Bundesfinanzhof Urteil, 11. Aug. 2011 - V R 50/09

bei uns veröffentlicht am11.08.2011

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Personengesellschaft, handelte mit PKW und lieferte diese in den Streitjahren 2000 bis 2003 insbesondere nach Italien. Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin waren S.R. und P.R.

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Als "Käufer" der Fahrzeuge traten mehrere in Italien ansässige "Gebietsimporteure" auf, die die PKW an unterschiedliche gleichfalls in Italien ansässige "Autohäuser" verkauften.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen an die Gebietsimporteure steuerfrei seien. Im Hinblick auf diese Lieferungen wurden die beiden Geschäftsführer der Klägerin vom zuständigen Landgericht (LG) wegen Umsatzsteuerhinterziehung im Inland zu jeweils zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt, da Abnehmer der Lieferungen nicht die Gebietsimporteure, sondern die Autohäuser gewesen seien. Das LG begründete sein Urteil insbesondere mit einem von den beiden Geschäftsführern abgelegten Geständnis: "Die beiden Angeklagten haben in der Hauptverhandlung ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt. Sie haben anhand von zahlreichen ihnen aus den Ermittlungsakten vorgehaltenen Urkunden und Schriftstücken ausführlich, detailliert und glaubhaft dargelegt, wie sie gegen Ende des Jahres 1999 in Kontakt zum Inhaber des italienischen Autohauses 'R...' kamen, wie dieser sie in die in Italien offensichtlich weitverbreiteten illegalen Geschäftspraktiken einführte, ihnen W.E. als Scheinabnehmer vorstellte und wie sie im weiteren Verlauf --vor allem mit W.E. als Kontaktmann und Scheinabnehmer-- zu weiteren Autohäusern in Kontakt kamen und auch bei Verkäufen an diese jeweils W.E. bzw. andere ihnen von ihren Geschäftspartnern vorgegebene Personen oder Firmen als Scheinabnehmer in ihre Ausgangsrechnungen aufnahmen. Ihnen sei immer klar gewesen, so die Angeklagten weiter, dass es vor allem um eine Steuerhinterziehung in Italien ging und dass die Autohäuser auf einem den Angeklagten nicht im Einzelnen bekannten Wege fingierte inneritalienische Rechnungen erhielten. Tatsächlich wurden einzelne solcher fingierter Rechnungen [...] bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der Angeklagten auch aufgefunden."

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Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte diese Verurteilung mit Urteil vom 12. Mai 2005  5 StR 36/05 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2005, 546), da mit einer inhaltlich falschen Angabe eines Abnehmers der Nachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht geführt werde und daher die Voraussetzungen für eine steuerfreie Lieferung im vorliegenden Fall nicht vorlägen. Weiter stützte der BGH sein Urteil darauf, dass angesichts der in der Hauptverhandlung abgelegten umfassenden Geständnisse der Angeklagten, die sie anhand von Urkunden und Schriftstücken erläutert hätten, es keiner weiteren tatsächlichen Feststellung in den Urteilsgründen bedürfe. Insbesondere habe das LG ausdrücklich festgestellt, dass die Angeklagten eingeräumt hätten, ihnen sei auch klar gewesen, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Lieferungen nach Italien nicht vorgelegen hätten und ihre diese Umsätze betreffenden Steuererklärungen und Voranmeldungen insoweit falsch gewesen seien.

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Mit den Umsatzsteuerbescheiden 2000 bis 2002 vom 22. März 2004 und den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden Januar bis Juli 2003 vom 31. März 2004 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre 2000 bis 2003 entsprechend höher fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zwar seien die Fahrzeuge tatsächlich nach Italien verbracht worden. Die Lieferungen seien jedoch steuerpflichtig, da sich die Klägerin mit ihren Lieferungen an Warenumsätzen ihrer Abnehmer beteiligt habe, die auf Steuerhinterziehung angelegt gewesen seien. Die Klägerin habe mit ihren italienischen Abnehmern kollusiv zusammengewirkt, um Lieferungen an Zwischenhändler vorzutäuschen und dadurch die tatsächlichen Abnehmer zu verdecken. Sie habe einen Zwischenerwerb der Gebietsimporteure fingiert und durch entsprechende Rechnungsstellung vorgetäuscht, die PKW an diese zu liefern. Dabei stützte sich das FG auf die Feststellungen des LG im Strafverfahren. Danach sei den Geschäftsführern der Klägerin bewusst gewesen, dass die Autohäuser als wirkliche Abnehmer der Klägerin die Erwerbsumsatzsteuer dadurch umgingen, dass sie sich von den Gebietsimporteuren Rechnungen über Inlandslieferungen in Italien mit Ausweis italienischer Umsatzsteuer ausstellen ließen. Die Beteiligung der Klägerin an einer Mehrwertsteuerhinterziehung in Italien ergebe sich aus einer Zusammenschau der von der Klägerin vorgelegten, zweifelsfrei falschen Übernahme- und Beförderungserklärungen der angeblichen Abholer, den von der Klägerin gelöschten, aber wieder lesbar gemachten Daten, (Kauf-)Angeboten der Klägerin sowie den Annahmeerklärungen der objektiv wahren Abnehmer, der Tatsache, dass weitaus die überwiegende Zahl der Fälle Bargeldgeschäfte seien, bestätigt durch die Akquisition von Kunden auf der zweiten Händlerstufe, um dann angeblich Verträge mit Kunden auf der ersten Händlerstufe abzuschließen, sowie den bei den Durchsuchungen vorgefundenen weiteren Unterlagen, einschließlich der von der Gesellschafterin geführten Schwarzgeldliste. Die Einlassung der Klägerin, dass es sich bei den Angeboten an die "Kunden ihrer Gebietsimporteure" und deren Annahmeerklärungen lediglich um Werbeaktionen oder Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin, um die "Übermittlung von Daten" an die Kunden der "Gebietsimporteure" oder um "Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur" gehandelt habe, sei durch den objektiven Erklärungsinhalt der fraglichen Schriftstücke widerlegt worden. Es sei völlig unglaubwürdig, dass die Klägerin die Fahrzeuge an ihre angeblichen Kunden, die Gebietsimporteure, verkauft haben wolle, hierüber aber keinerlei Geschäftspapiere vorlegen könne, da diese Verkäufe ausschließlich mündlich oder telefonisch erfolgt seien. Weiter sei unerfindlich, wie diese Verkäufe angesichts der umfangreichen Beschreibungen der gehandelten PKW nach Motorisierung, Farben und Ausstattungen sowie 17-stelligen Fahrgestellnummern ohne jegliche Dokumentation praktikabel gehandhabt worden sein sollten.

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Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging am 24. Juli 2008 der Umsatzsteuerjahresbescheid 2003, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde. Einen Protokollberichtigungsantrag lehnte das FG ab.

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Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 673 veröffentlicht.

