Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2018 - 20 B 16.50000

bei uns veröffentlicht am29.01.2018
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 6b K 15.50792, 27.10.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Dieser Beschluss ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, eine nach eigenen Angaben am ... 1995 in … in Äthiopien geborene somalische Staatsangehörige, wurde am 21. April 2014 am Grenzübergang Bad Reichenhall auf der Bundesautobahn Salzburg – München polizeilich aufgegriffen. Sie meldete sich unter Vorlage einer ungarischen Asylkarte als asylsuchend.

Am 2. Mai 2014 beantragte die Klägerin Asyl. In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gab die Klägerin an, sie habe ihr Herkunftsland im Dezember 2013 verlassen und sei zunächst per Flugzeug in den Iran gereist, dann auf dem Landweg weiter über die Türkei, Griechenland, Albanien, Montenegro, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland. Fingerabdrücke seien ihr in Griechenland und Ungarn abgenommen worden. Asyl habe sie jedoch nirgendwo beantragt. Sie sei allein gereist.

Eine EURODAC-Abfrage am 3. Juni 2014 ergab einen Treffer für Griechenland (Blatt 59 der Bundesamtsakte).

Unter dem 11. Juli 2014 wurde ein Informationsersuchen nach Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, 31 - Dublin-III-Verordnung) an Ungarn gestellt. Darauf antworteten die ungarischen Behörden unter dem 15. Juli 2014, dass die Klägerin unter den angegebenen Personalien am 22. April 2014 in Ungarn einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei am 8. Mai 2014 eingestellt worden, weil die Klägerin untergetaucht sei.

Auf das Übernahmeersuchen vom 21. Juli 2014 erklärten die ungarischen Behörden unter dem 30. Juli 2014 unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1b der Dublin-III-VO ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme der Klägerin.

Mit Bescheid vom 4. August 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1. des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2.). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags nach der Dublin-III-VO für die Behandlung desselben zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag nicht materiell geprüft; die Beklagte sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigen Mitgliedstaat innerhalb der festgesetzten Fristen durchzuführen.

Hiergegen ließ die Klägerin am 12. August 2014 Klage erheben.

Auf den gleichzeitig gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14. November 2014 (Az. M 6b S 14.50488) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet.

Unter dem 20. August 2014 erklärte der Klägerbevollmächtigte und unter dem 28. Oktober 2014 die Beklagte den Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2014 ordnete das Verwaltungsgericht nach Zustimmung der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an.

Unter dem 30. Juli 2015 fragte das Verwaltungsgericht bei der Beklagten an, ob angesichts jüngerer Entwicklungen auf politischer Ebene der EU-Mitgliedstaaten zur Verteilung von Flüchtlingen am streitgegenständlichen Bescheid festgehalten werde oder ob es mittlerweile im Bundesamt Überlegungen gebe, jedenfalls in Fällen einer angeordneten Abschiebung nach Ungarn die Bearbeitung des Asylverfahrens zu übernehmen. Eine Antwort erfolgte innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist nicht.

Am 15. September 2015 wurde das Klageverfahren unter dem Az. M 6b K 15.50792 fortgeführt. Unter dem 15. Oktober 2015, dem Bundesamt zugestellt am 20. Oktober 2015, bat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf eine Fundstelle im Internet um unverzügliche Mitteilung, ob angesichts der Tatsache, dass die Bundeskanzlerin am 7. Oktober 2015 vor dem europäischen Parlament erklärt habe, dass das Dublin-System in der jetzigen Praxis „obsolet“ und damit de facto gescheitert sei, im vorliegenden Verfahren der streitgegenständliche Dublin-Bescheid aufgehoben oder aber unverändert an diesem festgehalten werde. Eine Antwort erfolgte nicht.

Mit Urteil vom 27. Oktober 2015 hob das Verwaltungsgericht München den Bescheid des Bundesamtes vom 4. August 2014 auf und wies die Klage im Übrigen ab (Ziffer I.). Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt (Ziffer II.). In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit die Verpflichtung der Beklagten begehrt werde, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen bzw. festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 2 - 5 und 7 AufenthG vorliegen. Die Anfechtungsklage sei jedoch zulässig und begründet, weil der Bescheid vom 4. August 2014 rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Dabei könne die Frage systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn offen bleiben, weil die Dublin-III-Verordnung derzeit – wie sich aus den allgemein zugänglichen Quellen Rundfunk, Printmedien und Internet ergebe – jedenfalls hinsichtlich mehrerer süd-/osteuropäischer Mitgliedstaaten wie Ungarn, Kroatien, Slowenien und Bulgarien sowie hinsichtlich Österreichs und letztlich auch der Bundesrepublik Deutschland als funktionslos und damit nicht (mehr) anwendbar anzusehen sei. Die Dublin-III-Verordnung werde insoweit aktuell faktisch nicht angewendet und es stehe nicht zu erwarten, dass sich dies auf absehbare Zeit ändere. Die Bundeskanzlerin habe am 7. Oktober 2015 vor dem Europäischen Parlament erklärt, dass das Dublin-System in der jetzigen Praxis „obsolet“ und damit de facto gescheitert sei. Auf einem sogenannten Brüsseler Flüchtlingsgipfel von EU-Mitgliedstaaten entlang der sogenannten Balkanroute am 25. Oktober 2015, an dem auch die Nicht-EU-Staaten Serbien, Mazedonien und Albanien teilgenommen hätten, seien unter anderem nicht nur 50.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge in Griechenland, sondern auch weitere 50.000 Aufnahmeplätze entlang dieser „Balkanroute“ vereinbart worden, um eine menschenwürdige Versorgung von Flüchtlingen entlang der gesamten West-Balkanroute sicherzustellen. Diese vom Gericht nicht zu bewertende politische Vorgehensweise bedeute jedenfalls in den betroffenen Staaten eine Abkehr von den rechtlichen Vorgaben der Dublin-III-VO. Auf diese könne der streitgegenständliche Bescheid daher nicht (mehr) gestützt werden. Es wäre auch lebensfremd zu fordern, die Klägerin solle nach Ungarn zurückkehren, nur um sich dann von dort wiederum dem derzeitigen Flüchtlingsstrom in Richtung Deutschland anzuschließen.

Mit der vom Senat (Beschluss vom 5. Januar 2016, Az. 20 ZB 15.50204) zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit dieser stattgegeben wurde.

Zur näheren Begründung wurde zunächst auf den angefochtenen Bescheid sowie auf die Ausführungen im Zulassungsverfahren Bezug genommen. Auch zwischenzeitlich seien keine Gründe erkennbar geworden, die etwas an der Zuständigkeit Ungarns zur Durchführung des Asylverfahrens geändert hätten oder anderweitig der Überstellungsentscheidung entgegen zu halten wären. Namentlich könne weiterhin nicht davon ausgegangen werden, dass für „Dublin-Rückkehrer“ in Ungarn systemische Schwachstellen im Asylverfahren bzw. bei den Aufnahmebedingungen für Asylsuchende bestünden.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten wurden zur Möglichkeit einer einstimmigen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten durch einstimmigen Beschluss entscheidet (§ 130a VwGO), ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den streitgegenständlichen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben, weil er im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylG) rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. August 2014, mit dem der Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und ihre Abschiebung nach Ungarn angeordnet (Ziffer 2) wurde. Statthafte Klageart dagegen ist die Anfechtungsklage (BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – BVerwGE 153, 162, 1. Leitsatz und Rn. 13 – 15).

A. Der Verwaltungsgerichtshof teilt allerdings nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Dublin-III-Verordnung – jedenfalls in Bezug auf bestimmte Mitgliedstaaten wie Ungarn – funktionslos geworden sei. Die Rechtswidrigkeit und damit Ungültigkeit einer Rechtsnorm wegen Funktionslosigkeit ist in der Rechtsprechung zu Bebauungsplänen anerkannt (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1999 – 4 BN 48.99 – juris m.w.N.). Sie beruht auf der im Grundsatz zutreffenden Überlegung, dass sich die Verbindlichkeit einer Rechtsnorm aus ihrer Ordnungsfunktion rechtfertigt, weshalb sie keine Geltung mehr beanspruchen kann, wenn sie diese Ordnungsfunktion nicht oder nicht mehr erfüllt (BVerwG, U.v. 29.4.1977 – IV C 39.75 – NJW 1977, 2325, juris Rn. 31). Die Annahme eines solchen Funktionsloswerdens unionsrechtlicher Verordnungen wegen (teilweisen) faktischen Nichtvollzugs durch ein mitgliedstaatliches Gericht ist jedoch wegen der mitgliedstaatlichen Pflicht zur Durchführung, d.h. zum Vollzug des europäischen Unionsrechts (1.) sowie wegen des Verwerfungsmonopols des Europäischen Gerichtshofs gegenüber Normen des abgeleiteten Unionsrechts (2.) ausgeschlossen.

1. Gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV hat die Verordnung allgemeine Geltung; sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Mitgliedstaaten und damit auch die mitgliedstaatlichen Gerichte sind nach Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 291 Abs. 1 AEUV verpflichtet, die Verordnung zu vollziehen, d.h. – nach dem allgemein anerkannten weiten Begriffsverständnis – ihre volle und uneingeschränkte Anwendung im Einzelfall zu gewährleisten (EuGH, U.v. 10.7.1999 – C-217/88, Tafelwein – juris Rn. 26 m.w.N.; Calliess/Kahl/Puttler in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 79 m.w.N.; Ruffert in Calliess/Ruffert a.a.O., Art. 288 AEUV Rn. 21). Unvorhersehbare tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Vollzug einer Unionsverordnung sind deshalb nicht durch einseitige Maßnahmen eines betroffenen Mitgliedstaates, sondern im Einvernehmen mit den zuständigen Unionsorganen, insbesondere der Europäischen Kommission zu lösen (EuGH, U.v. 10.7.1999 – C-217/88, Tafelwein – juris Rn. 33). Diesen Grundsätzen widerspricht die einseitige Loslösung vom Geltungsanspruch einer Verordnung aufgrund der Annahme, diese sei funktionslos geworden (i.Erg. ebenso, jedoch ohne nähere Begr., BVerwG, U.v. 22.3.2016 – 1 C 10/15 – juris Rn. 13). Hinsichtlich der Dublin-III-Verordnung liegt im Übrigen auch keine durch das Bundesverfassungsgericht für den Geltungsbereich des Grundgesetzes angenommene Ausnahme von der mitgliedstaatlichen Vollzugspflicht vor (vgl. zusammenfassend BVerfG, B.v. 19.7.2016 – 2 BvR 2752/11 – juris Rn. 17 ff. m.w.N.). Insbesondere steht vorliegend nicht in Rede, dass der sogenannte „Solange II-Vorbehalt“ hinsichtlich des Grundrechtsschutzes gegen abgeleitetes Unionsrecht greifen könnte, weil das Unionsrecht, insbesondere der Europäische Gerichtshof, generell keinen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz mehr gewährleisten würde – abgesehen davon, dass diese Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht in einem Verfahren analog Art. 100 Abs. 1 GG bzw. in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren, gegebenenfalls nach einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV, zu treffen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, Solange II – juris; B.v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, Bananenmarktordnung – juris; B.v. 14.5.2007 – 1 BvR 2036/05, Emissionshandel – juris). Diesbezüglich besteht im Hinblick auf die Dublin-III-Verordnung schon deshalb kein Anlass zu Bedenken, weil die Selbsteintrittsklausel des Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO (vgl. zu Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO z.B. EuGH, U.v. 10.12.2013 – C-394/12, Abdullahi – juris Rn. 60; U.v. 14.11.2013 – C-4/11, Puid – juris Rn. 30 ff.; U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. – juris) sowie die Ermessensklausel in Art. 17 Dublin-III-VO (vgl. dazu EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU, C.K. u.a. – juris) einen effektiven Grundrechtsschutz im Einzelfall ermöglichen, indem der Mitgliedstaat, der von der Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung im Falle der Überstellung eines Asylbewerbers in einen anderen Mitgliedstaat ausgeht, die Zuständigkeit für die materielle Prüfung des Asylgesuchs übernehmen kann.

2. Des Weiteren verbietet auch das Verwerfungsmonopol des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich abgeleiteten Unionsrechtes, welches nach allgemeiner Auffassung aus Art. 263 und 267 AEUV folgt und auch die inzidente Verwerfung erfasst (vgl. EuGH, U.v. 22.10.1987 – Rs. 314/85, Foto-Frost – juris; U.v. 21.2.1991 – C-143/88 u. C-92/98, Zuckerfabrik Süderdithmarschen – juris; Calliess/Kahl/Puttler in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 82, 87 m.w.N.), die Annahme der Funktionslosigkeit einer solchen Unionsrechtsnorm durch ein nationales Gericht. Denn diese Annahme würde in der Konsequenz bedeuten – wovon das Verwaltungsgericht auch ausgeht –, dass die Unionsnorm im mitgliedstaatlichen Recht nicht (mehr) anwendbar ist und folglich nicht (mehr) die Rechtsgrundlage für Einzelfallmaßnahmen wie belastende Verwaltungsakte bilden kann. Sie käme somit in ihrer Rechtsfolge einer Verwerfung der betreffenden Unionsrechtsnorm gleich. Will ein nationales – auch unterinstanzliches – Gericht von der Ungültigkeit, und damit auch von der Unanwendbarkeit, einer Norm des abgeleiteten Unionsrechts ausgehen, so hat es den Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 1 b), Abs. 2 AEUV anzurufen (EuGH, U.v. 22.10.1987 – Rs. 314/85, Foto-Frost – juris; U.v. 21.2.1991 – C-143/88 u. C-92/98, Zuckerfabrik Süderdithmarschen – juris). Das nach Art. 267 Abs. 2 AEUV für nicht letztinstanzliche Gerichte bestehende Vorlageermessen ist insoweit nach allgemeiner Auffassung auf Null reduziert (vgl. Wegener in Calliess/Ruffert a.a.O., AEUV, Art. 267 Rn. 29 ff.). Das Verwaltungsgericht hätte somit, wollte es von der Unanwendbarkeit der Dublin III-Verordnung wegen Funktionslosigkeit ausgehen, diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen.

B. Dennoch hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Ablehnung des Asylantrags der Klägerin als unzulässig ist rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG nicht gegeben sind. Zwar ist Ungarn der an sich für die Prüfung des Asylbegehrens der Klägerin zuständige Mitgliedstaat (hierzu 1.), allerdings besteht eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt, da die Klägerin bei einer Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, Art. 4 GR-Charta ausgesetzt wäre (hierzu 2.).

1. Der zuständige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylbegehrens der Klägerin bestimmt sich vorliegend nach der Dublin-III-VO, die nach deren Art. 48 und 49 am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist und für alle seitdem gestellten Asylanträge gilt. Die Klägerin stellte ihren Asylantrag nach diesem Zeitpunkt, und zwar am 2. Mai 2014.

a) Das Bundesamt hat sein Übernahmeersuchen rechtzeitig an Ungarn gestellt und ist daher nicht nach Art. 21 Abs. 1, UA 3 der Dublin-III-VO zuständig geworden.

Die Fristbestimmung des Art. 21 Abs. 1 UA 2 Dublin-III-VO für Fälle des Vorliegens eines EURODAC-Treffers ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar, da für die Klägerin bezüglich Ungarns keine EURODAC-Treffermeldung vorliegt. Ob das Übernahmeersuchen der Beklagten an Ungarn vom 21. Juli 2014 rechtzeitig gestellt wurde, bestimmt sich somit nach der dreimonatigen Frist des Art. 21 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO. Diese Frist ist vorliegend eingehalten worden. Was unter einem „Antrag auf internationalen Schutz“ im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen ist, regelt Art. 20 Abs. 2 der Dublin-III-VO und wurde vom Europäischen Gerichtshof in dessen Urteil vom 26. Juli 2017 (C-670/16 – NVwZ 2017, 1601 ff.) konkretisiert. Danach reicht als Antrag auf internationalen Schutz ein Schriftstück, das von einer Behörde ausgestellt ist und bescheinigt, dass ein Nicht-EU-Staatsangehöriger um internationalen Schutz ersucht hat. Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin nach ihrer Einreise nach Deutschland am 21. April 2014 von der Polizeiinspektion Fahndung Traunstein eine sogenannte „Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber – BÜMA“ ausgestellt. Diese wurde am selben Tag per Fax an die Außenstelle Zirndorf des Bundesamtes gesendet (Blatt 24 der Bundesamts-Akte). Ausgehend von diesem Datum ist die dreimonatige Frist des Art. 21 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO gewahrt, denn sie begann nach § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 ff. BGB am 22. April 2014, 0:00 Uhr zu laufen und endete nach § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG am 21. Juli 2014, 24:00 Uhr.

b) Gegen eine Zuständigkeit Ungarns spricht auch nicht, dass die Klägerin ausweislich des am 3. Juni 2014 ausgelesenen EURODAC-Treffers zunächst in Griechenland einen Antrag auf Asyl gestellt hatte (Blatt 59 der Bundesamtsakte). Denn eine Überstellung in diesen Mitgliedstaat wäre jedenfalls in dem Zeitraum, in welchem ein Übernahmeersuchen hätte gestellt werden können, wegen der dort bestehenden systemischen Mängel des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber rechtlich unmöglich gewesen (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien u. Griechenland, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10 und C-493/10 – NVwZ 2012, 417). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wäre zudem die Frist des Art. 21 Abs. 1, UA 3 der Dublin-III-VO für ein Übernahmeersuchen an Griechenland längst abgelaufen, insbesondere gilt die dreimonatige Frist nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO auch insoweit als maximaler Zeitraum, innerhalb dessen ein Übernahmeersuchen gestellt werden kann (EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – NVwZ 2017, 1601 ff.).

c) Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO auf Deutschland übergegangen. Denn diese Frist beginnt mit der Annahme des Aufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedstaat oder mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat. Letzteres war vorliegend der Fall, da das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 14. November 2014 (Az. M 6b S 14.50488) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hatte. Damit war die sechsmonatige Frist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO noch nicht angelaufen.

