgerichtshof oblegen, anstelle des Gesetzgebers auf neue Technologien zu reagieren. Zum anderen verbiete sich die von der Beschwerdeführerin eingenommene eindimensionale Sichtweise, derzufolge die fachgerichtliche Entscheidung in Grundrechte der Urheber eingreife; vielmehr sei es Aufgabe des Gesetzgebers, in dem komplexen Interessengeflecht aus Urhebern, Werknutzern und Geräteherstellern im Rahmen seines Gestaltungsspielraums einen gerechten Ausgleich herbeizuführen. Dieser sei nicht gleichzusetzen mit der jeweils urheberrechtsfreundlichsten Auslegung. So bedürfe auch die allein mit Praktikabilitätserwägungen begründete Geräteabgabe gegenüber den Herstellern einer Rechtfertigung aus der Verfassung.

36

Dass im Ergebnis - auch angesichts der Heranziehung von Scannerherstellern zur Geräteabgabe - eine unangemessene und verfassungswidrige Benachteiligung der Urheber vorliege, sei nicht ersichtlich. Nutzer machten sich die digitalen Inhalte durch Visualisierung am Bildschirm oder durch Ausdrucken erstmals zugänglich, worin ein wesentlicher Unterschied zur Re-Produktion durch Kopieren etwa eines Buchs liege. Des Weiteren rechne derjenige, der Inhalte online stelle, damit, dass die Inhalte ausgedruckt und auf diese Weise weiterverbreitet würden. Wolle er dies nicht, könne er den Ausdruck technisch verhindern oder auch kostenpflichtig gestalten. Behalte sich der Urheber online gestellter Inhalte somit sein Ausschließlichkeitsrecht vor, fehle es von vornherein an einem auszugleichenden Eingriff in sein Verwertungsrecht. Komme es gleichwohl in wenigen Fällen zu urheberrechtlich relevanten Kopiervorgängen in den genannten Geräteketten, ohne dass wegen der Beteiligung des Scanners eine Vergütung anfalle, so bewege sich dies im Rahmen der dem Gesetzgeber und dem Bundesgerichtshof erlaubten und unvermeidbaren Typisierung.

37

b) Ein Gleichheitsverstoß liege in den angegriffenen Entscheidungen ebenfalls nicht. Der Bundesgerichtshof habe hinreichende sachliche Differenzierungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung der Gerätetypen und von Urhebern analoger und digitaler Werke dargelegt, insbesondere die Möglichkeit technischer Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Vervielfältigung digitaler Inhalte.

38

c) Eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof habe nicht bestanden. Der Bundesgerichtshof habe, wie von der Urheberrechtsrichtlinie gefordert, das Verbotsrecht des Urhebers gegenüber der privaten Digitalkopie als vorrangig angesehen, wie dies auch das Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß gehalten habe. Wenn aber die Urheber die von der Richtlinie geforderte Möglichkeit, die Vervielfältigung im privaten Bereich zu verbieten, nach deutschem Recht ohnehin besäßen, komme es auf die Auslegung der Richtlinie im Hinblick auf die Beschränkungen dieser Möglichkeit und damit auch auf die Frage des "gerechten Ausgleichs" nicht an. Der gerechte Ausgleich, der ohnehin vom nationalen Gesetzgeber zu konkretisieren sei, sei im Übrigen durch die Belastung der Scannerhersteller gewährleistet. Welche Geräte konkret herangezogen würden, sei eine vom Gemeinschaftsrecht nicht beantwortete Frage der Zweckmäßigkeit.

39

2. Die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht stellt die Frage, ob selbst dann, wenn auch Urhebern digitaler Vorlagen von Verfassungs wegen eine Vergütung zustehe, diese zwingend im Wege der Geräteabgabe erfolgen müsse und ob nicht die von den Scannerherstellern zu leistende Abgabe der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie bereits genügen könnte. Aus urheberrechtlicher Sicht sei es aus mehreren Gründen nicht zwingend, dass der Bundesgerichtshof nur den Scanner für vergütungspflichtig gehalten habe.

40

Die Urheberrechtsrichtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten nicht zu einem einheitlich ausgestalteten Vergütungssystem, sondern lasse insoweit einen weiten Spielraum. Ob mit dem Anspruch gegen Scannerhersteller der von der Richtlinie geforderte gerechte Ausgleich bewirkt werde, könne allerdings zweifelhaft sein.

41

3. Die Beschwerdeführerin verweist in ihrer Replik darauf, die Tarife für Scanner seien im Hinblick darauf niedrig angesetzt worden, dass die Beteiligten von einer Vergütungspflichtigkeit auch des Druckers und anderer Geräte ausgegangen seien. Der rechtliche Ausgangspunkt der Beklagten und des Bundesverbands BITKOM, mangels eines Eingriffs in das Verfügungs- und Verbotsrecht des Urhebers entstehe kein Vergütungsanspruch, sei unzutreffend. Technische Schutzmaßnahmen gegen Vervielfältigungen digitaler Inhalte seien jedenfalls im Streitzeitraum bis 2007 ineffektiv gewesen, was auch die Tatsacheninstanzen festgestellt hätten. Der Gesetzgeber schreibe solche Maßnahmen den Urhebern auch nicht vor. Dies wäre zudem völkerrechtswidrig: Art. 5 Abs. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (BGBl II 1973, S. 1071) verbiete, den Genuss und die Ausübung des Urheberrechts an Förmlichkeiten zu binden. Dies sei im Rahmen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung zu beachten.

B.

42

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor, insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden.

I.

43

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin befugt, die Eigentumsrechte der von ihr vertretenen Wort-Urheber in Prozessstandschaft auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 77, 263 <269 f.>). Soweit die Beschwerdeführerin als Partei an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt war, stehen ihr selbst als juristischer Person die Rechte auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfGE 12, 6 <8>) und auf den gesetzlichen Richter (vgl. BVerfGE 18, 441 <447>) zu. Allerdings kann die Beschwerdeführerin nach § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht prozessstandschaftlich für die Verwertungsgesellschaft B-K... auftreten (vgl. BVerfGE 2, 292 <294>; 10, 134 <136>; stRspr), was jedoch im vorliegenden Fall ohne Auswirkung auf die Entscheidung bleibt.

II.

44

Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

45

1. Das angegriffene Urteil verstößt wegen Fehlens einer Auseinandersetzung mit der Vorlagepflicht zum Gerichtshof (Art. 267 Abs. 3 AEUV, vormals Art. 234 Abs. 3 EG) gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

46

a) Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das nationale Gericht ist unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>).

47

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt" (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 CILFIT -, amtl. Slg. 1982, S. 03415, NJW 1983, S. 1257 <1258>). Die Entscheidungserheblichkeit der europarechtlichen Frage für den Ausgangsrechtsstreit hingegen beurteilt allein das nationale Gericht (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>).

48

Das Bundesverfassungsgericht überprüft allerdings nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 -, Rn. 88 ff.; abzurufen über die Homepage des BVerfG). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010, a.a.O., Rn. 90; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 <1269>). Dabei kommt es für die Prüfung einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010, a.a.O.). Dies entspricht dem Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010 (a.a.O., Rn. 90), der eine vertretbare Beantwortung der entscheidungserheblichen Frage verlangt und damit den Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Geltung bringt, nach dem die Beachtung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV durch die Fachgerichte vom Bundesverfassungsgericht zu kontrollieren ist.

49

Nach der ständigen Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Fachgericht Gründe anzugeben, die zeigen, ob es sich hinsichtlich des europäischen Rechts ausreichend kundig gemacht hat, und die so dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen (vgl. BVerfGK 8, 401 <405>; 10, 19 <31>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2001 - 1 BvR 1036/99 -, NJW 2001, S. 1267 <1268>; Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 2036/05 -, NVwZ 2007, S. 942 <945>, vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, NVwZ 2008, S. 780 <781> und vom 25. Februar 2010, a.a.O.).

50

b) Die angegriffenen Entscheidungen lassen bereits nicht erkennen, ob sich der Bundesgerichtshof hinsichtlich des europäischen Rechts kundig gemacht und ob er eine Vorlage überhaupt in Erwägung gezogen hat. Dabei liegt das Bestehen einer Vorlagepflicht nahe. Denn vertretbare andere Ansichten zu der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Frage erscheinen auf der Grundlage der Urheberrechtsrichtlinie keinesfalls als ausgeschlossen.

51

aa) Es stellt sich die zweistufige unionsrechtliche Frage, ob der Begriff der "Verfahren mit ähnlicher Wirkung" (wie beliebige fotomechanische Verfahren) in Art. 5 Abs. 2 lit. a der Urheberrechtsrichtlinie in der Weise ausgelegt werden darf, dass nur Vervielfältigungen von analogen, nicht aber von digitalen Vorlagen umfasst sind, und ob dementsprechend die Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen "gerechten Ausgleich" erhalten, so verstanden werden darf, dass für Vervielfältigungen durch eine Funktionseinheit aus PC und Drucker (ohne Beteiligung eines Scanners) ein solcher Ausgleich vom Unionsrecht nicht gefordert wird. Verneint man - mit dem Bundesgerichtshof - ein "Verfahren mit ähnlicher Wirkung" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. a der Urheberrechtsrichtlinie, stellte sich immer noch die Frage, ob lit. b dieser Vorschrift tatbestandlich anwendbar ist ("Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch"), mit der Folge, dass ebenfalls die Bedingung eines "gerechten Ausgleichs" eingriffe, nunmehr mit der Besonderheit, dass "technische Maßnahmen" nach Art. 6 der Urheberrechtsrichtlinie zu berücksichtigen wären.

52

Diese Auslegungsfragen sind selbst dann entscheidungserheblich, wenn das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht zu einem einheitlich ausgestalteten Vergütungssystem zwingt, sondern insoweit einen weiten Spielraum lässt. Wird, wie im deutschen Recht, die Vergütung der Urheber in bestimmten Fällen ausschließlich oder wesentlich mittelbar über Abgaben der Geräteindustrie gewährleistet, könnte sich unter Geltung der Urheberrechtsrichtlinie eine Auslegung des deutschen Rechts verbieten, die für gewisse Arten von urheberrechtlich geschützten Werken oder gewisse Arten der Vervielfältigung diesen Vergütungsweg versperrt. Mit anderen Worten stellt sich im Streitfall nicht die Frage, ob die Urheberrechtsrichtlinie eine Geräteabgabe der Druckerhersteller erzwingt, sondern ob - bei vorausgesetzter Geltung eines nationalen Systems der Geräteabgabe - Urheber digitaler Vorlagen in bestimmten Konstellationen vom Genuss dieses Systems ausgeschlossen werden dürfen.