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Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Der unmittelbare Kontakt zum jeweiligen Autohaus sei dadurch zustande gekommen, dass entweder der Gebietsimporteur die Klägerin aufgefordert habe, ein Verkaufsangebot für einen bestimmten Fahrzeugtyp für ein Autohaus abzugeben, wobei die Klägerin dann unmittelbar in Verbindung zum Autohaus getreten sei, oder dass Autohäuser die Klägerin unmittelbar angesprochen hätten, oder dass die Klägerin selbst, aber mit Wissen und Billigung der Gebietsimporteure, Autohäuser auf die Liefermöglichkeit "marktlich stark nachgefragter" Fahrzeuge hingewiesen habe. Sie habe es dabei übernommen, den "Abgabepreis" des Gebietsimporteurs für den "Verkauf" an das Autohaus "vorzuverhandeln". Dieser Preis habe für den Gebietsimporteur einen Aufschlag enthalten, der sich prozentual nach dem Verkaufspreis der Klägerin gerichtet habe. Sie, die Klägerin, habe den Gebietsimporteuren somit "Akquisitionstätigkeit" und "Kalkulationsarbeit" abgenommen. P.R. habe die Fahrzeuge nach Italien verbracht, sie dort dem Gebietsimporteur übergeben und den Kaufpreis bar vereinnahmt.

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Die mit den Autohäusern geführten Preisverhandlungen hätten nicht zum Abschluss von Kaufverträgen zwischen ihr, der Klägerin, und den Autohäusern geführt. Die Autohäuser hätten auf einer "Geschäftsabwicklung" über die Gebietsimporteure bestanden und vertragliche Beziehungen nur zu den Gebietsimporteuren unterhalten wollen; die Gebietsimporteure hätten Wert auf ihren "Gebietsschutz" gelegt. Es hätten keine rechtsgeschäftlichen Scheinbeziehungen vorgelegen. Die Beteiligten hätten mit Rechtsbindungswillen Lieferbeziehungen auf zwei Handelsstufen gewollt. Die Gebietsimporteure seien zur Zahlung der Kaufpreise verpflichtet gewesen. Ihre Geschäftsführer hätten im Strafverfahren nie eingeräumt, Scheingeschäfte mit den Gebietsimporteuren abgeschlossen zu haben, die unmittelbare Lieferungen an die Autohäuser verdecken sollten. Bei den Preisen, die sie den Autohäusern angeboten habe, habe es sich nur um allgemeine, unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller gehandelt. Auch Barzahlungsgeschäfte erfolgten mit gesetzlichen Zahlungsmitteln und seien nicht anrüchig. Die beiderseitigen Leistungen hätten Zug um Zug erfolgen sollen. Sie habe sich über die Identität ihrer Geschäftspartner, der Gebietsimporteure, Gewissheit verschafft und sich deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummern bestätigen lassen. Diese hätten weiter versichert, ihren umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Gebietsimporteure seien an den einzelnen Ausstattungsmerkmalen der Fahrzeuge nicht interessiert gewesen.

11

Das FG habe nicht dargelegt, in welcher Weise der Steuerbetrug in Italien, an dem sie beteiligt gewesen sein soll, erfolgt sei. Im Übrigen lägen auch die objektiven Voraussetzungen der Steuerfreiheit vor. Die PKW seien den Gebietsimporteuren übergeben worden.

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Das FG habe weiter gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen und damit § 81 FGO verletzt. Der in Italien ansässige G, den die Klägerin als Zeugen benannt habe, hätte nach § 363 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) konsularisch vernommen werden müssen. Weiter habe das FG auch § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO verletzt. Das FG habe sich keine eigene Überzeugung gebildet, sondern das Urteil des LG wie eine präjudizielle Entscheidung behandelt. Die Verwertung eines Strafurteils im Urkundenbeweis sei nicht zulässig, da sie gegen dessen Feststellungen substantiierte Einwendungen mit Beweisanträgen erhoben habe. Ihr seien die Ausgangsrechnungen der Gebietsimporteure und die dort ausgewiesenen Bruttopreise nicht bekannt gewesen. Die italienische Strafverfolgungsbehörde habe die Anklage wegen Steuerbetrugs gegen die Geschäftsführer der Klägerin und die italienischen Beteiligten eingestellt, wie sich aus erst jetzt vorliegenden Unterlagen ergebe.

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Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 vom 22. März 2004 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 24. Juli 2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. April 2004 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2000 auf ./. 373.102,02 €, die Umsatzsteuer 2001 auf ./. 654.157,32 €, die Umsatzsteuer 2002 auf ./. 618.896,23 € und die Umsatzsteuer 2003 auf ./. 254.957,77 € festgesetzt wird,

hilfsweise, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Baden-Württemberg zurückzuverweisen und die Zuziehung des Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise ein Vorabentscheidungsersuchen zu folgender Frage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu richten: Ist ein Mitgliedstaat befugt, dem in seinem Hoheitsgebiet umsatzsteuerpflichtigen ansässigen Lieferanten die Umsatzsteuer-Befreiung für solche innergemeinschaftliche Lieferungen auch dann zu versagen, die tatsächlich an umsatzsteuerpflichtige Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates durchgeführt, indes wiederum an andere Unternehmen desselben in Rechnung gestellt wurden, wodurch die tatsächliche Lieferbeziehung zwischen Lieferant und Abnehmer verschleiert und die Erwerbsumsatzsteuer im anderen Mitgliedstaat umgangen werden konnte, jedoch die Strafverfolgungsbehörden des anderen Mitgliedstaates in Kenntnis dieses Sachverhalts ihrer Beurteilung zufolge mangels strafrechtlicher Relevanz desselben die aufgenommenen Ermittlungen gegen sämtliche Beteiligten wieder eingestellt haben.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Es liege weder ein Verfahrensfehler noch ein Verstoß gegen materielles Recht vor. Im Hinblick auf die Geständnisse komme es auf die Gründe, aus denen die Strafverfahren in Italien eingestellt worden seien, nicht an.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

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1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen von § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfrei.

18

a) Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

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Die Steuerfreiheit beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach sind steuerfrei "a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

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b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 durch Belege und buchmäßige Aufzeichnungen nachzuweisen. Dieser Beleg- und Buchnachweis beruht auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Danach legen die Mitgliedstaaten Bedingungen "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch" fest, wobei sie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 45). Der Unternehmer hat den Beweis für die Steuerfreiheit einschließlich der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Bedingungen zu erbringen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 46).

21

c) Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c), ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen verhindern (EuGH-Urteil vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 31).

22

Darüber hinaus ist die Lieferung auch steuerpflichtig, wenn --obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen-- der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 51 und Leitsatz; BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448 und vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.c).

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2. Die Klägerin ist nach diesen Grundsätzen nicht berechtigt, die Steuerfreiheit ihrer Lieferungen objektiv nachzuweisen, wie das FG zutreffend entschieden hat. Ihre Lieferungen sind aufgrund ihrer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung steuerpflichtig.