2. Allerdings weisen das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Schwachstellen auf, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta für die Klägerin mit sich bringen. Daher ist Ungarn im vorliegenden Fall für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig bzw. kann eine Rücküberstellung der Klägerin nach Ungarn nicht erfolgen (Art. 3 Abs. 2 UA 2 und 3 Dublin-III-VO und EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien u. Griechenland, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10 und C-493/10 – NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 – Abdullahi, C-394/12 – NVwZ 2014, 208; U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691). Dies ergibt sich aus Folgendem (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2018 – 20 B 16.50073):

a) Im Frühjahr 2017 ist in Ungarn eine weitere Verschärfung der Asylgesetze in Kraft getreten. Danach werden nun alle Asylantragsteller (und nicht mehr nur die neu über die Südgrenze eintreffenden) in den seit 2015 errichteten „Transitzonen“ an der Grenze insbesondere zu Serbien untergebracht und dort inhaftiert (Hungarian Helsinki Committee HHC, Hungary: Government’s New Asylum Bill on Collective Push-Backs and Automatic Detention, Information Update by the Hungarian Helsinki Committee, 15. Februar 2017, Seite 2; UNHCR, Schreiben an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach vom 28.6.2017 mit Anmerkungen zu Änderungen des ungarischen Asylrechts und zu Dublin-Überstellungen nach Ungarn, Seite 2; Amnesty International, Hungary: Legal amendments to detain all asylum-seekers a deliberate new attack on the rights of refugees and migrants, 9. März 2017, Seite 3; Handelsblatt vom 16.3.2017: Verschärftes Asylgesetz tritt in Kraft, recherchiert am 23. Januar 2018 unter www.handelsblatt.com; spiegel-online vom 7. März 2017: Ungarn beschließt Internierung von Flüchtlingen, zuletzt recherchiert am 23. Januar 2018 unter www.spiegel.de). Damit werden alle Asylsuchenden und auch die aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens an Ungarn rücküberstellten Asylsuchenden für die Zeit des Asylverfahrens inhaftiert. Damit verstößt Ungarn gewollt und systematisch gegen die maßgeblichen mitgliedstaatlichen Vorschriften zum Asylverfahren und zu den Aufnahmebedingungen.

Nach Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-VO nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Vielmehr ist nach Abs. 2 der Bestimmung die Haft nur in bestimmten Fällen zulässig, und zwar zur Sicherstellung von Überstellungsverfahren, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht nach einer Einzelfallprüfung und nur dann, wenn die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Über diesen eng beschränkten Zweck geht Ungarn mit der generellen Inhaftnahme von Asylantragstellern und Dublin-Rückkehrern aber weit hinaus. Die Haft ist dort gerade nicht auf die Fälle des Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO beschränkt.

Darüber hinaus ist Ungarn grundsätzlich nach der Dublin-III-VO der für die Prüfung des Asylbegehrens der Klägerin zuständige Mitgliedstaat (s.o.). Daher gelten für Ungarn grundsätzlich die in der Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen; ABl. L 180/96 v. 29.6.2013) festgelegten Anforderungen. Auch nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie ein Asylantragsteller ist. Die Gründe für die Anordnung der Haft sind in Art. 8 Abs. 3 wiederum auf bestimmte, eng umgrenzte Haftzwecke beschränkt. In Ungarn findet inzwischen aufgrund der geänderten Rechtslage aber eine generelle Inhaftnahme von Asylantragstellern statt. Insoweit gibt es auch keinen Zweifel daran, dass es sich bei dieser Haft um eine Freiheitsentziehung i.S. von Art. 5 EMRK und nicht lediglich um eine Aufenthaltsbeschränkung handelt (vgl. hierzu HHC, Two Years After: What’s Left of Refugee Protection in Hung…, September 2017, Seite 7; EGMR, U.v. 14.3.2017 – Nr. 47287/15 – Rn. 66). Denn die Transitzonen sind von einem Stacheldrahtzaun umzäunt und werden von Polizisten von bewaffneten Sicherheitskräften bewacht. Es befinden sich Kameras in jeder Ecke, daneben sind die Unterbringungen in den Grenzzaun eingebettet.

Diese Haft ist auch im konkreten Fall „erniedrigend“. Der EGMR hat zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GR-Charta wortgleich ist, ausgeführt, dass diese Bestimmung nur anwendbar ist, wenn die Misshandlung ein bestimmtes Mindestmaß an Schwere erreicht und körperliche Verletzungen oder intensive physische oder psychische Leiden mit sich bringt (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 3 Rn. 19; EGMR, U.v. 6.4.2000 – Nr. 26772/95 – Labita/Italien, Beck-RS 2013, 11454 Rn. 120). Um zu entscheiden, ob eine Behandlung „erniedrigend“ im Sinne von Art. 3 EMRK ist, ist darauf abzustellen, ob die Absicht damit verbunden war, den Betroffenen zu demütigen oder zu erniedrigen und ob dieser, was die Folgen betrifft, in seiner Persönlichkeit getroffen wurde und zwar in einer mit Art. 3 EMRK unvereinbaren Art und Weise (EGMR, U.v. 12.5.2005 – Nr. 46221/99 – Öcalan/Türkei, NVwZ 2006, 1276 Rn. 181 m.w.N.). Eine Festnahme oder Haft im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren ist danach nur dann erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK, wenn die damit verbundene Demütigung oder Erniedrigung eine besondere Schwelle erreicht hat und jedenfalls über das hinaus geht, was üblicherweise jede Festnahme oder Haft mit sich bringt (EGMR a.a.O. – Öcalan, Rn. 181 m.w.N.).

Im Falle der ungarischen Verhältnisse sind diese Anforderungen erfüllt, sodass von einer erniedrigenden Behandlung auszugehen ist. Denn es liegen hier verschiedene Einzelaspekte vor, die auf eine Absicht des ungarischen Staates hindeuten, die Asylantragsteller durch die Asylhaft zu erniedrigen. So werden die Asylantragsteller, wenn sie von der Hafteinrichtung zum Gericht gebracht werden oder bei anderen Gelegenheiten (z.B. beim Besuch eines Krankenhauses) mit Handschellen gefesselt und an einer Leine geführt (Aida, Country Report: Hungary, 2016 Update, Februar 2017, Seite 77). Damit wird in einer über jegliche Notwendigkeit hinausgehenden Weise unabhängig vom Einzelfall den Asylantragstellern verdeutlicht, dass sie sich in einer unterlegenen Situation befinden. Daneben stehen den ungarischen Behörden sehr weitgehende Möglichkeiten zur Verlängerung der Asylhaft nach den gesetzlichen Regelungen zur Verfügung. Die Praxis geht darüber hinaus dahin, dass Möglichkeiten, von der Haft im Einzelfall abzusehen, nicht genutzt werden (vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.50003 – juris Rn. 28 – 39). Insbesondere finden sich in den Gerichtsentscheidungen keinerlei Individualisierungen, vor allem was den Vorrang anderer Maßnahmen vor der Haft angeht. Auch die Umzäunung durch Stacheldraht und die Bewachung durch die Polizisten und Sicherheitskräfte sowie die ständige Überwachung durch Kameras ist geeignet und zielt wohl auch darauf ab, bei den inhaftierten Asylbewerbern ein Gefühl der Unterlegenheit und des Ausgeliefertseins zu erzeugen, das sie veranlasst, möglichst schnell Ungarn wieder zu verlassen, wie es auch der erklärten Politik der ungarischen Regierung entspricht (vgl. hierzu auch HessVGH, B.v. 24.8.2017 – 4 A 2986/16.A – juris Rn. 54/55).

b) Darüber hinaus schließt sich der Senat, wie auch schon in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2018 (BayVGH, B.v. 23.1.2018 – 20 B 16.50073), den Erwägungen des 13a. Senats des Verwaltungsgerichtshofs in dessen Entscheidung von 23. März 2017 (13a B 17.50003, dort insbesondere Rn. 24 – 31) an. Der 13a. Senat hat dort wie folgt ausgeführt:

„a) Das ergibt sich aus der dortigen (gesetzlichen) Entwicklung in den letzten Jahren. Nach der am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung des Asylgesetzes, die die Möglichkeit einer Inhaftierung von Asylbewerbern vorsah, kam es ab Sommer 2015 zu weiteren Gesetzesänderungen betreffend unter anderem die Einführung eines beschleunigten Verfahrens, den Rechtsschutz und die Inhaftierung sowie die Aufnahme von Serbien in eine nationale Liste sicherer Drittstaaten mit der Folge der Unzulässigkeit von Asylanträgen bei Einreise über Serbien (UNHCR, Hungary: As a Country of Asylum, Mai 2016 – UNHCR Mai 2016; Hungarian Helsinki Committee, Information Note v. 7.8.2015: Changes to Hungarian asylum law jeopardise access to protection in Hungary – HHC 7.8.2015; AIDA – Asylum Information Database, Country-Report: Hungary v. November 2015 – aida November 2015; Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights, Applications No. 44825/15 und 44944/15 v. 17.12.2015 – CHR). Im September 2015 wurde mit der Errichtung von Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien ein Grenzverfahren in dort eingerichteten Transitzonen etabliert (UNHCR Mai 2016; aida November 2015; CHR). Im Fall von Unzulässigkeit und im beschleunigten Verfahren ist vom Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (OIN) innerhalb von 15 Tagen zu entscheiden, im regulären Verfahren innerhalb von zwei Monaten (aida November 2015, S. 12; CHR). Die Rechtsmittelfrist gegen Unzulässigkeitsentscheidungen des OIN bzw. gegen Entscheidungen im beschleunigten Verfahren beträgt drei Tage, im Standardverfahren acht Tage (UNHCR Mai 2016, S. 10; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 21 ff.). Unter Beibehaltung der im Juli 2013 eingeführten Asylhaft im Allgemeinen wurde die zulässige Haftdauer für Grenzankömmlinge ohne Papiere auf 24 statt bisher 12 Stunden heraufgesetzt und die Haftanordnung im Dublin-Verfahren erleichtert. Im Allgemeinen kann Asylhaft erstmalig maximal für 72 Stunden sowie aufgrund eines Verlängerungsantrags um maximal 60 Tage aus im Einzelnen genannten Gründen angeordnet werden, insbesondere bei unklarer Identität und Gefahr des Untertauchens. Zuvor ist zu prüfen, ob ein milderes Mittel zur Anwendung kommen kann (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Regensburg v. 27.1.2016: Rücküberstellungen nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens – AA 27.1.2016). Die maximale Dauer der Asylhaft beträgt 6 Monate, bei Folgeanträgen 12 Monate und bei Familien mit Kindern 1 Monat (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 63). Die bisher verpflichtende Platzgröße für die Asylhaft wurde in eine Empfehlung umgewandelt, die so weit wie möglich einzuhalten ist. Ferner kann OIN Asylantragsteller ohne Dokumente verpflichten, ihr Heimatland zu kontaktieren (HHC 7.8.2015; CHR). (24)

Dublin-Rückkehrer, über deren Erstantrag bei Rückkehr noch nicht entschieden wurde, werden als Erstantragsteller behandelt (AA 27.1.2016). Grundsätzlich hat die Asylbehörde in Fällen, in denen Asylantragsteller während eines laufenden Asylverfahrens in einen Mitgliedstaat weiterreisen, in jedem Verfahrensstadium die Möglichkeit, entweder auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen eine Sachentscheidung zu treffen oder aber das Asylverfahren einzustellen. Regelmäßig wird das Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 21 ff.). Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann bis zu neun Monate nach Einstellung des Verfahrens beantragt werden (UNHCR Mai 2016, S. 20; AA 27.1.2016). Danach wird die Einstellung endgültig und der Asylbewerber wird wie ein Folgeantragsteller behandelt, wobei Änderungen dergestalt in Planung seien, dass der Asylantrag auch in diesem Fall vollumfänglich geprüft werde (AA 27.1.2016). (25)

b) Angesichts dieser Ausgangslage, die nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ab dem Jahr 2013 bis zum jetzigen Zeitpunkt durch eine fortschreitende (gesetzliche) Intensivierung und Verschärfung gekennzeichnet ist, besteht für die Kläger insbesondere die Gefahr, in Ungarn ohne ausreichende gesetzmäßige Anordnung und ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeiten inhaftiert zu werden (26).

Die Anordnung der Asylhaft ist schon nach den gesetzlichen Vorgaben in großem Umfang zulässig. Danach kann Asylhaft angeordnet werden 1. bei unklarer Identität oder Staatsangehörigkeit, 2. bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden, 3. wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht, 4. wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, 5. wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde oder 6. zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht (AA 27.1.2016). Diese Formulierung der Haftgründe ist sehr weit gefasst und lässt damit Raum für eine weitreichende Inhaftierung von Asylbewerbern (siehe auch UNHCR, Stellungnahme an das VG Düsseldorf v. 30.9.2014: Situation der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer und Inhaftierungen – UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 31.10.2014: Haftsituation von Asylbewerbern in Ungarn – Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 59 ff.). (27)

Auch die tatsächliche Praxis der Inhaftierung in Ungarn wird schon länger in vielen Punkten erheblich kritisiert. So solle das OIN vor einer Haftanordnung zwar prüfen, ob Alternativen zur Haft bestünden, aber nach Auskunft des Hungarian Helsinki Committee und Pro Asyl (Brief Information Note for the Seminar on the Right to Asylum in Europe, Barcelona, 9.-10.6.2016: The Reception Infrastructure for Asylum-Seekers in Hungary – HHC Juni 2016; Pro Asyl 31.10.2014) werde hiervon nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht; Verlängerungen würden automatisch für den Höchstzeitraum beantragt und die Haftanordnungen seien nicht individualisiert (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Kritisch angemerkt wird dabei ferner, dass es in „Asylhaft“-Einrichtungen des OIN praktisch kein ausgebildetes Personal gebe; Sozialarbeiter erhielten nur Zugang unter Begleitung einer bewaffneten Wache. Auch wenn sich die Inhaftierten zwischen 6.00 und 23.00 Uhr innerhalb der Hafteinrichtungen frei bewegen könnten (Pro Asyl 31.10.2014) und es in der polizeilichen „Einwanderungshaft“ für Folgeantragsteller ausgebildetes Bewachungspersonal gebe (UNHCR 30.9.2014), wird festgestellt, dass Asylbewerber bei etwaigen Behördengängen und Gerichtsterminen wie im Strafverfahren gefesselt und mit Handschellen vorgeführt würden (aida November 2015, S. 65; CHR). Weiter wird kritisiert, dass die Inhaftierungsquote ab dem Jahr 2013 kontinuierlich angestiegen sei. Während in einer Auskunft des Auswärtigen Amts vom 3. Juli 2015 an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015) noch angegeben wurde, dass im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 2,1% aller Asylantragsteller und 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, komme es in der Praxis nach Auskunft von aida (November 2015, S. 62) und CHR sehr häufig zu Inhaftierungen und entgegen der gesetzlichen Regelung seit September 2014 auch bei Familien mit Kindern, die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von Gesetzes wegen als schwerwiegendstes Mittel bis zu 30 Tage inhaftiert werden könnten. UNHCR kann jedoch nicht bestätigen, dass die Haft nur unter dieser Voraussetzung stattfindet (UNHCR 30.9.2014). Pro Asyl gibt vielmehr an, dass OIN ab September 2014 Familien verstärkt inhaftiert habe (Pro Asyl 31.10.2014). Anlässlich seines Besuchs vom 24. bis 27. November 2015 wurde dem CHR von OIN mitgeteilt, dass sich derzeit 525 Asylantragsteller in offenen Aufnahmeeinrichtungen befänden und 412, mithin ca. 44%, inhaftiert seien. Anfang November 2015 soll die Inhaftierungsquote CHR zufolge sogar 52% gegenüber 11% im Jahr 2014 betragen haben (siehe auch HHC v. Juni 2016). Zudem scheint sich nach Auffassung der genannten Organisationen der ungenügende Gebrauch von Haftalternativen fortzusetzen. Auch das Problem der willkürlichen Inhaftierung sei weiterhin akut. Nach Auskunft von HHC waren am 30. Mai 2016 insgesamt 702 Asylbewerber in Haft, 1.583 in offenen Aufnahmeeinrichtungen. Zuletzt meldete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Kurzinformation Ungarn v. 14.12.2016: Zentrum Bicske geschlossen – BFA 14.12.2016), dass im Dezember 2016 nach offiziellen Zahlen 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig waren. Zur Haftdauer berichtet Pro Asyl in Zusammenarbeit mit dem HHC, das wiederum eine Anfrage an OIN richtete, dass die durchschnittliche Haftdauer im Zeitraum vom 1.7.2013 bis 31. August 2014 dem OIN zufolge zwar „nur“ 32 Tage betragen habe, nach den eigenen Einschätzungen und einer Untersuchung des HHC allerdings deutlich länger sei. Die Diskrepanz beruhe auf vermutlich darauf, dass OIN nicht nur die Zeit von Inhaftierungen einrechne, sondern auch diejenigen Fälle ohne jegliche Inhaftierung (28).

Schließlich wies HHC im Juni 2016 nochmals ausdrücklich darauf hin, dass Ungarn einer der wenigen Staaten in Europa sei, in dem Asylerstantragsteller in der Regel für mehrere Monate inhaftiert würden (HHC Juni 2016). Dublin-Rückkehrer würden in der Praxis regelmäßig inhaftiert (so auch UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; CHR). Diese Haft werde als „Asylhaft“, nicht als „Abschiebehaft“ oder „Einwanderungshaft“ verhängt (UNHCR 30.9.2014). Auch das Auswärtige Amt (AA 3.7.2015) gibt an, dass die Wahrscheinlichkeit, in Haft genommen zu werden, im ersten Halbjahr 2015 für Dublin-Rückkehrer gegenüber Neuankömmlingen erhöht gewesen sei (29).