53

Die Begrifflichkeiten "Verfahren mit ähnlicher Wirkung" und "gerechter Ausgleich" werden in der Urheberrechtsrichtlinie nicht erläutert. Art. 5 Abs. 2 unterscheidet jedenfalls nicht ausdrücklich zwischen analogen und digitalen Vorlagen. Der Wortlaut der Vorschrift und die Erwägungsgründe dürften nicht ausschließen, dass die Richtlinie allein auf das Ergebnis ("Wirkung", engl. "having similar effects", franz. "ayant des effets similaires") des Vervielfältigungsvorgangs und nicht auf die Beschaffenheit der Vorlage abstellt.

54

Die zeitliche Anwendbarkeit der Richtlinie auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass die Richtlinie während des im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Zeitraums (ab April 2001) am 22. Juni 2001 durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft trat. Ab Inkrafttreten der Richtlinie bestand auch für den Bundesgerichtshof die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts, und zwar unabhängig davon, dass die einschlägige Norm vor der Urheberrechtsrichtlinie erlassen wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - Rs. C-212/04 ELOG -, amtl. Slg. 2006, S. I-06057, NJW 2006, S. 2465 <2467 f.> m.w.N.). Betroffen ist im Ausgangsverfahren der Streitgegenstand insoweit, als die Feststellung von Vergütungsansprüchen ab 22. Dezember 2002 begehrt wurde (vgl. Art. 10 Abs. 2 der Urheberrechtsrichtlinie).

55

bb) Eine Ausnahme von der Vorlagepflicht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, a.a.O.) ist nicht ersichtlich und wird vom Bundesgerichtshof auch nicht geprüft.

56

Eine bereits gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur genannten Vorlagefrage existiert nicht. Die aufgeworfene Frage ist auch noch nicht in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ("acte éclairé"). Der Gerichtshof hat zwar mit Urteil vom 6. Februar 2003 (- Rs. C-245/00 SENA -, amtl. Slg. 2003, S. I-01251, GRUR 2003, S. 325) zu dem Begriff der "angemessenen Vergütung" in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums Stellung bezogen. Die Richtlinie gebietet den Mitgliedstaaten, eine Regelung vorzusehen, die gewährleistet, dass der Nutzer eine angemessene Vergütung zahlt, wenn ein Tonträger gesendet wird. Die vom Gerichtshof zur Bestimmung des Begriffs der angemessenen Vergütung angeführten Kriterien lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf den Begriff des angemessenen Ausgleichs in Art. 5 Abs. 2 der Urheberrechtsrichtlinie übertragen.

57

Schließlich ist eine Ausnahme von der Vorlagepflicht auch nicht unter dem Gesichtspunkt anzunehmen, dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der Frage bleibt ("acte clair"). Eine solche Gewissheit verbietet sich hier schon deswegen, weil die vom Bundesgerichtshof entschiedene Rechtsfrage bereits mit Blick auf das deutsche, ähnlich formulierte Recht höchst umstritten war und ist. In den Mitgliedstaaten gelten unterschiedliche Regelungen, ob überhaupt und welche Geräte beziehungsweise Medien belastet werden und welchen "gerechten Ausgleich" die Rechtsinhaber erhalten (vgl. Ullrich, GRUR Int. 2009, S. 283 <291>). So geht die neuerdings vom österreichischen Obersten Gerichtshof geklärte österreichische Rechtslage - bei ähnlicher Gesetzesformulierung wie in Deutschland - dahin, dass Drucker, nicht aber PCs vergütungspflichtig sind (Urteil vom 24. Februar 2009 - 4 Ob 225/08d -, GRUR Int. 2009, S. 754).

58

Besonders das Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Provincial de Barcelona im Rechtsstreit der Sociedad General de Autores y Editores de España (SGAE) gegen Padawan S.L. zu Fragen des "gerechten Ausgleichs" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. b der Urheberrechtsrichtlinie (Rs. C-467/08) illustriert den noch vorhandenen Auslegungsbedarf. Die Generalanwältin hat unter dem 11. Mai 2010 ihre Schlussanträge vorgelegt (abzurufen unter http://curia.europa.eu). Sie stellt fest, dass sich die Frage, wie ein Ausgleichssystem ausgestaltet werden solle, nicht vom Wortlaut der Richtlinie her beantworten lasse. Deren Regelungsdichte unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe erlaube es jedoch, zumindest die gemeinschaftsrechtlich gebotenen Grundzüge eines "gerechten Ausgleichs" zu bestimmen. Dieser Begriff sei ein autonomer Begriff des Gemeinschaftsrechts, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen und von jedem Mitgliedstaat umzusetzen sei, wobei dieser für sein Gebiet - bei weitem Ausgestaltungsermessen - die Kriterien festsetze, die am besten geeignet seien, innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen die Beachtung dieses Gemeinschaftsbegriffs zu gewährleisten. Die Richtlinie bestimme nicht, wer zur Zahlung verpflichtet sei. Zwischen der Geräte- beziehungsweise Medienabgabe und dem Gebrauch der Geräte und Medien zur Anfertigung von Privatkopien müsse ein hinreichend enger Zusammenhang bestehen, wobei allerdings die Möglichkeit zur Nutzung ausreiche. In diesem Sinne seien Pauschalabgaben auf Geräte, die für Privatkopien objektiv geeignet sind, als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen.

59

2. Im Rahmen der Prüfung einer Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit ebenfalls zu erörtern haben, inwieweit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine Auslegung des § 54a UrhG a.F. erfordert, die zu einer Stattgabe führen und damit eine Vorlage vor den Gerichtshof überflüssig machen könnte.

60

a) Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausprägung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>). Dabei hat der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Entscheidungsraum (vgl. BVerfGE 21, 73 <83>; 79, 29 <40>). Eingriffe in das Verwertungsrecht des Urhebers können freilich nur durch ein gesteigertes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 31, 229 <243>; 49, 382 <400>; 79, 29 <41>).

61

Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl. BVerfGE 8, 210 <220 f.>; 88, 145 <166>) und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) fordert dabei eine verfassungskonforme Auslegung, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfGE 8, 28 <34>; 54, 277 <299 f.>).

62

b) An diesen Maßstäben ist auch die Auslegung des § 54a UrhG a.F. auszurichten.

63

aa) Der Bundesgerichtshof kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, nur die Vervielfältigung analoger, nicht aber digitaler Vorlagen unterfalle der Vergütungspflicht gemäß § 54a Abs. 1 UrhG a.F. Deswegen seien Drucker auch in Kombination mit anderen Geräten nicht vergütungspflichtig. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs erscheint schon zivilrechtlich nicht zwingend. Sie lässt bei Urhebern digitaler Vorlagen jegliche Vergütung entfallen und zieht mildere Mittel, das heißt hier eine Begrenzung der Höhe der Vergütung, nicht in Erwägung. Eine solche Begrenzung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Vergütungspflicht von Telefaxgeräten selbst vorgenommen (vgl. BGHZ 140, 326 <333 f.>). Zwar ist aufgrund der Abgabe auf Scanner ein gewisses Aufkommen bei der Beschwerdeführerin zu erwarten. Dass dieses aber dem Umfang nach hinreicht, um eine angemessene Vergütung der digitalen Urheber zu gewährleisten, ergibt sich aus den fachgerichtlichen Feststellungen jedenfalls nicht. Die Beschwerdeführerin und die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht weisen darauf hin, bei der Bemessung der Scanner-Abgabe sei man davon ausgegangen, dass weitere Geräte abgabepflichtig seien. Außerdem lässt eine Abgabe auf Scanner die Eigentumsrechte von Urhebern, die von vornherein nur digitale Vorlagen erstellen, ungeschützt.

64

bb) Die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Urheberrechts muss insbesondere angesichts der auf diesem Gebiet zahlreichen technischen Neuerungen die Eigentumsrechte der Urheber aus Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisten. Eine tatsächliche oder rechtliche Entwicklung kann eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Lückensuche und -schließung findet ihre Rechtfertigung unter anderem darin, dass Gesetze einem Alterungsprozess unterworfen sind. Die Gerichte sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, wie das Gesetzesrecht auf neue Zeitumstände anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 82, 6 <12>; 96, 375 <394>). Dies schließt hier die Prüfung ein, inwieweit eine restriktive Auslegung von § 54a UrhG a.F. angesichts der rasanten Verbreitung digitaler Datenspeicherung und -vervielfältigung dazu führt, dass zu Lasten gewisser Urheber eine absolute Schutzlücke entsteht.

65

Eine Auslegung im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG hat dabei davon auszugehen, der Gesetzgeber habe dem Urheber durch § 54a UrhG a.F. den ihm von der Verfassung garantierten Verwertungsanspruch für solche Fälle sichern wollen, in denen der Werknutzer nicht belangt werden kann und daher auf den Gerätehersteller ausgewichen werden muss. Dies entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, der zum Anlass für die Änderung des damaligen § 54 Abs. 1 UrhG (Vorgängerregelung zu § 54a UrhG a.F.) nahm, dass neue Techniken auf dem Gebiet der Reprographie einen außerordentlichen Anstieg von Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke herbeigeführt hätten (BTDrucks 10/837, S. 10). Die Bundesregierung sah in ihrem 2002 entstandenen Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft lediglich Bedarf für eine "Klarstellung", dass § 53 UrhG auch für die digitale Vervielfältigung gilt; eine inhaltliche Änderung gegenüber dem geltenden Recht ergebe sich daraus nicht (BTDrucks 15/38, S. 20; vgl. auch bereits BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Oktober 2009 - 1 BvR 3479/08 -, GRUR 2010, S. 56). Im Gesetzentwurf der Bundesregierung für den "Zweiten Korb" aus dem Jahr 2006 heißt es einleitend, das Gesetz halte an der Zulässigkeit der Privatkopie - auch im digitalen Bereich - fest und fasse das geltende Recht klarer (BTDrucks 16/1828, S. 1). Der allgemeine Teil der Entwurfsbegründung verweist auf die nach altem Recht "gemäß §§ 54, 54a UrhG vergütungspflichtigen digitalen Privatkopie(n)" (a.a.O., S. 15).