24

a) Der EuGH begründet in seinem Urteil R in UR 2011, 15 die Steuerpflicht trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung damit, dass die Vorlage von Scheinrechnungen oder die Übermittlung unrichtiger Angaben sowie sonstige Manipulationen die genaue Erhebung der Steuer verhindern und das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Das Ausstellen unrichtiger Rechnungen berechtigt dabei die Mitgliedstaaten aufgrund der ihnen nach dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten Befugnisse, die Steuerfreiheit zu versagen, wobei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Neutralität, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Steuerpflicht nicht entgegenstehen, wenn sich der Lieferer dadurch vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt, dass er die Identität des wahren Erwerbers verschleiert, um diesem zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 48 bis 55). Dementsprechend geht auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) davon aus, dass "die Steuerfreiheit jedenfalls nicht eingreift, wenn die Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat unterlaufen wird" (BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09, juris, unter C.I.1.b bb). Maßgeblich ist insoweit der zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung, die es nicht zulässt, die Steuerfreiheit nach § 6a UStG trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Abnehmers (Erwerbers) in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.).

25

b) Im Streitfall hat das FG die Steuerfreiheit der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen zu Recht verneint.

26

aa) Das FG stützt die Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen darauf, dass nicht die Gebietsimporteure, die die Klägerin nach ihren Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer geführt hat, sondern die Autohäuser Abnehmer ihrer Lieferungen waren. Hierfür hat das FG insbesondere die Angebote der Klägerin an die Autohäuser sowie deren Annahmeerklärungen, das Vorliegen von Bargeldgeschäften und die Akquisition von Kunden auf der zweiten Händlerstufe (Autohäuser), um dann angeblich Verträge mit Kunden auf der ersten Händlerstufe (Gebietsimporteure) abzuschließen, angeführt. Die Einlassung der Klägerin, dass es sich bei den Angeboten an die Autohäuser und deren Annahmeerklärungen lediglich um Werbeaktionen oder Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin oder um die "Übermittlung von Daten" an die Autohäuser oder um "Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur" gehandelt habe, sah das FG als durch den objektiven Erklärungsinhalt der nach ihrer Vernichtung durch die Klägerin wieder rekonstruierten Schriftstücke als widerlegt an. Das FG hielt es weiter für unglaubwürdig, dass die Klägerin die fraglichen Fahrzeuge an ihre angeblichen Kunden, die Gebietsimporteure, verkauft haben wolle, hierüber aber keinerlei Geschäftspapiere vorlägen. Es sei unerfindlich, wie diese Verkäufe angesichts der umfangreichen Beschreibungen der gehandelten Kfz nach Motorisierung, Farben und Ausstattungen sowie 17-stelligen Fahrgestellnummern ohne jegliche Dokumentation praktikabel gehandhabt worden sein sollten.

27

Die Feststellung, welcher Leistungsbeziehung die Verschaffung der Verfügungsmacht zuzurechnen ist, und mithin die Feststellung, ob Rechnungsempfänger und Leistungsempfänger identisch sind, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz und ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung. Der BFH kann solche Tatsachenwürdigungen nur daraufhin überprüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind und mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen im Einklang stehen. Ist das zu bejahen, so ist die Tatsachenwürdigung selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich wäre (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4. September 2003 V R 9, 10/02, BFHE 203, 389, BStBl II 2004, 627, unter II.3.).

28

Danach ist es im Streitfall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG entgegen der Belege und buchmäßigen Aufzeichnungen der Klägerin die Autohäuser und nicht die Gebietsimporteure als Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen angesehen hat und weiter die von der Klägerin behaupteten mündlichen Vertragsabschlüsse mit den Gebietsimporteuren nicht der Besteuerung zugrunde zu legen waren. Die Feststellungen des FG rechtfertigen insoweit die Annahme, dass es sich bei diesen Vertragsabschlüssen allenfalls um Scheingeschäfte i.S. von § 41 der Abgabenordnung (AO) handelte (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in 2011, 1451, jeweils unter II.2.b).

29

bb) Im Hinblick auf die Geständnisse der beiden Geschäftsführer im Strafverfahren bestehen auch keine revisionsrechtlichen Bedenken gegen das Urteil des FG, soweit es hieraus die vorsätzliche Beteiligung der Klägerin an einer Steuerhinterziehung in Italien abgeleitet hat. Daher kam es auch nicht auf die Verfahrenseinstellungen in Italien an.

30

cc) Die Klägerin hat in Bezug auf die Feststellungen des FG keine begründeten Verfahrensrügen vorgebracht.

31

(1) Das FG hat nicht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 81 FGO) verstoßen.

32

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, 308, BStBl II 1978, 311) ist es grundsätzlich zulässig, strafgerichtliche Feststellungen im finanzgerichtlichen Verfahren zu verwerten; allerdings dürfen Feststellungen, gegen die unter Beweisangebot substantiierte Einwendungen vorgebracht werden, nicht ohne eigene Beweisaufnahme (§ 76 Abs. 1, § 81 FGO) übernommen werden.

33

Diesen Grundsätzen entsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das FG seinem Urteil die in dem Strafurteil gegen die beiden Geschäftsführer der Klägerin enthaltenen Feststellungen zugrunde gelegt hat, aufgrund derer die Vereinbarungen der Klägerin mit den Gebietsimporteuren als Scheingeschäfte anzusehen sind, die die tatsächlich bestehenden Lieferbeziehungen zwischen der Klägerin und den Autohäusern verdecken sollten.

34

Die Feststellungen des Strafurteils des LG beruhten insbesondere auf dem Geständnis der Geschäftsführer der Klägerin und den --nach ihrer Vernichtung durch die Geschäftsführer der Klägerin-- wieder lesbar gemachten digitalen Geschäftsunterlagen. Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem Vorbringen der Klägerin vor dem FG ein Widerruf des Geständnisses liegt oder ob darin nur Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen des LG zu sehen sind. Denn mangels plausibler Darlegung von Gründen, aus denen sich die Unrichtigkeit der gegenüber dem LG gemachten Angaben ergibt, ist die im Kern lediglich abweichende Würdigung der unstrittig zwischen der Klägerin und den Autohäusern unmittelbar bestehenden Kontakte kein substantiierter Angriff gegen die Grundlagen des Strafurteils, durch das die Geschäftsführer der Klägerin wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt wurden. Daher ist die Einlassung der Klägerin im Verfahren vor dem FG nur als schlichtes Bestreiten zu werten, das nicht geeignet ist, Zweifel an den Tatsachenfeststellungen des LG aufkommen zu lassen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 1988 VII B 193/87, BFH/NV 1988, 722).

35

(2) Auch die Aufklärungsrüge der Klägerin hat keinen Erfolg.

36

(3) Nur solche Verfahrensfehler sind zu prüfen, die der Beteiligte innerhalb der Revisionsbegründungsfrist in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügenden Weise schlüssig gerügt hat (BFH-Urteile vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, m.w.N.; vom 5. Oktober 1999 VII R 25/98, BFH/NV 2000, 235).