Zudem lässt sich den Erkenntnisquellen nicht entnehmen, dass ein effektiver Rechtsschutz existieren würde. Insbesondere bestehen für das OIN und auch die Gerichte sehr restriktive Fristenregelungen zur Entscheidung. Diese sind nicht ausreichend, um die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu gewährleisten. Bei Fristen im Tagebereich wie dargestellt können die unverzichtbaren Anforderungen an ein solches Verfahren einschließlich Dolmetscher, Anhörung, (individualisierter) Herkunftslandinformationen etc. nicht eingehalten werden (siehe hierzu HHC 7.8.2015; aida November 2015; CHR). Gleiches gilt für die Rechtsmittelfristen (siehe auch aida November 2015; CHR). Weiter gibt es zwar de iure Zugang zu Rechtsberatung, in der Praxis ist diese aber den Auskünften zufolge mangels entsprechender staatlicher Finanzierung nicht verfügbar (UNHCR 30.9.2014). Soweit überhaupt staatliche Anwälte bestellt seien, agierten diese passiv (Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015). Tatsächlich gebe es damit nur Zugang zu den (Vertrags-)Anwälten des HHC, so dass nur eine Minderheit anwaltliche Vertretung erhalte (Pro Asyl 31.10.2014). Außerdem ist gegen die Verhängung von „Asylhaft“ kein gesetzlicher Rechtsbehelf vorgesehen, sondern nur eine sogenannte „Einspruchsmöglichkeit“. Nach den Informationen von UNHCR werde aber auch hiervon aus Unkenntnis kein Gebrauch gemacht (UNHCR 30.9.2014). Gegen die „Einwanderungshaft“ gebe es ebenfalls keinen Rechtsbehelf, nur eine automatische Überprüfung (UNHCR 30.9.2014). Die gerichtliche Haftüberprüfung erfolge in einem „automatisierten“ Prozess alle 60 Tage durch dieselben (Straf-)Richter, die die Erstprüfung durchgeführt hätten (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 67 ff.). In der täglichen Praxis würden Entscheidungen für 5 bis 15 Häftlinge innerhalb von 30 Minuten gefällt, ohne dass eine individuelle Prüfung erfolgen könne (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Schon im Jahr 2012 habe der Oberste Gerichtshof (Kuria) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die 8.000 Entscheidungen analysiert habe, von denen nur in drei Fällen keine Haftverlängerung erfolgt sei (UNHCR 30.9.2014). Die Asylarbeitsgruppe am Obersten Gerichtshof bestätigte im Oktober 2014, dass die gerichtliche Überprüfung der Asylhaft wirkungslos sei (aida November 2015, S. 67 ff.). Die Entscheidungen seien schematisch, das Verfahren nicht individualisiert und es erfolge keine Überprüfung, ob die Haft das einzige Mittel sei. Seit der Beanstandung durch die Kuria habe sich aber in der Praxis nichts geändert (aida November 2015, S. 67 ff.). Angesichts dieser gravierenden Missstände kann der Rechtsschutz damit insgesamt gesehen nicht mehr als wirksam bezeichnet werden (30).

Die Bewertung dieser Erkenntnisse ist insofern mit Schwierigkeiten verbunden, als jeweils nur punktuelle Angaben gemacht, wie etwa zu bestimmten Zeiträumen oder zu den betroffenen Gruppen, und keine statistisch aufbereiteten Daten für die Jahre 2014, 2015 und 2016 genannt werden zur (Gesamt-)Anzahl der Asylanträge in Ungarn, zur Anzahl der Dublin-Rückkehrer und zu den Verhältnissen in der Transitzone sowie dem jeweiligen Anteil an Inhaftierungen. Das kann wohl kaum darin begründet sein, dass keine offiziellen statistischen Informationen vorlägen, etwa ob Dublin-Rückkehrer regelmäßig oder ausnahmsweise inhaftiert werden, wie das Auswärtige Amt angibt (AA 27.1.2016). Denn das widerspräche zum einen dessen eigener Aussage in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015), wonach im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien. Zum anderen wurde dem CHR im November 2015 von OIN mitgeteilt, dass es zu diesem Zeitpunkt eine allgemeine Inhaftierungsquote von ca. 44% gegeben habe und von den in diesem Jahr durchgeführten 1.338 Dublin-Überstellungen 332 Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, also ca. 25%. Auch wenn hiermit keine übergreifende Aussage getroffen wird, die Angaben zur Inhaftierungsquote sehr differieren und nicht zu erkennen ist, inwieweit sich die statistischen Ausgangsdaten decken, lässt sich in der Zusammenschau mit den weiteren Angaben, insbesondere des Hungarian Helsinki Committee (Hungary: Key Asylum Figures as of 1 September 2016 – HHC 1.9.2016: am 29.8.2016 waren 233 von 707 Asylbewerbern in Haft) und des österreichischen Bundesamts für Asylwesen (BFA 14.12.2016: im Dezember 2016 waren 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig), dennoch ein Gesamtbild entnehmen. Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen deutlich, dass die Inhaftierung von Asylbewerbern in Ungarn weit verbreitet ist. Es tritt klar zu Tage, dass die gesetzlichen Vorgaben eine weitreichende Anordnung von Haft ermöglichen und sie auch in der praktischen Handhabung in beachtlichem Umfang stattfindet. Da zudem die Anordnung der Haft schematisch und ohne Einzelfallprüfung erfolgt und eine gerichtliche Überprüfung faktisch nicht stattfindet, muss davon ausgegangen werden, dass Dublin-Rückkehrer wie die Kläger im Fall ihrer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Diese Einschätzung wird auch bestätigt durch deren unbestrittenen Angaben, dass sie in Ungarn bereits inhaftiert gewesen seien.“ (31)

c) Die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht erfolgte Antwort der ungarischen Behörden auf die Anfrage des Beklagten, dass zugesichert werden möge, dass die Klägerin entsprechend der Richtlinie 2013/33/EU untergebracht werde, ändert ebenfalls nichts am Ergebnis. Denn ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung des Senats im Berufungsverfahren war angesichts der beim Bundesamt nicht vorliegenden Erfahrungswerte, wann mit einer derartigen Erklärung gerechnet werden könne, nicht mehr erforderlich. Ob eine derartige Antwort durch die ungarischen Behörden überhaupt noch erfolgt, kann derzeit nicht abgeschätzt werden und ist mehr als fraglich (vgl. hierzu auch OVG NRW, B.v. 8.12.2017 – 11 A 1966/15. A – juris).

Im Ergebnis durfte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin mangels Zuständigkeit Ungarns für die Bearbeitung des Asylantrags nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG als unzulässig ablehnen. Der Bescheid ist in Ziffer 1 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten.

Daher ist auch die in Ziffer 2 des Bescheids ausgesprochene Abschiebungsanordnung nach Ungarn (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtswidrig und verletzt die Klägerin ebenso in ihren Rechten. Auch insoweit ist der streitgegenständliche Bescheid daher aufzuheben.

Die Berufung der Beklagten ist damit unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


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Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entspre

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 31 Fristen und Termine


(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist. (2) Der Lauf einer Frist, die von einer Be

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(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Kläger, iranische Staatsangehörige, reisten im Mai 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. In ihren iranischen Reisepässen befanden sich spanische Schengen-Visa. Zur Begründung ihrer Asylanträge gaben die Kläger an, dass sie in ihrem Heimatland politisch verfolgt worden seien.

2

Am 27. Mai 2011 bat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) Spanien um Übernahme des Asylverfahrens nach der Dublin II-Verordnung. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 13. Juni 2011 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO. Mit Bescheid vom 17. Juni 2011 stellte das Bundesamt fest, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig sind und ordnete deren Abschiebung nach Spanien an.

3

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 2011 nahmen die Kläger ihre Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG sowie auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurück und beantragten nur noch die Feststellung subsidiären Schutzes.

4

Mit Bescheid vom 30. Juni 2011 stellte daraufhin das Bundesamt die Asylverfahren der Kläger ein (Ziffer 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziffer 2 des Bescheids). Das Verwaltungsgericht gewährte vorläufigen Rechtsschutz und hob mit Urteil vom 16. Mai 2012 die Ziffer 2 des Bundesamtsbescheids auf. Durch die Rücknahme der Asylanträge mit ex tunc-Wirkung sei die Zuständigkeit Spaniens für die Bearbeitung der Asylanträge rückwirkend wieder entfallen, da der Anwendungsbereich der Dublin II-VO nur Asylanträge, nicht dagegen den sogenannten subsidiären Schutz umfasse.

5

Mit Urteil vom 21. Mai 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bundesamtsbescheids sei rechtmäßig. Unabhängig von der Frage, ob unter einem Asylantrag im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Dublin II-VO lediglich der Antrag auf Flüchtlingsschutz oder auch der auf subsidiären internationalen Schutz zu verstehen sei, sei im vorliegenden Fall die Zuständigkeit Spaniens mit dessen Zustimmung begründet worden, und diese sei durch die Rücknahme der Asylanträge nicht wieder entfallen. Die Erteilung der Zustimmung entfalte für die Zuständigkeitsbestimmung gleichsam konstitutive Wirkung. Die Zustimmung beende das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats; der Hauptzweck der Dublin II-VO, d.h. die Ermittlung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, sei damit erreicht. Dem Asylantragsteller sei es verwehrt, gegen eine durch Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats begründete Zuständigkeit vorzugehen. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 [ECLI:EU:C:2013:813], Abdullahi -) könne der Antragsteller dem nur insoweit entgegentreten, als er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden. Das Dublin-Verfahren diene vorrangig der Klärung der Zuständigkeitsfrage mit dem Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge; subjektive Rechte des Antragstellers auf Prüfung seines Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat würden nicht begründet. Die durch die Zustimmung begründete Zuständigkeit Spaniens sei durch die Rücknahme der Asylanträge auch nicht wieder entfallen.

6

Die Kläger wenden sich mit ihrer Revision gegen die Rechtsauslegung des Berufungsgerichts. Sie machen geltend, das Berufungsgericht habe Bundesrecht verletzt, weil es den Begriff des "Asylantrags" entgegen dem Wortlaut des § 27a AsylVfG (jetzt: AsylG) nicht unionsrechtlich, sondern nach nationalem Recht ausgelegt habe und somit zu einem Ergebnis gelangt sei, das nicht im Einklang mit der Dublin II-Verordnung stehe. Aus Art. 2 Buchst. c Dublin II-VO ergebe sich, dass die Dublin II-Verordnung nur auf Anträge anwendbar gewesen sei, mit denen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, nicht aber auf solche, mit denen unionsrechtlicher subsidiärer Schutz begehrt werde. Denn nach Art. 2 Buchst. c Dublin II-VO sei von der Legaldefinition des "Asylantrags" nicht mehr auszugehen, wenn der Drittstaatsangehörige "ausdrücklich um einen anderweitigen Schutz (ersucht) habe, der gesondert beantragt werden kann". Die Zustimmungserklärung des Mitgliedstaats Spanien habe sich entsprechend dem Regelungsmechanismus der Dublin II-Verordnung daher nur auf die Prüfung der "Asylanträge" im Sinne der Dublin II-Verordnung gerichtet. Infolge der Rücknahme der Asylanträge der Kläger sei die Dublin II-Verordnung im Zeitpunkt der Behördenentscheidung mangels "Asylantrags" im Sinne von Art. 2 Buchst. c Satz 1 Dublin II-VO nicht anwendbar gewesen, so dass das Berufungsgericht für die Begründung der Anwendbarkeit der Dublin II-Verordnung auch nicht auf deren Hauptzweck habe abstellen dürfen. Die Beklagte habe zudem das hier zugrunde liegende Recht, die Dublin-Regeln, außer Kraft gesetzt.

7

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts steht im Einklang mit revisiblem Recht. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angefochtene Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 des Bundesamtsbescheids vom 30. Juni 2011) rechtmäßig ist (1.) und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (2.).

10

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390, 394). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es - wenn es jetzt entschiede - die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall in Bezug auf die maßgebliche Dublin-Verordnung - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

11

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Abschiebungsanordnung ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jetzt: AsylG) findet. Ihr Erlass setzt voraus, dass der Antragsteller in den sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden kann. Durch den Verweis auf § 26a AsylG und § 27a AsylG kennzeichnet § 34a Abs. 1 AsylG die Voraussetzungen, die für den Erlass einer Abschiebungsanordnung vorliegen müssen. § 27a AsylG sieht einen Ausschluss vom Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung eines Asylantrags u.a. für diejenigen Antragsteller vor, für die ein anderer Staat aufgrund von unionsrechtlichen Vorschriften zuständig ist. Hierbei bestimmt die Dublin-Verordnung die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats.

12

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit im vorliegenden Fall weiterhin die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 050 S. 1) - Dublin II-VO - maßgeblich ist. Dies ergibt sich aus der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 der am 19. Juli 2013 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO -. Danach ist die Dublin III-VO erst auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Seit diesem Zeitpunkt gilt sie außerdem - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme und Wiederaufnahme von Antragstellern. Hier wurden der Asylantrag und das Aufnahmegesuch vor diesem Stichtag gestellt.

13

Entgegen der Auffassung der Kläger konnte die kurzzeitige faktische Nichtanwendung der Dublin-Regeln im September/Oktober 2015 nicht zu einer für das Gericht normativ beachtlichen Außerkraftsetzung der Dublin-Verordnung führen, da diese verbindlich ist und unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat gilt (Art. 288 Abs. 2 AEUV).

14

1.1 Nach den in der Dublin II-Verordnung festgelegten Kriterien obliegt Spanien die Prüfung der klägerischen Anträge. Die originäre Zuständigkeit Spaniens ergibt sich aus Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO. Die Zuständigkeit ist nicht nachträglich auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, und zwar weder wegen Überschreitens der sogenannten Überstellungsfrist (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO <1.1.1>) noch durch die Rücknahme der klägerischen Asylanträge und die Beschränkung ihrer Anträge auf die Gewährung subsidiären Schutzes (1.1.2).

15

Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO wird der Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden in der in Kapitel III der Verordnung niedergelegten Reihenfolge geprüft (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO). Maßgeblich hierfür ist die Situation, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt (sogenannte Versteinerungsregel; vgl. EuGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - C-648/11 [ECLI:EU:C:2013:367], MA u.a. - Rn. 45; Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, 2. Aufl. 2007, Art. 5 Anm. K4). Nach Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO bestimmt sich die Zuständigkeit eines Staats aufgrund eines von ihm ausgestellten Visums, wenn der Asylbewerber eines der in Art. 2 Buchst. k Dublin II-VO genannten Visa besitzt. Ausweislich der Behördenakte verfügen die Kläger über spanische Schengen-Visa, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394) für die Durchreise oder für Kurzaufenthalte bis zu drei Monaten im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten erteilt werden. Spanien ist daher nach Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO als der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat anzusehen.

16

1.1.1 Die Zuständigkeit ist nicht nachträglich auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Ein Übergang der Zuständigkeit ist zunächst nicht deswegen gegeben, weil die Überstellung nach Spanien nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Mit "Entscheidung über den Rechtsbehelf" ist nicht die gerichtliche Entscheidung in dem zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemeint, mit der die Durchführung der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgesetzt wird, sondern die Entscheidung, mit der das Gericht "über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens" entscheidet und die der Durchführung des Überstellungsverfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (vgl. zur entsprechenden Frist in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO: EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian u.a. - Rn. 53; BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 2015 - 1 B 66.15 - juris Rn. 9). Wird die aufschiebende Wirkung - wie hier durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2011 - gewährt, so beginnt die Überstellungsfrist erst mit der Entscheidung in der Hauptsache zu laufen, da erst ab diesem Zeitpunkt die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zur Überstellung getroffen werden können (so auch Hailbronner, AuslR, Stand November 2015, § 27a AsylVfG Rn. 49).

17

1.1.2 Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Zuständigkeit Spaniens auch nicht durch die Rücknahme der klägerischen Asylanträge und die Beschränkung der Anträge auf die Gewährung subsidiären Schutzes wieder entfallen ist.

18

1.1.2.1 Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass der Begriff "Asylantrag" im Sinne von Art. 2 Buchst. c Dublin II-VO nur Anträge bezeichnet, mit denen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt wird, und auf den unionsrechtlichen subsidiären Schutz beschränkte Anträge nicht mit einschließt. Dass die Dublin II-VO nicht für Personen gilt, die ausschließlich subsidiären Schutz beantragen, bestätigt der Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zur Bewertung des Dublin-Systems vom 6. Juni 2007 (KOM <2007> 299 endg. 2.3.1). Hierin wird u.a. ausgeführt, dass im Zeitpunkt der Annahme der Verordnung ein subsidiäres Schutzkonzept noch nicht Teil des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstandes war. Erst mit der Annahme der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. L 304 S. 12, ber. ABl. L 204 S. 24) - sogenannte Qualifikationsrichtlinie - wurde das Konzept des subsidiären Rechtsschutzes zu einem Bestandteil des EU-Rechtsrahmens im Asylbereich.

19

1.1.2.2 Entgegen der Annahme der Kläger führt die Rücknahme der Asylanträge aber nicht dazu, dass die Anwendbarkeit der Dublin II-VO nachträglich entfällt mit der Folge, dass nicht Spanien, sondern die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des subsidiären Schutzanspruchs zuständig wäre. Denn im Zeitpunkt der Rücknahme der Asylanträge durch die Kläger mit Schriftsatz vom 28. Juni 2011 war die Annahme des Übernahmegesuchs durch Spanien (13. Juni 2011) bereits erfolgt und das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats damit abgeschlossen. Denn mit der Zustimmung steht der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat fest (vgl. auch: Hailbronner, AuslR, Stand November 2015, § 27a AsylVfG Rn. 59; Bergmann, ZAR 2015, 81 <88>).

20

Für eine auch nach Rücknahme des auf den Flüchtlingsschutz gerichteten Begehrens beachtliche Wirkung der Zustimmung zur Übernahme seitens des ersuchten Mitgliedstaats spricht auch Folgendes: Zwar bestimmen allein die Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags. An diese im Zeitpunkt einer Asylantragstellung bestehende Zuständigkeit eines Staats knüpfen die Verpflichtungen zur Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylbewerbers an (Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO; Hermann, Das Dublin System, 2008, S. 54 f.). Art. 16 Dublin II-VO ist erst dann anzuwenden, wenn die Zuständigkeit anlässlich der ersten Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat (Art. 4 Abs. 2 Dublin II-VO) nach den Kriterien des Kapitels III oder IV, entweder durch Nichteinleitung eines Aufnahmeverfahrens (wegen angenommener eigener Zuständigkeit oder Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO) durch den Mitgliedstaat des ersten Asylantrags oder durch Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zu einem Aufnahmeersuchen nach Art. 17 und 18 Dublin II-VO anerkannt worden ist. Die Feststellung der Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO bedingt somit einen Akt eines Mitgliedstaats (vgl. in diesem Sinne auch: Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 Anm. K2). Die ausschließliche Zuständigkeit eines Mitgliedstaats wird durch die Zustimmungserklärung zur Übernahme eines Asylbewerbers begründet.

