Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 16. Dez. 2015 - L 8 SF 128/12 EK

bei uns veröffentlicht am16.12.2015
nachgehend
Bundessozialgericht, B 10 ÜG 30/16 B, 01.06.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Der Beklagte hat 157,71 € als materiellen Schaden an den Kläger zu zahlen. Der Anspruch ist ab 1. Juni 2012 mit 5% Punkte über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

II.

Es wird festgestellt, dass die Dauer des Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Sozialgericht München mit dem Aktenzeichen S 18 KR 593/93 unangemessen war.

III.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.

Der Kläger trägt 13/20 der Kosten des Verfahrens, der Beklagte 7/20.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt erstinstanzlich beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) vom beklagten Freistaat (vertreten durch das Landesamt der Finanzen) Schadensersatz wegen eines überlangen Verfahrens der Kostenfestsetzung.

Dem Verfahren auf Kostenfestsetzung ist ein Hauptsacheverfahren mit einer Klage (S 18 Kr 593/93) aus dem Jahre 1989 vorausgegangen, mit welchem Beiträge zur privaten Krankenversicherung beantragt worden sind. Der Rechtsweg war gegeben, weil der Anspruch seinen Rechtsgrund in Vorschriften des SGB hatte (§ 257 Abs. 2 SGB V, § 405 RVO). Die anschließende Berufung endete mit Urteil vom 20. Oktober 2005. Eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG blieb erfolglos ((Beschluss vom 31.07.2007, Az: B 12 KR 83/06 B); ebenso eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 8. Oktober 2008). Im Ergebnis ist der beklagte Arbeitgeber verurteilt worden, dem Kläger für den Monat Juli 1988 eine Krankenversicherungszuschuss von 47,06 € zuzüglich 4% Zinsen ab 15. August 1988 zu bezahlen. Im Übrigen erfolgte Klageabweisung mit entsprechender Kostenfolge für die außergerichtlichen Kosten.

Der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers, Rechtsanwalt A. von H, beantragte am 16.01.2006 in dem später gerügten Kostenfestsetzungsverfahren die Festsetzung von zunächst 510,40 € und später dann in Erweiterung wegen der Kosten bei dem BSG weitere 100,62 €. Auch dieses Verfahren wurde (als Beiakte) unter dem Aktenzeichen S 18 Kr 593/93 geführt. Der Kläger hatte das Fehlen einer wirksamen Prozessvollmacht vorgebracht. Die Partei sei dem amerikanischen Recht unterworfen und dort trage die obsiegende Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Auch die Forderung der Mehrwertsteuer ist in Zweifel gezogen worden, weil es sich um einen amerikanischen Auftraggeber gehandelt habe. Dieses Vorbringen ist später nochmals wiederholt worden (Schriftsatz vom 12.8.2010 des Rechtsanwalts F.).

Am 18.07.2007 wies der Kläger das SG darauf hin, dass das Kostenfestsetzungsverfahren bereits mehr als ein Jahr und sechs Monaten andauere. Gegen diese lange Verfahrensdauer bestünden erhebliche Bedenken, weil das Menschenrecht auf angemessene Verfahrensdauer aus Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nach der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu verwirklichen sei. Vom SG wurde dem Kläger mitgeteilt, dass unter dem Aktenzeichen S 18 Kr 593/93 kein Vorgang feststellbar sei.

Am 2.8.2010 erinnerte Rechtsanwalt von H. an die Kostenfestsetzung. In diesem Zusammenhang ist entdeckt worden, dass nach Versetzung des den Antrag bearbeitenden Urkundsbeamten die Akte versehentlich weggelegt worden war. Aus dem Verfahren L 4 KR 2/03 wurde ein Schriftsatz an den EGMR vom 5.5.2010 unter dem Aktenzeichen 23056/09 bekannt. Darin ist auf Seite 3 (B.h) unter anderem ausgeführt, dass mit einem Schriftsatz vom 18.7.2007 der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf angemessene Verfahrensdauer im Kostenfestsetzungsverfahren gerügt habe. Auf eine Anlage 4 wurde Bezug genommen. Das Sozialgericht sei bislang untätig gewesen.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2010 erfolgte dann die Kostenfestsetzung auf 540,62 € für den gesamten Rechtsweg, auch für die Verfahren beim Bayer. Landessozialgericht und wegen des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht. Zusätzlich war Verzinsung angeordnet (5% über dem Basiszinssatz ab 16.1.2006 bzw. ab 22.8.2007).

Die hiergegen gerichtete Erinnerung (Aktenzeichen: S 18 SF 908/10 E) wurde mit Beschluss vom 11. Januar 2011 zurückgewiesen. Beschwerde wurde zwar am 26.1.2011 beim SG eingelegt, jedoch am 27.1.2011 zurückgenommen.

Wegen des Verfahrens um den Krankenversicherungszuschuss (Aktenzeichen S 18 Kr 593/93) betrieb der Kläger ein Verfahren beim EGMR. Die Beschwerdeschrift hierzu ist beim EGMR unter der Nummer 23056/09 am 22.4.2009 eingetragen. Gegenstand dieses Verfahrens, Nr. 23056/09, das am 10. Juli 2012 mit Beschluss als unzulässig zurückgewiesen wurde, war die Überlänge des Verfahrens S 18 Kr 593/93 nebst Berufungsverfahren mit Urteil vom 20. Oktober 2005, Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des BSG vom 31.7.2007 sowie der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde vom 8. Oktober 2008.

Der Kläger hat am 01.06.2012 (Eingang) beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) Klage gegen den Freistaat Bayern auf Entschädigung wegen unangemessen langer Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens vor dem Sozialgericht München (SG; Az. S 18 Kr 593/93) erhoben.

Der Beklagte hat in Schriftsätze vom 03.8.2012 und 21.3.2013 darauf hingewiesen, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe und unstatthaft sei. Am 5.12.2013 lehnte der Senat daraufhin den Prozesskostenhilfeantrag (PKH) ab, nachdem zuvor auf Anschreiben vom 20.08.2013 und 21.10.2013 zur Stellungnahme keine Reaktion erfolgt war. Darin ist um Ergänzungen zur Zulässigkeit im Sinne von Artikel 23 ÜGG gebeten worden; insbesondere ob ein Verfahren vor dem EGMR betreffend das Verfahren der Kostenfestsetzung stattgefunden habe oder noch anhängig sei.

Am 21.5.2014 hat der Kläger - neben einem Vertagungsantrag für die mündliche Verhandlung vom 23.5.2014 - vorgebracht, dass ihm wichtige schriftliche Unterlagen nicht zugänglich gewesen seien. Deswegen habe er auf die Frage, ob beim EMGR ein Verfahren anhängig gewesen sei, unverschuldet keine Antwort geben können.

Am 21.7.2014 hat der Kläger schließlich einen weiteren Antrag auf PKH und Beiordnung des Rechtsanwalts L. gestellt, den der Senat am 19.9.2014 ablehnte. Zur Begründung des Antrags ist die Beschwerdeschrift in polnischer Sprache vorgelegt worden, mit der die Klage beim EGMR am 22.4.2009 eingetragen worden sei. Diese enthalte - so die Begründung - in Abschnitt 22 (Gesamtumfang 34 Abschnitte) die Darlegung, dass das Verfahren der Kostenfestsetzung bereits drei Jahre und drei Monate beim SG liege. In seinem Beschluss hat der Senat aber ausgeführt, dass Gegenstand des Verfahrens Nr. 23056/09 die Überlänge des Verfahrens S 18 Kr 593/93 gewesen sei aber. Das zeige die Beschreibung des Verfahrens (La procédure litigeuse) und entspreche der vom EGMR vertretenen Rechtsansicht, wonach das Kostenfestsetzungsverfahren als unselbstständiger Annex des Hauptsacheverfahrens zu dessen gegebenenfalls zu entschädigender Dauer beitrage. Dieser Gegenstand ergebe sich auch aus der Teilentscheidung des EGMR vom 29. September 2009 zu Nr. 23056/09.

Am 22.1.2015 hat der Kläger einen weiteren Antrag auf PKH und Beiordnung des Rechtsanwalts L. gestellt. Am 10.2.2014 wurde auch dieser dritte Antrag abgelehnt.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Beklagten zu verurteilen als materiellen Schaden € 583,14 nebst Zinsen zu zahlen und € 6.000,00 für immaterielle Schäden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Schriftsätze Bezug genommen sowie auf die beigezogenen Verfahrensakten S 18 KR 593/92 und S 18 SF 908/10 E.

Gründe

Die Entschädigungsklage ist zum Teil erfolgreich.

A.

Die Klage ist zulässig.

1. Die Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) und damit auch die §§ 198 ff GVG finden aufgrund der Übergangsregelung des Art. 23 S 1 ÜGG auch auf bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 (vgl. Art 24 ÜGG) abgeschlossene Verfahren Anwendung, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist (Art. 23 S. 1, 2. Alt., Variante 1 ÜGG). Zu diesen Voraussetzungen erfolgen unter 9 weitere Ausführungen.

2. Das LSG ist für die Entscheidung funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl. § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs. 1 S. 1 GVG i. V. m. § 202 S. 2 SGG für Klagen auf Entschädigung nach § 198 GVG gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige Landessozialgericht (hier gem. Art. 4 Abs. 1 AGSGG Bay das Bayer. Landessozialgericht) zuständig.

3. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird der Freistaat Bayern unbeschadet der §§ 7a bis 12 der Vertretungsverordnung durch das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A-Stadt - als allgemeine Vertretungsbehörde vertreten (§ 7 S. 1 VertV).

4. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Ladung zur und der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2015 nicht mehr durch Rechtsanwalt L. vertreten. Eine Prozessvollmacht erlischt durch Widerruf des Vollmachtgebers, der auch durch schlüssige Handlungen erfolgen kann (§§ 168 S 3, 167 Abs. 1 BGB; Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 86 ZPO, Rn. 2). Dies ergibt eine Auslegung der Schriftsätze und des Verhaltens des Klägers. Nach Verlegung zweier Verhandlungen und einer dritten Ladung an den Bevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung ist am 27.8.2015 ein Schriftsatz eingegangen, in dem der Kläger unmittelbar mitteilte, dass Rechtsanwalt L. seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt vor einigen Wochen eingestellt habe und um Verlegung des Termins gebeten werde. In einem späteren Schreiben vom 27.11.2015 erläuterte der Kläger dann, dass Rechtsanwalt L. ihm dies so erklärt habe. Mit weiterem Schreiben des Klägers vom 3.11.2015 wurde (im Anlageschreiben) von einem anderen Rechtsanwalt mitgeteilt, dass Rechtsanwalt L. dauerhaft in Spanien lebe und gebeten habe, etwa eingehende Post als Zustellungsbevollmächtigter entgegenzunehmen. Mit einem Schreiben vom 27.10.2015 erklärte der Kläger, er könne sich keinen anderen Rechtsanwalt nehmen, weil er kein Geld dazu habe. Vorausgegangen waren die konkrete Frage des Gerichts, ob Rechtsanwalt L. den Kläger noch vertrete, und ein schriftlicher Hinweis des Senats vom 30.1.2015 an den Kläger, dass er seine Vertretung selbst sicherzustellen habe.

5. Die beziffert erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs. 5 als allgemeine Leistungsklage zulässig. Insoweit kann die Verurteilung zur Zahlung eines bestimmten Betrages oder zur Leistung dem Grunde nach verlangt werden (vergleiche Böttiger in: Breitkreuz/Fichte, SGG Kommentar § 54).

6. Nach Art. 23 S. 6 ÜGG konnte die Klage nach § 198 Abs. 1 GVG zur Durchsetzung eines Anspruchs bei abgeschlossenen Verfahren in „Altfällen“, bei Inkrafttreten des ÜGG nicht mehr anhängigen Gerichtsverfahren, sofort erhoben werden, sie musste jedoch spätestens am 3.6.2012 erhoben werden. Diese Frist hat der Kläger mit seiner am 1.6.2012 erhobenen Klage gewahrt.

7. Die Klage ist zulässigerweise auch auf Entschädigung wegen eines Verfahrens der Kostenfestsetzung gerichtet. Gerichtsverfahren i. S. d. Regelungen in §§ 198 ff. GVG ist jedes gerichtliche Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss, § 198 Abs. 6 GVG. Umfasst sind dabei u. a. namentlich die Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Unter dem Regime der Neuregelungen stehen aber auch Verfahren über Kostengrund- oder Kostenfestsetzungsanträge (Schafhausen/Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 4. Auflage 2013, § 43 Klage und Berufung; so auch Steinbeiß-Winkelmann/Ott: Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren § 198 Rn. 54, Schreiber in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 202, Rn. 12). Ein Kostenfestsetzungs- und anschließendes Erinnerungsverfahren ist nur noch nach einer Mindermeinung (LSG Niedersachsen-Bremen, 6.3.2013, L 15 SF 4/12 EK AS) kein entschädigungspflichtiges Gerichtsverfahren iS des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG gewesen. Völlige Rechtsklarheit darüber hat das Urteil des BSG vom 10.7.2014 geschaffen. Danach besteht kein Zweifel mehr an der Anwendbarkeit des ÜGG auch auf Verfahren der Kostenfestsetzung (BSG vom 10.7.2014, Az: B 10 ÜG 8/13 R).

8. Nach § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG hat der Kläger die Aktivlegitimation, eine Entschädigungsklage zu betreiben (hierzu BT-Drucks 17/3802, S 23). Danach ist Verfahrensbeteiligter iS von § 198 GVG jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens. Insofern weist das Kostenfestsetzungsverfahren im Sinne von § 197 SGG zwar die Besonderheit auf, dass die Parteien des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens, sowie auch deren Bevollmächtigte antragsberechtigt sind (vgl. dazu Münker in Hauck/Behrend, SGG, § 197 RdNr. 4, Stand Einzelkommentierung Dezember 2011). Der Kläger war Partei in der Hauptsache und jetzt Kostenschuldner des Bevollmächtigten des ehemaligen Prozessgegners und damit Beteiligter eines Gerichtsverfahrens. Denn die Zivilprozessordnung (§ 104 ZPO) wie auch § 197 SGG eröffnet dem Kostengläubiger einen Weg, seinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus der Kostengrundentscheidung betragsmäßig in einem vollstreckbaren Titel festsetzen zu lassen. Vor der Entscheidung hat aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz eines fairen Verfahrens der Rechtspfleger/Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Antragsgegner rechtliches Gehör zu gewähren. Deshalb ist diesem eine Mehrfertigung des Kostenfestsetzungsantrags samt Kostenrechnung zu übersenden und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Kläger ist demzufolge nicht unmittelbar Beteiligter des Kostenfestsetzungsverfahrens. Er ist aber zu hören und der Beschluss ist ihm im Erfolgsfalle zuzustellen.

9. Bei Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 war das Verfahren der Kostenfestsetzung nicht mehr bei deutschen Gerichten anhängig. Die Kostenfestsetzung war mit Beschluss vom 12. Oktober 2010, die Erinnerung, S 18 SF 908/10 E, mit Beschluss vom 11. Januar 2011 erledigt. Eine Beschwerde an das LSG gegen die Entscheidung des SG über die Erinnerung ist nämlich nicht statthaft (§ 197 Abs. 2 SGG), die Entscheidung des SG im Erinnerungsverfahren ist unanfechtbar (vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 18.06.2007, L 18 B 732/07 AS; LSG Saarl BeckRS 2009 51845; LSG LSA BeckRS 2011, 70578 m. w. N.; SächsLSG NZS 2013, 880; aA: LSG MV BeckRS 2009, 53753). Die am 26.1.2011 gleichwohl eingelegte Beschwerde wurde zudem am 27.1.2011 zurückgenommen.

So bestehen die beiden Möglichkeiten nach dem Übergangsrecht nicht, die sich auf bei deutschen Gerichten bereits anhängige Verfahren beziehen (Art. 23 S. 1, 1. Alt. ÜGG) bzw. die noch Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR werden können (Art. 23 S. 1, 1. Alt., Variante 2, ÜGG). Gemäß Artikel 35 EMRK besteht binnen 6 Monaten Gelegenheit, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Diese Möglichkeit war schon nach dem 13.7.2011 (Zustellung des Beschlusses vom 11.1.2011 über die Erinnerung am 12.1.2011) nicht mehr gegeben.

Nach Ansicht des Senats handelt es sich hier aber um einen Übergangsfall eines abgeschlossenen Verfahrens, dessen Dauer bei Inkrafttreten des ÜGG Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim EGMR war (Art. 23 S. 1, 2. Alt., Variante 1, ÜGG).

Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Überlänge des Verfahrens der Kostenfestsetzung war - aus der Sicht Entschädigungsklagen nach deutschem Recht gem. § 198 Abs. 6 Nr.1 GVG - nicht unmittelbar Gegenstand des Verfahrens mit der Nr. 23056/09, das wegen der Überlänge eines Erkenntnisverfahrens eingeleitet war. In der Beschwerdeschrift in polnischer Sprache vom 20.4.2009 wird zwar im 22. Absatz (Gesamtumfang 34 Absätze) bemängelt, dass das Verfahren der Kostenfestsetzung bereits drei Jahre und drei Monate beim SG liege. In der Teilentscheidung des EGMR vom 29. September 2009 ist aber nur ein Urteil wegen der Überlänge S 18 Kr 593/93 bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vom 8. Oktober 2008 zurückgestellt worden (ajourne l'examen des griefs du requéranttirés de la durée de la procédure et de l'absence d'un recours effectif à cet égard, zit nach HUDOC). Die Beschreibung des Verfahrens (La procédure litigeuse = das in Rede stehende Verfahren) zeigt, dass die Kostenfestsetzung nicht eigenständiger Gegenstand des Verfahrens war. Dies entspricht auch der vom EGMR vertretenen Rechtsansicht, wonach ein Kostenfestsetzungsverfahren als unselbstständiger Annex des Hauptsacheverfahrens zu dessen gegebenenfalls zu entschädigender Dauer beiträgt. Auch aus einem anderen Grund - wegen der zeitlichen Abfolge - hätte das Verfahren der Kostenfestsetzung zulässigerweise nicht beim EGMR anhängig gewesen sein können. Die Beschwerdeschrift unter der Nummer 23056/09 wurde am 22.4.2009 eingetragen. Die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht ist schon mit Beschluss vom 31.7.2007, Az: B 12 KR 83/06 B zurückgewiesen worden, die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht am 8.10.2008. Unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten (Art. 35 EMRK) bezog sich damit die Beschwerde beim EMRG vom 20.4.2009 auf das Verfahren wegen des Zuschusses zur Krankenversicherung. Das Verfahren wegen der Kostenfestsetzung war damals noch nicht abgeschlossen, sondern erst nach Erledigung der Erinnerung am 11.1.2011. Gem. Artikel 35 Abs. 1 EMRK kann sich der Gerichtshof mit einer Angelegenheit aber erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe und nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.

Wie schon angeführt, sieht die Regelung des deutschen Gesetzgebers gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG eine getrennte Geltendmachung von Verfahrensarten (der Hauptsache und damit zusammenhängender Verfahren der Kostenfestsetzung) vor. Nach der Verfahrensordnung für den EMRG ist ein präziser Begriff des Streitgegenstandes und von Klageänderungen nicht vorhanden. Es fehlen Regeln wie in § 198 Abs. 6 GVG zur Definition von Gerichtsverfahren, deren Dauer zur Entschädigung führen können. Allerdings hat die Spruchtätigkeit des EGMR hinsichtlich des Rechts auf zügiges Verfahren einen sehr weit gezogen Begriff der Verfahrensdauer entwickelt, soweit es die Rechtsfolge der Entschädigung selbst betrifft (vgl. EGMR vom 10.11.2005 - 40324/98 = NJW 2006, 2241-2246 sowie vom 4.2.2010 - 13791/06, Individualbeschwerde Nr. 37264/06). Insoweit hat der Gerichtshof wiederholt auf den Schutzbereich des Art 6 EMRK hingewiesen, dass alle Verfahrensabschnitte bei Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, einschließlich Verfahrensabschnitten, die dem Urteil in der Hauptsache zeitlich nachfolgen, innerhalb angemessener Frist verhandelt werden müssten (siehe u. a. Macková ./. Slowakei, Individualbeschwerde Nr. 51543/99, Rdnr. 55, 29. März 2005, und Robins ./. das Vereinigte Königreich, 23. September 1997, Rdnr. 28, Urteils- und Entscheidungssammlung 1997-V). Deshalb müssten das nachfolgende Kostenfestsetzungsverfahren, das Verfahren hinsichtlich der Gerichtsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren und das Vollstreckungsverfahren zu dem zu berücksichtigenden Zeitraum gerechnet werden.

