Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 29. März 2017 - 8 Ca 192/16

bei uns veröffentlicht am29.03.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.706,12 € festgesetzt.

Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe der jährlichen Erhöhung einer Pensionsergänzungszahlung aus einer betrieblichen Altersvorsorge.

2

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, welches in den deutschen A.-Konzern eingebunden ist. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der B..

3

Die Klägerin war bis zum 31. Oktober 2009 in einem Unternehmen des B. Konzerns, heute die Beklagte, beschäftigt. Seit dem 1. November 2009 bezieht sie eine betriebliche Rente (vgl. Anlage B3, Blatt 139 der Akte).

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Rechtsgrundlage dieser betrieblichen Rente ist die „Versorgungsordnung vom 01.04.1985 – Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung – 01.04.1985“ (im Folgenden VO 85, Anlage K 1, Blatt 15 ff. der Akte, sowie Anlage B 2, Blatt 123 ff. der Akte) zwischen der Tarifgemeinschaft der B. Unternehmensgruppe und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen.

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§ 6 der VO 85 enthält unter der Überschrift„Anpassung der Renten“ folgende Regelung:

6

„1. Die Renten werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.

7

2. Die Anpassung der Renten erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

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(Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

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3. Die Renten werden angepaßt, wenn der Versorgungsfall vorm 01.12. des Vorjahres eingetreten ist.

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4. Hält der Vorstand die Veränderung der Renten nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Die Beschlussfassung ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.“

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§ 1 Abs. 3 enthält unter der Überschrift „Geltungsbereich“ folgende Regelung:

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„Auf die Versorgungsleistung besteht ein Rechtsanspruch. Die B. Unternehmen behalten sich aber vor, durch Beschlüsse im Vorstand und im Aufsichtsrat die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Versorgungszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachteilig so wesentlich geändert haben, dass den B. Unternehmen die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.“

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Die Klägerin gehört, da der gesetzliche Rentenversicherungsträger ihren Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. November 2009 anerkannt hat, zum berechtigten Personenkreis dieser VO 85 und bezieht auf Grundlage dieser Bestimmungen beginnend mit dem 1. November 2009 eine betriebliche Rente in Höhe von zuletzt 1.397,28 € (vgl. Schreiben der Beklagten vom August 2016, Blatt 25f. der Akte).

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Die Klägerin erhielt bis einschließlich Juni 2015 ein Zahlung in Höhe von 1.383,41 € und bis einschließlich Juni 2016 eine monatliche Zahlung in Höhe von 1.390,33 € (vgl. Anlage K 4, Blatt 24 der Akte). Ab Juli 2016 erhält die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 1.397,28 €.

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Die gesetzlichen Renten wurden am 1. Juli 2015 in den alten Bundesländern um 2,0972 %, zum 1. Juli 2016 um 4,24512% erhöht.

16

Die Gremien des A.-Konzerns sahen sich nach eigenen Angaben aufgrund des schwierigen ökonomischen Umfeldes (langanhaltendes, extremes Niedrigzinsszenario, demographische Trends), der steigenden Anforderungen zur Regulierung (Kapitalisierungsanforderungen durch Solvency I Umsetzung LVRG, Verpflichtung zur Bildung von Zinszusatzreserven) und der steigenden Kundenanforderungen (hohe Preissensitivität und singende Loyalität der Kunden), veranlasst, zur zukunftssicheren und nachhaltigen Ausrichtung des Konzerns die neue Strategie „S.“ (S.) zu verabschieden, die mittlerweile im Konzern umgesetzt wird. Mit der Umsetzung der Strategie wurden Strukturen neu geordnet und sollen Einsparungen u.a. von Personalkosten (nicht kundennahe Funktionen -30%) generiert werden.

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Aufgrund des schwierigen Marktumfeldes realisiert die Beklagte mit der Strategie „S.“ eine Neuausrichtung. Das Konzept zielt auf die Einsparung von Kosten in Höhe von 160 bis 190 Millionen Euro jährlich. Die Komplexität der internen Strukturen sollen reduziert werden. Die aktiven Mitarbeiter der A. V. AG und der A. L. AG sollen auf die neue A. D. AG übergehen. Die Vorüberlegungen zu diesen Konzepten wurden am 23. Februar 2015 gestartet und waren zum 21. Mai 2015 soweit abgeschlossen, dass es an diesem Datum der Belegschaft kommuniziert werden konnte. Im September 2015 wurden die Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Umsetzung des Konzeptes aufgenommen.

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Es wurde auf unbestimmte Zeit ein Einstellungsstopp sowie ein Verbot von Entfristungen beschlossen (vgl. Anlage B 8, Blatt 168 der Akte).

19

Der Vorstand der Beklagten (AV) und der A. L. AG (AL) beschlossen in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2015, den Aufsichtsräten der AV und der AL zur jeweils gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 01. Juli 2015 zu gewährende Rentenanpassung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten in den genannten Versorgungswerken nicht wie grundsätzlich vorgesehen gemäß der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2,1%, sondern nur in Höhe von 0,5% zu gewähren.

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Der Gesamtbetriebsrat, der Konzernbetriebsrat sowie die örtlichen Betriebsräte wurden hierzu angehört wobei die Klägerin bestreitet, dass sämtliche Betriebsratsgremien angehört worden seien. In dem Anhörungsschreiben (Blatt 146 der Akte) heißt es auszugsweise:

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„Die gesamte Versicherungswirtschaft bewegt sich aufgrund der Niedrigzinsphase, der Verpflichtung zur Bildung von Zinszusatzreserven, erweiterten Kapitalisierungsanforderungen durch Solvency II und der Umsetzung des LVRG in einem sehr schwierigen Marktumfeld.

22

Dies hat die Gremien des Konzerns vor kurzem dazu veranlasst zur zukunftssicheren, nachhaltigen Ausrichtung des Konzerns eine neue Strategie “ G.“ zu verabschieden. (...)

23

Die verantwortlichen Vorstände der Deutschen G. Gruppe sind davon überzeugt, dass auch ehemalige Mitarbeiter/innen des Konzerns, deren laufende Betriebsrentenansprüche weit über dem Durchschnitt für die übrigen Konzernangehörigen liegen, ein Beitrag zur nachhaltigen Stärkung und Zukunftssicherung unserer Unternehmen leisten sollten.
(...)

24

Im Hinblick auf die Gesamtsituation hält der Vorstand eine Erhöhung von 2,1 % zum 01.07.2015, die im Gesamtkonzern zu einer zusätzlichen Belastung von 0,4 Millionen € jährlich führen und die deutlich über den Inflationsausgleich seit Juni 2014 von 0,5% Prozent liegen würde, für nicht vertretbar. Er beabsichtigt daher den Aufsichtsräten der AV/AL/ABV eine Anpassung der Gesamtversorgung bzw. der Renten aus dem BVW und der VO85 um jeweils 0,5 % zum gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen.“

25

Den Betriebsräten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22. Juni 2015 eingeräumt. Die erforderlichen Beschlüsse aller Konzernunternehmen sollten noch vor dem 30. Juni 2015 eingeholt werden. Die Frist zur Stellungnahme für die Betriebsräte wurde auf Bitten des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Beklagten bis zum 31. Juli 2015 verlängert. Die bereits beim Vorstandsstab eingereichten Beschlussvorschläge wurden daher wieder von der Tagesordnung genommen.

26

Der Gesamtbetriebsrat sowie die bei der Beklagten gebildeten Betriebsräte in P., R., R1, R2, F., S1, Hamburg, M., B. und H., der Betriebsrat der Zentrale der ehemaligen B. AG und der Konzernbetriebsrat haben ihre weitgehend wortgleichen Stellungnahmen zu dem geplanten Vorstands-/Aufsichtsratsratsbeschluss abgegeben. Hierin führen die Betriebsräte insbesondere an, dass die gute wirtschaftliche Lage der Beklagten einen Vorstands-/Aufsichtsratsbeschluss zur Reduzierung der vertraglichen Anpassung im BVW nicht rechtfertigen würde.

27

In der Antwort des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden (Blatt 149 der Akte) heißt es auszugsweise:

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„Nach dem Willen der zum Zeitpunkt der Vereinbarung der betroffenen Regelungen vertragschließenden Parteien wäre eine Anwendung des in § 6 Abs. 3 (BVW) bzw. Abs. 4 (VO 85) beschriebenen Ausnahmefalls nur dann zulässig, wenn das Unternehmen nicht über die wirtschaftliche Fähigkeit verfügen wurde, die vertragsgemäßen höheren (in vollem Umfang angepassten) Renten zahlen zu können. Diese Situation ist für die A. Versicherungen (2014 herausragendes Geschäftsergebnis mit 236 Million € Jahresüberschuss) ganz sicher nicht gegeben.

29

Der Gesamtbetriebsrat hat daher beschlossen, der von Ihnen beabsichtigten verminderten Anpassung der Versorgungsbezüge um lediglich 0,5 % nicht zuzustimmen.“

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Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten haben auf Basis des Vorschlags des Vorstandes beschlossen, die Renten um 0,5 % ab dem 1. Juni 2015 zu erhöhen, wobei die Klägerin bestreitet, dass die Beschlüsse an den genannten Daten formell und inhaltlich ordnungsgemäß gefasst wurden. Nach Angaben der Beklagten erfolgte der Beitrag des Vorstandes zur gemeinsamen Beschlussfassung am 26. August 2015. Der inhaltlich entsprechende Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten erfolgte nach Angaben der Beklagten im Umlaufverfahren mit Ablauf der Rückmeldefrist am 9. Oktober 2015.

31

Ein entsprechender Beschluss wurde in allen von der Thematik betroffenen Konzerngesellschaften einheitlich getroffen.

