Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2014 - 1 StR 212/14

bei uns veröffentlicht am17.09.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 1 2 / 1 4
vom
17. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2014 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 23. Dezember 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen , Sachbeschädigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und mit vorsätzlichem Besitz von Munition, Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätzlichem Besitz von Munition und wegen vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, mit vorsätzlichem Führen von zwei Schalldämpfern, mit vorsätzlichem Besitz von Munition sowie mit vorsätzlichem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Es hat weiter seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
3
Sein Rechtsmittel ist in vollem Umfang begründet (§ 349 Abs. 4 StPO), weil sowohl ein Verfahrensfehler als auch ein materiell-rechtlicher Fehler vorliegt.
4
1. Die Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO231b Abs. 1 StPO) hat Erfolg, weil die Hauptverhandlung (hier Einnahme eines Augenscheins ) in Abwesenheit des Angeklagten erfolgt ist.
5
Durch Beschluss des Landgerichts wurde der Angeklagte gemäß § 177 GVG für die weitere Vernehmung der Zeugin B. am 15. November 2013 aus dem Sitzungszimmer entfernt, nachdem er zuvor mehreren sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden … nicht nachgekommen war …
6
Nach Entfernung des Angeklagten machte die Zeugin weitere Angaben. Im Protokoll heißt es sodann: "Die von der Polizei gefertigten Lichtbilder der Wohnung der Geschädigten B. wurden in Augenschein genommen."
7
Die Zeugin machte sodann weitere Angaben zur Sache. Der Angeklagte wurde über den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussage B. informiert (§§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO).
8
Die Lichtbilder werden im Protokoll anschließend nicht mehr erwähnt.
9
a) Die Rüge ist zulässig erhoben.
10
Der Revisionsführer hat diesen Sachverhalt vollständig vorgetragen. Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO war es im vorliegenden Fall nicht erforderlich , die Lichtbilder im Einzelnen zu beschreiben, wenn dies auch im Einzelfall zur erforderlichen Klarstellung schon verlangt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - 1 StR 391/03). Dies war weder notwendig, um die Frage beantworten zu können, ob die Abwesenheit bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung stattfand, noch ob es sich nur um einen Vernehmungsbehelf handelte. Hier ergibt sich aus den auf die Sachrüge zugänglichen schriftlichen Urteilsgründen , dass die Lichtbilder für das erkennende Gericht wesentlich waren, denn sie werden bei der Beweiswürdigung dreimal angeführt (UA S. 20, 26, 27). Nicht wesentlich waren für das Gericht die Einzelheiten der Bilder, denn es ist nur von "Lichtbildern ihres Schlafzimmers", "Lichtbildern der Wohnung" und "Bildern ihrer Wohnung" die Rede. Näherer Vortrag war daher im vorliegenden Fall für die Beurteilung durch das Revisionsgericht entbehrlich (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2004 - 2 StR 436/03). Dies gilt auch für die Prüfung der Frage , ob lediglich von einem Vernehmungsbehelf auszugehen ist (vgl. hierzu auch nachfolgend 1b).
11
b) Die Rüge ist auch begründet.
12
Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO), dass während der Vernehmung der Zeugin B., bei der der Angeklagte nach § 177 GVG ausgeschlossen war, die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder durchgeführt wurde. Nach den Gesamtumständen ist hier davon auszugehen, dass es sich um einen förmlichen Augenschein gehandelt hat und die Lichtbilder nicht lediglich als Vernehmungsbehelf eingesetzt worden sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - 5 StR 477/02).
13
Die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlaufe einer Zeugenvernehmung hätte keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 4 StR 529/13 mwN).
14
Der Wortlaut des Protokolls ist eindeutig: Die Bilder wurden "in Augenschein genommen". Auf die Einschätzung des Sitzungsstaatsanwalts in seiner Gegenerklärung, wo nach seiner Erinnerung die Lichtbilder "als Hilfe dienten, die Angaben des Zeugen B. betreffend ihrer Wohnverhältnisse nachvollziehen zu können", kommt es danach nicht an.
15
Den Urteilsgründen lässt sich auch nicht entnehmen, dass kein förmlicher Augenschein erfolgt ist. Denn dort heißt es: "Dieses Geschehen konnte B. anhand von in Augenschein genommenen Lichtbildern …" (UA S. 20) und "beruhen u.a. … auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Wohnung von B." (UA S. 26). Umstände, die die Beweiskraft des Urteils in Zweifel ziehen könnten (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2002 - 1 StR 270/02), liegen danach nicht vor.
16
Eine gegebenenfalls zulässige Protokollberichtigung ist nicht erfolgt.
17
Danach ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vorgenommen und auch nicht in seiner Anwesenheit wiederholt worden (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 - 3 StR 163/07). Dass der Angeklagte hier nicht nach § 247 StPO sondern nach § 177 GVG entfernt wurde, ist für die Beurteilung des Verstoßes ohne Bedeutung. Es liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor, weil ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 4 StR 529/13), ohne dass dies durch den Entfernungsbeschluss gedeckt war; denn die Augenscheinnahme gehörte nicht zur Vernehmung (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 57. Aufl. Rn. 7 und 20 ff. zu § 247 StPO). Es stand auch nicht zu befürchten (vgl. § 231b Abs. 1 StPO), dass der Angeklagte bei nachträglicher Inaugenscheinnahme der Lichtbilder (bei seiner Unterrichtung gemäß §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO) den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde.
18
c) Der dargestellte Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen den beiden Vergewaltigungsfällen, bei denen sich das Landgericht ausdrücklich auf die Lichtbilder gestützt hat, und der Gesamtstrafe sowie der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB).
19
Hingegen gefährdet dieser Verfahrensfehler den Bestand der Verurteilung wegen der Waffendelikte nicht. Ein Einfluss des Verfahrensfehlers ist insoweit ausgeschlossen (vgl. u.a. Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 2 zu § 338), weil sich die Beweisaufnahme durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder bei der Vernehmung der Zeugin B. darauf nicht bezog (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2004 - 2 StR 436/03).
20
2. Die Rüge einer Verletzung von § 338 Nr. 6 StPO, § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG, der mit Wirkung vom 1. September 2013 durch Art. 2 StORMG (Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1805) neu gefasst wurde, hat ebenfalls Gewicht.
21
In der Hauptverhandlung, die am 4. November 2013 begann, wurde mehrfach durch Gerichtsbeschluss die Öffentlichkeit gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GVG ausgeschlossen.
22
a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO nicht gegeben. Denn diese Vorschrift ist bei unzulässiger Erweiterung der Öffentlichkeit nicht anwendbar (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68, BGHSt 23, 82, 85; 176, 178; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 583/06).
23
b) Es liegt aber ein Verstoß gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG vor, der zurzeit der Hauptverhandlung galt.
24
aa) Die Rüge ist in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Form erhoben. Ein Vortrag dazu, dass nach der Wiederherstellung der Öffentlichkeit tatsächlich auch Zuhörer den Verhandlungssaal betreten haben, würde die Anforderungen überspannen, zumal da diese Mitteilung nicht für den Nachweis des Rechtsfehlers notwendig ist, sondern allenfalls für die Frage der Prüfung eines Beruhens des Urteils auf dem Rechtsfehler von Belang sein könnte.
25
bb) Gemäß § 171b Abs. 5 GVG sind die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 (grundsätzlich) unanfechtbar. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen Entscheidungen nicht, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt sind (§ 336 Satz 2 StPO; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 583/06; BGH, Beschluss vom 31. August 1999 - 1 StR 410/99, BGH NJW 2007, 709).
26
Gleichwohl neigt der Senat im vorliegenden Fall dazu, in dem das Landgericht überhaupt keine Entscheidung getroffen, sondern nur der Vorsitzende (einige Verfahrensabschnitte vorher und deshalb zu diesem Zeitpunkt rechtsfehlerfrei , weshalb eine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO nicht zu verlangen ist) die Wiederherstellung der Öffentlichkeit angeordnet hat, die Anfechtbarkeit zu bejahen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das erkennende Gericht nach dem Gesetzeswortlaut ("ist die Öffentlichkeit auszuschließen") keinen Beurteilungsspielraum hatte. Einer Anfechtbarkeit durch den Angeklagten steht hier auch nicht entgegen, dass die Vorschrift in erster Linie dem Opferschutz geschuldet ist. Denn § 171b GVG dient insgesamt dem Schutz der Privatsphäre, auch des Angeklagten als Prozessbeteiligten.
27
Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem u.a. auch mehrmals die Öffentlichkeit auf Antrag des Angeklagten ausgeschlossen wurde, weil entsprechende Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen sollten.
28
Danach wird insoweit von einer Anfechtungsbefugnis des Angeklagten auszugehen sein. Ob der relative Revisionsgrund (§ 337 StPO) hier durchgreift oder ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf dieser Gesetzesverletzung beruht, kann der Senat offenlassen.
29
Hinsichtlich der Vergewaltigungen war das Urteil schon im Hinblick auf die unter 1. dargestellte Verfahrensrüge aufzuheben; die Verurteilung wegen der weiteren Delikte hat schon aus materiell-rechtlichen Gründen (nachfolgend 3.) keinen Bestand.
30
3. Der Schuldspruch wegen der verschiedenen Waffendelikte war aus sachlich-rechtlichen Gründen aufzuheben. Zutreffend führt der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. Mai 2014 dazu aus, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft insoweit von drei selbständigen Taten ausgegangen ist, statt insgesamt Tateinheit (§ 52 StGB) anzunehmen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14). Der beantragten Schuldspruchänderung durch den Senat steht hier § 265 StPO entgegen. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass sich der Angeklagte nach einem entsprechenden Hinweis anders als geschehen eingelassen und sich erfolgreicher verteidigt hätte.
31
Die zugehörigen Feststellungen können danach ebenfalls nicht bestehen bleiben.
32
Die Sache war daher insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
Raum Rothfuß Jäger
Mosbacher Fischer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Wird der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer entfernt oder zur Haft abgeführt (§ 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes), so kann in seiner Abwesenheit verhandelt werden, wenn das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für unerläßlich hält und solange zu befürchten ist, daß die Anwesenheit des Angeklagten den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde. Dem Angeklagten ist in jedem Fall Gelegenheit zu geben, sich zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder vorgelassen ist, ist nach § 231a Abs. 2 zu verfahren.

Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

(1) Wird der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer entfernt oder zur Haft abgeführt (§ 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes), so kann in seiner Abwesenheit verhandelt werden, wenn das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für unerläßlich hält und solange zu befürchten ist, daß die Anwesenheit des Angeklagten den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde. Dem Angeklagten ist in jedem Fall Gelegenheit zu geben, sich zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder vorgelassen ist, ist nach § 231a Abs. 2 zu verfahren.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 391/03
vom
4. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Mai 2004,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Schluckebier,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt ,
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14. Februar 2003 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

I.

1. Der Beschwerdeführer macht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. §§ 230 Abs. 1, 247 Satz 2, 2. Halbsatz StPO geltend. Dazu trägt er vor: Während der gemäß § 247 Satz 2, 2. Halbsatz StPO angeordneten Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal für die Dauer der Vernehmung der geschädigten Zeugin F. Ö. habe die Strafkammer auch Beweis durch Augenscheinseinnahme erhoben, die bezüglich Bl. 178 sowie Bl. 465 der
Akten weder zuvor in Anwesenheit des Angeklagten durchgeführt noch später wiederholt worden sei. Das Protokoll des ersten Hauptverhandlungstages weise folgende Vorgänge aus: "Die Zeugin äußerte sich weiter auf Vorhalte. Schließlich wurden die Lichtbilder Blatt 310 / 317, sowie die Skizze Blatt 178 und die Lichtbilder Blatt 351 / 369, 465 / 467 der Akten in Augenschein genommen und der Zeugin vorgezeigt, die sich hierzu äußerte (Bl. 626 d. EA)." Die Augenscheinseinnahme sei vom Ausschließungsbeschluß nicht gedeckt gewesen. Eine Ablichtung der Skizze Bl. 178 fügt der Beschwerdeführer in seinen Revisionsvortrag ein, eine solche von Bl. 465 nicht. Das Protokoll ist inhaltlich zutreffend wiedergegeben. Die Rüge hat keinen Erfolg.
a) Bezüglich Bl. 465 d.A. genügt sie nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Das bloße Zitieren des Protokolls reicht dazu nicht aus. Aktenteile, auf die die Verfahrensrüge gestützt wird, müssen in der Revisionsbegründungsschrift im einzelnen bezeichnet und wörtlich oder inhaltlich wiedergegeben werden (vgl. BGH NStZ 1992, 29). Den Inhalt von Bl. 465 d.A. verschweigt die Revision. Dagegen legt sie eine Vielzahl von Lichtbildern vor, die nicht Gegenstand von Revisionsrügen sind. Das Revisionsgericht kann hier allein auf Grund der vorliegenden Revisionsbegründung nicht nachprüfen, ob Bl. 465 Gegenstand des Sachbeweises war oder nur als nicht protokollierungspflichtiger Vernehmungsbehelf in die Hauptverhandlung eingeführt wurde (vgl. BGH StV 2000, 241; BGHR StPO § 247 Abwesenheit

10).


Aus der Akte ergibt sich, daß Bl. 465 das Vorblatt der Lichtbildmappe ist, welches ein Übersendungsschreiben enthält. Es handelt sich also entgegen der Bezeichnung im Protokoll und der darauf Bezug nehmenden Revisionsbegründung nicht um ein Lichtbild. Ein beschriebenes Blatt der Ermittlungsakte ist in der Regel Gegenstand des Urkundenbeweises. Gegenstand des Augenscheins kann es sein, wenn es nicht auf seinen Inhalt, sondern auf sein Vorhandensein oder seine Beschaffenheit ankommt (BGH NStZ-RR 99, 37). Auch dazu trägt die Revision nichts vor. Das Revisionsgericht kann nicht nachprüfen, ob Verfahrensrecht verletzt ist. Der Beschwerdeführer entzieht durch einen derart lückenhaften Vortrag seiner Behauptung, die Verfahrensweise sei gesetzwidrig , den Boden, weil er sich mit den gegen seine Behauptung sprechenden Umständen nicht auseinandersetzen muß. Dies macht die Rüge unzulässig (BGHSt 40, 218, 240).
b) Bezüglich der Skizze Bl. 178 d.A. kann offenbleiben, ob die Rüge nach § 338 Nr. 5 StPO zulässig erhoben ist (BGHR StPO § 347 Abwesenheit 10); sie ist jedenfalls unbegründet. Soweit das Protokoll die Augenscheinseinnahme einer Skizze ausweist, ist es unklar. Daher ist das Protokoll hier kein Beweis im Sinne von §§ 273, 274 StPO dafür, daß tatsächlich eine entsprechende Augenscheinseinnahme als Sachbeweiserhebung stattgefunden hat. Aus der von der Revision vorgelegten Skizze (Bl. 178 d.A.), den Urteilsgründen , dem Akteninhalt und den vom Senat eingeholten, im Freibeweis verwertbaren dienstlichen Erklärungen der Richter ergibt sich vielmehr, daß die Skizze bei der Vernehmung der Zeugin Ö. lediglich als Vernehmungsbehelf gedient hat.
Dem Inhalt der vorgelegten Skizze ist im Zusammenhang mit den Urteilsgründen zu entnehmen, daß es sich um den Tatort mit eingezeichnetem Standort von Täter und Opfer im Fall 4, das Badezimmer in der Wohnung Ö. , handelt. Diese Skizze ist ersichtlich freihändig gezeichnet und enthält keine maßstäbliche Darstellung. Von wem sie herrührt, trägt der Beschwerdeführer nicht vor. Bei einer solchen Skizze handelt es sich um die Darstellung der individuellen Wahrnehmung einer Person, die diese - oder ein Dritter nach ihren Angaben - entsprechend den zeichnerischen Fähigkeiten gefertigt hat. Solche Skizzen dürfen nur zum Beweis ihrer Existenz oder Herstellung in Augenschein genommen werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 86 Rdn. 12). Über den Inhalt der Skizze kann grundsätzlich nur durch Vernehmung der wahrnehmenden Person - in der Regel des Herstellers - Beweis erhoben werden. Bei einem Foto handelt es sich dagegen um die mit technischen Mitteln hergestellte objektive Wiedergabe eines Zustandes von Personen oder Sachen. Ein Foto kann deshalb auch bezüglich seines Inhalts Gegenstand des Augenscheins sein. Skizzen der vorliegenden Art werden dagegen in der Regel als Vernehmungshilfen benutzt, weil es sich um das festgehaltene Ergebnis einer Wahrnehmung handelt, was zum Inhalt der Bekundungen der Beweisperson wird (BGHSt 18, 51, 54; Meyer-Goßner aaO). Die Skizze läßt hier - ohne Erläuterung - ersichtlich keinen eigenen Beweiswert erkennen. Im Unterschied zum vorliegenden Fall handelte es sich in der Senatsentscheidung - Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 234/02 - = NStZ 2003, 218 - um drei Lichtbildblätter, die der Beschwerdeführer in Ablichtung mit seiner Revisionsbegründungsschrift vorgelegt hatte. Auf diesen sind Fotos von Personen abgebildet, um deren Wiedererkennen es ging. Die Fotos sind daher dem Inhalt nach Augenscheinsgegenstände.
Hier ergibt sich aus der Sachakte - nicht aus dem Revisionsvorbringen -, daß die Skizze Bl. 178 im Ermittlungsverfahren vom Opfer gefertigt wurde. Also wurde sie laut Protokoll der Herstellerin - der wahrnehmenden Person - vorgezeigt , die sich hierzu äußerte. Es liegt deshalb nahe, daß sie - wie im Regelfall bei einer derartigen Skizze - zur Erläuterung und Veranschaulichung der Zeugenangaben diente. Das Protokoll verwendet zwar auch den rechtstechnischen Begriff des Augenscheins, da aber der Inhalt der Skizze im Gegensatz zum Foto nicht Gegenstand des Augenscheins sein kann, ist das Protokoll in diesem Punkt ebenso unklar wie hinsichtlich des Vorblattes der Lichtbildmappe. Weitere Unklarheiten ergeben sich - auch nach dem Revisionsvortrag - daraus, daß die erwähnten Lichtbilder jeweils mehrfach im Rahmen von Zeugenvernehmungen in Augenschein genommen wurden. Eine Augenscheinseinnahme durch das Gericht als Erhebung des Sachbeweises erfolgt aber in der Regel nur einmal. Damit entfällt die Beweiskraft des Protokolls im Sinne von §§ 273, 274 StPO im Hinblick auf eine Beweiserhebung durch Augenscheinseinnahme bezüglich der Skizze (BGH NStZ 2002, 270). Der Senat hatte deshalb im Wege des Freibeweises zu klären, auf welche Art und Weise die Skizze Bl. 178 d.A. tatsächlich in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Dazu hat er dienstliche Äußerungen d er am Verfahren beteiligten Berufsrichter eingeholt. Diese haben übereinstimmend erklärt, daß die Skizze im Wege des Vorhalts der polizeilichen Vernehmung als Vernehmungsbehelf benutzt wurde. Der vom Beschwerdeführer in Anspruch genommene Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO ist damit nicht gegeben. 2. Den Öffentlichkeitsgrundsatz hat die Strafkammer ebenfalls nicht verletzt (§ 169 StPO).