In europarechtsfreundlicher Auslegung und unter Annahme einer Möglichkeit der Klageänderung ist der Senat jetzt der Ansicht, dass das Kostenfestsetzungsverfahren ein zu berücksichtigender Teil des Klageverfahrens beim EGMR Nr. 23056/09 gewesen war. Das nationale Recht beinhaltet für das Kostenfestsetzungsverfahren zwar eine eigenständige, von der EMRK unabhängige Regelung. Es geht von einer eigenständigen verfahrensrechtlichen Bedeutung des Verfahrens der Kostenfestsetzung aus (§ 198 Nr. 1 GVG). Zur Wahrung der Übergangsvorschrift hätte der Kläger damit aber ein unzulässiges Klageverfahren beim EGMR wegen eines Teiles des Verfahrens (Kostenfestsetzung) ab Januar 2011 anhängig machen müssen. Nur die vom Senat eingenommene (europafreundliche) Auslegung löst die Widersprüche zwischen dem nationalen Recht und der Verfahrensordnung des EGMR auf und schließt den Kläger auch nicht vom nationalen Rechtsschutz aus (Art 19 Abs. 4 GG).

Es kann ihm - angesichts der für Zivilverfahren bzw. auch sozialgerichtliche Verfahren geltenden Dispositionsmaxime - auch nicht entgegengehalten werden, dass er seine Entschädigungsklage nicht auf den gesamten Rechtstreit S 18 Kr 593/93, sondern nur auf einen Teil desselben gerichtet hat.

B.

Die damit zulässige Klage ist nur zT begründet.

1. Einer Verzögerungsrüge bedurfte es nicht. Die Verzögerungsrüge ist als materielle Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs konzipiert und nicht als Zulässigkeitskriterium für dessen prozessuale Geltendmachung (BSG B v 27.6.2013, Aktenzeichen: B 10 ÜG 9/13 B, 27 m. w. N., vgl. dazu Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 20, 27).

Auf abgeschlossene Verfahren gemäß Art. 23 Satz 1 ist § 198 Abs. 3 und 5 des GVG nicht anzuwenden (Art. 23 S. 5 ÜGG). Dies war hier aber der Fall, nachdem bereits im Januar 2011 kein Verfahren der Kostenfestsetzung mehr anhängig war. Auch als Teil des gesamten Verfahrens S 18 Kr 593/93 gesehen gilt dies, da das genannte Verfahren im Oktober 2008 noch früher beendet war.

2. Der Klägerin steht damit ein auf § 198 GVG gestützter Anspruch dem Grunde nach zu, weil die materiell-rechtlichen Vorschriften des ÜGG als Anspruchsgrundlage für das Verfahren S 18 Kr 593/93 gelten.

Der Kläger hat infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erlitten. Für seinen materiellen Schaden ist er gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG angemessen zu entschädigen.

3. Ein Kostenfestsetzungsverfahren kann innerhalb weniger Monate beendet werden. Hier waren lediglich Rahmengebühren festzustellen und zu prüfen, ob die behauptete Vergütung angemessen war. Die Bearbeitung selbst hat tatsächlich auch nur kurze Zeit gedauert. Mit einer Dauer von Januar 2006 bis Oktober 2010, mithin über 4 Jahre, war das Verfahren der Kostenfestsetzung beim SG München offensichtlich überlang. Selbst wenn dieser Einzelfall nicht besonders bedeutend war und keine Schwierigkeit aufwies, bestand keine Veranlassung, ihn so lange zurückzustellen.

Dies gilt aber nicht für das Verfahren der Erinnerung. Die am 15.11.2010 eingelegte Erinnerung wurde bereits mit Beschluss vom 11. Januar 2011 zurückgewiesen.

4. a) Der materielle Schaden des Klägers besteht nicht in der Verpflichtung, dem gegnerischen Anwalt Gebühren entrichten zu müssen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Kostengrundentscheidung des Urteils im zugrundeliegenden Verfahren. Die Richtigkeit der Entscheidung in dem durch die Entschädigungsklage in Bezug genommen Verfahren wird nicht zur erneuten Entscheidung gestellt. Ebenso wenig sind Anwaltskosten für das Erinnerungsverfahren ein Schaden. Denn diese dienten nicht der Geltendmachung der Verzögerung, sondern der Abwehr gegen die Kostenfestsetzung als solcher. Als materielle Nachteile kommen nur Wertminderungen und Rechtsverluste wegen des Zeitablaufs, Kostenerhöhungen im Ausgangsverfahren aufgrund der Verzögerung und notwendige RA-Kosten für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs in Betracht (Steinbeiß-Winkelmann/Ott Rn. 146; Schenke NVwZ 2012, 257; Heine MDR 2012, 327, Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 198 GVG, Rn. 7).

Durch die Verzögerung des Verfahrens ist aber die Zinslast höher ausgefallen, als sonst (wobei eine „normale“ Bearbeitungszeit noch in Abschlag gebracht werden muss). Der geltend gemachte Betrag von 157,71 € entspricht der Zinslast aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss. Dort wurden ab 16.1.2006 für das Berufungsverfahren 420 € und für das Beschwerdeverfahren beim BSG ab 22.8.2007 ein Betrag von 100,62 € festgestellt.

4 b) Auf die Verzinsung der zugesprochenen Summe von 157,71 € besteht ein Anspruch (Urteil des BSG vom 3.9.2014, Az.: B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 61). Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG stehen außerhalb des Systems der sozialrechtlichen Ansprüche, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 SGB I grundsätzlich nicht beansprucht werden können (hierzu BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr. 4, RdNr. 27 ff). § 201 Abs. 2 S 1 GVG i. V. m. § 202 SGG verweisen zwar auf das SGG, nicht hingegen auf das SGB. Die Annäherung des sozialgerichtlichen Kostenrechts an dasjenige der VwGO hat die Rechtsprechung des BSG überdies bereits in der Vergangenheit veranlasst, auch hinsichtlich der Prozesszinsen in besonderen Teilbereichen auf die Rechtsprechung des BVerwG Bezug zu nehmen (für den Bereich des Vertragsarztrechts ausdrücklich BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr. 2 RdNr. 38 ff; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 94 RdNr. 5a). Für den Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer ist insoweit entsprechend zu verfahren (vgl. zu den Prozesszinsen BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D -, DVBl 2014, 861 Juris RdNr. 46).

Die Berechnung erfolgt in entsprechender Anwendung der § 288 Abs. 1, § 291 S 1 BGB über die beantragten Prozesszinsen (5%-Punkte über dem Basiszinssatz) ab Rechtshängigkeit (Klageerhebung, vgl. § 94 SGG).

5. Hinsichtlich des immateriellen Schadens muss sich der Kläger mit einer Feststellung begnügen.

§ 198 Abs.2 GVG normiert entsprechend der Rechtsprechung des EGMR (NJW 2007, 1259) eine widerlegbare Vermutung, dass eine überlange Verfahrensdauer bei Verfahrensbeteiligten immaterielle Nachteile bewirkt, z. B. eine über die bei einem anhängigen Prozess übliche Ungewissheit hinausgehende psychische Belastung oder eine Rufschädigung. Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit soll u. a. gerade eine lange Unsicherheit des Entschädigungsklägers über seine Ansprüche und die damit verbundenen seelischen Folgen (vgl. Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802, S 19, Urteil des BSG vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R -, SozR 4-1720 § 198 Nr. 4, Rn. 59) vermeiden.

Dennoch kann nach § 198 Abs.2 S 2 GVG keine Entschädigung beansprucht werden, wenn eine Wiedergutmachung auf andere Weise nach § 198 Abs. 4 GVG ausreicht.

Das hier involvierte Verfahren war ungebührlich lang und die Verfahrensdauer durch nichts zu entschuldigen.

Die Kostenfestsetzung hat hier keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen. Diese hatte sich im Wesentlichen mit Routinefragen zu beschäftigen. Das Verhalten der Beteiligten ist aber auch unter dem Blickwinkel ihrer Mitwirkungsobliegenheiten und letztlich unter dem Aspekt des verbotenen Selbstwiderspruchs (venire contra factum proprium) zu würdigen (Michael Fock, Dr. Tilman Breitkreuz, Dr. Frank Schreiber in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 202, Rn. 21). Der Kläger hat tatsächlich auch Mahnversuche unternommen (Schriftwechsel 2007 und 2010). Allerdings hat er aber auch nur in einem Schriftsatz an den EMRG vom 5.5.2010 und nicht an das SG das Verfahren der Kostenfestsetzung thematisiert. Denn er wiederholt die Begründung des BSG, dass Kosten die der Kläger zu tragen habe im Kostenfestsetzungsverfahren festgestellt werden würden und insoweit auch die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts des Prozessgegners zu prüfen sei. Dieser Umstand, dass er sonst nie eine Entscheidung gefordert habe, kann dem Kläger aber in nicht entgegengehalten werden. Denn das Erfordernis der Verzögerungsrüge war damals noch nicht Gesetz. Es lässt allerdings Schlussfolgerungen auf die geringe Bedeutung der Sache zu, die der Kläger selbst der Kostenfestsetzung beigemessen hat. Wichtig war für den Kläger vielmehr ein Aspekt aus der Hauptsache, nämlich die Zulässigkeit der Bevollmächtigung des Rechtsanwalts A. von H., Wobei materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch im Verfahren der Kostenfestsetzung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind.

Abzustellen hat das Gericht bei der Bedeutung der Sache aber nicht nur auf die Sichtweise der Beteiligten, sondern auf die tatsächliche konkrete Bedeutung des Verfahrens in Relation zu den anderen zu bearbeitenden Rechtsschutzbegehren (Michael Fock, Dr. Tilman Breitkreuz, Dr. Frank Schreiber in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 202, Rn. 24).

Die Verfahrensart der Kostenfestsetzung unterscheidet sich erheblich von einem Erkenntnisverfahren. Die maßgeblichen Umstände des Rechtsverhältnisses der Beteiligten sind bereits im Verfahren der Hauptsache festgesetzt, insbesondere die Kostengrundentscheidung, die im gerichtskostenfreien Verfahren ohnehin nur Bedeutung für die außergerichtlichen Kosten hat. Es geht damit letztlich um die ohnehin dem Grunde nach zu entrichtenden Gebühren des gegnerischen Anwalts. Darüber entscheidet in einem Verfahren, ähnlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Rechtspfleger bzw. im sozialgerichtlichen Verfahren der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. Dies erfolgt auch nicht mehr im gesamten Parteiverhältnis der Hauptsache, sondern für jeden Beteiligten durch gesonderten Beschluss (vgl. § 11 RVG in der Fassung vom 30.7.2009). Während der grobe Rahmen der Gebühren in wirtschaftlicher Sicht schon mit deren Fälligkeit feststeht, geht es im Verfahren der Kostenfestsetzung lediglich noch um deren präzise Höhe. Dabei ist jede Verzögerung von Nutzen für den Kostenschuldner. Der Kläger war während der Dauer des Verfahrens vor einer Vollstreckung durch den Prozessgegner geschützt. Bei objektiver Betrachtung dürfte sich dem Urkundsbeamten die Erforderlichkeit einer baldigen Kostenfestsetzung hinsichtlich der Interessenslage des Klägers nicht aufdrängen. Es ist nicht ersichtlich, dass durch eine zeitliche Verzögerung der Entscheidung dem Kläger ein immaterieller Nachteil mit der erforderlichen Schwere der Belastung zugefügt wird. Ganz anders stellte sich für den damaligen Antragsteller die Bedeutung der Kostenfestsetzung dar. Eine Bedrohung durch ein unwägbares Prozessgeschehen und eine persönliche Mitwirkung bei Verhandlungen ist in dem nahezu ausschließlich schriftlichen Verfahren der Kostenfestsetzung nicht zu befürchten. Er ist dort lediglich zu hören und der Beschluss ist ihm im Erfolgsfalle zuzustellen. Auch das BSG misst einem Verfahren der Kostenfestsetzung keine besondere Bedeutung zu. In seinem Urteil vom 10. Juli 2014 (B 10 ÜG 8/13 R) sind deutliche Hinweise auf die Wichtigkeit eines Verfahrens der Kostenfestsetzung enthalten. So führt es aus, dass im Hinblick auf eine mögliche Verursachung immaterieller Nachteile ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für dessen Beteiligte im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung sein dürfte und dass im Mittelpunkt finanzielle Interessen des Prozessbevollmächtigten stehen dürften.

Der Vortrag des Klägers, dass er eine Macht- und Hilflosigkeit, sowie eine Ungleichbehandlung der Parteien empfunden habe, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere trifft es auch nicht zu, dass er sich 5 Jahre lang vergebens darum bemüht habe, dass das Sozialgericht das geltende Recht anwende und von einem Eingriff in sein Vermögensrecht Abstand nehme. Insoweit wird auf die oben angestellte Darlegung der Mahnversuche des Klägers Bezug genommen.

Der Senat hält es daher im Ergebnis für angemessen, den vom Kläger erlittenen immateriellen Schaden mit einer Feststellung gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu entschädigen (vgl. dazu auch Urteile des entscheidenden Senats vom 23.05.2014, Az.: L 8 SF 22/12 EK, L 8 SF 49/13 EK und L 8 SF 20/12 EK). Weil es hierfür nicht notwendig eines Antrags bedarf (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG), hat das Entschädigungsgericht grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, ob es diese Feststellung trifft. Bei diesem Ausspruch handelt es sich, wie systematisch aus § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu folgern ist, um eine Form der „Wiedergutmachung auf andere Weise“, die „neben die Entschädigung“ treten kann. Nach der Gesetzesbegründung (BT17/38202, S. 20) kann die schlichte Feststellung als Wiedergutmachung genügen, wenn ein Verfahrensbeteiligter keinen weitergehenden immateriellen Schaden erlitten hat und die Überlänge des Verfahrens den einzigen Nachteil darstellt. Dies hat im Übrigen auch der Beklagte dargetan, wenn er in seinem Schriftsatz vom 3.8.2012 ausführt, dass es nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Gründen die Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens für den Kläger eine moralische und psychische Belastung gewesen sein solle. Denn es sei diesem im Wesentlichen darauf angekommen, die wirksame Bevollmächtigung des anwaltlichen Vertreter seines Prozessgegners, die durch das Landessozialgericht längst entschieden worden sei, im Verfahren der Kostenfestsetzung erneut klären zu lassen. Er habe sich ansonsten nicht mit Fragen des zu erwartenden Kostenfestsetzungsbeschlusses selbst auseinander gesetzt.

6. Die weitergehende Klage war daher abzuweisen.

7. Der Kläger hat nur einen Teil der Verfahrenskosten zu tragen (§ 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 VwGO). Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Abweichend von dem wenig präzisen § 193 SGG knüpft die VwGO in den §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 VwGO stärker an den Ausgang des Rechtsstreits an (Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 197a, Rn. 8). Daher ist zu gewichten, welche Bedeutung der materielle Schaden hat und welche der immaterielle Schaden. Die Bezifferung der Leistungsklage stellt beides zunächst gleich. Aus dieser Sicht ist das Obsiegen des Klägers äußerst gering (beantragt waren 6.000 € + 583,14 €, zugesprochen 157,71; € 2,5% = 1/40). Weiter ist aber das Obsiegen hinsichtlich der bloßen Feststellung der Überlänge einzuschätzen. Die Feststellung bringt schon zum Ausdruck, dass die Sache von geringer Bedeutung ist. Dafür wäre die Hälfte der Kosten auch schon zu viel. Es wird lediglich dem Interesse des Klägers an einer gewissen Genugtuung Rechnung getragen. Das kann mit einem Drittel der Kosten „belohnt“ werden (13/40). Damit ergibt sich insgesamt eine Kostenentscheidung von 7/20 für Beklagte und 13/20 für den Kläger.

8. Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 51


(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 201


(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 11 Festsetzung der Vergütung


(1) Soweit die gesetzliche Vergütung, eine nach § 42 festgestellte Pauschgebühr und die zu ersetzenden Aufwendungen (§ 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören, werden sie auf Antrag des Rechtsanwalts oder

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 44 Verzinsung


(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. (2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sech

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197


(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 257 Beitragszuschüsse für Beschäftigte


(1) Freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, erhalten von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuß den Betrag, den der Arbeitgeber en

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 94


Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 168 Erlöschen der Vollmacht


Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Auf die Erkläru

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Mai 2014 - L 8 SF 20/12 EK

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Tenor I. Es wird festgestellt, dass die Dauer des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht München unangemessen war. II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin un

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Mai 2014 - L 8 SF 49/13 EK

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Tatbestand Die Parteien streiten über die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen einer überlangen Verfahrensdauer bei der Feststellung zusätzlicher Unfallfolgen aus dem Arbeitsunfall des Klägers vom 09.06.1994 in mehreren Verwal

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Feb. 2014 - 5 C 1/13 D

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil, 10. Aug. 2016 - 11 EK 5/15

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(1) Freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, erhalten von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuß den Betrag, den der Arbeitgeber entsprechend § 249 Absatz 1 oder 2 bei Versicherungspflicht des Beschäftigten zu tragen hätte. Satz 1 gilt für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, deren Mitgliedschaft auf der Versicherungsberechtigung nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 beruht, entsprechend. Bestehen innerhalb desselben Zeitraums mehrere Beschäftigungsverhältnisse, sind die beteiligten Arbeitgeber anteilig nach dem Verhältnis der Höhe der jeweiligen Arbeitsentgelte zur Zahlung des Beitragszuschusses verpflichtet. Freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte, die eine Beschäftigung nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz ausüben, erhalten von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuss den Betrag, den der Arbeitgeber bei Versicherungspflicht der Freiwilligendienstleistenden nach § 20 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Vierten Buches für die Krankenversicherung zu tragen hätte.

(2) Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze oder auf Grund von § 6 Abs. 3a versicherungsfrei oder die von der Versicherungspflicht befreit und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und für sich und ihre Angehörigen, die bei Versicherungspflicht des Beschäftigten nach § 10 versichert wären, Vertragsleistungen beanspruchen können, die der Art nach den Leistungen dieses Buches entsprechen, erhalten von ihrem Arbeitgeber einen Beitragszuschuß. Der Zuschuss wird in Höhe des Betrages gezahlt, der sich bei Anwendung der Hälfte des Beitragssatzes nach § 241 zuzüglich der Hälfte des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a und der nach § 226 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bei Versicherungspflicht zugrunde zu legenden beitragspflichtigen Einnahmen als Beitrag ergibt, höchstens jedoch in Höhe der Hälfte des Betrages, den der Beschäftigte für seine Krankenversicherung zu zahlen hat. Für Beschäftigte, die bei Versicherungspflicht keinen Anspruch auf Krankengeld hätten, tritt an die Stelle des Beitragssatzes nach § 241 der Beitragssatz nach § 243. Soweit Kurzarbeitergeld bezogen wird, ist der Beitragszuschuss in Höhe des Betrages zu zahlen, den der Arbeitgeber bei Versicherungspflicht des Beschäftigten entsprechend § 249 Absatz 2 zu tragen hätte, höchstens jedoch in Höhe des Betrages, den der Beschäftigte für seine Krankenversicherung zu zahlen hat; für die Berechnung gilt der um den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz nach § 242a erhöhte allgemeine Beitragssatz nach § 241. Absatz 1 Satz 3 gilt.

