Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. März 2017 - 3 ZB 16.921
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.
Der Bundesminister der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle kann einem Soldaten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Ausübung des Dienstes verbieten. Das Verbot erlischt, sofern nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Soldaten ein gerichtliches Disziplinarverfahren, ein Strafverfahren oder ein Entlassungsverfahren eingeleitet ist.
Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.
Tenor
Der Bescheid der Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Der am 00.00.0000 geborene Kläger steht als Studienrat (Besoldungsgruppe A 13 ÜBesO NRW) im Dienst des beklagten Landes und war zunächst beim Stadtgymnasium E. eingesetzt. Nach seiner zwischenzeitlichen Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit war er zuletzt am Weiterbildungskolleg der Stadt V. , Abendrealschule und ‑gymnasium, tätig.
2Der Kläger wurde am 00.00.0000 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat ernannt. Er besitzt die Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch, Politik und Pädagogik.
3Am 00.00.0000 nahm der Kläger an einer Kundgebung der Partei „Pro NRW“ in L. teil und äußerte sich in diesem Rahmen in einer öffentlichen Rede zu dem Thema Islamismus. Dabei brachte er zum Ausdruck, dass er Lehrer sei und sich als bekennender Homosexueller durch den Islamismus bedroht fühle. Daraufhin untersagte die Bezirksregierung B. dem Kläger mit Verfügung vom 00.00.0000 mit sofortiger Wirkung – und unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung – die Führung der Dienstgeschäfte und das Betreten des Stadtgymnasiums in E. einschließlich der Kontaktaufnahme zu Schülerinnen und Schülern.
4Den hiergegen gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (1 L 574/13) gab das erkennende Gericht mit Beschluss vom 26. Juni 2013 statt. Die gegen diese Entscheidung zunächst gerichtete Beschwerde zum OVG NRW (6 B 809/13) nahm der Beklagte später zurück. Auf die ebenfalls vom Kläger erhobene Klage zum erkennenden Gericht (1 K 3328/12) hin wurde der Bescheid der Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 mit Urteil vom 26. Juni 2013 aufgehoben. Den insoweit gestellten Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung wies das OVG NRW mit Beschluss vom 12. September 2013 (6 A 1789/13) zurück.
5Mit Verfügung der Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 wurde die Probezeit des Klägers um ein Jahr bis zum 00.00.0000 verlängert. Auch hiergegen erhob der Kläger Klage zum erkennenden Gericht (1 K 3816/13).
6Außerdem wurde von der Bezirksregierung B. aufgrund des Verdachts eines Dienstvergehens unter anderem wegen des Auftritts bei der Kundgebung von „Pro NRW“ ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger eingeleitet. Gegen diese Disziplinarverfügung richtete der Kläger eine Klage zum Verwaltungsgericht Münster (13 K 3135/13.O), welches die Disziplinarverfügung mit Urteil vom 13. Mai 2014 aufhob.
7Mit Wirkung ab dem 00.00.0000 wurde der Kläger – mit seinem Einverständnis – durch Verfügung der Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 an das Weiterbildungskolleg V. versetzt.
8Am 00.00.0000 wurde der Kläger in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen.
9Mit Schreiben an die Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 beantragte der Kläger, schnellstmöglich aus dem Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung wegversetzt zu werden. Zur Begründung führt er aus, dass sich die Bezirksregierung, wie in rechtskräftigen Gerichtsurteilen festgestellt, ihm gegenüber seit 00.00.0000 durch mehrere eklatante Fehlentscheidungen gravierend schuldig gemacht habe. Insbesondere sei die Fürsorgepflicht ihm gegenüber eklatant verletzt und erheblich in seine Grundrechte eingegriffen worden. Auch habe ihn der Dienstherr durch rechtswidrige Androhungen daran gehindert, seine persönliche Integrität als Lehrer gegen verleumderische Vorwürfe der sexuellen Belästigung zu verteidigen. Sein Vertrauen in die Bezirksregierung B. sei irreversibel beschädigt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich.
10Im Rahmen eines diesbezüglichen Anhörungsgespräches am 00.00.0000 in den Räumlichkeiten der Bezirksregierung B. wurde dem Kläger mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinem Versetzungswunsch zu entsprechen. Der Kläger führte aus, dass er eine Namensänderung beim Landrat des Kreises V. vornehmen lasse und in L. ausschließlich unter seinem neuen Namen C. (früher: L1. ) vorgestellt werden wolle, um Anfeindungen, denen er zuweilen im Netz und in sozialen Netzwerken ausgesetzt sei, zukünftig zu entgehen.
11Mit Verfügung der Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 wurde der Kläger auf seinen Antrag hin aus persönlichen Gründen mit Wirkung vom 00.00.0000 an das L. -Kolleg, Weiterbildungskolleg der Stadt L. versetzt. Gleichzeitig wurde der Kläger für die Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 in vollem Stundenumfang von 22 Wochenstunden dorthin abgeordnet.
12In der Sendung U1. „Nationalsozialismus – Thema Auschwitz vermitteln“, die am 00.00.0000 um 00.00. Uhr auf X. gesendet wurde, äußerte sich der Kläger im Rahmen eines Telefonanrufs in folgender Weise:
13„Ich selber bin ja auch Lehrer, Gymnasiallehrer, und privat bin ich ein großer Freund des Staates Israel und ein Freund des Judentums, bin auch bekennend Homosexuell, also gehöre auch zu den klassischen Opfern im Grunde des Nationalsozialismus.
14Trotzdem muss ich sagen, dass Auschwitz mich als Kind wenig berührt hat emotional und heute nervt es mich wirklich, wie stark das auch in der Schule im Lehrplan steht und wie übermäßig Schüler, zumindest am Gymnasium auch, damit genervt werden meines Erachtens. Natürlich machen die Schüler brav mit in der Schule, aber hinter vorgehaltener Hand erlebe ich doch, dass Schüler auch wirklich sagen ‚es reicht langsam. Wir kriegen das jedes Jahr wirklich viel zu oft dahergebraten und müssen da und da wieder einen Ausflug machen, wieder eine Gedenkstätte besuchen‘ und ich finde..."
15[Moderatorin unterbricht: Welche Fächer unterrichten Sie kurz, Herr L1. ? Welche Fächer unterrichten Sie?]
16„Ähm… Deutsch, Politik und Pädagogik.“
17[Moderatorin: Das heißt, Sie sind auch einer der vermittelnden Lehrer?]
18„Ja, Geschichtslehrer sicherlich noch viel mehr, ja… ähm… also was ich persönlich meine ist, dass Auschwitz uns eigentlich… ähm… daran hindert, wachsam zu sein. Wir haben so große Probleme heutzutage mit dem Islamismus, dem IS-Terrorismus, mit allen möglichen Arten von Terrorismus und ich… ähm… weiß auch wirklich, dass die Juden heutzutage in meinem Freundeskreis Angst haben vor radikalen Muslimen, weil deren Antisemitismus viel viel größer ist als jeder andere Antisemitismus in Deutschland und das wird einfach nicht thematisiert, weil wir einfach einen Stock im Arsch haben, meines Erachtens in Deutschland und immer denken, dass wenn Gefahr ist, die zuallererst von rechts kommt. Und natürlich ist auch Gefahr von rechts da, selbstverständlich ist das der Fall. Aber meines Erachtens… ähm… ist die Gefühlswelt der jungen Menschen heute eine andere, nämlich dass radikale Muslime unsere Werte bedrohen, die Gleichberechtigung der Frau, die Gleichberechtigung von Homosexuellen und, wie gesagt, auch von Juden und… ähm… das ist eine Fehlgewichtung…“
19[Moderatorin unterbricht: Das heißt, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?]
20„Also, mich persönlich… ähm… interessiert Auschwitz privat überhaupt nicht mehr. Ich… ähm… beschäftige mich lieber mit dem IS-Terrorismus, mit Islamismus, mit… Ähm… mir geht sogar emotional die Massentierhaltung viel näher als Auschwitz. Alle 6 Millionen, … ähm… alle 20 Minuten sterben 6 Millionen Tiere, das geht mir emotional viel näher. Und die jungen Menschen, ist egal, ob es Vegetarier sind, sehen das auch so… (?)“
21[Moderatorin wirft in die Äußerungen ein: Also das ist mir ein bisschen krass, ehrlich gesagt.]