21

Auch systematische Gründe sprechen für die konstitutive Wirkung der Zuständigkeitserklärung. So sieht Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO vor, dass das Einverständnis des ersuchten Mitgliedstaats mit einer Aufnahme fingiert wird, wenn innerhalb einer bestimmten Frist keine Antwort erteilt wird. Bei Verstreichenlassen der in Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO genannten Frist wird der ersuchte Mitgliedstaat daher ex lege zuständig (Zuständigkeit infolge Verfristung, vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 18 Anm. K16). Die Zustimmungsfiktion begründet somit die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats, ohne dass es darauf ankommt, ob die Voraussetzungen der Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Dublin II-VO erfüllt sind. Entsprechendes muss für die innerhalb der Frist erteilte Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats gelten. Denn die Zuständigkeitsbestimmungen dienen in ihrer Gesamtheit dem Ziel, eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (4. Erwägungsgrund der Dublin II-VO).

22

Aufgrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 3. Mai 2012 - C-620/10 [ECLI:EU:C:2012:265], Kastrati u.a. - ist es als geklärt anzusehen, dass es in den Fällen einer Asylantragsrücknahme für die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin II-VO maßgeblich darauf ankommt, wann der für die Prüfung des Antrags zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zugestimmt hat. Die Folgen einer Rücknahme des Asylantrags sind in der Dublin II-VO nur für die Fälle geregelt, in denen einer von mehreren Anträgen zurückgenommen wird (vgl. Art. 4 Abs. 5 und Art. 16 Satz 1 Buchst. d und Abs. 4 Dublin II-VO), nicht aber für Sachverhalte wie den vorliegenden, in denen der Asylbewerber den Antrag zurückgenommen hat, ohne in zumindest einem anderen Mitgliedstaat auch einen solchen Antrag gestellt zu haben. Für die Fälle der Rücknahme eines einzigen im Unionsgebiet gestellten Asylantrags hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 3. Mai 2012 -C-620/10 - (Rn. 47) entschieden, dass die Dublin II-VO nicht mehr anzuwenden ist, wenn die Rücknahme des Asylantrags erfolgt, bevor der für die Prüfung dieses Antrags zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat. Zur Begründung führt der Gerichtshof aus, dass in diesem Fall der Hauptzweck der Verordnung, d.h. die Ermittlung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten, nicht mehr erreicht werden kann (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-620/10 - Rn. 42). In diesem Fall ist es Sache des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Antrag gestellt wurde, die durch die Rücknahme veranlassten Entscheidungen zu treffen und insbesondere die Antragsprüfung einzustellen (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-620/10 - Rn. 48). Das Berufungsgericht hat dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Rücknahme bzw. Beschränkung des Antrags zu Recht - im Umkehrschluss - die Entscheidung entnommen, dass in Fällen wie den vorliegenden, in denen die Rücknahme des Asylantrags nach Zustimmung zur Übernahme erfolgt, die Dublin II-VO weiter Anwendung findet. Wegen der Zweistufigkeit des Verfahrens - Klärung der unionsrechtlichen Zuständigkeit und sodann Durchführung des Verfahrens - steht mit der Zustimmung zur Übernahme der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat fest und das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ist abgeschlossen. Die nachträgliche Rücknahme des Asylantrags kann der Erfüllung des Hauptzwecks der Dublin II-Verordnung, der Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaats, nicht mehr entgegenstehen.

23

1.2 Das Berufungsgericht nimmt ferner zu Recht an, dass die Anwendbarkeit der Dublin II-VO im Falle der Rücknahme des (einzigen) Asylantrags nicht davon abhängt, ob man der Antragsrücknahme ex tunc- oder ex nunc-Wirkung beimisst. Denn eine - wirksame - Rücknahme des Asylantrags führt nicht ipso jure zum Abschluss des Asylverfahrens. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn die zuständige mitgliedstaatliche Behörde eine abschließende Entscheidung getroffen hat. Für den Fall der Rücknahme des Asylantrags bestimmt Art. 19 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326, S. 13), dass, soweit die Mitgliedstaaten in den nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit einer ausdrücklichen Rücknahme vorsehen, sichergestellt werden muss, dass die Asylbehörde im Fall der ausdrücklichen Rücknahme eines Asylantrags die Entscheidung trifft, entweder die Antragsprüfung einzustellen oder den Antrag abzulehnen. Hat aber die zuständige Asylbehörde im Fall der Rücknahme des Asylantrags noch eine verfahrensbeendende Entscheidung herbeizuführen, setzt dies voraus, dass trotz Rücknahmeerklärung des Asylbewerbers noch die zuständige Asylbehörde nach den Vorgaben der Dublin II-VO bestimmt werden kann. Diese Auslegung deckt sich auch mit dem Ziel der Dublin II-VO, die Zuständigkeiten eines Mitgliedstaats möglichst rasch allein anhand objektiver Kriterien zu begründen und dem Asylbewerber insoweit jeden Einfluss durch die Stellung mehrere Anträge zu nehmen.

24

1.3. Ob - wie die Beklagte vorträgt - eine wirksame Rücknahme der Asylanträge nicht vorliegt, da die Kläger ihr ursprüngliches Schutzbegehren inhaltlich unverändert aufrechterhalten haben bzw. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Antragsrücknahme vorliegen, kann hier offenbleiben. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, hat die Rücknahme oder Beschränkung der Asylanträge auch dann, wenn sie nach der Zuständigkeitserklärung durch einen anderen Mitgliedstaat noch wirksam gegenüber dem ersuchenden Mitgliedstaat erklärt werden kann, die Anwendbarkeit der Dublin II-VO unberührt gelassen, da das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war.

25

2. Schließlich nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass es den Klägern auch sonst verwehrt ist, gegen eine Überstellung nach Spanien vorzugehen.

26

Durch die allgemeinen Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnung werden dem Einzelnen keine Rechtspositionen des Gemeinschaftsrechts verliehen. Das Dublin-Verfahren dient der Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats mit dem Ziel, durch eine zwischen den Mitgliedstaaten verbindlich vereinbarte Zuständigkeitsregelung unkontrollierte Weiterwanderungsbewegungen innerhalb der EU zu vermeiden und mehrfache oder sukzessive Asylanträge auszuschließen. Die Zuständigkeitsregelungen sind als zwischen den Mitgliedstaaten wirkende Organisationsvorschriften konzipiert, die einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats dienen. Ein allgemeines individualschützendes Recht auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat besteht nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - juris Rn. 20; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 34a AsylG Rn. 22).

27

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil in der Rechtssache "Abdullahi" entschieden, dass in einer Situation wie der vorliegenden, in der der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, der Betroffene der Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Asylbewerber in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 - Rn. 60). Derartige systemische Mängel sind im vorliegenden Fall für Spanien weder gerichtlich festgestellt noch von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden.

28

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Grundrechtsschutz im europäischen Kartellrecht.

I.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist ein zum TK…-Konzern gehörendes Unternehmen, das Edelstahlprodukte herstellt. Die TS… AG (heute in Form einer GmbH; im Folgenden TS…), ein von der Beschwerdeführerin zu unterscheidendes Unternehmen, war durch ihren Geschäftsbereich "nichtrostende säure- und hochtemperaturbeständige Flachstahlerzeugnisse" seit 1993 an einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot in Art. 65 § 1 des EGKS-Vertrags beteiligt. Zum 1. Januar 1995 übertrug sie den Geschäftsbereich auf die Beschwerdeführerin. Die Zuwiderhandlung dauerte bis 1998 an. In einem Schreiben vom 23. Juli 1997 erklärte die Beschwerdeführerin gegenüber der Europäischen Kommission, sie übernehme "die Verantwortung für etwaige Verhaltensweisen" von TS…. Am 23. Juli 2002 lief der EGKS-Vertrag aus (Art. 97 EGKS-Vertrag).

3

Die Kommission legte der Beschwerdeführerin mit Entscheidung vom 20. Dezember 2006 ein Bußgeld in Höhe von 3,168 Mio. Euro auf, zuzüglich Zinsen ab Fälligkeit in Höhe von 6,8 % (vgl. Entscheidung der Kommission 2007/486/EG vom 20. Dezember 2006 in einem Verfahren nach Art. 65 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, ABl EU Nr. L 182 vom 12. Juli 2007, S. 31). Diese Buße sollte auch die Zuwiderhandlung der TS… gegen das Kartellverbot vor dem 1. Januar 1995 ahnden. Gegen TS… wurde wegen des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 23. Juli 1997 kein Bußgeld verhängt. Die Kommission stützte ihre Entscheidung auf Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl EG Nr. L 1 vom 4. Januar 2003, S. 1; im Folgenden VO 1/2003). Das Auslaufen des EGKS-Vertrages am 23. Juli 2002 führe nicht zum Erlöschen der Befugnis der Kommission, die Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln auch auf den zum EGKS-Vertrag gehörenden Sektoren sanktionieren zu können (vgl. Entscheidung der Kommission 2007/486/EG, a.a.O.).

4

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 bot die Kommission der Beschwerdeführerin an - falls diese in der Sache das Gericht erster Instanz oder den Gerichtshof anrufen sollte -, für den Zeitraum der Anhängigkeit von einer Beitreibung abzusehen, wenn die Beschwerdeführerin sich vor Ablauf der Zahlungsfrist damit einverstanden erkläre, dass nach Ablauf der Zahlungsfrist zusätzliche Zinsen auf die Forderung erhoben würden und der Kommission spätestens bei Ablauf der Zahlungsfrist eine Muster-Bankbürgschaft in Höhe des geschuldeten Betrags zuzüglich Zinsen und Zuschläge bestellt werde. Die Beschwerdeführerin ging auf dieses Angebot ein und stellte der Kommission eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Bayerischen Landesbank.

5

2. Gegen die Bußgeldentscheidung der Kommission erhob die Beschwerdeführerin Nichtigkeitsklage. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2008 widerrief sie die Erklärung vom 23. Juli 1997. Sie bestritt zudem, dass sie durch diese Erklärung auch die Bußgeldhaftung für fremdes Verhalten habe übernehmen wollen. Gleichwohl bestätigte das Gericht die Entscheidung der Kommission (vgl. EuG, Urteil vom 1. Juli 2009, TKS…/Kommission, T-24/07, Slg. 2009, II-2309). Die Verordnung Nr. 1/2003 sei dahin auszulegen, dass sie die Kommission ermächtige, Kartelle in Bereichen, die sachlich und zeitlich unter den EGKS-Vertrag fielen, nach dem 23. Juli 2002 festzustellen und zu ahnden, auch wenn die genannten Vorschriften der Verordnung nicht ausdrücklich Bezug auf Art. 65 EGKS-Vertrag nähmen (vgl. EuG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O., Rn. 84). Außerdem habe das Gericht in einem Urteil aus dem Jahr 2001 eindeutig und rechtskräftig entschieden, dass die Kommission aufgrund der Erklärung vom 23. Juli 1997 berechtigt gewesen sei, der Klägerin die Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten von TS… aufzuerlegen (vgl. EuG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O., Rn. 114 ff., 144).

6

Das von der Beschwerdeführerin gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel wies der Gerichtshof der Europäischen Union zurück (vgl. EuGH, Urteil vom 29. März 2011, TKN…/Kommission, C-352/09 P, Slg. 2011, I-2359). Die Erwägungen des Gerichts zur Zuständigkeit der Kommission seien rechtsfehlerfrei (vgl. EuGH, Urteil vom 29. März 2011, a.a.O., Rn. 73 ff.). Es habe zwar einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, seine Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Haftungsübergangs sei von der Rechtskraft erfasst. Gleichwohl sei das Rechtsmittel zurückzuweisen, weil sich der Tenor aus anderen Rechtsgründen als richtig darstelle (vgl. EuGH, Urteil vom 29. März 2011, a.a.O., Rn. 134, 136, 157). Unter den besonderen und spezifischen Umständen des vorliegenden Falles, unter anderem der Erklärung vom 23. Juli 1997, sei die Kommission berechtigt gewesen, der Rechtsmittelführerin die Verantwortung für das TS… vorgeworfene Verhalten aufzuerlegen (vgl. EuGH, Urteil vom 29. März 2011, a.a.O., Rn. 150 ff.).

II.

7

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung der Kommission vom 20. Dezember 2006, das Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2009 und das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. März 2011. Sie rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Schuldgrundsatz), Art. 103 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.

8

1. Der Weg der Verfassungsbeschwerde gegen Akte der Europäischen Union sei eröffnet. Die Bußgeldentscheidung sei Ausdruck und Ergebnis eines insgesamt defizitären Grundrechtsschutzes in der Europäischen Union, so dass nach der Solange II-, Maastricht-, Lissabon- und Bananenmarkt-Rechtsprechung der Weg der Verfassungsbeschwerde eröffnet sei. Die Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich des EU-Kartellrechts in seiner Gesamtheit habe mittlerweile dazu geführt, dass die generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards vor den Unionsgerichten nicht mehr erreicht werden könne. Zudem hätten die Rechtsakte der Europäischen Union die Grenzen der ihr im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte verlassen. Insofern seien die Voraussetzungen des Mangold-Beschlusses gegeben.

9

2. Das rechtliche und wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Nichtigkeit beziehungsweise Nichtvollstreckbarkeit der Bußgeldverfügung in der Bundesrepublik Deutschland bestehe fort und sei auch nicht aufgrund der von der Beschwerdeführerin gestellten selbstschuldnerischen Bürgschaft entfallen.

10

Das Vorliegen eines Bürgschaftsvertrags auch bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft ändere nichts daran, dass der Hauptschuldner (Beschwerdeführerin) gegenüber dem Gläubiger (Kommission) verpflichtet sei. Die Kommission könne insoweit ohne Weiteres vollstrecken. Schon deshalb bestehe ein rechtliches Interesse an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ohne die Erklärung der Nichtigkeit beziehungsweise Nichtvollstreckbarkeit gebe es keine rechtliche Möglichkeit für die Beschwerdeführerin, die Vollstreckung zu verhindern, falls die Kommission die Forderung ihr gegenüber zwangsweise durchsetze.

11

Auch wenn die Kommission den Bürgen direkt in Anspruch nähme, entfalle das Rechtsschutzbedürfnis nicht, weil der Bürge nur in dem Umfang einzustehen habe, in dem auch der Hauptschuldner hafte. Fehle es an der Hauptschuld, hafte grundsätzlich auch der Bürge nicht. Von der Haftung des Bürgen hänge wiederum die Haftung der Beschwerdeführerin im Rückgewährungsschuldverhältnis ab. Bei einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde hafte sie gegenüber dem Bürgen nicht, wenn und soweit dieser zahle, obwohl die Hauptschuld aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nichtig oder nicht vollstreckbar gewesen sei. Die Rückgriffshaftung des Hauptschuldners gegenüber dem Bürgen reiche nur so weit, wie die Hauptverbindlichkeit auch tatsächlich bestehe. Auch vertragliche Rückgriffsansprüche zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner müssten dann ausscheiden.

12

Selbst wenn man unterstelle, dass der Bürge an die Kommission zahle und die Beschwerdeführerin dem Bürgen sodann die Zahlung erstatte, entfalle ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht. Bei einem nachträglichen Fortfall der Hauptschuld könne sie den Gläubiger, die Kommission, im Wege des Bereicherungsausgleichs auf Rückerstattung in Anspruch nehmen. Auch hierfür sei entscheidend, inwieweit die Hauptschuld als Rechtsgrund anzuerkennen sei.

13

3. In der Sache legt die Beschwerdeführerin dar, inwiefern sie durch die angegriffenen Maßnahmen in ihren Rechten verletzt sei. Sie werde, ausschließlich der Grundlage ihrer Erklärung vom 23. Juli 1997, für ein Fehlverhalten eines Dritten mit einem Bußgeld belegt. Dies verstoße sowohl gegen Art. 103 Abs. 2 GG, weil eine Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten gesetzlich nicht vorgesehen sei und rechtsgeschäftlich auch nicht übernommen werden könne, als auch gegen den aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Schuldgrundsatz, da sie ohne eigene Schuld sanktioniert werde. Unter weiteren, im Einzelnen näher aufgezeigten Gesichtspunkten lägen Verstöße gegen alle Absätze des Art. 103 GG sowie gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor.

III.

14

Mit Schriftsatz vom 26. August 2013 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzuordnen, dass bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache die Urteile der europäischen Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland für nicht vollstreckbar erklärt werden. Mit Beschluss vom 30. August 2013 lehnte die 1. Kammer des Zweiten Senats den Antrag ab. Die nach § 32 BVerfGG gebotene Folgenabwägung falle zu Lasten der Beschwerdeführerin aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 30. August 2013 - 2 BvR 2752/11 -, juris).

IV.

15

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt sind. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie unzulässig ist.

16

1. Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union sind keine Akte deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG und daher auch nicht unmittelbarer Beschwerdegegenstand im Verfahren der Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Juni 2016 - 2 BvR 2728/13 u. a. -, juris, Rn. 97; vgl. BVerfGE 129, 124 <175 f.>).

17

Solche Maßnahmen können zwar - als Vorfrage - Gegenstand der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht sein, soweit sie die Grundrechtsberechtigten in Deutschland betreffen. Sie berühren die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (BVerfGE 89, 155 <175>). Eine solche Prüfungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf Maßnahmen nichtdeutscher Hoheitsträger besteht aber nur insoweit, als diese Maßnahmen entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 134, 366 <382 Rn. 23>) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Reaktionspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 <394 ff. Rn. 44 ff.>; 135, 317 <393 f. Rn. 146>). Insofern prüft das Bundesverfassungsgericht mittelbar auch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daraufhin, ob sie durch das auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Zustimmungsgesetz gebilligte Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der europäischen Integration durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 73, 339 <374 ff.>; 102, 147 <161 ff.>; 118, 79 <95 ff.>; 123, 267 <354>; 126, 286 <298 ff.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 -, juris, Rn. 36 ff.; Urteil des Zweiten Senats vom 21. Juni 2016, a.a.O., Rn. 98 f.).