37

Zur schlüssigen Darlegung bei verzichtbaren Verfahrensfehlern (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO) --hier die Rüge, das FG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch Nichtvernehmung von Zeugen bzw. der Klägerin verletzt-- gehört auch der Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz gerügt wurde, sofern sich die Rüge nicht schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2009 VI B 126/08, BFH/NV 2009, 1267; vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183; vom 16. Juli 2008 X B 202/07, BFH/NV 2008, 1681; vom 9. September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 103). Die bloße Behauptung, den Verfahrensmangel gerügt zu haben, genügt nicht; die Rüge muss aus dem Protokoll oder aus dem angefochtenen Urteil ersichtlich sein (BFH-Urteil vom 14. September 1993 VIII R 84/90, BFHE 174, 233, BStBl II 1994, 764). Darüber hinaus ist gegebenenfalls weiter vorzutragen, dass eine Protokollierung der Rüge verlangt und --im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen-- eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt worden sei (BFH-Beschlüsse vom 6. April 2006 XI S 21/05, BFH/NV 2006, 1330; vom 5. November 2004 VIII B 172/04, juris; vom 9. November 1999 II B 14/99, BFH/NV 2000, 582; vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562). Um diese Rüge vornehmen zu können, ist es Sache des jeweiligen Beteiligten, sich über den Inhalt des Protokolls zu informieren und von sich aus das Protokoll einzusehen.

38

Im Streitfall hat die Klägerin innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zwar behauptet, die Nichterhebung beantragter Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt zu haben. Dies ergibt sich aber weder aus dem Sitzungsprotokoll noch aus dem angefochtenen Urteil selbst. Dass sie eine Protokollierung der Rüge verlangt und --im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen-- eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt habe, hat sie nicht vorgetragen, vielmehr hat sie erst nach Erhalt der Ladung zu der --auf ihren Antrag nach § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO anberaumten-- mündlichen Verhandlung die Berichtigung des Protokolls beim FG beantragt. Über die Verfahrensrüge war danach nicht zu entscheiden.

39

Im Übrigen hat das FG den von der Klägerin gestellten Protokollberichtigungsantrag mit Beschluss vom 25. Juli 2011 abgelehnt.

40

(4) Soweit die von der Klägerin für erforderlich gehaltene Einvernahme des in Italien ansässigen Zeugen G unterblieben ist, liegt gleichfalls kein Verfahrensfehler vor.

41

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein im Ausland ansässiger Zeuge bei Auslandssachverhalten nicht von Amts wegen zu laden, sondern muss nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO in der mündlichen Verhandlung gestellt werden (BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 1998 I B 48/97, BFH/NV 1999, 506; vom 3. Dezember 1996 I B 8, 9/96, BFH/NV 1997, 580). Dies ist im Streitfall nicht erfolgt. Da insoweit die Klägerin ihrer erhöhten Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO nicht nachgekommen ist, durfte das FG ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) würdigen. Ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen eines Beweisantrags liegt nicht vor (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 506).

42

Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Vernehmung eines Zeugen im Ausland prozessrechtlich zulässig ist (§ 155 FGO i.V.m. §§ 363, 364 ZPO). Hieraus folgt nicht, dass eine Vernehmung im Ausland bei Nichtverfügbarkeit eines Zeugen ohne weiteres geboten ist. Das FG muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob es von dieser Möglichkeit Gebrauch machen oder von einer solchen Vorgehensweise Abstand nehmen will (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 506). Diese Prüfung hat das FG vorgenommen und hat hierzu im Urteil ausgeführt, dass, da es entscheidend auf den persönlichen Eindruck und die Glaubwürdigkeit des G angekommen wäre, eine konsularische Vernehmung nicht in Betracht zu ziehen sei. Dies lässt Ermessensfehler nicht erkennen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juni 2006 VIII B 185/05, juris).

43

(5) Schließlich liegt auch insoweit kein Verfahrensfehler vor, als das FG in seinem Urteil auf das Protokoll zur Hauptverhandlung vor dem LG Bezug genommen hat, da diesem gegenüber dem der Klägerin und ihren Geschäftsführern bekannten Urteil des LG keine eigenständige Bedeutung zukommt, die Klägerin gegen die Feststellungen des LG keine substantiierten Einwendungen erhoben hat und das FG die Einlassungen der Klägerin für nicht glaubhaft hielt.

44

3. Im Hinblick auf die strafrechtlichen Geständnisse der beiden Geschäftsführer der Klägerin kam es auf das von der Klägerin angeregte Vorabentscheidungsersuchen nicht an.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Zivilprozessordnung - ZPO | § 295 Verfahrensrügen


(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verha

Abgabenordnung - AO 1977 | § 90 Mitwirkungspflichten der Beteiligten


(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen un

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 68


Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbeh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 160 Inhalt des Protokolls


(1) Das Protokoll enthält 1. den Ort und den Tag der Verhandlung;2. die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers;3. die Bezeichnung des Rechtsstreits;4. die Namen der erschienenen Parteien, Neben

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 6a Innergemeinschaftliche Lieferung


(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebi

Abgabenordnung - AO 1977 | § 41 Unwirksame Rechtsgeschäfte


(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90a


(1) Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. (2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Hat das Finanzgeri

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 94


Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung entsprechend.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 81


(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen. (2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 363 Beweisaufnahme im Ausland


(1) Für die Durchführung der Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (

Zivilprozessordnung - ZPO | § 364 Parteimitwirkung bei Beweisaufnahme im Ausland


(1) Wird eine ausländische Behörde ersucht, den Beweis aufzunehmen, so kann das Gericht anordnen, dass der Beweisführer das Ersuchungsschreiben zu besorgen und die Erledigung des Ersuchens zu betreiben habe. (2) Das Gericht kann sich auf die Anor

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Okt. 2016 - 1 StR 210/16

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 210/16 vom 12. Oktober 2016 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2016:121016B1STR210.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Genera

Referenzen

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
UStG § 4 Nr. 1 lit. b; § 6a Abs. 3
Das Fehlen eines Nachweises einer innergemeinschaftlichen
Lieferung führt jedenfalls dann nicht zu einer Steuerbefreiung
, wenn dadurch das Steueraufkommen in einem
anderen Mitgliedstaat der EU gefährdet wird.
BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 36/05
LG Stuttgart –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 10. und 12. Mai 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Häger
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger für die Angeklagte S R ,
Rechtsanwalt Ro
als Verteidiger für den Angeklagten P R ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 12. Mai 2005 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten S R und P R sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. September 2004 werden verworfen.
Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel, die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten S und P R wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die hiergegen gerichteten, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben ebenso ohne Erfolg wie die zum Nachteil der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft , die sich gegen die jeweiligen Rechtsfolgenaussprüche wenden.

I.