22„Ja, das ist Ihre Wertung. Man muss die Wertung der Leute, auch von jungen Menschen, ernst nehmen. Das ist Ihre Wertung. Ich respektiere auch die Wertung aller Anrufer. (?)“
23[Moderatorin bricht ab und leitet zum nächsten Gesprächspartner über.]
24In einem Anhörungsgespräch am 00.00.0000 bei der Bezirksregierung B. unter Beteiligung eines Personalratsmitglieds wurde dem Kläger mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihm die Führung der Dienstgeschäfte anlässlich seiner Äußerungen in der Sendung bei X. am 00.00.0000 in Bezug auf den Holocaust zu verbieten; gleichzeitig wurde ihm – unter Belehrung über sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen – Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Daraufhin erklärte der Kläger, dass er sich erst hierzu äußern wolle, wenn ihm eine schriftliche Begründung für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vorläge. Sodann sprach Frau S. G. im Namen des Beklagten mündlich ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aus, da aufgrund der von dem Kläger getätigten Äußerungen bei X. , insbesondere wegen der Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Massentierhaltung und dem Holocaust, ein Verstoß gegen seine Wohlverhaltenspflicht vermutet werde. Die weitere Begründung dieses mündlich erteilten Verwaltungsakts werde ihm binnen einer Woche gegeben. Damit erklärte sich der Kläger einverstanden. Weiterhin wurde ihm von Frau S. G. im Namen des Beklagten verboten, ab sofort das L. -Kolleg zu betreten. Der Kläger antwortete, dass ihn dies bereits aus einem vorherigen Verbot bekannt sei und er sich daran halten werde. Schließlich wurde klargestellt, dass es sich hierbei nicht um eine Disziplinarmaßnahme handele.
25In dem anschließend ergangenen Bescheid der Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 wurde dem Kläger mit sofortiger Wirkung sowie unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 39 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) aus zwingenden dienstlichen Gründen bis auf weiteres die Führung seiner Dienstgeschäfte verboten und ihm zugleich bis auf weiteres untersagt, das L. -Kolleg zu betreten oder mit den Schülerinnen und Schülern Kontakt aufzunehmen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Kläger dienstlich nicht vertretbar sei und schwerwiegende Nachteile für den Dienstherrn sowie für die Öffentlichkeit zu befürchten seien, die nicht anders abgewendet werden könnten. Es lägen hinreichende und begründete Anhaltspunkte dafür vor, dass er ein Dienstvergehen von schwerwiegender Art begangen habe, indem er in der Sendung U. am 00.00.0000 auf X. in seinen Äußerungen eine vergleichende Betrachtung der Massentierhaltung und des nationalsozialistischen Massenmords in Auschwitz getätigt und damit den Holocaust verharmlost habe. Das durch diese Äußerungen in der Öffentlichkeit praktizierte Verhalten erfordere vor einer abschließenden Prüfung zwingend die Verhinderung der weiteren Dienstausübung, da durch den in der Öffentlichkeit aufgekommenen Verdacht einer Straftat bzw. eines Dienstvergehens das Vertrauen in die dienstliche Tätigkeit des Klägers als Lehrer insgesamt in Frage gestellt sei. Dabei hätten Beamtinnen und Beamte ihre Aufgaben unparteiisch sowie gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Sie müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Dies schließe die Vermeidung eines durch eigenes Verhalten in vorhersehbarer und zurechenbarer Weise gesetzten Anscheins ein, sich mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut zu identifizieren. Hierfür genüge jede Form des Relativierens des Völkermordes oder Bagatellisierens seines Unrechtsgehalts. Durch seine Aussage, welche die während des NS-Regimes verfolgten Personenkreise und die ihnen gegenüber begangenen Straftaten, insbesondere die systematische Judenvernichtung, auf eine Stufe mit Tieren in der Massentierhaltung und den dortigen Vorgehensweisen stelle, habe der Kläger eine Wertung vorgenommen, die ein Herunterspielen und Verharmlosen des Holocausts darstelle. Dies komme einer Relativierung des menschenverachtenden Massenmordes in einer „geschmacklosen" Art und Weise gleich und untergrabe die Grundlagen der demokratischen Staatsordnung. Eine derartige Äußerung stünde zugleich in unmittelbarem Widerspruch zu seiner Lehrtätigkeit im Fach Politik und werde dem Umstand nicht gerecht, dass sich Beamte gemäß § 34 BeamtStG mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen hätten. Im Gegenteil ließen die getätigten Äußerungen auf eine unzumutbare charakterliche Grundeinstellung sowie eine tiefe Missachtung der dem Beamten auferlegten Pflicht zur Verfassungstreue schließen. Schon wegen seiner Tätigkeit als Politiklehrer hätte ihm bewusst gewesen sein müssen, welchen Stellenwert der 70. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung habe. Dies sei geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, weil die konkrete Eignung zu bejahen sei, das psychische Klima aufzuhetzen; dabei genüge die Verhetzung eines aufnahmebereiten Publikums. Da es sich bei der Radiosendung auf X. um eine Live-Sendung gehandelt habe, sei ein nahezu unbegrenzter Personenkreis für die Äußerungen erreichbar gewesen. Ferner seien die Äußerungen im Widerspruch zur beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht geeignet, das Ansehen des öffentlichen Dienstes, insbesondere der Lehrerschaft in Nordrhein -Westfalen, massiv und nachhaltig zu schädigen. Ein innerdienstliches Verhalten sei gegeben, da er sich bei X. als Gymnasiallehrer und als Politiklehrer des Landes Nordrhein-Westfalen am Standort V. vorgestellt habe. Im Interesse des Ansehens der öffentlichen Verwaltung sowie im Interesse des Schutzes der Schülerinnen und Schüler könne eine weitere Ausübung des Dienstes nicht verantwortet werden. Insbesondere dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, die öffentliche Verwaltung dulde in ihren Reihen menschenverachtende Äußerungen dieser Art. Zudem bestünde vorliegend die Gefahr, dass der Kläger eine Relativierung des Holocausts durch die wiederholte Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Massentierhaltung und der menschenverachtenden Ermordung von Juden auch in seinem Politikunterricht vornehme und damit das beamtenrechtliche Neutralitätsgebot missachte. Gleichzeitig liege aufgrund seiner Äußerungen, dass das Thema in den Lehrplänen einen zu großen Raum einnehme und er sich lieber mit Themen wie Islamismus und Terrorismus beschäftigen würde, die Vermutung nahe, dass er dem Thema im Rahmen seines Unterrichts nicht den entsprechenden Raum einräumen und so dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule hinreichend Beachtung schenken werde. Im Rahmen des Ermessens sei das Individualinteresse des Klägers an der weiteren Ausübung seines Amtes mit den Belangen des Gemeinwohls in Form des Interesses der Öffentlichkeit am Schutz des Ansehens des Beamtentums, insbesondere der Lehrerschaft in Nordrhein-Westfalen, abgewogen und letzterem der Vorrang eingeräumt worden. Dabei habe man berücksichtigt, dass der Kläger sich im Nachgang der Äußerungen von diesen weder distanziert noch diese relativiert habe. Die sofortige Wirksamkeit des Verbots durch Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung sei erforderlich, um der drohenden Wiederholungsgefahr im Unterricht Rechnung zu tragen.