66

cc) Weiter argumentiert der Bundesgerichtshof, anders als bei Druckwerken liege bei digitalen Vorlagen häufig eine Einwilligung des Berechtigten in die Vervielfältigung vor. Eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08 -, juris, Rn. 33 f.) deutet das entsprechende Verhalten digitaler Urheber als schlichte Einwilligung. Eine solche ließe lediglich die Rechtswidrigkeit einer urheberrechtlichen Vervielfältigungshandlung entfallen; die Regelungen der §§ 53, 54a, 63a UrhG a.F. blieben anwendbar. Die Annahme verbreiteter rechtsgeschäftlicher Einwilligungen lässt jedenfalls offen, warum zum einen den Urhebern in Fällen fehlender Einwilligung keine Vergütung zukommen, zum anderen aber die unterstellte Einwilligung in die Vervielfältigung zugleich einen Verzicht auf jegliche Vergütung enthalten soll. Eine solche Annahme begegnet im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>) erheblichen Bedenken.

67

3. Daneben bedürfen die weiteren von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen keiner Entscheidung.

III.

68

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen. Der ebenfalls angegriffene Beschluss wird damit gegenstandslos.

69

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft unmittelbar die Frage, ob deutsche Gerichte den Eltern von Schülern der Europaschule Frankfurt am Main Rechtsschutz gegen die Erhöhung des Schulgeldes gewähren müssen, und mittelbar die Vereinbarkeit des Zustimmungsgesetzes vom 31. Oktober 1996 zur Satzung der Europäischen Schulen vom 21. Juni 1994 mit dem Grundgesetz.

I.

2

1. Die Europäische Schule Frankfurt am Main ist eine von derzeit 13 Europäischen Schulen und eine unselbständige Untergliederung der zwischenstaatlichen Einrichtung Europäische Schulen. Diese wurde gemeinsam von den Regierungen der Mitgliedstaaten der (vormaligen) Europäischen Gemeinschaften - jetzt der Europäischen Union - gegründet, um Kindern von Eltern, die in europäischen Institutionen arbeiten, einen Unterricht in der Muttersprache zu ermöglichen.

3

Die Errichtung der Europäischen Schulen beruht auf der zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden vereinbarten Satzung der Europäischen Schule vom 12. April 1957 (BGBl II 1965 S. 1042) sowie dem Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen unter Bezugnahme auf die zunächst am 12. April 1957 in Luxemburg unterzeichnete Satzung der Europäischen Schule vom 13. April 1962 (BGBl II 1969 S. 1302). Bei diesen Rechtsakten handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, denen der Deutsche Bundestag mit Gesetzen vom 26. Juli 1965 (BGBl II S. 1041) und vom 25. Juli 1969 (BGBl II S. 1301) zugestimmt hat. Die ursprüngliche Satzung ist mittlerweile durch die Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom 21. Juni 1994 - im Folgenden als Satzung bezeichnet - ersetzt worden (BGBl II 1996 S. 2559 ff.). Gemäß Art. 34 der Satzung tritt diese an die Stelle der Satzung vom 12. April 1957 und des dazugehörigen Protokolls vom 13. April 1962. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihr durch Gesetz vom 31. Oktober 1996 zugestimmt (BGBl II S. 2558). Die Satzung ist am 1. Oktober 2002 in Kraft getreten (BGBl II 2003 S. 459). Vertragsparteien sind derzeit die Mitgliedstaaten der (vormaligen) Europäischen Gemeinschaften - jetzt der Europäischen Union - und die (vormaligen) Europäischen Gemeinschaften - jetzt die Europäische Union - selbst sowie die im Zuge der Erweiterungen der Europäischen Union neu hinzugekommenen Mitgliedstaaten (vgl. BGBl II 2004 S. 1728; 2007 S. 1304; 2013 S. 1543).

4

Ziel der Europäischen Schulen ist es, die Kinder der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, heute der Europäischen Union, gemeinsam zu unterrichten (vgl. Art. 1 Satz 2 der Satzung). Am Unterricht nehmen vornehmlich diese Kinder (Kategorie I) sowie Kinder von Bediensteten teil, deren Anstellungskörperschaften mit den Europäischen Schulen ein Finanzierungsabkommen geschlossen haben (Kategorie II).

5

Im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten steht der Schulbesuch gegen Zahlung eines Schulgeldes auch anderen Kindern offen (Kategorie III). Das Schulgeld wird den Eltern der Schüler auf Beschluss des Obersten Rates auferlegt (Art. 25 Nr. 4 der Satzung). Letzterer setzt sich aus Vertretern der einzelnen Mitgliedstaaten auf Ministerebene, einem Mitglied der Europäischen Kommission, einem Vertreter des Lehrkörpers sowie einem Vertreter der Elternschaft zusammen (vgl. Art. 8 Abs. 1 der Satzung). Bei der Einschreibung verpflichten sich die Eltern, das festgesetzte Schulgeld innerhalb der vorgesehenen Fristen zu zahlen. Unterbleibt die Zahlung, gilt der Schüler als von der Schule abgemeldet und wird im darauffolgenden Schuljahr nicht mehr an den Europäischen Schulen aufgenommen (vgl. Art. 31 der Schulordnung in der Fassung vom 3. April 2000 und Art. 30 der Schulordnung in der Fassung vom 1./2. Februar 2005).

6

Die einschlägigen Bestimmungen der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom 21. Juni 1994 (ABl EG Nr. L 212 vom 17. August 1994; BGBl II 1996 S. 2559 ff.) haben folgenden Wortlaut:

Präambel

(…)

Für den gemeinsamen Unterricht der Kinder der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften wurden zur Sicherung des ordnungsgemäßen Funktionierens der europäischen Organe bereits 1957 Lehranstalten mit der Bezeichnung "Europäische Schule" eingerichtet.

Die Europäischen Gemeinschaften sind bestrebt, den gemeinsamen Unterricht dieser Kinder sicherzustellen, und leisten zu diesem Zweck einen Beitrag zum Haushalt der Europäischen Schulen.

Die Europäischen Schulen bilden ein Schulsystem besonderer Art. Bei diesem System wird eine Form der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften verwirklicht; gleichzeitig bleibt die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie die Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen in vollem Umfang erhalten.

Es empfiehlt sich,

(…)

- einen angemessenen Rechtsschutz des Lehrpersonals und der sonstigen unter diese Satzung fallenden Personen gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates oder der Verwaltungsräte zu gewährleisten und zu diesem Zweck eine Beschwerdekammer mit genau festgelegten Befugnissen einzurichten;

- festzulegen, dass die Entscheidungen der Beschwerdekammer die Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Zivil- und Strafsachen nicht berühren.

(…)

Artikel 1

Mit dieser Vereinbarung wird die Satzung der Europäischen Schulen (im folgenden "Schulen" genannt) festgelegt. Ziel der Schulen ist es, die Kinder der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften gemeinsam zu unterrichten. Außer den Kindern, die unter die Übereinkünfte nach den Artikeln 28 und 29 fallen, können in den Schulen im Rahmen der vom Obersten Rat festgelegten Grenzen auch andere Kinder unterrichtet werden.

(…)

Artikel 6

Jede Schule besitzt Rechtspersönlichkeit, soweit dies für die Erfüllung ihres Ziels im Sinne von Artikel 1 erforderlich ist. Zu diesem Zweck ist sie gemäß der in Artikel 13 Absatz 1 genannten Haushaltsordnung in der Verwaltung der für sie im Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel unabhängig. Sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden. Sie kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern. Hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten gilt die Schule in den Mitgliedstaaten vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen dieser Vereinbarung als öffentlich-rechtliche Bildungseinrichtung.

(…)

Artikel 8

(1) Vorbehaltlich des Artikels 28 setzt sich der Oberste Rat aus folgenden Mitgliedern zusammen:

a) dem bzw. den Vertreter(n) der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf Ministerebene, der bzw. die befugt ist (sind), für den jeweiligen Mitgliedstaat verbindlich zu handeln, wobei jeder Mitgliedstaat nur eine Stimme hat;

b) einem Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften;

c) einem vom Personalausschuss nach Artikel 22 benannten Vertreter (aus dem Lehrkörper);

d) einem von den Elternvereinigungen nach Artikel 23 benannten Vertreter der Elternschaft.

(…)

Artikel 9

(1) Außer in den Fällen, in denen diese Vereinbarung Einstimmigkeit vorschreibt, werden die Beschlüsse des Obersten Rates vorbehaltlich folgender Bestimmungen mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder gefasst:

a) Für die Annahme eines Beschlusses, der die spezifischen Interessen eines Mitgliedstaats berührt - wozu die wesentliche Erweiterung der Einrichtungen oder die Schließung einer in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Schule gehört - ist die befürwortende Stimmabgabe des Vertreters dieses Mitgliedstaates erforderlich.

b) Für die Schließung einer Schule ist die befürwortende Stimmabgabe des Mitglieds der Kommission erforderlich.

c) Der Vertreter einer Organisation des öffentlichen Rechts, der im Obersten Rat aufgrund eines Übereinkommens nach Artikel 28 einen Sitz und eine Stimme erhalten hat, ist bei allen Fragen im Zusammenhang mit der Schule, die Gegenstand jenes Übereinkommens ist, stimmberechtigt.

d) Das Stimmrecht des Vertreters des Personalausschusses nach Artikel 8 Buchstabe c) und des Vertreters der Elternschaft nach Artikel 8 Buchstabe d) ist auf die Annahme von Beschlüssen über pädagogische Fragen im Sinne des Artikels 11 - ausgenommen Beschlüsse betreffend Änderungen des Abkommens über die Europäische Abiturprüfung und Beschlüsse mit finanziellen oder haushaltsrechtlichen Auswirkungen - beschränkt.

(…)

Artikel 10

Der Oberste Rat sorgt für die Durchführung dieser Vereinbarung; er verfügt über die zu diesem Zweck erforderlichen Entscheidungsbefugnisse in pädagogischen Fragen und in Haushalts- und Verwaltungsangelegenheiten sowie zur Aushandlung der in den Artikeln 28 bis 30 genannten Übereinkommen bzw. Übereinkünfte. Zur Vorbereitung seiner Beschlüsse kann er Ausschüsse einsetzen. Er legt die allgemeine Schulordnung fest. Er erstellt jährlich auf der Grundlage eines Entwurfs des Generalsekretärs einen Bericht über den Betrieb der Schulen und übermittelt ihn dem Europäischen Parlament und dem Rat.