Nach den Feststellungen betrieben die beiden Angeklagten seit Beginn des Jahres 2000 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Kraftfahrzeughandel. Sie erwarben im Inland gegen Rechnung mit offen ausgewiese-
ner Umsatzsteuer hochwertige Personenkraftwagen, die sie sodann an ihre gewerblich tätigen Kunden in Italien verkauften. Ihre Ausgangsrechnungen stellten sie – in Absprache mit ihren Abnehmern – auf italienische Scheinkäufer aus, damit die in Italien anfallende Erwerbsumsatzsteuer verkürzt werden konnte.
In ihren eigenen monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen bis Juli 2003 und den Umsatzsteuerjahreserklärungen für 2000 bis 2002 erklärten die Angeklagten die entsprechenden Umsätze als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne von § 4 Nr. 1 lit. b, § 6a UStG. Die ihnen bei Ankauf der PKW in Rechnung gestellte Umsatzsteuer machten sie jeweils als Vorsteuer geltend und verkürzten auf diese Weise Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt rund 1,7 Millionen €.

II.


Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.
1. Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.

a) Angesichts der in der Hauptverhandlung abgelegten umfassenden Geständnisse der Angeklagten, die sie anhand von Urkunden und Schriftstücken erläutert haben, bedurfte es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen in den Urteilsgründen. Insbesondere hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, daß die Angeklagten eingeräumt haben, ihnen sei „vor diesem Hintergrund auch klar gewesen, daß die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Lieferungen nach Italien nicht vorlagen und ihre diese Umsätze betreffenden Steuererklärungen und Voranmeldungen insoweit falsch waren“. Auch die Berechungsgrundlagen für den Hinterziehungsschaden sind im Urteil ausreichend dargetan.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht den festgestellten Sachverhalt als gemeinschaftlich begangene Steuerhinterziehung in zehn Fällen gewürdigt.
aa) Ohne Rechtsverstoß hat der Tatrichter wegen der unzutreffenden Angaben der Angeklagten über die Empfänger der nach Italien verkauften Fahrzeuge keine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG angenommen, die zur Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 lit. b UStG geführt hätte. Für die Steuerbefreiung der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG erforderlich, daß die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nachgewiesen sind. Dies muß durch entsprechende Belege buchmäßig leicht nachzuprüfen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV). Zu den unabdingbaren Anforderungen, die nach der ständigen Rechtsprechung der Bundesfinanzhofs materiellrechtliche Voraussetzungen der Steuerbefreiung sind, zählen nach § 17c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UStDV auch der buchmäßige Nachweis des wirklichen Abnehmers und dessen richtige Umsatzsteueridentifikationsnummer (BFH/NV 2004, 988, 989). Macht der Steuerpflichtige insoweit unzutreffende Angaben über den Abnehmer , ist schon allein deshalb keine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung gegeben (vgl. BFHE 199, 80, 83 f.; BFH/NV 2004, 988, 989).
bb) Mit der inhaltlich falschen Angabe des Abnehmers ist der Nachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht geführt. Damit liegen die Voraussetzungen für eine steuerfreie Lieferung im vorliegenden Fall nicht vor. Es kann daher dahinstehen, ob die Lieferung der Fahrzeuge nach ihrem materiellen Gehalt die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllen könnte.
(1) Die hier zu beurteilende Fallkonstellation unterscheidet sich dabei ganz wesentlich von der Sachverhaltsgestaltung, die dem Bundesfinanzhof Anlaß gegeben hat, durch Beschluß vom 10. Februar 2005 (DStR 2005, 646) dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 Abs. 3 EGV die Fragen vorzu-
legen, ob – erstens – die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die zweifelsfrei vorliegt, allein mit der Begründung versagen darf, der Steuerpflichtige habe den dafür vorgeschriebenen Buchnachweis nicht rechtzeitig geführt, und es – zweitens – hierbei darauf ankommt, ob der Steuerpflichtige zunächst bewußt das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung verschleiert hat.
(2) Die dort für die Vorlage maßgebliche Frage war, inwieweit aus Gründen der Verhältnismäßigkeit allein der fehlende Nachweis nach § 4 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG der Steuerbefreiung entgegenstehen dürfe. Dabei war aber entscheidend, daß das Gesamtgeschäft an sich steuerehrlich aufgebaut war, weil lediglich aus Gründen des Gebietsschutzes formal ein Strohmann zwischengeschaltet wurde. Im vorliegenden Fall hingegen waren die falschen Angaben über den Abnehmer gerade darauf gerichtet, dem tatsächlichen Abnehmer eine Besteuerung der angekauften Fahrzeuge zu ersparen. Die insoweit unzutreffenden Angaben sollten den tatsächlichen Abnehmer verdecken und ihm so ermöglichen, die von ihm geschuldete Erwerbsumsatzsteuer hinterziehen zu können.
Entgegen der Auffassung der Verteidigung wird damit den Angeklagten nicht der Vorwurf einer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung in Italien gemacht, weshalb auch dahinstehen kann, ob eine Hinterziehung italienischer Umsatzsteuer nach § 370 Abs. 6 AO in Deutschland strafbar und von der Anklage im hiesigen Verfahren überhaupt umfaßt ist. Ein Bezug zur italienischen Umsatzsteuer entsteht im vorliegenden Fall allein dadurch, daß eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in Deutschland nur dann vorliegt, wenn die tatsächliche Lieferung nach Italien ordnungsgemäß belegt ist. Die Nachweispflichten schützen nämlich nicht nur das Umsatzsteueraufkommen des Mitgliedstaats, aus dem ausgeführt wird, sondern auch das Umsatzsteueraufkommen des Mitgliedstaats, in den eingeführt wird. Durch entsprechende gemäß § 18a UStG im Inland gesammelte Mitteilungen ist aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 des Rates vom
27. Januar 1992 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung (ABl. EG Nr. L 24 S. 1) eine Kontrollmöglichkeit geschaffen worden, die den italienischen Finanzbehörden die Durchsetzung der Umsatzsteuerpflicht bei innergemeinschaftlichen Lieferungen gegenüber dem Abnehmer erleichtert (vgl. FG Rheinland-Pfalz DStRE 2005, 212, 213). Dies ist erforderlich, weil nur so die durch den dritten Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. EG Nr. L 145 S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) geforderte Neutralität des gemeinsamen Umsatzsteuersystems gewahrt werden kann, denn anderenfalls hätten Abnehmer in ihrem Staat durch faktisch umsatzsteuerfreie Fahrzeuge erhebliche Wettbewerbsvorteile. Insoweit dient die Nachweispflicht – neben der Sicherung des Umsatzsteueraufkommens in dem anderen Mitgliedstaat – auch der Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf den nationalen Teilmärkten des gemeinsamen Marktes. Deshalb soll der Lieferant jedenfalls dann nicht in den Genuß der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 lit. b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG kommen, wenn er seine steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, weil dann auch die Besteuerung in dem anderen Mitgliedstaat nicht gesichert ist. Dem Schutzgut der (umsatzsteuerneutralen ) gleichen Wettbewerbschancen entspricht es, den Lieferanten jedenfalls dann zu belasten, wenn die Besteuerung des Abnehmers durch einen unzureichenden buchmäßigen Nachweis gefährdet erscheint.
cc) Vor diesem Hintergrund sind auch die Verhältnismäßigkeitsüberlegungen zu sehen, die den Bundesfinanzhof im Anschluß an eine Entscheidung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2003 (ÖStZB 2004, S. 547) zu der Vorlage an den Europäischen Gerichtshof veranlaßt haben. In den dort entschiedenen Fällen stand die ordnungsgemäße Besteuerung der materiell innergemeinschaftlichen Lieferung – ungeachtet der Mängel in der Nachweisführung – nicht in Frage. Dagegen war im hier zu beurteilenden Fall der Fehler in den buchmäßigen Aufzeich-
nungen beabsichtigt und das Mittel, eine den innergemeinschaftlichen Wettbewerb verzerrende Steuerverkürzung im Mitgliedstaat des Abnehmers herbeizuführen. Es besteht deshalb kein Anlaß für die hier zu beurteilende Fallkonstellation von dem Grundsatz abzuweichen, daß ein in der Falschbezeichnung des Abnehmers liegendes Fehlen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht zur Steuerbefreiung führt. Die Bestimmungen in Art. 28c Abschnitt A und B der Sechsten Richtlinie geben den Mitgliedstaaten ausdrücklich auf, Regelungen zu treffen, die der Verhütung von Steuerhinterziehungen dienen. Die Nachweispflichten des nationalen Umsatzsteuerrechts füllen diesen Regelungszweck aus. Da sich eine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens innerhalb der Europäischen Gemeinschaft tatsächlich auch realisiert hat, besteht im Hinblick auf den auch gemeinschaftsrechtlich zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kein Raum für eine einschränkende Auslegung der Nachweispflichten für innergemeinschaftliche Lieferungen. Insoweit ist die Rechtslage eindeutig. Deshalb scheidet eine – von der Verteidigung hilfsweise beantragte – Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 Abs. 3 EGV aus, weil keine klärungsbedürftige Rechtsfrage vorliegt.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind ebenfal ls unbegründet.
Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil der Angeklagten auf, der das Revisionsgericht nötigen könnte, die rechtsfehlerfrei begründeten, wenngleich milden Strafen zu beanstanden. Der Generalbundesanwalt , der die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht vertritt, hat in seinem Terminsantrag im einzelnen zutreffend darauf hingewiesen, daß
die Rechtsfolgenaussprüche sich insgesamt im Rahmen des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums halten.
Häger Gerhardt Raum Brause Schaal