(2a) Der Zuschuss nach Absatz 2 wird ab 1. Januar 2009 für eine private Krankenversicherung nur gezahlt, wenn das Versicherungsunternehmen

1.
diese Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung betreibt,
2.
einen Basistarif im Sinne des § 152 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes anbietet,
2a.
sich verpflichtet, Interessenten vor Abschluss der Versicherung das amtliche Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß § 146 Absatz 1 Nummer 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes auszuhändigen, welches über die verschiedenen Prinzipien der gesetzlichen sowie der privaten Krankenversicherung aufklärt,
3.
soweit es über versicherte Personen im brancheneinheitlichen Standardtarif im Sinne von § 257 Abs. 2a in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung verfügt, sich verpflichtet, die in § 257 Abs. 2a in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung in Bezug auf den Standardtarif genannten Pflichten einzuhalten,
4.
sich verpflichtet, den überwiegenden Teil der Überschüsse, die sich aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft ergeben, zugunsten der Versicherten zu verwenden,
5.
vertraglich auf das ordentliche Kündigungsrecht verzichtet,
6.
die Krankenversicherung nicht zusammen mit anderen Versicherungssparten betreibt, wenn das Versicherungsunternehmen seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.
Der Versicherungsnehmer hat dem Arbeitgeber jeweils nach Ablauf von drei Jahren eine Bescheinigung des Versicherungsunternehmens darüber vorzulegen, dass die Aufsichtsbehörde dem Versicherungsunternehmen bestätigt hat, dass es die Versicherung, die Grundlage des Versicherungsvertrages ist, nach den in Satz 1 genannten Voraussetzungen betreibt.

(2b) u. (2c) (weggefallen)

(3) Für Bezieher von Vorruhestandsgeld nach § 5 Abs. 3, die als Beschäftigte bis unmittelbar vor Beginn der Vorruhestandsleistungen Anspruch auf den vollen oder anteiligen Beitragszuschuß nach Absatz 1 hatten, bleibt der Anspruch für die Dauer der Vorruhestandsleistungen gegen den zur Zahlung des Vorruhestandsgeldes Verpflichteten erhalten. Der Zuschuss wird in Höhe des Betrages gezahlt, den der Arbeitgeber bei Versicherungspflicht des Beziehers von Vorruhestandsgeld zu tragen hätte. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Für Bezieher von Vorruhestandsgeld nach § 5 Abs. 3, die als Beschäftigte bis unmittelbar vor Beginn der Vorruhestandsleistungen Anspruch auf den vollen oder anteiligen Beitragszuschuß nach Absatz 2 hatten, bleibt der Anspruch für die Dauer der Vorruhestandsleistungen gegen den zur Zahlung des Vorruhestandsgeldes Verpflichteten erhalten. Der Zuschuss wird in Höhe des Betrages gezahlt, der sich bei Anwendung der Hälfte des Beitragssatzes nach § 243 und des Vorruhestandsgeldes bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Absatz 3) als Beitrag ergibt, höchstens jedoch in Höhe der Hälfte des Betrages, den der Bezieher von Vorruhestandsgeld für seine Krankenversicherung zu zahlen hat; Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Auf die Erklärung des Widerrufs findet die Vorschrift des § 167 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.

(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.

(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.

2

Gegenstand des Ausgangsverfahrens, dessen Überlänge die Kläger rügen, war die Kürzung einer Wohnungsbauförderung. Den Klägern waren Fördermittel in Form eines zinsverbilligten Darlehens für den Erwerb von Wohneigentum zur Selbstnutzung bzw. Überlassung an Familienangehörige bewilligt worden. Die beklagte Bank widerrief später zum Teil die gegenüber den Klägern erlassenen Bewilligungsbescheide wegen Verstoßes gegen die Zweckbestimmung, nachdem sie erfahren hatte, dass die Kläger - nach ihren Angaben wegen nicht mehr hinnehmbaren Nachbarschaftsstreitigkeiten - ein Hausgrundstück erworben und die zuvor selbst genutzte Eigentumswohnung an eine Mieterin ohne Berechtigungsbescheinigung des Wohnungsamtes vermietet hatten. Hierdurch entstanden den Klägern Mehrkosten für höhere Zinsen in Höhe von 6 800 €.

3

Die Kläger erhoben gegen die Aufhebung der beiden Teilwiderrufsbescheide am 28. November 2007 Klage. Diese wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. September 2008 zurück.

4

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. September 2008 zugestellte Urteil beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 die Zulassung der Berufung. Die Antragsbegründung wurde am 17. November 2008 beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Die Kläger rügten die Übertragung auf den Einzelrichter als verfahrensfehlerhaft und machten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung geltend. Mit gerichtlicher Verfügung vom selben Tag wurde die beklagte Bank zur Stellungnahme binnen einer Frist von sechs Wochen aufgefordert. Die Stellungnahme ging beim Oberverwaltungsgericht am 3. Dezember 2008 ein. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2009 teilten die Prozessbevollmächtigten der Kläger ihre neue Anschrift mit. Eine Abschrift dieses Schriftsatzes wurde der Gegenseite aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 5. Januar 2010 übersandt. Mit Beschluss vom 29. August 2011 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.

5

Am 24. Januar 2012 forderten die Kläger die Senatsverwaltung für Finanzen auf, ihnen wegen der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens bis zum 14. Februar 2012 jeweils einen Betrag von 1 200 € zu zahlen. Für die außergerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs wurde ihnen ein Betrag von 330,34 € in Rechnung gestellt.

6

Am 28. Februar 2012 haben die Kläger beim Oberverwaltungsgericht Klage erhoben und jeweils die Gewährung einer angemessenen Entschädigung für den durch die überlange Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Oberverwaltungsgericht erlittenen immateriellen Nachteil, hilfsweise für den durch die überlange Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erlittenen immateriellen Nachteil, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 v.H. seit dem 15. Februar 2012 sowie die Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 330,34 € begehrt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, das Berufungszulassungsverfahren habe mit etwa drei Jahren unangemessen lang gedauert. Es habe sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt ohne schwerwiegende rechtliche Probleme gehandelt. Das Oberverwaltungsgericht habe das Verfahren seit der Begründung des Zulassungsantrags nicht gefördert. Die andauernde Überlastung des zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts, die dort vorhandenen Rückstände und die allgemein angespannte Personalsituation könnten die Verfahrensdauer nicht rechtfertigen. Die Beteiligten hätten das Berufungszulassungsverfahren in keiner Weise verzögert. Für sie, die Kläger, sei es von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen, ob ihnen der im Berufungszulassungsverfahren streitige Betrag von 6 800 € zur Verfügung stehe oder nicht. Sie lebten in angespannten finanziellen Verhältnissen. Der besagte Betrag stelle für sie eine erhebliche finanzielle Ent- bzw. Belastung dar. Aufgrund der über den Verfahrensausgang herrschenden Unsicherheit seien sie in ihrer finanziellen Planung stark eingeschränkt gewesen. Eine geordnete Lebensplanung sei ihnen erschwert worden. Die Belastungen hätten sich insbesondere für die Klägerin zu 1 auch psychisch ausgewirkt. Die Feststellung, dass das Berufungsverfahren unangemessen lang gedauert habe, sei nicht ausreichend. Die Entschädigungshöhe werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, wobei ein Betrag von 1 200 € je Kläger als angemessen erachtet werde. Da sich der Beklagte seit dem 15. Februar 2012 in Verzug befinde, sei der Entschädigungsbetrag ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen. Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch der Sache nach um einen Schadensersatzanspruch handele, stehe ihnen auch ein Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten zu.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entschädigungsklage abgewiesen. Soweit mit ihr eine angemessene Entschädigung für die überlange Dauer des Berufungszulassungsverfahrens geltend gemacht werde, habe sie schon deshalb keinen Erfolg, weil die Kläger ihr Entschädigungsbegehren nicht auf einen Verfahrenszug beschränken könnten, wenn das Gerichtsverfahren - wie hier - über zwei Instanzen geführt worden sei. Der Entschädigungsanspruch sei vielmehr von der Angemessenheit der Gesamtverfahrensdauer abhängig zu machen. Soweit sich das Entschädigungsbegehren auf beide Verfahrenszüge beziehe, sei die Gesamtdauer des Verfahrens im Sinne des § 198 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - noch nicht unangemessen gewesen. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den dort genannten Kriterien. Angesichts dessen sei es nicht möglich, abstrakte Angaben zu einer "Höchstdauer" als Grenze der Angemessenheit zu machen. Bei Anwendung des Maßstabes des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sei zu berücksichtigen, dass das Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besonders schwierig gewesen sei. Auch im Berufungszulassungsverfahren seien keine überdurchschnittlich schwierigen Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen worden. Der Zulassungsantrag sei zwar ausführlich begründet worden. Er habe aber in zulassungs- bzw. materiellrechtlicher Hinsicht keine erhöhten Anforderungen gestellt, wie die Rüge der fehlenden Anhörung vor der Übertragung auf den Einzelrichter beispielhaft belege. Das Verfahren habe aus den im Einzelnen dargelegten Gründen für die Kläger auch keine besondere Bedeutung aufgewiesen. Ebenso seien von der Gesamtdauer keine Zeiten im Hinblick auf das Verhalten der Kläger abzuziehen. Unter Berücksichtigung aller angeführten Umstände, vor allem im Hinblick auf die geringe Bedeutung der Sache und die zügige erstinstanzliche Entscheidung, sei die Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren und rund neun Monaten für zwei Instanzen noch nicht unangemessen. Da kein Anspruch auf Entschädigung bestehe, könnten die Kläger auch keine Zinsen verlangen, die ohnehin erst ab Rechtshängigkeit beansprucht werden könnten. Aus demselben Grund könnten auch keine vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten beansprucht werden. Abgesehen davon stellten diese auch keinen materiellen Schaden im Sinne des § 198 Abs. 1 GVG dar, weil die vorprozessuale Geltendmachung allein auf dem Entschluss der Kläger beruhe und gesetzlich nicht vorgeschrieben sei.

8

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Entschädigungsbegehren weiter. Sie rügen eine Verletzung des § 198 Abs. 1 GVG.

9

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Kläger hat Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Kläger sind entgegen der Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts prozessrechtlich nicht gehindert, die Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens auf das Berufungszulassungsverfahren zu beschränken (1.). Das angefochtene Urteil beruht aber auf einer fehlerhaften Anwendung des § 198 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Juli 2013 (BGBl I S. 1938). Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergibt sich mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren (2.). Dem ausschließlich im Zusammenhang mit der Entschädigung des immateriellen Nachteils geltend gemachten Zinsanspruch ist jeweils ab Eintritt der Rechtshängigkeit stattzugeben (3.).

11

1. Die Begrenzung der Entschädigungsklage im Hauptantrag auf den Ausgleich des den Klägern jeweils infolge der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens entstandenen Nachteils ist prozessrechtlich zulässig. Sie entspricht der Dispositionsbefugnis der Kläger als Rechtsmittelführer (vgl. § 88 VwGO) und trägt dem Umstand Rechnung, dass sie sich insoweit allein durch die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens beschwert sehen. Allgemein kann ein Rechtsmittel auf einen von mehreren selbständigen Streitgegenständen einer Klage oder auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden, wenn dieser Teil vom Gesamtstreitstoff abteilbar ist und materiellrechtliche Gründe einer gesonderten Entscheidung darüber nicht entgegenstehen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 60 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

12

Die Beschränkung des Anspruchs auf Ausgleich des Nachteils auf einen Verfahrenszug - hier das Berufungszulassungsverfahren - stellt einen abtrennbaren Teil des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines über mehrere Instanzen geführten Gerichtsverfahrens dar. Die Frage nach der prozessrechtlichen Zulässigkeit eines derart begrenzten Klageantrags ist zu trennen von der Frage nach seinem materiellrechtlichen Bezugsrahmen. Bezugsrahmen eines Entschädigungsanspruchs, der allein bezüglich der Dauer des Verfahrens in einer von mehreren Instanzen geltend gemacht wird, ist das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit. Ob sich die Verfahrensdauer in einer von mehreren Instanzen als angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellt, ist materiellrechtlich unter Berücksichtigung der Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens von dessen Einleitung in der ersten Instanz bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss in der letzten Instanz zu ermitteln (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 16 f. und 61). Das materielle Recht steht aber der Zuerkennung einer Entschädigung für den (nur) durch die unangemessene Dauer des Verfahrens in einer Instanz erlittenen Nachteil nicht entgegen. Denn auch um dies feststellen zu können, ist grundsätzlich die materiellrechtliche Voraussetzung zu prüfen, ob - mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer - durch die zügige Behandlung der Sache in einer Instanz eine etwaige Überlänge in einer anderen (vorangegangenen oder nachfolgenden) Instanz ganz oder teilweise kompensiert werden kann.

13

Für die Zulässigkeit, den Entschädigungsantrag auf eine Instanz beschränken zu können, spricht ferner, dass die Klage auf Entschädigung schon während des noch laufenden Ausgangsverfahrens erhoben werden kann (vgl. § 198 Abs. 5, § 201 Abs. 3 GVG). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auch Konstellationen denkbar sind, in denen eine unangemessene und irreparable Verzögerung feststellbar ist und in denen daher über die Kompensation für schon eingetretene Nachteile entschieden werden kann, obwohl das Ausgangsverfahren noch nicht beendet ist. Dass es das Gesetz zulässt, verschiedene Verfahrensstufen unterschiedlich in den Blick zu nehmen, zeigt sich auch daran, dass die Verzögerungsrüge erneut erhoben werden muss, wenn die Sache bei einem anderen Gericht anhängig wird und es dort nochmals zu einer weiteren unangemessenen Verzögerung kommt (vgl. § 198 Abs. 3 Satz 5 GVG) sowie daran, dass bei einem bis zum Bundesverwaltungsgericht geführten Verwaltungsrechtsstreit verschiedene Rechtsträger - nämlich zum einen das jeweilige Land und zum anderen der Bund (§ 201 Abs. 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO) - für die in ihrem Bereich zu verantwortenden Verfahrensverzögerungen in Anspruch genommen werden können (vgl. so auch für die Begrenzung des Feststellungsantrags auf die Verfahrensdauer einer Instanz Urteil vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 60 f.).

14

2. Die Kläger haben jeweils einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 2 400 €, weil das Berufungszulassungsverfahren eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von zwei Jahren aufweist (a). Des Weiteren können sie - als Gesamtgläubiger - die Entschädigung des ihnen durch diese Verzögerung entstandenen materiellen Nachteils in Höhe von 330,34 € verlangen (b).

15

a) Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Diese Regelungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.

16

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Materiellrechtlicher Bezugsrahmen des von den Klägern geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist - wie dargelegt - das gesamte hier abgeschlossene gerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar von der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht am 28. November 2007 bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss durch den die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 29. August 2011. Die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens war auch mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG (aa). Hierdurch haben die Kläger jeweils einen nicht auf andere Weise wiedergutzumachenden immateriellen Nachteil erlitten (bb), wofür ihnen jeweils eine Entschädigung in Höhe von 2 400 € zu zahlen ist (cc).

17

aa) Die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht war bei der gebotenen Gesamtabwägung unter Einbeziehung der Gesamtverfahrensdauer im Umfang von zwei Jahren unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

18

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Die Aufzählung in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nicht abschließend. Dementsprechend ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - in der Fassung vom 22. Oktober 2010 , Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 26, 37 und 42 und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 18, 29 und 34; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630 <3631 f.>).

19

Das Oberverwaltungsgericht hat sich in Übereinstimmung mit dem dargelegten rechtlichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer zu Recht (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 28 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 20 ff.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 a.a.O. <3631 f.>) nicht von festen Zeitvorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten leiten lassen, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Es hat auch die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich genannten Kriterien der Einzelfallprüfung richtig erfasst ((1)). Dem Oberverwaltungsgericht ist allerdings ein Rechtsanwendungs- bzw. Subsumtionsfehler unterlaufen, weil die festgestellten Tatsachen nicht den im Rahmen der Gesamtabwägung vorgenommenen Schluss tragen (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <205> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 24), die Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren und rund neun Monaten sei noch nicht unangemessen im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Bei rechtlich zutreffender Abwägung ergibt sich vielmehr die Unangemessenheit der Verfahrensdauer und eine maßgebliche Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren ((2)).

20

(1) Die tatsächliche Würdigung und Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts ist im Hinblick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien der Schwierigkeit des Verfahrens ((a)), seiner Bedeutung für die Kläger ((b)) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((c)) nicht zu beanstanden.

21

(a) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung seiner insoweit getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Berufungszulassungsverfahren einen allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen hat. Dies wird auch von der Revision nicht angegriffen. Die Entscheidung über den geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) war im konkreten Fall eher einfach gelagert. Welche Anforderungen an diesen Zulassungsgrund zu stellen sind, hängt im Wesentlichen von der Beschaffenheit der in dem angefochtenen Urteil entschiedenen Fragen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die sich in Bezug auf den Widerruf der Bewilligungsbescheide in formeller und materieller Hinsicht stellenden Rechtsfragen zu Recht als Standardprobleme eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angesehen. Es hat ferner festgestellt, dass der Vortrag der Kläger übersichtlich und eine Beweisaufnahme nicht erforderlich gewesen ist. Dafür, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allenfalls durchschnittlich schwierigen Fall gehandelt hat, spricht zudem die Übertragung der Sache vom Verwaltungsgericht auf den Einzelrichter (§ 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Auch die von den Klägern im Berufungszulassungsverfahren erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter stellt sich als eine einfach zu beantwortende verfahrensrechtliche Frage dar.

22

(b) Des Weiteren ist die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, das Ausgangverfahren und damit der Sache nach auch das Berufungszulassungsverfahren hätten für die Kläger keine besondere Bedeutung aufgewiesen, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) im konkreten Fall nicht die vom Oberverwaltungsgericht angenommene relativierende Wirkung für die Bedeutung der Sache beizumessen. Denn die aufschiebende Wirkung endete gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Allerdings sind dem angefochtenen Urteil keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die auf eine erhebliche Bedeutung der Sache für die Kläger schließen lassen. Nach der tatrichterlichen Bewertung ihres Vorbringens haben die Kläger nicht dargelegt, dass die (moderat) erhöhten Zinsen von ihnen nicht hätten gezahlt werden können oder die Mieteinnahmen der geförderten Wohnung nicht ausgereicht hätten, um die erhöhten Zinsen zu decken. Ebenso gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Kläger nach dem Kauf eines Hauses in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen gewesen sind oder sonst eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für sie vorgelegen hat.

23

Die Würdigung des klägerischen Tatsachenvortrags durch das Oberverwaltungsgericht ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt (vgl. Urteil vom 14. März 2013 - BVerwG 5 C 10.12 - NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 14). Dem Revisionsvorbringen ist nicht zu entnehmen, dass dem Oberverwaltungsgericht ein derartiger Fehler unterlaufen ist. Hierfür ist auch ansonsten kein Anhaltspunkt ersichtlich. Entsprechendes gilt, soweit das Oberverwaltungsgericht in Würdigung des Vortrags der Kläger auch eine besondere psychische Belastung der Kläger, insbesondere der Klägerin zu 1, durch das Verfahren auf Aufhebung der Teilwiderrufe der ihnen bewilligten Wohnungsbauförderung nicht zu bejahen vermochte. Schließlich liegt hier auch keine Fallgruppe vor, für welche die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte regelmäßig eine besondere Bedeutung für die Betroffenen annimmt, wie etwa bei Eingriffen in die persönliche Freiheit oder die Gesundheit, Rechtsstreitigkeiten um die finanzielle Versorgung (Renten- oder Arbeitssachen) oder Statussachen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 133 sowie den Überblick und die Nachweise bei Wittling-Vogel/Ulick, DRiZ 2008, 87 <88>).

24

(c) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht aus den von ihm festgestellten Tatsachen den Schluss gezogen, dass die Kläger durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens bewirkt haben. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die Kläger mit keiner Verfahrenshandlung säumig gewesen. Soweit sie die gesetzliche Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ausgeschöpft haben, ist das Oberverwaltungsgerichts zu Recht davon ausgegangen, dass ihnen dies nicht als Verursachung einer Verfahrensverzögerung zugerechnet werden kann. Denn ein Rechtsmittelführer darf die gesetzlichen Fristen grundsätzlich voll ausschöpfen (vgl. Urteil vom 21. Dezember 1987 - BVerwG 3 B 28.87 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 154 S. 6), ohne dass ihm dies auch mit Blick auf § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zum Nachteil gereicht.

25

(2) Die in dem angefochtenen Urteil auch zur Verfahrensführung des Oberverwaltungsgerichts getroffenen Feststellungen schließen es aus, die Verfahrensdauer noch als angemessen anzusehen. Vielmehr ergibt eine Beurteilung am Maßstab des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, dass bei der Führung des Berufungszulassungsverfahrens Verzögerungen eingetreten sind, die auch bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums eine unangemessene Verfahrensdauer bewirkt haben (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 37 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 29 ff.). Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergibt sich, dass das Berufungszulassungsverfahren im Zeitraum vom 3. Mai 2009 bis zum 29. August 2011, d.h. zwei Jahre und rund vier Monate, ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert worden ist.