(…)

Artikel 25

Der Haushalt der Schulen wird finanziert durch

(…)

4. die Einnahmen der Schulen, insbesondere das Schulgeld, das den Eltern der Schüler auf Beschluss des Obersten Rates auferlegt wird;

(…)

Artikel 26

Für Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung und Anwendung dieser Vereinbarung, die im Obersten Rat nicht beigelegt werden konnten, ist ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig.

Artikel 27

(1) Es wird eine Beschwerdekammer eingesetzt.

(2) Bei Streitigkeiten, die die Anwendung dieser Vereinbarung auf die darin genannten Personen - mit Ausnahme des Verwaltungs- und Dienstpersonals - betreffen und sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat oder vom Verwaltungsrat einer Schule in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß dieser Vereinbarung gegenüber jenen Personen getroffenen und sie beschwerenden Entscheidung beziehen, die auf dieser Vereinbarung oder den in ihrem Rahmen erlassenen Vorschriften beruht, besitzt die Beschwerdekammer, nach Ausschöpfung des Verwaltungsweges, erst- und letztinstanzlich ausschließliche Zuständigkeit. Handelt es sich um finanzielle Streitigkeiten, so hat die Beschwerdekammer Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung. Die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen sind in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal bzw. der Regelung für die Lehrbeauftragten oder der allgemeinen Schulordnung festgelegt.

(3) Der Beschwerdekammer gehören Personen an, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und als fähige Juristen gelten. Zu Mitgliedern der Beschwerdekammer können nur Personen ernannt werden, die in einer vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dafür erstellten Liste aufgeführt sind.

(4) Der Oberste Rat legt die Satzung der Beschwerdekammer einstimmig fest. In der Satzung der Beschwerdekammer werden die Zahl ihrer Mitglieder, das Verfahren zur Ernennung der Mitglieder durch den Obersten Rat, die Amtsdauer der Mitglieder und die für diese geltende Besoldungsregelung festgelegt. Die Satzung regelt die Arbeitsweise der Beschwerdekammer.

(5) Die Beschwerdekammer gibt sich eine Verfahrensordnung, die alle zur Anwendung ihrer Satzung erforderlichen Bestimmungen enthält. Die Verfahrensordnung bedarf der einstimmigen Annahme durch den Obersten Rat.

(6) Die Urteile der Beschwerdekammer sind für die Parteien verbindlich und, falls diese einem Urteil nicht nachkommen, von den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu vollstrecken.

(7) Andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Partei sind, unterliegen der Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Insbesondere berührt dieser Artikel nicht die Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Zivil- und Strafsachen.

Artikel 34

Diese Vereinbarung tritt an die Stelle der Satzung vom 12. April 1957 und des dazugehörigen Protokolls vom 13. April 1962.

(…)

7

Mit Beschluss vom 3. April 2000 erließ der Oberste Rat gemäß Art. 10 Satz 3 der Satzung eine Allgemeine Schulordnung der Europäischen Schulen und änderte diese unter anderem am 1./2. Februar 2005 und 21. Februar 2008 ab. Die derzeit gültige Fassung stammt vom 3. Dezember 2014, zuletzt geändert am 7./8./9. Dezember 2016. Art. 66 der Allgemeinen Schulordnung sieht seit 1./2. Februar 2005 vor, dass die Beschwerde in bestimmten, dort aufgezählten Bereichen statthaft ist. Eine Erstreckung der Zuständigkeit der Beschwerdekammer auf die Überprüfung von Beschlüssen des Obersten Rates gemäß Art. 25 Nr. 4 der Satzung betreffend das den Eltern aufzuerlegende Schulgeld ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Das Statut der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen vom 22. April 2004 und die Verfahrensordnung der Beschwerdekammer vom 1./2. Februar 2005, beide zuletzt geändert am 7./8./9. Dezember 2016, enthält eine solche Kompetenz ebenfalls nicht.

8

Die einschlägigen Bestimmungen der Allgemeinen Schulordnung in der Fassung vom 3. April 2000 und 1./2. Februar 2005 bezüglich der Zahlung von Schulgeld haben folgenden Wortlaut:

Artikel 31

Bei der Anmeldung eines Schülers an einer Europäischen Schule verpflichten sich die Eltern, die ein Schulgeld zu entrichten haben, die geschuldeten Beträge innerhalb der von der Schule festgelegten Frist zu zahlen.

Wenn das festgesetzte Schulgeld am Ende eines Schuljahres nicht oder nicht vollständig entrichtet wurde, so gilt der Schüler als von der Schule abgemeldet und wird im darauffolgenden Schuljahr nicht mehr an den Europäischen Schulen aufgenommen.

(…)

Artikel 66

(1) Gegen die in den Artikeln 44.4.5, 57.c, 59.d und 62.A.4. genannten Entscheidungen kann Beschwerde eingelegt werden unter den in den Artikeln genannten Bedingungen. Dies gilt auch für die Entscheidungen der Direktoren der Europäischen Schulen bezüglich der Integration der Schüler mit spezifischen Bedürfnissen (SEN) und unter den Bedingungen des Kapitels 4.4 des entsprechenden Beschlusses des Obersten Rates.

(…)

9

2. Die Beschwerdeführer sind Eltern von ehemaligen Schülern der Kategorie III, die mit der Europäischen Schule Frankfurt am Main Schulverträge für ihre Kinder abschlossen. In den Aufnahmeanträgen erklärten sie sich mit der jährlichen Festsetzung des Schulgeldes durch den Obersten Rat einverstanden.

10

Die im Schuljahr 2003/2004 nach dem Beginn der Schulzeit ihrer Kinder durch den Obersten Rat vorgenommenen Anhebungen des Schulgeldes um teilweise über 30 Prozent erachteten die Beschwerdeführer für überhöht und riefen deshalb die gemäß Art. 27 Abs. 1 der Satzung bei den Europäischen Schulen eingerichtete Beschwerdekammer an. Diese erklärte sich durch begründeten Bericht des Präsidenten vom 8. November 2004 für unzuständig. Ihre Zuständigkeit beschränke sich auf die in den betreffenden Bestimmungen ausdrücklich genannten Streitigkeiten. Da die Schulordnung keine Beschwerde gegen das den Eltern von Schülern der Kategorie III auferlegte Schulgeld vorsehe, sei die Beschwerdekammer nicht zuständig, über eine Festlegung der Höhe des Schulgeldes zu befinden.

11

3. a) Daraufhin erhoben die Beschwerdeführer am 29. März 2005 beim Landgericht Frankfurt am Main Klage gegen die Europäische Schule Frankfurt am Main. Sie begehrten die Rückzahlung des nach ihrer Ansicht überhöhten Anteils der von ihnen bereits gezahlten Schulgelder für die Schuljahre 2002/2003 und 2003/2004 sowie die Feststellung, dass die beklagte Schule ab dem Jahr 2005/2006 bis zum Europäischen Abitur zu entrichtende Schulgebühren nach billigem Ermessen festzusetzen habe. Das Landgericht Frankfurt am Main erklärte sich durch Zwischenurteil vom 28. April 2006 für zuständig und stellte fest, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Da die allgemeine Schulordnung der Europäischen Schulen keine Bestimmungen enthalte, die Beschwerden von Eltern gegen die durch den Obersten Rat getroffene Festsetzung des Schulgelds beträfen, fehle es an einer Zuständigkeit der Beschwerdekammer. Es liege daher eine "andere Streitigkeit" im Sinne von Art. 27 Abs. 7 der Satzung vor, weshalb der Weg zu den deutschen Zivilgerichten eröffnet sei. Die Europäische Schule Frankfurt am Main legte gegen das Zwischenurteil keine Rechtsmittel ein.

12

Mit Urteil vom 2. Februar 2007 gab das Landgericht Frankfurt am Main den Anträgen der Beschwerdeführer in der Sache weitgehend statt. Es führte aus, das Schulgeld sei durch den Obersten Rat der Europäischen Schulen nach billigem Ermessen gemäß § 317 Abs. 1 BGB und nicht - wie geschehen - nach freiem Belieben festzusetzen. Das Gericht könne daher die Leistungsbestimmung selbst vornehmen. Es folge insoweit den Berechnungen der Kläger, die der Billigkeit entsprächen.

13

b) Auf die Berufung der beklagten Europäischen Schule Frankfurt am Main hob das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 13. Februar 2008 das landgerichtliche Urteil auf und stellte fest, dass sich der Rechtsstreit bezüglich zweier Kläger erledigt habe. Im Übrigen wies es die Klagen ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass das unangefochten gebliebene Zwischenurteil vom 28. April 2006 keine Bindungswirkung entfalte. Die Beklagte unterliege hinsichtlich des Rechtsstreits nicht der deutschen Gerichtsbarkeit und könne sich deshalb auf ihre Immunität berufen. Dies folge aus Art. 27 Abs. 2 der Satzung in Verbindung mit ihrer Präambel. Durch die Satzung sei eine autonome zwischenstaatliche Einrichtung mit eigenen Organen und einem eigenen Rechtsschutzsystem geschaffen und der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen worden. Die Beschwerdekammer sei für Beschwerden der Eltern gegen die Schulgeldfestsetzung des Obersten Rates zuständig. Eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich weder aus Art. 27 Abs. 7 der Satzung noch aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus dem keine subsidiäre Zuständigkeit der deutschen Gerichte folge.

14

Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit entgegen den vorstehenden Erwägungen unterstellt, müsse die Klage hilfsweise deshalb als unbegründet abgewiesen werden, weil es sich bei dem von den Eltern gezahlten Entgelt nicht um eine äquivalente Gegenleistung, sondern um einen Beitrag zu weit höheren Kosten handele. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die europäische Schule nicht kostendeckend arbeite. Das beiläufige und "vorsorgliche" Bestreiten von Kosten über 10.000 € in einem Nebensatz der Beschwerdeführer werde angesichts der ausführlichen Darlegungen der beklagten Schule als nicht ausreichend substantiiert bewertet; dem Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung auf diese Bewertung seien die Beschwerdeführer erst mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz entgegengetreten. Der Oberste Rat habe unterhalb der Grenze der tatsächlichen Schulkosten ein von den ordentlichen Gerichten der Vertragsstaaten nicht nachprüfbares freies Ermessen hinsichtlich der Höhe des Schulgeldes.