a) Soweit der Angeklagte den Ausschluß der Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der Zeugin F. Ö. - nach §§ 171b Abs. 1 und 2 GVG beanstandet, ist diese Entscheidung gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher durch das Revisionsgericht nicht überprüfbar (§ 336 Satz 2 StPO).
b) Der weiter gerügte Verstoß gegen § 338 Nr. 6 StPO liegt nicht vor. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Ziffer 1 verwiesen. Im übrigen ist eine Augenscheinseinnahme während des Ausschlusses der Öffentlichkeit für die Dauer einer Zeugenvernehmung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden, wenn sie im Zusammenhang mit der Zeugenaussage steht oder sich aus ihr entwickelt (BGHR GVG § 171b Abs. 1 Augenschein 1; BGH NStZ 2003, 218). 3. Hinsichtlich der übrigen Verfahrensrügen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 5. September 2003 Bezug genommen.

II.

Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Das Landgericht ist in den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe von einer nicht ausschließbar erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge Alkoholgenusses ausgegangen (UA S. 17). Dies beschwert ihn
nicht, wenngleich der Zweifelssatz nicht nachvollziehbar angewendet und die Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB nicht als Rechtsbegriff behandelt wurde (vgl. BGH NJW 2002, 2188, 2189; BGH StV 1999, 309; BGHSt 43, 66, 77). Wahl Schluckebier Kolz Elf Graf

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

5 StR 477/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Menschenhandels u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2002