32

Die wesentlichen inhaltlichen Erwägungen, die dem Vorstands-/Aufsichtsratsbeschluss zugrunde lagen, lauten wie folgt:

33

„Die vertragliche Rentenanpassung in unverminderter Höhe erscheint angesichts der den gesamten Konzern betreffenden Maßnahmen zur Kostenreduzierung im Rahmen der neuen strategischen Ausrichtung und des derzeit insgesamt schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes der Versicherungsbranche, der Situation der Versorgungsempfänger anderer Versorgungsysteme im Unternehmen, der aktiven Arbeitnehmer und schließlich auch der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung im Rahmen einer Gesamtabwägung als unverhältnismäßig hohe Begünstigung der betroffenen Versorgungsempfänger.“

34

Die zuständigen Gremien der Beklagten haben sich nach Abwägung aller Umstände dazu entschlossen, die vertragliche Anpassung der Pensionsergänzung für den Fall, dass mit der verminderten Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge um 0,5% statt um 2,1% in Verbindung mit der Erhöhung der gesetzlichen Rente um 2,1% es faktisch zu einer Aussetzung der Erhöhung der Pensionsergänzung bzw. deren Absinken komme, die Erhöhung nicht vollständig auszusetzen. In diesem Fall soll die Pensionsergänzungszahlung dennoch um 0,5 % erhöht werden. Es wurde jeweils geprüft, was günstiger sei: eine Anpassung der Pensionsergänzungszahlung pauschal um 0,5% oder gemäß der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes seit dem 1. Juli 2012. Im Fall der Klägerin führte die pauschale Erhöhung der Pensionsergänzung um 0,5% zum höheren Ergebnis.

35

Durch die erfolgten Erhöhungen in der Vergangenheit ist der gem. § 16 BetrAVG geforderte Ausgleich des Kaufkraftverlustes bereits erfolgt.

36

Am 20. Juni 2016 beschlossen die Aufsichtsräte der Beklagten sowie der A. V. AG gemeinsam mit ihren Vorständen, erneut von der Regelung des § 6 Abs. 4 VO85 Gebrauch zu machen und die Anpassungen der Renten gemäß § 6 Abs. 1 VO85 durch eine Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten um 0,5% zu ersetzen (vgl. Protokoll der außerordentlichen Sitzungen der Aufsichtsräte der A. L. AG und der A. V. AG, Anlage B 14, Blatt 215 ff. der Akte). Auch zu diesem Beschluss wurden die örtlichen Betriebsräte sowie der Gesamtbetriebsrat angehört (vgl. Schreiben vom 13. Mai 2016, Blatt 180 ff. der Akte). Die Betriebsräte haben hierzu Stellungnahmen abgegeben und der Änderung der Rentenanpassung mit der gleichen Begründung wie im Jahr 2015 nicht zugestimmt (Blatt 188 ff. der Akte). Die Klägerin bestreitet erneut, dass alle Betriebsräte angehört wurden. Er bestreitet ebenfalls, dass die Beschlüsse des Aufsichtsrates und der Vorstände ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

37

Die Klägerin ist der Auffassung, die von der Beklagten bis einschließlich Juni 2015 insgesamt monatlich geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.383,41 € hätten gemäß § 6 Abs. 1 der VO85 ab dem 1. Juli 2015 um 2,0972 % auf 1.412,42,56 €, also um weitere 22,09 €, erhöht werden müssen. Ab dem 1. Juli 2016 hätten die Zahlungen um weitere 4,24512% auf 1.472,45 € erhöht werden müssen.

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§ 6 Abs. 4 der VO85 sei unwirksam. Tarifverträge seien zwar keiner AGB-Kontrolle, aber einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen, die der Angemessenheitsprüfung nach den §§ 305 ff BGB nicht nachstehe. Es sei nicht klar und verständlich geregelt, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Rechtsfolgen eine Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge möglich sei. Auch folge die Unwirksamkeit aus dem Rechtsgedanken des § 308 Nr. 4 BGB, der auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten sei. Danach sei ein Änderungs- oder Widerrufsvorbehalt nur dann wirksam, wenn zumindest grundsätzlich erkennbar sei, aus welchem Grund der Widerruf möglich sein solle. Die Vereinbarung enthalte jedoch keine Bestimmung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Widerruf bzw. die Änderung möglich sei. Ebenso sei völlig unklar, welche Folgen eintreten sollen, wenn der Vorstand eine Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nicht für vertretbar hält. Letztlich könnten Vorstand und Aufsichtsrat völlig willkürlich den Anspruch auf Steigerung der Versorgungsbezüge beseitigen.

39

Auch wenn die Regelung nicht unwirksam sei, steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zu. Die Klägerin bestreite mit Nichtwissen, dass die Betriebsräte und der Gesamtbetriebsrat ordnungsgemäß angehört worden seien und dass Vorstand und Aufsichtsrat einen formell ordnungsgemäßen Beschluss entsprechend § 6 Abs. 4 der VO85 gefasst haben soll. Es werde bestritten, dass der Vorstand und / oder der Aufsichtsrat am 26. August 2015 bzw. am 9. Oktober 2015 die genannten Beschlüsse formell und inhaltlich ordnungsgemäß gefasst haben.

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Selbst wenn ein wirksamer Beschluss vorliegen würde, habe dieser den Anspruch der Klägerin auf Steigerung seiner Versorgungsbezüge zum 1. Juli 2015 nicht beseitigen können, weil der Beschluss nicht rechtzeitig ergangen sei. Mit dem erst nach dem 1. Juli 2015 getroffenen Beschluss habe die Beklagte rückwirkend in bereits erworbene Rechte eingegriffen.

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Die Unwirksamkeit des Beschlusses folge auch aus dem Rechtsgedanken des § 315 BGB, denn es sei nicht ersichtlich, dass die Interessen der Versorgungsempfänger angemessen beachtet worden seien. Die Formulierung „nicht für vertretbar“ sei dahingehend zu verstehen, dass die Steigerung der Gesamtversorgungsbezüge nur dann nicht in Betracht kommen sollte, wenn die wirtschaftliche Lage eine Erhöhung nicht zulasse. Die Formulierung sei gewählt worden, um in „Notfällen“ eine „Exit“-Möglichkeit zur Verfügung zu haben.

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Die Unwirksamkeit des Beschlusses vom 20. Juni 2016 folge auch aus dem Rechtsgedanken des § 315 BGB, denn es sei nicht ersichtlich, dass die Interessen der Versorgungsempfänger angemessen beachtet worden seien. Die Formulierung „nicht für vertretbar“ sei dahingehend zu verstehen, dass die Steigerung der Gesamtversorgungsbezüge nur dann nicht in Betracht kommen sollte, wenn die wirtschaftliche Lage eine Erhöhung nicht zulasse. Die Formulierung sei gewählt worden, um in „Notfällen“ eine „Exit“-Möglichkeit zur Verfügung zu haben.

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Das betriebliche Versorgungswerk sei zu einem Zeitpunkt geschaffen worden, in dem die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die „B.“ bzw. eine Gesellschaft des B.-Konzerns, im Eigentum der Gewerkschaften war. Der B.-Konzern wurde gewerkschaftsnah und an den Interessen der Arbeitnehmer ausgerichtet geführt. Bei der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung habe zwischen den Parteien Einigkeit bestanden, dass grundsätzlich die Gesamtversorgungsbezüge zum gleichen Zeitpunkt und in der gleichen Höhe gesteigert werden wollten wie die gesetzliche Rente. Davon sollte entsprechend § 6 Abs. 4 der VO85 nur dann abgewichen werden können, wenn die wirtschaftliche Lage eine Anpassung nicht zulasse und der Fortbestand der Gesellschaft gefährdet sei. § 6 Abs. 4 sei eine Ausnahmeregelung. Ausnahmeregelungen seien aber grundsätzlich eng auszulegen. Dies spreche dafür, dass entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich sachliche Gründe ausreichen sollten.

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Da lediglich wirtschaftliche Gründe die reduzierte Steigerung der Renten rechtfertigen könnten, sei die Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat rechtswidrig. Die Ablösung einer vertraglichen Anpassungsregelung, die bislang die unbedingte Rentenerhöhung entsprechend der Inflationsrate bzw. der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer vorsah, durch eine Regelung, die dem Arbeitgeber eine Anpassungsentscheidung unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage ermöglicht, sei nur zulässig, wenn besonders gewichtige Änderungsgründe vorliegen würden. Solche seien jedoch von der Beklagten nicht vorgetragen worden.

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Der Verweis auf das (bestrittene) hohe Versorgungsniveau der Rentner des betrieblichen Versorgungswerks sei unzulässig. Die Ausnahmeregelungen in § 6 Abs. 4 könne offensichtlich nicht dazu taugen, die bestehende Betriebsvereinbarung zu ändern bzw. umzustrukturieren, um nunmehr veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen der Beklagten verwirklichen zu können.

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Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe (Langlebigkeitsrisiko, Niedrigzinsphase, schwieriges wirtschaftliches Umfeld, zunehmender regularischer Druck) seien unsubstantiiert.

47

Die behauptete Neuausrichtung des Konzerns werde bestritten. Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten unterstellt, ergebe sich hieraus jedoch nicht, dass die behauptete strategische Neuausrichtung im Konzern überhaupt Auswirkungen auf die Beklagte hat. Würde man für die Anpassungsentscheidung des § 6 Abs. 4 Auswirkungen im Konzern ausreichen lassen, würde dies dazu führen, dass die Beklagte den Betriebsrentenanspruch der Versorgungsempfänger leerlaufen lassen könne.

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In der Interessenabwägung habe die Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass sich Rentner trotz steigender Rentenbezüge auf eine immer stärkere Abkopplung von der Lohnentwicklung einstellen müssten. Das gehe aus einer Erhebung des Instituts Prognos im Auftrag der Versicherungswirtschaft hervor. Entgegen der Behauptung der Beklagten erfolge keine gleichmäßige Belastung von Aktiven und Rentnern, vielmehr seien Rentner bereits jetzt mehr beeinträchtigt als die aktiven Beschäftigten.

49

Der Anspruch ergebe sich außerdem aus dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe seit Abschluss der Betriebsvereinbarung die Renten der Versorgungsempfänger stets entsprechend der gesetzlichen Renten angepasst. Den Rentnern sei niemals eine konkrete Anpassungsprüfung bekannt gemacht worden. Nie hat die Beklagte mitgeteilt, sie würde sich eine Anpassung aus irgendwelchen Gründen vorbehalten.

50

Die Klägerin beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin beginnend mit dem 1. August 2016 über den Betrag von 1.397,28 € hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 75,17 € brutto zu zahlen,

52

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 340,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins auf einen Betrag in Höhe von 22,09 € seit dem 1. Juli 2015, auf 22,09 € seit dem 1. August 2015, auf 22,09 € seit dem 1. September 2015, auf 22,09 € seit dem 1. Oktober 2015, auf 22,09 € seit dem 1. November 2015, auf 22,09 € seit dem 1. Dezember 2015, auf 22,09 € seit dem 1. Januar 2016, auf 22,09 € seit dem 1. Februar 2016, auf 22,09 € seit dem 1. März 2016, auf 22,09 € seit dem 1. April 2016, auf 22,09 € seit dem 1. Mai 2016, auf 22,09 € seit dem 1. Juni 2016 und auf 75,17 € seit dem 1. Juli 2016 zu zahlen.