15

c) Der Bundesgerichtshof änderte das Urteil des Oberlandesgerichts mit Urteil vom 9. Juli 2009 in der Kostenentscheidung und wies die Revision der Beschwerdeführer im Übrigen zurück. Er führte im Wesentlichen aus, dass die deutsche Gerichtsbarkeit und die davon bestehenden Ausnahmen gemäß §§ 18 bis 20 GVG eine Verfahrensvoraussetzung und in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu prüfen seien. Ein Zwischenurteil, das die Immunität einer Partei zu Unrecht verneine, könne deshalb keine Bindungswirkung entfalten. Die beklagte Europäische Schule Frankfurt am Main genieße als Teil einer zwischenstaatlichen Einrichtung mit Völkerrechtspersönlichkeit für das vorliegende Verfahren Immunität (§ 20 Abs. 2 GVG). Dies folge aus Art. 27 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 25 Nr. 4 der Satzung und gelte auch für die streitgegenständlichen Schulgelderhöhungen. Die Zuständigkeitszuweisung in Art. 27 Abs. 2 Satz 2 der Satzung erfasse auch das auf Beschluss des Obersten Rates aufzuerlegende Schulgeld und ermächtige die Beschwerdekammer zu einer uneingeschränkten Ermessensnachprüfung. Zudem seien die in Streit stehenden Schulgeldangelegenheiten dem Kernbereich der amtlichen Tätigkeit der Europäischen Schulen zuzurechnen. Unbeschadet der Frage, ob die Beschwerdekammer trotz des eindeutigen Wortlauts von Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung mit der angegebenen Begründung ihre Zuständigkeit hätte verneinen dürfen, ließen unzureichende Durchführungs- und Verfahrensvorschriften die für Streitigkeiten über das Schulgeld bestehende Immunität der Europäischen Schule unberührt. Art. 27 Abs. 7 der Satzung begründe deshalb keine Auffangzuständigkeit deutscher Gerichte. Daran ändere der Umstand nichts, dass es in Streitigkeiten der vorliegenden Art für die Beschwerdeführer nicht möglich sei, die Beschwerdekammer anzurufen, und deswegen eine Rechtsschutzlücke bestehe. Art 19 Abs. 4 GG gewährleiste keine Auffangzuständigkeit nationaler Gerichte, falls der Rechtsschutz gegen Handlungen zwischenstaatlicher Einrichtungen unzulänglich sei. Auf ihre Immunität habe die Beklagte nicht dadurch verzichtet, dass sie gegen das landgerichtliche Zwischenurteil keine Rechtsmittel eingelegt habe. Ein Verzicht auf die Immunität bedürfe grundsätzlich einer ausdrücklichen Erklärung, woran es hier jedoch fehle.

16

Eine Vorlage des deutschen Zustimmungsgesetzes zur Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG komme nicht in Betracht. Das Zustimmungsgesetz genüge insbesondere den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 GG. In der Satzung sei ein Maß an Rechtsschutz vorgesehen, das dem nach dem Grundgesetz zu gewährenden im Wesentlichen gleichkomme. Soweit dennoch eine Rechtsschutzlücke bestehe, beruhe diese auf einer defizitären Umsetzung der in Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Satzung angeordneten Verfahrens- beziehungsweise Durchführungsbestimmungen durch den Obersten Rat oder aber auf einem unzureichenden Verständnis der Beschwerdekammer vom Regelungsgehalt des Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung.

II.

17

Mit ihrer am 24. August 2009 eingegangenen Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer unmittelbar die Urteile des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2008 und des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2009 sowie mittelbar das deutsche Zustimmungsgesetz zur Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom 31. Oktober 1996 an.

18

Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG seien dadurch verletzt, dass den Beschwerdeführern keine Möglichkeit offenstehe, die einseitige Festsetzung der von ihnen zu entrichtenden Schulgebühren durch den Obersten Rat der Europäischen Schule gerichtlich überprüfen zu lassen. Dadurch seien die Grenzen von Art. 24 Abs. 1 GG überschritten, wonach die Gründung einer zwischenstaatlichen Einrichtung und ihre rechtliche und organisatorische Ausgestaltung dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot eines wirksamen Rechtsschutzes genügen müssten. Aus dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Satzung folge, dass sowohl die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer (das "Ob" betreffend) als auch die entsprechenden Durchführungsbestimmungen (das "Wie" betreffend) in der allgemeinen Schulordnung festzulegen seien. Da somit der Oberste Rat selbst darüber zu befinden habe, ob seine Entscheidungen überhaupt durch die Beschwerdekammer überprüft werden könnten, sei bereits in der Satzung ein strukturelles Defizit an effektivem Rechtsschutz angelegt. Insoweit liege nicht nur eine Rechtsschutzlücke bezüglich einer konkreten Handlung des Obersten Rates der Europäischen Schulen vor, die keine grundsätzlichen, strukturellen Defizite an der Ausgestaltung eines effektiven Rechtsschutzes erkennen lasse. Dies eröffne dem Obersten Rat einen unüberprüfbaren Raum selbst für Maßnahmen, die gegen das Willkürverbot verstießen. Entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs hätte daher nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfolgen müssen.

19

Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main verletze darüber hinaus den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, weil es bei seinen Hilfserwägungen Tatsachenvortrag in zwei - von den Beschwerdeführern nach der mündlichen Verhandlung eingereichten - Schriftsätzen nicht zur Kenntnis genommen habe. Bis zur mündlichen Verhandlung hätten die Beschwerdeführer aufgrund des landgerichtlichen Urteils davon ausgehen dürfen, dass es auf die absolute Höhe der Kosten rechtlich nicht ankomme. Das Gericht hätte ihnen daher nach der mündlichen Verhandlung, in der ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei, Gelegenheit geben müssen, zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt ergänzend vorzutragen.

III.

20

1. Der Europäischen Schule Frankfurt am Main wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Sie hat ausgeführt, die angefochtenen Urteile des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main seien verfassungsgemäß und verletzten insbesondere nicht Art. 19 Abs. 4 GG, der keine Auffangzuständigkeit deutscher Gerichte begründe. Zwar scheine die Verfassungsbeschwerde auch auf das Bestehen einer Schutzpflicht des deutschen Gesetzgebers und der Bundesregierung gerichtet zu sein, für einen effektiven Rechtsschutz bei den Europäischen Schulen zu sorgen. Die Verfassungsbeschwerde sei insoweit jedoch unbegründet, da die von den Beschwerdeführern vorgetragene Rechtsschutzlücke nicht (mehr) bestehe. Der Vorwurf, die Organisation habe bewusst eine Rechtsschutzlücke geschaffen und beibehalten, sei unzutreffend. Die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 8. November 2004, die auf einer unzutreffenden Auslegung von Art. 27 Abs. 2 der Satzung beruhe, sei ein Einzelfall geblieben. Der Wortlaut dieser Bestimmung lasse keinen Zweifel daran, dass die Befugnis der Beschwerdekammer auch die Entscheidung von Schulgeldklagen der Eltern von Kindern der Kategorie III umfasse. Diese seien in Art. 25 Nr. 4 der Satzung ausdrücklich genannt und durch eine Entscheidung des Obersten Rates über die Erhöhung des Schulgeldes unmittelbar finanziell beschwert. Für die Überprüfung des Schulgeldbeschlusses räume Art. 27 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der Beschwerdekammer ausdrücklich die Befugnis zur uneingeschränkten Überprüfung des Ermessens des Obersten Rates ein. Der Satzungswortlaut sei hinreichend bestimmt, so dass es zu seiner Anwendung keiner Durchführungsregelungen bedürfe.

21

2. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, die Hessische Staatskanzlei und das Hessische Ministerium der Justiz hatten ebenfalls Gelegenheit zur Äußerung.

B.

22

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen, weil sie unzulässig ist. Der Vortrag der Beschwerdeführer zur Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung genügt nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

I.

23

In der Begründung einer Verfassungsbeschwerde haben die Beschwerdeführer darzulegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert. Dazu müssen sie aufzeigen, inwieweit eine Maßnahme die bezeichneten Grundrechte verletzen soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 120, 274 <298>; 142, 234 <251 Rn. 28>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <346>; 123, 186 <234>; 142, 234 <251 Rn. 28>).

24

Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und deren konkreter Begründung (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. April 2011 - 2 BvR 2978/10 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2017 - 1 BvR 1069/14 -, juris, Rn. 28; stRspr). Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 130, 1 <21>; 140, 229 <232 Rn. 9>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2017 - 1 BvR 1069/14 -, juris, Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2017 - 2 BvR 2019/17 -, juris, Rn. 17 f.; stRspr).

25

Zweck der Begründungsanforderungen in § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ist es, dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit zu eröffnen, den Hoheitsakt ohne weitere Ermittlungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Dem Gericht soll eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung des Begehrens verschafft werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 1999 - 1 BvR 1840/98 -, juris, Rn. 7; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juli 2000 - 2 BvR 1894/99 -, juris, Rn. 3; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2014 - 1 BvR 1837/12 -, NJW 2015, S. 1005 <1006 Rn. 10>).

II.

26

Hieran gemessen haben die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Das gilt im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung der Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG unter Berücksichtigung des Prüfungsmaßstabs (1.) sowohl in Bezug auf die Auslegung und Anwendung von Art. 27 Abs. 7 der Satzung durch die Fachgerichte (2.) als auch in Bezug auf das mittelbar angegriffene Gesetz zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1994 über die Satzung der Europäischen Schulen vom 31. Oktober 1996 (3.). Für eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Versagung von Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten fehlen jegliche Anhaltspunkte (4.). Auch eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Nichtberücksichtigung von Sachvortrag durch das Oberlandesgericht ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt (5.).

27

1. Integrationsgesetze, mit denen nach Art. 24 Abs. 1 GG Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden, müssen sicherstellen, dass auch die zwischenstaatliche Einrichtung einen Grundrechtsschutz gewährleistet, der den vom Grundgesetz geforderten Mindeststandard umfasst, insbesondere den Wesensgehalt der Grundrechte garantiert (a). Dieser Mindeststandard muss bei Gründung einer zwischenstaatlichen Einrichtung und darüber hinaus auch für die Dauer ihres Bestehens sichergestellt werden (b). Mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG erfordert dies die Sicherstellung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes der Betroffenen in Deutschland gegenüber Maßnahmen der zwischenstaatlichen Einrichtung (c). Einer Reservezuständigkeit deutscher (Fach-)Gerichte bedarf es dagegen nicht (d).