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten I und R gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 14. Mai 2002 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegrün- det verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels , der Angeklagte I auch die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen, zu tragen.
Zu den auf § 338 Nr. 5 StPO gestützten Verfahrensrügen des Angeklagten R merkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts an: 1. Mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat aus, daß bei Vernehmung der Zeugen C und R K in Abwesenheit des Angeklagten von diesen gefertigte Skizzen förmlich in Augenschein genommen wurden. Die Zeugin betreffend läßt schon der Wortlaut des Protokolls („zusammen mit der Zeugin wurde die Skizze in Augenschein genommen“), der eine enge Verknüpfung zwischen Zeugenbefragung und „Augenschein“ belegt, zudem der Gegenstand der Betrachtung – eine Skizze, welche die Zeugin bei einer polizeilichen Vernehmung gefertigt hatte, was auf einen Vorhalt eben jener Vernehmung hindeutet – an einer förmlichen Augenscheinseinnahme zweifeln (vgl. auch BGHR StPO § 247 Abwesenheit 10; ferner BGH, Beschl. vom 17. November 1994 – 1 StR 624/94). Den Zeugen betreffend werden entsprechende Zweifel allein schon durch das Erscheinungsbild der von ihm erst während seiner Vernehmung gefertigten, als Anlage zum Protokoll genommenen Skizze begründet, die ohne Erläuterung schwerlich irgendeinen optischen Beweiswert erkennen läßt. All dies deutet inhaltlich bereits eher auf bloße Vernehmungsbehelfe als auf einen förmlichen Augenschein hin. Dies wird durch den wegen der Unklarheit (darin liegt der maßgebliche Unterschied gegenüber dem Fall, der dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil des BGH vom 23. Oktober 2002 – 1 StR 234/02 zugrundelag) hier zulässigen freibeweislichen Rückgriff auf die dienstliche Äußerung des Strafkammervorsitzenden letztlich sicher bewiesen.
2. Betreffend das anläßlich der Vernehmung der Zeugin C K in Abwesenheit des Angeklagten verlesene, während der Vernehmung des Zeugen G K in Abwesenheit des Angeklagten „zusammen mit dem Zeugen in Augenschein genommene“ Schreiben geht der Senat aufgrund des Inhalts des Schreibens, welches als Strafantragsrücknahme gewertet wurde (vgl. auch UA S. 49), mit dem Generalbundesanwalt von einer Freibeweiserhebung während der Hauptverhandlung aus, bei welcher die Anwesenheit des Angeklagten nicht unerläßlich war (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 17, 20, 22, 24).
3. Soweit die Abwesenheit des Angeklagten während des Augenscheins der „Lichtbildanlage Bd. IVa Bl. 25-32 d.A.“ beanstandet wird, scheitert die Rüge an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die bloße Vorlage einer lediglich als „Wahllichtbildvorlage“ bezeichneten Mehrzahl numerierter Bilder männlicher Personen , ohne jegliche Erläuterung zu den abgebildeten Personen und zur Bedeutung der Bildzusammenstellung, bezeichnet das angebliche Augenscheinsobjekt nicht ausreichend. Eine sichere Beurteilung des beanstandeten Verfahrensvorgangs ist dem Senat insoweit nicht möglich. Er kann auf dieser unzureichenden Grundlage nicht in eine sachliche Prüfung auf diese Verfahrensrüge eintreten, etwa dahin, ob auch hier – entsprechend der dienstlichen Äußerung des Strafkammervorsitzenden – die Verwendung eines bloßen Vernehmungsbehelfs angenommen werden könnte (vgl. auch die Formulierung auf S. 13 der Revisionsbegründungsschrift), oder dahin, ob sich die angeblich verfahrensfehlerhafte Beweiserhebung etwa gar auf den Teilfreispruch des Beschwerdeführers vom Vorwurf der Zuhälterei bezogen haben kann (UA S. 34 f.), schließlich, ob hier etwa der seltene Ausnahmefall eines möglichen „denkgesetzlichen“ Ausschlusses des Beruhens des Urteils auf dem geltend gemachten Verstoß in Betracht käme (s. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; vgl. dazu UA S. 42 sowie die Rückschlüsse des Generalbundesanwalts aus dem – im übrigen rechtsfehlerfreien – Gerichtsbeschluß gemäß § 247 StPO).
4. Der Fall gibt erneut Anlaß, darauf hinzuweisen, daß es überflüssig ist, die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe und den Vorhalt von Urkunden in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. Eine derartige Protokollierung gibt zudem immer wieder Anlaß zu unterschiedlichen, den Bestand von Urteilen gefährdenden vermeidbaren Mißverständnissen. Sie kann damit nur als sachwidrig bewertet werden (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; BGH NStZ 1999, 522, 523; BGH, Urt. vom 23. Oktober 2002 – 1 StR 234/02, zur Veröffentlichung bestimmt).
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 529/13
vom
14. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. Januar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 8. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher“ Gei- selnahme zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge, mit der die Einnahme eines Augenscheins in Abwesenheit des Angeklagten beanstandet wird (§ 338 Nr. 5 StPO), Erfolg.
2
1. Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
3
Das Landgericht hat am zweiten Hauptverhandlungstag die Geschädigte M. L. vernommen und für die Dauer der Vernehmung die Entfer- nung des Angeklagten gemäß § 247 StPO angeordnet. Während der Vernehmung wurden Lichtbilder in Augenschein genommen. Das Protokoll verhält sich dazu wie folgt:
4
„Es wird mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Lichtbildvorlage Bl. 55,58, 61 Bd. II d. A. im Wege des Augenscheins in das Verfahren einzuführen und zum Gegenstand der Verhandlung zu machen.
5
Alle Prozessbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme.
6
A.d.V.
7
Die Lichtbildvorlage Bl. 55, 58, 61 Bd. II d. A. soll im Wege des Augenscheins in das Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden.
8
Die Zeugin erklärte sich hierzu und weiter zur Sache.“
9
Nachdem der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal gerufen worden war, wurde er vom Vorsitzenden über den Verlauf und das Ergebnis der Zeugenvernehmung informiert.
10
Während die „Lichtbildvorlage Bl. 55 d. A.“ bereits am ersten Hauptver- handlungstag – in Anwesenheit des Angeklagten – in Augenschein genommen worden war, fand eine (nochmalige) förmliche Augenscheinseinnahme in Bezug auf die weiteren Lichtbilder nicht statt.
11
2. Dieser Verfahrensgang begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Der hier durchgeführte Augenscheinsbeweis ist vom restriktiv auszulegenden Begriff der Vernehmung in § 247 StPO nicht umfasst, sodass entgegen § 230 Abs. 1 StPO ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde. Der daraus resultierende Verfahrensverstoß wurde hier auch nicht geheilt.
12
a) Die beiden Wahllichtbildvorlagen (Bl. 58 und 61 Bd. II d. A.) wurden förmlich in Augenschein genommen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen Lichtbilder lediglich – was als Teil der Vernehmung zulässig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2001 – 1 StR 367/01, Rn. 17 ; Urteil vom 23. Oktober 2002 – 1 StR 234/02, NJW 2003, 597) – als Vernehmungsbehelf herangezogen wurden. Das Vorhalten von Urkunden und die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlauf einer Zeugenvernehmung hätten keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – 1 StR 488/00, NStZ 2001, 262, 263; Urteil vom 5. Mai 2004 – 2 StR 492/03, NStZ-RR 2004, 237 f.). Hier wird durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung jedoch bewiesen (§ 274 StPO), dass eine förmliche Beweisaufnahme stattgefunden hat. Die hier gewählte Formulierung enthält keine Unklarheiten und lässt Zweifel daran nicht aufkommen, dass ein förmlicher Augenschein durchgeführt worden ist.
13
b) Welche Verfahrensvorgänge vom Begriff der Vernehmung im Sinne des § 247 Satz 1 und 2 StPO erfasst werden, wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Dieser Begriff ist im Regelungszusammenhang der §§ 247 und 248 StPO auf Grund der hohen Bedeutung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die als Anspruch auf rechtliches Gehör und angemessener Verteidigung in Art. 103 Abs. 1 GG sowie durch Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK garantiert wird, restriktiv auszulegen (BGH, Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 90 mwN). Die Erhebung eines Sachbeweises kann demnach, auch wenn er eng mit der Vernehmung verbunden ist, nicht als Teil der Vernehmung im Sinne des § 247 StPO angesehen werden, sondern ist ein Vorgang mit einer selbständigen verfahrensrechtlichen Bedeutung (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 379/13). Die Inaugenscheinnahme der beiden Wahllichtbildvorlagen in Abwesenheit des Angeklagten war daher vom Beschluss über seine Ausschließung nicht gedeckt. Somit fand ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten statt, dessen Anwesenheit das Gesetz vorschreibt (§§ 230, 247 StPO). Dies begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.
14
c) Der Verfahrensfehler wurde nicht geheilt. Dies hätte nur durch eine – hier nicht erfolgte – Wiederholung der Augenscheinseinnahme während der weiteren Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten erfolgen können. Zwar muss der förmliche Augenscheinsbeweis nicht dergestalt wiederholt werden , dass das Gericht und die Verfahrensbeteiligten das Augenscheinsobjekt nochmals besichtigen. Vielmehr hätte die Besichtigung der Wahllichtbildvorlagen durch den Angeklagten während seiner Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO ausgereicht, wenn die weiterhin anwesenden Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einer neuerlichen Augenscheinseinnahme gehabt hätten (BGH, Urteil vom 11. November 2009 – 5 StR 530/08, BGHSt 54, 184, 187 f. mwN). Indes lässt sich aus dem zu dieser wesentlichen Förmlichkeit (§ 274 StPO) schweigenden Protokoll der Hauptverhandlung nicht feststellen, dass der Augenschein – wenigstens – in dieser Weise nachgeholt worden wäre.
15
d) Der Augenscheinsbeweis war auch ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung , da es um die Frage ging, wer an dem dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen beteiligt war. Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 5 StPO führt zur Aufhebung des Urteils, ohne dass es darauf ankommt, ob das – sorgfältig begründete – Urteil tatsächlich auf dem Verfahrensfehler beruhen kann.
16
Ein Fall, in dem es denkgesetzlich ausgeschlossen wäre, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht (vgl. für die Augenscheinseinnahme während der Abwesenheit des Angeklagten BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 1999 – 2 StR 552/99, vom 6. Dezember 2000 – 1 StR 488/00, NStZ 2001, 262, 263, vom 30. Januar 2001 – 3 StR 528/00, NStZ-RR 2002, 102, vom 5. Februar 2002 – 5 StR 437/01, BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25, vom 20. Februar 2002 – 3 StR 345/01, vom 19. Juli 2007 – 3 StR 163/07, BGHR StPO § 338 Beruhen 2, und vom 5. Oktober 2010 – 1 StR 264/10, NStZ 2011, 51), liegt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht vor. Der Senat vermag nicht völlig auszuschließen, dass der – die Tat bestreitende – Angeklagte insbesondere die Inaugenscheinnahme der Wahllichtbildvorlage Nr. 58 zum Anlass für weiter gehendes Verteidigungsvorbringen genommen hätte. Unter den acht Porträtfotos befand sich auch das Bild des I. C. , den die Ehefrau des wegen der Tat bereits rechtskräftig Verurteilten A. im Ermittlungsverfahren als weiteren Mittäter bezeichnet hatte. In diesem Verfahren käme er damit als unmittelbarer Tatzeuge in Betracht; auch erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Angeklagte sich darauf berufen hätte, die der Geschädigten während ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung ohne Erfolg vorgelegten Lichtbilder seien veraltet.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
RiBGH Dr. Mutzbauer ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Sost-Scheible Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 270/02
vom
13. November 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2002 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 18. Januar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge, mit der die Einnahme eines Augenscheins in Abwesenheit des Angeklagten beanstandet wird (§ 338 Nr. 5 StPO), Erfolg. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Zeugin und Nebenklägerin Opfer einer Vergewaltigung durch den Angeklagten. Während der Hauptverhandlung wurde der Angeklagte für die Dauer der Vernehmung der Geschädigten aus dem Sitzungssaal entfernt (§ 247 StPO). In Abwesenheit des Angeklagten kam es ausweislich der Sitzungsniederschrift zu folgendem Vorgang: "Von den Prozessbeteiligten wurde sodann die Skizze, Blatt 39 der
Akten, in Augenschein genommen". Dabei handelte es sich um einen von der Zeugin im Laufe der Ermittlungen gezeichneten Lageplan des Tatorts. Zwar wurde an einem anderen Sitzungstag in Anwesenheit des Angeklagten während der Vernehmung des Zeugen O. S. entsprechend Beweis erhoben: "Die Bildtafel der Polizei und der Lageplan (Skizze von der Örtlichkeit) wurden in Augenschein genommen und dem Zeugen vorgehalten". Da unklar war, ob es sich hierbei ebenfalls um Blatt 39 der Akten handelte oder um einen nach Bildern vom Tatort und seiner Umgebung abgehefteten Plan - weshalb das Protokoll insoweit seine Beweiskraft verlor -, wurde zur Frage einer möglichen Wiederholung der Beweisaufnahme zu Blatt 39 in Anwesenheit des Angeklagten eine dienstliche Äußerung des Vorsitzenden der Strafkammer eingeholt. Diese ergab, "dass die Skizze Blatt 39 der Akten nicht nochmals in Augenschein genommen wurde. Bei dem am 18. Januar in Augenschein genommenen Lageplan (Skizze von der Örtlichkeit) handelt es sich um den Stadtplanausschnitt Blatt 342 der Akten". Die Erhebung des Sachbeweises - Augenschein von Blatt 39 - in Abwesenheit des Angeklagten war vom Beschluß über seine Ausschließung für die Dauer der Vernehmung der Geschädigten nicht gedeckt. Ein Teil der Hauptverhandlung fand somit in Abwesenheit einer Person statt, deren Anwesenheit das
Gesetz vorschreibt (§ 338 Nr. 5, §§ 230, 247 StPO). Dieser absolute Revisionsgrund führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es darauf ankommt, ob das Urteil tatsächlich darauf beruhen kann (vgl. Urteil des Senats vom 23. Oktober 2002, 1 StR 234/02). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 529/13
vom
14. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. Januar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 8. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher“ Gei- selnahme zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge, mit der die Einnahme eines Augenscheins in Abwesenheit des Angeklagten beanstandet wird (§ 338 Nr. 5 StPO), Erfolg.
2
1. Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
3
Das Landgericht hat am zweiten Hauptverhandlungstag die Geschädigte M. L. vernommen und für die Dauer der Vernehmung die Entfer- nung des Angeklagten gemäß § 247 StPO angeordnet. Während der Vernehmung wurden Lichtbilder in Augenschein genommen. Das Protokoll verhält sich dazu wie folgt:
4
„Es wird mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Lichtbildvorlage Bl. 55,58, 61 Bd. II d. A. im Wege des Augenscheins in das Verfahren einzuführen und zum Gegenstand der Verhandlung zu machen.
5
Alle Prozessbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme.
6
A.d.V.
7
Die Lichtbildvorlage Bl. 55, 58, 61 Bd. II d. A. soll im Wege des Augenscheins in das Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden.
8
Die Zeugin erklärte sich hierzu und weiter zur Sache.“
9
Nachdem der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal gerufen worden war, wurde er vom Vorsitzenden über den Verlauf und das Ergebnis der Zeugenvernehmung informiert.
10
Während die „Lichtbildvorlage Bl. 55 d. A.“ bereits am ersten Hauptver- handlungstag – in Anwesenheit des Angeklagten – in Augenschein genommen worden war, fand eine (nochmalige) förmliche Augenscheinseinnahme in Bezug auf die weiteren Lichtbilder nicht statt.
11
2. Dieser Verfahrensgang begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Der hier durchgeführte Augenscheinsbeweis ist vom restriktiv auszulegenden Begriff der Vernehmung in § 247 StPO nicht umfasst, sodass entgegen § 230 Abs. 1 StPO ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde. Der daraus resultierende Verfahrensverstoß wurde hier auch nicht geheilt.
12
a) Die beiden Wahllichtbildvorlagen (Bl. 58 und 61 Bd. II d. A.) wurden förmlich in Augenschein genommen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen Lichtbilder lediglich – was als Teil der Vernehmung zulässig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2001 – 1 StR 367/01, Rn. 17 ; Urteil vom 23. Oktober 2002 – 1 StR 234/02, NJW 2003, 597) – als Vernehmungsbehelf herangezogen wurden. Das Vorhalten von Urkunden und die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlauf einer Zeugenvernehmung hätten keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – 1 StR 488/00, NStZ 2001, 262, 263; Urteil vom 5. Mai 2004 – 2 StR 492/03, NStZ-RR 2004, 237 f.). Hier wird durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung jedoch bewiesen (§ 274 StPO), dass eine förmliche Beweisaufnahme stattgefunden hat. Die hier gewählte Formulierung enthält keine Unklarheiten und lässt Zweifel daran nicht aufkommen, dass ein förmlicher Augenschein durchgeführt worden ist.
13
b) Welche Verfahrensvorgänge vom Begriff der Vernehmung im Sinne des § 247 Satz 1 und 2 StPO erfasst werden, wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Dieser Begriff ist im Regelungszusammenhang der §§ 247 und 248 StPO auf Grund der hohen Bedeutung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die als Anspruch auf rechtliches Gehör und angemessener Verteidigung in Art. 103 Abs. 1 GG sowie durch Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK garantiert wird, restriktiv auszulegen (BGH, Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 90 mwN). Die Erhebung eines Sachbeweises kann demnach, auch wenn er eng mit der Vernehmung verbunden ist, nicht als Teil der Vernehmung im Sinne des § 247 StPO angesehen werden, sondern ist ein Vorgang mit einer selbständigen verfahrensrechtlichen Bedeutung (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 379/13). Die Inaugenscheinnahme der beiden Wahllichtbildvorlagen in Abwesenheit des Angeklagten war daher vom Beschluss über seine Ausschließung nicht gedeckt. Somit fand ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten statt, dessen Anwesenheit das Gesetz vorschreibt (§§ 230, 247 StPO). Dies begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.
14
c) Der Verfahrensfehler wurde nicht geheilt. Dies hätte nur durch eine – hier nicht erfolgte – Wiederholung der Augenscheinseinnahme während der weiteren Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten erfolgen können. Zwar muss der förmliche Augenscheinsbeweis nicht dergestalt wiederholt werden , dass das Gericht und die Verfahrensbeteiligten das Augenscheinsobjekt nochmals besichtigen. Vielmehr hätte die Besichtigung der Wahllichtbildvorlagen durch den Angeklagten während seiner Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO ausgereicht, wenn die weiterhin anwesenden Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einer neuerlichen Augenscheinseinnahme gehabt hätten (BGH, Urteil vom 11. November 2009 – 5 StR 530/08, BGHSt 54, 184, 187 f. mwN). Indes lässt sich aus dem zu dieser wesentlichen Förmlichkeit (§ 274 StPO) schweigenden Protokoll der Hauptverhandlung nicht feststellen, dass der Augenschein – wenigstens – in dieser Weise nachgeholt worden wäre.
15
d) Der Augenscheinsbeweis war auch ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung , da es um die Frage ging, wer an dem dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen beteiligt war. Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 5 StPO führt zur Aufhebung des Urteils, ohne dass es darauf ankommt, ob das – sorgfältig begründete – Urteil tatsächlich auf dem Verfahrensfehler beruhen kann.
16
Ein Fall, in dem es denkgesetzlich ausgeschlossen wäre, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht (vgl. für die Augenscheinseinnahme während der Abwesenheit des Angeklagten BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 1999 – 2 StR 552/99, vom 6. Dezember 2000 – 1 StR 488/00, NStZ 2001, 262, 263, vom 30. Januar 2001 – 3 StR 528/00, NStZ-RR 2002, 102, vom 5. Februar 2002 – 5 StR 437/01, BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25, vom 20. Februar 2002 – 3 StR 345/01, vom 19. Juli 2007 – 3 StR 163/07, BGHR StPO § 338 Beruhen 2, und vom 5. Oktober 2010 – 1 StR 264/10, NStZ 2011, 51), liegt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht vor. Der Senat vermag nicht völlig auszuschließen, dass der – die Tat bestreitende – Angeklagte insbesondere die Inaugenscheinnahme der Wahllichtbildvorlage Nr. 58 zum Anlass für weiter gehendes Verteidigungsvorbringen genommen hätte. Unter den acht Porträtfotos befand sich auch das Bild des I. C. , den die Ehefrau des wegen der Tat bereits rechtskräftig Verurteilten A. im Ermittlungsverfahren als weiteren Mittäter bezeichnet hatte. In diesem Verfahren käme er damit als unmittelbarer Tatzeuge in Betracht; auch erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Angeklagte sich darauf berufen hätte, die der Geschädigten während ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung ohne Erfolg vorgelegten Lichtbilder seien veraltet.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
RiBGH Dr. Mutzbauer ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Sost-Scheible Bender

