Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2002 - 5 StR 477/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels , der Angeklagte I auch die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen, zu tragen.
Zu den auf § 338 Nr. 5 StPO gestützten Verfahrensrügen des Angeklagten R merkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts an: 1. Mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat aus, daß bei Vernehmung der Zeugen C und R K in Abwesenheit des Angeklagten von diesen gefertigte Skizzen förmlich in Augenschein genommen wurden. Die Zeugin betreffend läßt schon der Wortlaut des Protokolls („zusammen mit der Zeugin wurde die Skizze in Augenschein genommen“), der eine enge Verknüpfung zwischen Zeugenbefragung und „Augenschein“ belegt, zudem der Gegenstand der Betrachtung – eine Skizze, welche die Zeugin bei einer polizeilichen Vernehmung gefertigt hatte, was auf einen Vorhalt eben jener Vernehmung hindeutet – an einer förmlichen Augenscheinseinnahme zweifeln (vgl. auch BGHR StPO § 247 Abwesenheit 10; ferner BGH, Beschl. vom 17. November 1994 – 1 StR 624/94). Den Zeugen betreffend werden entsprechende Zweifel allein schon durch das Erscheinungsbild der von ihm erst während seiner Vernehmung gefertigten, als Anlage zum Protokoll genommenen Skizze begründet, die ohne Erläuterung schwerlich irgendeinen optischen Beweiswert erkennen läßt. All dies deutet inhaltlich bereits eher auf bloße Vernehmungsbehelfe als auf einen förmlichen Augenschein hin. Dies wird durch den wegen der Unklarheit (darin liegt der maßgebliche Unterschied gegenüber dem Fall, der dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil des BGH vom 23. Oktober 2002 – 1 StR 234/02 zugrundelag) hier zulässigen freibeweislichen Rückgriff auf die dienstliche Äußerung des Strafkammervorsitzenden letztlich sicher bewiesen.
2. Betreffend das anläßlich der Vernehmung der Zeugin C K in Abwesenheit des Angeklagten verlesene, während der Vernehmung des Zeugen G K in Abwesenheit des Angeklagten „zusammen mit dem Zeugen in Augenschein genommene“ Schreiben geht der Senat aufgrund des Inhalts des Schreibens, welches als Strafantragsrücknahme gewertet wurde (vgl. auch UA S. 49), mit dem Generalbundesanwalt von einer Freibeweiserhebung während der Hauptverhandlung aus, bei welcher die Anwesenheit des Angeklagten nicht unerläßlich war (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 17, 20, 22, 24).
3. Soweit die Abwesenheit des Angeklagten während des Augenscheins der „Lichtbildanlage Bd. IVa Bl. 25-32 d.A.“ beanstandet wird, scheitert die Rüge an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die bloße Vorlage einer lediglich als „Wahllichtbildvorlage“ bezeichneten Mehrzahl numerierter Bilder männlicher Personen , ohne jegliche Erläuterung zu den abgebildeten Personen und zur Bedeutung der Bildzusammenstellung, bezeichnet das angebliche Augenscheinsobjekt nicht ausreichend. Eine sichere Beurteilung des beanstandeten Verfahrensvorgangs ist dem Senat insoweit nicht möglich. Er kann auf dieser unzureichenden Grundlage nicht in eine sachliche Prüfung auf diese Verfahrensrüge eintreten, etwa dahin, ob auch hier – entsprechend der dienstlichen Äußerung des Strafkammervorsitzenden – die Verwendung eines bloßen Vernehmungsbehelfs angenommen werden könnte (vgl. auch die Formulierung auf S. 13 der Revisionsbegründungsschrift), oder dahin, ob sich die angeblich verfahrensfehlerhafte Beweiserhebung etwa gar auf den Teilfreispruch des Beschwerdeführers vom Vorwurf der Zuhälterei bezogen haben kann (UA S. 34 f.), schließlich, ob hier etwa der seltene Ausnahmefall eines möglichen „denkgesetzlichen“ Ausschlusses des Beruhens des Urteils auf dem geltend gemachten Verstoß in Betracht käme (s. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; vgl. dazu UA S. 42 sowie die Rückschlüsse des Generalbundesanwalts aus dem – im übrigen rechtsfehlerfreien – Gerichtsbeschluß gemäß § 247 StPO).
4. Der Fall gibt erneut Anlaß, darauf hinzuweisen, daß es überflüssig ist, die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe und den Vorhalt von Urkunden in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. Eine derartige Protokollierung gibt zudem immer wieder Anlaß zu unterschiedlichen, den Bestand von Urteilen gefährdenden vermeidbaren Mißverständnissen. Sie kann damit nur als sachwidrig bewertet werden (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; BGH NStZ 1999, 522, 523; BGH, Urt. vom 23. Oktober 2002 – 1 StR 234/02, zur Veröffentlichung bestimmt).
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
- 2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.