Verwaltungsgericht München Urteil, 09. Okt. 2018 - M 5 K 17.916
Tenor
I. Der Bescheid des Präsidiums der … … vom 10. Februar 2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
- ein Paar schwarze Lederhandschuhe Größe 8,5 (Asservat 1), die nicht auf dem Bekleidungsnachweis des Klägers aufgelistet sind
- ein Paar schwarze Lederhandschuhe mit Protektoren Größe 8 (Schlagschutzhandschuhe), der linke Handschuh in der Damen-, der rechte Handschuh in der Herrenausführung (Asservate 2, 2a). Dabei war der Kläger im Besitz seiner eigenen Schlagschutzhandschuhe (Größe 10) und diese werden nur einmal pro Beamten ausgegeben. Allerdings wurden weder der Damen- noch der Herrenhandschuh in der Truppe vermisst.
- zwei Uniformhemden Größe 38 sowie Größe 37/38 (Asservate 3, 3a), wobei der Kläger laut Bekleidungsnachweis fünf Uniformhemden in Größe 39/40 erhalten hat. Allerdings werden in der Truppe keine Uniformhemden vermisst.
- eine Einsatzoveralljacke Größe 48 mit der im Innenfutter vermerkten handschriftlichen Kennzeichnung “D K” (Asservat 5), wobei der Kläger laut Bekleidungsnachweis Größe 106 trägt. In der Truppe passen diese Initialen nur auf den Beamten D.K., der jedoch laut seinem Bekleidungsnachweis Größe 52 trägt und das Fehlen seiner Einsatzoveralljacke erst im Anschluss an die polizeiliche Durchsuchung beim Kläger und den daraufhin ergangenen Truppenappell zur Bekleidungsnachschau bemerkte.
- eine Regenjacke Größe S mit dem Namensschild “ …” (Asservat 7), wobei der Kläger während seiner Anwärterausbildung in N* … die dienstliche Unterkunft mit dem Kollegen … teilte. Dieser vermisste seine Regenjacke seit dem Wechsel in die Einsatzhundertschaft ab August/September 2013, machte den Verlust allerdings nur in seiner eigenen Gruppe - nicht auch in der des Klägers - bekannt. Daneben wurde bei dem Kläger eine weitere Regenjacke Größe M aufgefunden, die ihm laut Bekleidungsnachweis ausgegeben wurde.
- ein Lederblouson (Lederjacke) Größe 48 (Asservat 9) mit der handschriftlichen Kennzeichnung ”D K”, welche durchgestrichen und mit dem Namen des Klägers ersetzt wurde, wobei der Kläger laut Bekleidungsnachweis Größe 50 trägt. Ein Lederblouson wird in der Truppe allerdings nicht vermisst.
- eine grüne Schirmmütze Größe 59 ½ versehen mit einem Papierstreifen mit der Beschriftung „… auf der einen Seite und „… auf der anderen Seite (Asservat 11). Der Kläger trägt laut Bekleidungsnachweis Größe 59 ½. Der in der Truppe tätigte Kollege … vermisst nach eigener Aussage keine Schirmmütze und hat seine Schirmmütze auch nie verloren (vgl. Bl. 5 d. StA-Akte).
- ein Paar schnitthemmende schwarze Lederhandschuhe Größe 7/XS (Asservat 12), wobei der Kläger Größe S trägt. Die Kollegin N.P. vermisst ein derartiges Paar Handschuhe, konnte das beim Kläger aufgefundene aber nicht als das ihre identifizieren.
den Bescheid des Präsidiums der … … vom 10. Februar 2017 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
Gründe
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Referenzen - Gesetze
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154
Gesetz über den Lastenausgleich
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167
Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern
Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 23 Entlassung durch Verwaltungsakt
Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 10 Voraussetzung der Ernennung auf Lebenszeit
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht München Urteil, 09. Okt. 2018 - M 5 K 17.916 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
Verwaltungsgericht München Urteil, 23. Feb. 2016 - M 5 K 15.1981
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2014 - 3 ZB 13.2214
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2016 - 3 B 14.1487
Verwaltungsgericht München Beschluss, 24. Juli 2017 - M 5 S 17.1703
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 28. Juli 2016 - 3 B 14.1431
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. März 2017 - 3 ZB 16.921
Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Juli 2018 - M 5 S 18.2145
Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 24. Jan. 2017 - 2 B 75/16
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2019 - 3 CS 19.655
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 5 K 15.1981
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
5. Kammer
Sachgebiets-Nr. 1330
Hauptpunkte:
Verbot der Führung der Dienstgeschäfte;
Polizeibeamter;
Verdacht der Begehung von Straftaten unter Kollegen
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Kläger -
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
..., vertreten durch: Präsidium der ... Bereitschaftspolizei
- Beklagter -
wegen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 5. Kammer,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2016 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger steht seit ... 2013 als Beamter auf Probe als Polizeimeister in den Diensten des Beklagten. Er ist Angehöriger der vierten Bereitschaftspolizeihundertschaft der Bereitschaftspolizei ... Abteilung ...