28

a) Das Grundgesetz konzipiert die Bundesrepublik Deutschland als einen offenen Verfassungsstaat. Sie soll an der europäischen Integration mitwirken, sich kollektiven Sicherheitssystemen anschließen, die allgemeinen Regeln des Völkerrechts achten sowie eine auf die Bewahrung und Wiederherstellung des Friedens gerichtete Politik betreiben (vgl. Präambel und Art. 23 bis 26, Art. 88 Satz 2, Art. 109 Abs. 2 GG; BVerfGE 22, 293 <296 f.>; 37, 271 <278 ff.>; 58, 1 <28>; 73, 339 <374 f. >; 89, 155 <174>; 123, 267 <344 ff.>).

29

Soweit Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden, öffnet Art. 24 Abs. 1 GG die nationale Rechtsordnung derart, dass der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des Grundgesetzes zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs Raum gelassen werden kann (vgl. BVerfGE 37, 271 <279 f.>), ohne dass es eines Umsetzungs- oder Vollzugsaktes deutscher Stellen bedarf. Seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet dies in der Integrationsermächtigung des Art. 24 Abs. 1 und Abs. 1a GG, seine Grundlage in dem jeweiligen Integrations- und Zustimmungsgesetz zu den in Rede stehenden Verträgen. Letzteres enthält auch den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl für das von den Organen der zwischenstaatlichen Einrichtung gesetzte Recht und für die von ihnen erlassenen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 75, 223 <244>; 82, 159 <193>; 85, 191 <204>; 89, 155 <190>; 123, 267 <400 ff.>; 140, 317 <336 Rn. 40>).

30

Integrationsgesetze sind als Akte deutscher Staatsgewalt an die im Grundgesetz verbürgten Grundrechte gebunden, deren Wesensgehalt (Art. 19 Abs. 2 GG) sie auch in Ansehung der supranationalen Hoheitsgewalt generell sicherzustellen haben. An dieser - mit den Solange I und II-Beschlüssen begründeten Rechtsprechungslinie (vgl. BVerfGE 37, 271 <280 ff.>; 73, 339 <387>; vgl. auch BVerfGE 58, 1 <40>) - hat das Bundesverfassungsgericht auch nach Einfügung des Art. 23 GG in das Grundgesetz (BTDrucks 12/6000, S. 21) festgehalten und die generelle Gewährleistung des Wesensgehalts der Grundrechte als den vom Grundgesetz geforderten Mindeststandard an Grundrechtsschutz bei Verabschiedung und Vollzug eines Integrationsprogramms beschrieben (vgl. BVerfGE 89, 155 <174 f.>; 102, 147 <164>; 118, 79 <95>; vgl. auch BVerfGE 123, 267 <334>; 126, 286 <302>; 133, 277 <316 Rn. 91>; 140, 317 <337 Rn. 43>).

31

b) Öffnet der Staat seine Rechtsordnung und räumt er den Organen einer zwischenstaatlichen Einrichtung Hoheitsrechte ein, die (Grund-)Rechte beschränken oder solche Beschränkungen ermöglichen können, so trifft ihn die Pflicht, die Gewährleistung des vom Grundgesetz geforderten Minimums an Grundrechtsschutz sicherzustellen. Insoweit darf der Integrationsgesetzgeber Hoheitsrechte auf eine zwischenstaatliche Einrichtung nur übertragen, wenn diese rechtsstaatliche, einen adäquaten Grundrechtsschutz verbürgende Garantien aufweist. Darüber hinaus sind alle Verfassungsorgane im Rahmen ihrer Kompetenzen verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die vom Grundgesetz geforderten Mindeststandards nicht unterschritten werden (vgl. Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 24 Rn. 44; Walter, AöR 129 (2004), S. 39 <68>).

32

Die im Grundgesetz verbrieften Grundrechte erfordern darüber hinaus nicht nur bei der Übertragung von Hoheitsrechten Beachtung, sondern auch beim Vollzug des Integrationsprogramms (vgl. in Bezug auf die Europäische Union BVerfGE 123, 267 <353, 364 f., 389 f., 391 f., 413 f., 419 f.>; 134, 366 <395 f. Rn. 49, 397 Rn. 53>; 142, 123 <211 Rn. 170>). Sie können auch dazu führen, dass ein zunächst verfassungsmäßiges Integrationsgesetz nachträglich verfassungswidrig wird, wenn eine verfassungswidrige Anwendungspraxis auf das Integrationsgesetz selbst zurückzuführen ist und darin ein strukturbedingtes normatives Regelungsdefizit zum Ausdruck kommt (vgl. zu § 257c StPO BVerfGE 133, 168<233 f. Rn. 118>; vgl. auch BVerfGE 73, 339 <372>; 143, 216 <245 Rn. 71>).

33

c) Zum im Rahmen zwischenstaatlicher Einrichtungen zu sichernden Mindestmaß an Grundrechtsschutz gehört die Garantie eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Sie sichert das grundlegende Recht, sich gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt vor einem Gericht zur Wehr setzen zu können.

34

aa) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur ein Individualgrundrecht; er enthält auch eine objektive Wertentscheidung (vgl. BVerfGE 58, 1 <40>; Ibler, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 19 IV, Rn. 19 ff. ; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 6, 10 ff. ). Sie verpflichtet den Gesetzgeber, einen wirkungsvollen Rechtsschutz auch unabhängig von individuellen Berechtigungen sicherzustellen (vgl. Lorenz, in: Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 143 <145>). Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potentiell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 67, 43 <58>; 84, 34 <49>; 143, 216 <224 f. Rn. 20>; stRspr). Der Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Sache darf daher - vorbehaltlich verfassungsunmittelbarer Schranken - in keinem Fall ausgeschlossen, faktisch unmöglich gemacht oder in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 30, 1 <23 ff.>; 44, 302 <305>; 143, 216 <225 f. Rn. 21>). Auf die Gewährleistung eines dermaßen wirkungsvollen Rechtsschutzes hat der Einzelne einen verfassungskräftigen Anspruch (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 77, 275 <284>; 143, 216 <225 f. Rn. 21>).

35

bb) Wirkungsvoller Rechtsschutz erfordert eine Kontrolle hoheitlichen Handelns durch sachlich und persönlich unabhängige und unparteiische Richter sowie den Zugang zu einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Instanz, die jedenfalls eine repressive, lückenlose sowie rechtzeitige Überprüfung staatlichen oder staatlich zu verantwortenden Handelns ermöglicht. Eine lückenlose gerichtliche Kontrolle von Rechtsverletzungen durch die öffentliche Hand (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 51, 176 <185>; 54, 39 <41>; 58, 1 <40>; 96, 27 <39>; 101, 106 <122 f.>; 101, 397 <407>; 103, 142 <156>; 104, 220 <231>; stRspr) setzt voraus, dass allen rechtsverkürzenden Auswirkungen staatlichen oder staatlich zu verantwortenden Handelns auch tatsächlich begegnet werden kann. Allerdings lässt sich der Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes weder ein Anspruch auf die bestmögliche noch auf eine durchgängig prinzipale gerichtliche Kontrolle entnehmen. Ihr ist vielmehr bereits dann Rechnung getragen, wenn die normative Ausgestaltung eine umfassende Nachprüfung des Verfahrensgegenstandes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung gewährleistet (vgl. BVerfGE 60, 253 <296 f.>).

36

cc) Ermächtigt der Gesetzgeber zwischenstaatliche Einrichtungen oder internationale Organisationen dazu, öffentliche Gewalt unmittelbar gegenüber den Betroffenen in Deutschland auszuüben, muss er einen wirkungsvollen Rechtsschutz sicherstellen, der diesen Kriterien Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 58, 1 <40 ff.>; 59, 63 <85 ff.>; 73, 339 <376>).

37

Geboten ist insoweit ein Individualrechtsschutz durch unabhängige Stellen, die mit hinlänglicher Gerichtsbarkeit, insbesondere mit einer dem Rechtsschutzbegehren angemessenen Prüfungs- und Entscheidungsmacht über tatsächliche und rechtliche Fragen, ausgestattet sind, auf Grund eines Verfahrens entscheiden, das rechtliches Gehör, dem Streitgegenstand angemessene Angriffs- und Verteidigungsmittel und einen frei gewählten, kundigen Beistand ermöglicht und deren Entscheidungen die Verletzung eines Grundrechts sachgerecht und wirksam sanktionieren (vgl. BVerfGE 73, 339 <376>; siehe auch BVerfGE 59, 63 <91>). Des Weiteren müssen supranationale Rechtsschutzeinrichtungen ihre Gerichtsbarkeit auch tatsächlich ausüben.

38

Dieser Maßstab deckt sich mit den - bei der Auslegung des Grundgesetzes gemäß Art. 1 Abs. 2 GG zu berücksichtigenden - Anforderungen aus Art. 6 Abs. 1 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 128, 326 <366 ff.>; 134, 33 <60 Rn. 69>; 137, 273 <320 ff. Rn. 127 ff.>; 138, 296 <355 ff. Rn. 148 ff.>; 141, 1 <29 ff. Rn. 71 ff., 32 Rn. 76>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 u.a. -, juris, Rn. 206; Urteile des Zweiten Senats vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 u.a. -, juris, Rn. 127 ff. und vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 502/16 -, juris, Rn. 86), an die ein Konventionsstaat auch gebunden bleibt, wenn er Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen überträgt (vgl. EGMR , Case of Matthews v. The United Kingdom, Urteil vom 18. Februar 1999, Nr. 24833/94, §§ 29 ff.; , Bosphorus Hava Yollari Turizm ve Ticaret Anonim Şirketi v. Ireland, Urteil vom 30. Juni 2005, Nr. 45036/98, §§ 152 ff.; Roland Klausecker v. Germany, Urteil vom 6. Januar 2015, Nr. 415/07, §§ 95 ff., m.w.N.; Meyer-Ladewig, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 1 Rn. 12 f.; Röben, in: Dörr/Grothe/Marauhn, EMRK/GG, 2. Aufl. 2013, Kap. 5 Rn. 132 ff.; Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, § 4 Rn. 3). Auch insoweit muss er einen Grundrechtsschutz sicherstellen, der dem von der Konvention gewährten Schutz gleichwertig ist.

