Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 311/15
vom
12. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. November 2015
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27. März 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Rüge einer Verletzung von § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG hat zum Strafausspruch Erfolg.
3
1. In der Hauptverhandlung, die am 4. Dezember 2014 begann, wurde die Öffentlichkeit während der Dauer der Vernehmung von Zeugen und des Angeklagten mehrfach durch Gerichtsbeschluss gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GVG ausgeschlossen. Bei den Schlussanträgen war die Öffentlichkeit hergestellt. Es befanden sich auch Zuhörer im Sitzungssaal.
4
Da Teile der Hauptverhandlung zuvor unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden haben, wäre indes nach der zwingenden Vorschrift des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG – auch ohne entsprechenden Antrag – die Öffentlichkeit während der Schlussanträge auszuschließen gewesen. Es liegt daher ein Verstoß gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG vor, der mit Wirkung vom 1. September 2013 durch Art. 2 StORMG (Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1805) eingeführt wurde und der zurzeit der Hauptverhandlung galt.
5
2. Der Angeklagte ist insoweit auch anfechtungsbefugt. Die Regelung des § 171b Abs. 5 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen.
6
Gemäß § 171b Abs. 5 GVG sind zwar Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 unanfechtbar und damit der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen. Dies betrifft aber nur die inhaltliche Überprüfung der gerichtlichen Ausschließungsanordnung darauf, ob die in § 171b Abs. 1 und 2 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. zu § 171b Abs. 3 GVG a.F., BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 – 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Urteil vom 21. Juni 2012 – 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 275). Damit ist es dem Revisionsgericht zwar verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25), nicht gehindert ist es dagegen, die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes zu prüfen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 – 4 StR 623/11; BGHSt 57, 273, 275).
7
Nichts anderes kann gelten, wenn nur der Vorsitzende in einem Verfahrensabschnitt vor Anbringung der Schlussanträge (zu diesem Zeitpunkt rechtsfehlerfrei , weshalb eine Beanstandung nach § 238 StPO nicht in Betracht kommt) die Wiederherstellung der Öffentlichkeit angeordnet hat und das Gericht – wie vorliegend – weiterverhandelt und überhaupt keine Entscheidung über die Öffentlichkeit des Verfahrens getroffen hat (so schon zutreffend BGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 1 StR 212/14, Beck RS 2014, 19859 – nicht tragend). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das erkennende Gericht nach dem Gesetzeswortlaut ("ist die Öffentlichkeit auszuschließen") keinen Beurteilungsspielraum hatte. Einer Anfechtbarkeit durch den Angeklagten steht auch nicht entgegen, dass die Vorschrift in erster Linie dem Opferschutz geschuldet ist. Denn § 171b GVG dient insgesamt dem Schutz der Privatsphäre, auch des Angeklagten als Subjekt des Verfahrens (vgl. BGH, aaO). Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem u.a. mehrmals die Öffentlichkeit auch auf Antrag des Angeklagten ausgeschlossen wurde, weil Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen sollten.
8
3. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt zutreffend ausführen, ist zwar der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO nicht gegeben, weil diese Vorschrift bei einer unzulässigen Erweiterung der Öffentlichkeit nicht anwendbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 1 StR 212/14, Beck RS 2014, 19859 mwN). Durchgreifend ist aber der relative Revisionsgrund (§ 337 StPO).
9
a) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann jedoch der Schuldspruch nicht beruhen. Der Senat kann angesichts der insoweit geständigen Einlassung des Angeklagten und der ansonsten gegebenen klaren Beweislage ausschließen , dass der Verteidiger oder der Angeklagte in nicht-öffentlichen Schlussvorträgen insoweit noch Erhebliches hätten bekunden können. Soweit die Strafkammer dem Angeklagten unter Berücksichtigung der übrigen Beweisergebnisse hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung nicht gefolgt ist, bleibt der Schuldspruch davon unberührt.
10
b) Dagegen kann der Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe sowie die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass jedenfalls der Angeklagte , wäre ihm das letzte Wort unter Ausschluss der Öffentlichkeit erteilt worden , Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten.
11
Die Öffentlichkeit wurde in der Hauptverhandlung mehrfach auf Antrag des Angeklagten nach § 171b Abs. 1 GVG ausgeschlossen, weil im Rahmen seiner geständigen Einlassung Umstände aus seiner Intimsphäre, namentlich seiner Sexualsphäre zur Sprache kamen. Bereits aus diesem Grund besteht die begründete Annahme, dass der Angeklagte über seine Einlassung hinaus in seinem letzten Wort weitere sich zu seinen Gunsten auswirkende Umstände angesprochen hätte, wenn er nicht der besonderen Belastung der öffentlichen Hauptverhandlung ausgesetzt gewesen wäre. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 238 Verhandlungsleitung


(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 171b


(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache

Strafprozeßordnung - StPO | § 336 Überprüfung der dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen


Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerd

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 623/11
vom
21. Juni 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
1. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes
von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
2. a) Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag
des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich.
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach
§ 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine
dahingehende gerichtliche Entscheidung.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Juli 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit Verfahrensbeschwerden wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und beanstandet im Zusammenhang mit der Verständigung, dass das Landgericht es unterlassen habe, sich im Urteil mit den Gründen für das Festhalten an der Verständigung auseinanderzusetzen, obwohl aufgrund neu in der Hauptverhandlung zutage getretener Umstände Veranlassung bestanden habe, sich nach § 257c Abs. 4 StPO von der Verständigung zu lösen. Die Sachrüge ist mit Angriffen gegen den Strafausspruch näher ausgeführt.
2
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Erdgeschoss des vom Angeklagten allein bewohnten Hauses zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, in dessen Verlauf der Angeklagte unvermittelt begann, ihn erregende und für die Nebenklägerin schmerzhafte Handlungen, unter anderem Schläge mit der flachen Hand gegen die Brust der Nebenklägerin, vorzunehmen, worauf die Nebenklägerin vergeblich versuchte, den Angeklagten wegzudrücken. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin, die eine entsprechende Aufforderung zuvor abgelehnt hatte, in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer geschoben hatte, führte er den Geschlechtsverkehr mit der auf dem Bett liegenden Nebenklägerin unter denselben Begleitumständen weiter. Als die Nebenklägerin ihn bei ihrer fortdauernden Gegenwehr mit ihren Fingernägeln am Hals verletzte, schlug der Angeklagte , der zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass die Fortführung des Geschlechtsverkehrs und die Schläge gegen die Brüste gegen den Willen der Nebenklägerin geschahen, ihr mit beiden Händen nacheinander ins Gesicht. Sodann setzte er den Geschlechtsverkehr mit der resignierenden und jede Gegenwehr aufgebenden Nebenklägerin fort und urinierte ihr anschließend auf den Bauch. In der Folgezeit vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Analverkehr unter Einsatz eines Gleitgels und - nach einer Unterbrechung, in der sich der Angeklagte von hinten an die Nebenklägerin anschmiegte und äußerte , er könne auch kuscheln - ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr , ehe er der Nebenklägerin erneut auf den Bauch urinierte. Bei Tatbegehung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholgenusses nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.

II.


4
Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
5
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gemäß § 338 Nr. 6 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verlesung des Anklagesatzes und macht geltend, § 171b GVG lasse eine Beschränkung der Öffentlichkeit während der Anklageverlesung nicht zu.
6
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da die Beanstandung des Verfahrens die prinzipielle Reichweite der Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG zum Gegenstand hat, sind die Einzelheiten der im Zusammenhang mit der Ausschließungsentscheidung der Strafkammer angefallenen Unterlagen, deren Vortrag der Generalbundesanwalt und dieVerteidigung vermissen, für die Entscheidung über die Verfahrensrüge ohne Bedeutung.
7
b) Die Regelung des § 171b Abs. 3 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen. Gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06, StV 2007, 514; vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren, BT-Drucks. 10/5305 S. 23 f.). Damit ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25). Die Rüge der Staatsanwaltschaft zielt indessen nicht auf die Tragfähigkeit der von der Strafkammer für ihre Ausschließungsanordnung angeführten Gründe, sondern stellt die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes in Frage. Diese Beanstandung wird von § 171b Abs. 3 GVG nicht ausgeschlossen.
8
c) Die Rüge ist unbegründet. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
9
Die Vorschrift des § 171b GVG knüpft an den Begriff der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in § 169 Satz 1 GVG an und lässt beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5; Wickern aaO, Rn. 21). Die Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG reicht nicht weniger weit als bei den Ausschlusstatbeständen des § 171a GVG und § 172 GVG, für welche ausdrücklich normiert ist, dass die Öffentlichkeit für die (Haupt-)Verhandlung oder einen Teil davon ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 171b GVG. Durch die Schaffung des § 171b GVG sollte der bis dahin in § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 9. Mai 1975 geregelte Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten oder Zeugen durch eine Änderung des Abwägungsmaßstabs zugunsten des Persönlichkeitsschutzes verbessert, der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich aus dem Zusammenhang der übrigen Ausschlussgründe gelöst und plakativ an die Spitze gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/5305 S. 23). Dafür, dass bei dem neu in das Gerichtsverfassungsgesetz aufgenommenen § 171b GVG - anders als bei § 172 GVG - bestimmte Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung von der Ausschließungsbefugnis ausgenommen sein sollten, bietet die Entstehungsgeschichte keinen Anhalt. Das Gesetz enthält in § 173 GVG lediglich für die Urteilsverkündung eine besondere Regelung, wonach die Verlesung der Urteilsformel stets öffentlich zu erfolgen hat und der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Urteilsgründe einen besonderen Beschluss des Gerichts nach §§ 171b, 172 GVG erfordert. Die eine Gegenausnahme zu den Ausschließungstatbeständen der §§ 171a, 171b und 172 GVG beinhaltende Bestimmung des § 173 GVG ist entgegen der Ansicht der Revision einer ausdehnenden, ihren Anwendungsbereich auf andere Verfahrensvorgänge erstreckenden Auslegung nicht zugänglich.
10
Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) und umfasst nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO die Verlesung des Anklagesatzes. Die Verlesung ist ein Teil der Verhandlung, für den bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf (vgl. für § 172 GVG RG, Urteil vom 13. Mai 1927 - 1. D 392/1927; Wickern aaO, § 172 GVG, Rn. 39). Auch bei der Verlesung des Anklagesatzes können Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten , Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zu rechtfertigen vermögen, weil deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, ohne dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Umstand, dass der Inhalt des Anklagesatzes auf einer vorläufigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staats- anwaltschaft beruht, noch aus der verfahrensrechtlichen Funktion des Anklagesatzes zur Umgrenzung und Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes.
11
2. Im Zusammenhang mit der Verständigung nach § 257c StPO macht die Revision einen Verstoß gegen die §§ 257c, 261, 267 StPO geltend. Sie beanstandet , das Landgericht habe trotz des von der Staatsanwaltschaft erklärten Widerrufs der Zustimmung zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag in den Urteilsgründen nicht ausgeführt, ob und aus welchen Gründen es an der Verständigung habe festhalten wollen. Die in der Hauptverhandlung neu zutage getretenen Umstände - die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin und das erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nach Intervention der Staatsanwaltschaft erfolgte Eingeständnis des erzwungenen Analverkehrs durch den Angeklagten - hätten der Strafkammer Anlass geben müssen, den der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmen zu verlassen.
12
Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
13
a) Nach der Konzeption des § 257c StPO kommt eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens durch einen Vorschlag des Gerichts und die Zustimmungserklärungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustande. Das Gericht gibt nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO den Inhalt einer möglichen Verständigung bekannt und macht dabei regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648; Beschluss vom 16. März 2011 - 1 StR 60/11, StV 2012, 134, 135). Für die in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO als Vorschlag bezeichnete Bekanntgabe hat das Gericht das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten, bei dem es sich in aller Regel um ein Geständnis handeln wird (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), genau zu bezeichnen und unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310 S. 14; Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren , § 257c Rn. 56). Die Verständigung kommt gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag zustimmen. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft ist als gestaltende Prozesserklärung (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., Einleitung, Rn. 95, 102, 116) unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 28; Altvater, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 26; Meyer-Goßner aaO, § 257c, Rn. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auch dann von sich aus keine Möglichkeit, die getroffene Verständigung mit der daraus resultierenden Bindungswirkung für das Gericht nachträglich zu Fall zu bringen, wenn sie die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO für ein Entfallen der Bindungswirkung als gegeben ansieht (vgl. Niemöller aaO, Rn. 39, 111; Altvater aaO; Eschelbach in Graf, StPO, § 257c, Rn. 30; Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 257c, Rn. 25; Ambos/Ziehn in Radtke/Hohmann, StPO, § 257c, Rn. 35).
14
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht tritt ungeachtet des insoweit unklaren Wortlauts des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO nicht kraft Gesetzes von selbst ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen Verständigung möglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Gerichts. Um ein materiell-rechtlich richtiges und gerechtes Urteil zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 14), räumt § 257c Abs. 4 StPO dem Gericht die Befugnis ein, sich unter den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen aus der Bindung durch die Verständigung zu lösen. Das Abweichen von der Verständigung ist das Gegenstück zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag und stellt sich der Sache nach als Widerruf der zum Bestandteil der Verständigung gewordenen Strafrahmenzusage dar. Dies macht eine entsprechende Entscheidung des Gerichts erforderlich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 113; BT-Drucks. 16/12310 S. 15; a.A. Altvater aaO, S. 24). Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung folgt zudem aus der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, die das Entfallen der Bindung an die Verständigung unter anderem davon abhängig macht, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für die danach erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es zwingend einer gerichtlichen Entscheidung. Die Entscheidung über das Abweichen von der Verständigung ist nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO unverzüglich mitzuteilen, um dem Angeklagten und den weiteren Verfahrensbeteiligten - insbesondere mit Blick auf das mit dem Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO verknüpfte Verwertungsverbot für ein im Zuge der Verständigung abgelegtes Geständnis des Angeklagten - die Möglichkeit zu geben, ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzurichten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15).
15
c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tatoder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Prognose ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zusage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.
16
Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft. Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zugleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Strafober - und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin.
17
d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