26Im Rahmen eines weiteren Dienstgesprächs bei der Bezirksregierung L. wurde dem Kläger am 00.00.0000 eröffnet, dass unabhängig vom Ausgang der laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein Einsatz als Lehrer am Weiterbildungskolleg L. im Interesse des Schulfriedens wie auch in seinem persönlichen Interesse faktisch nicht mehr möglich sei. Denn sein Radiobeitrag und die nachfolgende Presseberichterstattung hätten dazu geführt, dass von Seiten des Lehrerkollegiums, der Elternschaft wie auch des Personalrates eine positive Integration seiner Person in das ansonsten sehr integrationsbereite Kollegium nicht mehr möglich sei. Der Kläger konnte diese Analyse nachvollziehen und war damit einverstanden, nicht dort eingesetzt zu werden. Daraufhin wurden weitere potentielle Einsatzmöglichkeiten nach Abschluss der gerichtlichen Verfahren erörtert: Der Kläger lehnte einen weiteren Einsatz im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung B. aus den Gründen seines Versetzungsantrages ab. Ihm wurde mitgeteilt, dass die Bezirksregierung L. sowie die Bezirksregierung E1. aufgrund fehlenden Bedarfs aktuell keine Einsatzmöglichkeit an einem Weiterbildungskolleg in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich erkennen könnten.
27Mit Schreiben vom 00.00.0000 berichtete die Leiterin des L. -Kollegs der Bezirksregierung L. von dem am 00.00.0000 stattgefundenen pädagogischen Tag in der Jugendherberge L. -S1. , zu dem auch der Kläger eingeladen war, um sich vor seinem Dienstantritt am 00.00.0000 einen ersten Einblick zu verschaffen. Nachdem sie den Kläger dem Kollegium vorgestellt habe, habe dieser auf dringende Anfrage der Bezirksregierung B. die Veranstaltung unverzüglich verlassen und sich noch am gleichen Tag in B. einfinden müssen. Daraufhin habe der Kläger unter den Blicken des gesamten Kollegiums den Raum verlassen. Später habe ihr ein Lehrer mitgeteilt, dass er den Kläger schon vorher einmal persönlich bei einer Veranstaltung erlebt und nun wieder erkannt habe. Außerdem hätten andere Lehrerinnen und Lehrer und sogar der Hausmeister am Abend zuvor Fernsehberichte über die Äußerungen des Klägers im X. -Programm gesehen und sich zwischenzeitlich im Internet entsprechend informiert, weshalb nun allgemein bekannt sei, dass es sich bei dem Kläger um den wegen seiner Äußerungen zum Holocaust vorläufig suspendierten Lehrer handele. Sie als Schulleiterin könne nachdrücklich versichern, dass ihr normalerweise sehr integrationsbereites und tolerantes Kollegium sich mit allen Kräften wehren und öffentlich dagegen verwahren würde, wenn der Kläger an das L. -Kolleg kommen sollte.
28Mit Bescheid vom 00.00.0000 widerrief die Bezirksregierung B. gegenüber dem Kläger ihre Abordnungs- und Versetzungsverfügung an das L. -Kolleg vom 00.00.0000 gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Später hob die Bezirksregierung B. diesen Bescheid mit einem weiteren Bescheid vom 00.00.0000 mangels vorheriger Personalratsbeteiligung auf und erließ gleichzeitig nach Mitzeichnung der Gleichstellungsbeauftragten am 00.00.0000 und Zustimmung des örtlichen Personalrats am 00.00.0000 einen neuen, inhaltlich gleichlautenden Bescheid, mit dem die Abordnungs- und Versetzungsverfügung des Klägers an das L. -Kolleg widerrufen wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Abordnung und Versetzung widerrufen würden, weil man aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt gewesen wäre, die entsprechenden Verfügungen nicht zu erlassen, und weil ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Das von dem Kläger am 00.00.0000 geführte Radiointerview auf X. habe zu einer hohen medialen Aufmerksamkeit und in der Folge dazu geführt, dass seine Identität unter seinem neuen Namen, entgegen seiner mit dem Versetzungsantrag ursprünglich verbundenen Intention, landesweit bekannt geworden sei. Aufgrund dessen sei nach Angaben der Schulleiterin des L. -Kollegs eine erhebliche Unruhe im dortigen Kollegium entstanden; in Folge der Presseberichterstattung bestünden nun Widerstände im Kollegium gegen die Integration seiner Person, zumal seine „Vorgeschichte" nun auch allen Studierenden bekannt geworden sei. Dadurch sei der Schulfrieden vor Ort in erheblicher Weise gestört und wäre im Falle seines Verbleibs an der Schule nachhaltig gefährdet. Darüber hinaus sei der Widerruf der Verfügungen auch zur Verhinderung eines drohenden Schadens für Individualrechtsgüter erforderlich, namentlich um eine Gefährdung des Persönlichkeitsrechts des Klägers sowie möglicherweise weitere Folgen für seine Gesundheit aufgrund fortdauernder Bedrohungen und Anfeindungen auch an der neuen Schule zu vermeiden. Sein persönliches Interesse an einem „Neuanfang", der aufgrund der Vorfälle nun nicht mehr im gewünschten Maße stattfinden könne, müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung des Schulfriedens sowie an einer ordnungsgemäßen Unterrichtsteilung zurücktreten, zumal er die zu der Aufhebung führenden Gründe selbst herbeigeführt habe. Infolge der Aufhebung sei er nunmehr formal dem Weiterbildungskolleg V. zugewiesen, während sein Versetzungsantrag wieder auflebe; über diesen werde in Abhängigkeit von dem Ausgang der laufenden Verwaltungsstreitverfahren sowie der aktuellen Bedarfssituation entschieden. Ein Einsatz am Weiterbildungskolleg V. sei nicht vorgesehen.
29Mit Datum vom 00.00.0000 stellte die Bezirksregierung B. aufgrund der Äußerungen des Klägers in der Radiosendung Strafanzeige mit der Bitte um rechtliche Überprüfung. Durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Köln vom 19. April 2015 (121 Js 363/15) wurde sodann die Absicht mitgeteilt, das Verfahren gemäß § 170 der Strafprozessordnung einzustellen – die endgültige Einstellung erfolgte im 00.00.00. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Straftat, insbesondere eine Volksverhetzung im Sinne von § 130 des Strafgesetzbuches, nicht vorliege. Dabei, dass der Kläger im Rahmen der Telefondiskussion angegeben habe, dass ihn persönlich Auschwitz nicht mehr interessiere und ihm die Massentierhaltung sowie der Tod von sechs Millionen Tieren emotional viel näher gingen, handele es sich nur um die persönliche Meinung des Klägers, die von seiner Meinungsfreiheit gedeckt sei. Für das Tatbestandsmerkmal des Verharmlosens sei hingegen ein ausdrückliches quantitatives oder qualifiziertes Bagatellisieren von Art, Ausmaß, Folgen und Wertwidrigkeit einzelner oder der Gesamtheit nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen erforderlich.
30Bereits mit Bescheid vom 00.00.0000, dem Kläger zugestellt am 00.00.0000, leitete die Bezirksregierung B. gegen den Kläger wegen des Verdachts, ein Dienstvergehen begangen zu haben, ein Disziplinarverfahren ein. Zur Begründung wurde vorrangig auf seine Äußerungen in der Radiosendung bei X. Bezug genommen, darüber hinaus aber ebenfalls auf weitere Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen seiner Unterrichtstätigkeit: Dazu zählten insbesondere der Besuch einer Shisha-Bar während der Unterrichtszeit, nicht erteilter Unterricht am 00.00.00, 00.00.0000 und 00.00.0000 sowie das Verhalten des Klägers gegenüber Schülerinnen und Schülern bzw. Kolleginnen und Kollegen. Überdies wurden ihm mangelnde Professionalität und sein Verhalten am pädagogischen Tag 2015 vorgeworfen. Im Rahmen des Disziplinarverfahrens wurden im 00.00.0000 zahlreiche Zeugen vernommen. Aufgrund der dortigen Erkenntnisse wurde das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 00.00.0000 um den Pflichtverstoß ergänzt, es unterlassen zu haben, die Bezirksregierung B. zeitnah über die Aberkennung seines Doktortitels in Kenntnis gesetzt zu haben.