18

2. Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil ihr keine tauglichen Beschwerdegegenstände zugrunde liegen. Die Beschwerdeführerin greift eine Entscheidung der Europäischen Kommission und Urteile des Gerichts sowie des Gerichtshofs der Europäischen Union an. Damit wendet sie sich ausschließlich gegen Maßnahmen von Organen der Europäischen Union, die als solche mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen werden können.

19

Mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin veranlasste selbstschuldnerische Bankbürgschaft ist auch nicht abzusehen, dass die Kommission gegen die Beschwerdeführerin Vollstreckungsmaßnahmen einleiten wird, die (noch) durch die deutsche öffentliche Gewalt durchgesetzt werden müssten (vgl. Art. 299 AEUV). Gegen solche Maßnahmen stünden der Beschwerdeführerin die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung.

20

3. Die Beschwerdeführerin rügt schließlich auch keine Verletzung der Integrationsverantwortung von Bundesregierung und Bundestag, die diese dazu verpflichten würde, das kartellrechtliche Bußgeldregime des Unionsrechts auf den Prüfstand zu stellen und sich aktiv mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Auslegung und Anwendung von Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 durch die Organe der Europäischen Union die Verfassungsidentität des Grundgesetzes und die Grenzen des Integrationsprogramms wahrt, sowie eine positive Entscheidung darüber herbeizuführen, welche Wege zur Gewährleistung dieser Anforderungen gegebenenfalls beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 134, 366 <397 Rn. 53>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Juni 2016, a.a.O., Rn. 167).

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist.

(2) Der Lauf einer Frist, die von einer Behörde gesetzt wird, beginnt mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist.

(4) Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, so endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.

(5) Der von einer Behörde gesetzte Termin ist auch dann einzuhalten, wenn er auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt.

(6) Ist eine Frist nach Stunden bestimmt, so werden Sonntage, gesetzliche Feiertage oder Sonnabende mitgerechnet.

(7) Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, können verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, so können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Behörde kann die Verlängerung der Frist nach § 36 mit einer Nebenbestimmung verbinden.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. März 2016 wird aufgehoben. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Oktober 2015 wird in den Ziffern 1. und 2. aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Der Beschluss ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn.

Der Kläger ist ein am … … 1992 geborener irakischer Staatsangehöriger yezidischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 5. April 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 6. Mai 2015 einen Asylantrag. Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 6. Mai 2015 gab er im Wesentlichen an, aus Al-Kosh, Dorf Schekhke zu stammen, sein Heimatland am 22. März 2015 verlassen und am 5. April 2015 in Deutschland eingereist zu sein. Im Heimatland hielten sich noch seine Ehefrau, zwei Töchter und seine Großfamilie auf. Er habe die Grundschule besucht und dann als Hilfskraft gearbeitet. Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats am 11. Juni 2015 gab er an, zwei in Deutschland lebende Cousinen zu haben. Er habe am 22. oder 23. März 2015 im Irak seine Reise angetreten. Von dort sei er mit dem Bus in die Türkei gefahren. Nach einem Tag dort sei er mit Lkw und Pkw nach Deutschland gebracht worden. Am 4. April 2015 sei er in Deutschland eingereist. Er glaube, schon einmal in Ungarn und Bulgarien gewesen zu sein. Er sei dort jeweils festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt worden. In Bulgarien sei er drei oder vier Tage gewesen. Er wisse nicht genau, wann er in diesen Staaten gewesen sei, glaube aber, dass es Mitte bis Ende März 2015 gewesen sei.

Aufgrund eines EURODAC-Treffers der Kategorie 1 für Bulgarien richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Schreiben vom 11. Juni 2015 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien. Auf diese Anfrage lehnte Bulgarien eine Rückübernahme des Klägers ab, weil die Überstellungsfrist gemäß Art. 23 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) bereits abgelaufen sei. EURODAC-Treffer der Kategorie 1 und 2 ergaben sich auch hinsichtlich Ungarns. Aufgrund dessen richtete das Bundesamt mit Schreiben vom 8. Juli 2015 ein Übernahmeersuchen an Ungarn. Ungarn erklärte sich hierzu nicht.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2015 lehnte die Beklagte den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2). Außerdem befristete sie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 3).

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27. Oktober 2015 Klage. Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth ordnete mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 wegen der unklaren Lage in Ungarn die aufschiebende Wirkung der Klage an (B 3 S 15.50275).

Mit Urteil vom 18. März 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon auszugehen sei, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leide, aufgrund derer die dorthin zu überstellenden Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 Gr-Charta bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt würden. Weder bestünden systemische Mängel bezüglich des Asylverfahrens noch bezüglich der Aufnahmebedingungen in Ungarn.

Auf den fristgerecht gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers wurde die Berufung vom Senat mit Beschluss vom 22. November 2016 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zugelassen.

Zur Begründung der Berufung führt der Kläger aus, dass in Ungarn von systemischen Mängeln auszugehen sei. Auf das Urteil des Baden-Württembergischen VGH vom 5. Juli 2016 (Az.: A 11 S 974/16 – juris) werde Bezug genommen. Darüber hinaus akzeptiere Ungarn spätestens seit dem 14. Juni 2016 und in Zukunft keine Überstellungen von Deutschland aus im Rahmen der Dublin-III-VO mehr. Insoweit werde verwiesen auf die E-Mail der ungarischen Dublin-Unit vom 14. Juni 2016 sowie das Schreiben des Baden-Württembergischen VGH vom 25. Juli 2016 an das Bundesamt, die in Kopie beigefügt waren.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. März 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2015 werden in Ziffern 1 und 2 aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, dass der von der Klägerseite herangezogenen Mailnachricht nicht die dort gewünschte Aussagebedeutung zukomme. Dies belege bereits, dass nicht nur für Juli und August 2016, sondern ebenso für die Folgemonate und auch aktuell unverändert Überstellungen nach Ungarn erfolgten. Im Jahr 2016 habe Ungarn insgesamt 3.756 Zustimmungen zu Übernahmeersuchen erteilt und es seien 294 Überstellungen erfolgt. Allein im Dezember 2016 seien bei 98 Zustimmungen 14 Personen überstellt worden. Dies zeige, dass im Rahmen des Dublinverfahrens weiter Überstellungen nach Ungarn durchgeführt werden könnten und würden. Deutschland überstelle auch 2017 weiterhin Personen nach Ungarn und Ungarn akzeptiere die durchgeführten Überstellungen. Die Quote an Überstellungen nach Ungarn in Relation zu den von dort eingegangenen Zustimmungen liege jahresbezogen für 2016 bei ca. 8%, für Dezember 2016 sogar bei 16%. Es zeigten sich auch keine Gründe dafür, dass in tatsächlicher Hinsicht der Überstellungsvollzug auszuscheiden hätte oder die Beklagte zur Ausübung des sogenannten Selbsteintrittsrechts verpflichtet sein könnte. Vorliegend sei auch die Überstellungsfrist noch nicht verstrichen. In dieser Konstellation müsse sich jeder Antragsteller darauf verweisen lassen, dass die Dublin-Verordnung im Zusammenhang mit der Überstellungsfrist ein klares Zuständigkeitsreglement vorsehe, das allein an das tatsächliche Verstreichen der Frist zur Überstellung einen Zuständigkeitsübergang knüpfe. Aus welchen Gründen es zu einem Verstreichen der Überstellungsfrist komme, spiele keine Rolle. Es lägen auch keine Gründe vor, die einen Übergang der Zuständigkeit nach den Kapiteln III ff. der Dublin-III-VO ergeben würde. Insbesondere sei die Beklagte weiterhin der Ansicht, dass sich im ungarischen Asylsystem und den dortigen Aufnahmebedingungen keine systemischen Schwachstellen zeigten. Insoweit werde in Ergänzung der bisherigen Ausführungen auf die überzeugenden Feststellungen des VG Berlin im Urteil vom 13. Dezember 2016 (3 K 509.15 A – juris) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 6. September 2017 teilte die Beklagte auf Anfrage des Senats nach einer unstreitigen Beilegung des Rechtsstreits mit, dass dies nach der aktuell geltenden Weisungslage davon abhängig sei, ob Ungarn eine Zusicherung dahin abgebe, dass die zu überstellende Person entsprechend den Normen der Richtlinie 2013/33/EU untergebracht und ihr Antrag nach Maßgabe der Richtlinie 2013/32/EU bearbeitet werde. Eine solche Anfrage habe erst an diesem Tag in die Wege geleitet werden können.

Auf Nachfrage des Senats teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. September 2017 mit, dass keine belastbaren Erkenntnisse dazu vorlägen, bis wann mit einer Antwort der ungarischen Behörden auf entsprechende Anfrage nach einer Zusicherung zur Behandlung der zu überstellenden Person gemäß der Richtlinie 2013/33/EU zu rechnen sei.

Mit Schreiben vom 2. November 2017 hörte der Senat die Beteiligten zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO an.

Die Beklagte teilte hierzu mit, dass noch keine Antwort der ungarischen Partnerbehörden auf die Bitte um Zusicherung einer Behandlung des Antragstellers entsprechend der Richtlinie 2013/33/EU erfolgt sei. Daher sei weiterhin keine Möglichkeit vorhanden, dem Klagebegehren abzuhelfen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des Bundesamts sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, weil er sie einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, § 130a VwGO.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. März 2016 ist daher ebenso aufzuheben wie der Bescheid des Bundesamts vom 21. Oktober 2015 im beantragten Umfang.

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid des Bundesamts vom 21. Oktober 2015, soweit damit der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und seine Abschiebung nach Ungarn angeordnet (Ziffer 2) wurde. Statthafte Klageart dagegen ist die Anfechtungsklage (BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – BVerwGE 153, 162, 1. Leitsatz und Rn. 13 – 15). Hinsichtlich der Ziffer 3 (Befristung des Verbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG) wurde der Bescheid nicht angefochten, so dass insoweit Bestandskraft eingetreten ist.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylG der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats.

Die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig ist rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG nicht gegeben sind. Zwar ist Ungarn der an sich für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständige Mitgliedsstaat (hierzu 1.), allerdings besteht eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt, da der Kläger bei einer Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 ERMK, Art. 4 GR-Charta ausgesetzt wäre (hierzu 2.).

1. Der zuständige Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers bestimmt sich vorliegend nach der Dublin-III-VO, die nach deren Art. 48 und 49 am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist und für alle seitdem gestellten Asylanträge gilt. Der Kläger stellte seinen Asylantrag nach diesem Zeitpunkt und zwar am 6. Mai 2015.

Das Bundesamt hat sein Übernahmeersuchen rechtzeitig an Ungarn gestellt und ist daher nicht nach Art. 21 Abs. 1, UA 3 der Dublin-III-VO zuständig geworden.

Die Frist des Art. 21 Abs. 1 UA 2 Dublin-III-VO wurde vom Bundesamt eingehalten. Diese Frist beträgt zwei Monate ab der EURODAC-Treffermeldung. Im vorliegenden Fall wurden die EURODAC-Treffer am 8. Mai 2015 ausgelesen. Die zweimonatige Frist begann damit nach § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 ff. BGB am 9. Mai 2015, 0:00 Uhr zu laufen und endete am 8. Juli 2015, 24:00 Uhr. Das ausweislich der Bundesamtsakte am 8. Juli 2015 an Ungarn gestellte Übernahmeersuchen wurde damit fristgerecht gestellt.

Daneben ist aber auch die dreimonatige Frist des Art. 21 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO eingehalten worden. Was unter einem „Antrag auf internationalen Schutz“ im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen ist, regelt Art. 20 Abs. 2 der Dublin-III-VO und wurde vom Europäischen Gerichtshof in dessen Urteil vom 26. Juli 2017 (C-670/16 – NVwZ 2017, 1601 ff.) konkretisiert. Danach reicht als Antrag auf internationalen Schutz ein Schriftstück, das von einer Behörde ausgestellt ist und bescheinigt, dass ein Nicht-EU-Staatsangehöriger um internationalen Schutz ersucht hat. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger nach seiner Einreise nach Deutschland am 5. April 2015 von der Regierung von Oberbayern eine sogenannte „Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber – BÜMA“ ausgestellt und diese ging ausweislich des Eingangsstempels am 13. April 2015 bei der Außenstelle Zirndorf des Bundesamts ein (Blatt 23 der Bundesamts-Akte). Ausgehend von diesem Datum ist die dreimonatige Frist des Art. 21 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO gewahrt.

Gegen eine Zuständigkeit Ungarns spricht auch nicht, dass der Kläger zunächst in Bulgarien einen Antrag auf Asyl gestellt hatte. Denn ausweislich der (undatierten) Antwort der bulgarischen Dublin-Einheit auf das zunächst an Bulgarien gestellte Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 11. Juni 2015 (Bl. 76 der Bundesamts-Akte) hatte der Kläger nach seiner Asylantragstellung in Bulgarien am 18. März 2015 am 1. April 2015 in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Ungarn hatte aber nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO ein Übernahmegesuch an Bulgarien gestellt, mit der Folge, dass nach Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO Ungarn für die Prüfung des Asylantrags zuständig geworden war. Bulgarien hatte aus diesem Grund das Übernahmegesuch Deutschlands abgelehnt.

Nachdem Ungarn auf das Übernahmeersuchen Deutschlands nicht geantwortet hatte, ist nach Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO von dessen Zustimmung für die Rückübernahme auszugehen und Ungarn zur Rückübernahme verpflichtet.

Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO auf Deutschland übergegangen. Denn diese Frist beginnt mit der Annahme des Aufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedsstaat oder mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat. Letzteres war vorliegend der Fall, da das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 (B 3 S 15.50275) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hatte. Damit war die sechsmonatige Frist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO noch nicht angelaufen.

2. Allerdings weisen das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Schwachstellen auf, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta für den Kläger mit sich bringen. Daher ist Ungarn in vorliegenden Fall für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig bzw. kann eine Rücküberstellung des Klägers nach Ungarn nicht erfolgen (Art. 3 Abs. 2 UA 2 und 3 Dublin-III-VO und EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10 und C-493/10 – NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 – Abdullahi, C-394/12 – NVwZ 2014, 208; U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691).

a) Im Frühjahr 2017 ist in Ungarn eine weitere Verschärfung der Asylgesetze in Kraft getreten. Danach werden nun alle Asylantragsteller (und nicht mehr nur die neu über die Südgrenze eintreffenden) in den seit 2015 errichteten „Transitzonen“ an der Grenze insbesondere zu Serbien untergebracht und dort inhaftiert (Hungarian Helsinki Committee HHC, Hungary: Government’s New Asylum Bill on Collective Push-Backs and Automatic Detention, Information Update by the Hungarian Helsinki Committee, 15. Februar 2017, Seite 2; UNHCR, Schreiben an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach vom 28.6.2017 mit Anmerkungen zu Änderungen des ungarischen Asylrechts und zu Dublin-Überstellungen nach Ungarn, Seite 2; Amnesty International, Hungary: Legal amendments to detain all asylum-seekers a deliberate new attack on the rights of refugees and migrants, 9. März 2017, Seite 3; Handelsblatt vom 16.3.2017: Verschärftes Asylgesetz tritt in Kraft, recherchiert am 23. Januar 2018 unter www.handelsblatt.com; spiegel-online vom 7. März 2017: Ungarn beschließt Internierung von Flüchtlingen, zuletzt recherchiert am 23. Januar 2018 unter www.spiegel.de). Damit werden alle Asylsuchenden und auch die aus anderen Mitgliedsstaaten im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens an Ungarn rücküberstellten Asylsuchenden für die Zeit des Asylverfahrens inhaftiert. Damit verstößt Ungarn gewollt und systematisch gegen die maßgeblichen mitgliedsstaatlichen Vorschriften zum Asylverfahren und zu den Aufnahmebedingungen.

Nach Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-VO nehmen die Mitgliedsstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Vielmehr ist nach Abs. 2 der Bestimmung die Haft nur in bestimmten Fällen zulässig, und zwar zur Sicherstellung von Überstellungsverfahren, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht nach einer Einzelfallprüfung und nur dann, wenn die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Über diesen eng beschränkten Zweck geht Ungarn mit der generellen Inhaftnahme von Asylantragstellern und Dublin-Rückkehrern aber weit hinaus. Die Haft ist dort gerade nicht auf die Fälle des Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO beschränkt.

Darüber hinaus ist Ungarn grundsätzlich nach der Dublin-III-VO der für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständige Mitgliedsstaat (s.o.). Daher gelten für Ungarn grundsätzlich die in der Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 v. 29.6.2013)) festgelegten Anforderungen. Auch nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie nehmen die Mitgliedsstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie ein Asylantragsteller ist. Die Gründe für die Anordnung der Haft sind in Art. 8 Abs. 3 wiederum auf bestimmte, eng umgrenzte Haftzwecke beschränkt. In Ungarn findet inzwischen aufgrund der geänderten Rechtslage aber eine generelle Inhaftnahme von Asylantragstellern statt. Insoweit gibt es auch keinen Zweifel daran, dass es sich bei dieser Haft um eine Freiheitsentziehung i.S.v. Art. 5 EMRK und nicht lediglich um eine Aufenthaltsbeschränkung handelt (vgl. hierzu HHC, Two Years After: What’s Left of Refugee Protection in Hung…, September 2017, Seite 7; EGMR, U.v. 14.3.2017 – Nr. 47287/15 – Rn. 66). Denn die Transitzonen sind von einem Stacheldrahtzaun umzäunt und werden von Polizisten und bewaffneten Sicherheitskräften bewacht. Es befinden sich Kameras in jeder Ecke, daneben sind die Unterbringungen in den Grenzzaun eingebettet.