III.


18
Die Sachrüge bleibt - auch unter Berücksichtigung des § 301 StPO - ebenfalls ohne Erfolg. Die Strafzumessung und die Bewährungsentscheidung im angefochtenen Urteil halten einer rechtlichen Prüfung stand.
19
1. Die Annahme einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler, gestützt auf die durch die Bekundungen der Nebenklägerin partiell bestätigten Angaben des Angeklagten, den Umfang des Alkoholkonsums des Angeklagten festgestellt und auf dieser Grundlage sachverständig beraten eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 2,9 Promille ermittelt. Ausgehend von dieser in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkoholmenge, die zutreffend als gewichtiges Beweisanzeichen für eine die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigende Alkoholintoxikation gewertet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37; vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99, NStZ 2000, 136; Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 69 ff.), hat es eine Gesamtwürdigung der sonstigen Begleitumstände unter Einbeziehung des Verhaltens des Angeklagten und dessen nicht gegebener Alkoholgewöhnung vorgenommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens aufgrund der Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies lässt weder eine unzutreffende Anwendung des Zweifelssatzes noch anderweitige Rechtsfehler erkennen.
20
2. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Strafkammer hat die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt geminderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommene Strafe ist zwar milde, sie liegt aber nicht außerhalb des dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsrahmens.
21
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56, Rn. 11, 25 m.w.N.) hat das Landgericht nicht überschritten. Es hat alle wesentlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erwogen und sich für die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein Geständnis und den gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich gestützt. Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer angeführten gewichtigen Milderungsgründe liegt auch in dem Fehlen von Ausführungen im Urteil zur Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), kein Rechtsfehler. Denn einer ausdrücklichen Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB bedarf es nur dann, wenn aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 623/11
vom
21. Juni 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
1. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes
von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
2. a) Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag
des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich.
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach
§ 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine
dahingehende gerichtliche Entscheidung.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Juli 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit Verfahrensbeschwerden wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und beanstandet im Zusammenhang mit der Verständigung, dass das Landgericht es unterlassen habe, sich im Urteil mit den Gründen für das Festhalten an der Verständigung auseinanderzusetzen, obwohl aufgrund neu in der Hauptverhandlung zutage getretener Umstände Veranlassung bestanden habe, sich nach § 257c Abs. 4 StPO von der Verständigung zu lösen. Die Sachrüge ist mit Angriffen gegen den Strafausspruch näher ausgeführt.
2
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Erdgeschoss des vom Angeklagten allein bewohnten Hauses zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, in dessen Verlauf der Angeklagte unvermittelt begann, ihn erregende und für die Nebenklägerin schmerzhafte Handlungen, unter anderem Schläge mit der flachen Hand gegen die Brust der Nebenklägerin, vorzunehmen, worauf die Nebenklägerin vergeblich versuchte, den Angeklagten wegzudrücken. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin, die eine entsprechende Aufforderung zuvor abgelehnt hatte, in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer geschoben hatte, führte er den Geschlechtsverkehr mit der auf dem Bett liegenden Nebenklägerin unter denselben Begleitumständen weiter. Als die Nebenklägerin ihn bei ihrer fortdauernden Gegenwehr mit ihren Fingernägeln am Hals verletzte, schlug der Angeklagte , der zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass die Fortführung des Geschlechtsverkehrs und die Schläge gegen die Brüste gegen den Willen der Nebenklägerin geschahen, ihr mit beiden Händen nacheinander ins Gesicht. Sodann setzte er den Geschlechtsverkehr mit der resignierenden und jede Gegenwehr aufgebenden Nebenklägerin fort und urinierte ihr anschließend auf den Bauch. In der Folgezeit vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Analverkehr unter Einsatz eines Gleitgels und - nach einer Unterbrechung, in der sich der Angeklagte von hinten an die Nebenklägerin anschmiegte und äußerte , er könne auch kuscheln - ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr , ehe er der Nebenklägerin erneut auf den Bauch urinierte. Bei Tatbegehung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholgenusses nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.