An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag im Jahr 2014 oder 2015 war die Kleidung mehrerer Polizeibeamter in der Antretehalle abgelegt. Nach der Erteilung des Einsatzbefehles legten die Beamten ihre Kleidung an. Der Kläger zog anstelle seiner eigenen Lederjacke die eines Kollegen, des Polizeimeisters H., an. Von diesem hierauf angesprochen gab der Kläger die Jacke heraus. Der Kläger stand bereits … im Verdacht des Beklagten, mit dem Abhandenkommen von Dienstbekleidung in Verbindung zu stehen.
Gegen den Kläger wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Diebstahls bzw. Fundunterschlagung) eingeleitet (Az. ...).
Es fand am ... Januar 2015 in der dienstlichen Unterkunft des Klägers eine Durchsuchung statt. Dabei wurden acht Bekleidungsgegenstände aufgefunden, deren Eigentümer unklar ist. Hierbei handelt es sich um dünne schwarze Lederhandschuhe, welche nicht im Bekleidungsnachweis des Klägers aufgelistet sind, einen linken Damenlederhandschuh mit Protektoren sowie das nämliche Modell in der Herrenausführung, wobei der Kläger im Besitz seiner eigenen Schlagschutzhandschuhe war und diese nur einmal pro Beamter ausgegeben werden, zwei Uniformhemden Größe 38 sowie Größe 37/38, wobei der Kläger Größe 39/40 trägt, einen Damenparka Größe 38, einen Einsatzoverall Größe 48 mit der Kennzeichnung „...“, wobei der Kläger Größe 106 trägt, eine Regenjacke Größe S mit dem Namensschild „...“, einen Lederblouson Größe 48 mit der handschriftlichen Kennzeichnung „...“, welche durchgestrichen wurde und bei dem stattdessen der Name des Klägers eingetragen wurde, wobei der Kläger Größe 50 trägt, sowie ein Paar schnitthemmende schwarze Lederhandschuhe ESKA Größe 7/XS, wobei ein solches Paar von einer Kollegin des Klägers vermisst wurde.
Mit Bescheid vom ... Januar 2015 verfügte die Bayerische Bereitschaftspolizei ohne vorherige Anhörung ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 16. Februar 2015 Widerspruch ein. Das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom ... April 2015, dem Kläger zugegangen am 20. April 2015, zurück.
Am
Die Staatsanwaltschaft ... beantragte gegen den Kläger wegen der Unterschlagung von drei bei dem Beamten aufgefundenen Uniformteilen (Damen-Winterparka, Regenjacke, Einsatzoverall) den Erlass eines Haftbefehls unter Verhängung einer Geldstrafe von 3000,00 Euro. Wegen der übrigen beim Kläger aufgefundenen Ausrüstungsgegenstände wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung/StPO eingestellt.
Gegen den Strafbefehl hat der Kläger Einspruch erhoben.
Mit noch nicht rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichtes ... vom ... Februar 2016 (Az. ...) wurde der Kläger freigesprochen.
Der Kläger hat am
den Bescheid des Beklagten vom ... Januar 2015 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom ... April 2015 aufzuheben.
Der Kläger habe keine Kleidungsstücke entwendet. Der Vorfall mit der Lederjacke basiere auf einer bloßen Verwechslung, die in der Hektik des Einsatzbefehles immer wieder vorkommen könne. Die Jacke des Klägers selbst sei von einem dritten Kollegen getragen worden. Hinsichtlich der bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände sei der Diebstahlsvorwurf nur belegt, wenn die Kleidungsstücke anderen Kollegen konkret zuordenbar seien. Da dies nicht der Fall sei, handele es sich um eine reine Vermutung. Dienstkleidung könne auch frei käuflich erworben werden. Im Zuge der Ermittlungen seien entlastende Tatsachen vorgetragen worden, die von dem Beklagten nicht berücksichtigt worden seien.
Das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei hat für den Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bestehe der dringende Verdacht, der Kläger habe Kleidungsstücke von Kollegen entwendet. Selbst wenn der Kläger die Kleidungsstücke nicht gestohlen habe, so liege zumindest Fundunterschlagung nahe. Besonders auffallend sei der Fund eines Damen-Uniformparkas Größe 38 im Zimmer des Klägers, wobei einer Kollegin wenige Tage vorher ein Parka gleicher Größe abhandengekommen sei. Das vom Beamten gezeigte äußerst unkollegiale Verhalten stelle unabhängig von einer eventuellen strafrechtlichen Bewertung einen erheblichen Verstoß gegen Dienstpflichten dar und rechtfertige ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom ... Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... April 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO.
Gemäß § 39 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern - Beamtenstatusgesetz/BeamtStG - i. V. m. Art. 6 Abs. 4 S. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG - kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Diese vorläufige und zeitlich befristete Maßnahme dient dazu, ein weiteres dienstliches Tätigwerden des Beamten bis zur Entscheidung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder eines sonstigen auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren zu unterbinden.