Diese Haft ist auch im konkreten Fall „erniedrigend“. Der EGMR hat zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GR-Charta wortgleich ist, ausgeführt, dass diese Bestimmung nur anwendbar ist, wenn die Misshandlung ein bestimmtes Mindestmaß an Schwere erreicht und körperliche Verletzungen oder intensive physische oder psychische Leiden mit sich bringt (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 3 Rn. 19; EGMR, U.v. 6.4.2000 – Nr. 26772/95 – Labita/Italien, Beck-RS 2013, 11454 Rn. 120). Um zu entscheiden, ob eine Behandlung „erniedrigend“ im Sinne von Art. 3 EMRK ist, ist darauf abzustellen, ob die Absicht damit verbunden war, den Betroffenen zu demütigen oder zu erniedrigen und ob dieser, was die Folgen betrifft, in seiner Persönlichkeit getroffen wurde und zwar in einer mit Art. 3 EMRK unvereinbaren Art und Weise (EGMR, U.v. 12.5.2005 – Nr. 46221/99 – Öcalan/Türkei, NVwZ 2006, 1276 Rn. 181 m.w.N.). Eine Festnahme oder Haft im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren ist danach nur dann erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK, wenn die damit verbundene Demütigung oder Erniedrigung eine besondere Schwelle erreicht hat und jedenfalls über das hinaus geht, was üblicherweise jede Festnahme oder Haft mit sich bringt (EGMR a.a.O. „Öcalan“ Rn. 181 m.w.N.).

Im Falle der ungarischen Verhältnisse sind diese Anforderungen erfüllt, sodass von einer erniedrigenden Behandlung auszugehen ist. Denn es liegen hier verschiedene Einzelaspekte vor, die auf eine Absicht des ungarischen Staates hindeuten, die Asylantragsteller durch die Asylhaft zu erniedrigen. So werden die Asylantragsteller, wenn sie von der Hafteinrichtung zum Gericht gebracht werden oder bei anderen Gelegenheiten (z.B. beim Besuch eines Krankenhauses) mit Handschellen gefesselt und an einer Leine geführt (Aida, Country Report: Hungary, 2016 Update, Februar 2017, Seite 77). Damit wird in einer über jegliche Notwendigkeit hinausgehenden Weise unabhängig vom Einzelfall den Asylantragstellern verdeutlicht, dass sie sich in einer unterlegenen Situation befinden. Daneben stehen den ungarischen Behörden sehr weitgehende Möglichkeiten zur Verlängerung der Asylhaft nach den gesetzlichen Regelungen zur Verfügung. Die Praxis geht darüber hinaus dahin, dass Möglichkeiten, von der Haft im Einzelfall abzusehen, in der Praxis nicht genutzt werden (vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.50003 – juris Rn. 28 – 39). Insbesondere finden sich in den Gerichtsentscheidungen keinerlei Individualisierungen, vor allem was den Vorrang anderer Maßnahmen vor der Haft angeht. Auch die Umzäunung durch Stacheldraht und die Bewachung durch die Polizisten und Sicherheitskräfte sowie die ständige Überwachung durch Kameras ist geeignet und zielt wohl auch darauf ab, bei den inhaftierten Asylbewerbern ein Gefühl der Unterlegenheit und des Ausgeliefertseins zu erzeugen, das sie veranlasst, möglichst schnell Ungarn wieder zu verlassen, wie es auch die erklärte Politik der ungarischen Regierung ist (vgl. hierzu auch HessVGH, B.v. 24.8.2017 – 4 A 2986/16.A – juris Rn. 54/55).

b) Darüber hinaus schließt sich der Senat den Erwägungen des 13a-Senats des Verwaltungsgerichtshofs in dessen Entscheidung von 23. März 2017 (13a B 17.50003, dort insbesondere Rn. 24 – 31) an. Der 13a-Senat hat dort wie folgt ausgeführt:

„a) Das ergibt sich aus der dortigen (gesetzlichen) Entwicklung in den letzten Jahren. Nach der am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung des Asylgesetzes, die die Möglichkeit einer Inhaftierung von Asylbewerbern vorsah, kam es ab Sommer 2015 zu weiteren Gesetzesänderungen betreffend unter anderem die Einführung eines beschleunigten Verfahrens, den Rechtsschutz und die Inhaftierung sowie die Aufnahme von Serbien in eine nationale Liste sicherer Drittstaaten mit der Folge der Unzulässigkeit von Asylanträgen bei Einreise über Serbien (UNHCR, Hungary: As a Country of Asylum, Mai 2016 – UNHCR Mai 2016; Hungarian Helsinki Committee, Information Note v. 7.8.2015: Changes to Hungarian asylum law jeopardise access to protection in Hungary – HHC 7.8.2015; AIDA – Asylum Information Database, Country-Report: Hungary v. November 2015 – aida November 2015; Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights, Applications No. 44825/15 und 44944/15 v. 17.12.2015 – CHR). Im September 2015 wurde mit der Errichtung von Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien ein Grenzverfahren in dort eingerichteten Transitzonen etabliert (UNHCR Mai 2016; aida November 2015; CHR). Im Fall von Unzulässigkeit und im beschleunigten Verfahren ist vom Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (OIN) innerhalb von 15 Tagen zu entscheiden, im regulären Verfahren innerhalb von zwei Monaten (aida November 2015, S. 12; CHR). Die Rechtsmittelfrist gegen Unzulässigkeitsentscheidungen des OIN bzw. gegen Entscheidungen im beschleunigten Verfahren beträgt drei Tage, im Standardverfahren acht Tage (UNHCR Mai 2016, S. 10; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 21 ff.). Unter Beibehaltung der im Juli 2013 eingeführten Asylhaft im Allgemeinen wurde die zulässige Haftdauer für Grenzankömmlinge ohne Papiere auf 24 statt bisher 12 Stunden heraufgesetzt und die Haftanordnung im Dublin-Verfahren erleichtert. Im Allgemeinen kann Asylhaft erstmalig maximal für 72 Stunden sowie aufgrund eines Verlängerungsantrags um maximal 60 Tage aus im Einzelnen genannten Gründen angeordnet werden, insbesondere bei unklarer Identität und Gefahr des Untertauchens. Zuvor ist zu prüfen, ob ein milderes Mittel zur Anwendung kommen kann (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Regensburg v. 27.1.2016: Rücküberstellungen nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens – AA 27.1.2016). Die maximale Dauer der Asylhaft beträgt 6 Monate, bei Folgeanträgen 12 Monate und bei Familien mit Kindern 1 Monat (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 63). Die bisher verpflichtende Platzgröße für die Asylhaft wurde in eine Empfehlung umgewandelt, die so weit wie möglich einzuhalten ist. Ferner kann OIN Asylantragsteller ohne Dokumente verpflichten, ihr Heimatland zu kontaktieren (HHC 7.8.2015; CHR). (24)

Dublin-Rückkehrer, über deren Erstantrag bei Rückkehr noch nicht entschieden wurde, werden als Erstantragsteller behandelt (AA 27.1.2016). Grundsätzlich hat die Asylbehörde in Fällen, in denen Asylantragsteller während eines laufenden Asylverfahrens in einen Mitgliedstaat weiterreisen, in jedem Verfahrensstadium die Möglichkeit, entweder auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen eine Sachentscheidung zu treffen oder aber das Asylverfahren einzustellen. Regelmäßig wird das Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 21 ff.). Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann bis zu neun Monate nach Einstellung des Verfahrens beantragt werden (UNHCR Mai 2016, S. 20; AA 27.1.2016). Danach wird die Einstellung endgültig und der Asylbewerber wird wie ein Folgeantragsteller behandelt, wobei Änderungen dergestalt in Planung seien, dass der Asylantrag auch in diesem Fall vollumfänglich geprüft werde (AA 27.1.2016). (25)

b) Angesichts dieser Ausgangslage, die nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ab dem Jahr 2013 bis zum jetzigen Zeitpunkt durch eine fortschreitende (gesetzliche) Intensivierung und Verschärfung gekennzeichnet ist, besteht für die Kläger insbesondere die Gefahr, in Ungarn ohne ausreichende gesetzmäßige Anordnung und ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeiten inhaftiert zu werden (26).

Die Anordnung der Asylhaft ist schon nach den gesetzlichen Vorgaben in großem Umfang zulässig. Danach kann Asylhaft angeordnet werden 1. bei unklarer Identität oder Staatsangehörigkeit, 2. bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden, 3. wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht, 4. wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, 5. wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde oder 6. zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht (AA 27.1.2016). Diese Formulierung der Haftgründe ist sehr weit gefasst und lässt damit Raum für eine weitreichende Inhaftierung von Asylbewerbern (siehe auch UNHCR, Stellungnahme an das VG Düsseldorf v. 30.9.2014: Situation der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer und Inhaftierungen – UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 31.10.2014: Haftsituation von Asylbewerbern in Ungarn – Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 59 ff.). (27)

Auch die tatsächliche Praxis der Inhaftierung in Ungarn wird schon länger in vielen Punkten erheblich kritisiert. So solle das OIN vor einer Haftanordnung zwar prüfen, ob Alternativen zur Haft bestünden, aber nach Auskunft des Hungarian Helsinki Committee und Pro Asyl (Brief Information Note for the Seminar on the Right to Asylum in Europe, Barcelona, 9.-10.6.2016: The Reception Infrastructure for Asylum-Seekers in Hungary – HHC Juni 2016; Pro Asyl 31.10.2014) werde hiervon nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht; Verlängerungen würden automatisch für den Höchstzeitraum beantragt und die Haftanordnungen seien nicht individualisiert (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Kritisch angemerkt wird dabei ferner, dass es in „Asylhaft“-Einrichtungen des OIN praktisch kein ausgebildetes Personal gebe; Sozialarbeiter erhielten nur Zugang unter Begleitung einer bewaffneten Wache. Auch wenn sich die Inhaftierten zwischen 6.00 und 23.00 Uhr innerhalb der Hafteinrichtungen frei bewegen könnten (Pro Asyl 31.10.2014) und es in der polizeilichen „Einwanderungshaft“ für Folgeantragsteller ausgebildetes Bewachungspersonal gebe (UNHCR 30.9.2014), wird festgestellt, dass Asylbewerber bei etwaigen Behördengängen und Gerichtsterminen wie im Strafverfahren gefesselt und mit Handschellen vorgeführt würden (aida November 2015, S. 65; CHR). Weiter wird kritisiert, dass die Inhaftierungsquote ab dem Jahr 2013 kontinuierlich angestiegen sei. Während in einer Auskunft des Auswärtigen Amts vom 3. Juli 2015 an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015) noch angegeben wurde, dass im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 2,1% aller Asylantragsteller und 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, komme es in der Praxis nach Auskunft von aida (November 2015, S. 62) und CHR sehr häufig zu Inhaftierungen und entgegen der gesetzlichen Regelung seit September 2014 auch bei Familien mit Kindern, die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von Gesetzes wegen als schwerwiegendstes Mittel bis zu 30 Tage inhaftiert werden könnten. UNHCR kann jedoch nicht bestätigen, dass die Haft nur unter dieser Voraussetzung stattfindet (UNHCR 30.9.2014). Pro Asyl gibt vielmehr an, dass OIN ab September 2014 Familien verstärkt inhaftiert habe (Pro Asyl 31.10.2014). Anlässlich seines Besuchs vom 24. bis 27. November 2015 wurde dem CHR von OIN mitgeteilt, dass sich derzeit 525 Asylantragsteller in offenen Aufnahmeeinrichtungen befänden und 412, mithin ca. 44%, inhaftiert seien. Anfang November 2015 soll die Inhaftierungsquote CHR zufolge sogar 52% gegenüber 11% im Jahr 2014 betragen haben (siehe auch HHC v. Juni 2016). Zudem scheint sich nach Auffassung der genannten Organisationen der ungenügende Gebrauch von Haftalternativen fortzusetzen. Auch das Problem der willkürlichen Inhaftierung sei weiterhin akut. Nach Auskunft von HHC waren am 30. Mai 2016 insgesamt 702 Asylbewerber in Haft, 1.583 in offenen Aufnahmeeinrichtungen. Zuletzt meldete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Kurzinformation Ungarn v. 14.12.2016: Zentrum Bicske geschlossen – BFA 14.12.2016), dass im Dezember 2016 nach offiziellen Zahlen 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig waren. Zur Haftdauer berichtet Pro Asyl in Zusammenarbeit mit dem HHC, das wiederum eine Anfrage an OIN richtete, dass die durchschnittliche Haftdauer im Zeitraum vom 1.7.2013 bis 31. August 2014 dem OIN zufolge zwar „nur“ 32 Tage betragen habe, nach den eigenen Einschätzungen und einer Untersuchung des HHC allerdings deutlich länger sei. Die Diskrepanz beruhe auf vermutlich darauf, dass OIN nicht nur die Zeit von Inhaftierungen einrechne, sondern auch diejenigen Fälle ohne jegliche Inhaftierung (28).

Schließlich wies HHC im Juni 2016 nochmals ausdrücklich darauf hin, dass Ungarn einer der wenigen Staaten in Europa sei, in dem Asylerstantragsteller in der Regel für mehrere Monate inhaftiert würden (HHC Juni 2016). Dublin-Rückkehrer würden in der Praxis regelmäßig inhaftiert (so auch UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; CHR). Diese Haft werde als „Asylhaft“, nicht als „Abschiebehaft“ oder „Einwanderungshaft“ verhängt (UNHCR 30.9.2014). Auch das Auswärtige Amt (AA 3.7.2015) gibt an, dass die Wahrscheinlichkeit, in Haft genommen zu werden, im ersten Halbjahr 2015 für Dublin-Rückkehrer gegenüber Neuankömmlingen erhöht gewesen sei (29).

Zudem lässt sich den Erkenntnisquellen nicht entnehmen, dass ein effektiver Rechtsschutz existieren würde. Insbesondere bestehen für das OIN und auch die Gerichte sehr restriktive Fristenregelungen zur Entscheidung. Diese sind nicht ausreichend, um die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu gewährleisten. Bei Fristen im Tagebereich wie dargestellt können die unverzichtbaren Anforderungen an ein solches Verfahren einschließlich Dolmetscher, Anhörung, (individualisierter) Herkunftslandinformationen etc. nicht eingehalten werden (siehe hierzu HHC 7.8.2015; aida November 2015; CHR). Gleiches gilt für die Rechtsmittelfristen (siehe auch aida November 2015; CHR). Weiter gibt es zwar de iure Zugang zu Rechtsberatung, in der Praxis ist diese aber den Auskünften zufolge mangels entsprechender staatlicher Finanzierung nicht verfügbar (UNHCR 30.9.2014). Soweit überhaupt staatliche Anwälte bestellt seien, agierten diese passiv (Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015). Tatsächlich gebe es damit nur Zugang zu den (Vertrags-)Anwälten des HHC, so dass nur eine Minderheit anwaltliche Vertretung erhalte (Pro Asyl 31.10.2014). Außerdem ist gegen die Verhängung von „Asylhaft“ kein gesetzlicher Rechtsbehelf vorgesehen, sondern nur eine sogenannte „Einspruchsmöglichkeit“. Nach den Informationen von UNHCR werde aber auch hiervon aus Unkenntnis kein Gebrauch gemacht (UNHCR 30.9.2014). Gegen die „Einwanderungshaft“ gebe es ebenfalls keinen Rechtsbehelf, nur eine automatische Überprüfung (UNHCR 30.9.2014). Die gerichtliche Haftüberprüfung erfolge in einem „automatisierten“ Prozess alle 60 Tage durch dieselben (Straf-)Richter, die die Erstprüfung durchgeführt hätten (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 67 ff.). In der täglichen Praxis würden Entscheidungen für 5 bis 15 Häftlinge innerhalb von 30 Minuten gefällt, ohne dass eine individuelle Prüfung erfolgen könne (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Schon im Jahr 2012 habe der Oberste Gerichtshof (Kuria) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die 8.000 Entscheidungen analysiert habe, von denen nur in drei Fällen keine Haftverlängerung erfolgt sei (UNHCR 30.9.2014). Die Asylarbeitsgruppe am Obersten Gerichtshof bestätigte im Oktober 2014, dass die gerichtliche Überprüfung der Asylhaft wirkungslos sei (aida November 2015, S. 67 ff.). Die Entscheidungen seien schematisch, das Verfahren nicht individualisiert und es erfolge keine Überprüfung, ob die Haft das einzige Mittel sei. Seit der Beanstandung durch die Kuria habe sich aber in der Praxis nichts geändert (aida November 2015, S. 67 ff.). Angesichts dieser gravierenden Missstände kann der Rechtsschutz damit insgesamt gesehen nicht mehr als wirksam bezeichnet werden (30).