II.


4
Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
5
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gemäß § 338 Nr. 6 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verlesung des Anklagesatzes und macht geltend, § 171b GVG lasse eine Beschränkung der Öffentlichkeit während der Anklageverlesung nicht zu.
6
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da die Beanstandung des Verfahrens die prinzipielle Reichweite der Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG zum Gegenstand hat, sind die Einzelheiten der im Zusammenhang mit der Ausschließungsentscheidung der Strafkammer angefallenen Unterlagen, deren Vortrag der Generalbundesanwalt und dieVerteidigung vermissen, für die Entscheidung über die Verfahrensrüge ohne Bedeutung.
7
b) Die Regelung des § 171b Abs. 3 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen. Gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06, StV 2007, 514; vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren, BT-Drucks. 10/5305 S. 23 f.). Damit ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25). Die Rüge der Staatsanwaltschaft zielt indessen nicht auf die Tragfähigkeit der von der Strafkammer für ihre Ausschließungsanordnung angeführten Gründe, sondern stellt die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes in Frage. Diese Beanstandung wird von § 171b Abs. 3 GVG nicht ausgeschlossen.
8
c) Die Rüge ist unbegründet. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
9
Die Vorschrift des § 171b GVG knüpft an den Begriff der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in § 169 Satz 1 GVG an und lässt beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5; Wickern aaO, Rn. 21). Die Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG reicht nicht weniger weit als bei den Ausschlusstatbeständen des § 171a GVG und § 172 GVG, für welche ausdrücklich normiert ist, dass die Öffentlichkeit für die (Haupt-)Verhandlung oder einen Teil davon ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 171b GVG. Durch die Schaffung des § 171b GVG sollte der bis dahin in § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 9. Mai 1975 geregelte Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten oder Zeugen durch eine Änderung des Abwägungsmaßstabs zugunsten des Persönlichkeitsschutzes verbessert, der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich aus dem Zusammenhang der übrigen Ausschlussgründe gelöst und plakativ an die Spitze gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/5305 S. 23). Dafür, dass bei dem neu in das Gerichtsverfassungsgesetz aufgenommenen § 171b GVG - anders als bei § 172 GVG - bestimmte Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung von der Ausschließungsbefugnis ausgenommen sein sollten, bietet die Entstehungsgeschichte keinen Anhalt. Das Gesetz enthält in § 173 GVG lediglich für die Urteilsverkündung eine besondere Regelung, wonach die Verlesung der Urteilsformel stets öffentlich zu erfolgen hat und der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Urteilsgründe einen besonderen Beschluss des Gerichts nach §§ 171b, 172 GVG erfordert. Die eine Gegenausnahme zu den Ausschließungstatbeständen der §§ 171a, 171b und 172 GVG beinhaltende Bestimmung des § 173 GVG ist entgegen der Ansicht der Revision einer ausdehnenden, ihren Anwendungsbereich auf andere Verfahrensvorgänge erstreckenden Auslegung nicht zugänglich.
10
Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) und umfasst nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO die Verlesung des Anklagesatzes. Die Verlesung ist ein Teil der Verhandlung, für den bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf (vgl. für § 172 GVG RG, Urteil vom 13. Mai 1927 - 1. D 392/1927; Wickern aaO, § 172 GVG, Rn. 39). Auch bei der Verlesung des Anklagesatzes können Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten , Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zu rechtfertigen vermögen, weil deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, ohne dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Umstand, dass der Inhalt des Anklagesatzes auf einer vorläufigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staats- anwaltschaft beruht, noch aus der verfahrensrechtlichen Funktion des Anklagesatzes zur Umgrenzung und Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes.
11
2. Im Zusammenhang mit der Verständigung nach § 257c StPO macht die Revision einen Verstoß gegen die §§ 257c, 261, 267 StPO geltend. Sie beanstandet , das Landgericht habe trotz des von der Staatsanwaltschaft erklärten Widerrufs der Zustimmung zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag in den Urteilsgründen nicht ausgeführt, ob und aus welchen Gründen es an der Verständigung habe festhalten wollen. Die in der Hauptverhandlung neu zutage getretenen Umstände - die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin und das erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nach Intervention der Staatsanwaltschaft erfolgte Eingeständnis des erzwungenen Analverkehrs durch den Angeklagten - hätten der Strafkammer Anlass geben müssen, den der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmen zu verlassen.
12
Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
13
a) Nach der Konzeption des § 257c StPO kommt eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens durch einen Vorschlag des Gerichts und die Zustimmungserklärungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustande. Das Gericht gibt nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO den Inhalt einer möglichen Verständigung bekannt und macht dabei regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648; Beschluss vom 16. März 2011 - 1 StR 60/11, StV 2012, 134, 135). Für die in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO als Vorschlag bezeichnete Bekanntgabe hat das Gericht das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten, bei dem es sich in aller Regel um ein Geständnis handeln wird (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), genau zu bezeichnen und unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310 S. 14; Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren , § 257c Rn. 56). Die Verständigung kommt gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag zustimmen. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft ist als gestaltende Prozesserklärung (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., Einleitung, Rn. 95, 102, 116) unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 28; Altvater, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 26; Meyer-Goßner aaO, § 257c, Rn. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auch dann von sich aus keine Möglichkeit, die getroffene Verständigung mit der daraus resultierenden Bindungswirkung für das Gericht nachträglich zu Fall zu bringen, wenn sie die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO für ein Entfallen der Bindungswirkung als gegeben ansieht (vgl. Niemöller aaO, Rn. 39, 111; Altvater aaO; Eschelbach in Graf, StPO, § 257c, Rn. 30; Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 257c, Rn. 25; Ambos/Ziehn in Radtke/Hohmann, StPO, § 257c, Rn. 35).
14
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht tritt ungeachtet des insoweit unklaren Wortlauts des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO nicht kraft Gesetzes von selbst ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen Verständigung möglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Gerichts. Um ein materiell-rechtlich richtiges und gerechtes Urteil zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 14), räumt § 257c Abs. 4 StPO dem Gericht die Befugnis ein, sich unter den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen aus der Bindung durch die Verständigung zu lösen. Das Abweichen von der Verständigung ist das Gegenstück zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag und stellt sich der Sache nach als Widerruf der zum Bestandteil der Verständigung gewordenen Strafrahmenzusage dar. Dies macht eine entsprechende Entscheidung des Gerichts erforderlich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 113; BT-Drucks. 16/12310 S. 15; a.A. Altvater aaO, S. 24). Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung folgt zudem aus der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, die das Entfallen der Bindung an die Verständigung unter anderem davon abhängig macht, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für die danach erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es zwingend einer gerichtlichen Entscheidung. Die Entscheidung über das Abweichen von der Verständigung ist nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO unverzüglich mitzuteilen, um dem Angeklagten und den weiteren Verfahrensbeteiligten - insbesondere mit Blick auf das mit dem Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO verknüpfte Verwertungsverbot für ein im Zuge der Verständigung abgelegtes Geständnis des Angeklagten - die Möglichkeit zu geben, ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzurichten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15).
15
c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tatoder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Prognose ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zusage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.
16
Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft. Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zugleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Strafober - und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin.
17
d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