1. Auch wenn der Kläger vor Ergehen der streitgegenständlichen Verfügung nicht angehört worden ist, folgt daraus nicht die formelle Rechtswidrigkeit der Verfügung. Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBG soll der Beamte vor Erlass des Verbots gehört werden. Auch wenn die Anhörung als Sollvorschrift und nicht als zwingende Norm ausgestaltet ist, so binden auch Sollvorschriften die Verwaltung, soweit kein triftiger Grund für eine Ausnahme vorliegt (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand: November 2015, § 39 BeamtStG Rn. 34, § 6 BayBG Rn. 19). Selbst wenn man von einer ursprünglich vor Bescheidserlass zu Unrecht unterbliebenen Anhörung ausgeht, wäre dieser Verfahrensmangel geheilt. Nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz/BayVwVfG kann die erforderliche Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Jedenfalls durch die Auseinandersetzung des Beklagten mit den gegen das Verbot vorgebrachten Argumenten im Rahmen des Widerspruchs- und Klageverfahrens wurde das in der Anhörungspflicht enthaltene Gebot gewahrt, ein etwaiges Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und - im Hinblick auf eine etwaige Abänderung der getroffenen Verfügung - in Erwägung zu ziehen.
2. Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe im Sinne von § 39 BeamtStG handelt es sich nach herrschender Lehre um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dienstliche Gründe können sowohl im dienstlichen als auch im außerdienstlichen Verhalten des Beamten oder in seiner Person begründet sein, soweit sie sich auf die dienstlichen Bereiche auswirken können. Die dienstlichen Gründe müssen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zwingend erfordern. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist eine Notmaßnahme, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden. Es müssen also Umstände vorliegen, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten zumindest im Augenblick als nicht vertretbar erscheinen lassen und es darf keine anderen, weniger einschneidenden Möglichkeiten geben, die dienstlichen Nachteile abzuwenden. Die zu befürchtenden Nachteile müssen also so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann. Schließlich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte darf nicht außer Verhältnis zur Schwere des inkriminierenden Verhaltens und dem Grad der zu befürchtenden Unzuträglichkeiten stehen. Soweit jedoch gewichtige Bedenken gegen eine Fortführung der Dienstgeschäfte bestehen, hat das Individualinteresse des Beamten an der Führung seiner Dienstgeschäfte gegenüber den dienstlichen Interessen zurückzutreten (vgl. zum Ganzen: VG München, B. v. 7.5.2013 - M 5 S 13.1380; VG München, B. v. 13.10.2006 - 5 S 06.3478 - juris; VG Kassel, B. v. 16.10.2006 - 1 L 1108/09.KS - juris; Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand: November 2015, § 39 BeamtStG Rn. 21 ff. m. w. N.).
Zwingende dienstliche Gründe können bereits bei Vorliegen des Verdachtes einer Straftat bestehen. Voraussetzung ist nicht etwa, dass nachgewiesen ist, dass der Beamte eine Straftat tatsächlich begangen hat. Bereits der Verdacht kann genügen, um ein Verbot nach § 39 BeamtStG auszusprechen (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung, Stand Juni 2014, S. 387). Dies ist insofern gerechtfertigt, als das Verbot nach § 39 BeamtStG lediglich zeitweise gilt und kurzfristig zum Einsatz kommt, bis eine endgültige Klärung erreicht werden kann.
3. Durch den der streitgegenständlichen Maßnahme zugrunde liegenden Sachverhalt liegen solche Umstände vor, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte als nicht vertretbar erscheinen lassen.
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte ist der Zeitpunkt der Anordnung des Verbotes (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand: November 2015, § 39 BeamtStG Rn. 60; Sächsisches OVG, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 2 A 133/11 - juris Rn. 16). Nachträglich eingetretene Umstände sind für die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht von Einfluss. Aus diesem Grund ist der Ausgang des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens auch ohne weitere Bedeutung. Auch ist unerheblich, ob etwaige Verdachtsmomente zu einem späteren Zeitpunkt ausgeräumt wurden.
b) Als das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen wurde, hatten sich zuvor verschiedene Vorfälle ereignet. Der Kläger war mehrfach in Verbindung mit Ungereimtheiten bezüglich des Verschwindens von Bekleidungsstücken aufgefallen. Der Kläger hat selbst eingeräumt, die Lederjacke des Kollegen H. angezogen zu haben. Bei der durchgeführten Durchsuchung wurden verschiedene Kleidungsstücke aufgefunden, die dem Kläger nicht eindeutig zuzuordnen waren. Die Eigenarten der aufgefundenen Gegenstände legen den Verdacht nahe, dass diese nicht dem Kläger gehören. Denn hierbei handelte es sich um Damenbekleidungsstücke oder Kleidungsstücke, die nicht die Größe des Klägers aufwiesen. Zum Teil waren Bekleidungsgegenstände doppelt vorhanden oder enthielten fremde Namenskennzeichnungen.
Darüber hinaus wurden von anderen Kollegen Ereignisse geschildert, bei denen der Kläger Kleidungsstücke von Kollegen an sich genommen haben soll oder solche in seinem Zimmer aufgefunden worden. Bei solchen Vorfällen kann es sich im Einzelnen sicherlich, wie vom Kläger vorgetragen, um Verwechslungen handeln. Soweit sie wie im vorliegenden Fall allerdings gehäuft auftreten, legen sie demgegenüber den Verdacht nahe, dass die Vorfälle über unabsichtliche Verwechslungen hinausgehen könnten.