39

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK garantiert den Zugang zu einem unabhängigen, auf Gesetz beruhenden Gericht, wobei die Konventionsstaaten einen gewissen Beurteilungsspielraum genießen. Sie dürfen das Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht jedoch nicht in einer Weise und in einem Ausmaß einschränken oder verkürzen, dass das Recht in seinem Wesensgehalt angetastet wird. Eine Beschränkung ist auch dann nicht mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar, wenn sie kein berechtigtes Ziel verfolgt oder kein angemessenes Verhältnis zwischen den angewandten Mitteln und dem verfolgten Ziel besteht (EGMR, Waite and Kennedy v. Germany, Urteil vom 18. Februar 1999, Nr. 26083/94, § 59, m.w.N.; vgl. auch EGMR, Roland Klausecker v. Germany, Urteil vom 6. Januar 2015, Nr. 415/07, § 62).

40

Da der EGMR die Ausweitung und Vertiefung internationaler Beziehungen und damit auch die Funktionsfähigkeit internationaler Organisationen als ein berechtigtes Ziel ansieht, das die Einschränkung des Rechts auf Zugang zu Gericht rechtfertigen kann, ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, zwischenstaatlichen Einrichtungen und internationalen Organisationen Immunität vor staatlichen Gerichten einzuräumen, wenn gleichzeitig Rechtsschutz auf der zwischenstaatlichen Ebene zur Verfügung steht (vgl. EGMR , Waite and Kennedy v. Germany, Urteil vom 18. Februar 1999, Nr. 26083/94, §§ 63 ff.; EGMR, Roland Klausecker v. Germany, Urteil vom 6. Januar 2015, Nr. 415/07, § 63 f., m.w.N.).

41

d) Mit der Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. 1 und Abs. 1a GG geht nicht nur die Möglichkeit einher, die Rechtsprechungsaufgabe auf die supranationale Einrichtung zu übertragen, sondern auch die Befugnis, den Zugang zu deutschen Gerichten insoweit auszuschließen. Auslegung und Anwendung des supranationalen Rechts - einschließlich der Bestimmung der dabei anzuwendenden Methode - obliegen im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen dann allein den völkerrechtlich ermächtigten Rechtsschutzinstanzen.

42

Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG den Rechtsuchenden gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen (BVerfGE 133, 1 <23 Rn. 69>; 143, 216 <225 Rn. 21>; stRspr). Einfach-gesetzlich eröffnete Rechtsschutzmöglichkeiten nimmt Art. 19 Abs. 4 GG in seinen effektiven Schutzbereich auf und sichert sie grundrechtlich ab (vgl. BVerfGE 143, 216 <225 f. Rn. 21>). Ähnlich wie Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. BVerfGE 139, 64 <126 Rn. 128>; 140, 240 <295 Rn. 111>) gewährleistet er insoweit einen relativen Normbestandsschutz.

43

Hat der Integrationsgesetzgeber die Rechtsprechungsaufgabe auf ein zwischenstaatliches Gericht übertragen, können Maßnahmen der supranationalen Einrichtung grundsätzlich nicht vor deutschen Gerichten angegriffen werden. Als ein auf Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angewiesenes Teilhaberecht gewährt Art. 19 Abs. 4 GG Rechtsschutz grundsätzlich nur nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben und nur gegen Akte der deutschen öffentlichen Gewalt. Weder aus Art. 24 Abs. 1 GG noch aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt insoweit ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Zugang zu deutschen Gerichten.

44

Etwas anderes gilt dann, wenn dem Einzelnen in den völkerrechtlichen Verträgen zur Gründung einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder im Integrationsgesetz der Zugang zu den nationalen Gerichten eröffnet wird. Die übliche Immunität zwischenstaatlicher Einrichtungen und internationaler Organisationen kann im Statut eingeschränkt oder es kann ganz auf sie verzichtet werden (Klein/Schmahl, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 7. Aufl. 2017, 4. Abschnitt Rn. 108; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rn. 1909).

45

2. Im Hinblick auf diesen Maßstab genügt der Beschwerdevortrag den Begründungsanforderungen der § 23, § 92 BVerfGG nicht, soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch die fachgerichtliche Auslegung von Art. 27 Abs. 7 der Satzung geltend machen.

46

Die Beschwerdeführer führen selbst aus, Art. 19 Abs. 4 GG begründe keine internationale Auffangzuständigkeit deutscher Gerichte für den Fall, dass der Rechtsschutz gegen Handlungen zwischenstaatlicher Einrichtungen unzulänglich sei. Sie vertreten allerdings die Auffassung, eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf umfassenden und effektiven Rechtsschutz hätte vermieden werden können, wenn das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof - ebenso wie das Landgericht - Art. 27 Abs. 7 der Satzung als Auffangtatbestand für alle Rechtsstreitigkeiten gewertet hätten, in denen die Beschwerdekammer an einer Sachentscheidung gehindert ist. Die Beschwerdekammer habe (mit dem Bericht ihres Präsidenten vom 8. November 2004) zu Recht eine Entscheidung über die Beschwerde der Beschwerdeführer abgelehnt, weil die von Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Satzung geforderten Voraussetzungen für ein Verfahren durch Regelung in der allgemeinen Schulordnung bezüglich der konkreten Handlung des Obersten Rates nicht geschaffen worden seien.

47

a) Insoweit fehlt jede argumentative Auseinandersetzung mit der Begründung der angegriffenen Urteile, die eine Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit durch Art. 27 Abs. 7 der Satzung im vorliegenden Fall nicht für gegeben halten.

48

Darüber hinaus fehlt jede Auseinandersetzung damit, dass Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung eine ausschließliche erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit der Beschwerdekammer für Streitigkeiten vorsieht, die sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat in Ausübung seiner Befugnisse getroffenen Entscheidung beziehen und die betroffenen Personen beschweren. Diese Bestimmung erfasst jedenfalls dem Wortlaut nach auch Streitigkeiten über die Erhöhung des Schulgeldes.

49

Es spricht einiges dafür, dass es sich bei der Erhöhung des Schulgeldes um eine "beschwerende Entscheidung" im Sinne von Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung handelt (vgl. auch EuGH, Urteil vom 11. März 2015, Oberto und O´Leary, C-464/13 und C-465/13, EU:C:2015:163, Rn. 49). Art. 25 Nr. 4 der Satzung regelt, dass den Eltern der Schüler das Schulgeld "auferlegt" wird. Auch sind diese nach Art. 29 Satz 1 der Schulordnung verpflichtet, die vom Obersten Rat festgelegten Beträge innerhalb einer vorgesehenen Frist zu zahlen. Für diese Auslegung spricht ferner, dass die Beschwerdekammer nach Art. 27 Abs. 2 Satz 2 der Satzung in finanziellen Streitigkeiten eine Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung besitzt und dass diese Regelung auf Streitigkeiten, die die gemäß Art. 25 Nr. 4 der Satzung beschlossene Höhe des Schulgeldes betreffen, ohne weiteres anzuwenden ist. Darüber hinaus soll ausweislich der Präambel der Satzung ein angemessener Rechtsschutz des Lehrpersonals und der sonstigen unter die Satzung fallenden Personen gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates oder der Verwaltungsräte gewährleistet und zu diesem Zweck eine Beschwerdekammer mit genau festgelegten Befugnissen eingerichtet werden. Vor diesem Hintergrund hat etwa der EuGH angenommen, dass die Beschwerdekammer gerade dem Zweck dient, gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates einen angemessenen Rechtsschutz zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2015, a.a.O.).

50

Einer vertraglichen Zuständigkeitszuweisung an die Beschwerdekammer steht Art. 6 Abs. 1 der Satzung nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung kann jede Schule vor Gericht klagen und verklagt werden. Die Regelung steht jedoch im Kontext von Art. 27 Abs. 7 der Satzung. Danach können die Schulen in "anderen Streitigkeiten" Partei sein und unterliegen insoweit der Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Ausweislich des Regelungszusammenhangs von Art. 27 Abs. 2 und Abs. 7 der Satzung sind damit jedoch nur solche Streitigkeiten gemeint, für die keine Zuständigkeit der Beschwerdekammer besteht. "Gericht" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Satzung meint insoweit nicht die "Beschwerdekammer", sondern jedes mitgliedstaatliche Gericht.

51

Dass die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer zur Überprüfung von Beschlüssen des Obersten Rates gemäß Art. 25 Nr. 4 der Satzung betreffend das den Eltern aufzuerlegende Schulgeld und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen bislang weder in der Allgemeinen Schulordnung noch im Statut der Beschwerdekammer oder in ihrer Verfahrensordnung näher geregelt sind, zwingt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nach dem Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Satzung unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs mit Art. 27 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 der Satzung jedenfalls nicht zu der Annahme, es sei schon keine Zuständigkeit der Beschwerdekammer gegeben.

52

b) Ausgehend von der Rechtsansicht der Beschwerdeführer, dass die Beschwerdekammer nicht zur Überprüfung von Schulgeldfestsetzungen des Obersten Rates befugt ist, hätte es ferner näherer Darlegung bedurft, warum nach Art. 27 Abs. 7 der Satzung nicht nur die nationale Gerichtsbarkeit eröffnet ist, sondern gerade eine Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Zivilsachen begründet sein soll. Welche Rechtsnatur die von ihnen mit der Europäischen Schule Frankfurt am Main geschlossenen Verträge haben, erörtern die Beschwerdeführer nicht. Ebenso wenig setzen sie sich mit der Frage auseinander, ob es sich bei der Schulgeldfestsetzung durch den Obersten Rat um die Ausübung eines durch einen zivilrechtlichen Vertrag eingeräumten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts oder um die Ausübung öffentlicher Gewalt handelt. Dass die Beschwerdeführer gegenüber der Festsetzung des Schulgeldes Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG beanspruchen, spricht dafür, dass sie von letzterem ausgehen. Warum sie trotzdem den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für gegeben erachten, hätte vor diesem Hintergrund weiterer Begründung bedurft. Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Verwaltungsgerichte, an die der Rechtsstreit hätte verwiesen werden können (vgl. § 17a GVG), ist ebenfalls nicht zweifelsfrei (vgl. BVerfGE 58, 1 <33 f.>; 59, 63 <88 f.>).

53

c) Die Beschwerdeführer haben schließlich für die verfassungsrechtliche Beurteilung unverzichtbare Unterlagen weder innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>; 88, 40 <45>; 93, 266 <288>; BVerfGK 5, 170 <171>). Dies betrifft insbesondere die mit der Europäischen Schule Frankfurt am Main geschlossenen Schulverträge sowie den begründeten Bericht des Präsidenten der Beschwerdekammer vom 8. November 2004.