31Der Kläger hat bereits am 00.00.0000 gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt (1 L 217/15). Letzteren nahm der Kläger mit Schriftsatz an das erkennende Gericht vom 10. März 2015 zurück, woraufhin das Verfahren mit Beschluss vom 11. März 2015 eingestellt wurde.
32Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass sowohl das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als auch das ausgesprochene Hausverbot rechtswidrig seien. Für die formelle Rechtswidrigkeit des Hausverbots nehme er Bezug auf die Entscheidungen des erkennenden Gerichts und des OVG NRW in den früheren Verfahren 1 L 574/13 und 1 K 3328/12. Darüber hinaus sei das verfügte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aufzuheben, da die von dem Dienstherrn geäußerte Auffassung, es bestünde der Verdacht eines Dienstvergehens „schwerwiegender Art", schlichtweg falsch sei. Insbesondere seien die ihm zu Last gelegten Äußerungen im Kontext eines längeren, mehrminütigen Gespräches im Radio durch Art. 5 GG gedeckt und stellten demgemäß keinen Verstoß gegen Dienstpflichten dar. Im Bescheid hingegen würden einzelne Sätze nicht nur im falschen Wortlaut dokumentiert, sondern zudem vollkommen aus dem Zusammenhang des Gesprächs gerissen; eben dies habe in einem früheren Disziplinarverfahren bereits das Verwaltungsgericht Münster kritisiert. Für das Gespräch habe er sich zuvor handschriftliche Notizen als Gesprächsleitfaden gemacht, in deren Rahmen am Ende abschließende Distanzierungen von jeglichen Relativierungen des Holocausts vorgesehen gewesen seien; diese habe er jedoch leider nicht mehr für die Öffentlichkeit hörbar äußern können. Hieran trage er selbst keine Schuld, da er damit habe rechnen können, noch ein „letztes Wort" zugestanden zu bekommen. Nichtsdestotrotz sei auch durch den Beginn des öffentlichen Gesprächsausschnitts ersichtlich, dass er sich deutlich und unmissverständlich vom Nationalsozialismus distanziert habe. Sofern er gesagt habe, dass zahlreiche tagesaktuelle Grausamkeiten, etwa IS-Terrorismus und Massentierhaltung, ihm „emotional viel näher" gingen, habe er keineswegs den Verbrechensgehalt der Ereignisse von Auschwitz relativiert, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass ihn die tagesaktuell auf der Welt passierenden Grausamkeiten gegenwärtig emotional stärker berührten als Ereignisse, die mehr als 70 Jahre zurücklägen. Damit habe er aber in keinster Weise zwischen Massentierhaltung und Holocaust einen Vergleich hinsichtlich des Unrechtsgehalts vorgenommen, sondern lediglich seine im Jahr °°°° fühlbare emotionale Betroffenheit abgeglichen. In diesem Zusammenhang bekenne er sich ausdrücklich dazu, dass er den Unrechtsgehalt von Auschwitz als größer einstufe als denjenigen der Massentierhaltung. Zudem habe er seine Äußerungen deutlich hörbar als „privat" zugeordnet. Dabei sei es auch – wie vom VG Münster im damaligen Disziplinarverfahren festgestellt – dienstrechtlich vollkommen irrelevant, dass er sich während des Radiogesprächs als Lehrer zu erkennen gegeben habe. Denn es sei legitim, wenn Lehrer zu bildungspolitischen Fragen in ihrer Freizeit öffentlich Positionen verträten, selbst wenn diese den Positionen des Dienstherrn klar widersprächen (z.B. „G8“ und „Kopfnoten“). Im Übrigen habe er nicht im Geringsten den Anschein hervorgerufen, ein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu sein. Insoweit führe der besondere Wertgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, zumal er in keinster Weise Lehrer dazu aufgefordert habe, den bestehenden Lehrplan nicht mehr zu befolgen, oder dies für sich angedeutet habe. Das Weiterbildungskolleg V. habe er überhaupt nicht erwähnt. Ungeachtet seines privaten Desinteresses sei er durchaus der Meinung, dass Auschwitz auch in Zukunft in der Schule behandelt werden müsse. Lediglich bezüglich des Umfangs würde er sich von künftigen Lehrplänen eine Verschiebung zugunsten von Themen mit höherer weltpolitischer Aktualität wünschen, doch verhalte er sich zugleich in seiner Diensttätigkeit gegenüber dem aktuellen Lehrplan vollkommen loyal. Angesichts dessen ließe sich das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Eignung, Schülerinnen und Schülern als Vorbild zu dienen, auch nicht als tiefgreifend erschüttert einstufen. Im Gegenteil ließe sich feststellen, dass der von ihm geäußerte Wunsch nach einem geringeren Umfang der Thematisierung des Holocausts von einer breiten Mehrheit der deutschen Bevölkerung geteilt werde. Nach einer im Januar 2015 von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten repräsentativen Umfrage befürworte eine große Mehrheit der Deutschen (81 Prozent), darunter insbesondere die Gruppe der unter 40-Jährigen, die Geschichte der Judenverfolgung hinter sich zu lassen und sich stattdessen gegenwärtigen Problemen zu widmen. Auf einer solchen, emotional geprägten Ebene seien seine Äußerungen bei X. angesiedelt gewesen, keineswegs auf einer historisch-analytischen Ebene. Lediglich seine hohe Empathie für das Leiden von Tieren in der Massentierhaltung dürfte von der Position der Durchschnittsbevölkerung abweichen, da er schon als Kleinkind streng vegetarisch aufgewachsen sei und sich seit dem Alter von 15 Jahren sogar streng vegan ernähre; in Anlehnung an das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten" im christlichen Glauben habe er für das Leiden von Tieren ein deutlich größeres Mitgefühl als die meisten anderen Menschen. Dieses habe er jedoch niemals in seine dienstliche Tätigkeit eingebracht und hinsichtlich derartiger Äußerungen werde er sich in Zukunft gerne mäßigen.
33Zur Bestätigung seiner Angaben, sich unmittelbar vor dem Radiointerview einen eigenen Gesprächsleitfaden vorbereitet zu haben, legt der Kläger ein DIN A4-Blatt mit folgenden Notizen vor:
34„bin Freund des Judentums und Israels und schwul; bin Opfer / Gegner des NS-Regimes; aber: Auschwitz wird zuviel in Schulen behandelt; Schülerinnen und Schüler genervt („es reicht!"); Auschwitz hindert uns daran, wachsam zu sein, lenkt uns von anderen Problemen ab; Islamismus, IS-Terrorismus, Boko Haram, Antisemitismus in Deutschland bei radikalen Muslimen; Juden haben Angst, Schwule auch; klarstellen: auch von rechts droht noch immer Gefahr/ nicht zu verharmlosen; Abschluss: Gesagtes soll Auschwitz nicht verharmlosen, Auschwitz war ein schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
35Die zur Begründung der Klage gemachten Ausführungen ergänzt der jüngst in das Verfahren eingetretene Prozessbevollmächtigte des Klägers dahingehend, dass nicht jeder Verdacht eines Dienstvergehens bereits einen zwingenden Grund für den Erlass eines Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte biete. Vielmehr komme dies nur dann in Betracht, wenn dem Beamten aufgrund hinreichender Anhaltspunkte eine Straftat oder ein Dienstvergehen von so schwerwiegender Art zur Last gelegt werden könne, dass bereits vor der abschließenden Prüfung die Verhinderung der weiteren Dienstausübung zwingend notwendig erscheine. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Im Übrigen sei einem Vermerk des Ermittlungsführers zu entnehmen, dass nach der bisherigen Untersuchung weder mit einer Entfernung des Klägers aus dem Dienst noch mit seiner Rückstufung zu rechnen sei. Doch hätte der Beklagte zwingend klären und aktenkundig machen müssen, welche Erkenntnisse ihn zu der Überzeugung führten, dass bei einer Fortsetzung des Dienstes durch den Kläger mit schwerwiegenden Nachteilen des Dienstherrn oder für Dritte zu rechnen sei. Dass man mit der Suspendierung lediglich habe ein „Zeichen setzen“ wollen, entspräche aber nicht dem gesetzgeberischen Ziel – die darin geregelte Möglichkeit der fristlosen Freisetzung verlange vielmehr die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Gleichzeitig liefe es seiner Fürsorgepflicht entgegen, dass der Dienstherr zusätzlich noch mittels Pressemitteilung die Suspendierung in der Öffentlichkeit bekannt gemacht und zudem den Namen des Klägers im Fernsehen genannt habe. Dieser habe sich lediglich in einem Interview zur Fleischernährung geäußert und dabei seine persönliche Meinung vorgetragen. Diese sei durch Art. 5 GG geschützt, zumal es sich um eine Äußerung außerhalb des Dienstes gehandelt habe. Zudem habe er sich im Interview nur als Lehrer zu erkennen gegeben, einen direkten Bezug zu seinem Amt und zu seiner Stellung als Beamter aber nicht hergestellt. Das mitverfügte Hausverbot sei wegen des unmittelbaren Zusammenhangs zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ebenfalls rechtswidrig.