Die Verdachtsmomente gegen den Kläger hatten sich für die Strafverfolgungsbehörden auch dergestalt verdichtet, dass gegen den Kläger ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.
Da es für § 39 BeamStG nicht erforderlich ist, dass die Begehung einer Straftat erwiesen ist, kann ein solches Verdachtsmoment ausreichen. Die verschiedenen Anhaltspunkte begründen jedenfalls objektiv den Verdacht, dass der Kläger Straftaten begangen haben könnte. Die vom Kläger vorgebrachten Behauptungen dienen indes nicht dazu, diesen Verdacht auszuräumen, sondern könnten auch bloße Schutzbehauptungen sein.
Selbst wenn der Beamte keine Straftaten begangen haben sollte, sondern es sich - wie von ihm behauptet - um bloße Versehen handelt, so liegt jedenfalls der Verdacht eines grob nachlässigen Verhaltens vor, welches wiederum eine Verletzung der Dienstpflichten begründen kann. Der Kläger hat entsprechend seinem Vortrag nicht bloß vereinzelt, sondern mehrfach Kleidungsstücke von Kollegen verwechselt und in seine Räume verbracht. Auch ist kein Bemühen des Klägers ersichtlich gewesen, den Sachverhalt insgesamt aufzuklären und die Gegenstände zeitnah wieder ihrem rechtmäßigen Besitzer zuzuführen. Gerade in größeren Einheiten ist es von grundlegender Bedeutung, dass jeder Beamte darauf achtet, zu einem gewissen Maß an Ordnung beizutragen. Zudem müssten sich die Bekleidungsgegenstände über einen längeren Zeitraum angesammelt haben. Je länger der Kläger mit der Rückgabe der Gegenstände zuwartet, umso schwieriger wird die Aufklärung, welchem Beamten ein Gegenstand zugeordnet werden kann. Selbst wenn der Kläger vom strafrechtlichen Vorwurf des Diebstahls freigesprochen wurde, wobei das Urteil noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, ist eine strafrechtliche Verurteilung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte unmaßgeblich.
In Anbetracht dieser Umstände durfte der Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte zu Recht davon ausgehen, dass sich der Kläger eines beträchtlichen Fehlverhaltens schuldig gemacht haben könnte und eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte als nicht vertretbar erschien.
4. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig gewesen. Der Beklagte hat das ihm nach eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (§ 114 VwGO).
Das Verbot war angemessen. Die Interessen des Klägers, seine Dienstgeschäfte fortzuführen, müssen hinter den Interessen des Beklagten zurückstehen.
Die Anhaltspunkte waren hinreichend konkret und massiv, weshalb zu besorgen war, dass der Kläger Straftaten im Kollegenbereich begangen oder sich jedenfalls grob nachlässig und unkollegial verhalten haben könnte. Nach § 34 S. 3 BeamtStG muss das Verhalten der Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass Beamte sich entsprechend diesem Grundsatz verhalten. Aufgrund der Umstände und des bestehenden Verdachtes war es dem Beklagten nicht zuzumuten, weiterhin darauf zu vertrauen, dass der Kläger diesen Grundsatz erfüllen werde. Bis zur Bestätigung oder endgültigen Ausräumung eines solchen Verdachtes ist ein Verbot des Führens von Dienstgeschäften das angemessene Mittel.
Nicht zuletzt trifft den Beklagten eine Fürsorgepflicht aus Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland - Grundgesetz/GG - nicht nur gegenüber dem Kläger, sondern auch gegenüber den übrigen Bediensteten. Darüber hinaus ist ein Kollegendiebstahl auch geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen den Beamten zu stören. In dem Näheverhältnis, das zwischen Kollegen, gerade bei den Einsätzen der Bereitschaftspolizei, besteht, sind Diebstähle verhältnismäßig leicht möglich. Besteht ein begründeter Verdacht, dass ein Beamter seine Kollegen bestiehlt, ist der Betriebsfrieden in nicht unerheblichem Maße gefährdet. Auch wenn ein solches Verhalten nicht den Tatbestand einer Straftat erfüllen sollte, kann darin ein erhebliches pflichtwidriges Handeln liegen, das den internen Dienstbetrieb ganz bedeutend stört und zu Reibereien innerhalb des Kollegenkreises führen kann und deshalb vom Beklagten negativ bewertet werden durfte.
5. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1, 2 des Gerichtskostengesetzes.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Von der Mindestprobezeit können durch Landesrecht Ausnahmen bestimmt werden.
(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie
- 1.
den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern, - 2.
nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist, - 3.
dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet, - 4.
die Entlassung in schriftlicher Form verlangen oder - 5.
nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden sind.
(2) Beamtinnen und Beamte können entlassen werden, wenn sie in Fällen des § 7 Abs. 2 die Eigenschaft als Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes verlieren.