53

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

55

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine weitere Erhöhung der laufenden Betriebsrente. Sie habe zulässigerweise von der in § 6 Abs. 4 vorgesehenen Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht.

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Das im der VO85 gewährte Versorgungsniveau sei überdurchschnittlich hoch. Im Jahresdurchschnitt erhalte ein Versorgungsempfänger 15.948 €. In München, dem Hauptsitz des Konzerns, würden Versorgungsleistungen der betrieblichen Altersvorsorge aus Direktzusagen lediglich in Höhe von durchschnittlich 7.486 € pro Jahr gezahlt.

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Bei der Umsetzung der neuen Strategie „S.“ müssten die aktiven Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung und Zukunftssicherung der A. leisten, und zwar durch monetäre Einschnitte, betriebsbedingte Kündigungen bis hin zu im alltäglichen Arbeitsleben spürbaren Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen. Hierzu gehöre auch der beschlossene unbefristete Einstellungsstopp und das Verbot der Entfristungen. Es würden Standorte zusammengelegt, verlegt und geschlossen. Hieraus ergebe sich in vielen Bereichen eine Arbeitsverdichtung. Das Budget für Sachkosten sei erheblich gekürzt worden. Auch seien restriktivere Regelungen für Fort- und Weiterbildungen eingeführt worden. Das Budget für Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung an Neueintritte auf Vorstandsebene und der Ebene der leitenden Angestellten sei in diesem Rahmen auf Konzernebene um die Hälfte des bisherigen Volumens gekürzt worden. Eine Bevorzugung der Versorgungsempfänger im Verhältnis zu der aktiven Beschäftigung wäre eine Ungleichbehandlung, an deren Rechtfertigung große Zweifel bestünden.

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Der Umfang der kompensierenden Maßnahmen hänge von dem Umfang der Mehrbelastung und damit von dem Ausgang der laufenden Gerichtsverfahren ab.

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Die aktiven Mitarbeiter trügen dadurch auch dazu bei, dass die Versorgungsleistungen an die Rentner auch in der Zukunft durch den Arbeitgeber auf einer soliden Basis gewährt werden könnten. Aus diesem Grund sei es dem Vorstand/Aufsichtsrat angemessen erschienen, dass die Rentner zur Stärkung und Zukunftssicherung der Unternehmen ebenfalls einen Beitrag leisten müssten. Da Rentner anderer Versorgungssysteme, zum Beispiel dem A.-Konzern, zum 1. Juli 2015 aufgrund des niedrigen Anstiegs des Verbraucherpreisindexes eine deutliche niedrigere Anpassung (0,5%) als die Anpassung der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, erscheine die Anpassung der Zahlungen aus den beiden Versorgungswerken BVW und VO 85 unverhältnismäßig hoch. Diese Anpassung sei auch mit Blick auf die Versorgungssituation der aktiven Mitarbeiter und des überdurchschnittlich hohen Versorgungsniveaus der Rentner des BVW und der VO 85 aus unternehmerischer Sicht nicht gerechtfertigt. Mit der dennoch vorgenommenen Anpassung solle jedoch der Kaufkraftverlust ausgeglichen werden.

60

Die Beklagte ist der Auffassung, die Entscheidung nach § 6 Abs. 4 VO85, die Renten lediglich um 0,5% zu erhöhen, sei aufgrund Unvertretbarkeit einer Anpassung um 2,1% bzw. um 4,24512% in rechtmäßiger Weise erfolgt. Einzige Voraussetzung für den Vorschlag des Vorstands und den nachfolgenden Vorstands-/Aufsichtsratsbeschluss sei die Frage der (Un-)Vertretbarkeit der in § 6 Abs. 4 VO85 vorgesehenen Anpassung der Versorgungsbezüge. Da die Vorschrift die Unvertretbarkeit nicht weiter konkretisiere, müsse sich die Entscheidung gem. § 315 Abs. 1 BGB im Rahmen des billigen Ermessens halten. Hierfür sei ein sachlicher Grund ausreichend, es müssten keine wirtschaftlichen Gründe im Sinne des § 16 BetrAVG vorliegen. Ein sachlicher Grund für die teilweise ausgesetzte Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge könne auch in einem Programm für die zukunftsfähige Ausrichtung eines Unternehmens liegen. Aufgrund der Kapitalmarkt-Krise, der daraus resultierenden strategisch neuen Ausrichtung des Konzerns sowie den neuen regulatorischen Herausforderungen und des überdurchschnittlich hohen Versorgungsniveaus des BVW bewege sich die Entscheidung im Rahmen der Billigkeit. Die Klägerin könne dagegen kein billigenswertes Interesse anführen, eine derart hohe Anpassung zu verlangen, zumal das Versorgungsniveau bei den Versorgungsempfängern der VO85 schon jetzt überdurchschnittlich hoch sei.

61

§ 6 Abs. 4 der VO85 stelle nicht auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten ab. Wäre dies gewollt gewesen, dann wäre die Terminologie des § 16 BetrAVG verwendet worden. § 6 Abs. 4 VO85 stelle die Erhöhung nach § 6 Abs. 1 VO85 generell unter den Vorbehalt eines abweichenden Vorstands-/ Aufsichtsratsbeschlusses. Dieser sei nicht abhängig von der wirtschaftlichen Lage der Beklagten. Die Billigkeitsentscheidung gem. § 6 Abs. 4 VO85 hätte daher unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Beklagten erfolgen dürfen. Zur Begründung sei auf das schwierige Marktumfeld der Versicherungsbranche und die tiefgreifenden Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb des Deutschen A.-Konzerns abgestellt worden. Hieraus ergebe sich ein erheblicher Handlungsdruck. In Anbetracht der Krise der Versicherungsbranche würde eine Untätigkeit des A.-Konzerns und der Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt ein erhebliches unternehmerisches Risikopotential bedeuten, das sich in der Zukunft mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen realisieren würde. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses 2014 seien die Umstrukturierungsmaßnahmen noch nicht bekannt gewesen.

62

Die Darstellungen im Jahresabschluss stünden nicht im Widerspruch zur Entscheidung der Beklagten. Die Beklagte begründe die Anpassungsentscheidung im Übrigen ausdrücklich nicht mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Beklagten, sondern mit dem schwierigen Marktumfeld, dem langfristig anhaltenden Niedrigzinsumfeld, dem daraus resultierenden Handlungsdruck und der daraufhin beschlossenen Neuausrichtung. Für die Realisierung des S.-Konzeptes zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten müssten alle Beteiligten ihren Beitrag leisten. Außerdem habe die Beklagte als Versicherungskonzern auch das so genannte Langlebigkeitsrisiko tragen. Das historisch niedrige Zinsniveau stelle eine Belastung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns und damit auch der Beklagten dar. Aus der weiterhin angespannten Situation an den Kapitalmärkten resultierten Risikopotentiale für die Geschäftsentwicklung, insbesondere vor dem Hintergrund der Schuldenprobleme einzelner Länder.

63

Die Beschlussfassungen im Jahr 2015 seien rechtzeitig erfolgt. § 6 Abs. 4 VO85 sehe keinen Zeitpunkt vor, bis zu welchem die Beschlussfassungen zustande kommen müssen. Die Formulierung lasse auch eine rückwirkende Erhöhung zum 1. Juli des Jahres zu. Dies ergebe sich aus der Formulierung, dass der Beschluss die automatische Anpassung „ersetze“. Auch bei einer Erhöhung nach § 6 Abs. 1 VO85 seien umfangreiche vorbereitende Maßnahmen zu erledigen, so dass die Anpassung in der Regel erst im September rückwirkend zum 1. Juli erfolge.

64

Die Unwirksamkeit von § 6 Abs. 3 VO85 ergebe sich nicht aus § 307 Abs. 1 BGB, da Tarifverträge nicht der AGB-Kontrolle unterliegen würden. Eine Unwirksamkeit ergebe sich auch nicht aus der Anwendung des Rechtsgedankens des § 308 Nr. 4 BGB, weil es sich bei § 6 Abs. 3 nicht um einen Widerrufsvorbehalt, sondern um ein Leistungsbestimmungsrecht handele.

65

Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden. Es könne mangels bisheriger Anwendung des Ausnahmetatbestandes nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte auf diese Rechte verzichten wollte.

66

Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass dem Kläger selbst im Fall eines Obsiegens keine Zinsen auf die Anpassungsbeträge zustehen. Die Klägerin könne Zinsen auf die Anpassungsbeträge erst ab dem Folgetag des Tages beanspruchen, an dem das Urteil rechtskräftig werde, denn Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, würden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig.

67

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

I.

68

Die Klage ist zulässig.

69

a) Das Arbeitsgericht Hamburg ist örtlich zuständig, weil die Klägerin zuletzt in Hamburg beschäftigt war, § 48 Abs. 1 a ArbGG. Der so bestimmte einheitliche Erfüllungsort gilt auch für Ruhegeldzahlungen (vgl. Schwab/Weth, ArbGG, § 48 Rdnr. 130).

70

b) Auch der auf künftige Zahlung gerichtete Klagantrag zu 1) ist gemäß § 258 ZPO zulässig. Es handelt sich bei Betriebsrentenansprüchen um wiederkehrende Leistungen, die von keiner Gegenleistung abhängen. Diese können grundsätzlich auch für künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (vgl. BAG, 19.7.2016, 3 AZR 141/15, juris)

II.

71

Die Klage ist unbegründet.

72

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Erhöhung der Versorgungsbezüge. Der Anspruch gem. § 6 Abs. 1 VO85 wurde wirksam durch eine anderslautende Anpassungsentscheidung des Vorstandes und des Aufsichtsrats auf der Grundlage von § 6 Abs. 4 VO85 ersetzt.

73

Die Regelung des § 6 Abs. 4 des VO85 ist wirksam (1.). Der Beschluss, durch den die Anpassungsregel des § 6 Abs. 1 VO85 im Jahr 2015 geändert wurde, ist nicht verspätet ergangen (2.). Die Beschlüsse halten sich im Rahmen des § 6 Abs. 4 (3.). Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus dem Institut der betrieblichen Übung (4.).