III.


18
Die Sachrüge bleibt - auch unter Berücksichtigung des § 301 StPO - ebenfalls ohne Erfolg. Die Strafzumessung und die Bewährungsentscheidung im angefochtenen Urteil halten einer rechtlichen Prüfung stand.
19
1. Die Annahme einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler, gestützt auf die durch die Bekundungen der Nebenklägerin partiell bestätigten Angaben des Angeklagten, den Umfang des Alkoholkonsums des Angeklagten festgestellt und auf dieser Grundlage sachverständig beraten eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 2,9 Promille ermittelt. Ausgehend von dieser in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkoholmenge, die zutreffend als gewichtiges Beweisanzeichen für eine die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigende Alkoholintoxikation gewertet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37; vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99, NStZ 2000, 136; Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 69 ff.), hat es eine Gesamtwürdigung der sonstigen Begleitumstände unter Einbeziehung des Verhaltens des Angeklagten und dessen nicht gegebener Alkoholgewöhnung vorgenommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens aufgrund der Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies lässt weder eine unzutreffende Anwendung des Zweifelssatzes noch anderweitige Rechtsfehler erkennen.
20
2. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Strafkammer hat die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt geminderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommene Strafe ist zwar milde, sie liegt aber nicht außerhalb des dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsrahmens.
21
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56, Rn. 11, 25 m.w.N.) hat das Landgericht nicht überschritten. Es hat alle wesentlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erwogen und sich für die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein Geständnis und den gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich gestützt. Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer angeführten gewichtigen Milderungsgründe liegt auch in dem Fehlen von Ausführungen im Urteil zur Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), kein Rechtsfehler. Denn einer ausdrücklichen Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB bedarf es nur dann, wenn aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 1 2 / 1 4
vom
17. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2014 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 23. Dezember 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen , Sachbeschädigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und mit vorsätzlichem Besitz von Munition, Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätzlichem Besitz von Munition und wegen vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, mit vorsätzlichem Führen von zwei Schalldämpfern, mit vorsätzlichem Besitz von Munition sowie mit vorsätzlichem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Es hat weiter seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
3
Sein Rechtsmittel ist in vollem Umfang begründet (§ 349 Abs. 4 StPO), weil sowohl ein Verfahrensfehler als auch ein materiell-rechtlicher Fehler vorliegt.
4
1. Die Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO231b Abs. 1 StPO) hat Erfolg, weil die Hauptverhandlung (hier Einnahme eines Augenscheins ) in Abwesenheit des Angeklagten erfolgt ist.
5
Durch Beschluss des Landgerichts wurde der Angeklagte gemäß § 177 GVG für die weitere Vernehmung der Zeugin B. am 15. November 2013 aus dem Sitzungszimmer entfernt, nachdem er zuvor mehreren sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden … nicht nachgekommen war …
6
Nach Entfernung des Angeklagten machte die Zeugin weitere Angaben. Im Protokoll heißt es sodann: "Die von der Polizei gefertigten Lichtbilder der Wohnung der Geschädigten B. wurden in Augenschein genommen."
7
Die Zeugin machte sodann weitere Angaben zur Sache. Der Angeklagte wurde über den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussage B. informiert (§§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO).
8
Die Lichtbilder werden im Protokoll anschließend nicht mehr erwähnt.
9
a) Die Rüge ist zulässig erhoben.
10
Der Revisionsführer hat diesen Sachverhalt vollständig vorgetragen. Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO war es im vorliegenden Fall nicht erforderlich , die Lichtbilder im Einzelnen zu beschreiben, wenn dies auch im Einzelfall zur erforderlichen Klarstellung schon verlangt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - 1 StR 391/03). Dies war weder notwendig, um die Frage beantworten zu können, ob die Abwesenheit bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung stattfand, noch ob es sich nur um einen Vernehmungsbehelf handelte. Hier ergibt sich aus den auf die Sachrüge zugänglichen schriftlichen Urteilsgründen , dass die Lichtbilder für das erkennende Gericht wesentlich waren, denn sie werden bei der Beweiswürdigung dreimal angeführt (UA S. 20, 26, 27). Nicht wesentlich waren für das Gericht die Einzelheiten der Bilder, denn es ist nur von "Lichtbildern ihres Schlafzimmers", "Lichtbildern der Wohnung" und "Bildern ihrer Wohnung" die Rede. Näherer Vortrag war daher im vorliegenden Fall für die Beurteilung durch das Revisionsgericht entbehrlich (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2004 - 2 StR 436/03). Dies gilt auch für die Prüfung der Frage , ob lediglich von einem Vernehmungsbehelf auszugehen ist (vgl. hierzu auch nachfolgend 1b).
11
b) Die Rüge ist auch begründet.
12
Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO), dass während der Vernehmung der Zeugin B., bei der der Angeklagte nach § 177 GVG ausgeschlossen war, die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder durchgeführt wurde. Nach den Gesamtumständen ist hier davon auszugehen, dass es sich um einen förmlichen Augenschein gehandelt hat und die Lichtbilder nicht lediglich als Vernehmungsbehelf eingesetzt worden sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - 5 StR 477/02).
13
Die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlaufe einer Zeugenvernehmung hätte keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 4 StR 529/13 mwN).
14
Der Wortlaut des Protokolls ist eindeutig: Die Bilder wurden "in Augenschein genommen". Auf die Einschätzung des Sitzungsstaatsanwalts in seiner Gegenerklärung, wo nach seiner Erinnerung die Lichtbilder "als Hilfe dienten, die Angaben des Zeugen B. betreffend ihrer Wohnverhältnisse nachvollziehen zu können", kommt es danach nicht an.