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

(1) Für die Durchführung der Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme) (ABl. L 405 vom 2.12.2020, S. 1) in ihrer jeweils geltenden Fassung gelten die §§ 1072 und 1073. Soweit die Verordnung (EU) 2020/1783 für die Beweisaufnahme im Ausland nicht maßgeblich ist, gelten hierfür die Absätze 2 und 3.

(2) Die Beweisaufnahme im Ausland ist nach denjenigen völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen, die im Verhältnis zu dem jeweiligen Staat gelten. Das Ersuchen zur Durchführung der Beweisaufnahme im Ausland ist von dem Vorsitzenden des Prozessgerichts zu stellen. Sieht eine völkerrechtliche Vereinbarung mehrere Wege zur Aufnahme von Beweisen vor, soll die Beweisaufnahme nur dann durch einen deutschen Konsularbeamten erfolgen, wenn ihre Erledigung durch die Behörden des ausländischen Staates nicht oder nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten ist oder ein sonstiger begründeter Ausnahmefall vorliegt.

(3) Bestehen keine völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Beweisaufnahme im Ausland, ersucht der Vorsitzende des Prozessgerichts die Behörden des ausländischen Staates um Aufnahme des Beweises. Ist eine Beweisaufnahme durch diese nicht oder nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten oder liegt sonst ein begründeter Ausnahmefall vor, so kann der Vorsitzende des Prozessgerichts deutsche Konsularbeamte um Aufnahme des Beweises ersuchen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien aus. Abnehmer waren die italienischen Firmen RR, RY und ET, bei denen es sich jeweils um Kapitalgesellschaften italienischen Rechts handelte. RR und RY wurden bei den Vertragsschlüssen mit dem Kläger von S vertreten, die im Inland in P wohnte und der sie jeweils Generalvollmacht erteilt hatten. S überwies den Kaufpreis jeweils über inländische Bankkonten, die sie für zwei der Firmen eingerichtet hatte.

2

Mit Schreiben vom 10. November 2003 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und vom 6. Februar 2004 an das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte die italienische Staatsanwaltschaft mit, dass RR, RY und ET bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Geschäfte der drei Firmen seien von S und D geführt worden. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in Italien ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst. Die von RR, RY und ET erworbenen Fahrzeuge seien von diesen an andere Abnehmer verkauft worden und direkt aus Deutschland zu diesen Abnehmern verbracht worden.

3

Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 11. August 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 11. Oktober 2005. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erfolgte eine nochmalige Änderung für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 31. Juli 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. In der mündlichen Verhandlung sagte das FA zu, die Bescheide für beide Streitjahre in zwei Einzelpunkten zu ändern. Das FG stützte die Klagestattgabe darauf, es sei nicht zweifelhaft, dass RR, RY und ET Vertragspartner und Abnehmer der Lieferungen seien. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erteilten Bestätigungen. Der Kläger habe auch den Buchnachweis geführt. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich nach Italien verbracht worden.

5

Für die Lieferungen an RR und RY, bei denen Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgt seien, liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

6

Der Nachweis des Bestimmungsorts ergebe sich darüber hinaus aus den in den Rechnungen ausgewiesenen Anschriften der RR, RY und ET. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Es habe sich um Lieferungen im Rahmen normaler Handelsgeschäfte gehandelt. Der Kläger habe nicht an einer Vermeidung der Erwerbsbesteuerung durch seine Abnehmer mitgewirkt. In den Beförderungsfällen hätten Versicherungen vorgelegen, die Fahrzeuge nach Italien zu befördern. Soweit in einzelnen Fällen Name und Anschrift des Abholers nicht ausreichend vermerkt oder nicht lesbar sei, stehe dies der Steuerfreiheit nicht entgegen. Steuerfrei sei auch eine Ausfuhrlieferung an PA nach San Marino.

7

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1537 veröffentlicht.