(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,
- 1.
wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte, - 2.
wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder - 3.
wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Aktenzeichen: 3 B 14.1487
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
(VG Ansbach, Entscheidung vom 14. Januar 2014, Az.: AN 1 K 13.1631)
3. Senat
Sachgebietsschlüssel: 1330
Hauptpunkte:
Beamtenrecht
Entlassung eines Polizeibeamten auf Probe (Polizeioberwachtmeister) wegen fehlender charakterlicher Eignung
Beurteilungsspielraum
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
gegen
Freistaat Bayern, vertreten durch: Landesanwaltschaft Bayern, Ludwigstr. 23, 80539 München,
- Beklagter -
Wegen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe;
hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Läpple, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Neumüller, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weizendörfer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Januar 2016 am 13. Januar 2016 folgendes Urteil:
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 4. Mai 2018 gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 9. April 2018 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.760,79 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
„1. Frau …, geb. …1973, wird mit Ablauf des 30.06.2018 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen.
2. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 dieses Bescheids wird angeordnet.
3. Dieser Bescheid ergeht kostenfrei.“
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Entlassungsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 9. April 2018 wiederherzustellen.
den Antrag abzulehnen.
II.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 20. April 2017 gegen die Entlassungsverfügung der Regierung von O. vom 31. März 2017 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.285,06 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Entlassungsbescheid der Regierung von O. vom 31. März 2017 wiederherzustellen.
den Antrag abzulehnen.
II.
Gründe
- 1
-
Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist.
- 2
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1. Der 1967 geborene Kläger war von Februar 2002 bis Mitte September 2005 als angestellter Lehrer zunächst an einer Mädchenschule kirchlicher Trägerschaft und anschließend an einer staatlichen Schule tätig. Mit Wirkung zum 12. September 2005 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat zur Anstellung ernannt. Er war an einem staatlichen Gymnasium als Lehrer für Mathematik und Physik tätig. Im Juli 2006 teilte ein im August 1992 geborener Schüler der Leitung der Schule mit, er sei vom Kläger im Sommer 2005 bei Aufenthalten in Sommerlagern eines Sportvereins, für den der Kläger auch als Trainer tätig war, wiederholt im Genitalbereich berührt worden. Das vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Staatsministerium) eingeleitete Verfahren zur Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wurde im August 2006 ausgesetzt, um das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten. Dem Kläger wurde im September 2006 bestandskräftig die Weiterführung seiner Dienstgeschäfte verboten.
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Das Amtsgericht verurteilte den Kläger im Oktober 2008 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf selbstständigen Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in zwei Fällen zudem in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Der Kläger habe bei drei Trainingslagern im Sommer 2005 an einem minderjährigen Jungen, dessen Alter ihm bekannt gewesen sei, sexuelle Handlungen vorgenommen, nachdem er es organisiert habe, dass er mit diesem Jungen, dessen Angaben glaubhaft seien, in einer engen Kammer eines Zeltes gemeinsam geschlafen habe. Anfang März 2010 hob das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach den Kläger - rechtskräftig - frei. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, es habe nicht mit der für eine strafgerichtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen können, dass es zu den dem Kläger zur Last gelegten sexuellen Übergriffen gegenüber dem Jungen gekommen sei.
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Mitte September 2010 verfügte das Staatsministerium die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen fehlender charakterlicher und gesundheitlicher Eignung für eine Tätigkeit als Lehrkraft im Gymnasialschuldienst.
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Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger gegen die Entlassungsverfügung erhobene Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie die Entlassungsverfügung des Staatsministeriums vom 16. September 2010 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 17. August 2011 und unter Berücksichtigung der vom Beklagten zu Protokoll gegebenen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 27. März 2012 aufgehoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:
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Es sei nicht festzustellen, dass der Kläger in gesundheitlicher oder körperlicher Hinsicht ungeeignet sei. Ließen sich gesicherte Feststellungen zur gesundheitlichen Verfassung eines Probebeamten nicht treffen, gehe dies zu Lasten des Dienstherrn. Nach den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen leide der Kläger nicht an einer sexuellen Präferenzstörung in Form der Pädophilie. Auch für eine pädohebephile Orientierung lägen keine objektiven und belastbaren Umstände vor. Die Voraussetzungen der beiden Systeme zur Klassifikation der Pädophilie seien nicht erfüllt. Der Kläger verspüre keine intensiven sexuellen Impulse und berichte nicht von wiederholt auftretenden sexuellen Phantasien, die sich auf ungewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten bezögen. Zwar könne die Diagnose der Pädophilie auch dann gestellt werden, wenn der Betroffene das Interesse an Kindern leugne, sofern er sich mehreren Kindern bei verschiedenen Gelegenheiten sexuell genähert habe. Dies treffe auf den Kläger aber nicht zu. Den Ausführungen des vom Beklagten beauftragten Gutachters könne nicht gefolgt werden. Bei der Bewertung müssten die inkriminierten Sachverhalte wegen der Unschuldsvermutung außer Betracht bleiben. Nach einem rechtskräftigen Freispruch sei das Äußern eines Schuldverdachts gegen den Betroffenen mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, die eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips sei und damit Verfassungsrang habe, unvereinbar. Weder der Umstand, dass der Kläger Nachhilfeunterricht erteilt habe, noch sein außerordentliches pädagogisches Engagement im Sportbereich rechtfertigten den Rückschluss auf eine pädophile Neigung des Klägers. Auch die Ergebnisse des Affinity-Tests, wenn man diesen Test überhaupt heranziehen wollte, sprächen nicht für eine Pädophilie des Klägers. Der Gutachter des Beklagten habe die entscheidende Feststellung, dass bei dem Kläger keine pädophile Neigung habe festgestellt werden können, unterschlagen. Es handele sich um ein Parteigutachten, das ersichtlich von einem gewünschten Ergebnis getragen sei. Auch die die Verfügung selbstständig tragende Annahme der fehlenden charakterlichen Eignung des Klägers sei rechtsfehlerhaft. Die vom Beklagten vorgebrachten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers bewegten sich im Bereich bloßer Mutmaßungen. Nach den gutachterlichen Feststellungen bestehe beim Kläger keine pädophile Neigung. Zwar habe der Beklagte für die von ihm angenommenen Grenzverletzungen im Lehrer-Schüler-Verhältnis konkrete Verhaltensweisen des Klägers benannt. Aber auch diese rechtfertigten die Entlassung des Klägers wegen mangelnder charakterlicher Eignung ohne vorherige Abmahnung nicht. Die dem Kläger vorgehaltene Distanzlosigkeit gegenüber Schülern sei zuvor nicht thematisiert worden. Die dem Kläger vorgeworfenen Verhaltensweisen könnten aufgegeben und geändert werden, sodass ein behebbarer Mangel gegeben sei.
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2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im angegriffenen Urteil wiederholt darauf abgehoben, bei der Bewertung der Eignung des Klägers dürften die "inkriminierten Sachverhalte" nicht mehr berücksichtigt werden. Dies sei Folge der Rechtskraft des den Kläger freisprechenden Strafurteils sowie der Unschuldsvermutung. Beide Aspekte tragen die rechtliche Schlussfolgerung des Berufungsgerichts nicht.
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a) Die Entscheidung über die Bewährung eines Beamten auf Probe während der Probezeit aufgrund von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG knüpft anders als § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG nicht an ein den Beamten rechtskräftig wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilenden Strafurteil eines deutschen Gerichts an. Ist der Beamte vom Vorwurf einer Straftat rechtskräftig freigesprochen worden, so sind andere Gerichte an diese Wertung des Sachverhalts durch das Strafgericht grundsätzlich nicht gebunden, soweit es bei ihren Verfahren nicht um die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betroffenen geht. Eine Bindung anderer Gerichte oder auch von Behörden an das Ergebnis eines strafgerichtlichen Verfahrens tritt nur ein, wenn und soweit der Gesetzgeber dies ausdrücklich anordnet, wie er dies z.B. in § 190 Satz 2 StGB oder in § 14 Abs. 2 BDG getan hat. Eine solche gesetzliche Vorschrift besteht hier nicht.
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Jenseits solcher Fälle einer gesetzlich ausdrücklich angeordneten Bindungswirkung ist bei einem freisprechenden strafgerichtlichen Urteil die materielle Rechtskraft auf den Tenor beschränkt. Das Urteil regelt insoweit die zukünftige Zulässigkeit von strafrechtlichen Sanktionen gegen denselben Täter wegen derselben Tat. Materielle strafrechtliche Rechtsfolgen wegen dieser Tat sind für die Zukunft grundsätzlich (vgl. z.B. die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nach § 362 StPO) ausgeschlossen (Fischer, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl. 2013, Einleitung Rn. 482 f.). Auf die Entscheidungsgründe eines Urteils bezieht sich die Wirkung der Rechtskraft dagegen nicht. Auch hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen tritt keine Rechtskraft ein.
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Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass in einem späteren Strafverfahren das dort entscheidende Gericht hinsichtlich der Würdigung des Geschehens nicht an die Bewertungen in einem rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil gebunden ist. Vielmehr muss sich das neu entscheidende Tatgericht ohne Bindung an das frühere Urteil eine eigene Überzeugung verschaffen (BGH, Beschluss vom 3. Juni 1997 - 1 StR 183/97 - BGHSt 43, 106 <108 f.>; Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 - NStZ-RR 2004, 238 <240>). Dies gilt z.B. für die Frage einer etwaigen Bindungswirkung der Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils gegen den Täter eines Betäubungsmitteldelikts im weiteren Strafverfahren gegen einen Gehilfen. In diesem weiteren Strafverfahren muss sich das Tatgericht hinsichtlich der Haupttat ungeachtet der Rechtskraft des den Haupttäter verurteilenden Strafurteils eine eigene Gewissheit verschaffen (BGH, Beschluss vom 9. März 2010 - 4 StR 640/09 - NStZ 2010, 529).
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b) Die Unschuldsvermutung hat ihre Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und wird auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben (BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 - 2 BvR 170/06 - NJW 2006, 1336 Rn. 21).