74

1. Die Regelung des § 6 Abs. 4 der VO85 ist wirksam.

75

Sie verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen das auch für Tarifverträge geltende Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit.

76

Das letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verlangt grundsätzlich, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (vgl. zum „Gebot der Bestimmtheit und Klarheit“ – allerdings bei gesetzlichen Grundrechtsbeschränkungen – BVerfGE 120, 378). Dies gilt grundsätzlich auch für tarifvertragliche Regelungen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der technischen Umsetzung der von ihnen verfolgten Zwecke regelmäßig einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher ist ihnen insbesondere auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht verwehrt. Gerichte dürfen diese nicht etwa wegen mangelnder Justiziabilität unangewendet lassen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, erforderlichenfalls unbestimmte Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen dürfen Gerichte tarifliche Regelungen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten (BAG vom 21. September 2011, 7 ABR 54/10, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 9, Rn. 36).Nach ständiger Rechtsprechung des BAG folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (statt vieler: BAG vom 22. April 2010, 6 AZR 962/08, Rn. 17 m.w.N., zit. nach juris).

77

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Regelung des § 6 Abs. 4 VO 85 hinreichend bestimmt. Sie ist dahingehend auszulegen, dass die Beklagte bei Vorliegen eines sachlichen (gemeint im Sinne eines nicht willkürlichen oder sonst billigem Ermessen widersprechenden) Grundes die Anpassungsautomatik des § 6 Abs. 1 VO 85 durch gemeinsamen Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat nach vorheriger Anhörung der betriebsverfassungsrechtlichen Gremien nach billigem Ermessen abändern kann. Dem Kläger ist zuzugeben, dass durch die doppelte Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen („für nicht vertretbar halten“ auf Tatbestandsseite – „was nach seiner Auffassung geschehen soll“ auf Rechtsfolgenseite) für die Betroffenen nicht vorhersehbar ist, bei welchen konkreten Voraussetzungen eine Abweichung von der Regelanpassung nach Abs. 1 erfolgen kann. Dies führt jedoch nicht zur Unbestimmtheit der Regelung. Vielmehr ist eben grundsätzlich jeder Grund, nicht zwingend ein wirtschaftlicher Grund, aufgrund dessen der Vorstand und der Aufsichtsrat gemeinsam eine Anpassung im Ausmaß der gesetzlichen Rentenanpassung nicht für vertretbar halten, grundsätzlich geeignet, eine abweichende Anpassungsentscheidung zu rechtfertigen. Hier ist zu berücksichtigen, dass § 6 VO 85 eine zulässige (§ 17 Abs. 3 BetrAVG) tarifvertragliche Abweichung der gesetzlichen Anpassungsprüfpflicht für laufende Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung gem. § 16 BetrAVG enthält. Den Tarifvertragsparteien steht für eine von § 16 BetrAVG abweichende Regelung ein denkbar weiter Spielraum zur Verfügung. Insbesondere können sie auch vorsehen, dass eine Anpassung gar nicht stattfindet (ErfK/Steinmeyer, § 17 BetrAVG, Rn. 21; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 17 Rn. 168; Höfer/Reinhard/Reich, Betriebsrentenrecht, Bd. I – Arbeitsrecht, § 17 BetrAVG, Rn. 148). Daher ist aus Sicht des Gerichts auch nicht zur Bestimmtheit der Norm notwendig, dass in ihr selbst angelegt ist, aus welchen konkreten Gründen ggfs. eine Anpassung unterlassen oder abgeändert werden kann. Dass die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung durch die Arbeitgeberin nicht willkürlich bzw. ohne sachlichen Grund erfolgen darf und sich das Ergebnis im Rahmen billigen Ermessens halten muss, ist durch die Formulierung „vertretbar“ im Wortlaut angelegt und gerichtlich überprüfbar.

78

Die Klägerin kann diesem Auslegungsergebnis auch nicht entgegenhalten, dass die vertragsschließenden Parteien übereinstimmend davon ausgingen, dass eine von der gesetzlichen Rentenerhöhung abweichende Anpassung nur dann möglich sein sollte, wenn die wirtschaftliche Lage die Anpassung nicht zulässt und der Fortbestand des Unternehmens gefährdet wäre. Selbst wenn dies gemeinsames Verständnis der Tarifvertragsparteien gewesen sein sollte, hat es im Wortlaut der Vorschrift keinerlei Andeutung oder Niederschlag gefunden. Das wäre aber notwendig, um die Regelung in diesem Sinne auslegen zu können.

79

2. Der gemeinsame Beschluss von Aufsichtsrat und Vorstand im Jahr 2015 ist nicht verspätet ergangen.

80

(a) Die Klägerin hat bestritten, dass der Beschlüsse des Aufsichtsrats und des Vorstands formal ordnungsgemäß ergangen sind. Dieses bestreiten ist unerheblich. Dass die entsprechenden Beschlüsse ergangen sind, bestreitet die Klägerin nicht. Zu beachten ist, dass Verstöße gegen disponible Verfahrensregeln (z. B. Verletzung der Einberufungsfrist und -form oder anderer Ladungsmängel; Fehler des Vorsitzenden bei der Sitzungsleitung) lediglich zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse führen und heilbar sind. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Beschlüsse angefochten wurden. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Beschlüsse nichtig sind, weil mit ihnen gegen zwingende Verfahrens-, Gesetzes oder Satzungsvorschriften verstoßen wurde.

81

Soweit die Klägerin vorträgt, die Beschlüsse seien inhaltlich mangelhaft, weil die erfolgte Erhöhung der Pensionsergänzung nicht Gegenstand der Beschlüsse war, sondern eine Erhöhung der Gesamtversorgung, so ist dieses Bestreiten unerheblich. Wenn die Beschlüsse, wie die Klägerin meint, die Erhöhung der Gesamtversorgung um 0,5% zum Gegenstand hatten, dann hätte dies für ihn aufgrund der Anrechnung der um 2,0972 % gestiegenen Sozialversicherungsrente eine Kürzung der Pensionsergänzungszahlung zum Gegenstand gehabt. Er hat damit durch die konkrete, nicht vollständig den Beschlüssen entsprechende, Umsetzung mehr erhalten als beschlossen, nicht weniger.

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(b) § 6 Abs. 4 enthält keine Regelung über den Zeitpunkt, zu dem der abändernde Beschluss ergehen muss, sondern lediglich die Bestimmung, dass der ändernde Beschluss die Anpassung gemäß Absatz 1 ersetzt. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann aus dem in Absatz 2 genannten Zeitpunkt (Anpassungszeitpunkt der gesetzlichen Renten) nicht geschlossen werden, dass der Abänderungsbeschluss vor diesem Zeitpunkt ergehen muss. Für eine solche Auslegung gibt es keine Anhaltspunkte. Die Vorschrift regelt lediglich, dass es einen Beschluss geben muss, nicht wann dieser zu ergehen hat. Das Fehlen einer Regelung zum Beschlusszeitpunkt kann nicht durch Auslegung in ihr Gegenteil verkehrt werden. Der Anpassungsentscheidung ist zeitlich eine natürliche Grenze gesetzt, da die Versorgungsempfänger eine Anpassung erwarten und im Zweifel diesen Anspruch auch – bei Fehlen einer die Anpassung ändernden Entscheidung erfolgreich - gerichtlich durchsetzen können.

83

Unerheblich ist auch der Einwand, die Meinungsfindung hätte vor Anhörung der Betriebsräte nicht abgeschlossen sein dürfen, was nicht der Fall gewesen sei. Denn die Frage der abschließenden Meinungsfindung ist eine innere Tatsache, die einem Beweis nicht zugänglich ist. Anhörungsrechte dienen dazu, dass vor der endgültigen Beschlussfassung alle Argumente gehört und abgewogen werden können. Es kommt hier daher ausschließlich auf die zeitliche Abfolge an. Im vorliegenden Fall ist der Vorstands-/Aufsichtsratsbeschluss erst nach Anhörung der Betriebsräte ergangen. Da diese mehr Zeit für die Prüfung des Vorhabens beanspruchten, ist die Beschlussfassung noch einmal verschoben worden, um die zeitliche Reihenfolge zu gewährleisten.

84

3. Die Aufsichtsratsbeschlüsse halten sich im Rahmen des § 6 Abs. 4 VO85, denn sie bewegen sich im Rahmen billigen Ermessens.

85

a. Der Beschluss der Gremien der Beklagten gemäß § 6 Abs. 4 VO85 muss billigem Ermessen gemäß § 315 BGB entsprechen. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen sowie deren Änderung verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit (BAG, Urteil vom 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 –, Rn. 40, juris). In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat (BAG, Urteil vom 08. Dezember 2015 – 3 AZR 141/14 –, Rn. 29, juris). Hierbei spielt auch eine Rolle, ob eine eingetretene Änderung vorhersehbar war oder nicht. Im ersteren Fall spricht einiges dafür, dass die entsprechende Vertragspartei bewusst ein Risiko übernommen hat, eine Abwälzung dieses Risikos auf die andere Vertragspartei entspräche nicht billigem Ermessen. Die Schaffung größerer Verteilungsgerechtigkeit ist nach der Rechtsprechung des BAG ein einleuchtender Grund für eine Änderung der Versorgungsregelungen (BAG, Urteil vom 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 –, BAGE 84, 38-61, Rn. 73)

86

Das Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage ist gerade nicht erforderlich, wie die Klägerin meint. § 6 spricht von der Anpassung der Renten. Hätten die Tarifparteien die Änderung der Anpassungsentscheidungen lediglich bei einer schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens erlauben wollen, ist nicht ersichtlich, warum sie dies nicht so geregelt haben. Aus der Überschrift ergibt sich ersichtlich, dass allgemein die Anpassung der Zahlungen geregelt wird.

87

b. Die die jährliche Erhöhung gemäß § 6 Abs. 1 VO85 ändernde Beschluss des Vorstands / Aufsichtsrats enthält nachvollziehbare Gründe, warum der Vorstand die Anpassungen jeweils nicht für vertretbar hält.