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(1) Wird der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer entfernt oder zur Haft abgeführt (§ 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes), so kann in seiner Abwesenheit verhandelt werden, wenn das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für unerläßlich hält und solange zu befürchten ist, daß die Anwesenheit des Angeklagten den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde. Dem Angeklagten ist in jedem Fall Gelegenheit zu geben, sich zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder vorgelassen ist, ist nach § 231a Abs. 2 zu verfahren.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 583/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Dezember 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 9. August 2006 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Der 1934 geborene, nicht vorbestrafte Angeklagte wurde wegen einer Reihe von Sexualdelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Tatopfer waren Enkelinnen seiner Lebensgefährtin. Die erste abgeurteilte Tat beging er 2001 zum Nachteil der 1988 geborenen V. R. , weitere Taten zwischen 2005 und 2006 zum Nachteil der 1999 geborenen Zwillinge S. und Sa. R. .
2
Seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos.
3
1. Der Angeklagte hatte zu Beginn der Hauptverhandlung den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt (§ 171b GVG). Die Strafkammer kam diesem Antrag weitgehend nach, jedoch wurde die Öffentlichkeit erst nach Verlesung der Anklageschrift und nicht bei der Urteilsverkündung ausgeschlossen.
4
Die Revision hält es unter Hinweis auf § 338 Nr. 6 StPO für rechtsfehlerhaft , dass die Öffentlichkeit nicht auch für die genannten Verfahrensabschnitte ausgeschlossen wurde. Die Rüge versagt schon im Ansatz:
5
a) § 338 Nr. 6 StPO ist nur einschlägig, wenn die Öffentlichkeit in ungesetzlicher Weise beschränkt worden ist, also nicht, wenn unter Nichtanwendung oder Verletzung der Vorschriften über den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit öffentlich verhandelt worden ist (st. Rspr., vgl. schon BGHSt 10, 202, 206 f.; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 84 m.w.N.).
6
b) Im Übrigen sind Entscheidungen gemäß § 171b Abs. 1 und Abs. 2 GVG gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Dies gilt auch für solche Entscheidungen, durch die, wie hier, der Ausschluss der Öffentlichkeit in einem geringeren Umfang als beantragt beschlossen worden ist (BGH NStZ 1996, 243 m.w.N.).
7
2. Die Sachrüge bleibt ebenfalls erfolglos:
8
a) Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Soweit der Angeklagte im Fall C. I. der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil von V. R. ) auch wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde, liegen dem folgende Feststellungen zu Grunde: Der Angeklagte „packte“ die Geschädigte und „zog“ sie zu sich. Sie leistete „Widerstand“, indem sie ihn „wegdrückte“, er „zog sie jedoch wieder zu sich“, entblößte sie und schob seinen Finger in ihre Scheide. Dabei leistete die Geschädigte „keinen weiteren Widerstand“, sondern sie war „starr vor Angst“. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Revision, hieraus ergebe sich, dass der Angeklagte keine „Gewalt in Form von körperlichem Zwang zur Vorbereitung der eigentlichen sexuellen Handlung aufgewandt“ habe. Der Angeklagte hat gegen V. Gewalt zur Überwindung körperlichen Widerstands jedenfalls dadurch ausgeübt, dass er sie gegen ihr Sträuben - erneut - an sich heranzog, um an ihr sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dies hat auch der Generalbundesanwalt schon in seinem Antrag vom 15. November 2006 zutreffend näher ausgeführt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Auch im Übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.
9
b) Ebenso hält auch der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung stand.
10
(1) Dies gilt auch, soweit die Strafkammer die Möglichkeit einer erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint hat.
11
Wie der Generalbundesanwalt hierzu im Ansatz zutreffend ausführt und belegt, ist eine nähere Erörterung der Schuldfähigkeit zwar nicht bei jedem Täter geboten, der - wie der Angeklagte - jenseits einer bestimmten Altersgrenze erstmals Sexualstraftaten begeht. Sie kann aber dann angezeigt sein, wenn weitere Besonderheiten bestehen, die auf eine für die Beurteilung der Schuldfähigkeit relevante Möglichkeit altersbedingter Enthemmtheit hinweisen. Solche Besonderheiten - so der Generalbundesanwalt - lägen hier vor. Die Strafkammer habe zwar ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte „geistig und körperlich gesund“ sei, aber auch, dass er “seit etwa anderthalb Jahren impotent“ sei.
12
Der Senat sieht keinen Rechtsfehler.
13
Die Strafkammer, die sich der Bedeutung des Alters des Angeklagten und seiner bisherigen Straflosigkeit für die Strafzumessung erkennbar bewusst war, stellt ausdrücklich fest, dass der Angeklagte „gesund“ sei. Eine hiergegen gerichtete Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Besonderheiten, die die Annahme von Gesundheit ohne weitere Darlegung schon aus sachlich-rechtlichen Gründen als lückenhaft erscheinen lassen könnten (vgl. die in BGH NStZ 1999, 297 im Einzelnen aufgeführten und belegten Beispiele für derartige Besonderheiten; vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 38, wo der Angeklagte seit vielen Jahren wegen einer Nervenkrankheit medikamentös behandelt werden musste), sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche Besonderheiten nicht aus der festgestellten Impotenz.
14
(2) Auch die Ausführungen der Revision vermögen die Möglichkeit eines Rechtsfehlers nicht zu verdeutlichen. Die Revision verkennt, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, den Strafrahmen, der sich aus der Angabe der einschlägigen Strafvorschriften ergibt, auch noch zahlenmäßig zu bezeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 1 StR 190/06; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 792). Dies gilt auch dann, wenn sich der anzuwendende Strafrahmen , wie hier im Fall der Tat zum Nachteil von V. R. , aus § 52 Abs. 2 StGB ergibt.
15
(3) Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Elf