54

3. Auch im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung der Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG durch Verkennung der Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes durch die Fachgerichte genügt der Vortrag der Beschwerdeführer zur Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Die Beschwerdeführer haben weder die Entscheidungserheblichkeit des Zustimmungsgesetzes (a) noch dessen Verfassungswidrigkeit (b) hinreichend substantiiert dargelegt.

55

a) Die Entscheidungserheblichkeit des Zustimmungsgesetzes für den vorliegenden Rechtsstreit über die Erhöhung des Schulgeldes wird von den Beschwerdeführern nicht erörtert, obwohl sie den Fachgerichten einen Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorwerfen. Welche Rechtsfolgen die Verfassungswidrigkeit in materieller Hinsicht für Art und Umfang eines Schulgeldanspruchs innerhalb des bestehenden Vertragsverhältnisses zwischen den Beschwerdeführern und der beklagten Schule hätte, führen sie ebenso wenig aus wie sie die Auswirkungen einer möglichen Nichtigkeit des Zustimmungsgesetzes auf die gerichtliche Kontrolle eines solchen Anspruchs begründen.

56

b) Im Hinblick auf die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes haben die Beschwerdeführer nicht dargetan, dass der durch die Beschwerdekammer zu gewährende vertraglich vorgesehene Rechtsschutz den sich aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an einen wirkungsvollen Rechtsschutz nicht genügt oder die Beschwerdekammer diesen in ihrer Spruchpraxis tatsächlich nicht gewährt. Aus dem Beschwerdevortrag folgt zum einen nicht, dass das Zustimmungsgesetz im Hinblick auf den in der Satzung vorgesehenen Rechtsschutz durch die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen wegen eines strukturell bedingten Regelungsdefizits von Anfang an verfassungswidrig war (aa). Zum anderen lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen, dass das Gesetz aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizits im Nachhinein verfassungswidrig geworden ist und es sich bei dem begründeten Bericht des Präsidenten der Beschwerdekammer vom 8. November 2004, mit dem dieser die Beschwerdekammer für die Überprüfung der Schulgelderhöhungen für unzuständig erklärt hat, nicht nur um eine Fehlentscheidung im Einzelfall handelt (bb).

57

aa) Die Beschwerdeführer setzen sich nicht damit auseinander, ob die Satzung der Europäischen Schulen eine Auslegung ermöglicht, die hinsichtlich der Einrichtung der Beschwerdekammer sowie des Ablaufs und der Gestaltung der bei ihr geführten Verfahren den oben (Rn. 27 ff.) dargelegten verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügt. Sie legen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür dar, dass die Beschwerdekammer nicht alle Merkmale eines Gerichts erfüllt und nicht in der Lage ist, wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewähren.

58

Eine Auslegung von Art. 27 der Satzung im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 EMRK erscheint möglich. Als materielle Gewährleistung ist die Garantie effektiven Rechtsschutzes auch Bestandteil des Rechts der Europäischen Schulen, weil sämtliche beteiligte Staaten auch Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sind und für die an dieser zwischenstaatlichen Einrichtung beteiligte Europäische Union die dort niedergelegten Garantien als allgemeine Grundsätze ebenfalls gelten (Art. 6 Abs. 3 EUV) und diese nach Art. 6 Abs. 2 EUV zu einem Beitritt angehalten ist. Darüber hinaus kennen praktisch alle Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten eine Art. 19 Abs. 4 GG zumindest ähnliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes.

59

Dieser Befund wird durch den Aussagegehalt von Art. 27 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 der Satzung erhärtet, der die Unabhängigkeit der Beschwerdekammer gewährleistet und bestimmt, dass ihr nur Personen angehören können, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und als fähige Juristen gelten. Zu Mitgliedern können zudem nur Personen ernannt werden, die in einer vom Gerichtshof der Europäischen Union erstellten Liste aufgeführt sind.

60

Art. 27 Abs. 2 der Satzung ermöglicht eine umfassende Nachprüfung von "beschwerenden Entscheidungen" durch den Obersten Rat oder den Verwaltungsrat einer Schule und somit lückenlosen Rechtsschutz. Wie gezeigt, ist der Beschwerdekammer dabei sogar eine Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung bei finanziellen Streitigkeiten eingeräumt (Art. 27 Abs. 2 Satz 2 der Satzung). Aus Art. 27 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit der Präambel der Satzung ergibt sich eine Allzuständigkeit der Beschwerdekammer für Maßnahmen, die die Rechtsstellung von Betroffenen unmittelbar und individuell berühren. Anhaltspunkte dafür, dass die satzungsmäßige Einrichtung der Beschwerdekammer den Anforderungen an einen wirkungsvollen, effektiven und lückenlosen Rechtsschutz auf supranationaler Ebene nicht genügte, haben die Beschwerdeführer nicht vorgetragen.

61

bb) Dem Beschwerdevortrag lässt sich auch nicht entnehmen, dass das Zustimmungsgesetz zur Vereinbarung über die Satzung im Laufe der Zeit verfassungswidrig geworden wäre, weil der Oberste Rat keinen wirkungsvollen Rechtsschutz sichergestellt und sich insoweit ein strukturelles Vollzugsdefizit ergeben hätte. Die Beschwerdeführer haben insbesondere nicht dargelegt, dass es sich bei dem begründeten Bericht des Präsidenten der Beschwerdekammer vom 8. November 2004, mit dem er diese für die Überprüfung der Schulgelderhöhungen für unzuständig erklärt hat, nicht nur um eine Fehlentscheidung im Einzelfall handelt. Zur Substantiierung des Vortrags wäre insbesondere eine Auswertung der Rechtsprechung der Beschwerdekammer erforderlich gewesen, die hätte belegen müssen, dass die Verweigerung von Rechtsschutz im Fall der Beschwerdeführer auf einem strukturellen Vollzugsdefizit beruht und über den Einzelfall hinausgeht. Allein die Annahme, dass es der Oberste Rat durch Gestaltung der Schul- oder Verfahrensordnung selbst in der Hand habe, die Überprüfung seiner Entscheidungen durch die Beschwerdekammer zu ermöglichen oder nicht zuzulassen, genügt den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht. Diese sollen vielmehr verhindern, dass dem Bundesverfassungsgericht abverlangt wird, zur Überprüfung der Frage, ob die Beschwerdekammer (mittlerweile) einen effektiven Rechtsschutz gewährt, die unter http://www.schola-europaea.eu/bdcree/ verfügbare umfangreiche Entscheidungssammlung der Beschwerdekammer und deren weitere Judikatur ohne vorherige Aufbereitung durch die Beschwerdeführer selbst auf relevantes Material hin zu sichten und im Detail auszuwerten.

62

cc) Ob - wie die Europäische Schule Frankfurt am Main vorgetragen hat - eine Änderung der Spruchpraxis der Beschwerdekammer im Hinblick auf die Justiziabilität von Beschlüssen des Obersten Rates stattgefunden hat, muss hier nicht entschieden werden. Jedenfalls ergibt sich aus der von der Europäischen Schule Frankfurt am Main in ihrem Vortrag in Bezug genommenen Entscheidung der Beschwerdekammer vom 31. Juli 2014 (BKEURSC, Beschluss vom 31. Januar 2014 - 13/50 -, abrufbar unter http://www.schola-europaea.eu/bdcree/), dass die Beschwerdekammer nunmehr die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Obersten Rates, mit denen die Schulgelder für Schüler der Kategorie III erhöht werden, grundsätzlich überprüft (a.a.O., Rn. 1, 14). Dies wird durch den Beschluss der Beschwerdekammer vom 10. März 2016 (BKEURSC, Beschluss vom 10. März 2016 - 15/71 -, abrufbar unter http://www.schola-europaea.eu/bdcree/) bestätigt, der ebenfalls die Überprüfung einer Schulgelderhöhung betraf.

63

4. Worin die von den Beschwerdeführern gerügte Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Verneinung der nationalen Gerichtsbarkeit liegen soll, lässt sich der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht entnehmen. Eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG, die mit einer Nichtvorlage des Zustimmungsgesetzes an das Bundesverfassungsgericht entgegen Art. 100 Abs. 1 GG verbunden sein könnte, haben die Beschwerdeführer nicht gerügt. Sie berücksichtigen nicht, dass Art. 103 Abs. 1 GG anders als Art. 19 Abs. 4 GG und der allgemeine Justizgewährungsanspruch nicht den Zugang zu Gericht, sondern allein das Gehörtwerden innerhalb des gerichtlichen Verfahrens gewährleistet (vgl. BVerfGE 107, 395 <409>; 108, 341 <347 f.>).

64

5. Auch eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Nichtberücksichtigung von Sachvortrag durch das Oberlandesgericht bei seinen Hilfserwägungen ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Zum einen verweisen die Beschwerdeführer insoweit lediglich auf Schriftsätze aus dem Berufungsrechtszug. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, sich den der Verfassungsbeschwerde zu Grunde liegenden Sachverhalt aus den in Bezug genommenen Schriftsätzen herauszusuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>). Zum andern setzen sie sich nicht damit auseinander, dass diese Schriftsätze erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht worden sind, ohne dass sie vom Oberlandesgericht nachgelassen worden waren. Die Beschwerdeführer tragen mit ihrer Verfassungsbeschwerde insbesondere nicht vor, dass sie sich zu dem Hinweis des Oberlandesgerichts auf die Bedeutung einer nicht kostendeckenden Festsetzung des Schulgeldes in der mündlichen Verhandlung nicht unmittelbar äußern konnten und deshalb einen Schriftsatznachlass beantragt hätten (vgl. § 139 Abs. 5 ZPO).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

3
1. Die nach § 187 GVG zu beurteilende Entscheidung, ob eine schriftliche Übersetzung des vollständig abgefassten Urteils anzufertigen und dem Angeklagten zu übermitteln ist, fällt in die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts; als Maßnahme der Verfahrensleitung entscheidet der Vorsitzende (OLG Hamburg, Beschluss vom 6. Dezember 2013 – 2 Ws 253/13, inso- fern nicht abgedruckt in StV 2014, 534; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl., § 186 GVG Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 187 GVG Rn. 1a; Kissel/ Mayer, GVG, 8. Aufl., § 186 Rn. 15 und § 187 Rn. 8).