8

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die CMR-Frachtbriefe seien nicht als Versendungsbelege anzuerkennen. Zwar komme es nicht auf die Bestätigung des Warenerhalts in Feld 24 durch den Empfänger an. Frachtführer und Absender müssten aber den Frachtbrief wie im Formular vorgesehen unterschreiben. Erst aufgrund der Unterschrift des Frachtführers komme dem Frachtbrief Beweiswirkung zu. Soweit in den CMR-Frachtbriefen der inländische Ort P oder nur Italien als Bestimmungsort genannt werde, reiche dies nicht aus. Der Rechnungsanschrift könne dann keine Bedeutung beigemessen werden. Es fehlten auch Angaben zu den Fahrzeugidentifikationsnummern und den Ausfertigungsdaten. In den Abholfällen lägen keine Belegangaben vor. Das FG habe insoweit unter Missachtung der Beweislastverteilung entschieden, dass die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien. Bei den Lieferungen an ET seien die Fahrzeuge von dem im Inland ansässigen G abgeholt worden, ohne dass hinreichende Belegangaben zu dessen Namen und Anschrift vorgelegen hätten. Der nachträglichen Verbringungsbestätigung, die mit unbekannter Unterschrift versehen sei, komme keine Beweiswirkung zu. Soweit das FG allgemein davon ausgegangen sei, dass die Lieferungen aufgrund der objektiven Beweislage steuerfrei seien, sei nicht erkennbar, auf welche Umstände sich das FG dabei stütze. Soweit die Belegnachweise mangelhaft seien, komme entgegen dem FG-Urteil auch kein Vertrauensschutz in Betracht.

9

Das FA beantragt,

das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als das FG Lieferungen in Höhe von 38.567,28 € in 2001 und in Höhe von 288.240 € in 2002 als steuerfrei anerkannt hat und diese als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen.

10

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet abzuweisen.

11

Er sei seinen Nachweispflichten nachgekommen. Dass italienische Ermittlungsbehörden im Nachhinein die aufgezeichneten Abnehmer als wirtschaftlich nicht existent bezeichneten, reiche zur Versagung der Steuerfreiheit nicht aus. RR und RY seien zivilrechtlich seine Vertragspartner gewesen. Sie seien wirksam durch S aufgrund ihrer Generalvollmacht verpflichtet worden. Er habe sich hinsichtlich der CMR-Frachtbriefe entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch als Versender ansehen dürfen. Er habe auch qualifizierte Bestätigungsabfragen hinsichtlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern seiner Abnehmer vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit seien auch objektiv erfüllt. Wie den Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, seien die Fahrzeuge nicht direkt zu den Abnehmern RR, RY und ET, sondern im Rahmen von Reihengeschäften zu deren Abnehmern gelangt. Dies zeige, dass RR, RY und ET die Fahrzeuge zuvor innergemeinschaftlich erworben hätten. Welche Anforderungen an den Objektivnachweis der Steuerfreiheit zu stellen seien, obliege der tatrichterlichen Würdigung. Das FA wende sich nur gegen die Beweiswürdigung des FG.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist im Umfang des Revisionsantrags begründet. Das Urteil des FG ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

13

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

14

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

15

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

16

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

17

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

18

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

19

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

20

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

21

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

22

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 UStDV verletzt.

23

a) Soweit im Streitfall Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgten, hat das FG zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

24

Nach dem Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3. muss ein CMR-Frachtbrief nicht die dort in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthalten, um als Versendungsbeleg i.S. von § 17a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV anerkannt zu werden. Der Senat hat dies insbesondere auf einen Vergleich mit den Angaben gestützt, die bei der Erstellung einer steuerrechtlichen Versandbestätigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c aa). Dementsprechend sind CMR-Frachtbriefe umsatzsteuerrechtlich als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

25

Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36; ebenso Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf dem Versendungsbeleg verzichtet.

26

b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

27

So enthalten die vom FG in Bezug genommenen CMR-Frachtbriefe vom 12. September 2002 und vom 17. Januar 2002 (Bl. 40 und 41 der Beweismittelakte) entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e UStDV keine Angaben zum Auslieferungsort, während ein weiterer CMR-Frachtbrief entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag enthält und darüber hinaus als Auslieferungsort P im Inland angibt (CMR ohne Datum, Bl. 70 der Beweismittelakte).

28

Soweit die Fahrzeuge durch Frachtführer mit CMR-Frachtbriefen versendet wurden, genügt somit nur der am 27. Februar 2002 ausgefertigte CMR-Frachtbrief (Bl. 39 der Beweismittelakte) den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV. Er weist S als Absender, RY als Empfänger, den Ort S.L. in Italien sowie die beförderten Gegenstände als "7 Stück Mercedes A 170", weiter gekennzeichnet mit einer jeweils sechsstelligen Zahlenkombination, aus.

29

c) Auch in den Beförderungsfällen bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, so dass entgegen dem FG-Urteil kein hinreichender Belegnachweis vorliegt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts nach dem Senatsurteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03 (BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c) aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Letzteres erscheint aber im Hinblick auf das Vorliegen von Reihengeschäften, von dem die italienischen Behörden ausgehen, zweifelhaft.

30

d) Liegen somit die Voraussetzungen des Belegnachweises nicht vor oder bestehen an den Belegangaben zumindest begründete Zweifel, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Feststellungen das FG davon ausgegangen ist, dass nach objektiver Beweislage zweifelsfrei feststehen soll, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (s. oben II.2.). Ob sich dies für die einzelnen Lieferungen aus den allgemeinen Mitteilungen der italienischen Behörden ergibt, die sich pauschal auf "tausende von Kraftfahrzeugen" (Beweismittelakte Bl. 2) durch eine Vielzahl deutscher Lieferanten (Beweismittelakte Bl. 10 f.) beziehen, ist nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Fahrzeuge in Italien --oder im Fall der Lieferung nach San Marino-- in San Marino zugelassen wurden.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

32

a) Gegen die Würdigung des FG, dass RR, RY und ET Abnehmer der Lieferungen waren, bestehen revisionsrechtlich jedenfalls keine Bedenken, soweit diese --was nach den Feststellungen des FG nicht eindeutig ist-- von S vertreten wurden.

33

Im Streitfall waren nach den zwischen dem Kläger und S als bevollmächtigte Vertreter für RR und RY abgeschlossenen Verträgen, die den Lieferungen zugrunde lagen (s. oben II.2.b), RR und RY Abnehmer. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen dem Kläger und S als Vertreter abgeschlossenen Verträge Scheingeschäfte waren (§ 41 Abs. 2 AO), die andere Rechtsgeschäfte des Klägers mit den Kunden der RR und RY verdecken sollten. Dies scheitert bereits daran, dass dem Kläger diese Kunden nicht bekannt waren.

34

b) Sollten RR, RY und ET entsprechend der Mitteilung der italienischen Staatsanwaltschaft die Fahrzeuge an andere Abnehmer weiterverkauft haben, wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

35

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Kommt es bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, kann nach der Rechtsprechung des EuGH die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 1).

36

Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, handelt er weiter dabei unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer mit einem LKW und Fahrer des Zweiterwerbers ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen, so dass der Erstlieferer die innergemeinschaftliche Lieferung ausführt (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 15 und 35). Weder die Beteiligung des Zweiterwerbers an der Beförderung noch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des Ersterwerbers führen zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 41 f.). Danach kann es sich im Streitfall bei den Lieferungen des Klägers auch dann um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt haben, wenn die Fahrzeuge nicht zu seinen Abnehmern, die dann als Zwischenhändler anzusehen wären, sondern zu den Abnehmern der Zwischenhändler befördert oder versendet wurden.