88

Vorstand und Aufsichtsrat führen vor allen Dingen die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in der Versicherungsbranche als sachlichen Grund für den Beschluss an. Hierzu gehört die jetzt bereits länger anhaltende, historische und nicht vorhersehbare Niedrigzinsphase, die Verpflichtung zur Bildung von Zinszusatzreserven, die erweiterten Kapitalisierungsanforderungen durch Solvency II und der Umsetzung des LVRG. Durch den hohen Anteil an Lebensversicherungen mit konventionellen Garantien sieht sich die Beklagte deutlich erhöhen finanziellen Anforderungen ausgesetzt. Diese Umstände haben die Beklagte zu Umstrukturierungen veranlasst, in deren Zuge erhebliche Personalkosten eingespart werden sollen. Es wurde ein Einstellungs- und Entfristungsstopp beschlossen. Weiterhin hat die Beklagte angeführt, dass die Rentensteigerungen erheblich über dem Inflationsausgleich liegen und daher eine ungerechtfertigte Begünstigung der sich im Ruhestand befindlichen ehemaligen Mitarbeiter gegenüber den jetzigen Mitarbeitern stattfinden würde.

89

Die durchgeführte Umstrukturierung mit ihren Auswirkungen auf die aktiv Beschäftigten ist ein Umstand, der die in § 6 Abs. 1 VO85 vorgesehene Anpassungsentscheidung unvertretbar erscheinen lassen kann. Wie unter a. ausgeführt ist nicht erforderlich, dass sich die von der Beklagten aufgeführten Veränderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereits negativ auf die wirtschaftliche Lage ausgewirkt haben.

90

Aufgrund des Vorgesagten kann auch das Argument der Klägerin, die vertragsschließenden Parteien seien bei Abschluss der VO85 davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Notlage Voraussetzung für einen Änderungsbeschluss gemäß § 6 Abs. 4 sei, zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die Entstehungsgeschichte der Betriebsvereinbarung kann nur dann zur Auslegung herangezogen werden, wenn die Wortlautauslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Dies ist hier aber der Fall.

91

Daher ist es auch nicht notwendig, dass die Beklagte Zahlenmaterial über ihre wirtschaftliche Lage vorlegt, aus dem sich ergibt, dass allein die Entscheidung, die Gesamtversorgungsbezüge um 0,5% zu erhöhen, der Billigkeit entspricht (so aber Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 5. Oktober 2016, Az. 24 Ca 38/16;Urteil vom 15. September 2016, 7 Ca 210/16). Aus den zitierten Urteilen geht schon nicht hervor, welches Zahlenmaterial denn für eine Anpassungsentscheidung ausreichen solle und welches nicht.

92

Ein erfolgreicher Jahresabschluss steht daher ebenfalls einer die jährliche Rentenanpassung modifizierenden Entscheidung nicht entgegen. Ausreichend ist, wenn die Beklagte wegen der notwendigen Umstrukturierungen aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen am Markt begründet, es sei nicht vertretbar, Einschnitte bei den aktiven Beschäftigten – auch bezüglich der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und der damit einhergehenden Verdichtung der Arbeit - vorzunehmen und die Rentner, die über ein gutes Versorgungsniveau verfügen, hiervon auszunehmen, also Gerechtigkeitsaspekte für die Annahme einer fehlenden Vertretbarkeit anführt. Auch die – moderate - Anpassung der unterschiedlichen Versorgungsordnungen im Konzern aneinander ist ein Aspekt, der die Unvertretbarkeit der in § 6 Abs. 1 VO85 festgelegten Anpassungsentscheidung rechtfertigen kann.

93

Für das Vorliegen sachlicher, Willkür ausschließender Gründe ist es unerheblich, dass die Beklagte nicht schon vorher auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert hat, sondern zunächst weiterhin die Anpassungen der Renten gemäß § 6 Abs. 1 VO85 vorgenommen hat. Die fehlende Inanspruchnahme des Rechts zur Veränderung der Anpassungen der Betriebsrenten lässt nicht die Möglichkeit entfallen, zukünftig sachliche Gründe für diese veränderte Rentenanpassung vorzubringen.

94

Auf Seiten der Klägerin steht das Interesse an der in § 6 Ziffer 1 VO85 angeführten Erhöhung seiner Altersbezüge. Auch ist zu berücksichtigen, dass Arbeitgeber mit einer Gesamtversorgungszusage immer ein erhöhtes Risiko übernehmen, beispielsweise was die Änderung der Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung angeht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall kein Eingriff in die erdiente und zugesagte Gesamtversorgung vorliegt. Auf eine bestimmte Höhe der Erhöhung dieser Gesamtversorgung durfte die Klägerin – wie bereits ausgeführt - zu keinem Zeitpunkt hoffen, da auch die jährliche Anpassung der Renten nicht weit im Voraus voraussehbar ist. Zudem konnte er erkennen, dass die Versorgungszusage hinsichtlich der jährlichen Erhöhungen verschlechternden Änderungen durch einen entsprechenden Aufsichtsrat-/Vorstandsbe-schluss gemäß § 6 Abs. 4 VO85 ausgesetzt sein kann, bei denen er nicht beteiligt werden muss und vor deren Wirkung er nicht durch individualvertragliche Bestandsregeln geschützt ist.

95

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Erhöhung der gesetzlichen Renten und der Versorgungsbezüge insgesamt zu einer merklichen Erhöhung der Versorgungsbezüge führt, die lediglich niedriger ausfällt, als wenn auch die Versorgungsbezüge um den Prozentsatz der Erhöhung der gesetzlichen Renten erhöht worden wären.

96

Insgesamt hält sich der Beschluss daher in den Grenzen des § 6 Abs. 3 VO85.

97

4. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus dem Institut der betrieblichen Übung.

98

a) Betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung oder sonstige Vergünstigung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung oder Vergünstigung auch künftig gewährt. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Vergünstigungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann nur entstehen, wenn keine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung besteht. Eine betriebliche Übung entsteht demnach nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war. Die Darlegungslast dafür, dass der Arbeitgeber aus Sicht des Empfängers Leistungen oder Vergünstigungen gewähren wollte, zu denen er nicht aus einem anderem Rechtsgrund verpflichtet war oder sich verpflichtet glaubte, trägt die Klägerin als Anspruchssteller (BAG, 15.04.2014 - 3 AZR 51112, Rn. 67 ff. m. w. Nachw.).

99

b) Im vorliegenden Fall ergab sich der Anspruch auf Erhöhung der Versorgungsbezüge aus einem Tarifvertrag, also einer kollektivrechtlichen Anspruchsgrundlage. Diese sieht jedoch vor, dass die zukünftige Erhöhung der Zahlungen unter bestimmten Umständen unterbleiben kann. Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte von der Möglichkeit der Änderung der Anpassungsentscheidung in der Vergangenheit keinen Gebrauch gemacht hat, ergibt sich kein Verzicht auf diese Möglichkeit. Zusätzliche Umstände, aus denen die Betriebsrentner darauf schließen durften, dass die Beklagte in der Zukunft – wie in der Vergangenheit – auf die Möglichkeit der Änderung der Anpassung der Betriebsrenten verzichten wird, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die Ansprüche der Klägerin ergaben sich in der Vergangenheit daher aus einer rechtlichen Grundlage (Tarifvertrag), so dass eine betriebliche Übung nicht entstehen konnte.

III.

100

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Danach hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie mit ihren Anträgen unterlag.

101

Der gemäß § 61 ArbGG festgesetzte Wert des Streitgegenstandes beträgt nach den im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 4 ZPO, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) gestellten Anträgen 2.706,12 € (36x 75,17 €).

102

Die Berufung ist für die Klägerin gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG gesondert zuzulassen, soweit sie nicht ohnehin gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) gegeben ist, da das Verfahren die Auslegung eines Tarifvertrages betrifft, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt (§ 64 Abs. 3 Nr. 2b) ArbGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 29. März 2017 - 8 Ca 192/16

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Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 29. März 2017 - 8 Ca 192/16 zitiert 22 §§.

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(1) Das Urteil enthält:1.die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;2.die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;3.den Tag, an dem die mündliche Ve

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 258 Klage auf wiederkehrende Leistungen


Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

Betriebsrentengesetz - BetrAVG | § 17 Persönlicher Geltungsbereich


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Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 3 Abweichende Regelungen


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(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam

1.
(Annahme- und Leistungsfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Absatz 1 und 2 zu leisten;
1a.
(Zahlungsfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder, wenn dem Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugeht, von mehr als 30 Tagen nach Zugang dieser Rechnung oder Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist;
1b.
(Überprüfungs- und Abnahmefrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach unangemessen langer Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist;
2.
(Nachfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;
3.
(Rücktrittsvorbehalt)die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse;
4.
(Änderungsvorbehalt)die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist;
5.
(Fingierte Erklärungen)eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass
a)
dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und
b)
der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
6.
(Fiktion des Zugangs)eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt;
7.
(Abwicklung von Verträgen)eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
a)
eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
b)
einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
8.
(Nichtverfügbarkeit der Leistung)die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet,
a)
den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und
b)
Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten;
9.
(Abtretungsausschluss)eine Bestimmung, durch die die Abtretbarkeit ausgeschlossen wird
a)
für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender oder
b)
für ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat, wenn
aa)
beim Verwender ein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsausschluss nicht besteht oder
bb)
berechtigte Belange des Vertragspartners an der Abtretbarkeit des Rechts das schützenswerte Interesse des Verwenders an dem Abtretungsausschluss überwiegen;
Buchstabe a gilt nicht für Ansprüche aus Zahlungsdiensterahmenverträgen und die Buchstaben a und b gelten nicht für Ansprüche auf Versorgungsleistungen im Sinne des Betriebsrentengesetzes.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam

1.
(Annahme- und Leistungsfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Absatz 1 und 2 zu leisten;
1a.
(Zahlungsfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder, wenn dem Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugeht, von mehr als 30 Tagen nach Zugang dieser Rechnung oder Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist;
1b.
(Überprüfungs- und Abnahmefrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach unangemessen langer Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist;
2.
(Nachfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;
3.
(Rücktrittsvorbehalt)die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse;
4.
(Änderungsvorbehalt)die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist;
5.
(Fingierte Erklärungen)eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass
a)
dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und
b)
der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
6.
(Fiktion des Zugangs)eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt;
7.
(Abwicklung von Verträgen)eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
a)
eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
b)
einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
8.
(Nichtverfügbarkeit der Leistung)die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet,
a)
den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und
b)
Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten;
9.
(Abtretungsausschluss)eine Bestimmung, durch die die Abtretbarkeit ausgeschlossen wird
a)
für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender oder
b)
für ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat, wenn
aa)
beim Verwender ein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsausschluss nicht besteht oder
bb)
berechtigte Belange des Vertragspartners an der Abtretbarkeit des Rechts das schützenswerte Interesse des Verwenders an dem Abtretungsausschluss überwiegen;
Buchstabe a gilt nicht für Ansprüche aus Zahlungsdiensterahmenverträgen und die Buchstaben a und b gelten nicht für Ansprüche auf Versorgungsleistungen im Sinne des Betriebsrentengesetzes.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Das Urteil enthält:

1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist;
4.
die Urteilsformel;
5.
den Tatbestand;
6.
die Entscheidungsgründe.