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 583/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Dezember 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 9. August 2006 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Der 1934 geborene, nicht vorbestrafte Angeklagte wurde wegen einer Reihe von Sexualdelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Tatopfer waren Enkelinnen seiner Lebensgefährtin. Die erste abgeurteilte Tat beging er 2001 zum Nachteil der 1988 geborenen V. R. , weitere Taten zwischen 2005 und 2006 zum Nachteil der 1999 geborenen Zwillinge S. und Sa. R. .
2
Seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos.
3
1. Der Angeklagte hatte zu Beginn der Hauptverhandlung den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt (§ 171b GVG). Die Strafkammer kam diesem Antrag weitgehend nach, jedoch wurde die Öffentlichkeit erst nach Verlesung der Anklageschrift und nicht bei der Urteilsverkündung ausgeschlossen.
4
Die Revision hält es unter Hinweis auf § 338 Nr. 6 StPO für rechtsfehlerhaft , dass die Öffentlichkeit nicht auch für die genannten Verfahrensabschnitte ausgeschlossen wurde. Die Rüge versagt schon im Ansatz:
5
a) § 338 Nr. 6 StPO ist nur einschlägig, wenn die Öffentlichkeit in ungesetzlicher Weise beschränkt worden ist, also nicht, wenn unter Nichtanwendung oder Verletzung der Vorschriften über den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit öffentlich verhandelt worden ist (st. Rspr., vgl. schon BGHSt 10, 202, 206 f.; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 84 m.w.N.).
6
b) Im Übrigen sind Entscheidungen gemäß § 171b Abs. 1 und Abs. 2 GVG gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Dies gilt auch für solche Entscheidungen, durch die, wie hier, der Ausschluss der Öffentlichkeit in einem geringeren Umfang als beantragt beschlossen worden ist (BGH NStZ 1996, 243 m.w.N.).
7
2. Die Sachrüge bleibt ebenfalls erfolglos:
8
a) Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Soweit der Angeklagte im Fall C. I. der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil von V. R. ) auch wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde, liegen dem folgende Feststellungen zu Grunde: Der Angeklagte „packte“ die Geschädigte und „zog“ sie zu sich. Sie leistete „Widerstand“, indem sie ihn „wegdrückte“, er „zog sie jedoch wieder zu sich“, entblößte sie und schob seinen Finger in ihre Scheide. Dabei leistete die Geschädigte „keinen weiteren Widerstand“, sondern sie war „starr vor Angst“. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Revision, hieraus ergebe sich, dass der Angeklagte keine „Gewalt in Form von körperlichem Zwang zur Vorbereitung der eigentlichen sexuellen Handlung aufgewandt“ habe. Der Angeklagte hat gegen V. Gewalt zur Überwindung körperlichen Widerstands jedenfalls dadurch ausgeübt, dass er sie gegen ihr Sträuben - erneut - an sich heranzog, um an ihr sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dies hat auch der Generalbundesanwalt schon in seinem Antrag vom 15. November 2006 zutreffend näher ausgeführt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Auch im Übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.
9
b) Ebenso hält auch der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung stand.
10
(1) Dies gilt auch, soweit die Strafkammer die Möglichkeit einer erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint hat.
11
Wie der Generalbundesanwalt hierzu im Ansatz zutreffend ausführt und belegt, ist eine nähere Erörterung der Schuldfähigkeit zwar nicht bei jedem Täter geboten, der - wie der Angeklagte - jenseits einer bestimmten Altersgrenze erstmals Sexualstraftaten begeht. Sie kann aber dann angezeigt sein, wenn weitere Besonderheiten bestehen, die auf eine für die Beurteilung der Schuldfähigkeit relevante Möglichkeit altersbedingter Enthemmtheit hinweisen. Solche Besonderheiten - so der Generalbundesanwalt - lägen hier vor. Die Strafkammer habe zwar ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte „geistig und körperlich gesund“ sei, aber auch, dass er “seit etwa anderthalb Jahren impotent“ sei.
12
Der Senat sieht keinen Rechtsfehler.
13
Die Strafkammer, die sich der Bedeutung des Alters des Angeklagten und seiner bisherigen Straflosigkeit für die Strafzumessung erkennbar bewusst war, stellt ausdrücklich fest, dass der Angeklagte „gesund“ sei. Eine hiergegen gerichtete Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Besonderheiten, die die Annahme von Gesundheit ohne weitere Darlegung schon aus sachlich-rechtlichen Gründen als lückenhaft erscheinen lassen könnten (vgl. die in BGH NStZ 1999, 297 im Einzelnen aufgeführten und belegten Beispiele für derartige Besonderheiten; vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 38, wo der Angeklagte seit vielen Jahren wegen einer Nervenkrankheit medikamentös behandelt werden musste), sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche Besonderheiten nicht aus der festgestellten Impotenz.
14
(2) Auch die Ausführungen der Revision vermögen die Möglichkeit eines Rechtsfehlers nicht zu verdeutlichen. Die Revision verkennt, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, den Strafrahmen, der sich aus der Angabe der einschlägigen Strafvorschriften ergibt, auch noch zahlenmäßig zu bezeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 1 StR 190/06; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 792). Dies gilt auch dann, wenn sich der anzuwendende Strafrahmen , wie hier im Fall der Tat zum Nachteil von V. R. , aus § 52 Abs. 2 StGB ergibt.
15
(3) Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Elf