Die Bewertung dieser Erkenntnisse ist insofern mit Schwierigkeiten verbunden, als jeweils nur punktuelle Angaben gemacht, wie etwa zu bestimmten Zeiträumen oder zu den betroffenen Gruppen, und keine statistisch aufbereiteten Daten für die Jahre 2014, 2015 und 2016 genannt werden zur (Gesamt-)Anzahl der Asylanträge in Ungarn, zur Anzahl der Dublin-Rückkehrer und zu den Verhältnissen in der Transitzone sowie dem jeweiligen Anteil an Inhaftierungen. Das kann wohl kaum darin begründet sein, dass keine offiziellen statistischen Informationen vorlägen, etwa ob Dublin-Rückkehrer regelmäßig oder ausnahmsweise inhaftiert werden, wie das Auswärtige Amt angibt (AA 27.1.2016). Denn das widerspräche zum einen dessen eigener Aussage in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015), wonach im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien. Zum anderen wurde dem CHR im November 2015 von OIN mitgeteilt, dass es zu diesem Zeitpunkt eine allgemeine Inhaftierungsquote von ca. 44% gegeben habe und von den in diesem Jahr durchgeführten 1.338 Dublin-Überstellungen 332 Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, also ca. 25%. Auch wenn hiermit keine übergreifende Aussage getroffen wird, die Angaben zur Inhaftierungsquote sehr differieren und nicht zu erkennen ist, inwieweit sich die statistischen Ausgangsdaten decken, lässt sich in der Zusammenschau mit den weiteren Angaben, insbesondere des Hungarian Helsinki Committee (Hungary: Key Asylum Figures as of 1 September 2016 – HHC 1.9.2016: am 29.8.2016 waren 233 von 707 Asylbewerbern in Haft) und des österreichischen Bundesamts für Asylwesen (BFA 14.12.2016: im Dezember 2016 waren 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig), dennoch ein Gesamtbild entnehmen. Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen deutlich, dass die Inhaftierung von Asylbewerbern in Ungarn weit verbreitet ist. Es tritt klar zu Tage, dass die gesetzlichen Vorgaben eine weitreichende Anordnung von Haft ermöglichen und sie auch in der praktischen Handhabung in beachtlichem Umfang stattfindet. Da zudem die Anordnung der Haft schematisch und ohne Einzelfallprüfung erfolgt und eine gerichtliche Überprüfung faktisch nicht stattfindet, muss davon ausgegangen werden, dass Dublin-Rückkehrer wie die Kläger im Fall ihrer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Diese Einschätzung wird auch bestätigt durch deren unbestrittenen Angaben, dass sie in Ungarn bereits inhaftiert gewesen seien. (31)“

An dieser Einschätzung ändert auch die von der Beklagten im Berufungsverfahren angeführte Rechtsprechung des VG Berlin laut dessen Urteil vom 13. Dezember 2016 (3 K 509.15 A – juris) nichts. Das Verwaltungsgericht Berlin hat dort ausgeführt, dass keine reale Gefahr eines Verstoßes gegen das in Art. 33 Abs. 1 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), Art. 4 und 19 GR-Charta sowie Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2001/95/EU folgende Zurückschiebungsverbot (Non-Refoulement) bestehe (Rn. 34 bis 36): Die diesbezüglichen Ausführungen führen schon deshalb nicht zu einem anderen Ergebnis, da ein drohender Verstoß gegen das Gebot des Non-Refoulements für den Senat nicht entscheidungserheblich war. Soweit das Verwaltungsgericht weiter ausführt, dass keine Gefahr einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Inhaftierungspraxis bestehe, ist lediglich anzumerken, dass die vorstehend dargestellten neueren Entwicklungen im ungarischen Recht, nach denen jeder Asylantragsteller inhaftiert wird, vom Verwaltungsgericht Berlin naturgemäß noch nicht berücksichtigt worden sind. Daher können seine Ausführungen zur früheren Rechtslage die des Senats zur aktuellen Rechtslage nicht in Frage stellen.

Die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht erfolgte Antwort der ungarischen Behörden auf die Anfrage des Beklagten, dass zugesichert werden möge, dass der Kläger entsprechend der Richtlinie 2013/33/EU untergebracht werde, ändert ebenfalls nichts am Ergebnis. Denn ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung des Senats im Berufungsverfahren war angesichts der beim Bundesamt nicht vorliegenden Erfahrungswerte, wann mit einer derartigen Erklärung gerechnet werden könne, nicht mehr erforderlich. Ob eine derartige Antwort durch die ungarischen Behörden überhaupt noch erfolgt, kann derzeit nicht abgeschätzt werden und ist mehr als fraglich (vgl. hierzu auch OVG NRW, B.v. 8.12.2017 – 11 A 1966/15. A – juris).

Im Ergebnis ist Ungarn daher nicht für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers zuständiger Mitgliedsstaat nach der Dublin-III-VO. Damit kann der Asylantrag des Klägers nicht wegen einer Zuständigkeit Ungarns nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG als unzulässig abgelehnt werden. Der Bescheid ist in Ziffer 1 rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.

Daher ist auch die in Ziffer 2 des Bescheids ausgesprochene Abschiebungsanordnung nach Ungarn (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtswidrig und verletzt den Kläger ebenso in seinen Rechten. Auch diese Regelung des streitgegenständlichen Bescheids ist daher aufzuheben.

Die Berufung des Klägers ist damit in vollem Umfang begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. März 2016 war aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Oktober 2016 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. November 2015 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die im Jahr 1971 geborene Klägerin und ihre beiden 2006 und 2008 geborenen Kinder sind kurdische Yeziden aus Sheikhan im Irak. Sie reisten am 5. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 14. September 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 14. September 2015 gab die Mutter, die Klägerin zu 1, an, sie habe ihr Heimatland am 1. Juli 2015 verlassen. In der Heimat lebten noch ihr Ehemann und 2 weitere Kinder sowie drei Brüder und zwei Schwestern. Im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 16. Oktober 2015 gab die Klägerin zu 1 an, sie sei ca. einen Monat unterwegs gewesen und dabei über ihr unbekannte Länder gefahren. In Ungarn seien ihr Fingerabdrücke abgenommen worden.

Nachdem sich ein Eurodac-Treffer für Ungarn ergeben hatte, bat das Bundesamt am 21. Oktober 2015 Ungarn um Übernahme des Asylverfahrens. Der ungarische Staat bestätigte den Empfang der Anfrage am 22. Oktober 2015.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015 wurden die Anträge als unzulässig abgelehnt (1.) und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet (2.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (3.). Zur Begründung ist ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG a.F. unzulässig, da Ungarn nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.6.2013, S. 31 - Dublin III-VO), zur Prüfung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die zu einem Selbsteintrittsrecht führen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Vortrag der Kläger, dass sie in Ungarn zwei Tage ohne Essen im Gefängnis gewesen seien und die Klägerin zu 1 deshalb aktuell psychisch sehr belastet sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im ungarischen Asylverfahren lägen nicht vor. Die in Deutschland lebenden Geschwister bzw. Verwandten der Klägerin zu 1 seien keine „Familienangehörige“ im Sinn der Dublin III-VO. Die Asylanträge würden daher in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.

Am 1. Dezember 2015 erhoben die Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage und stellten zugleich Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sie führten aus, es sei von systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn auszugehen. Das ergebe sich aus zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Zudem werde zu Unrecht angenommen, dass die Kläger der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (a.F.) unterfielen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. Januar 2016 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. März 2017 deren Fortdauer (13a AS 17.50010).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Oktober 2016 erklärten die Kläger, in Ungarn seien zwangsweise Fingerabdrücke abgenommen worden und es sei ihnen keine gute Behandlung widerfahren. Die Kinder hätten trotz starken Fiebers keine Behandlung bekommen; sie seien zusammen mit vielen anderen Personen inhaftiert gewesen.

Mit Urteil vom 25. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach den unionsrechtlichen Rechtsvorschriften sei Ungarn für die Durchführung der Asylverfahren zuständig. Aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch Beschluss vom 4. Januar 2016 sei die Wiederaufnahmefrist noch nicht abgelaufen. Derzeit sei auch nicht ernsthaft zu befürchten, dass in Ungarn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Mängel aufwiesen. Das gelte auch nach der Verschärfung der gesetzlichen Regelungen in Ungarn zum 15. August 2015. Dafür spreche, dass der UNHCR keine generelle Empfehlung ausgesprochen habe, Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Auch die nach der Rechtslage mögliche Anwendung von Asylhaft bei Rückkehrern im Dublin-Verfahren führe nicht zur Annahme systemischer Mängel. Das hätten auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (U.v. 3.7.2014 - 71932/12) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; B.v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris) festgestellt. Zwar seien Dublin-Rückkehrer häufiger von Asylhaft betroffen als Ersteinreisende, jedoch würden Asylkläger aus sogenannten anerkennungsträchtigen Herkunftsländern regelmäßig weder in Asylhaft noch in Abschiebehaft genommen, im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2015 nur 0,7% aller Asylantragsteller. Familien mit minderjährigen Kindern müssten in separaten Gebäuden getrennt von alleinstehenden Männern untergebracht werden. Asylhaft werde nur in begründeten Einzelfällen angewendet. Dass die Haftbedingungen an sich menschenunwürdig wären und es dort systematisch zu Menschenrechtsverletzungen kommen würde, sei nicht ersichtlich. Es gebe regelmäßig eine medizinische Betreuung, teilweise arbeiteten dort Sozialpädagogen und es bestehe die Möglichkeit der freien Bewegung. Den aktuellen Berichten könne weiter nicht entnommen werden, dass den Klägern eine Überstellung von Ungarn nach Serbien drohe. Auch die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegenüber Ungarn durch die europäische Kommission führe nicht per se zur Annahme von systemischen Mängeln im Asylsystem. Die vorübergehenden Kapazitätsprobleme dürften sich mittlerweile nach den von der ungarischen Regierung ergriffenen Maßnahmen wieder entschärft haben.

Auf Antrag der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Januar 2017 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen (13a ZB 16.50076).

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, im ungarischen Asylsystem herrschten größere Funktionsstörungen, so dass die ernst zu nehmende Gefahr bestehe, dass sie bei einer Überstellung in einer Weise behandelt würden, die mit ihren Grundrechten nicht vereinbar sei. Insbesondere bestehe mit der Aufnahme von Serbien in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass Schutzsuchende nach einer Überstellung nach Ungarn ohne inhaltliche Prüfung ihrer Fluchtgründe in Staaten abgeschoben würden, für die zweifelhaft sei, dass die dortigen Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entsprächen und Abschiebungen unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgeschlossen seien. Zudem sei zu befürchten, dass das ungarische Asylrecht seit dem 1. August 2015 hinter den europäischen Verfahrensgarantien zurückbleibe. Diese Einschätzung werde bestätigt durch die Berichte von Bordermonitoring, Pro Asyl, Amnesty International, European Council on Refugees and Exiles (ecre) und des Hungarian Helsinki Committee.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Oktober 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt

Berufungszurückweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015, wenn es um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin III-VO geht (BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - BVerwGE 153, 162 = NVwZ 2016, 154 zu Art. 2 Buchst. e Dublin II-VO).

II.

Die Klage ist auch begründet. Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist der Bescheid des Bundesamts vom 23. November 2015 rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran wäre der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 29 AsylG unzulässig, weil die Kläger nach den Eurodac-Treffern in Ungarn aus einem Drittstaat kommend die Grenze dieses Mitgliedstaats überschritten haben, der damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. Zwischen den Beteiligten besteht auch kein Streit über die prinzipielle Zuständigkeit Ungarns. Die Kläger befürchten allerdings, dass ihnen im Fall ihrer Abschiebung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) drohen würde. Davon ist in Ungarn auch auszugehen.

Das gemeinsame europäische Asylsystem stützt sich ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.; BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es wird vermutet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers zugestimmt (oder nicht geantwortet) hat, kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats deshalb gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nur mit dem Einwand entgegentreten, es gebe wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen (siehe zur Dublin II-VO EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208). Das ist vorliegend der Fall. Nach den dargestellten Grundsätzen ist es geboten, eine Überstellung nach Ungarn zu unterlassen, weil dort derzeit von systemischen Schwachstellen in diesem Sinn auszugehen ist.

2. Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern zu der Überzeugung gelangt, dass bei diesen und damit auch den Klägern eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nach Ungarn ernsthaft zu befürchten ist.

a) Das ergibt sich aus der dortigen (gesetzlichen) Entwicklung in den letzten Jahren. Nach der am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung des Asylgesetzes, die die Möglichkeit einer Inhaftierung von Asylbewerbern vorsah, kam es ab Sommer 2015 zu weiteren Gesetzesänderungen betreffend unter anderem die Einführung eines beschleunigten Verfahrens, den Rechtsschutz und die Inhaftierung sowie die Aufnahme von Serbien in eine nationale Liste sicherer Drittstaaten mit der Folge der Unzulässigkeit von Asylanträgen bei Einreise über Serbien (UNHCR, Hungary: As a Country of Asylum, Mai 2016 - UNHCR Mai 2016; Hungarian Helsinki Committee, Information Note v. 7.8.2015: Changes to Hungarian asylum law jeopardise access to protection in Hungary - HHC 7.8.2015; AIDA - Asylum Information Database, Country-Report: Hungary v. November 2015 - aida November 2015; Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights, Applications No. 44825/15 und 44944/15 v. 17.12.2015 - CHR). Im September 2015 wurde mit der Errichtung von Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien ein Grenzverfahren in dort eingerichteten Transitzonen etabliert (UNHCR Mai 2016; aida November 2015; CHR). Im Fall von Unzulässigkeit und im beschleunigten Verfahren ist vom Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (OIN) innerhalb von 15 Tagen zu entscheiden, im regulären Verfahren innerhalb von zwei Monaten (aida November 2015, S. 12; CHR). Die Rechtsmittelfrist gegen Unzulässigkeitsentscheidungen des OIN bzw. gegen Entscheidungen im beschleunigten Verfahren beträgt drei Tage, im Standardverfahren acht Tage (UNHCR Mai 2016, S. 10; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 21 ff.). Unter Beibehaltung der im Juli 2013 eingeführten Asylhaft im Allgemeinen wurde die zulässige Haftdauer für Grenzankömmlinge ohne Papiere auf 24 statt bisher 12 Stunden heraufgesetzt und die Haftanordnung im Dublin-Verfahren erleichtert. Im Allgemeinen kann Asylhaft erstmalig maximal für 72 Stunden sowie aufgrund eines Verlängerungsantrags um maximal 60 Tage aus im Einzelnen genannten Gründen angeordnet werden, insbesondere bei unklarer Identität und Gefahr des Untertauchens. Zuvor ist zu prüfen, ob ein milderes Mittel zur Anwendung kommen kann (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Regensburg v. 27.1.2016: Rücküberstellungen nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens - AA 27.1.2016). Die maximale Dauer der Asylhaft beträgt 6 Monate, bei Folgeanträgen 12 Monate und bei Familien mit Kindern 1 Monat (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 63). Die bisher verpflichtende Platzgröße für die Asylhaft wurde in eine Empfehlung umgewandelt, die so weit wie möglich einzuhalten ist. Ferner kann OIN Asylantragsteller ohne Dokumente verpflichten, ihr Heimatland zu kontaktieren (HHC 7.8.2015; CHR).

Dublin-Rückkehrer, über deren Erstantrag bei Rückkehr noch nicht entschieden wurde, werden als Erstantragsteller behandelt (AA 27.1.2016). Grundsätzlich hat die Asylbehörde in Fällen, in denen Asylantragsteller während eines laufenden Asylverfahrens in einen Mitgliedstaat weiterreisen, in jedem Verfahrensstadium die Möglichkeit, entweder auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen eine Sachentscheidung zu treffen oder aber das Asylverfahren einzustellen. Regelmäßig wird das Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt (AA 27.1.2016; aida November 2015, S. 21 ff.). Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann bis zu neun Monate nach Einstellung des Verfahrens beantragt werden (UNHCR Mai 2016, S. 20; AA 27.1.2016). Danach wird die Einstellung endgültig und der Asylbewerber wird wie ein Folgeantragsteller behandelt, wobei Änderungen dergestalt in Planung seien, dass der Asylantrag auch in diesem Fall vollumfänglich geprüft werde (AA 27.1.2016).

b) Angesichts dieser Ausgangslage, die nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ab dem Jahr 2013 bis zum jetzigen Zeitpunkt durch eine fortschreitende (gesetzliche) Intensivierung und Verschärfung gekennzeichnet ist, besteht für die Kläger insbesondere die Gefahr, in Ungarn ohne ausreichende gesetzmäßige Anordnung und ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeiten inhaftiert zu werden.

Die Anordnung der Asylhaft ist schon nach den gesetzlichen Vorgaben in großem Umfang zulässig. Danach kann Asylhaft angeordnet werden 1. bei unklarer Identität oder Staatsangehörigkeit, 2. bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden, 3. wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht, 4. wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, 5. wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde oder 6. zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht (AA 27.1.2016). Diese Formulierung der Haftgründe ist sehr weit gefasst und lässt damit Raum für eine weitreichende Inhaftierung von Asylbewerbern (siehe auch UNHCR, Stellungnahme an das VG Düsseldorf v. 30.9.2014: Situation der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer und Inhaftierungen - UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 31.10.2014: Haftsituation von Asylbewerbern in Ungarn - Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 59 ff.).

Auch die tatsächliche Praxis der Inhaftierung in Ungarn wird schon länger in vielen Punkten erheblich kritisiert. So solle das OIN vor einer Haftanordnung zwar prüfen, ob Alternativen zur Haft bestünden, aber nach Auskunft des Hungarian Helsinki Committee und Pro Asyl (Brief Information Note for the Seminar on the Right to Asylum in Europe, Barcelona, 9.-10.6.2016: The Reception Infrastructure for Asylum-Seekers in Hungary - HHC Juni 2016; Pro Asyl 31.10.2014) werde hiervon nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht; Verlängerungen würden automatisch für den Höchstzeitraum beantragt und die Haftanordnungen seien nicht individualisiert (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Kritisch angemerkt wird dabei ferner, dass es in „Asylhaft“-Einrichtungen des OIN praktisch kein ausgebildetes Personal gebe; Sozialarbeiter erhielten nur Zugang unter Begleitung einer bewaffneten Wache. Auch wenn sich die Inhaftierten zwischen 6.00 und 23.00 Uhr innerhalb der Hafteinrichtungen frei bewegen könnten (Pro Asyl 31.10.2014) und es in der polizeilichen „Einwanderungshaft“ für Folgeantragsteller ausgebildetes Bewachungspersonal gebe (UNHCR 30.9.2014), wird festgestellt, dass Asylbewerber bei etwaigen Behördengängen und Gerichtsterminen wie im Strafverfahren gefesselt und mit Handschellen vorgeführt würden (aida November 2015, S. 65; CHR). Weiter wird kritisiert, dass die Inhaftierungsquote ab dem Jahr 2013 kontinuierlich angestiegen sei. Während in einer Auskunft des Auswärtigen Amts vom 3. Juli 2015 an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015) noch angegeben wurde, dass im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 2,1% aller Asylantragsteller und 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, komme es in der Praxis nach Auskunft von aida (November 2015, S. 62) und CHR sehr häufig zu Inhaftierungen und entgegen der gesetzlichen Regelung seit September 2014 auch bei Familien mit Kindern, die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von Gesetzes wegen als schwerwiegendstes Mittel bis zu 30 Tage inhaftiert werden könnten. UNHCR kann jedoch nicht bestätigen, dass die Haft nur unter dieser Voraussetzung stattfindet (UNHCR 30.9.2014). Pro Asyl gibt vielmehr an, dass OIN ab September 2014 Familien verstärkt inhaftiert habe (Pro Asyl 31.10.2014). Anlässlich seines Besuchs vom 24. bis 27. November 2015 wurde dem CHR von OIN mitgeteilt, dass sich derzeit 525 Asylantragsteller in offenen Aufnahmeeinrichtungen befänden und 412, mithin ca. 44%, inhaftiert seien. Anfang November 2015 soll die Inhaftierungsquote CHR zufolge sogar 52% gegenüber 11% im Jahr 2014 betragen haben (siehe auch HHC v. Juni 2016). Zudem scheint sich nach Auffassung der genannten Organisationen der ungenügende Gebrauch von Haftalternativen fortzusetzen. Auch das Problem der willkürlichen Inhaftierung sei weiterhin akut. Nach Auskunft von HHC waren am 30. Mai 2016 insgesamt 702 Asylbewerber in Haft, 1.583 in offenen Aufnahmeeinrichtungen. Zuletzt meldete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Kurzinformation Ungarn v. 14.12.2016: Zentrum Bicske geschlossen - BFA 14.12.2016), dass im Dezember 2016 nach offiziellen Zahlen 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig waren. Zur Haftdauer berichtet Pro Asyl in Zusammenarbeit mit dem HHC, das wiederum eine Anfrage an OIN richtete, dass die durchschnittliche Haftdauer im Zeitraum vom 1.7.2013 bis 31. August 2014 dem OIN zufolge zwar „nur“ 32 Tage betragen habe, nach den eigenen Einschätzungen und einer Untersuchung des HHC allerdings deutlich länger sei. Die Diskrepanz beruhe auf vermutlich darauf, dass OIN nicht nur die Zeit von Inhaftierungen einrechne, sondern auch diejenigen Fälle ohne jegliche Inhaftierung.