(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.

(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. Februar 2015 - 7 Sa 69/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob eine tarifliche Zulage bei der Berechnung der Zusatzrente des Klägers zu berücksichtigen ist.

2

Der im Mai 1950 geborene Kläger war vom 8. Dezember 1986 bis zum 31. Dezember 2013 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Mit Datum vom 8. Dezember 1986 war dem Kläger eine Versorgungszusage erteilt worden. Diese lautet auszugsweise:

        

„1.     

Beim Eintritt in den Ruhestand durch Erreichen der Altersgrenze (65. Lebensjahr) oder bei vorzeitiger Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erhalten Sie eine Zusatzrente.

                 

…       

        

2.    

Falls das Arbeitsverhältnis mit uns vor Vollendung des 65. Lebensjahres beendet wird, um in den Ruhestand zu treten, erhalten Sie auf Antrag eine vorgezogene Zusatzrente. …

        

3.    

Die Höhe der Zusatzrente richtet sich nach den beim T ununterbrochen verbrachten Dienstjahren.

                 

Die Zusatzrente beträgt bei 10 Dienstjahren 15 % der gesetzlichen Sozialrente. Sie steigert sich für jedes weitere Dienstjahr um 2 % bis zu höchstens 55 %.

                 

Betragen die gesetzliche Sozialrente und die Zusatzrente zusammen mehr als 65 % der versorgungsfähigen Vergütung (Grundvergütung, Ortszuschlag und tarifliche Stellenzulage), die Sie im Falle fortbestehender Tätigkeit im jeweiligen Zeitpunkt erhalten haben würden, so wird die Zusatzrente um den übersteigenden Betrag gekürzt.

                 

Ein erhöhter Ortszuschlag für Kinder, sonstige Zulagen und Sozialrentenanteile, die aus freiwilligen Beiträgen oder aus Beiträgen zu einer Höherversicherung entstanden sind, werden bei der Bemessung der Zusatzrente und der Gesamtversorgung nicht berücksichtigt.

        

…       

        

8.    

Im November erfolgt die Zahlung eines Weihnachtsgeldes in Höhe der für den Monat Oktober gezahlten Zusatzrente bzw. Hinterbliebenenbezüge. Entsteht der Anspruch auf die Zusatzrente bzw. Hinterbliebenenbezüge im Laufe des Kalenderjahres, wird die Zahlung zeitanteilig vorgenommen.“

3

Mit Schreiben vom 18. November 1991 informierte der T e.V. - ein Rechtsvorgänger der Beklagten - den Kläger über die Anpassung seiner betrieblichen Altersversorgung an die bestehende Rechtslage unter Hinweis darauf, dass hierdurch die Versorgungszusage in ihren Grundbedingungen nicht geändert werde.

4

Der mit Wirkung zum 1. Juli 2009 in Kraft getretene und für den Kläger geltende „Tarifvertrag über die Veränderung der tariflichen Tabellenwerte im Tarifmodul ‚Neuordnung der Vergütungsentwicklung der Alttarifbeschäftigten in der TÜV NORD Gruppe‘“, bezeichnet als „Vergütungstarifvertrag ‚alt‘ - TÜV NORD Modul - vom 05.11.2009“ (im Folgenden VTV „alt“ 09) regelt ua.:

        

Artikel II

        

Veränderung der Tabellenwerte

        

über die Grundvergütung, den Ortszuschlag und die Stellenzulagen

        

sowie 

        

die Grundvergütung und personenbezogene Zulagen der Beschäftigten der R Gruppe (alt)

        

1.    

Die Tabellenwerte (Anlagen zum Tarifmodul T Gruppe)

                 

-       

für die Alttarifbeschäftigten der T Gruppe (ausgenommen die Beschäftigten der R Gruppe (alt)

                          

bestehend aus

                          

der Grundvergütung, dem Ortszuschlag und der Stellenzulage

                 

sowie 

                 

-       

für die Alttarifbeschäftigten der R Gruppe (alt)

                          

bestehend aus

                          

der Grundvergütung und den personenbezogenen Zulagen

                 

werden mit Wirkung ab 01.01.2010 um 1 % erhöht.

                 

Die so erhöhten Grundvergütungstabellenwerte werden zusätzlich um einen Sockelbetrag von monatlich Euro 20,00 weiter erhöht.

        

2.    

Zusätzlich erfolgt die Zahlung einer nicht ruhegehaltsfähigen Zulage (Zulage 09), die wie folgt ermittelt wird:

                 

Summe aus 0,5 % der jeweils aktuellen Tabellenwerte

                 

(Grundvergütung, Ortszuschlag und Stellenzulage bei den Mitarbeitern ‚ehemals Alt-Bund‘ bzw. Grundvergütung und personenbezogene Zulagen bei den Mitarbeitern ‚ehemals R Gruppe (alt)‘)

                 

Der sich jeweils so ergebende Wert wird um einen Sockelbetrag von EUR 10,00 erhöht.“

5

Anlage 3 dieses Tarifvertrags enthält eine Tabelle, die die Höhe der Stellenzulage für die erfassten Arbeitnehmer ausweist. Sie gibt nach Vergütungsgruppen geordnet an, welche Mitarbeiter in welcher Höhe eine allgemeine Zulage bzw. eine Technikerzulage erhalten.

6

Seit dem 1. Januar 2014 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente und von der Beklagten eine vorgezogene Zusatzrente. Die Beklagte berücksichtigte bei der Berechnung der Zusatzrente die Zulage 09 nicht.

7

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Klage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, bei der Ermittlung der Gesamtversorgungsobergrenze nach Nr. 3 Abs. 4 der Versorgungszusage müsse auch die Zulage 09 berücksichtigt werden. Da diese sich aus der Summe von jeweils 0,5 vH der Grundvergütung, des Ortszuschlags und der tariflichen Stellenzulage zusammensetze, handele es sich um eine Erhöhung der versorgungsfähigen Vergütung. Zwar sei die Zulage 09 nach dem VTV „alt“ 09 nicht ruhegehaltsfähig. Aufgrund des Günstigkeitsprinzips könne die einzelvertragliche Versorgungszusage jedoch nicht durch einen Tarifvertrag verschlechtert werden. Sie sei nicht tarifvertragsoffen. Die in Nr. 3 Abs. 4 der Versorgungszusage angelegte Steigerung der Zusatzrente bei Vergütungserhöhungen könne nicht dadurch umgangen werden, dass nach der Versorgungszusage versorgungsfähige Vergütungsbestandteile im VTV „alt“ 09 anders bezeichnet würden. Die Versorgungszusage sehe vor, dass bei einem Anstieg der Vergütung die gesetzliche Rente steige und sich somit die Obergrenze und die Zusatzrente erhöhten. Dieser Gleichschritt sei Bestandteil der Zusage. Die Einführung nicht versorgungsfähiger Zulagen anstelle von Tariflohnerhöhungen könne zu einer Auszehrung der zugesagten Versorgung führen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige betriebliche Altersrente in Höhe von 1.151,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 78,47 Euro für jeden Monat, beginnend mit dem 1. Februar 2014 und endend mit dem 1. Juli 2014 und aus je 97,28 Euro beginnend mit dem 1. August 2014 und endend mit dem 1. Februar 2015, zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständiges betriebliches Weihnachtsgeld in Höhe von 97,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2014 zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem Monat Februar 2015 über den Betrag von monatlich 533,14 Euro brutto hinaus jeweils weitere 97,28 Euro brutto betriebliche Altersrente pro Monat, fällig jeweils zum Monatsende, zu zahlen;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn jährlich ab dem Monat November 2015 über den Betrag von monatlich 533,14 Euro brutto hinaus jeweils weitere 97,28 Euro brutto betriebliches Weihnachtsgeld, fällig jeweils zum Ende des Monats November eines jeden Jahres, zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Berücksichtigung der Zulage 09 nach dem VTV „alt“ 09 bei der Berechnung seiner Zusatzrente und seines Weihnachtsgeldes.

12

I. Die auf die Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtete Klage ist zulässig. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können nach § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen(vgl. etwa BAG 4. August 2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 19 mwN, BAGE 152, 164). Dies gilt vorliegend auch für das nach Nr. 8 der Versorgungszusage des Klägers im November zu zahlende Weihnachtsgeld.

13

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Zulage 09 nach dem VTV „alt“ 09 in die Berechnung seiner Zusatzrente und seines Weihnachtsgeldes einfließt.

14

1. Die Versorgungszusage schränkt die versorgungsfähige Vergütung auf die drei Entgeltkomponenten „Grundvergütung“, „Ortszuschlag“ und „tarifliche Stellenzulage“ ein. Die Zulage 09 ist nicht bei der versorgungsfähigen Vergütung zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung.

15

a) Die Versorgungszusage enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dafür begründet bereits das äußere drucktechnische Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. zur Vermutungswirkung BAG 27. Januar 2016 - 5 AZR 278/14 - Rn. 16 mwN). Etwas Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Vorbringen der Parteien.

16

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist zwar in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser jedoch nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragszweck aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. etwa BAG 13. Januar 2015 - 3 AZR 897/12 - Rn. 24 mwN, BAGE 150, 262).

17

c) Danach ist die Zulage 09 bei der Berechnung der versorgungsfähigen Vergütung nicht zu berücksichtigen. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Zusammenspiel von Nr. 3 Abs. 3 und Abs. 4 der Versorgungszusage.

18

aa) Die Aufzählung der drei Entgeltkomponenten in dem an die Wendung „versorgungsfähige Vergütung“ anschließenden Klammerzusatz in Nr. 3 Abs. 3 bestimmt, welche Bestandteile der tariflichen Vergütung versorgungsfähig sind.