37

c) Soweit das FG im zweiten Rechtgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, wozu auch Angaben zur Identität und Anschrift des Abholers gehören (Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1), die Beleg- und Buchangaben aber z.B. hinsichtlich des Bestimmungsorts der Lieferungen inhaltlich unzutreffend sind (s. oben II.3.b und c) und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist (s. oben II.2.c), kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. War z.B. für den Kläger auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar, dass Reihengeschäfte vorliegen und die gelieferten Fahrzeuge entgegen den Angaben seiner Abnehmer nicht zum Unternehmensort der Abnehmer befördert oder versendet werden sollten, kann Vertrauensschutz zu gewähren sein.

38

Einer Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG stehen dann auch nicht die Grundsätze des EuGH-Urteils R in UR 2011, 15 entgegen. Zwar ist danach auch eine tatsächlich stattgefundene innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig, wenn der Lieferer "die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz). An einer derartigen Verschleierung fehlt es aber, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns davon ausgehen durfte, dass seine Vertragspartner auch die "wirklichen" Abnehmer sind und für ihn das Vorliegen eines Reihengeschäfts nicht erkennbar ist (s. oben II.4.a).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.

(2) Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Das Protokoll enthält

1.
den Ort und den Tag der Verhandlung;
2.
die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers;
3.
die Bezeichnung des Rechtsstreits;
4.
die Namen der erschienenen Parteien, Nebenintervenienten, Vertreter, Bevollmächtigten, Beistände, Zeugen und Sachverständigen und im Falle des § 128a den Ort, von dem aus sie an der Verhandlung teilnehmen;
5.
die Angabe, dass öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.

(2) Die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung sind aufzunehmen.

(3) Im Protokoll sind festzustellen

1.
Anerkenntnis, Anspruchsverzicht und Vergleich;
2.
die Anträge;
3.
Geständnis und Erklärung über einen Antrag auf Parteivernehmung sowie sonstige Erklärungen, wenn ihre Feststellung vorgeschrieben ist;
4.
die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Parteien; bei einer wiederholten Vernehmung braucht die Aussage nur insoweit in das Protokoll aufgenommen zu werden, als sie von der früheren abweicht;
5.
das Ergebnis eines Augenscheins;
6.
die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts;
7.
die Verkündung der Entscheidungen;
8.
die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels;
9.
der Verzicht auf Rechtsmittel;
10.
das Ergebnis der Güteverhandlung.

(4) Die Beteiligten können beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Das Gericht kann von der Aufnahme absehen, wenn es auf die Feststellung des Vorgangs oder der Äußerung nicht ankommt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar; er ist in das Protokoll aufzunehmen.

(5) Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, die dem Protokoll als Anlage beigefügt und in ihm als solche bezeichnet ist.

Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Das Protokoll enthält

1.
den Ort und den Tag der Verhandlung;
2.
die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers;
3.
die Bezeichnung des Rechtsstreits;
4.
die Namen der erschienenen Parteien, Nebenintervenienten, Vertreter, Bevollmächtigten, Beistände, Zeugen und Sachverständigen und im Falle des § 128a den Ort, von dem aus sie an der Verhandlung teilnehmen;
5.
die Angabe, dass öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.

(2) Die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung sind aufzunehmen.

(3) Im Protokoll sind festzustellen

1.
Anerkenntnis, Anspruchsverzicht und Vergleich;
2.
die Anträge;
3.
Geständnis und Erklärung über einen Antrag auf Parteivernehmung sowie sonstige Erklärungen, wenn ihre Feststellung vorgeschrieben ist;
4.
die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Parteien; bei einer wiederholten Vernehmung braucht die Aussage nur insoweit in das Protokoll aufgenommen zu werden, als sie von der früheren abweicht;
5.
das Ergebnis eines Augenscheins;
6.
die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts;
7.
die Verkündung der Entscheidungen;
8.
die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels;
9.
der Verzicht auf Rechtsmittel;
10.
das Ergebnis der Güteverhandlung.

(4) Die Beteiligten können beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Das Gericht kann von der Aufnahme absehen, wenn es auf die Feststellung des Vorgangs oder der Äußerung nicht ankommt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar; er ist in das Protokoll aufzunehmen.

(5) Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, die dem Protokoll als Anlage beigefügt und in ihm als solche bezeichnet ist.

(1) Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Hat das Finanzgericht in dem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen, können sie auch Revision einlegen. Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.

(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.

(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Für die Durchführung der Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme) (ABl. L 405 vom 2.12.2020, S. 1) in ihrer jeweils geltenden Fassung gelten die §§ 1072 und 1073. Soweit die Verordnung (EU) 2020/1783 für die Beweisaufnahme im Ausland nicht maßgeblich ist, gelten hierfür die Absätze 2 und 3.

(2) Die Beweisaufnahme im Ausland ist nach denjenigen völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen, die im Verhältnis zu dem jeweiligen Staat gelten. Das Ersuchen zur Durchführung der Beweisaufnahme im Ausland ist von dem Vorsitzenden des Prozessgerichts zu stellen. Sieht eine völkerrechtliche Vereinbarung mehrere Wege zur Aufnahme von Beweisen vor, soll die Beweisaufnahme nur dann durch einen deutschen Konsularbeamten erfolgen, wenn ihre Erledigung durch die Behörden des ausländischen Staates nicht oder nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten ist oder ein sonstiger begründeter Ausnahmefall vorliegt.

(3) Bestehen keine völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Beweisaufnahme im Ausland, ersucht der Vorsitzende des Prozessgerichts die Behörden des ausländischen Staates um Aufnahme des Beweises. Ist eine Beweisaufnahme durch diese nicht oder nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten oder liegt sonst ein begründeter Ausnahmefall vor, so kann der Vorsitzende des Prozessgerichts deutsche Konsularbeamte um Aufnahme des Beweises ersuchen.

(1) Wird eine ausländische Behörde ersucht, den Beweis aufzunehmen, so kann das Gericht anordnen, dass der Beweisführer das Ersuchungsschreiben zu besorgen und die Erledigung des Ersuchens zu betreiben habe.

(2) Das Gericht kann sich auf die Anordnung beschränken, dass der Beweisführer eine den Gesetzen des fremden Staates entsprechende öffentliche Urkunde über die Beweisaufnahme beizubringen habe.

(3) In beiden Fällen ist in dem Beweisbeschluss eine Frist zu bestimmen, binnen der von dem Beweisführer die Urkunde auf der Geschäftsstelle niederzulegen ist. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist kann die Urkunde nur benutzt werden, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird.

(4) Der Beweisführer hat den Gegner, wenn möglich, von dem Ort und der Zeit der Beweisaufnahme so zeitig in Kenntnis zu setzen, dass dieser seine Rechte in geeigneter Weise wahrzunehmen vermag. Ist die Benachrichtigung unterblieben, so hat das Gericht zu ermessen, ob und inwieweit der Beweisführer zur Benutzung der Beweisverhandlung berechtigt ist.