26

Aus den Feststellungen zur Chronologie des Berufungszulassungsverfahrens ist wertend zu folgern, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung mit Eingang der Stellungnahme der beklagten Bank am 3. Dezember 2008 entscheidungsreif war. Denn der Berufungszulassungsantrag ist damit in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufbereitet gewesen und den Beteiligten ist in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 36 und 51). Aus dem festgestellten Verfahrensablauf ergibt sich des Weiteren, dass das Oberverwaltungsgericht in der Folgezeit bis zur Sachentscheidung keine weitere Handlung vorgenommen hat, um die Erledigung des Berufungszulassungsverfahrens zu fördern. Insbesondere die am 5. Januar 2010 verfügte Übersendung eines Schriftsatzes an die beklagte Bank, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger die neue Anschrift seiner Kanzlei mitteilte, stellte keine derartige Handlung dar.

27

Im vorliegenden Einzelfall erscheint es angemessen, dem Oberverwaltungsgericht für das konkrete Berufungszulassungsverfahren ab Entscheidungsreife einen Zeitraum von fünf Monaten für seine Entscheidung über den Zulassungsantrag zuzugestehen mit der Folge, dass die bis zum 3. Mai 2009 eingetretene Verfahrensverzögerung als sachlich gerechtfertigt anzusehen und nicht dem beklagten Land zuzurechnen ist.

28

Der zugestandene Zeitraum trägt dem Umstand Rechnung, dass - auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) - die Verfahrensgestaltung in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht obliegt und ihm hinsichtlich der Entscheidung, wann und wie es eine bestimmte Sache in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen terminiert oder sonst fördert, ein Spielraum zusteht. Er berücksichtigt weiter, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache Zeit zur rechtlichen Durchdringung benötigt, um dem rechtstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. Der ab Eintritt der Entscheidungsreife zugestandene Zeitraum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer Ex-ante-Sicht einschätzen durften. Hingegen ist eine Überlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder des konkreten Ausgangsgerichts bzw. Spruchkörpers für die Bemessung des richterlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Sie gehört zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 41 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 33 ff.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12- NJW 2013, 3630 <3632>).

29

In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe hätte das Oberverwaltungsgericht über das in Rede stehende Verfahren auf Zulassung der Berufung angesichts der eher einfach gelagerten Fragen, die zu beantworten waren, fünf Monate nach Eintritt der Entscheidungsreife entscheiden müssen, um den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer zu genügen.

30

Die sich danach errechnende sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens im Umfang von zwei Jahren und rund vier Monaten ist im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung mit Blick auf das zügige erstinstanzliche Verfahren um rund vier Monate zu reduzieren. Denn das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit etwa vier Monate früher erledigt, als es dies bei Berücksichtigung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums hätte tun müssen, um das Verfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 GVG in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.

31

Die am 28. November 2007 erhobene Klage war am 6. Mai 2008 entscheidungsreif. Zu diesem Zeitpunkt lagen Klagebegründung, Klageerwiderung, Replik der Kläger und Duplik der beklagten Bank vor. Dem Verwaltungsgericht ist im konkreten Fall für seine Entscheidung mit Rücksicht auf den gerichtlichen Spielraum bei der Verfahrensgestaltung ein Zeitraum von acht Monaten ab Entscheidungsreife zuzugestehen. Bei der Bemessung dieses Zeitraums ist in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem erstinstanzlichen Verfahren um ein Hauptsacheverfahren gehandelt hat. Zudem ist über die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden gewesen (vgl. § 101 Abs. 1 VwGO). Allerdings ist das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht - wie dargelegt - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts allenfalls durchschnittlich schwierig gewesen. Ferner ist der Zeitspanne von über fünf Monaten bis zum Eintritt der Entscheidungsreife des erstinstanzlichen Verfahrens Rechnung zu tragen. Denn die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 39 und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 31, jeweils mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 a.a.O.). Je größer der zeitliche Abstand von der Einleitung bis zur Entscheidungsreife des Verfahrens ist, desto stärker ist das Gericht gehalten, anschließend auf eine zügige Erledigung der Sache hinzuwirken. Nach alledem wäre die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht noch angemessen gewesen, wenn es die Ende November 2007 eingegangene Sache nach dreizehn Monaten abgeschlossen hätte. Das Verwaltungsgericht hat aber über die Klage mit Urteil vom 5. September 2008 entschieden und das erstinstanzliche Verfahren somit rund vier Monate vor Ablauf des hier anzunehmenden Gestaltungszeitraums zum Abschluss gebracht. Dieser Zeitraum ist auf die Überlänge des Berufungszulassungsverfahrens mindernd anzurechnen.

32

bb) Die Kläger haben infolge der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren jeweils einen immateriellen Nachteil erlitten ((1)), der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann ((2)).

33

(1) Dass die Kläger Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten haben, ergibt sich aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier das Berufungszulassungsverfahren - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier weder bezüglich der Klägerin zu 1 noch des Klägers zu 2 widerlegt.

34

(2) Entschädigung für Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 57 und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 48, jeweils m.w.N.).

35

Eine schlichte Feststellungsentscheidung ist hier mit Blick auf den Umfang der Verzögerung des vom Schwierigkeitsgrad allenfalls durchschnittlich gelagerten Berufungszulassungsverfahrens nicht ausreichend. Der Umstand, dass das Verfahren für die Kläger keine besondere Bedeutung im entschädigungsrechtlichen Sinne besaß, vermag das Gewicht des durch die Verzögerung von zwei Jahren bedingten immateriellen Nachteils nicht entscheidend zu mindern.

36

cc) Den Klägern ist für den erlittenen immateriellen Nachteil jeweils ein Entschädigungsbetrag von 2 400 € zu zahlen. Eine Minderung dieses Betrages, weil zwei Personen auf Klägerseite auftreten, ist hier nicht gerechtfertigt.

37

Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies legt bereits der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nahe. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erlitten hat. Es finden sich dort keine Hinweise dafür, dass mehrere Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite hinsichtlich eines Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, als eine (Personen-)Einheit zu behandeln sind. Gleiches gilt für die Legaldefinition des Verfahrensbeteiligten in § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG, nach der jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger der öffentlichen Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind, Verfahrensbeteiligter ist. Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Entstehungsgeschichte (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 1 und 15) und Zweckbestimmung des § 198 Abs. 1 GVG (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18) bestätigen diesen Befund. Der innerstaatliche Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren in Form des Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 GVG stellt sich danach als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar. Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 38 und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 30, jeweils m.w.N.). Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht dementsprechend jeder Person zu, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist.

38

Die Bemessung des jeweiligen immateriellen Nachteils richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1 200 € nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Es kann offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es aus Billigkeitserwägungen geboten sein kann, bei mehreren Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite einen niedrigeren Entschädigungsbetrag als den Regelbetrag für jedes Jahr festzusetzen (vgl. hierzu z.B. EGMR, Urteil vom 15. Februar 2008 - Nr. 38311/02, Kakamoukas u.a./Griechenland - NJW 2009, 655 <656 f.>). Denn bei einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden besteht kein Anlass für eine derartige Billigkeitsentscheidung. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts geben auch im Übrigen keine Veranlassung, vom Pauschalbetrag abzuweichen.

39

b) Den Klägern steht als Gesamtgläubigern für den durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 330,34 € zu.

40

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen gebietet, (auch) für einen materiellen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Die notwendigen Anwaltskosten für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs stellen - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - eine Vermögenseinbuße und damit einen materiellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19). Diese Kosten sind auch durch die nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens verursacht worden. Die Verzögerung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die den Klägern in Rechnung gestellten Anwaltskosten für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs entfielen. Die Kosten sind adäquate Folge der unangemessenen Verfahrensdauer. Zwar besteht - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - keine gesetzliche Pflicht, den Entschädigungsanspruch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger außergerichtlich geltend zu machen. Die Verfahrensbeteiligten sind aber nach allgemeinen Grundsätzen berechtigt, dies zu tun (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 22).

41

Die Entschädigung für materielle Nachteile ist kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -. Sie stellt vielmehr in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen dar. Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 54 m.w.N.). Die Vermögenseinbuße der Kläger beläuft sich hier auf die in Rechnung gestellten 330,34 €, für die sie gegenüber ihrem Rechtsanwalt gesamtschuldnerisch gehaftet haben.

42

3. Der ausschließlich hinsichtlich der Entschädigung des immateriellen Nachteils jeweils geltend gemachte Zinsanspruch der Kläger ist auf die Prozesszinsen zu beschränken.

43

a) Die Kläger können keine Verzugszinsen seit dem 15. Februar 2012, dem Tag nach Ablauf der Zahlungsfrist, die sie der Senatsverwaltung für Finanzen gesetzt haben, beanspruchen.

44

Ein Anspruch auf Verzugszinsen in analoger Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich bei der öffentlich-rechtlichen Forderung um eine Entgeltforderung handelt, d.h. um eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht. Denn insoweit besteht kein entscheidender Unterschied zu bürgerlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen (vgl. Urteile vom 30. Juni 2011 - BVerwG 3 C 30.10 - Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 13 Rn. 20 und vom 12. Juni 2002 - BVerwG 9 C 6.01 - BVerwGE 116, 312 <323> = Buchholz 407.2 § 13 EKrG Nr. 3 S. 27, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG als gesetzlicher Anspruch nicht.

45

In allen anderen Fällen können Verzugszinsen bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage gefordert werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet (vgl. z.B. Urteile vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 = Buchholz 237.4 § 76 HmbBG Nr. 3, jeweils Rn. 46 und vom 12. Juni 2002 a.a.O., jeweils m.w.N.). In Bezug auf den Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung über die Zahlung von Verzugszinsen.

46

b) Der für den immateriellen Nachteil zuerkannte Entschädigungsbetrag ist jeweils ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Nach den auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Vorschriften der § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Prozesszinsen immer dann zu zahlen, wenn das einschlägige Fachrecht - so wie hier die §§ 198 ff. GVG - keine abweichende Regelung trifft und die Geldforderung - wie hier - eindeutig bestimmt ist (vgl. Urteile vom 26. Juli 2012 a.a.O., jeweils Rn. 47 und vom 12. Juni 2002 a.a.O. <325> bzw. S. 28, jeweils m.w.N.).

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Soweit die gesetzliche Vergütung, eine nach § 42 festgestellte Pauschgebühr und die zu ersetzenden Aufwendungen (§ 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören, werden sie auf Antrag des Rechtsanwalts oder des Auftraggebers durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Getilgte Beträge sind abzusetzen.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Vor der Festsetzung sind die Beteiligten zu hören. Die Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren mit Ausnahme des § 104 Absatz 2 Satz 3 der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen gelten entsprechend. Das Verfahren vor dem Gericht des ersten Rechtszugs ist gebührenfrei. In den Vergütungsfestsetzungsbeschluss sind die von dem Rechtsanwalt gezahlten Auslagen für die Zustellung des Beschlusses aufzunehmen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt; dies gilt auch im Verfahren über Beschwerden.

(3) Im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit wird die Vergütung vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzt. Die für die jeweilige Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften über die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren gelten entsprechend.

(4) Wird der vom Rechtsanwalt angegebene Gegenstandswert von einem Beteiligten bestritten, ist das Verfahren auszusetzen, bis das Gericht hierüber entschieden hat (§§ 32, 33 und 38 Absatz 1).

(5) Die Festsetzung ist abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Hat der Auftraggeber bereits dem Rechtsanwalt gegenüber derartige Einwendungen oder Einreden erhoben, ist die Erhebung der Klage nicht von der vorherigen Einleitung des Festsetzungsverfahrens abhängig.

(6) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend.

(7) Durch den Antrag auf Festsetzung der Vergütung wird die Verjährung wie durch Klageerhebung gehemmt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten bei Rahmengebühren nur, wenn die Mindestgebühren geltend gemacht werden oder der Auftraggeber der Höhe der Gebühren ausdrücklich zugestimmt hat. Die Festsetzung auf Antrag des Rechtsanwalts ist abzulehnen, wenn er die Zustimmungserklärung des Auftraggebers nicht mit dem Antrag vorlegt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass die Dauer des Klageverfahrens S 35 AL 810/03 vor dem Sozialgericht München unangemessen war.

II.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.

Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und der Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Klägerin eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens zusteht.

Am 03.07.2003 erhob die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht München (SG - S 35 AL 810/03). Sie begehrte die Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2003, mit dem sie aufgefordert worden war, sich zu einer ärztlichen Untersuchung einzufinden. Das SG wies die Klage - die es mit Beschluss vom 06.03.2007 mit den ähnlich gelagerten Verfahren S 35 AL 811/03, S 35 AL 1127/03 und S 35 AL 1263/03 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte - mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2008 ab. Die Aufforderungen hätten sich durch Verstreichen des jeweiligen Termins erledigt.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe nicht.

Hiergegen legte die Klägerin am 14.05.2008 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein (LSG - L 9 AL 113/08). Am 17.11.2008 bat das Gericht die Klägerin um Mitteilung, ob sie an einem Erörterungstermin im Dezember 2008 teilnehmen würde. Die Klägerin erwiderte, für sie komme nur ein Erörterungstermin in Frage, bei dem die damalige Beklagte nicht vertreten sei. Am 20.05.2010 führte das Gericht eine mündliche Verhandlung durch und wies die Berufung zurück. Das Urteil wurde am 06.10.2010 versandt.

Die Klägerin beantragte anschließend beim BSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 29.12.2010 abgelehnt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen (B 11 AL 82/10 B).

Bereits am 31.07.2009 hatte die Klägerin im Hinblick auf die Dauer des hier gerügten bzw. in Bezug genommenen Verfahrens beim SG eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Die Beschwerde wurde am 15.02.2012 erledigt.

Mit einem Schriftsatz vom 15.01.2012, der an das SG München gerichtet war, hat die Klägerin Entschädigungsklage erhoben. Das Schreiben wurde formlos an das Bayer. LSG abgegeben und als Klage erfasst. Mit Schreiben vom 25.01.2012, eingegangen am 27.01.2012, hat sie sich in dieser Angelegenheit direkt an das LSG gewandt. Den Ausführungen der Klägerin lässt sich entnehmen, dass sie die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz für unangemessen hält. In ihrem Antrag in der mündlichen Verhandlung am 23.05.2014 hat die Klägerin sich bezüglich der ersten Instanz ausdrücklich auf das Verfahren S 35 AL 810/03 beschränkt; die hinzuverbundenen Verfahren hat sie nicht gesondert genannt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten wegen Überlänge der Verfahren S 35 AL 810/03 und L 9 AL 113/08 zu verurteilen, eine Entschädigung von 4.500,00 Euro zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die Verfahrensdauer sei nicht unangemessen gewesen. Das Berufungsverfahren habe bis zur Urteilsverkündung lediglich 2 Jahre gedauert. Auch habe die Klägerin das Verfahren dadurch verzögert, dass sie einen Erörterungstermin im Dezember 2008 abgelehnt habe, weil sie nur an einem Termin teilnehme, an dem die Beklagte nicht vertreten sei. Auch die Vertagung des für den 17.09.2009 festgelegten Termins auf Antrag der Klägerin sei dem Beklagten nicht zuzurechnen. Möglichen Verzögerungen beim SG München sei entgegenzuhalten, dass die Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin sehr gering gewesen sei.

Einen materiellen Nachteil habe die Klägerin nicht erlitten; einen immateriellen Nachteil habe sie nicht substantiiert behauptet. Im Übrigen könne die Wiedergutmachung auch durch Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirkt werden.

Der Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 07.12.2012 Prozesskostenhilfe bewilligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten S 35 AL 810/03 (SG München), L 9 AL 113/08 und L 8 SF 22/12 EK (Bayer. LSG) verwiesen.

Gründe

Der Senat durfte in seiner im Geschäftsverteilungsplan A des Bayer. Landessozialgerichts für das Jahr 2014 festgelegten Besetzung über die Entschädigungsklage entscheiden. Den zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 23.05.2014 von der Klägerin gestellten „Antrag auf Befangenheit gegen den Vorsitzenden, die Beigeordneten und die Schöffen“ hat der Senat in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss nach geheimer Beratung als unzulässig abgewiesen. Das Ablehnungsgesuch war nämlich damit begründet worden, dass der Senat den wahren Sachverhalt nicht zur Kenntnis nehme, nicht einmal ansatzweise wisse, was sich in den Arbeitsämtern heutzutage zutrage, und sich unrealistisch verhalte. Diese Ausführungen enthalten keinen nachvollziehbaren Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit. Es handelt sich um unsubstantiierte Vorhaltungen, die zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sind (vgl. dazu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 60 Rn. 10b). Auch an der Entscheidung über die Befangenheitsanträge durften die abgelehnten Richter mitwirken, weil die Ablehnungsgesuche unzulässig sind und jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (Keller, a. a. O., Rn. 10d).

Für die Entscheidung über die Klage ist das LSG zuständig. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen ein Land ist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 Satz 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG tritt.

Der Freistaat Bayern wird im vorliegenden Verfahren durch das Landesamt für Finanzen - Dienststelle München - als allgemeine Vertretungsbehörde vertreten (§ 7 Satz 1 VertrV). Einer der in §§ 7a ff. VertrV speziell geregelten Fälle liegt nicht vor.

Gegenstand des Verfahrens ist der von der Klägerin geltend gemachte Entschädigungsanspruch wegen der nach ihrer Rechtsauffassung unangemessenen Dauer der Verfahren S 35 AL 810/03 vor dem SG München und L 9 AL 113/08 vor dem Bayer. LSG.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft. Aus § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug entsprechend anzuwenden sind, ergibt sich i. V. m. § 202 Satz 2 SGG, dass auch für Verfahren vor dem LSG die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen sind. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Klägerin macht angesichts der Regelung des § 198 GVG geltend, dass sie auf die begehrte Entschädigungszahlung, eine Leistung i. S. des § 54 Abs. 5 SGG, einen Rechtsanspruch habe.

Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen. Die Klage wurde auch formgerecht erhoben. Die Frist des Art. 23 Satz 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) wurde eingehalten; die Klage wurde beim LSG mit dem am 27.01.2012 eingegangenen Schreiben vom 25.01.2012 und damit vor dem Stichtag 03.06.2012 erhoben.

Zweifel an der Klagebefugnis bestehen nicht. Der Kläger begehrt Entschädigung nach §§ 198 ff. GVG. Die Anwendung dieser Vorschriften ist nicht von vornherein ausgeschlossen, da Art 23 Satz 1 ÜGG eine Geltung für „Altfälle“ wie das zugrunde liegende Verfahren eröffnet (vgl. BSG, Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B, Rn. 21 ff.). Die Klägerin hat auch geltend gemacht, dass eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig sei.

Keine Zulässigkeitsvoraussetzungen sind die (rechtzeitige) Erhebung einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG und die Einhaltung der Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG (vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 20.06.2013, L 8 SF 134/12 EK). Diese Vorschriften sind im vorliegenden Fall allerdings ohnehin nicht anzuwenden, weil das Verfahren bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen war (§ 23 Satz 5 ÜGG).

2. Bezüglich des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 35 AL 810/03 ist die Klage nur begründet, soweit die Klägerin die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer begehrt.

Gegenstand der Entschädigungsklage sind nach dem Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nur das genannte Klageverfahren und das Berufungsverfahren (zu diesem siehe unter 3.). Die ähnlich gelagerten Verfahren S 35 AL 811/03, S 35 AL 1127/03 und S 35 AL 1263/03, die durch Beschluss des SG vom 06.03.2007 nach § 113 Abs. 1 SGG mit dem o. g. Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, hat die Klägerin nicht in ihre Entschädigungsklage einbezogen. Dies ergibt sich aus ihrer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung am 23.05.2014. Im Übrigen haben die hinzuverbundenen Verfahren nicht länger gedauert als das Verfahren S 35 AL 810/03, weil sie gleichzeitig bzw. später beim SG anhängig gemacht worden sind.

Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG i. d. F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) maßgebend. Nach Art. 23 Satz 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art. 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie - wie vorliegend - für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist (s. u.) oder noch werden kann.