19

Die Begriffe „Grundvergütung“, „Ortszuschlag“ und „tarifliche Stellenzulage“ in Nr. 3 Abs. 3 der Versorgungszusage beziehen sich auf die - auch für den Kläger geltenden - tariflichen Entgeltbestimmungen der Beklagten. Die Auflistung ist keiner Ergänzung - etwa durch die Zusätze „zB“, „usw.“ oder „insbesondere“ - zugänglich gemacht und daher abschließend. Damit sind nur diese ausdrücklich aufgeführten Vergütungsbestandteile als versorgungsfähig zu berücksichtigen. Hierzu gehört die Zulage 09 nicht.

20

bb) Nr. 3 Abs. 4 der Versorgungszusage bestätigt dieses Ergebnis. Die Regelung bezeichnet diejenigen Entgeltbestandteile, die nicht in die Bemessung der Zusatzrente und der Gesamtversorgung einfließen. Ausdrücklich ausgenommen sind ua. „sonstige Zulagen“ und damit auch die Zulage 09. Da der Begriff „Zulage“ im allgemeinen Sprachgebrauch die „Gewährung von etwas Zusätzlichem“, „Zugabe“, „erhöhte Zahlung“ bedeutet (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.), muss entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht eine solche nicht zwingend mit einer konkreten Zwecksetzung verbunden sein. Diesem Begriffsverständnis entspricht auch die bei der Beklagten geltende Tarifstruktur, wie sie der Anlage 3 zum VTV „alt“ 09 zugrunde liegt. Danach ist die an Mitarbeiter aller Beschäftigtengruppen zu leistende allgemeine Zulage als eine Form der Stellenzulage ebenfalls an keine besonderen Voraussetzungen hinsichtlich der Art der Tätigkeit, einer besonderen Belastung oder einer bestimmten sozialen Situation geknüpft.

21

cc) Aus Art. II Nr. 2 VTV „alt“ 09 ergibt sich für die Auslegung nichts Gegenteiliges. Anders als vom Kläger angenommen haben die Tarifvertragsparteien mit der dortigen Formulierung („… die wie folgt ermittelt wird: …“) lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Tabellenwerte der Vergütungskomponenten „Grundvergütung“, „Ortszuschlag“ und „Stellenzulage“ als bloße Berechnungsgrundlagen für die Höhe der Zulage 09 dienen sollen. Dies wird darüber hinaus durch die Erhöhung der nach den Tabellenwerten ermittelten Summe um einen Sockelbetrag von 10,00 Euro deutlich.

22

d) Entgegen der Auffassung des Klägers führt das vorliegende Auslegungsergebnis nicht zu einer Durchbrechung der „Systematik“ der Versorgungszusage, weil bei einer Nichtberücksichtigung von sozialversicherungspflichtigen Entgeltbestandteilen als versorgungsfähige Vergütung zwar die gesetzliche Rente, nicht aber die Gesamtversorgungsobergrenze steigt. Der Kläger verkennt, dass bereits nach dem Inhalt der Versorgungszusage - wie Nr. 3 Abs. 4 zeigt - nicht sämtliche sozialversicherungspflichtigen Vergütungsbestandteile bei der Berechnung der Obergrenze zu berücksichtigen sind.

23

2. Eine ergänzende Auslegung der Versorgungzusage oder die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist nicht veranlasst. Es bedarf keiner Entscheidung, unter welchen Umständen die tarifliche Gestaltung von Entgelterhöhungen eine ergänzende Auslegung der Versorgungszusage gebieten könnte. Der Kläger dringt nicht mit seinen Bedenken durch, die Einführung und Erhöhung weiterer nichtversorgungsfähiger Entgeltbestandteile durch die Tarifvertragsparteien könnten zu einer Auszehrung der Betriebsrenten führen, weil hierdurch die Zusatzrente dauerhaft statisch bliebe oder bereits durch die Sozialversicherungsrente die Obergrenze erreicht werde. Denn die Tarifvertragsparteien haben im VTV „alt“ 09 nicht nur die Zulage 09 eingeführt, sondern auch die versorgungsfähigen Entgeltbestandteile erhöht. Damit hat sich das Risiko, dass die Zusatzrente dauerhaft statisch wird oder die Versorgungszusage leerläuft, nicht verwirklicht.

24

3. Das Auslegungsergebnis entspricht auch den rechtlichen Vorgaben.

25

a) Die Auslegung führt nicht dazu, dass die Regelung unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 BGB ist. In Nr. 3 Abs. 3 der Versorgungszusage sagt die Beklagte ein bestimmtes Versorgungsniveau zu. Sie knüpft dabei nur an ausgewählte Entgeltbestandteile an. Dies ist zulässig. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, alle Entgeltkomponenten in die Berechnung der Versorgungsbezüge einzubeziehen.

26

b) Anders als vom Kläger angenommen ändert der VTV „alt“ 09 die Versorgungszusage auch nicht verschlechternd ab, da er die Regeln zur Bemessung der Zusatzrente nicht modifiziert. Maßgeblich für die Berechnung der Obergrenze bleiben die in der Versorgungszusage aufgeführten Vergütungsbestandteile. Deshalb ist die Bezeichnung der Zulage 09 im Tarifvertrag als nicht ruhegehaltsfähig unerheblich und es kommt auch nicht darauf an, ob die Versorgungszusage tarifvertragsoffen ist.

27

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Ahrendt    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Schmalz    

        

    Xaver Aschenbrenner    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. August 2010 - 5 TaBV 9/10 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 11. März 2010 - 11 BV 28/09 - abgeändert.

Die Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 (Freiberg) wird für unwirksam erklärt.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer außerhalb der regelmäßigen Wahlperiode durchgeführten, erstmaligen Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009.

2

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit eine Vielzahl von Filialen und Verkaufsstellen zum Vertrieb von Drogeriewaren. Einzelne Filialen und Verkaufsstellen sind zu Bezirken zusammengefasst, die jeweils einem Bezirksleiter unterstehen. Die Arbeitgeberin änderte den Zuschnitt der Bezirke in der Vergangenheit wiederholt.

3

Am 7. März 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die damalige Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) eine „Gemeinsame Erklärung“, in der es ua. heißt:

        

„Die Firma Anton Schlecker und die Gewerkschaft HBV haben sich am 7.3.1995 geeinigt und werden in einem Tarifvertrag § 3 BetrVG festlegen, daß Betriebsräte in der Firma Anton Schlecker grundsätzlich auf der Ebene der Bezirksleitungen gewählt werden können.

        

Die HBV vertrat bisher die Auffassung, daß auf der Ebene der Verkaufsbüros eine Betriebsratswahl stattfinden könne, Schlecker wollte für die einzelnen betriebsratsfähigen Filialen und für den Hauptbetrieb Betriebsratswahlen zulassen.

        

Nach Unterzeichnung des Tarifvertrages treten alle bisher von der HBV initiierten Wahlvorstände zurück. Es werden dann Wahlen auf der vereinbarten Organisationsebene der Firma eingeleitet.“

4

Am 7. April 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die Gewerkschaft HBV den „Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz“(im Folgenden: Zuordnungs-TV). Dieser hat folgenden Inhalt:

        

㤠1

        

Tariflicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt

        

1.    

räumlich:

für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

        

2.    

sachlich:

für alle Verkaufsstellen oder Filialen der Fa. Anton Schlecker, Ehingen, ausgenommen Lager (Logistik-Service Center), Zentrale, Verkaufsbüros, SB-Warenhäuser, Baumärkte, Fleischwerke und Fleischverkaufsstellen

        

3.    

persönlich:

für alle im räumlichen und sachlichen Geltungsbereich bei der Fa. Anton Schlecker beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG

        

§ 2

        

Zusammenarbeit

        

Zur Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in Fragen Betriebsverfassung und wegen der besonderen Verhältnisse in den Verkaufsstellen oder Filialen, sind sich die Parteien einig, nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG eine von § 4 BetrVG abweichende Regelung über die Zuordnung von Betriebsteilen vorzunehmen. Die Errichtung von Betriebsräten wird dadurch erleichtert.

        

§ 3

        

Zuordnung von Betriebsteilen

        

Die im Geltungsbereich dieses Vertrages liegenden Verkaufsstellen oder Filialen, die als Betriebsteile anzusehen sind, werden abweichend von § 4 BetrVG untereinander zugeordnet in Regionen, die sich im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Karte ergeben.

        

Infolge dieser Zuordnung wählen die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstellen oder Filialen jeweils einen Betriebsrat.

        

§ 4

        

Neue Betriebsteile

        

Die Zuordnung gemäß § 3 gilt auch für Betriebsteile, die während der Laufzeit dieses Vertrages errichtet oder übernommen werden.

        

§ 5

        

Geltungsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt mit Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in Kraft. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31.12.1997 und danach zum Ende der gesetzlichen Amtszeit gemäß § 13 BetrVG gekündigt werden.“

5

Zuverlässige auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Zuordnungs-TV am 7. April 1995 bezogene Feststellungen über Existenz und Inhalt der in § 3 des Tarifvertrags angesprochenen Karte sind vom Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren wurden „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgereicht. Der Senat hat eine auf seine Aufforderung von der Arbeitgeberin vorgelegte und von dieser als authentisch bezeichnete Karte in der mündlichen Anhörung in Augenschein genommen. Die Karte hat einen Maßstab von 1:700 000. Sie erfasst das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. In ihr sind - erkennbar von Hand - mit schwarzem, ca. 1,0 bis 1,5 mm breitem Stift Gebietsgrenzen und Zahlen eingetragen. Die Karte enthält keinen ausdrücklichen Bezug auf den Zuordnungs-TV. Unterschriften oder Paraphen finden sich auf der Karte nicht. Die Karte weist - insbesondere an den Faltungen - erhebliche Gebrauchsspuren auf. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entsprachen die - in der Karte eingezeichneten - Grenzen der Betriebsratsregionen den Zuständigkeitsbereichen der damaligen Bezirksleitungen.

6

Die Karte weist ua. den Bezirk „17“ aus. In diesem befindet sich ua. der Ort Freiberg und - ganz oder teilweise - der Kreis Freiberg und der Mittlere Erzgebirgskreis. An den Bezirk grenzen - soweit erkennbar - die mit den Nummern 391, 35, 37 und 370 bezeichneten Bezirke an. Der Grenzverlauf des Bezirks 17 lässt sich jedenfalls anhand der Karte insbesondere im Westen nicht eindeutig erkennen. Auch wurden in diesem Bereich mit weißer Farbe Korrekturen vorgenommen.