15
Den Urteilsgründen lässt sich auch nicht entnehmen, dass kein förmlicher Augenschein erfolgt ist. Denn dort heißt es: "Dieses Geschehen konnte B. anhand von in Augenschein genommenen Lichtbildern …" (UA S. 20) und "beruhen u.a. … auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Wohnung von B." (UA S. 26). Umstände, die die Beweiskraft des Urteils in Zweifel ziehen könnten (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2002 - 1 StR 270/02), liegen danach nicht vor.
16
Eine gegebenenfalls zulässige Protokollberichtigung ist nicht erfolgt.
17
Danach ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vorgenommen und auch nicht in seiner Anwesenheit wiederholt worden (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 - 3 StR 163/07). Dass der Angeklagte hier nicht nach § 247 StPO sondern nach § 177 GVG entfernt wurde, ist für die Beurteilung des Verstoßes ohne Bedeutung. Es liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor, weil ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 4 StR 529/13), ohne dass dies durch den Entfernungsbeschluss gedeckt war; denn die Augenscheinnahme gehörte nicht zur Vernehmung (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 57. Aufl. Rn. 7 und 20 ff. zu § 247 StPO). Es stand auch nicht zu befürchten (vgl. § 231b Abs. 1 StPO), dass der Angeklagte bei nachträglicher Inaugenscheinnahme der Lichtbilder (bei seiner Unterrichtung gemäß §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO) den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde.
18
c) Der dargestellte Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen den beiden Vergewaltigungsfällen, bei denen sich das Landgericht ausdrücklich auf die Lichtbilder gestützt hat, und der Gesamtstrafe sowie der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB).
19
Hingegen gefährdet dieser Verfahrensfehler den Bestand der Verurteilung wegen der Waffendelikte nicht. Ein Einfluss des Verfahrensfehlers ist insoweit ausgeschlossen (vgl. u.a. Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 2 zu § 338), weil sich die Beweisaufnahme durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder bei der Vernehmung der Zeugin B. darauf nicht bezog (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2004 - 2 StR 436/03).
20
2. Die Rüge einer Verletzung von § 338 Nr. 6 StPO, § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG, der mit Wirkung vom 1. September 2013 durch Art. 2 StORMG (Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1805) neu gefasst wurde, hat ebenfalls Gewicht.
21
In der Hauptverhandlung, die am 4. November 2013 begann, wurde mehrfach durch Gerichtsbeschluss die Öffentlichkeit gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GVG ausgeschlossen.
22
a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO nicht gegeben. Denn diese Vorschrift ist bei unzulässiger Erweiterung der Öffentlichkeit nicht anwendbar (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68, BGHSt 23, 82, 85; 176, 178; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 583/06).
23
b) Es liegt aber ein Verstoß gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG vor, der zurzeit der Hauptverhandlung galt.
24
aa) Die Rüge ist in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Form erhoben. Ein Vortrag dazu, dass nach der Wiederherstellung der Öffentlichkeit tatsächlich auch Zuhörer den Verhandlungssaal betreten haben, würde die Anforderungen überspannen, zumal da diese Mitteilung nicht für den Nachweis des Rechtsfehlers notwendig ist, sondern allenfalls für die Frage der Prüfung eines Beruhens des Urteils auf dem Rechtsfehler von Belang sein könnte.
25
bb) Gemäß § 171b Abs. 5 GVG sind die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 (grundsätzlich) unanfechtbar. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen Entscheidungen nicht, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt sind (§ 336 Satz 2 StPO; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 583/06; BGH, Beschluss vom 31. August 1999 - 1 StR 410/99, BGH NJW 2007, 709).
26
Gleichwohl neigt der Senat im vorliegenden Fall dazu, in dem das Landgericht überhaupt keine Entscheidung getroffen, sondern nur der Vorsitzende (einige Verfahrensabschnitte vorher und deshalb zu diesem Zeitpunkt rechtsfehlerfrei , weshalb eine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO nicht zu verlangen ist) die Wiederherstellung der Öffentlichkeit angeordnet hat, die Anfechtbarkeit zu bejahen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das erkennende Gericht nach dem Gesetzeswortlaut ("ist die Öffentlichkeit auszuschließen") keinen Beurteilungsspielraum hatte. Einer Anfechtbarkeit durch den Angeklagten steht hier auch nicht entgegen, dass die Vorschrift in erster Linie dem Opferschutz geschuldet ist. Denn § 171b GVG dient insgesamt dem Schutz der Privatsphäre, auch des Angeklagten als Prozessbeteiligten.
27
Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem u.a. auch mehrmals die Öffentlichkeit auf Antrag des Angeklagten ausgeschlossen wurde, weil entsprechende Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen sollten.
28
Danach wird insoweit von einer Anfechtungsbefugnis des Angeklagten auszugehen sein. Ob der relative Revisionsgrund (§ 337 StPO) hier durchgreift oder ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf dieser Gesetzesverletzung beruht, kann der Senat offenlassen.
29
Hinsichtlich der Vergewaltigungen war das Urteil schon im Hinblick auf die unter 1. dargestellte Verfahrensrüge aufzuheben; die Verurteilung wegen der weiteren Delikte hat schon aus materiell-rechtlichen Gründen (nachfolgend 3.) keinen Bestand.
30
3. Der Schuldspruch wegen der verschiedenen Waffendelikte war aus sachlich-rechtlichen Gründen aufzuheben. Zutreffend führt der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. Mai 2014 dazu aus, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft insoweit von drei selbständigen Taten ausgegangen ist, statt insgesamt Tateinheit (§ 52 StGB) anzunehmen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14). Der beantragten Schuldspruchänderung durch den Senat steht hier § 265 StPO entgegen. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass sich der Angeklagte nach einem entsprechenden Hinweis anders als geschehen eingelassen und sich erfolgreicher verteidigt hätte.
31
Die zugehörigen Feststellungen können danach ebenfalls nicht bestehen bleiben.
32
Die Sache war daher insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
Raum Rothfuß Jäger
Mosbacher Fischer