36Der Kläger beantragt,
37die Verfügung der Bezirksregierung B. vom 00.00.0000 aufzuheben.
38Der Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Zur Begründung führt er aus, dass sowohl das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als auch das ausgesprochene Hausverbot rechtmäßig seien. Die Ausübung des Hausrechts stünde zwar grundsätzlich der Schulleitung zu, richte sich aber gegen Störungen von außenstehenden Dritten oder Nutzern der öffentlichen Einrichtung. Demgegenüber ließen sich Konflikte wegen eines pflichtwidrigen Verhaltens einer Lehrkraft als Angehörigem des Lehrkörpers nur im Wege dienstrechtlicher Maßnahmen lösen, weshalb das Verbot zum Betreten des Schulgebäudes gegenüber einer Lehrkraft nur von der Stelle ausgesprochen werden könne, die auch für das Verbot der Dienstausübung zuständig sei. Auch dafür seien die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben, da bei weiterer Dienstausübung des Klägers der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde und gewichtige Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Die Beeinträchtigung des Dienstbetriebs sei in der erheblichen Unruhe in der Lehrer- und Schülerschaft aufgrund der Äußerungen des Klägers in der landesweit ausgestrahlten X. -Radiosendung sowie aufgrund der X. -Fernsehsendung „B1. T. " am 00.00.0000 entstanden. Dies werde auch durch eine Stellungnahme der Schulleiterin des L. -Kollegs bestätigt. Dem Kläger sei insbesondere vorzuwerfen, dass seine Äußerungen einen direkten Zusammenhang zwischen dem menschenverachtenden Massenmord in der Zeit des Nationalsozialismus und der Massentierhaltung herstellten, wodurch unweigerlich eine Wertung in Gestalt der Verharmlosung des Holocausts vorgenommen werde. Die schriftliche Dokumentation der Radioaussagen habe exakt den Äußerungen entsprochen, die tatsächlich für die Hörerschaft des Interviews akustisch wahrnehmbar gewesen wären. Hingegen stelle die Angabe des Klägers, dass es sich bei der im Radio getätigten Zahlenangabe im Rahmen der oben genannten Äußerungen nur um einen unglücklichen und versehentlichen Zahlendreher gehandelt haben solle, nur eine substanzlose Schutzbehauptung dar, die nicht überzeugen könne. Denn dies stünde im Widerspruch zu den bisherigen Erläuterungen des Klägers, den Gesprächsverlauf vorab mithilfe eines selbst verfassten Leitfadens umfassend geplant zu haben. Entgegen der Einschätzung des Klägers sei es gerade der Gesamtzusammenhang seiner Äußerungen gewesen, der zu der Annahme begründeter Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Dienstvergehens schwerwiegender Art geführt habe. Dass ihm schließlich am Ende des Interviews keine Zeit zu Klarstellungen gegeben worden sei, hätte der Kläger einkalkulieren müssen. Als Folge der Äußerungen des Klägers sei nunmehr aber auf Seiten des Dienstherrn und der Öffentlichkeit ein Vertrauensverlust in die dienstliche Zuverlässigkeit des Klägers als Lehrkraft im öffentlichen Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen entstanden. Insoweit habe es im direkten zeitlichen Nachgang eine Vielzahl telefonischer Beschwerden und intensive Reaktionen der Öffentlichkeit gegeben. Weiterhin habe auch ein materieller Dienstbezug bestanden, da der Kläger eine Einordnung der Äußerungen als rein private Sichtweise nicht gegeben, sondern im Gegenteil durch den Hinweis auf die zu große Breite in den bestehenden Lehrplänen den Eindruck vermittelt habe, dass er bei der Ausführung seines Lehrauftrages beeinträchtigt sei. Diesbezüglich genüge es, dass aus Sicht eines unbefangenen Betrachters der Eindruck einer inneren Abkehr von den Grundprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit der darin liegenden Befürchtung entstünde, er werde seinen dienstlichen Aufgaben als Lehrkraft nicht mehr unbefangen nachkommen. Die Äußerungen des Klägers seien in diesem Zusammenhang auch nicht vom Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG gedeckt. Im Gegenteil habe der Verdacht bestanden, dass der Kläger eine Straftat in Form einer Verharmlosung des Holocaust gem. § 130 Abs. 3 StGB begangen habe. Im Übrigen bedürfe es für die Anordnung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte keiner erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts, sondern es genüge, dass der Dienstvorgesetzte zu der begründeten Überzeugung gelange, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln verlangten. Das Hausverbot sei demgegenüber dadurch begründet, dass eine weitere Störung des Schulbetriebs bzw. die Gefahr einer Wiederholung zu befürchten sei. Ohne seine Anordnung wäre zu befürchten gewesen, dass der Kläger ungeachtet einer Lehrtätigkeit die Schule aufgesucht und weitere Äußerungen gegenüber Schülerinnen und Schülern, gegenüber dem Lehrerkollegium oder gegenüber der Presse vorgenommen hätte, gegebenenfalls zur Rechtfertigung seiner Äußerungen. Die Belastung des Beamten ergäbe sich ohnehin in erster Linie aus dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und in den Verfahren 1 K 3328/12, 1 L 574/13, 1 K 3816/13, 1 K 1482/15, 1 K 2645/15 sowie auf den Inhalt des von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs und die Personalakte des Klägers Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe:
43Die Klage ist zulässig und begründet.
44Insbesondere ist die Klage als Anfechtungsklage gegen das ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach wie vor statthaft und es besteht weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn das mit Bescheid vom 00.00.0000 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist nicht nach § 39 Satz 2 BeamtStG erloschen. Denn gegen den Kläger ist innerhalb der Dreimonatsfrist des § 39 Satz 2 BeamtStG, namentlich mit Verfügung vom 00.00.0000– dem Kläger zugestellt am 00.00.0000 – ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden.
45Die Klage ist auch begründet. Das von der Bezirksregierung B. verfügte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei ist die mündlich nach dem Anhörungsgespräch vom 00.00.0000 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verfügung in der Fassung des Bescheides vom 00.00.0000 zugrunde zu legen.
46Das an den genannten Tagen verfügte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte war zwar bei seinem Erlass rechtmäßig, ist aber jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung materiell rechtswidrig geworden.
47Zwar ist bei Anfechtungsklagen regelmäßig nur der Zeitpunkt des Bescheiderlasses Ausgangspunkt der rechtlichen Begutachtung, doch gilt abweichend der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, wenn dem jeweiligen Verwaltungsakt – wie hier dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte – eine Dauerwirkung für einen längeren Zeitraum zukommt. Denn die zuständige Behörde und im Streitfall das Gericht müssen das ausgesprochene Verbot bis zum Ende der Geltungsdauer „unter Kontrolle halten“. Wenn sich herausstellt, dass Gründe, die ursprünglich für das Verbot sprachen, entweder widerlegt oder soweit entkräftet sind, dass sie nicht mehr den qualifizierten Anforderungen für den Erlass einer Verbotsverfügung genügen, ist die Verbotsverfügung aufzuheben.