Schließlich wies HHC im Juni 2016 nochmals ausdrücklich darauf hin, dass Ungarn einer der wenigen Staaten in Europa sei, in dem Asylerstantragsteller in der Regel für mehrere Monate inhaftiert würden (HHC Juni 2016). Dublin-Rückkehrer würden in der Praxis regelmäßig inhaftiert (so auch UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; CHR). Diese Haft werde als „Asylhaft“, nicht als „Abschiebehaft“ oder „Einwanderungshaft“ verhängt (UNHCR 30.9.2014). Auch das Auswärtige Amt (AA 3.7.2015) gibt an, dass die Wahrscheinlichkeit, in Haft genommen zu werden, im ersten Halbjahr 2015 für Dublin-Rückkehrer gegenüber Neuankömmlingen erhöht gewesen sei.

Zudem lässt sich den Erkenntnisquellen nicht entnehmen, dass ein effektiver Rechtsschutz existieren würde. Insbesondere bestehen für das OIN und auch die Gerichte sehr restriktive Fristenregelungen zur Entscheidung. Diese sind nicht ausreichend, um die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu gewährleisten. Bei Fristen im Tagebereich wie dargestellt können die unverzichtbaren Anforderungen an ein solches Verfahren einschließlich Dolmetscher, Anhörung, (individualisierter) Herkunftslandinformationen etc. nicht eingehalten werden (siehe hierzu HHC 7.8.2015; aida November 2015; CHR). Gleiches gilt für die Rechtmittelfristen (siehe auch aida November 2015; CHR). Weiter gibt es zwar de iure Zugang zu Rechtsberatung, in der Praxis ist diese aber den Auskünften zufolge mangels entsprechender staatlicher Finanzierung nicht verfügbar (UNHCR 30.9.2014). Soweit überhaupt staatliche Anwälte bestellt seien, agierten diese passiv (Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015). Tatsächlich gebe es damit nur Zugang zu den (Vertrags-)Anwälten des HHC, so dass nur eine Minderheit anwaltliche Vertretung erhalte (Pro Asyl 31.10.2014). Außerdem ist gegen die Verhängung von „Asylhaft“ kein gesetzlicher Rechtsbehelf vorgesehen, sondern nur eine sogenannte „Einspruchsmöglichkeit“. Nach den Informationen von UNHCR werde aber auch hiervon aus Unkenntnis kein Gebrauch gemacht (UNHCR 30.9.2014). Gegen die „Einwanderungshaft“ gebe es ebenfalls keinen Rechtsbehelf, nur eine automatische Überprüfung (UNHCR 30.9.2014). Die gerichtliche Haftüberprüfung erfolge in einem „automatisierten“ Prozess alle 60 Tage durch dieselben (Straf-)Richter, die die Erstprüfung durchgeführt hätten (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014; aida November 2015, S. 67 ff.). In der täglichen Praxis würden Entscheidungen für 5 bis 15 Häftlinge innerhalb von 30 Minuten gefällt, ohne dass eine individuelle Prüfung erfolgen könne (UNHCR 30.9.2014; Pro Asyl 31.10.2014). Schon im Jahr 2012 habe der Oberste Gerichtshof (Kuria) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die 8.000 Entscheidungen analysiert habe, von denen nur in drei Fällen keine Haftverlängerung erfolgt sei (UNHCR 30.9.2014). Die Asylarbeitsgruppe am Obersten Gerichtshof bestätigte im Oktober 2014, dass die gerichtliche Überprüfung der Asylhaft wirkungslos sei (aida November 2015, S. 67 ff.). Die Entscheidungen seien schematisch, das Verfahren nicht individualisiert und es erfolge keine Überprüfung, ob die Haft das einzige Mittel sei. Seit der Beanstandung durch die Kuria habe sich aber in der Praxis nichts geändert (aida November 2015, S. 67 ff.). Angesichts dieser gravierenden Missstände kann der Rechtsschutz damit insgesamt gesehen nicht mehr als wirksam bezeichnet werden.

Die Bewertung dieser Erkenntnisse ist insofern mit Schwierigkeiten verbunden, als jeweils nur punktuelle Angaben gemacht, wie etwa zu bestimmten Zeiträumen oder zu den betroffenen Gruppen, und keine statistisch aufbereiteten Daten für die Jahre 2014, 2015 und 2016 genannt werden zur (Gesamt-)Anzahl der Asylanträge in Ungarn, zur Anzahl der Dublin-Rückkehrer und zu den Verhältnissen in der Transitzone sowie dem jeweiligen Anteil an Inhaftierungen. Das kann wohl kaum darin begründet sein, dass keine offiziellen statistischen Informationen vorlägen, etwa ob Dublin-Rückkehrer regelmäßig oder ausnahmsweise inhaftiert werden, wie das Auswärtige Amt angibt (AA 27.1.2016). Denn das widerspräche zum einen dessen eigener Aussage in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Hannover (AA 3.7.2015), wonach im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 6 bis 10% der Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien. Zum anderen wurde dem CHR im November 2015 von OIN mitgeteilt, dass es zu diesem Zeitpunkt eine allgemeine Inhaftierungsquote von ca. 44% gegeben habe und von den in diesem Jahr durchgeführten 1.338 Dublin-Überstellungen 332 Rückkehrer in Asylhaft genommen worden seien, also ca. 25%. Auch wenn hiermit keine übergreifende Aussage getroffen wird, die Angaben zur Inhaftierungsquote sehr differieren und nicht zu erkennen ist, inwieweit sich die statistischen Ausgangsdaten decken, lässt sich in der Zusammenschau mit den weiteren Angaben, insbesondere des Hungarian Helsinki Committee (Hungary: Key Asylum Figures as of 1 September 2016 - HHC 1.9.2016: am 29.8.2016 waren 233 von 707 Asylbewerbern in Haft) und des österreichischen Bundesamts für Asylwesen (BFA 14.12.2016: im Dezember 2016 waren 192 Migranten in offener und 301 in geschlossener Unterbringung aufhältig), dennoch ein Gesamtbild entnehmen. Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen deutlich, dass die Inhaftierung von Asylbewerbern in Ungarn weit verbreitet ist. Es tritt klar zu Tage, dass die gesetzlichen Vorgaben eine weitreichende Anordnung von Haft ermöglichen und sie auch in der praktischen Handhabung in beachtlichem Umfang stattfindet. Da zudem die Anordnung der Haft schematisch und ohne Einzelfallprüfung erfolgt und eine gerichtliche Überprüfung faktisch nicht stattfindet, muss davon ausgegangen werden, dass Dublin-Rückkehrer wie die Kläger im Fall ihrer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Diese Einschätzung wird auch bestätigt durch deren unbestrittenen Angaben, dass sie in Ungarn bereits inhaftiert gewesen seien.

c) Ein weiterer Grund für die Annahme, dass das Asylverfahren in Ungarn systemische Schwachstellen aufweist, die zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung führen, ist die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK. Im Fall einer Rückführung nach Ungarn würde die Abschiebung nach Serbien drohen. Neben den bereits erwähnten Gesetzesänderungen wurde im Juli 2015 eine nationale Liste von sicheren Drittstaaten, zu denen aus ungarischer Sicht auch Serbien gehört, aufgestellt (UNHCR Mai 2016, S. 15 ff.; HHC 7.8.2015; aida November 2015, S. 43 ff.; CHR). Das widerspricht dem europarechtlichen Konzept des sicheren Drittstaats, der Position von UNHCR und steht auch im Widerspruch zum Leitfaden des ungarischen Obersten Gerichtshofs. Mit der Gesetzesänderung wird das OIN ermächtigt, ohne inhaltliche Überprüfung des Asylbegehrens alle Anträge von Asylbewerbern abzulehnen, die durch einen solchen sicheren Drittstaat gekommen sind. Die Betroffenen werden dabei zwar informiert, dass ein Dublin-Verfahren eingeleitet wird, aber nicht mehr über die weiteren Verfahrensschritte. Sie bekommen die Unzulässigkeitsentscheidung zwar mündlich in einer ihnen verständlichen Sprache mitgeteilt, nicht aber eine schriftliche Übersetzung (aida November 2015, S. 23). Erschwerend kommt hinzu, dass es gegen die Entscheidung des OIN faktisch kaum Rechtsschutz gibt. Zwar kann gegen die Entscheidung des OIN unter bestimmten Voraussetzungen und mit inhaltlichen Vorgaben ein Rechtsmittel eingelegt werden, jedoch beträgt die Frist hierfür, wie bereits dargelegt, nur drei Tage bzw. nach einer weiteren Gesetzesänderung im September 2015 sieben Tage (UNHCR Mai 2016, S. 18; aida November 2015, S. 25-27). In dieser kurzen Zeitspanne kann weder ein Rechtsbeistand erlangt noch ein substantiierter Rechtsbehelf erhoben werden, zumal die lückenhafte Information der Asylantragsteller und Verständigungsschwierigkeiten noch berücksichtigt werden müssen. Die gerichtliche Überprüfung einer Unzulässigkeitsentscheidung muss innerhalb von acht Tagen nach dem Antrag auf Überprüfung erfolgen; ein Anhörungsrecht des Asylsuchenden besteht nicht (UNHCR Mai 2016, S. 18; aida November 2015, S. 25-27). Selbst wenn eine gerichtliche Entscheidung erlangt werden kann, wird diese vom OIN entweder gar nicht, verspätet oder sehr zögerlich umgesetzt (UNHCR Mai 2016, S. 18)

Im Ergebnis würde damit eine quasi automatische Zurückweisung ohne inhaltliche Überprüfung der Schutzbedürftigkeit stattfinden mit der Folge einer unverzüglichen Abschiebung nach Serbien, wo derzeit kein Schutz verfügbar ist und zudem die Gefahr einer Kettenabschiebung unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot besteht (siehe aida November 2015, S. 45; HHC 7.8.2015). Die Regelung findet auch auf Dublin-Rückkehrer Anwendung, die vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung am 1. August 2015 über Serbien als - aus ungarischer Sicht - sicherem Drittstaat eingereist sind (aida November 2015, S. 24). Damit wären auch die Kläger der Gefahr einer Rückführung nach Serbien ausgesetzt, ohne dass sie vorher angehört würden oder dass ein wirksamer Rechtsschutz gegen die Entscheidung des OIN zur Verfügung stünde (aida November 2015, S. 24 ff.).

Die dargestellte Gesetzesänderung entzieht dem Einwand der Beklagten, gegenwärtig bestehe keine reale und durch Tatsachen belegte Gefahr, dass Schutzsuchende bei einer Rücküberstellung nach Ungarn einem indirekten Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgesetzt sein könnten, den Boden. Unstreitig lässt die Gesetzeslage in Ungarn jedenfalls die Abschiebung nach Serbien ohne jegliche inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens zu. Inwieweit Serbien tatsächlich die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn ablehnt, bleibt dabei insoweit ohne Bedeutung, als das OIN vom Gesetzgeber zur sofortigen Abschiebung ermächtigt wurde. Zwar mag diese im Einzelfall mangels Nachweis, dass die Betroffenen tatsächlich über Serbien eingereist sind, oder weil zwischen dem Grenzübertritt von Serbien nach Ungarn und dem Antrag auf Rückübernahme mehr als ein Jahr verstrichen ist (AA 27.1.2016) tatsächlich nicht durchgeführt werden können. Das vermag aber an der gesetzlichen Zulässigkeit einer Abschiebung nichts zu ändern. Zudem finden den Erkenntnisquellen zufolge durchaus Rückübernahmen statt, auch wenn Serbien nur unter bestimmten Voraussetzungen zustimmt. So wurden im Zeitraum von Januar bis Mai 2016 in der Praxis pro Woche durchschnittlich zwei Personen rückübernommen (UNHCR Mai 2016). Allein die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um eine exorbitante Größenordnung handeln mag, rechtfertigt die Verneinung einer realen Gefahr nicht (in diesem Sinn auch zu § 34a AsylG: OVG SH, B.v. 21.11.2016 - 2 LA 111/16 - juris). Das übersieht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (U.v. 13.12.2016 - 3 K 509.15 A - juris), in der nur darauf abgestellt wird, dass Serbien die Übernahmeersuchen Ungarns formal ablehne. Angesichts der tatsächlich stattfindenden Abschiebungen und der dargestellten gesetzlichen Zulässigkeit bestehen vielmehr erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass ohne inhaltliche Prüfung von Asylanträgen eine Abschiebung nach Serbien erfolgen könnte. Wenn die Beklagte demgegenüber unter Berufung auf das Verwaltungsgericht Berlin der Auffassung ist, dass vorliegend ausnahmsweise kein Risiko bestehen sollte, unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot von Ungarn nach Serbien abgeschoben zu werden, wäre es ihre Aufgabe, die Gründe hierfür näher darzulegen. Das ist nicht geschehen.

d) Die Einschätzung zum Vorliegen von systemischen Schwachstellen entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 13.10.2016 - A 11 S 1596/16 - DVBl 2016, 1615) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 20.12.2016 - 8 LB 184/15 - juris, Bezug nehmend auf U.v. 15.11.2016 - 8 LB 92/15 - juris). Die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin (U.v. 13.12.2016 - 3 K 509.15 A - juris), auf die sich die Beklagte beruft, erklärt nicht, weshalb sich aus den genannten Daten keine belastbaren Erkenntnisse ergeben sollten, welche die hier und von den beiden weiteren Obergerichten vorgenommene Bewertung stützen könnten. Unter anderem wegen der dortigen Inhaftierungspraxis hat im Übrigen mittlerweile auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (U.v. 17.3.2017 - 47287/15 - abrufbar unter https: …dejure.org/2017, 6131) Ungarn zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, weil die Rechtsgrundlagen für die Inhaftierung unbestimmt seien und sie aufgrund einer formalen Entscheidung ohne individuelle Prüfung erfolge. Im Hinblick auf die Einstufung von Serbien als sicheren Drittstaat geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls von einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK aus. Diese ergebe sich bereits daraus, dass die Betroffenen mangelhaft informiert würden, deshalb keinen effektiven Zugang zu den relevanten Verfahren hätten und ihre Rechte nicht substantiiert geltend machen könnten. Gerügt wird weiter die fehlende Prüfung der individuellen Risiken, was dazu führe, dass in einer automatisierten Weise (Ketten-)Abschiebungen stattfinden würden. Die ungarische Regierung vermöge keine überzeugende Erklärung zu geben, weshalb Serbien entgegen den allgemeinen europarechtlichen Einschätzungen und den Berichten der internationalen Institutionen als sicherer Drittstaat eingestuft werde. Insgesamt vermag der Gerichtshof deshalb nicht zu erkennen, dass effektive Garantien vorhanden seien, die die Betroffenen davor schützen würden, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein.

3. Angesichts dieser systemischen Schwachstellen - wie dargelegt - kommt es auch auf den Einwand der Beklagten nicht mehr an, die Auffassung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (U.v. 13.10.2016 a.a.O. Rn. 45 ff.) zur Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG könne nicht geteilt werden. Danach sei Voraussetzung einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG, dass die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgen könne und dies auch alsbald der Fall sein werde. Bestünden aufgrund einer in Relation zu den Übernahmezustimmungen niedrigen Quote an vollzogenen Überstellungen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein könnte, führe dies zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung. Diese Frage kann hier dahingestellt bleiben, weil sich die Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 AsylG (bzw. § 27a AsylG a.F.) schon aus dem Vorliegen systemischer Schwachstellen in Ungarn ergibt mit der Folge, dass auch die hierauf gestützte Abschiebungsanordnung rechtswidrig ist. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Einschätzung in erster Linie ebenfalls auf das Vorliegen von systemischen Schwachstellen gestützt und lediglich ergänzend ausgeführt, dass die angegriffenen Verfügungen auch aus diesem weiteren Grund aufzuheben seien. Die Zuständigkeit sei auch deshalb auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil eine Überstellung bis zum Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr durchgeführt werde. Gleiches gilt für die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 20.12.2016 a.a.O. Rn. 60 ff.). Dessen ungeachtet gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Abschiebungen nach Ungarn nicht erfolgen könnten. So gibt HHC 1.9.2016 an, dass von Januar bis Juli 2016 377 Dublin-Rückführungen nach Ungarn stattgefunden hätten, davon 203 aus Deutschland (siehe hierzu auch OVG SH, B.v. 21.11.2016 - 2 LA 111/16 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben, da der Frage, ob in Ungarn systemische Schwachstellen bestehen, nur in tatsächlicher Hinsicht eine grundsätzlich Bedeutung zukommt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.