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Die Unschuldsvermutung schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafzumessung vorausgegangen ist, nicht jedoch vor Rechtsfolgen, die keinen Strafcharakter haben (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254, 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <117>; Kammerbeschlüsse vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 f. = juris Rn. 9 ff. und vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 388/13 - juris Rn. 31 m.w.N.). Bei einem Freispruch aus Mangel an Beweisen dürfen z.B. die nicht ausgeräumten Verdachtsmomente zur Rechtfertigung von Rechtsfolgen herangezogen werden, die ihrerseits weder Strafcharakter haben noch dem Betroffenen in einer strafgerichtlichen Entscheidung Schuld zuweisen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 f. = juris Rn. 11 m.w.N. zur Zulässigkeit einer Speicherung und Verwendung von im Strafermittlungsverfahren gewonnenen Daten zur Verhütung oder Verfolgung künftiger Straftaten nach einem rechtskräftigen Freispruch vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern).
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Die Beurteilung der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung eines Beamten auf Probe im Rahmen von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, indem die Lebenszeitverbeamtung von solchen Probebeamten ausgeschlossen wird, die sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Nach den Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der Qualifikation einer staatlichen Maßnahme als strafrechtliches Verfahren im Sinne von Art. 6 EMRK zugrunde legt (EGMR, Urteil vom 8. Juni 1976 - 5100/71 - EGMR-E 1,178 - Engel u.a./Niederlande), handelt es sich bei der Entlassung eines Probebeamten wegen fehlender Bewährung in der Probezeit nicht um ein Strafverfahren. Weder ordnet das innerstaatliche Recht der Bundesrepublik das Geschehen als Strafverfahren ein, noch spricht die Natur des Vergehens für ein Strafverfahren noch hat die Rechtsfolge Strafcharakter oder will abschrecken.
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Auf Verfahren, die nach ihrer Zielsetzung nicht auf die Feststellung und Ahndung strafrechtlicher Schuld gerichtet sind, sondern die außerhalb der eigentlichen Strafrechtspflege eine Entscheidung über andere Rechtsfolgen eines (auch) strafrechtlich relevanten Sachverhalts zum Gegenstand haben, erstreckt sich die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht (Esser, in Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 11, 26. Aufl. 2012, EMRK, Art. 6 Rn. 520 ff.). Diese anderweitigen Entscheidungen von Verwaltungsbehörden oder auch Zivil- und Verwaltungsgerichten, die sich nach anderen rechtlichen Voraussetzungen beurteilen als eine strafgerichtliche Verurteilung, dürfen aber keine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betroffenen zum Ausdruck bringen oder dessen strafrechtliche Schuld feststellen (Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 217; Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 168 jeweils m.w.N.).
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3. Das angegriffene Urteil weicht mit der Ansicht, bei der Bewertung der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung des Klägers müssten die "inkriminierten Sachverhalte" wegen der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) in jeglicher Hinsicht unberücksichtigt bleiben, im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung. Art. 6 Abs. 2 EMRK, auf den sich sowohl die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts als auch das Berufungsurteil beziehen, hat aufgrund des Zustimmungsgesetzes des Bundes (Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGB II, S. 685) innerstaatlich den Rang eines Bundesgesetzes (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <367>).
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Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass die Unschuldsvermutung den Betreffenden nicht vor Nachteilen schützt, die keinen Strafcharakter haben (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254, 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <117>; Kammerbeschlüsse vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 f. = juris Rn. 9 ff. und vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 388/13 - juris Rn. 31 m.w.N.). Die Beurteilung der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung eines Beamten auf Probe im Rahmen von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG hat keinen solchen Strafcharakter, sondern dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Entscheidung von einem rechtsgrundsätzlich abweichenden umfassenderen Verständnis des Art. 6 Abs. 2 EMRK ausgegangen.
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Das angegriffene Urteil beruht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auch auf dieser Abweichung, weil es sich auf den gerichtlich bestellten Gutachter stützt, der entsprechend der Vorgabe des Berufungsgerichts die "inkriminierten Sachverhalte" unberücksichtigt gelassen hat. Dem vom Beklagten beauftragten Gutachter ist der Verwaltungsgerichtshof gerade mit der Begründung nicht gefolgt, dieser habe ausgehend von den "inkriminierten Sachverhalten" ein Hypothesengebäude aufzubauen versucht, das nicht überzeuge.
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3. Die in der Beschwerdebegründung als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
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ob "bei einer Prüfung der Bewährung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG ein Geschehen ohne Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK auch dann ganz oder in Teilen verwertet werden kann, wenn es in einem vorangegangenen Strafverfahren als nicht erwiesen gewürdigt wurde",
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lässt sich ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens klären. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Unschuldsvermutung für gerichtliche oder behördliche Entscheidungen - z.B. über die Ausweisung eines Ausländers oder über ein Vereinsverbot - nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, weil es sich insoweit weder um eine repressive Strafe noch um eine individuelle Schuldzuweisung handelt (BVerwG, Urteile vom 17. Juni 1998 - 1 C 27.96 - BVerwGE 107, 58 <63> und vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 44).