Das Verfahren S 35 AL 810/03 /L 9 AL 113/08 war bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossen. Maßgeblich für den Abschluss eines Verfahrens im Sinne des ÜGG ist der Eintritt der Rechtskraft (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Die Rechtskraft des Urteils vom 20.05.2010 (L 9 AL 113/08) war mit der Ablehnung des PKH-Antrags und der Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG am 29.12.2010 eingetreten (§ 160a Abs. 4 Satz 3 SGG).

Das Verfahren war bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim EGMR (Az. 38064/09). Der EGMR hat dem Senat mit Schreiben vom 29.08.2012 mitgeteilt, dass die Klägerin bereits am 31.07.2009 eine solche Beschwerde erhoben habe. Diese sei erst am 15.02.2012 erledigt worden. An der Richtigkeit dieser Auskunft hat der Senat keine Zweifel. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die am 31.07.2009 zum EGMR erhobene Beschwerde ausweislich des zitierten Schreibens des EGMR nur das erstinstanzliche Verfahren betraf, obwohl die Klägerin bereits am 14.05.2008 Berufung erhoben hatte. Dies hindert jedoch die Zulässigkeit der Entschädigungsklage auch hinsichtlich des Berufungsverfahrens nicht, weil das Verfahren nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss als Einheit zu betrachten ist. Die Klägerin hat die Beschwerde - was im Rahmen des Art. 23 Satz 1 ÜGG erforderlich sein dürfte (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 1/13 B, Rn. 13 m. w. N.; so auch BGH, Urteil vom 11.07.2013, III ZR 361/12) - unter Beachtung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art 35 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erhoben. Zwar hat sie die Beschwerde entgegen Art. 35 Abs. 1 EMRK bereits am 31.07.2009 und damit vor Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs erhoben. Da die Beschwerde aber bei Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Berufungsverfahren L 9 AL 113/08 noch anhängig war, ist sie zu diesem Zeitpunkt zulässig geworden. Damit hat die Klägerin auch die in Art. 35 Abs. 1 EMRK bestimmte Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung eingehalten. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG ist nicht Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwerde beim EGMR (BGH, a. a. O., Rn. 11 m. w. N.).

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird zwar angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung (jedoch) nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch setzt voraus,

- dass eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens vorliegt (a),

- dass die Klägerin als Verfahrensbeteiligte einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten hat (b),

- dass nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG nicht ausreichend ist (c) - und dass der geforderte Betrag als Entschädigung angemessen ist (d).

Vorliegend war der Klägerin eine Entschädigung nicht zuzubilligen, weil zwar die unter a) und b) genannten Voraussetzungen vorliegen, es jedoch an der unter c) genannten Voraussetzung fehlt.

a) Die Dauer des Klageverfahrens S 35 AL 810/03 war mit 58 Monaten von der Klageerhebung bis zur Versendung des die Instanz beendenden Gerichtsbescheides unangemessen.

aa) § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt, dass sich die „Angemessenheit der Verfahrensdauer“ nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter, richtet. Damit hat der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist. Dies hat auch das BSG in seinem Beschluss vom 16.12.2013 (B 10 ÜG 13/13 B) hervorgehoben. Der Gesetzgeber benennt hingegen nur beispielhaft ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit einer Verfahrensdauer besonders bedeutsam sind. Derartige Umstände reichen jedoch für die Anwendung des Begriffs der „unangemessenen Verfahrensdauer“ (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen, der sich aus folgenden Erwägungen ergibt:

Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. § 198 Abs. 1 GVG knüpft für die Bestimmung der (Un)Angemessenheit inhaltlich an die Maßstäbe an, die EGMR und BVerfG für die Beurteilung der Verfahrensdauer entwickelt haben (BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 25 m. w. N.). Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs gemäß § 198 GVG an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG (i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung von vornherein vorausgesetzt. Es reicht also nicht jede Abweichung vom Optimum, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, a. a. O., Rn. 26).

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) und auch zu dem Ziel einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen steht. Auch das spricht dagegen, bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer eine enge zeitliche Grenze zu ziehen (BSG, a. a. O., Rn. 27 m. w. N.).

Die Dauer eines Verfahrens ist in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen Verfahren zu den persönlichen und sächlichen Mitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängig gemachte Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat. Die Entscheidung darüber, wann in einzelnen Verfahren Verfahrenshandlungen vorgenommen werden, obliegt in erster Linie dem mit einer Sache befassten Gericht im Rahmen des Ermessens bei der Verfahrensführung, das ihm durch die anzuwendende Prozessordnung eingeräumt wird (Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 129). Insofern ist dem Rechtsuchenden eine gewisse Wartezeit zuzumuten. Im Hinblick darauf kann es von Bedeutung sein, in welcher Zeit vergleichbare Verfahren erledigt werden. Die betreffenden statistischen Zahlen sind allerdings daraufhin zu prüfen, ob sie eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln. Ist das nicht der Fall, so können diese Zahlen einen hilfreichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines konkreten Verfahrens bieten. Entscheidend sind dabei allerdings die Umstände des Einzelfalls (BSG, a. a. O., Rn. 28 m. w. N.).

bb) Dafür, dass die Dauer des Klageverfahrens S 35 AL 810/03 vor dem SG mit 58 Monaten im konkreten Fall unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den wesentlich niedrigeren statistischen Durchschnittswerten.

Der Klägerin ist zuzubilligen, dass das genannte Verfahren, gemessen an den Werten, die das Statistische Bundesamt in Fachserie 10 Reihe 2.7 veröffentlicht hat und die allgemein zugänglich sind, überlang war. Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes lässt sich entnehmen, dass Klageverfahren vor den Sozialgerichten, die 2008 durch Gerichtsbescheid erledigt wurden, im Bundesdurchschnitt (ohne Bayern) 17,4 Monate gedauert haben. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für Klageverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung (nicht nach Erledigungsart differenziert) lag im Bundesdurchschnitt (ohne Bayern) bei 16,7 Monaten.

Die Frage, ob bereits diese statistischen Zahlen eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln, spielt keine Rolle, wenn - wie hier - eine erhebliche Überschreitung der statistischen Werte vorliegt.

Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens jedenfalls nicht in vollem Umfang erklären. Für den Anspruch auf Feststellung (s. u. unter c)) genügt insoweit, dass zwischen dem 30.09.2003 und dem 17.02.2004 sowie zwischen dem 12.09.2005 und dem 19.04.2006 kein verfahrensrelevanter Schriftverkehr angefallen ist. In diesen Zeiträumen hat jedenfalls das Verhalten der Beteiligten oder Dritter die Verzögerungen nicht (mit-)verursacht. Das Gericht hatte in diesen Zeiträumen insbesondere keine Stellungnahmen, Gutachten oder Befundberichte angefordert oder angemahnt.

Auch die Schwierigkeit des Verfahrens kann die Verfahrensdauer von 58 Monaten nicht rechtfertigen. Der Senat orientiert sich insoweit an der Sicht des SG, wie sie den Akten und insbesondere dem Gerichtsbescheid vom 17.04.2008 zu entnehmen ist. Dabei prüft der Senat nicht, ob das SG die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt hat. Denn es steht dem Entschädigungsgericht nicht zu, wie ein Rechtsmittelgericht zu einer abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu kommen und entsprechende Feststellungen zu treffen. Eine Entschädigungsklage ist kein Rechtsmittel gegen die im zugrunde liegenden Verfahren getroffene Entscheidung; eine inhaltliche Überprüfung ist nicht zulässig. Eine Entschädigung darf dementsprechend z. B. nicht mit der Begründung zugesprochen werden, das Entschädigungsgericht halte eine bestimmte, vom primär zuständigen Gericht durchgeführte Beweiserhebung für unbehelflich oder eine von diesem ausführlich erörterte Rechtsfrage für nicht entscheidungserheblich und deshalb sei eine wesentlich schnellere Erledigung geboten gewesen. Umgekehrt darf eine Entschädigungsklage nicht mit der Begründung (teilweise) abgewiesen werden, das Entschädigungsgericht sei der Auffassung, das primär zuständige Gericht sei in seiner Entscheidung auf wesentliche Probleme nicht eingegangen und eine angemessene Bearbeitungszeit für diese Probleme sei zu berücksichtigen.

Maßstab für die Schwierigkeit des Verfahrens ist also deren Einschätzung durch das SG. Danach war die Sach- und Rechtslage wenig komplex. Insbesondere lag weder ein schwieriger Sachverhalt vor (Beispiele bei Ott, a. a. O., Rn. 104) noch waren schwierige Rechtsfragen zu klären (Beispiele bei Ott, a. a. O., Rn. 105) oder umfangreiche Ermittlungen durchzuführen (Beispiele bei Ott, a. a. O., Rn. 106). Das SG hat keine Ermittlungen angestellt und die Klage mit knapper Begründung abgewiesen. Eine Rechtfertigung für eine überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer lässt sich daraus nicht ableiten.

Auch die geringe Bedeutung des Rechtsstreits für die Klägerin (dazu näher unten) vermag eine derart lange Bearbeitungsdauer nicht zu rechtfertigen.

Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls kann unterbleiben, weil der Senat lediglich ausspricht, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (siehe unten) und das Gericht in diesem Fall Zeitraum oder Zeitdauer der Überlänge nicht genau beziffern muss (Ott, a. a. O., § 198 GVG Rn. 165).

b) Die Klägerin hat durch die unangemessene Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 35 AL 810/03 einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet; Anhaltspunkte dafür, dass die Vermutung im konkreten Fall widerlegt sein könnte, sind nicht ersichtlich.

c) Eine Entschädigung in Geld steht der Klägerin jedoch nicht zu, weil nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, kann beispielsweise in Verfahren ausreichen, die für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatten (BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 2/12 KL, Rn. 45 unter Hinweis u. a. auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 17/3802, S. 20 sowie - nach Verkündung des vorliegenden Urteils - BSG, Urteil vom 10.07.2014, B 10 ÜG 8/13 R, zitiert nach dem Terminbericht des BSG Nr. 30/14). So liegt es hier.

Ausschlaggebend ist, dass die Klägerin von dem im Klageverfahren vor dem SG angegriffenen Bescheid nach dem Verstreichen des dort genannten Termins im Sommer 2003 nicht mehr nachteilig betroffen war. Sie hatte weder wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen noch war sie weiterhin zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet. Auch indirekte Folgen waren nicht eingetreten; insbesondere war eine Säumniszeit im Sinne von § 145 SGB III - gegen die im Übrigen gesonderte Möglichkeiten des Rechtsschutzes bestanden hätten - nicht festgestellt worden.

Auch als Fortsetzungsfeststellungsklage hatte das Verfahren für die Klägerin nur geringe Bedeutung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Bundesanstalt für Arbeit mit einem Schreiben vom 18.09.2003, das die Klägerin dem SG vorgelegt hat, für verschiedene Fehler im Zusammenhang mit der psychologischen Einschätzung der Klägerin entschuldigt und zugesagt hat, einen entsprechenden Ergebnisbericht zurückzuziehen und nicht weiter zu verwenden. Weiteren Schreiben der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie nach diesem Entschuldigungsschreiben keine Aufforderungen der im Verfahren S 35 AL 810/03 streitigen Art mehr erhalten hat. Mit einer Amtshaftungsklage aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung keinen Erfolg, so dass auch insoweit die Bedeutung einer Fortsetzungsfeststellungsklage zwar nicht völlig fehlt, aber als gering einzustufen ist.

d) Ausführungen zur Höhe der Entschädigungssumme sind nicht erforderlich, weil der Senat eine solche nicht zuspricht.

3. Bezüglich des Berufungsverfahrens L 9 AL 113/08 ist die Klage unbegründet.

Die Dauer des Berufungsverfahrens vor dem LSG war mit 29 Monaten insbesondere unter Berücksichtigung des Verhaltens der Klägerin und der Bedeutung des Verfahrens noch angemessen.

Nach den statistischen Berichten des Bayer. Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung über die Tätigkeit der Sozialgerichte war ein im Kalenderjahr 2010 beim Bayer. Landessozialgericht durch Urteil erledigtes Berufungsverfahren durchschnittlich 22,5 Monate anhängig; ein durch Urteil erledigtes Berufungsverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung 33,8 Monate.

Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) lässt sich entnehmen, dass Berufungsverfahren vor den Landessozialgerichten, die 2010 durch Urteil erledigt wurden, im Bundesdurchschnitt 22,0 Monate gedauert haben. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für Berufungsverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung (nicht nach Erledigungsart differenziert) lag im Bundesdurchschnitt bei 21,0 Monaten.

Diese Zahlen zeigen zwar, dass das Berufungsverfahren L 9 AL 113/08 überdurchschnittlich lang war. Auf den Referenzwert von 33,8 Monaten für durch Urteil erledigte Berufungsverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung in Bayern stellt der Senat nicht ab, denn der Vergleich mit den übrigen Zahlen - sowohl aus Bayern als auch aus dem gesamten Bundesgebiet - legt es nahe, dass hier bereits eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer im Sinne eines „Systemfehlers“ (vgl. BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 32) abgebildet wird.

Allerdings ist die Dauer des Verfahrens zu einem wesentlichen Teil dem Verhalten der Klägerin geschuldet, für das der Beklagte nicht verantwortlich gemacht werden kann. Das LSG beabsichtigte die Durchführung eines Erörterungstermins im Dezember 2008, also etwa 6 Monate nach Eingang der Berufung. Damit wurde der Versuch unternommen, das Berufungsverfahren - gerade auch im Hinblick auf die lange Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens - möglichst zügig zu einem Abschluss zu bringen. Die Klägerin hat sich dem jedoch verweigert, indem sie mitgeteilt hat, sie sei nur an einem Erörterungstermin interessiert, an dem die Bundesagentur für Arbeit - die Beklagte im Berufungsverfahren - nicht teilnehme. Als Reaktion darauf hat das LSG auf die Durchführung eines Erörterungstermins verzichtet.

Zwar steht nicht fest, dass das Verfahren in einem Erörterungstermin beendet worden wäre; dies wäre nur durch eine unstreitige Erledigung möglich gewesen. Jedenfalls aber hätte das Verfahren in einem Erörterungstermin gefördert werden können, weil der Berichterstatter im Rechtsgespräch mit den Beteiligten etwaige aus seiner Sicht bestehende Zweifelsfragen zügig hätte klären können. Dies hätte zur Überzeugung des Senats mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Erledigung durch Urteil in höchstens 22 Monaten geführt, was einer durchschnittlichen Dauer des Berufungsverfahrens entsprochen hätte (s.o.). In jedem Fall ist das LSG mit seinem Vorschlag, im Dezember 2008 einen Erörterungstermin durchzuführen, seiner Verpflichtung zu besonderer Beschleunigung unter Berücksichtigung der langen Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens nachgekommen.

Auch war die Bedeutung des Berufungsverfahrens für die Klägerin gering. Auf die Ausführungen unter 2. c) wird insoweit Bezug genommen.

Damit war nur festzustellen, dass die Dauer des Klageverfahrens S 35 AL 810/03 vor dem Sozialgericht München unangemessen war. Im Übrigen - insbesondere, soweit die Klägerin eine Entschädigung begehrte - war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 201 Abs. 4 GVG und entspricht dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen einer überlangen Verfahrensdauer bei der Feststellung zusätzlicher Unfallfolgen aus dem Arbeitsunfall des Klägers vom 09.06.1994 in mehreren Verwaltungs-, Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. So in erster Instanz vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) sowie in dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landesozialgericht (LSG). Der 1962 geborene Kläger erlitt am 09.06.1994 einen Arbeitsunfall, für den die zuständige Berufsgenossenschaft (BG - damals die Beklagte) mit Bescheid vom 08.11.1995 und Widerspruchsbescheid vom 25.06.1996 die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte. Das Sozialgericht Ulm wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 15.05.1998 ab. Das LSG Baden- Württemberg (L 10 U 2069/98) verurteilte die Beklagte nach Einholung augenärztlicher Gutachten am 19.06.2002 dazu, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren. Mit Bescheid vom 24.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 wurde dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. wegen der vom LSG festgestellten Unfallfolgen auf augenärztlichem Fachgebiet bewilligt. Weitere Unfallfolgen, insbesondere die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden an der HWS, lehnte die BG nach Einholung weiterer Gutachten ab.

Der Kläger erhob am 17.03.2005 gegen den genannten Bescheid Klage zum Sozialgericht Augsburg (Az.: S 5 U 101/05) wegen der Anerkennung weiterer Unfallfolgen, der Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit als 30 v. H. und eines früheren Rentenbeginns. Das SG trennte mit Beschluss vom 17.02.2006 den Rechtstreit hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Unfallfolgen und der Höhe der MdE ab (weiteres Az S 5 U 46/06). Mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 wies das SG die Klage S 5 U 101/05 hinsichtlich des früheren Rentenbeginns ab. Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung (Az.: L 2 U 113/07) nahm der Kläger am 23.03.2009 zurück. Hinsichtlich der Anerkennung weiterer Unfallfolgen und einer Verletztenrente nach einer höheren MdE wies das SG die Klage mit Urteil vom 2. Juli 2007 (S 5 U 46/06) ab. Die hiergegen gerichtete Berufung L 2 U 268/07 vom 16.07.2007 wies das LSG mit Urteil vom 20. Juni 2012 (zugestellt am 13.07.2012) zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Im Einzelnen war der Verfahrensgang folgender (die Daten beziehen sich jeweils auf den Eingang beim SG/LSG bzw. auf den Ausgang bei gerichtlichen Schreiben):

SG-Verfahren S 5 U 101/05 Das SG klärte zeitnah nach Klageerhebung am 17.03.2005 das Klagebegehren des Klägers ab, forderte Akten bei der zuständigen LVA und beim Versorgungsamt an und holte Befundberichte von den vom Kläger angegebenen behandelnden Medizinern ein (14.06.2005 bis 30.08.2005). Weiterhin zog das SG im September 2005 die Akten des LSG Baden - Württemberg und Unterlagen der AOK bei. Im Oktober 2005 bat das SG den Klägerbevollmächtigten um Begründung des Begehrens auf eine höhere MdE und forderte im Februar 2006 weitere Unterlagen vom Rentenversicherungsträger an. Nach dem Trennungsbeschluss vom 17.02.2006 bearbeitete das SG das Verfahren S 5 U 101/05 hinsichtlich des Rentebeginns weiter und zog medizinische Unterlagen der Rentenversicherung bei, nachdem der Kläger einen Zusammenhang zwischen dem BU - Rentenbeginn und dem früheren Beginn der Verletztenrente geltend gemacht hatte. Nachdem sich die Beteiligten zu den angeforderten Unterlagen geäußert hatten, erteilte das SG am 18.09.2006 einen ausführlichen richterlichen Hinweis. Nach Rückäußerung der Beteiligten und deren Anhörung zur Entscheidung mittels Gerichtsbescheid erledigte das SG das Verfahren mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2007 (zugestellt 14.03.2007).

SG-Verfahren S 5 U 46/06 In dem mit Beschluss vom 17.02.2006 abgetrennten Verfahren hinsichtlich der höheren MdE und der weiteren Unfallfolgen klärte das SG zunächst die Klageziele, erteilte am 14.03.2007 einen ausführlichen richterlichen Hinweis zur Rechtslage und hörte gleichzeitig zur Entscheidung mittels Gerichtsbescheid an. Nachdem der Kläger hiermit nicht einverstanden war, wurde das Verfahren im Mai 2007 für den Sitzungstermin 02.07.2007 geladen, an dem die Klage abgewiesen wurde. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 11.07.2007.