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 623/11
vom
21. Juni 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
1. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes
von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
2. a) Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag
des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich.
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach
§ 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine
dahingehende gerichtliche Entscheidung.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Juli 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit Verfahrensbeschwerden wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und beanstandet im Zusammenhang mit der Verständigung, dass das Landgericht es unterlassen habe, sich im Urteil mit den Gründen für das Festhalten an der Verständigung auseinanderzusetzen, obwohl aufgrund neu in der Hauptverhandlung zutage getretener Umstände Veranlassung bestanden habe, sich nach § 257c Abs. 4 StPO von der Verständigung zu lösen. Die Sachrüge ist mit Angriffen gegen den Strafausspruch näher ausgeführt.
2
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Erdgeschoss des vom Angeklagten allein bewohnten Hauses zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, in dessen Verlauf der Angeklagte unvermittelt begann, ihn erregende und für die Nebenklägerin schmerzhafte Handlungen, unter anderem Schläge mit der flachen Hand gegen die Brust der Nebenklägerin, vorzunehmen, worauf die Nebenklägerin vergeblich versuchte, den Angeklagten wegzudrücken. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin, die eine entsprechende Aufforderung zuvor abgelehnt hatte, in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer geschoben hatte, führte er den Geschlechtsverkehr mit der auf dem Bett liegenden Nebenklägerin unter denselben Begleitumständen weiter. Als die Nebenklägerin ihn bei ihrer fortdauernden Gegenwehr mit ihren Fingernägeln am Hals verletzte, schlug der Angeklagte , der zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass die Fortführung des Geschlechtsverkehrs und die Schläge gegen die Brüste gegen den Willen der Nebenklägerin geschahen, ihr mit beiden Händen nacheinander ins Gesicht. Sodann setzte er den Geschlechtsverkehr mit der resignierenden und jede Gegenwehr aufgebenden Nebenklägerin fort und urinierte ihr anschließend auf den Bauch. In der Folgezeit vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Analverkehr unter Einsatz eines Gleitgels und - nach einer Unterbrechung, in der sich der Angeklagte von hinten an die Nebenklägerin anschmiegte und äußerte , er könne auch kuscheln - ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr , ehe er der Nebenklägerin erneut auf den Bauch urinierte. Bei Tatbegehung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholgenusses nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.

II.


4
Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
5
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gemäß § 338 Nr. 6 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verlesung des Anklagesatzes und macht geltend, § 171b GVG lasse eine Beschränkung der Öffentlichkeit während der Anklageverlesung nicht zu.
6
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da die Beanstandung des Verfahrens die prinzipielle Reichweite der Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG zum Gegenstand hat, sind die Einzelheiten der im Zusammenhang mit der Ausschließungsentscheidung der Strafkammer angefallenen Unterlagen, deren Vortrag der Generalbundesanwalt und dieVerteidigung vermissen, für die Entscheidung über die Verfahrensrüge ohne Bedeutung.
7
b) Die Regelung des § 171b Abs. 3 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen. Gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06, StV 2007, 514; vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren, BT-Drucks. 10/5305 S. 23 f.). Damit ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25). Die Rüge der Staatsanwaltschaft zielt indessen nicht auf die Tragfähigkeit der von der Strafkammer für ihre Ausschließungsanordnung angeführten Gründe, sondern stellt die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes in Frage. Diese Beanstandung wird von § 171b Abs. 3 GVG nicht ausgeschlossen.
8
c) Die Rüge ist unbegründet. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
9
Die Vorschrift des § 171b GVG knüpft an den Begriff der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in § 169 Satz 1 GVG an und lässt beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5; Wickern aaO, Rn. 21). Die Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG reicht nicht weniger weit als bei den Ausschlusstatbeständen des § 171a GVG und § 172 GVG, für welche ausdrücklich normiert ist, dass die Öffentlichkeit für die (Haupt-)Verhandlung oder einen Teil davon ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 171b GVG. Durch die Schaffung des § 171b GVG sollte der bis dahin in § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 9. Mai 1975 geregelte Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten oder Zeugen durch eine Änderung des Abwägungsmaßstabs zugunsten des Persönlichkeitsschutzes verbessert, der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich aus dem Zusammenhang der übrigen Ausschlussgründe gelöst und plakativ an die Spitze gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/5305 S. 23). Dafür, dass bei dem neu in das Gerichtsverfassungsgesetz aufgenommenen § 171b GVG - anders als bei § 172 GVG - bestimmte Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung von der Ausschließungsbefugnis ausgenommen sein sollten, bietet die Entstehungsgeschichte keinen Anhalt. Das Gesetz enthält in § 173 GVG lediglich für die Urteilsverkündung eine besondere Regelung, wonach die Verlesung der Urteilsformel stets öffentlich zu erfolgen hat und der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Urteilsgründe einen besonderen Beschluss des Gerichts nach §§ 171b, 172 GVG erfordert. Die eine Gegenausnahme zu den Ausschließungstatbeständen der §§ 171a, 171b und 172 GVG beinhaltende Bestimmung des § 173 GVG ist entgegen der Ansicht der Revision einer ausdehnenden, ihren Anwendungsbereich auf andere Verfahrensvorgänge erstreckenden Auslegung nicht zugänglich.
10
Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) und umfasst nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO die Verlesung des Anklagesatzes. Die Verlesung ist ein Teil der Verhandlung, für den bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf (vgl. für § 172 GVG RG, Urteil vom 13. Mai 1927 - 1. D 392/1927; Wickern aaO, § 172 GVG, Rn. 39). Auch bei der Verlesung des Anklagesatzes können Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten , Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zu rechtfertigen vermögen, weil deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, ohne dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Umstand, dass der Inhalt des Anklagesatzes auf einer vorläufigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staats- anwaltschaft beruht, noch aus der verfahrensrechtlichen Funktion des Anklagesatzes zur Umgrenzung und Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes.
11
2. Im Zusammenhang mit der Verständigung nach § 257c StPO macht die Revision einen Verstoß gegen die §§ 257c, 261, 267 StPO geltend. Sie beanstandet , das Landgericht habe trotz des von der Staatsanwaltschaft erklärten Widerrufs der Zustimmung zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag in den Urteilsgründen nicht ausgeführt, ob und aus welchen Gründen es an der Verständigung habe festhalten wollen. Die in der Hauptverhandlung neu zutage getretenen Umstände - die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin und das erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nach Intervention der Staatsanwaltschaft erfolgte Eingeständnis des erzwungenen Analverkehrs durch den Angeklagten - hätten der Strafkammer Anlass geben müssen, den der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmen zu verlassen.
12
Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
13
a) Nach der Konzeption des § 257c StPO kommt eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens durch einen Vorschlag des Gerichts und die Zustimmungserklärungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustande. Das Gericht gibt nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO den Inhalt einer möglichen Verständigung bekannt und macht dabei regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648; Beschluss vom 16. März 2011 - 1 StR 60/11, StV 2012, 134, 135). Für die in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO als Vorschlag bezeichnete Bekanntgabe hat das Gericht das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten, bei dem es sich in aller Regel um ein Geständnis handeln wird (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), genau zu bezeichnen und unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310 S. 14; Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren , § 257c Rn. 56). Die Verständigung kommt gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag zustimmen. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft ist als gestaltende Prozesserklärung (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., Einleitung, Rn. 95, 102, 116) unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 28; Altvater, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 26; Meyer-Goßner aaO, § 257c, Rn. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auch dann von sich aus keine Möglichkeit, die getroffene Verständigung mit der daraus resultierenden Bindungswirkung für das Gericht nachträglich zu Fall zu bringen, wenn sie die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO für ein Entfallen der Bindungswirkung als gegeben ansieht (vgl. Niemöller aaO, Rn. 39, 111; Altvater aaO; Eschelbach in Graf, StPO, § 257c, Rn. 30; Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 257c, Rn. 25; Ambos/Ziehn in Radtke/Hohmann, StPO, § 257c, Rn. 35).
14
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht tritt ungeachtet des insoweit unklaren Wortlauts des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO nicht kraft Gesetzes von selbst ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen Verständigung möglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Gerichts. Um ein materiell-rechtlich richtiges und gerechtes Urteil zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 14), räumt § 257c Abs. 4 StPO dem Gericht die Befugnis ein, sich unter den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen aus der Bindung durch die Verständigung zu lösen. Das Abweichen von der Verständigung ist das Gegenstück zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag und stellt sich der Sache nach als Widerruf der zum Bestandteil der Verständigung gewordenen Strafrahmenzusage dar. Dies macht eine entsprechende Entscheidung des Gerichts erforderlich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 113; BT-Drucks. 16/12310 S. 15; a.A. Altvater aaO, S. 24). Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung folgt zudem aus der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, die das Entfallen der Bindung an die Verständigung unter anderem davon abhängig macht, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für die danach erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es zwingend einer gerichtlichen Entscheidung. Die Entscheidung über das Abweichen von der Verständigung ist nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO unverzüglich mitzuteilen, um dem Angeklagten und den weiteren Verfahrensbeteiligten - insbesondere mit Blick auf das mit dem Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO verknüpfte Verwertungsverbot für ein im Zuge der Verständigung abgelegtes Geständnis des Angeklagten - die Möglichkeit zu geben, ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzurichten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15).
15
c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tatoder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Prognose ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zusage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.
16
Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft. Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zugleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Strafober - und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin.
17
d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