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 1 2 / 1 4
vom
17. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2014 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 23. Dezember 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen , Sachbeschädigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und mit vorsätzlichem Besitz von Munition, Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätzlichem Besitz von Munition und wegen vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, mit vorsätzlichem Führen von zwei Schalldämpfern, mit vorsätzlichem Besitz von Munition sowie mit vorsätzlichem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Es hat weiter seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
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Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
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Sein Rechtsmittel ist in vollem Umfang begründet (§ 349 Abs. 4 StPO), weil sowohl ein Verfahrensfehler als auch ein materiell-rechtlicher Fehler vorliegt.
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1. Die Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO231b Abs. 1 StPO) hat Erfolg, weil die Hauptverhandlung (hier Einnahme eines Augenscheins ) in Abwesenheit des Angeklagten erfolgt ist.
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Durch Beschluss des Landgerichts wurde der Angeklagte gemäß § 177 GVG für die weitere Vernehmung der Zeugin B. am 15. November 2013 aus dem Sitzungszimmer entfernt, nachdem er zuvor mehreren sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden … nicht nachgekommen war …
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Nach Entfernung des Angeklagten machte die Zeugin weitere Angaben. Im Protokoll heißt es sodann: "Die von der Polizei gefertigten Lichtbilder der Wohnung der Geschädigten B. wurden in Augenschein genommen."
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Die Zeugin machte sodann weitere Angaben zur Sache. Der Angeklagte wurde über den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussage B. informiert (§§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO).
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Die Lichtbilder werden im Protokoll anschließend nicht mehr erwähnt.
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a) Die Rüge ist zulässig erhoben.
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Der Revisionsführer hat diesen Sachverhalt vollständig vorgetragen. Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO war es im vorliegenden Fall nicht erforderlich , die Lichtbilder im Einzelnen zu beschreiben, wenn dies auch im Einzelfall zur erforderlichen Klarstellung schon verlangt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - 1 StR 391/03). Dies war weder notwendig, um die Frage beantworten zu können, ob die Abwesenheit bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung stattfand, noch ob es sich nur um einen Vernehmungsbehelf handelte. Hier ergibt sich aus den auf die Sachrüge zugänglichen schriftlichen Urteilsgründen , dass die Lichtbilder für das erkennende Gericht wesentlich waren, denn sie werden bei der Beweiswürdigung dreimal angeführt (UA S. 20, 26, 27). Nicht wesentlich waren für das Gericht die Einzelheiten der Bilder, denn es ist nur von "Lichtbildern ihres Schlafzimmers", "Lichtbildern der Wohnung" und "Bildern ihrer Wohnung" die Rede. Näherer Vortrag war daher im vorliegenden Fall für die Beurteilung durch das Revisionsgericht entbehrlich (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2004 - 2 StR 436/03). Dies gilt auch für die Prüfung der Frage , ob lediglich von einem Vernehmungsbehelf auszugehen ist (vgl. hierzu auch nachfolgend 1b).
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b) Die Rüge ist auch begründet.
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Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO), dass während der Vernehmung der Zeugin B., bei der der Angeklagte nach § 177 GVG ausgeschlossen war, die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder durchgeführt wurde. Nach den Gesamtumständen ist hier davon auszugehen, dass es sich um einen förmlichen Augenschein gehandelt hat und die Lichtbilder nicht lediglich als Vernehmungsbehelf eingesetzt worden sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - 5 StR 477/02).
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Die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlaufe einer Zeugenvernehmung hätte keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 4 StR 529/13 mwN).
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Der Wortlaut des Protokolls ist eindeutig: Die Bilder wurden "in Augenschein genommen". Auf die Einschätzung des Sitzungsstaatsanwalts in seiner Gegenerklärung, wo nach seiner Erinnerung die Lichtbilder "als Hilfe dienten, die Angaben des Zeugen B. betreffend ihrer Wohnverhältnisse nachvollziehen zu können", kommt es danach nicht an.
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Den Urteilsgründen lässt sich auch nicht entnehmen, dass kein förmlicher Augenschein erfolgt ist. Denn dort heißt es: "Dieses Geschehen konnte B. anhand von in Augenschein genommenen Lichtbildern …" (UA S. 20) und "beruhen u.a. … auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Wohnung von B." (UA S. 26). Umstände, die die Beweiskraft des Urteils in Zweifel ziehen könnten (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2002 - 1 StR 270/02), liegen danach nicht vor.
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Eine gegebenenfalls zulässige Protokollberichtigung ist nicht erfolgt.
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Danach ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vorgenommen und auch nicht in seiner Anwesenheit wiederholt worden (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 - 3 StR 163/07). Dass der Angeklagte hier nicht nach § 247 StPO sondern nach § 177 GVG entfernt wurde, ist für die Beurteilung des Verstoßes ohne Bedeutung. Es liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor, weil ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 4 StR 529/13), ohne dass dies durch den Entfernungsbeschluss gedeckt war; denn die Augenscheinnahme gehörte nicht zur Vernehmung (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 57. Aufl. Rn. 7 und 20 ff. zu § 247 StPO). Es stand auch nicht zu befürchten (vgl. § 231b Abs. 1 StPO), dass der Angeklagte bei nachträglicher Inaugenscheinnahme der Lichtbilder (bei seiner Unterrichtung gemäß §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO) den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde.