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4. Ausgehend von der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die "inkriminierten Sachverhalte" dürften zur Prüfung der Eignung des Klägers im Sinne von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG nicht herangezogen werden, leidet das Berufungsurteil des Weiteren an einem vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung auch beruhen kann (§ 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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a) Die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger sei nicht gesundheitlich ungeeignet, beruht auf einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz, weil das Berufungsgericht den festgestellten Sachverhalt nicht vollständig berücksichtigt hat.
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Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht einzelne entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht lassen, insbesondere nicht Umstände übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27 und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 40 ff.).
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In dem an den Gutachter gerichteten Begleitschreiben zum Beweisbeschluss vom 19. März 2015 hat das Berufungsgericht dem Gutachter vorgegeben, dass bei der Begutachtung, ob beim Kläger eine sexuelle Präferenzstörung in der Form der Pädophilie vorliege, das diesen freisprechende strafrechtliche Urteil zu beachten sei. In dem auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützten Berufungsurteil ist der Verwaltungsgerichtshof durchgängig davon ausgegangen, aus Rechtsgründen an der Berücksichtigung der "inkriminierten Sachverhalte" gehindert zu sein.
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Bei der Frage, ob das Berufungsurteil an einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO leidet, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des Berufungsgerichts maßgeblich, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4 = juris Rn. 16). Aber selbst auf der Grundlage der Rechtsansicht, die Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils sowie die Unschuldsvermutung stünden der Berücksichtigung der "inkriminierten Sachverhalte" entgegen, hätte der Verwaltungsgerichtshof die Aspekte, die nicht Bestandteil des eigentlichen strafrechtlichen Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern, des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen waren, in den Blick nehmen müssen. Dies gilt insbesondere für den - jenseits der Tatbestandshandlungen dieser Delikte liegenden - Umstand, dass der Kläger dem damals knapp 13-jäh-rigen Jungen jeweils vorgeschlagen hatte, während der Trainingslager bei ihm in einem recht beengten Zelt zu übernachten. Hieraus können sich ohne Weiteres Anhaltspunkte für eine - vom Verwaltungsgerichtshof so bezeichnete - "unnatürliche" Verhaltensweise des Klägers und einen eignungsrelevanten Mangel an gebotener körperlicher Distanz zu ihm anvertrauten Kindern ergeben.
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b) Auf die übrigen vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es nicht mehr an.
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5. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Ermächtigung des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, die Berufungsentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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Für das erneute Berufungsverfahren weist der Senat auf das Folgende hin: Die konkrete Begründung, auf die der Beklagte die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe gestützt hat, ist unerheblich. Da die Begründung eines belastenden Verwaltungsakts ein allein formelles Erfordernis ist, ist für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur maßgeblich, ob die Voraussetzungen der tatsächlich einschlägigen Ermächtigungsgrundlage vorliegen.
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Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr durch eine eigenständige Beweisaufnahme zu klären, ob der Kläger im Juni und Juli 2005 an einem ihm anvertrauten Jungen sexuelle Handlungen vorgenommen hat. Lässt sich dies nicht aufklären, ist weiter zu prüfen, ob andere Umstände den Schluss der mangelnden Bewährung des Klägers in der Probezeit rechtfertigen. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof sämtliche vorliegenden Unterlagen auszuwerten, insbesondere die Akten des Strafverfahrens. Es ist auch zu klären, ob es dem Kläger im Rahmen der - mehrtägigen - Veranstaltungen darauf angekommen ist, mit einem oder mehreren der Jungen in einem Zelt zu übernachten, und, sofern ein solches Bemühen des Klägers nachweisbar ist, mit welchen Mitteln der Kläger dieses Ziel verfolgt hat. Zu klären sind ferner die räumlichen Verhältnisse, unter denen der Kläger gemeinsam mit den ihm anvertrauten Jungen übernachtet hat. Hinweise ergeben sich z.B. aus dem Schriftsatz des Verteidigers des Klägers im Strafverfahren vom 6. Oktober 2008, dem eine Skizze des Zelts beigefügt ist.
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Im Hinblick auf die Ausführungen im Berufungsurteil zum Erfordernis einer vorherigen "Abmahnung" des betroffenen Beamten weist der Senat darauf hin, dass es im Lehrer-Schüler-Verhältnis, das stets von einer ausreichenden körperlichen Distanz geprägt sein muss, auch Verhaltensweisen gibt, die auch ohne vorherigen Hinweis des Dienstherrn auf ihre Unangemessenheit den Schluss rechtfertigen, der betreffende Lehrer habe sich im Laufe der Probezeit nicht bewährt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof beanstandet, ein solches Verhalten sei gegenüber dem Kläger zuvor nicht "thematisiert" worden, wird im Übrigen zu berücksichtigen sein, dass die Verhaltensweisen des Klägers erst im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekanntgeworden sind.
Tenor
I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung ... in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Rechtsmittelbelehrung
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 27.631,24 € festgesetzt.
Gründe
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.