III.


18
Die Sachrüge bleibt - auch unter Berücksichtigung des § 301 StPO - ebenfalls ohne Erfolg. Die Strafzumessung und die Bewährungsentscheidung im angefochtenen Urteil halten einer rechtlichen Prüfung stand.
19
1. Die Annahme einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler, gestützt auf die durch die Bekundungen der Nebenklägerin partiell bestätigten Angaben des Angeklagten, den Umfang des Alkoholkonsums des Angeklagten festgestellt und auf dieser Grundlage sachverständig beraten eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 2,9 Promille ermittelt. Ausgehend von dieser in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkoholmenge, die zutreffend als gewichtiges Beweisanzeichen für eine die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigende Alkoholintoxikation gewertet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37; vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99, NStZ 2000, 136; Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 69 ff.), hat es eine Gesamtwürdigung der sonstigen Begleitumstände unter Einbeziehung des Verhaltens des Angeklagten und dessen nicht gegebener Alkoholgewöhnung vorgenommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens aufgrund der Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies lässt weder eine unzutreffende Anwendung des Zweifelssatzes noch anderweitige Rechtsfehler erkennen.
20
2. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Strafkammer hat die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt geminderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommene Strafe ist zwar milde, sie liegt aber nicht außerhalb des dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsrahmens.
21
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56, Rn. 11, 25 m.w.N.) hat das Landgericht nicht überschritten. Es hat alle wesentlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erwogen und sich für die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein Geständnis und den gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich gestützt. Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer angeführten gewichtigen Milderungsgründe liegt auch in dem Fehlen von Ausführungen im Urteil zur Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), kein Rechtsfehler. Denn einer ausdrücklichen Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB bedarf es nur dann, wenn aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR71/14
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Herstellens von Schusswaffen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. November 2013 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Herstellens von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Schusswaffen und unerlaubtem Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen in zwei tateinheitlichen Fällen, unerlaubten Herstellens von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Schusswaffen und unerlaubtem Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen in vier tateinheitlichen Fällen, unerlaubten Herstellens von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Schusswaffen und unerlaubtem Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen in acht Fällen sowie unerlaubten Besitzes von halbautomatischen Kurzwaffen verurteilt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit halbautomatischen Kurzwaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Herstellen und Besitz halbautomatischer Kurzwaffen“ in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zu einer Änderung des Schuldspruchs ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Annahme von Tatmehrheit hält in den Fällen 2a) und b) sowie 2c), e), f) und g) der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Der waffenkundige Angeklagte machte auf Bestellung dauerhaft unbrauchbar gemachte halbautomatische Pistolen (Dekorationswaffen i.S.v. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.4 zu § 1 Abs. 4 WaffG) wieder vollständig funktionsfähig und verkaufte sie anschließend gewerbsmäßig an seine Kunden weiter. Das Landgericht hat darin zutreffend jeweils ein unerlaubtes Herstellen von Schusswaffen (zum Begriff des Herstellens vgl. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 8.1 zu § 1 Abs. 4 WaffG, MüKoStGB/Heinrich, 2. Aufl., § 1 WaffG Rn. 190 mwN) und ein unerlaubtes Handeltreiben mit Schusswaffen gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG gesehen. Da sich der Angeklagte vom Abschluss des Herstellungsprozesses bis zur Weitergabe der Pistolen tateinheitlich auch des Besitzes an einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG schuldig gemacht hat, stehen – wie das Landgericht ebenfalls nicht verkannt hat – Herstellen, Besitz und Handeltreiben zueinander in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 4 StR 273/95, BGHR WaffG § 53 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Bei der Beurteilung der Konkurrenzen zwischen den einzelnen Taten hat das Landgericht jedoch übersehen, dass durch die gleichzeitige Ausübung der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen alle in Bezug auf diese Waffen in der Besitzphase begangenen Verstöße gegen das Waffengesetz zu Tateinheit verbunden werden (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2013 – 4 StR 258/12, NStZ-RR 2013, 321, 322; Beschluss vom 30. November 2010 – 1 StR 574/10, StraFo 2011, 61 mwN). Dies hat hier zur Folge, dass die in den Fällen 2a) und b) und die in den Fällen 2c), e), f) und g) begangenen waffenrechtlichen Verstöße nicht in Tatmehrheit, sondern jeweils in Tateinheit zueinander stehen.
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b) Nach den Feststellungen wurden die halbautomatischen Pistolen der Fälle 2c), e), f) und g) aus Dekorationswaffen hergestellt, die der Angeklagte am 23. Januar 2013 bei verschiedenen Händlern bestellt hatte. Da die Strafkammer selbst mitteilt, dass der Angeklagte die Waffen (zunächst) umbaute und (anschließend) veräußerte (UA S. 11), waren alle Herstellungsvorgänge vor der ersten Veräußerung abgeschlossen und der Angeklagte hatte diese Pistolen in der Phase zwischen der letzten Umbaumaßnahme bis zum ersten Verkauf gleichzeitig in Besitz. Nichts anderes gilt für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der in den Fällen 2a) und b) der Urteilsgründe begangenen Waffendelikte. Die in diesen beiden Fällen verkauften halbautomatischen Pistolen wurden von dem Angeklagten aus am 16. Oktober 2009 bei seinem Lieferanten bestellten Dekorationswaffen hergestellt, sodass auch insoweit von einer Phase zeitgleichen Besitzes auszugehen ist.
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2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den abweichenden Tatvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung führt zum Wegfall von vier Einzelstrafen in Höhe von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Die Gesamtstrafe hat dennoch Bestand. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 StR 178/13, Rn. 8; Beschluss vom 5. Juni 2013 – 2 StR 537/12, Rn. 12; Be- schluss vom 7. Januar 2011 – 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von drei Mal zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe , sieben Mal zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und einer weiteren Einzelstrafe von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe die Gesamtstrafe milder als geschehen zugemessen hätte (§ 354 Abs. 1 StPO analog

).


Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.