48Vgl. VG E1. , Urteil vom 19. Dezember 2014 – 2 K 6786/14 –, juris; diesen Zeitpunkt hat in einem früheren Klageverfahren des Klägers schon VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 1 K 3328/12 – zugrunde gelegt.
49Rechtsgrundlage für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist § 39 Satz 1 BeamtStG. Danach kann Beamtinnen und Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden.
50Zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 39 Satz 1 BeamtStG liegen dann vor, wenn eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten – im Augenblick und für die Dauer des Verbots – dienstlich nicht vertretbar ist. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist eine Notmaßnahme, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden. Dienstliche Belange, welche ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtfertigen, können sowohl durch ein dienstliches als auch durch ein außerdienstliches Verhalten des Beamten oder in seiner Person begründet sein, soweit sie sich auf die dienstlichen Bereiche auswirken können.
51Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschlüsse vom 3. April 2009 – 6 B 36/09 –, juris, und vom 26. April 2007 – 6 B 391/07 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. September 2011 – 12 K 3083/09 -, juris, Rn. 20 ff. sowie Beschluss vom 23. Juni 2009 – 1 L 228/09 -, (n.v.); VG München, Beschluss vom 17. April 2002 – M 5 S 02.1111 -, juris, Rn. 28.
52Der Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und unterliegt als solcher grundsätzlich voller gerichtlicher Nachprüfung. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass der Dienstherr die fachlichen und politischen Ziele des Verwaltungshandelns aufgrund seines Organisationsrechts bestimmt und damit die dienstlichen Belange maßgebend prägt, so dass diese als Vorgaben auch in die wertende Entscheidung einfließen. Ferner ist der Charakter des Verbots als eine materiell-rechtlich vorgesehene Sofortmaßnahme, die Zwecken der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr dient, zu berücksichtigen.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 – 2 C 21/03 –, juris Rn. 10; Zängl, in: GKÖD, § 60 BBG a.F., Rn. 4 und 19; Plog/Wiedow, § 60 BBG a.F., Rn. 1 und 8.
54Hintergrund ist der Anspruch des Beamten auf eine amtsangemessene Beschäftigung als einen der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums.
55Vgl. Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zentgraf, Kommentar zum BeamtStG, § 39 Ziff. 2.
56Die zu befürchtenden Nachteile müssen vor diesem Hintergrund so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann.
57Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Juni 2013– 6 A 2586/12 – und vom 30. Juli 2015 – 6 A 1454/13 –, beide juris m.w.N.
58Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1979 – 1 WB 67.78 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2015– 6 A 1454/13 –, juris.
60Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen.
61Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Juni 2013– 6 A 2586/12 – und vom 30. Juli 2015 – 6 A 1454/13 –, beide juris m.w.N.
62Gemessen an diesen Maßstäben lagen im Zeitpunkt des Erlasses des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte zwingende dienstliche Gründe in dem Sinne vor, dass die Bezirksregierung B. zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgehen durfte, eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Kläger erscheine nicht angebracht. Dies gilt zum einen unter dem Gesichtspunkt der durch den Kläger begangenen Dienstpflichtverletzungen und zum anderen wegen des darin liegenden Zwecks der Gefahrenabwehr.
63Insbesondere stand das außerdienstliche Verhalten des Klägers in Form seines Radiointerviews bei X. am 00.00.0000 mit seinen Pflichten aus § 33 Abs. 2 BeamtStG (Gebot zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung) auch in Ansehung der in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Meinungsfreiheit nicht in Einklang.
64Der Beamte steht zu seinem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (Beamtenverhältnis). Dieser Grundsatz hat nach Art. 33 Abs. 4, Abs. 5 GG Verfassungsrang. Die sich aus diesem Dienst- und Treueverhältnis ergebenden einzelnen Rechte und Pflichten des Beamten werden teilweise in den §§ 33 ff. BeamtStG konkretisiert, wo seinem Handeln Grenzen gesetzt werden. Insoweit kommt es zur Kollision von zwei Grundentscheidungen der Verfassung, zum einen der Garantie eines für den Staat unentbehrlichen und diesen tragenden Beamtentums und zum anderen der individuellen Freiheitsrechte eines Beamten, hier dem Grundrecht freier Meinungsäußerung. Nach diesem Grundrecht hat jedermann das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Dieses Recht findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch die Beamtengesetze zählen. Dies hat zur Folge, dass die Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung das Grundrecht der freien Meinungsäußerung einschränkt, wobei die Grenze im Einzelfall von der Art und dem Inhalt der Äußerung, der Amtsstellung des Beamten und dem Bezug der Betätigung zu seinem Amt abhängig ist.
65Vgl. BVerfG, Urteil vom 20. September 2007 - 2 BvR 1047/06 -, juris; VG N. , Urteil vom 16. Oktober 2009 - 4 K 1765/08 -, juris; VGH Mannheim, Urteil vom 26. November 1982 - 4 S 819/80 -, juris (Leitsatz).
66Gleichzeitig ist die Regelung in § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zu berücksichtigen. Danach ist ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
67Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
68vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Januar 2001 – 1 BvQ 9/01 – und vom 4. November 2009 – 1 BvR 2150/08 –, beide juris,
69ist das Grundgesetz als Gegenentwurf zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes konzipiert, in dem Auschwitz als Mahnung für die Zukunft verstanden werden soll. Es ist von seinem Aufbau bis in viele Details hin darauf ausgerichtet, aus den geschichtlichen Erfahrungen zu lernen und eine Wiederholung solchen Unrechts ein für alle Mal auszuschließen. Dabei kommt besonders dem 27. Januar als dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jahr 1945, der staatlicherseits zum offiziellen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (sog. Holocaust-Gedenktag) bestimmt worden ist, ein besonderer Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zu: Mit der Begehung dieses Gedenktages wird Verantwortung für die Vergangenheit übernommen und bundesweit nicht nur der Opfer gedacht, sondern zugleich mahnend an die Folgen des Nationalsozialismus erinnert, um deren Wiederholung dauerhaft auszuschließen. Die Befürwortung der nationalsozialistischen Herrschaft und des während dieser Zeit begangenen Unrechts ist in Deutschland ein Angriff auf die Identität des Gemeinwesens nach innen mit friedensbedrohendem Potential.
70Aus den vorgenannten Umständen sind Meinungsäußerungen im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust, noch dazu an einem diesbezüglichen Gedenktag, mit anderen Meinungsäußerungen nicht vergleichbar. Bei der Strafvorschrift des § 130 Abs. 4 StGB – und entsprechendes dürfte für den hier relevanten § 130 Abs. 3 StGB gelten – handelt es sich vor diesem Hintergrund um eine spezielle Einschränkung der in Art. 5 GG grundsätzlich garantierten Meinungsfreiheit; derartige Vorschriften sind auch als nichtallgemeine Gesetze mit der Meinungsfreiheit vereinbar. Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft unter deutscher Verantwortung über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der für die Identität der Bundesrepublik Deutschland prägenden Bedeutung dieser Vergangenheit, können Äußerungen, die dies gutheißen oder jedenfalls entsprechende Verbindungen herstellen, Wirkungen entfalten, denen nicht allein in verallgemeinerbaren Kategorien Rechnung getragen werden kann. Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung des nationalsozialistischen Regimes in den Jahren zwischen 1933 und 1945 Grenzen setzen, ist daher eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent.
71Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 – 1 BvR 2150/08 –, juris,
72Diese Grenzen werden durch verschiedene Äußerungen des Klägers in dem Radiointerview bei X. am 00.00.0000 in bedeutsamem Maße tangiert, und zwar auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit. Im Besonderen gilt dies für seine mit einem zahlenmäßigen Vergleich verdeutlichte Aussage, dass ihm die Massentierhaltung viel näher als Auschwitz ginge, weil alle 20 Minuten sechs Millionen Tiere sterben würden. Trotz des emotional-persönlichen Eindrucks erweckt die zahlenmäßige Gegenüberstellung für den Zuhörer den Eindruck, dass der Unrechtsgehalt des Holocaust und der systematischen Judenvernichtung herabgespielt wird. Dies zeigt sich sehr eindrucksvoll in der ersten Reaktion des in der Radiosendung bei X. eingeladenen Sachverständigen, zumal das Radio ein flüchtiges Medium ist, das einen zweiten, genaueren auditiven Eindruck nicht zulässt. Darüber hinaus sind auch die weiteren Äußerungen des Klägers, dass der Antisemitismus von radikalen Muslimen viel größer als jeder andere Antisemitismus in Deutschland sei und dass ihn Auschwitz privat überhaupt nicht mehr interessiere, sehr weit reichend und vermitteln dem Zuhörer einen dem besonderen Sinngehalt des Gedenktages widerstrebenden Eindruck.
73Alle diese Aussagen geben zwar einerseits einen persönlichen Meinungsstand wieder, widersprechen aber andererseits dem beamtenrechtlichen Gebot zur Mäßigung, das über Art. 33 Abs. 5 GG ebenfalls Verfassungsrang besitzt. Durch das gewählte Medium einer Live-Sendung im Radio, die einen unbestimmten Personenkreis erreicht, und gleichzeitig in Anbetracht der aktiven Meldung des Klägers zum Radiogespräch unter Vorbereitung eines Stichwortzettels, war das Mäßigungsgebot verletzt. Denn gerade als vermittelnder Lehrer für Politik und Deutsch einerseits und wegen der Sensibilität des Themas, noch an dem Holocaust-Gedenktag zudem, andererseits konnte von einer Einhaltung des dienstrechtlichen Gebots der Zurückhaltung nicht mehr die Rede sein, weshalb eine objektive Dienstpflichtverletzung vorliegt. Der dienstliche Zusammenhang war insoweit dadurch hergestellt, dass der Kläger gleich zu Beginn des Radiogesprächs und im Verlauf dessen auch auf Nachfrage der Moderatorin nochmals seine Rolle als vermittelnde Lehrkraft betont hat. Auf ein subjektives Verschulden kam es für die zunächst zu bejahende Rechtmäßigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte bei seinem Erlass im Übrigen nicht an, wenngleich auch das falsche Verständnis seiner Aussagen, insbesondere betreffend die zahlenmäßige Gegenüberstellung von Massentierhaltung und Holocaustopfern, zu erwarten war.
74Ungeachtet der festgestellten Dienstpflichtverletzung erschien es auch aus Gründen der Gefahrenabwehr wegen der medialen Wirkung der klägerischen Äußerungen und der durch diese hervorgerufenen Aufregung in der Lehrer-, Eltern- und Schülerschaft angezeigt, den Beamten „aus der Schusslinie zu nehmen“, um den Schulfrieden zu wahren und seine Person vor (weiterem) Schaden zu schützen. Nicht zuletzt soll das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach seinem Gesetzeszweck dazu dienen, der Behörde mindestens im Rahmen des Dreimonatszeitraums bis zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens Gelegenheit zu geben, die Sachlage aufzuklären und die hierfür benötigte Ruhe dadurch herzustellen, dass die Dienstausübung vorläufig untersagt wird. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte versteht sich seinem Zweck nach als eine Sofortmaßnahme von zunächst nur vorübergehender Dauer, die bis zur Entscheidung über die Einleitung u.a. eines förmlichen Disziplinarverfahrens eine einstweilige Regelung trifft; dies wird auch durch den Wortlaut der Regelung und die Systematik belegt.
75Siehe auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom25. März 2009 – 12 L 148/09 –, juris.
76Doch ist das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als Dauerverwaltungsakt spätestens im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig geworden.
77Im Gegensatz zu dem früheren Disziplinarverfahren als Folge einer Rede des Klägers bei einer Veranstaltung von „Pro NRW“ ist die Bezirksregierung B. zwar aktuell dem Erfordernis einer Aktualisierung (vgl. § 38 Abs. 4 BDG) und Anpassung des fortwirkenden Verbots der Führung der Dienstgeschäfte vor dem Hintergrund des Anspruchs des Klägers auf amtsangemessene Beschäftigung,
78vgl. unter anderem BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 – 2 BvR 80/77 -, juris, Rn. 41, bezogen auf eine vorläufige Dienstenthebung nach Disziplinarrecht,
79und dem im Disziplinarrecht geltenden Beschleunigungsgrundsatz (§ 4 LDG NRW) hinreichend nachgekommen.
80Zu den einzelnen Anforderungen an die Aktualisierung des Disziplinarverfahrens im Falle des Klägers ausdrücklich: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 1 K 3328/12 –.
81Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist die disziplinarrechtliche Bearbeitungsfrist von sechs Monaten (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW) seit Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 00.00.0000 noch nicht deutlich, sondern lediglich um etwa einen Monat überschritten und hat die Bezirksregierung B. den baldigen Abschluss des Disziplinarverfahrens angekündigt. Währenddessen hat der Beklagte im Rahmen disziplinarischer Ermittlungen zu den weiteren Vorwürfen, die neben dem Radiointerview erhoben wurden und die Unterrichtstätigkeit des Klägers betrafen, zahlreiche Zeugen vernommen, d.h. erhebliche Aufklärungsarbeit geleistet. Vor diesem Hintergrund kann anders als bei dem früher gegen den Kläger ausgesprochenen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte keine Rede davon sein, dass die Rechtswidrigkeit der Suspendierung durch Zeitablauf und Dauer des Disziplinarverfahrens evident wäre.
82Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 – 2 BvR 80/77 -, juris, Rn. 45; zum damaligen Verfahren siehe erneut VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Juni 2013– 1 K 3328/12 –.
83Das Verbot ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aber aus anderen, materiell-inhaltlichen Gründen rechtswidrig.
84Wie § 39 Satz 2 BeamtStG belegt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass dem Verbotsverfahren ein auf die Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren zu folgen hat, wenn das Verbot länger andauern soll. Nur in diesem Falle kann im Vorgriff darauf rechtmäßigerweise ein Verbot nach § 39 BeamtStG ausgesprochen werden.
85Vgl. Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zentgraf, Kommentar zum BeamtStG, § 39 Ziff. 2.4.
86Nicht jeder Bagatellverstoß gegen Dienstpflichten stellt allerdings schon ein disziplinarrechtlich relevantes Dienstvergehen dar, weil ein solches vielmehr ein entsprechendes disziplinarisches Gewicht der Dienstpflichtverletzung voraussetzt. Dies verdeutlicht schon § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, wonach ein Verhalten außerhalb des Dienstes – wie hier – nur dann ein Dienstvergehen ist, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
87Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2010– 1 K 5818/08 –.
88Dies zugrundegelegt ist die angegriffene Entscheidung der Bezirksregierung B. zwischenzeitlich rechtlich zu beanstanden. Die Bezirksregierung geht ausweislich der beigezogenen Disziplinarakte nach entsprechenden Ermittlungen zwischenzeitlich nicht mehr davon aus, dass die Äußerungen des Klägers in der Radiosendung zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen könnten. Entsprechende Feststellungen hat der zuständige Ermittlungsführer im Rahmen der Disziplinarakte im Rahmen einer undatierten E-Mail aufgenommen, wo davon die Rede ist, dass es „voraussichtlich nicht zur Höchstmaßnahme kommen wird“, man allerdings „ein Zeichen setzen“ wolle. Eine derartige Zielsetzung verfehlt den vom Gesetz zugedachten, zuvor dargelegten Zweck der Suspendierung jedoch. Immerhin sind im Hinblick auf die in § 45 BeamtStG geregelte Fürsorgepflicht des Dienstherrn die dienstlichen Gründe – besonders nach längerem Zeitablauf – nur zwingend, wenn es ihm nicht mehr zugemutet werden kann, die Dienstgeschäfte durch den Beamten fortsetzen zu lassen.
89Vgl. Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zentgraf, Kommentar zum BeamtStG, § 39 Ziff. 2.1.
90Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das von der Bezirksregierung B. angestoßene strafrechtliche Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich im 00.00.00 eingestellt worden ist. Der entsprechenden Ankündigung der Staatsanwaltschaft Köln vom 19. April 2015 hatte die Bezirksregierung B. trotz aufwändiger, eigener Recherchen nicht widersprochen. Demgemäß war spätestens in diesem Zeitpunkt davon auszugehen, dass die Aussagen eine strafrechtliche Relevanz mit Blick auf § 130 Abs. 3 StGB angesichts der Betonung der persönlichen emotionalen Betroffenheit nicht aufwiesen.
91Zudem war in diesem Zeitpunkt, d.h. nach Ablauf mehrerer Monate, festzustellen, dass das zunächst akute mediale Interesse deutlich abgeklungen war, mit der Folge, dass das Verbot jedenfalls mit seinem vollen Umfang nicht mehr verhältnismäßig ist. Immerhin dauert die vollständige Suspendierung des Klägers nun bereits etwa neun Monate an. Nach dem Abklang des medialen Interesses bzw. der anfänglichen Aufregung wäre im Mindesten eine Reduzierung auf ein teilweises Verbot der Dienstausübung geboten gewesen. Bei einer Lehrkraft wäre dies etwa in der Gestalt vorstell- und durchführbar, dass das Verbot sich nur auf die selbstständige Erteilung von Unterricht erstreckt und dem Kläger zur Vermeidung eines fehlerhaften Einflusses auf Schülerinnen und Schüler ein Kollege an die Seite gestellt wird.
92Vgl. Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zentgraf, Kommentar zum BeamtStG, § 39 Ziff. 2 a.E.
93Soweit der Beklagte im Disziplinarverfahren darüber hinaus weitere Vorwürfe aus der Unterrichtstätigkeit des Klägers anführt, bedürfen diese vorliegend keiner näheren Erörterung. Denn sie sind nicht zum Gegenstand der hier streitgegenständlichen Verfügung gemacht und insoweit nicht zur Begründung des ausgesprochenen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte herangezogen worden.
94Als Annex zur dienstrechtlichen Maßnahme des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist auch das in derselben Verfügung gegenüber dem Kläger ausgesprochene Hausverbot zu beanstanden. Zwar war hierfür – gemäß der Ausführung des Beklagten – die Bezirksregierung und nicht der Schulleiter sachlich zuständig, da es sich um eine Maßnahme gegenüber einem Angehörigen des Lehrkörpers zur Durchsetzung und Sicherstellung der beamtenrechtlichen Maßnahme gemäß § 39 BeamtStG handelte, nicht hingegen um eine Maßnahme im Sinne von § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SchulG zur Abwehr von Störungen des Schulbetriebs durch Außenstehende.
95Vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2008 – 2 K 4088/07 –, juris m.w.N.; siehe auch LG Lüneburg, Beschluss vom 30. Juli 1977 – II Qs 9/77 –, NJW 1977, 1832.
96Infolge der Rechtswidrigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist allerdings auch das Haus-/Kontaktverbot im genannten Zeitpunkt als rechtswidrig anzusehen. Denn in solchen Fällen, in denen ein Hausverbot als Annex zu einer dienstrechtlichen Maßnahme verfügt wird, steht das Verbot in engem Zusammenhang zu dieser Maßnahme und teilt deren rechtliches Schicksal. Für die Dauer des Fortbestands soll es die Wahrung des hinter der dienstrechtlichen Verpflichtung stehenden Zwecks sicherstellen, vorliegend also neben dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte auch jede andere Kontaktaufnahme des Klägers mit Schülerinnen und Schülern unterbinden. Dies war jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung der Kammer in entsprechender Anwendung der vorstehenden Gründe betreffend die Suspendierung nicht mehr geboten.
97Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
98Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 30. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
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Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, konkreten, jedoch in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 24. Juli 2008 - BVerwG 9 B 41.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 58 Rn. 3 m.w.N.). Der bloße Hinweis, die Rechtsfrage sei bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden, reicht für den Vortrag der Klärungsbedürftigkeit allein nicht aus (Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 11).
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Diesen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung wird die Beschwerdebegründung hinsichtlich der von ihr aufgeworfenen Frage, ob es sich bei der vorläufigen Anordnung der Besitzeinweisung im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung (§§ 87 ff. FlurbG) um einen rechtsgestaltenden Einzelakt oder um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, nicht gerecht. Denn in dieser Allgemeinheit lässt sich die Frage schon auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Ein Dauerverwaltungsakt ist nach seinem Sinn und Zweck und dem einschlägigen materiellen Recht in seinen Wirkungen wesensgemäß auf Dauer angelegt. Er ist allgemein dadurch gekennzeichnet, dass er sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert. Die Behörde hat den Dauerverwaltungsakt auf fortbestehende Rechtmäßigkeit zu überwachen; für seine rechtliche Beurteilung ist grundsätzlich die jeweils aktuelle Sach-und Rechtslage maßgeblich (vgl. Urteile vom 28. Februar 1997 - BVerwG 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115 <120> und vom 20. Juni 2013 - BVerwG 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 33; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 223 ff.). Eine derartige - zeitlich begrenzte - Dauerwirkung kommt der vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG ohne Weiteres zu; dass die Flurbereinigungsbehörde sie auch nach ihrem Erlass unter Kontrolle zu halten hat, bringt das Gesetz insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass es die Behörde nicht nur ermächtigt, vorläufige Anordnungen zu erlassen, sondern auch, bereits erlassene Anordnungen aufzuheben oder zu ändern. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass dem Eigentümer mit der vorläufigen Anordnung nach § 36 Abs. 1 FlurbG der Besitz und die Nutzung des Grundstücks nicht endgültig entzogen und dem Begünstigten übertragen werden (Beschluss vom 6. März 1961 - BVerwG 1 B 141.60 - Buchholz 424.01 § 36 FlurbG von 1953 Nr. 2 S. 4). Es soll nicht schon der mit dem Flurbereinigungsverfahren erstrebte tatsächliche Zustand vorzeitig herbeigeführt, sondern es sollen lediglich für einen begrenzten Zeitraum der Übergang in den neuen Zustand vorbereitet und gesichert sowie die Aufstellung des Plans und die Durchführung des Verfahrens erleichtert und beschleunigt werden (Beschluss vom 7. Juni 1963 - BVerwG 1 B 80.63 - RzF 5 zu § 36 Abs. 1 FlurbG). Demgemäß ist die Anordnung nach § 36 Abs. 1 FlurbG nicht nur einmalig für den Zeitpunkt der erstmaligen Besitzübertragung, sondern für deren gesamte Dauer konstitutiv und folglich nur rechtmäßig, wenn und solange die Anordnung erforderlich sowie darüber hinaus dringend ist (vgl. Beschluss vom 25. Januar 2007 - BVerwG 10 B 42.06 - Buchholz 424.01 § 36 FlurbG Nr. 9 Rn. 4).
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Die konkreten Schlussfolgerungen, die das Flurbereinigungsgericht aus diesem Rechtscharakter der vorläufigen Anordnung im vorliegenden Fall gezogen hat, sind nicht grundsätzlich bedeutsam. Der Streitfall zeichnet sich durch eine ganze Reihe außergewöhnlicher Umstände aus (fehlerhafte öffentliche Bekanntmachung, erhebliche zeitliche Verzögerung der geplanten Besitzeinweisung, Neubekanntmachung mit unklarem Inhalt, faktische Vollziehung), die ihn vom Regelfall einer vorläufigen Anordnung unterscheiden. Ob die Annahme des Flurbereinigungsgerichts zutrifft, die hier angefochtene Anordnung sei unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten ab dem Zeitpunkt ihrer individuellen Bekanntgabe dem Kläger gegenüber rechtmäßig geworden, betrifft nur den Einzelfall und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, so kann die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.
(2) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme durch Beschluß. Der Beschluß ist unanfechtbar. Bei der Entscheidung wirken nur die Richter mit, die beim Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
II.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.