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c) Der dargestellte Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen den beiden Vergewaltigungsfällen, bei denen sich das Landgericht ausdrücklich auf die Lichtbilder gestützt hat, und der Gesamtstrafe sowie der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB).
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Hingegen gefährdet dieser Verfahrensfehler den Bestand der Verurteilung wegen der Waffendelikte nicht. Ein Einfluss des Verfahrensfehlers ist insoweit ausgeschlossen (vgl. u.a. Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 2 zu § 338), weil sich die Beweisaufnahme durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder bei der Vernehmung der Zeugin B. darauf nicht bezog (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2004 - 2 StR 436/03).
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2. Die Rüge einer Verletzung von § 338 Nr. 6 StPO, § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG, der mit Wirkung vom 1. September 2013 durch Art. 2 StORMG (Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1805) neu gefasst wurde, hat ebenfalls Gewicht.
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In der Hauptverhandlung, die am 4. November 2013 begann, wurde mehrfach durch Gerichtsbeschluss die Öffentlichkeit gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GVG ausgeschlossen.
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a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO nicht gegeben. Denn diese Vorschrift ist bei unzulässiger Erweiterung der Öffentlichkeit nicht anwendbar (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68, BGHSt 23, 82, 85; 176, 178; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 583/06).
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b) Es liegt aber ein Verstoß gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG vor, der zurzeit der Hauptverhandlung galt.
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aa) Die Rüge ist in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Form erhoben. Ein Vortrag dazu, dass nach der Wiederherstellung der Öffentlichkeit tatsächlich auch Zuhörer den Verhandlungssaal betreten haben, würde die Anforderungen überspannen, zumal da diese Mitteilung nicht für den Nachweis des Rechtsfehlers notwendig ist, sondern allenfalls für die Frage der Prüfung eines Beruhens des Urteils auf dem Rechtsfehler von Belang sein könnte.
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bb) Gemäß § 171b Abs. 5 GVG sind die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 (grundsätzlich) unanfechtbar. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen Entscheidungen nicht, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt sind (§ 336 Satz 2 StPO; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 583/06; BGH, Beschluss vom 31. August 1999 - 1 StR 410/99, BGH NJW 2007, 709).
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Gleichwohl neigt der Senat im vorliegenden Fall dazu, in dem das Landgericht überhaupt keine Entscheidung getroffen, sondern nur der Vorsitzende (einige Verfahrensabschnitte vorher und deshalb zu diesem Zeitpunkt rechtsfehlerfrei , weshalb eine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO nicht zu verlangen ist) die Wiederherstellung der Öffentlichkeit angeordnet hat, die Anfechtbarkeit zu bejahen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das erkennende Gericht nach dem Gesetzeswortlaut ("ist die Öffentlichkeit auszuschließen") keinen Beurteilungsspielraum hatte. Einer Anfechtbarkeit durch den Angeklagten steht hier auch nicht entgegen, dass die Vorschrift in erster Linie dem Opferschutz geschuldet ist. Denn § 171b GVG dient insgesamt dem Schutz der Privatsphäre, auch des Angeklagten als Prozessbeteiligten.
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Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem u.a. auch mehrmals die Öffentlichkeit auf Antrag des Angeklagten ausgeschlossen wurde, weil entsprechende Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen sollten.
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Danach wird insoweit von einer Anfechtungsbefugnis des Angeklagten auszugehen sein. Ob der relative Revisionsgrund (§ 337 StPO) hier durchgreift oder ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf dieser Gesetzesverletzung beruht, kann der Senat offenlassen.
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Hinsichtlich der Vergewaltigungen war das Urteil schon im Hinblick auf die unter 1. dargestellte Verfahrensrüge aufzuheben; die Verurteilung wegen der weiteren Delikte hat schon aus materiell-rechtlichen Gründen (nachfolgend 3.) keinen Bestand.
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3. Der Schuldspruch wegen der verschiedenen Waffendelikte war aus sachlich-rechtlichen Gründen aufzuheben. Zutreffend führt der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. Mai 2014 dazu aus, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft insoweit von drei selbständigen Taten ausgegangen ist, statt insgesamt Tateinheit (§ 52 StGB) anzunehmen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14). Der beantragten Schuldspruchänderung durch den Senat steht hier § 265 StPO entgegen. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass sich der Angeklagte nach einem entsprechenden Hinweis anders als geschehen eingelassen und sich erfolgreicher verteidigt hätte.
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Die zugehörigen Feststellungen können danach ebenfalls nicht bestehen bleiben.
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Die Sache war daher insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
Raum Rothfuß Jäger
Mosbacher Fischer

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.