LSG Verfahren L 2 U 268/07 Im Berufungsverfahren (Erhebung am 16.07.2007 gegen das Urteil des SG vom 2. Juli 2007 im Verfahren S 5 U 46/06) erfolgte zunächst bis zum Berichterstatterwechsel zum 01.01.2009 kein nennenswerter Schriftverkehr. Nach der Mandatsniederlegung des bisherigen Bevollmächtigten im Juni 2008 beantragte der Kläger im Dezember 2008 die Gewährung einer Vollrente. Hierzu äußerte sich die Beklagte und das LSG verfügte die Akte am 04.03.2009 zum Sitzungsfach. Im Juni 2009 zog das LSG die Akten des LSG Baden - Württemberg bei und bat die Beteiligten im Juli 2009 um ihr Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG, das erteilt wurde. Als der Kläger im August 2009 die weitere Anerkennung psychischer Unfallfolgen begehrte und massive psychische Probleme des Klägers aktenkundig wurden, veranlasste das LSG nach Beiziehung medizinischer Befunde eine Begutachtung des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet. Das Gutachten ging am 27.07.2010 beim LSG ein. Nach gerichtlicher Entscheidung über das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen lud das LSG das Berufungsverfahren zur mündlichen Verhandlung auf den 20.10.2010 und erklärte im Termin das Verfahren für entscheidungsreif. In der Folgezeit veranlasste das LSG die Einholung der vom Kläger beantragten Gutachten auf nervenärztlichem und orthopädischen Fachgebiet nach § 109 SGG (Beweisanordnungen vom 18.01.2011 und vom 11.11.2011), wobei es wegen der Einzahlung der erforderlichen Kostenvorschüsse zu Verzögerungen kam. Nach Stellungnahmen der Beteiligten zu den Gutachten vom 28.07.2011 und 01.12.2011 (beim LSG ging das zuletzt genannte Gutachten am 23.03.2012 ein) lud das LSG das Verfahren zum Termin am 20.06.2012 und stellte dem Kläger die Entscheidung am 13.07.2012 zu.

Noch während des laufenden Berufungsverfahrens erhob der Kläger am 22.03.2010 Beschwerde zum EGMR Az.: 17570/10, die mit Beschluss vom 10.07.2012 durch Einzelrichterentscheidung mangels Ausschöpfens des nationalen Rechtsweges für unzulässig erklärt wurde.

Am 11.12.2012 (Eingang beim OLG) hat der Kläger Klage wegen Entschädigung auf- grund überlanger Verfahrensdauer zum OLG München erhoben und die Gewährung einer Entschädigung von 12.000 EUR begehrt. Das Verfahren um die Anerkennung der Unfall- folgen aus dem Arbeitsunfall vom 09.06.1994 hätte bereits 2002 vor dem LSG Baden-Württemberg vollständig abgeschlossen sein müssen und nicht erst mit dem Urteil des Bayer. LSG vom 20. Juni 2012. Die Sozialgerichte unterlägen einer Amtsermittlungspflicht, der sie nicht nachgekommen seien. Der Kläger habe bereits am 22.03.2010 Individualbeschwerde zum EGMR wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben. Das OLG hat die Klage mit Beschluss vom 23.01.2013 an das Bayer. LSG verwiesen und zuvor den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 16.01.2013 wegen der Unzuständigkeit abgelehnt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 20.400 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagtenvertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat einer Einbeziehung auch der Verfahren vor den württembergischen Sozialgerichten widersprochen. Der Beklagte hat ausgeführt, dass eine unangemessene Dauer des Verwaltungsverfahrens im Anschluss an das Gerichtsverfahren in Baden-Württemberg nicht Gegenstand eines Anspruches nach § 198 GVG sein könne. Das Verfahren S 5 U 101/05 vor dem SG sei im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG bereits rechtskräftig abgeschlossen gewesen (Gerichtsbescheid vom 20.März 2007, Berufungsrücknahme vom 20.03.2009). Die Individualbeschwerde des Klägers zum EGMR sei erst am 22.03.2010 erhoben worden und sei damit außerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK von 6 Monaten nach Verfahrensabschluss am 23.03.2009 erfolgt. Das Verfahren S 5 U 46/06 sei angesichts der schwierigen medizinischen Fragen und der zu klärenden Ursachenzusammenhänge mit 2 Jahren und 3 Monaten nicht überlang gewesen. Für das Berufungsverfahren L 2 U 268/07 habe eine nach Art. 23 S. 2, 3 ÜGG erforderliche unverzügliche Verfahrensrüge gefehlt, weil das Verfahren bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.11.2011 bereits anhängig gewesen sei. Die schlichte Sachstandsanfrage vom 06.03.2012 sei keine Verzögerungsrüge.

Der Kläger hat darauf erwidert, dass im Hinblick auf die bereits anhängige Individualbeschwerde vor dem EGMR eine erneute Verzögerungsrüge beim LSG nicht erforderlich gewesen sei, weil diese ihre Warnfunktion nicht habe entfalten können. Das Verfahren vor dem EGMR sei im Übrigen erst nach dem Urteil des LSG vom 20.06.2012 am 10.07.2012 erledigt worden. Falls eine solche zusätzliche Verzögerungsrüge tatsächlich erforderlich gewesen sei, hätte das Bayer. LSG den Kläger hierauf hinweisen müssen.

Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 26.11.2013 Prozesskostenhilfe ab der erneuten Antragstellung am 21.01.2013 dem Grunde nach bewilligt und mit Beschluss vom 15.05.2014 RA B. beigeordnet.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten S 5 U 101/05; S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 sowie der Gerichtsakte S 8 SF 49/13 EK verwiesen.

Gründe

Die auf Geldentschädigung gerichtete Klage wegen überlanger Verfahrensdauer ist zwar teilweise zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig und begründet, soweit sie die Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 vor dem Bayer. LSG betrifft. Gegenstand des Verfahrens ist nach dem zuletzt gestellten Antrag vom 23.05.2014 (§ 123 SGG) eine Entscheidung wegen aller öffentlich-rechtlicher Verfahren wegen des Arbeitsunfalls vom 09.06.1994. Mit seinem an das OLG München gerichteten Klageantrag vom 10.12.2012 hat der Kläger zunächst nur den Zeitraum nach Abschluss des Verfahrens vor dem LSG Baden - Württemberg von 2002 bis 2012 in Bezug genommen und hierfür eine Entschädigung begehrt und den Verfahrensgegenstand später erweitert. Hinsichtlich der vom Kläger zuletzt geltend gemachten Entschädigungsansprüche wegen überlanger (Verwaltungs- und) Gerichtsverfahren ist zwischen den einzelnen von ihm in Bezug genommenen Verfahren bzw. Gerichtsinstanzen zu trennen.

I.

Klagegegenstand: Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Überlänge der Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg rügt. Bei seinem schriftlichen Klageantrag vom 10.11.2013 auf Entschädigung in Höhe von 20.400 EUR hat der Kläger erstmals auch die Gerichtsverfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg mit in die Klage einbezogen und damit eine unzulässige Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG erklärt. Zuvor hatte er in der Klageschrift vom 10.12.2012, in der Klagebegründung vom 31.07.2013 sowie im Schriftsatz vom 01.10.2013 jeweils die Länge des Verfahrens seit dem Abschluss des Verfahrens vor dem LSG Baden-Württemberg am 19.06.2002 bis zur Entscheidung des Bayer. LSG am 20.06.2012 als überlang gerügt und für den 10-Jahres-Zeitraum eine Entschädigung von 12.000 EUR gefordert. Der Beklagte hat sich auf die Klageänderung vom 10.11.2013 nicht eingelassen und hat ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. LSG ausdrücklich widersprochen. Die Klageänderung ist nicht sachdienlich, weil der Beklagte für den vermeintlichen Überlängeanspruch aus Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus Baden-Württemberg nicht passiv legitimiert ist (§ 200 S. 1 GVG) und die gerügten Verfahren vor dem Sozialgericht Ulm und dem LSG Baden-Württemberg als bereits abgeschlossene Verfahren nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 23 S. 1 ÜGG fallen.

II. Klagegegenstand: Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren Die Klage ist weiter unzulässig, soweit sie die Dauer eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens zum Gegenstand hat. Der Kläger macht eine Entschädigung geltend für das Verwaltungsverfahren bei der Beklagten im Anschluss an das Urteil des LSG Baden-Württemberg L10 U 2069/98 vom 19.06.2002 und rügt eine Überlänge bis zur Entscheidung des Bayer. LSG vom 20.Juni 2012. Die Entschädigungsklage hinsichtlich der darin enthaltenen Zeitdauer des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens, das mit dem Erlass des Bescheides vom 24.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 endete und Gegenstand des SG -Verfahrens vor dem SG Augsburg S 5 U 101/05 (Klageerhebung am 17.03.2005) wurde, ist unzulässig. Nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG ist die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens Gegenstand einer Entschädigungsklage. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert gesetzlich, was im Sinne der Vorschrift des GVG ein Gerichtsverfahren ist („Im Sinne dieser Vorschrift ist Nr. 1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren.“) Insoweit ist der Anwendungsbereich des §§ 198 ff GVG nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht eröffnet.

III. Klagegegenstand: Klageverfahren S 5 U 101/05 Das Verfahren S 5 U 101/05 wurde von der früheren Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 01.10.2013 im Rahmen des Hilfsantrages in Bezug genommen. Bei der ursprünglichen Klageerhebung vor dem OLG München am 11.12.2012 wurde dieses Verfahren nicht benannt; vielmehr wurde der Verfahrensgang in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 geschildert und hierfür unter Einbeziehung der Laufzeit im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren eine Entschädigung in Höhe von 12.000 EUR eingefordert. Bei der Einbeziehung des Verfahrens S 5 U 101/05 im späteren Schriftsatz vom 01.10.2013 im Rahmen des hilfsweise gestellten Feststellungsantrages handelt es sich um eine Klageänderung i. S. § 99 Abs.1 SGG, die nicht sachdienlich ist, auf die sich der Beklagte aber im Schriftsatz vom 20.11.2013 eingelassen hat.

Die Klage hinsichtlich des Klageverfahrens S 5 U 101/05 ist unzulässig, weil es sich um ein zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossenen Verfahren handelt, dass von der Anwendung des ÜGG nach Art. 23 S. 1 ÜGG ausgeschlossen ist. Das mit der Klageerhebung am 17.03.2005 begonnene Klageverfahren S 5 U 101/05 vor dem SG Augsburg richtete sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005. Das SG hat mit Beschluss vom 17.02.2006 den Rechtstreit hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Unfallfolgen und der Höhe der MdE abgetrennt und unter dem Az S 5 U 46/06 weitergeführt. Mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 14.03.2007) hat das SG die Klage S 5 U 101/05 hinsichtlich des früheren Rentenbeginns abgewiesen. Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung (Az.: L 2 U 113/07) hat der Kläger am 23.03.2009 zurückgenommen. Mit der Zurücknahme der Berufung wurde der Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 rechtskräftig und das Verfahren war endgültig abgeschlossen (§ 141 Abs. 1 SGG). Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG i. d. F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl. I 2302) maßgebend. Nach Art. 23 S 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art. 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann. Die am 22.03.2010 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhobene Individualbeschwerde Az.: 17570/10 wurde am 10.07.2012 für unzulässig erklärt, weil der innerstaatliche Rechtsweg nicht erschöpft sei. Die Individualbeschwerde 17570/10 richtete sich ausweislich des Schreibens des EGMR mit der Zusammenfassung des Sachverhaltes vom 30.08.2010 (einliegend in der LSG Akte L 2 U 268/07) gegen die Verfahrensdauer in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07. Das zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossene Verfahren S 5 U 101/05 war somit nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem EGMR und konnte es auch nicht mehr werden. Nach Art. 35 EMRK beginnt die Klagefrist für die Individualbeschwerde mit der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung und endet nach 6 Monaten. Das am 23.03.2009 abgeschlossene Verfahren S 5 U 101/05 konnte somit am 03.12.2011 nicht mehr Gegenstand einer Individualbeschwerde werden.

IV.

Klageverfahren S 5 U 46/06 und Berufungsverfahren L 2 U 268/07

Entgegen des Schriftsatzes der früheren Bevollmächtigten des Klägers vom 01.10.2013 ist das SG - Verfahren S 5 U 46/06 nach Auslegung und i. S. d. § 123 SGG Gegenstand der vorliegenden Entschädigungsklage. Es war sowohl Gegenstand der Individualbeschwerde 17570/10 vor dem EGMR und Gegenstand der Klagebegründung der Klage vom 11.12.2012. Auch in dem zuletzt gestellten Klageantrag ist das Verfahren S 5 U 46/06 „rechnerisch“ mit enthalten.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG i. d. F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl. I 2302) maßgebend. Nach Art. 23 S. 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art. 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann.

Hinsichtlich der beiden Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 handelt es sich um ein einheitliches Gerichtsverfahren i. S. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, wonach jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss ein Gerichtsverfahren ist. Von der ursprünglichen Klageeinleitung vor dem SG am 17.03.2005 (noch unter dem Az S 5 U 101/05) über das Urteil des SG vom 2. Juli 2007 bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 mit Urteil vom 20. Juni 2012 handelt es sich um ein Gerichtsverfahren, weil das Urteil des SG erst mit der Entscheidung über die Berufung (Zustellung des LSG-Urteils am 13.07.2012) rechtskräftig wurde.

Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene Verfahren vor dem SG und dem LSG war bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 noch nicht abgeschlossen. Das mit der Zustellung des Berufungsurteils am 13.07.2012 abgeschlossene Verfahren hat der Kläger bereits am 22.03.2010 zum Gegenstand einer Individualbeschwerde vor dem EGMR gemacht. Die am 22.03.2010 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhobene Individualbeschwerde Az.: 17570/10 wurde am 10.07.2012 für unzulässig erklärt, weil der innerstaatliche Rechtsweg nicht erschöpft sei. Die Individualbeschwerde 17570/10 richtete sich ausweislich des Schreibens des EGMR mit der Zusammenfassung des Sachverhaltes vom 30.08.2010 (einliegend in der LSG Akte L 2 U 268/07) gegen die Verfahrensdauer in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07. Das zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 noch anhängige Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 267/07 war somit am 03.12.2011 noch nicht abgeschlossen, aber bereits Gegenstand einer anhängigen Beschwerde vor dem EGMR.

b)Für die Entscheidung über die Klage ist das LSG zuständig. Nach § 200 S. 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen ein Land ist nach § 201 Abs. 1 S 1 GVG das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Regierung des beklagten Landes ihren Sitz hat zuständig. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 S. 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG tritt. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird der Freistaat Bayern unbeschadet der §§ 7a bis 12 der Vertretungsverordnung durch das Landesamt für Finanzen - Dienststelle München - als allgemeine Vertretungsbehörde vertreten (§ 7 S. 1 VertV).

c)Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft. Aus § 201 Abs. 2 S. 1 GVG, wonach die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug entsprechend anzuwenden sind, ergibt sich i. V. m. § 202 S. 2 SGG, dass auch für Verfahren vor dem LSG die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen sind. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, dass er auf die begehrte Entschädigungszahlung, eine Leistung i. S. des § 54 Abs. 5 SGG, einen Rechtsanspruch habe. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG).

d)Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Die Klage vom 11.12.2012 wurde innerhalb der Frist des § 198 Abs.5 S. 2 GVG innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung erhoben. Das Urteil des LSG vom 20. Juni 2012 wurde dem Kläger am 13.07.2012 zugestellt, die Klageerhebung zum unzuständigen OLG München erfolgte am 11.12.2012 und damit fristgerecht. Die Sondervorschrift des Art. 23 S. 6 ÜGG mit der Stichtagsregelung zum 03.06.2012 gilt nur für bereits abgeschlossene Verfahren und ist hier nicht anwendbar.

e)Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass es sich bei der Frage der (rechtzeitigen) Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG, Art. 23 S. 2 ff ÜGG nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung handelt (Bayer. LSG Urteil vom 20.06.2013, L 8 SO 134/12 EK unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B, Rn. 27). Die in § 198 Abs. 3 GVG geregelte Verzögerungsrüge stellt eine materielle Entschädigungsvoraussetzung dar (BT-DS. 17/3802, S. 20, 27; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 170). Dass das Vorliegen einer Rüge nicht gleichzeitig eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt, ergibt sich aus § 198 Abs. 4 S. 3, HS 2 GVG (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.02.2013, L 12 SF 3/12 EK AL, Rn. 35; a. A. möglicherweise BSG, Urteile vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL und B 10 ÜG 2/12 G 2/12 KL, jeweils Rn. 18, wo das Erfordernis einer Verzögerungsrüge unter 1. f) als Frage der Zulässigkeit behandelt wird; davon abrückend aber BSG, Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B, Rn. 27). Nach § 198 Abs. 4 S. 3, HS 2 GVG kann das Entschädigungsgericht die Feststellung aussprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Dies schließt insbesondere auch den Fall ein, dass es an einer Verzögerungsrüge fehlt (Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 168). Handelte es sich bei der Erhebung der Rüge um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, so käme bei fehlender Rüge nur die Abweisung der Klage als unzulässig, nicht aber die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer in Betracht.

2. Die Klage ist nur als Feststellungsklage wegen der Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 begründet.

2.1Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Entschädigung wegen der Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 5 U 46/06 begehrt, weil das erstinstanzliche Verfahren nicht überlang i. S. § 198 Abs. 1 GVG war.

Nach Art. 23 S. 5 ÜGG bedarf es für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (03.12.2011) bereits abgeschlossene Instanzen (hier der ersten Instanz, Urteil vom 2. Juli 2007) keiner Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3, 5 GVG.

Das Verfahren S 5 U 46/06 war jedoch mit einer Gesamtverfahrensdauer von gut 27 Monaten zwischen der Erhebung der Klage am 17.03.2005 (abzustellen ist hier nicht auf das Datum des Trennungsbeschlusses vom 17.02.2006) und der Zustellung des Urteils vom 2. Juli 2007 am 13.07.2007 nicht überlang.

§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt, dass sich die „Angemessenheit der Verfahrensdauer“ nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter, richtet. Damit hat der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist. Er benennt hingegen nur beispielhaft ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit einer Verfahrensdauer besonders bedeutsam sind. Derartige Umstände reichen jedoch für die Anwendung des Begriffs der „unangemessenen Verfahrensdauer“ (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen, der sich aus folgen-den Erwägungen ergibt: Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. § 198 Abs. 1 GVG knüpft für die Bestimmung der (Un)Angemessenheit inhaltlich an die Maßstäbe an, die EGMR und BVerfG für die Beurteilung der Verfahrensdauer entwickelt haben (BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 25 m. w. N.).

Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs gemäß § 198 GVG an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG (i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung von vornherein vorausgesetzt. Es reicht also nicht jede Abweichung vom Optimum, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, a. a. O., Rn. 26).

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) und auch zu dem Ziel einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen steht. Auch das spricht dagegen, bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer eine enge zeitliche Grenze zu ziehen (BSG, a. a. O., Rn. 27 m. w. N.). Die Dauer eines Verfahrens ist in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen Verfahren zu den persönlichen und sächlichen Mitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängig gemachte Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten. Im Hinblick darauf kann es von Bedeutung sein, in welcher Zeit vergleichbare Verfahren erledigt werden. Die betreffenden statistischen Zahlen sind allerdings daraufhin zu prüfen, ob sie eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln. Ist das nicht der Fall, so können diese Zahlen einen hilfreichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines konkreten Verfahrens bieten. Entscheidend sind dabei allerdings die Umstände des Einzelfalls (BSG, a. a. O., Rn. 28 m. w. N., siehe auch BSG Beschluss vom 16.12.2013, B 10 ÜG 13/13 B zur indiziellen Bedeutung der durchschnittlichen Dauer vergleichbarer Verfahren und der entscheidenden Bedeutung der Einzelfallumstände).

Dafür, dass die Verfahrensdauer im konkreten Fall nicht unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den statistischen Durchschnittswerten. Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) für das Kalenderjahr 2007 lässt sich entnehmen, dass mit Urteil abgeschlossene Klageverfahren aus dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung im Bundesschnitt eine Verfahrensdauer von 27,1 Monaten aufwiesen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Werte schon eine Überlänge widerspiegeln, liegen nicht vor. Damit liegt das erstinstanzliche Verfahren aus dem Gebiet der Unfallversicherung hinsichtlich der Laufzeit im Durchschnitt. Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens zudem hinreichend erklären. Es handelte sich um schwierige medizinische Fragen und Ursachenzusammenhänge, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu klären waren. Der Kläger begehrte die Feststellung weiterer Unfallfolgen aus einem jahrelang zurückliegenden Arbeitsunfall vom 09.06.1994 und deren Bewertung in medizinischer und rechtlicher Hinsicht im Rahmen der Rentengewährung nach dem SGB VII. Infolge des bereits über zwei Instanzen geführten Klage- und Berufungsverfahrens vor dem SG Ulm und dem LSG Baden- Württemberg in den Jahren 1996 bis 2002 waren hierzu schon zahlreiche Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art. getroffen worden, die bei dem erneuten Klageverfahren vor dem SG Augsburg zu berücksichtigen und rechtlich zu bewerten waren. Insoweit handelte es sich um ein umfangreiches und schwieriges Verfahren, das für den Kläger eine große Bedeutung hatte, weil die Verletztenteilrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Dauer zu zahlen ist.

Der Verfahrensgang in dem SG Verfahren S 5 U 101/05, S 5 U 46/06 stellte sich wie folgt dar:

17.03.2005 Klageerhebung mit Antragstellung und Begründung (VA 24.01.2003, WB 23.02.2005) 11.05.2005 Ermittlungsschreiben SG (Angaben zu behandelnden Ärzten etc) 14.06.2005 bis 30.08.2005 Eingang der angeforderten Befundberichte (zT angemahnt) und der Akten der LVA und des Versorgungsamtes 21.09.2005 Übersendung der eingeholten Befundberichte an die Beteiligten 30.09.2005 Eingang Datenauszug AOK 07.10.2005 Anfrage SG an PV Kläger zur Begründung des Begehrens auf höhere MdE und Anforderung Akten LSG Baden Württemberg zu L 10 U 2069/98 (Eingang 17.10.2005) 17.02.2006 Trennungsbeschluss: Rechtsstreit wegen Rentenbeginn S 5 U 101/05; Unfallfolgen und MdE S 5 U 46/06 30.03.2006 Anfrage SG, ob nur noch Rentenbeginn streitig 24.04.2006 Klägerbevollmächtigter bekräftigt beide Klageziele (Rentenbeginn und Höhe der MdE) 18.05.2006 Klägerbevollmächtigter übersendet Rentenbescheid LVA vom 16.04.2002 mit Anlagen Mai- September Eingang weiterer medizinischer Unterlagen im Verfahren S 5 U 101/05, dort auch ausführlicher richterlicher Hinweis 18.09.2006 und 29.09.2006

14.03.2007 Richterlicher Hinweis zur Rechtslage und Anhörung Gerichtsbescheid (GB) 25.04.2007 PV Kläger: kein Einverständnis mit GB, weitere Stellungnahme angekündigt 08.05.2007 Schreiben des Klägers 09.05.2007 SG bittet Bevollmächtigten um Mitteilung, ob noch bevollmächtigt und dass unsachliche Äußerungen des Klägers unterbleiben sollten 18.05.2007 Stellungnahme PV Kläger 29.05.2007 Ladungsverfügung zum 02.07.2007 02.07.2007 Urteil des SG: Klageabweisung 11.07.2007 Zustellung Urteil an PV Kläger.

Der oben dargestellte Verfahrenskalender zu dem Verfahren S 5 U 46/06 verdeutlicht, dass es in dem gesamten SG - Verfahren keinerlei nennenswerte Verfahrensverzögerungen gibt, die auf eine Nichtbearbeitung oder vom Beklagten zu vertretende Verzögerung hindeuten. Das Verfahren war durchgängig in der Bearbeitung und war zunächst davon gekennzeichnet, den Streitgegenstand hinreichend zu erfassen und zu bestimmen. Hierzu wurde ein reger Schriftwechsel des SG mit dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers geführt. Weiterhin wurden umfangreiche medizinische Vorbefunde z. B. vom Rentenversicherungsträger, vom Versorgungsamt und von der zuständigen Krankenkasse sowie Befundberichte von behandelnden Ärzten eingeholt. Nach Sichtung aller Unterlagen erging am 14.03.2007 ein ausführlicher richterlicher Hinweis zur Rechtslage im Hinblick auf die Höhe der MdE und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und eine Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Nachdem der Kläger diese Entscheidungsform ablehnte, erging umgehend am 29.05.2007 die Ladungsverfügung auf den Termin am 02.07.2007. Vom Beklagten zu vertretende Verfahrensverzögerungen enthält das Verfahren S 5 U 46/06 nicht. Dem Gericht ist angesichts des umfangreichen Aktenmaterials und der schwierigen rechtlichen und medizinischen Beurteilung mindestens eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer zuzugestehen, die hier nicht überschritten wurde. Insoweit scheidet auch eine Feststellung der Überlänge nach § 198 Abs. 4 GVG aus.

2.2.Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Entschädigung wegen der Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 begehrt. Ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung steht dem Kläger nicht zu, weil es an einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 S. 1 GVG fehlt.

a)Das Erfordernis einer Verzögerungsrüge ergibt sich aus § 198 Abs. 3 S. 1 GVG. Weil das Berufungsverfahren bei Inkrafttreten des ÜGG noch nicht abgeschlossen war (s. o.), kommt die Ausnahmevorschrift des Art. 23 Satz 4, 5 ÜGG (Ausschluss von § 198 Abs. 3 und 5 GVG) nicht zur Anwendung. Art. 23 Satz 2, 3 ÜGG bestimmt zusätzlich, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erheben ist, um einen Anspruch für den vorangegangenen Zeitraum zu wahren. Vorliegend kann eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „unverzüglich“ unterbleiben (vgl. dazu aber zuletzt BGH Urteil vom 10.04.2014, III ZR 335/13, Rn. 25 nach juris), weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Verzögerungsrüge erhoben hat. Bei der Anfrage vom 08.03.2012 handelt es sich eindeutig um eine Sachstandsanfrage („bitten wir um Sachstandsmitteilung“), die im Zusammenhang mit dem am 11.11.2011 in Auftrag gegebenen orthopädischen Gutachten nach § 109 SGG stand, das dann am 23.03.2012 beim LSG einging. Eine Verzögerungsrüge i. S. § 198 Abs. 3 GVG (Obliegenheit der Rüge der Dauer des Verfahrens) hat der Kläger in der Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes am 03.12.2011 bis zum Abschluss des Verfahrens am 13.07.2012 (Zustellung des Urteils vom 20. Juni 2012) nicht erhoben. Die Bevollmächtigte des Klägers hat dies auch in ihrem Schriftsatz vom 31.07.2013 unter Hinweis auf ihre Rechtsauffassung, dass es keiner Verzögerungsrüge bedurfte, ausgeführt. Auch das Agieren im Verfahren vor dem EMRG stellt keine Verzögerungsrüge dar. Diese Willenserklärungen waren eindeutig nicht an das LSG gerichtet.

b)Das Erfordernis einer Verzögerungsrüge entfällt auch nicht deswegen, weil die Rüge angesichts der bereits seit 22.03.2010 anhängigen Individualbeschwerde vor dem EGMR und des Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. LSG am 20.10.2010 ihre Warnfunktion (sie soll dem bearbeitenden Richter - soweit erforderlich - die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen, BT-Drs. 17/3802, S. 20) nicht mehr erfüllen konnte (vgl. so aber die Argumentation Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 31.07.2013). Denn der Gesetzgeber sieht in der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 2,3 ÜGG gerade auch für beim EGMR anhängige Verfahren ausdrücklich vor, dass in bereits verzögerten Verfahren unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes (am 03.12.2011) eine Verzögerungsrüge zu erheben ist, um einen Anspruch für den vorausgehenden Zeitraum zu wahren. Diese Wirkung der Rüge hätte gerade auch im vorliegenden Fall im Vordergrund gestanden. Im Hinblick auf Verzögerungen, die bereits in der Vergangenheit eingetreten sind, kommt jedoch eine Warnfunktion der Rüge von vornherein nicht in Betracht, ohne dass der Gesetzgeber die Rüge deshalb für entbehrlich angesehen hätte.

Eine Hinweispflicht des Gerichts auf das Erfordernis einer Verzögerungsrüge nach Art. 23 S. 2,3 ÜGG bestand nicht. Der anwaltlich vertretene Kläger war, wie die Anrufung des EGMR zeigt, ausreichend sensibilisiert für das Thema „überlange Verfahren“ und hat Rechtsnachteile aus dem Fehlen einer rechtzeitigen Verzögerungsrüge selbst zu verantworten. Aus § 106 SGG ergibt sich keine entsprechende Beratungspflicht des Gerichts, das im Übrigen auch nicht mit dem Entschädigungsanspruch, sondern mit dem Erkenntnisverfahren hinsichtlich der unfallversicherungsrechtlichen Ansprüche des Klägers betraut war.

2.3. a) Der Senat stellt jedoch fest, dass die Dauer des Berufungsverfahrens unangemessen war. Rechtsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 4 S. 3 Halbsatz 2 GVG. Danach kann die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. So liegt es hier; es fehlt - wie bereits ausgeführt - an einer Verzögerungsrüge im Sinne von § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG. Der Senat hält in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzhof (Urteil vom 17.04.2013, X K 3/12, Rn. 72 juris) und dem LSG Thüringen (Urteil vom 30.10.2013, L 12 SF 1136/12 EK, Rn. 33 juris) an seiner bereits im Urteil vom 20.06.2013, L 8 SF 134/12 EK vertretenen Rechtsansicht fest, wonach das Entschädigungsgericht die Verfahrensverzögerung auch dann feststellen kann, wenn, eine Verzögerungsrüge in den Übergangsfällen des Art. 23 S. 2 ÜGG gar nicht oder nicht unverzüglich erhoben wurde (a. A. BGH Urteil vom 10.04.2014, III ZR 335/13, Rn. 35 juris). Es bedarf im Streitfall, in dem lediglich die Feststellung einer Verfahrensverzögerung auszusprechen ist, der vorherigen (unverzüglichen) Erhebung einer Rüge durch den Kläger nicht. Denn die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer kann -im Gegensatz zur Zuerkennung einer Geldentschädigung- nach der ausdrücklichen Regelung des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG auch dann ausgesprochen werden, „wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Abs. 3 nicht erfüllt sind“. Die Obliegenheit zur Erhebung einer Verzögerungsrüge ist aber -neben anderen- in § 198 Abs. 3 GVG genannt. Diese Obliegenheit entfällt, wenn das Entschädigungsgericht sich auf einen bloßen Feststellungsausspruch beschränkt, nicht nur im gesetzlichen Regelfall des § 198 Abs. 3 GVG, sondern auch in Fällen der -vorliegend einschlägigen - Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 ÜGG. Denn nach dieser Vorschrift „gilt § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss“. Von dem Verweis der genannten Übergangsregelung auf § 198 Abs. 3 GVG ist daher auch die in § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG angeordnete Ausnahme vom Erfordernis des § 198 Abs. 3 GVG umfasst. Dem Senat steht insoweit ein Ermessen zu, für dessen Ausübung der Gesetzgeber keine näheren Bestimmungen getroffen hat. Der Senat übt sein Ermessen dahingehend aus, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen, weil eine reine Klageabweisung unbillig erschiene (Ott, a. a. O., § 198 GVG Rn. 168). Ausschlaggebend hierfür sind die erhebliche Überschreitung der durchschnittlichen Verfahrensdauer mit eindeutigen Zeiten des Nichtbearbeitens (so etwa im Jahre 2008 und zT im Jahr 2009, siehe unter b) und die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger.

b) Die Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 war unangemessen. Die Gesamtverfahrensdauer von der Erhebung der Berufung am 16.07.2007 bis zur Zustellung des Urteils am 13.07.2012 dauerte knapp 60 Monate. Gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Darunter ist die formelle Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen, so dass in die Verfahrensdauer auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einbezogen ist (Ott, a. a. O., § 198 GVG Rn. 54 m. w. N.). Hinsichtlich der Herleitung der „Angemessenheit der Verfahrensdauer“ nach den Umständen des Einzelfalls aus § 198 Abs. 1 S. 2 GVG (insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter), wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1. verwiesen.

Dafür, dass die Verfahrensdauer im konkreten Fall unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den wesentlich niedrigeren statistischen Durchschnittswerten, deren indizielle Bedeutung hier gewürdigt wird. Nach den statistischen Berichten des Bayer. Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung über die Tätigkeit der Sozialgerichte war ein im Kalenderjahr 2012 beim Bayer. Landessozialgericht durch Urteil/Beschluss erledigtes Berufungsverfahren durchschnittlich 22,8 Monate anhängig. Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) lässt sich entnehmen, dass Berufungsverfahren bei den Landessozialgerichten, die 2012 durch Urteil erledigt wurden, im Bundesdurchschnitt 21,1 Monate gedauert haben. Im Jahr 2012 erledigte Berufungsverfahren im Sachgebiet Unfallversicherung (nicht nach Erledigungsart differenziert) haben im Bundesdurchschnitt 19,5 Monate gedauert. Die Frage, ob bereits diese statistischen Zahlen eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln, spielt keine Rolle, wenn - wie hier - eine erhebliche Überschreitung der statistischen Werte vorliegt.

Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens jedenfalls nicht in vollem Umfang erklären. Anders als der Verfahrenskalender des erstinstanzlichen Verfahrens S 5 U 46/06 zeigt der Verfahrensablauf des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 Verfahrensverzögerungen, die auf eine Nichtbearbeitung oder Verzögerung hindeuten.

Der Verfahrensgang lässt sich wie folgt skizzieren:

16.07.2007 Berufungserhebung ohne Begründung 16.08.2007 Berufungsbegründung durch PV des Klägers mit Begründung und Antragstellung 24.09.2007 Antragstellung und Berufungserwiderung Beklagte 30.06.2008 Mandatsniederlegung durch VdK 10.12.2008 Antrag des Klägers auf Zahlung Vollrente 01.01.2009 Berichterstatterwechsel 09.01.2009 Stellungnahme Beklagte zum geänderten Antrag vom 08.12.2008 30.01.2009 Erneuter Schriftsatz Kläger will Vollrente ab 19.11.1997, Schreiben erst am 04.03.2009 verfügt 04.03.2009 Verfügung intern „Si“ Bl. 48 Rs 30.04.2009 Schriftsatz Kläger, weitere Schreiben Eingang 19.05.2009, 26.05.2009, 26.06.2009 Eingang Akten L 10 U 1999/98 und L 10 U 2069/98 vom LSG Baden-Württemberg 15.07.2009 LSG bittet Beteiligte um Zustimmung zur Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG 20.07.2009 Kläger erteilt Zustimmung, Beklagte erklärt Zustimmung (22.07.2009) 03.08.2009 Fax Kläger: Ergänzung seiner Klageanträge auf Anerkennung psychische Unfallfolgen 11.08.2009 SS LRA C-Stadt: Suizidandrohung Kläger wiederholt für Fall des zu erwartenden falschen Urteils des LSG 14.08.2009 SS Kläger, weitere Schriftsätze 21.09.2009, 04.09.2009 Beklagte verweist hinsichtlich psychischer Belastungsstörungen auf neurologisch, psychiatrisches GA 30.09.2004, MdE mit 30% richtig eingeschätzt 16.10.2009 LSG kündigt weitere Gutachten von Amts wegen an ...Einholung diverser Gutachten 20.06.2012 Sitzung (Kläger persönlich nicht anwesend) Berufung zurückgewiesen 13.07.2012 Zustellung Urteil an PV Kläger.

Insoweit genügt die Feststellung, dass im Jahr 2008 keine Bearbeitung erfolgte und das Verfahren nach dem Berichterstatterwechsel zum 01.01.2009 am 04.03.2009 erstmals zum Sitzungsfach verfügt wurde. Nach Einholung der Akten vom LSG Baden - Württemberg im Juni 2009 wurden die Beteiligten im Juli 2009 um ihr Einverständnis zu einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG gebeten. Nachdem akute psychische Probleme des Klägers im August 2009 aktenkundig wurden, hat das LSG die Bearbeitung wieder aufgenommen und im Oktober 2009 die Einholung weiterer Gutachten von Amts wegen angekündigt. Seit der Beweisanordnung vom 24.03.2010 erfolgte dann bis zum Termin vom 20.10.2010 eine durchgängige Bearbeitung. Das LSG hat in der Sitzung vom 20.10.2010 darauf hingewiesen, dass es die Sache für entscheidungsreif halte. Der weitere Verlauf bis zum Abschluss des Verfahrens mit Zustellung des Urteils vom 20. Juni 2012 am 13.07.2012 ist dann durch die gestellten zwei Gutachtensanträge des Klägers nach § 109 SGG geprägt. Ab dem 20.10.2010 ergibt sich die Verfahrenslaufzeit aus dem Verhalten des Klägers bei der verzögerten Einzahlung der erforderlichen Kostenvorschüsse und der notwendigen Zeit zur Gutachtenserstellung durch die zwei benannten medizinischen Sachverständigen, die im Übrigen vom Gericht jeweils zur zeitnahen Gutachtenserstattung angemahnt wurden.

Die zu Beginn des Berufungsverfahrens aufgetretenen Verzögerungen sind jedenfalls nicht durch das Verhalten der Beteiligten oder Dritter (mit-)verursacht. Das Gericht hatte nämlich keine Stellungnahmen, Gutachten oder Befundberichte angefordert oder angemahnt, sondern ging nach einer ersten Prüfung im März 2009 davon aus, dass das Verfahren ohne weitere Ermittlungen entscheidungsreif sei. Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren für den Kläger eine besonders geringe Bedeutung gehabt hätte und dass dieser Umstand die Verzögerungen - gerade angesichts der jeweils schon angefallenen Verfahrenslaufzeit - gerechtfertigt hätte, liegen nicht vor. Vielmehr hatte das Verfahren angesichts der im SGB VII vorgesehenen Leistungen eine erhebliche Bedeutung für den Kläger. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls kann unterbleiben, weil der Ausspruch, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, Zeitraum oder Zeitdauer der Überlänge nicht genau beziffern muss (Ott, a. a. O., § 198 GVG Rn. 165).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 201 Abs. 4 GVG. Sie berücksichtigt einerseits, dass der Kläger teilweise obsiegt hat, weil der Senat eine unangemessene Dauer des Berufungsverfahrens festgestellt hat. Andererseits war zu berücksichtigen, dass der Kläger einen nach § 198 Abs. 2 S. 1 GVG vermuteten immateriellen Schaden in Höhe von zuletzt 20.400 Euro geltend gemacht hat, für den keine gesetzliche Vermutung streitet. Eine solche Entschädigung wäre nach den für den Regelfall vorgesehenen Sätzen nur dann zu ereichen, wenn eine Verfahrensverzögerung von 17 Jahren vorgelegen hätte. Diese beurteilt sich aber nur nach den Verzögerungszeiten und nicht nach Gesamtlaufzeiten von Verfahren. Nicht einmal die Addition der Gesamtlaufzeiten der hier zu beurteilenden bayerischen Verfahren 1. und 2. Instanz ergibt die eingeklagte Forderung.

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich. Zwar ist das Rechtsgebiet neu. Das BSG hat aber inzwischen mehrere Entscheidungen erlassen. Der Senat weicht hiervon nicht ab. Wenn eine gesetzliche Neuregelung ständige Rechtsprechung kodifiziert, werden dadurch nicht per se schwierige Rechtsfragen aufgeworfen. Die gesetzliche Regelung in § 198 GVG nimmt gerade die schon langjährige ständige Rechtsprechung des EGMR wie auch des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch und den Prüfkriterien zur Frage, wann ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, auf. D. h. mit anderen Worten, bei der Prüfung zur Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind gerade keine neuen schwierigen Rechtsfragen zu lösen, sondern ist vielmehr eine ständige und gefestigte Rechtsprechung anzuwenden.

Das vorliegende Urteil ist im Übrigen wesentlich auf die Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 23 ÜGG gestützt. Die Klärungsbedürftigkeit und damit die grundsätzliche Bedeutung sind hinsichtlich der Auslegung von Übergangsvorschriften in der Regel zu verneinen. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn die anzuwendende Vorschrift von fortwirkender Bedeutung für eine nennenswerte Zahl vergleichbar gelagerter Fälle ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 160 Rn. 8d m. w. N.). Hierfür sind nach der Erfahrung des erkennenden Senats vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass die Dauer des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht München unangemessen war.

II.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.

Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und der Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Klägerin eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens zusteht.

Am 16.03.2004 erhob die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten Untätigkeitsklage zum Sozialgericht München (SG -). Sie beantragte, die damalige Bundesanstalt für Arbeit zu verurteilen, über einen Antrag auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum 18.08.1995 bis 17.09.1995 zu entscheiden. Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2008 ab. Ein Antrag, über den zu entscheiden wäre, sei nicht gestellt worden; jedenfalls sei die Klage unzulässig.

Hiergegen legte die Klägerin am 23.06.2008 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein (LSG - L 9 AL 139/08). Am 17.11.2008 bat das Gericht die Klägerin um Mitteilung, ob sie an einem Erörterungstermin im Dezember 2008 teilnehmen würde. Die Klägerin erwiderte, für sie komme nur ein Erörterungstermin in Frage, bei dem die damalige Beklagte nicht vertreten sei. Am 29.07.2010 führte das Gericht eine mündliche Verhandlung durch und wies die Berufung zurück. Das Urteil wurde am 06.10.2010 versandt.

Die Klägerin beantragte anschließend beim BSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 29.12.2010 abgelehnt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen (B 11 AL 107/10 B).

Am 28.06.2011 legte die Klägerin im Hinblick auf die Dauer der streitgegenständlichen Verfahren beim SG und beim LSG eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Die Beschwerde wurde am 12.07.2012 erledigt.

Am 23.01.2012 hat die Klägerin Entschädigungsklage zum LSG erhoben. Grundsätzlich sei von einer maximalen Verfahrensdauer von 3 Jahren auszugehen.

Die Klägerin beantragt,

wegen Überlänge der Verfahren und L 9 AL 139/08 den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Entschädigung von 9.600,00 Euro zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die Verfahrensdauer sei nicht unangemessen gewesen. Das Berufungsverfahren habe bis zur Urteilsverkündung lediglich 2 Jahre und einen Monat gedauert. Auch habe die Klägerin das Verfahren dadurch verzögert, dass sie einen Erörterungstermin im Dezember 2008 abgelehnt habe, weil sie nur an einem Termin teilnehme, an dem die Beklagte nicht vertreten sei. Mögliche Verzögerungen beim SG München beruhten anscheinend darauf, dass die Klägerin trotz der Hinweise des Beklagten die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Untätigkeitsklage nicht schlüssig dargelegt habe. Außerdem habe die Antragstellerin durch die lange Dauer des Verfahrens ausreichend Gelegenheit gehabt, die drohende Prozessniederlage durch nachträgliche Stellung eines Antrags auf Arbeitslosengeld abzuwenden. Die Dauer des Verfahrens sei daher für die Klägerin eher ein Vorteil gewesen.

Einen materiellen Nachteil habe die Klägerin nicht erlitten; einen immateriellen Nachteil habe sie nicht substantiiert behauptet. Im Übrigen könne die Wiedergutmachung auch durch Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirkt werden. Schließlich würde eine eventuelle Geldentschädigung sich keinesfalls auf 9.600,00 Euro belaufen.

Der Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 07.12.2012 Prozesskostenhilfe bewilligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten (SG München), L 9 AL 139/08 und L 8 SF 20/12 EK (Bayer. LSG) verwiesen.

Gründe

Für die Entscheidung über die Klage ist das LSG zuständig. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen ein Land ist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 Satz 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG tritt.

Der Freistaat Bayern wird im vorliegenden Verfahren durch das Landesamt für Finanzen - Dienststelle München - als allgemeine Vertretungsbehörde vertreten (§ 7 Satz 1 VertrV). Einer der in §§ 7a ff. VertrV speziell geregelten Fälle liegt nicht vor.

1.

Die Klage ist zulässig.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft. Aus § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug entsprechend anzuwenden sind, ergibt sich i. V. m. § 202 Satz 2 SGG, dass auch für Verfahren vor dem LSG die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen sind. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Klägerin macht angesichts der Regelung des § 198 GVG geltend, dass sie auf die begehrte Entschädigungszahlung, eine Leistung i. S. des § 54 Abs. 5 SGG, einen Rechtsanspruch habe.

Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen. Die Klage wurde auch formgerecht erhoben. Die Frist des Art. 23 Satz 6 ÜGG wurde eingehalten; die Klage wurde am 23.01.2012 und damit vor dem Stichtag 03.06.2012 erhoben.

Zweifel an der Klagebefugnis bestehen nicht. Der Kläger begehrt Entschädigung nach §§ 198 ff. GVG. Die Anwendung dieser Vorschriften ist nicht von vornherein ausgeschlossen, da Art 23 Satz 1 ÜGG eine Geltung für „Altfälle“ wie das zugrunde liegende Verfahren eröffnet (vgl. BSG, Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B, Rn. 21 ff.). Die Klägerin hat auch geltend gemacht, dass eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig sei.

Keine Zulässigkeitsvoraussetzungen sind die (rechtzeitige) Erhebung einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG und die Einhaltung der Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG (vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 20.06.2013, L 8 SF 134/12 EK). Diese Vorschriften sind im vorliegenden Fall allerdings ohnehin nicht anzuwenden, weil das Verfahren bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen war (§ 23 Satz 5 ÜGG).

2.

Bezüglich des erstinstanzlichen Klageverfahrens ist die Klage nur begründet, soweit die Klägerin die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer begehrt.

Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG i. d. F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) maßgebend. Nach Art. 23 Satz 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art. 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie - wie vorliegend - für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann.

Das Verfahren /L 9 AL 139/08 war bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossen. Maßgeblich für den Abschluss eines Verfahrens im Sinne des ÜGG ist der Eintritt der Rechtskraft (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Die Rechtskraft des Urteils vom 29.07.2010 (L 9 AL 139/08) war mit der Ablehnung des PKH-Antrags und der Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG am 29.12.2010 eingetreten (§ 160a Abs. 4 Satz 3 SGG).

Das Verfahren war jedoch bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim EGMR (Az. 58384/11). Der EGMR hat dem Senat mit Schreiben vom 29.08.2012 mitgeteilt, dass die Klägerin am 28.06.2011 eine solche Beschwerde erhoben habe. Diese sei erst am 12.07.2012 erledigt worden. An der Richtigkeit dieser Auskunft hat der Senat keine Zweifel. Damit hat die Klägerin die Beschwerde - was im Rahmen des Art. 23 Satz 1 ÜGG erforderlich sein dürfte (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 1/13 B, Rn. 13 m. w. N.; so auch BGH, Urteil vom 11.07.2013, III ZR 361/12) - unter Beachtung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art 35 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erhoben. Insbesondere ist die in Art. 35 Abs. 1 EMRK bestimmte Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung eingehalten worden (Entscheidung des BSG: 29.12.2010, Erhebung der Beschwerde beim EGMR: 28.06.2011). Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG ist nicht Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwerde beim EGMR (BGH, a. a. O., Rn. 11 m. w. N.).

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG).

Damit setzt der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch voraus,

- dass eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens vorliegt (a),

- dass die Klägerin als Verfahrensbeteiligte einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten hat (b),

- dass nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG nicht ausreichend ist (c)

- und dass der geforderte Betrag als Entschädigung angemessen ist (d).

a)

Die Dauer des Klageverfahrens war mit 50 Monaten von der Klageerhebung bis zur Versendung des die Instanz beendenden Gerichtsbescheides unangemessen.

aa)

§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt, dass sich die „Angemessenheit der Verfahrensdauer“ nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter, richtet. Damit hat der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist. Dies hat auch das BSG in seinem Beschluss vom 16.12.2013 (B 10 ÜG 13/13 B) hervorgehoben. Der Gesetzgeber benennt hingegen nur beispielhaft ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit einer Verfahrensdauer besonders bedeutsam sind. Derartige Umstände reichen jedoch für die Anwendung des Begriffs der „unangemessenen Verfahrensdauer“ (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen, der sich aus folgenden Erwägungen ergibt:

Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. § 198 Abs. 1 GVG knüpft für die Bestimmung der (Un)Angemessenheit inhaltlich an die Maßstäbe an, die EGMR und BVerfG für die Beurteilung der Verfahrensdauer entwickelt haben (BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 25 m. w. N.).

Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs gemäß § 198 GVG an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG (i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung von vornherein vorausgesetzt. Es reicht also nicht jede Abweichung vom Optimum, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, a. a. O., Rn. 26).

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) und auch zu dem Ziel einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen steht. Auch das spricht dagegen, bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer eine enge zeitliche Grenze zu ziehen (BSG, a. a. O., Rn. 27 m. w. N.).

Die Dauer eines Verfahrens ist in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen Verfahren zu den persönlichen und sächlichen Mitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängig gemachte Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten. Im Hinblick darauf kann es von Bedeutung sein, in welcher Zeit vergleichbare Verfahren erledigt werden. Die betreffenden statistischen Zahlen sind allerdings daraufhin zu prüfen, ob sie eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln. Ist das nicht der Fall, so können diese Zahlen einen hilfreichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines konkreten Verfahrens bieten. Entscheidend sind dabei allerdings die Umstände des Einzelfalls (BSG, a. a. O., Rn. 28 m. w. N.).

bb)

Dafür, dass die Dauer des Klageverfahrens vor dem SG mit 50 Monaten im konkreten Fall unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den wesentlich niedrigeren statistischen Durchschnittswerten.

Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) lässt sich entnehmen, dass Klageverfahren vor den Sozialgerichten, die 2008 durch Gerichtsbescheid erledigt wurden, im Bundesdurchschnitt (ohne Bayern) 17,4 Monate gedauert haben. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für Klageverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung (nicht nach Erledigungsart differenziert) lag im Bundesdurchschnitt (ohne Bayern) bei 16,7 Monaten.

Die Frage, ob bereits diese statistischen Zahlen eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln, spielt keine Rolle, wenn - wie hier - eine erhebliche Überschreitung der statistischen Werte vorliegt.

Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens jedenfalls nicht in vollem Umfang erklären. Insoweit genügt die Feststellung, dass zwischen dem 13.04.2004 und dem 29.08.2005 sowie zwischen dem 29.08.2005 und dem 10.08.2006 kein verfahrensrelevanter Schriftverkehr angefallen ist. In diesen Zeiträumen hat jedenfalls das Verhalten der Beteiligten oder Dritter die Verzögerungen nicht (mit-)verursacht. Das Gericht hatte in diesen Zeiträumen insbesondere keine Stellungnahmen, Gutachten oder Befundberichte angefordert oder angemahnt.

Auch die Schwierigkeit des Verfahrens kann die Verfahrensdauer von 50 Monaten nicht rechtfertigen. Der Senat orientiert sich insoweit an der Sicht des SG, wie sie den Akten und insbesondere dem Gerichtsbescheid vom 02.05.2008 zu entnehmen ist. Dabei prüft der Senat nicht, ob das SG die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt hat. Denn es steht dem Entschädigungsgericht nicht zu, wie ein Rechtsmittelgericht zu einer abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu kommen und entsprechende Feststellungen zu treffen. Eine Entschädigungsklage ist kein Rechtsmittel gegen die im zugrunde liegenden Verfahren getroffene Entscheidung; eine inhaltliche Überprüfung ist nicht zulässig. Eine Entschädigung darf dementsprechend z. B. nicht mit der Begründung zugesprochen werden, das Entschädigungsgericht halte eine bestimmte, vom primär zuständigen Gericht durchgeführte Beweiserhebung für unbehelflich oder eine von diesem ausführlich erörterte Rechtsfrage für nicht entscheidungserheblich und deshalb sei eine wesentlich schnellere Erledigung geboten gewesen. Umgekehrt darf eine Entschädigungsklage nicht mit der Begründung (teilweise) abgewiesen werden, das Entschädigungsgericht sei der Auffassung, das primär zuständige Gericht sei in seiner Entscheidung auf wesentliche Probleme nicht eingegangen und eine angemessene Bearbeitungszeit für diese Probleme sei zu berücksichtigen.

Maßstab für die Schwierigkeit des Verfahrens ist also deren Einschätzung durch das SG. Danach war die Sach- und Rechtslage wenig komplex. Insbesondere lag weder ein schwieriger Sachverhalt vor (Beispiele bei Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 104) noch waren schwierige Rechtsfragen zu klären (Beispiele bei Ott, a. a. O., Rn. 105) oder umfangreiche Ermittlungen durchzuführen (Beispiele bei Ott, a. a. O., Rn. 106). Das SG hat keine Ermittlungen angestellt und die Untätigkeitsklage mit knapper Begründung als unzulässig abgewiesen. Eine Rechtfertigung für eine überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer lässt sich daraus nicht ableiten.

Auch die geringe Bedeutung des Rechtsstreits für die Klägerin (dazu näher unten) vermag eine derart lange Bearbeitungsdauer nicht zu rechtfertigen.

Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls kann unterbleiben, weil der Senat lediglich ausspricht, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (siehe unten) und das Gericht in diesem Fall Zeitraum oder Zeitdauer der Überlänge nicht genau beziffern muss (Ott, a. a. O., § 198 GVG Rn. 165).

b)

Die Klägerin hat durch die unangemessene Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet; Anhaltspunkte dafür, dass die Vermutung im konkreten Fall widerlegt sein könnte, sind nicht ersichtlich.

c)

Eine Entschädigung in Geld steht der Klägerin jedoch nicht zu, weil nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, kann beispielsweise in Verfahren ausreichen, die für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatten (BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 2/12 KL, Rn. 45 unter Hinweis u. a. auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 17/3802, S. 20). So liegt es hier.

Zunächst hat eine Untätigkeitsklage, wie sie hier vorliegt, grundsätzlich eine geringere Bedeutung als eine Leistungsklage. Denn eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist nicht auf die Verurteilung der Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts mit bestimmtem Inhalt (etwa der Gewährung einer Sozialleistung), sondern auf Verurteilung der Behörde zur Bescheidung schlechthin gerichtet (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 88 Rn. 9 m. w. N.). Der Senat lässt offen, ob Untätigkeitsklagen aus diesem Grund generell nur einer Feststellung nach § 198 Abs. 4 GVG zugänglich sind. Denn im vorliegenden Fall kommen weitere Gesichtspunkte hinzu, die eine besonders geringe Bedeutung des Rechtsstreits für die Klägerin begründen:

Ein solcher Gesichtspunkt liegt darin, dass der streitgegenständlichen Zeitraum vom 18.08.1995 bis zum 17.09.1995, über den die zuständige Behörde nach Auffassung der Klägerin noch nicht entschieden hatte, nur kurz war. Die Erweiterung auf den Zeitraum 25.07.1995 bis 17.09.1995 nahm die Klägerin erst im Berufungsverfahren vor, das hier nicht mehr von Bedeutung ist, weil seine Dauer angemessen war (s. u. zu 3.).

Von noch größerem Gewicht für die Annahme einer geringen Bedeutung der Sache für die Klägerin ist der zeitliche Abstand von 81/2 Jahren zwischen dem streitgegenständlichen Zeitraum und der Erhebung der Untätigkeitsklage am 16.03.2004. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst 2003 bemerkt, dass sie für den Zeitraum 18.08.1995 bis 17.09.1995 kein Arbeitslosengeld erhalten hat. Die entsprechende Untätigkeitsklage hat sie 2004 erhoben. In der Zeit von 1995 bis 2003 hatte sie sich - ebenfalls nach eigenen Angaben - nicht mit etwaigen Ansprüchen auf Arbeitslosengeld, sondern mit solchen auf Konkursausfallgeld befasst.

Arbeitslosengeld ist eine Lohnersatzleistung, die primär der Sicherung des Lebensunterhalts dient. Wenn eine Untätigkeitsklage, die auf die Entscheidung über einen angeblich gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld zielt, erst etwa 81/2 Jahre nach dem Ende des streitgegenständlichen Zeitraums erhoben wird, kann aufgrund der Klage etwa bewilligtes Arbeitslosengeld die Lohnersatzfunktion nicht mehr erfüllen. Der Lebensunterhalt für den (kurzen) streitgegenständlichen Zeitraum war bei Klageerhebung längst bestritten; Anhaltspunkte dafür, dass etwaige im Zusammenhang mit der Finanzierung des Lebensunterhalts für diesen Zeitraum entstandene Nachteile 81/2 Jahre lang fortgewirkt hätten, sind nicht ersichtlich. Hätte die Klägerin eine spürbare Beeinträchtigung wahrgenommen, so hätte sie den Rechtsweg wesentlich früher beschritten; dies zeigt nicht zuletzt ihr sonstiges Verhalten, das durch eine nachdrückliche Geltendmachung (vermeintlicher) sozialrechtlicher Ansprüche gekennzeichnet ist. Der Erwerb rentenrechtlicher Zeiten stellt nur eine nachrangige Funktion des Arbeitslosengeldes dar, so dass das darauf gerichtete Bestreben der Klägerin an dem Befund der besonders geringen Bedeutung des Rechtsstreits nichts zu ändern vermag. Im Übrigen ist auch insoweit die Kürze des streitgegenständlichen Zeitraums zu berücksichtigen.

Für eine besonders geringe Bedeutung der erst 2004 erhobenen Untätigkeitsklage spricht außerdem, dass die Rechtsordnung die Durchsetzung von Ansprüchen nach so langer Zeit im Regelfall nicht mehr vorsieht. Dies zeigen die Rechtsinstitute der Verjährung (geregelt etwa in § 45 SGB I) sowie der Verwirkung und des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), die beide als Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben in § 242 BGB verankert und auch im Sozialrecht anwendbar sind.

d)

Ausführungen zur Höhe der Entschädigungssumme sind nicht erforderlich, weil der Senat eine solche nicht zuspricht.

3.

Bezüglich des Berufungsverfahrens L 9 AL 139/08 ist die Klage unbegründet.

Die Dauer des Berufungsverfahrens vor dem LSG war mit 27,5 Monaten insbesondere unter Berücksichtigung des Verhaltens der Klägerin und der Bedeutung des Verfahrens noch angemessen.

Nach den statistischen Berichten des Bayer. Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung über die Tätigkeit der Sozialgerichte war ein im Kalenderjahr 2010 beim Bayer. Landessozialgericht durch Urteil erledigtes Berufungsverfahren durchschnittlich 22,5 Monate anhängig; ein durch Urteil erledigtes Berufungsverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung 33,8 Monate.

Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) lässt sich entnehmen, dass Berufungsverfahren vor den Landessozialgerichten, die 2010 durch Urteil erledigt wurden, im Bundesdurchschnitt 22,0 Monate gedauert haben. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für Berufungsverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung (nicht nach Erledigungsart differenziert) lag im Bundesdurchschnitt bei 21,0 Monaten.

Diese Zahlen zeigen zwar, dass das Berufungsverfahren L 9 AL 139/08 überdurchschnittlich lang war. Auf den Referenzwert von 33,8 Monaten für durch Urteil erledigte Berufungsverfahren im Fachgebiet Arbeitslosenversicherung in Bayern stellt der Senat nicht ab, denn der Vergleich mit den übrigen Zahlen - sowohl aus Bayern als auch aus dem gesamten Bundesgebiet - legt es nahe, dass hier bereits eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer im Sinne eines „Systemfehlers“ (vgl. BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 32) abgebildet wird.

Allerdings ist die Dauer des Verfahrens zu einem wesentlichen Teil dem Verhalten der Klägerin geschuldet, für das der Beklagte nicht verantwortlich gemacht werden kann. Das LSG beabsichtigte die Durchführung eines Erörterungstermins im Dezember 2008, also etwa 6 Monate nach Eingang der Berufung. Damit wurde der Versuch unternommen, das Berufungsverfahren - gerade auch im Hinblick auf die lange Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens - möglichst zügig zu einem Abschluss zu bringen. Die Klägerin hat sich dem jedoch verweigert, indem sie mitgeteilt hat, sie sei nur an einem Erörterungstermin interessiert, an dem die Bundesagentur für Arbeit - die Beklagte im Berufungsverfahren - nicht teilnehme. Als Reaktion darauf hat das LSG auf die Durchführung eines Erörterungstermins verzichtet.

Zwar steht nicht fest, dass das Verfahren in einem Erörterungstermin beendet worden wäre; dies wäre nur durch eine unstreitige Erledigung möglich gewesen. Jedenfalls aber hätte das Verfahren in einem Erörterungstermin gefördert werden können, weil der Berichterstatter im Rechtsgespräch mit den Beteiligten etwaige aus seiner Sicht bestehende Zweifelsfragen zügig hätte klären können. Dies hätte zur Überzeugung des Senats mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Erledigung durch Urteil in höchstens 22 Monaten geführt, was einer durchschnittlichen Dauer des Berufungsverfahrens entsprochen hätte (s.o.). In jedem Fall ist das LSG mit seinem Vorschlag, im Dezember 2008 einen Erörterungstermin durchzuführen, seiner Verpflichtung zu besonderer Beschleunigung unter Berücksichtigung der langen Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens nachgekommen.

Auch war die Bedeutung des Berufungsverfahrens für die Klägerin gering. Auf die Ausführungen unter 2. c) wird insoweit Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 201 Abs. 4 GVG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.