7

Am 2. Dezember 2009 führte der vom Gesamtbetriebsrat eingesetzte Wahlvorstand im Bezirk 17 außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums erstmals eine Betriebsratswahl durch. Der Wahlvorstand beteiligte an der Wahl die Arbeitnehmer der in diesem Bezirk gelegenen Filialen. Aufgrund von Umstrukturierungen waren die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksleiter zu dieser Zeit gegenüber denjenigen von 1995 erheblich verändert. Der Bezirk 17 fiel im Dezember 2009 in die Zuständigkeit von fünf Bezirksleitungen. Das Wahlergebnis wurde am 7. Dezember 2009 bekannt gegeben.

8

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2009, beim Arbeitsgericht am 11. Dezember 2009 eingegangen, hat die Arbeitgeberin begehrt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Die Antragsschrift ist von dem Prokuristen S unterzeichnet.

9

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Bei der Wahl sei der Betriebsbegriff verkannt worden. Auf der Grundlage des Zuordnungs-TV sei eine Betriebsratswahl nicht mehr zulässig gewesen, da sich seit Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 1995 aufgrund von Expansionen und betrieblichen Umorganisationen die Identität der betrieblichen Organisationseinheiten geändert habe. Der Zuordnungs-TV sei nicht mehr wirksam.

10

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

        

die Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 (Freiberg) für unwirksam zu erklären.

11

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragsschrift nicht ordnungsgemäß unterschrieben sei. Außerdem könne die Betriebsratswahl im Bezirk 17 nicht isoliert angefochten werden. Jedenfalls sei die Wahlanfechtung unbegründet. Der Betriebsbegriff sei nicht verkannt worden. Der Wahlbezirk 17 gelte auf der Grundlage des Zuordnungs-TV weiterhin als Betrieb, in dem ein Betriebsrat zu wählen sei.

12

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Antrag weiter.

13

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die von der Arbeitgeberin frist- und formgerecht angefochtene Betriebsratswahl ist unwirksam. Durch die Einbeziehung sämtlicher Filialen, die in den geographischen Bereich des als Bezirk 17 bezeichneten Gebiets fallen, wurde der Betriebsbegriff verkannt. Allerdings war und ist der Zuordnungs-TV wirksam. Seine Wirkung wurde entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die vorgenommenen Umstrukturierungen und Veränderungen der Gebiete der Bezirksleiter nicht beendet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, die Einheiten, für die nach dem Zuordnungs-TV Betriebsräte zu wählen seien, seien trotz der Umstrukturierungen unverändert geblieben. Wie die gebotene Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, sind für die Errichtung von Betriebsräten nicht statisch bestimmte geographische Grenzen, sondern dynamisch die jeweiligen, aufgrund der Entscheidungen der Arbeitgeberin geschaffenen Regionen der Bezirksleitungen maßgeblich. Dies hat der Wahlvorstand bei der streitbefangenen Wahl nicht beachtet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist ein Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil vorangegangene Betriebsratswahlen in benachbarten Regionen unangefochten geblieben sind.

14

I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Arbeitgeberin ist anfechtungsberechtigt. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass vorangegangene Betriebsratswahlen in benachbarten Regionen nicht angefochten wurden.

15

1. Die förmlichen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind erfüllt. Die Arbeitgeberin ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Anfechtung der Wahl berechtigt. Die Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist eingehalten. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, wahrte die Antragsschrift die Schriftform des § 81 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 ArbGG. Der Namenszug des Prokuristen S unter der Antragsschrift erfüllt die an eine ordnungsgemäße Unterschrift zu stellenden Anforderungen.

16

a) Die ein Verfahren nach § 81 Abs. 1 Halbs. 2 ArbGG einleitende Antragsschrift bedarf nach dem auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 130 Nr. 6 ZPO der eigenhändigen Unterschrift der den Schriftsatz verantwortenden Person(vgl. BAG 21. Oktober 1969 - 1 ABR 8/69 - zu II 3 a der Gründe, AP BetrVG § 3 Nr.10). Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namenskürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt keine formgültige Unterschrift dar. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild. In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist (BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 13 mwN, BAGE 125, 345).

17

b) Der Namenszug des Prokuristen S in der Antragsschrift entspricht diesen Anforderungen. Der Schriftzug ist zwar nicht lesbar. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, lassen die mehrfachen richtungsändernden Schreibbewegungen aber insbesondere unter Berücksichtigung des relativ kurzen Namens hinreichend erkennen, dass eine volle Unterschrift und nicht lediglich eine Paraphe oder Abkürzung des Namens gewollt war. Der Betriebsrat hat gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren auch keine Einwendungen erhoben.

18

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin sei vorliegend deshalb ausgeschlossen, weil die Wahlen in anderen, insbesondere auch den benachbarten Regionen unangefochten geblieben seien.

19

a) Allerdings hat der Senat, worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist, mit Beschluss vom 31. Mai 2000 (- 7 ABR 78/98 - BAGE 95, 15) in Anknüpfung an einen Beschluss vom 7. Dezember 1988 (- 7 ABR 10/88 - BAGE 60, 276) entschieden, bei der Anfechtung einer Betriebsratswahl, die darauf gestützt werde, dass in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs mehrere Betriebsräte für jeweils unselbständige Betriebsteile gewählt worden seien, müsse die Wahl aller Betriebsräte angefochten werden; die gegen die Wahl eines einzelnen Betriebsrats gerichtete Anfechtung sei in einem solchen Fall unzulässig (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 der Gründe, aaO). Dies gelte auch, soweit in einem solchen Wahlanfechtungsverfahren weitere Verfahrensverstöße geltend gemacht würden, die unabhängig von einer Verkennung des Betriebsbegriffs die Unwirksamkeit der Wahl zur Folge hätten (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 b der Gründe, aaO). Der Senat hat das vor allem mit der Erwägung begründet, es könne in einem solchen Fall durch die Annullierung von nur einer Betriebsratswahl kein betriebsverfassungsgemäßer Zustand erreicht werden. Wenn in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs für einen unselbständigen Betriebsteil ein Betriebsrat gewählt worden sei, könne dieser betriebsverfassungswidrige Zustand nur durch gerichtliche Annullierung der Wahl sämtlicher Betriebsräte beseitigt werden, damit die Betriebsbelegschaft einen neuen, für den gesamten Betrieb einheitlich zuständigen Betriebsrat wählen könne (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 a der Gründe, aaO).

20

b) Der Streitfall verlangt keine Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten ist. Jedenfalls ist sie auf die vorliegende Fallgestaltung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht übertragbar. Zum einen kann bei Anwendung eines Tarifvertrags, der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 5 BetrVG bestimmte Betriebe eines Unternehmens zu betriebsverfassungsrechtlichen Einheiten zusammenfasst, die Zulässigkeit einer Wahlanfechtung wegen Verkennung des - tarifvertraglich gewillkürten - Betriebsbegriffs nicht davon abhängig gemacht werden, dass alle Wahlen in den gebildeten Organisationseinheiten angefochten werden. Zum andern gilt dies in besonderem Maße, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - insbesondere wegen § 13 Abs. 2 BetrVG - zeitlich versetzt stattfinden.

21

aa) Wäre die Zulässigkeit einer auf die Verkennung des Betriebsbegriffs gestützten Anfechtung der Betriebsratswahl in einer nach einem Zuordnungstarifvertrag gebildeten betriebsorganisatorischen Einheit davon abhängig, dass auch die Betriebsratswahlen in den angrenzenden Regionen angefochten werden, würde die in § 19 Abs. 1 BetrVG vorgesehene und gewährleistete Möglichkeit der Anfechtung von Betriebsratswahlen in unzumutbarer Weise eingeschränkt und erschwert. Zum einen führte die Obliegenheit, die Betriebsratswahlen auch in den angrenzenden Regionen anzufechten, zu einem das gesamte Tarifgebiet erfassenden „Domino-Effekt“, grenzen doch an die angrenzenden Regionen wiederum weitere Regionen an. Zum zweiten müsste bei einem solchen „Konzept“ entweder den nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ebenfalls anfechtungsberechtigten drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft die Obliegenheit und damit die Befugnis zuerkannt werden, auch die Wahlen in - sämtlichen - anderen Betrieben, denen sie nicht angehören oder in denen sie nicht vertreten sind, anzufechten, oder es müsste bei der Zulässigkeit von Wahlanfechtungen je nach Anfechtungsberechtigtem unterschieden werden. Beides erscheint systematisch unvertretbar. Zum dritten würde die Situation gänzlich perplex, wenn ein zur Anfechtung der Wahl Berechtigter einen anderen Anfechtungsgrund als die Verkennung des Betriebsbegriffs geltend machen würde und sich der Betriebsrat zur Verteidigung darauf beriefe, seine Wahl sei isoliert nicht anfechtbar, da auch der Betriebsbegriff verkannt worden sei.

22

bb) Dass die unterbliebene Anfechtung der Betriebsratswahlen in den angrenzenden Regionen der Zulässigkeit der Wahlanfechtung nicht entgegenstehen kann, zeigt sich besonders deutlich, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - wie hier - zeitlich versetzt stattfinden. Ein derartiges Zulässigkeitserfordernis könnte vielmehr dazu führen, dass sich ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand überhaupt nicht mehr herstellen ließe. Vielmehr könnte der Anfechtung einer nach § 13 Abs. 2 BetrVG „unregelmäßigen“ Wahl in einer betriebsorganisatorischen Einheit die unterbliebene Anfechtung der nach § 13 Abs. 1 BetrVG „regelmäßigen“ Wahlen in anderen Einheiten entgegengehalten werden. Gleiches könnte umgekehrt im Falle der Anfechtung der nächsten regelmäßigen Wahl geschehen.

23

cc) Die - isolierte - Anfechtung der hier streitbefangenen Wahl ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil sich so ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand nicht herstellen ließe. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass im Falle der Begründetheit der Wahlanfechtung eine die Verkennung des Betriebsbegriffs vermeidende, alle betroffenen Arbeitnehmer erfassende Neuwahl nicht möglich ist, sondern bis zu den nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen vorübergehend ein Zustand eintritt, in dem ein Teil der oder sogar alle betroffenen Arbeitnehmer keine Möglichkeit haben, von ihrem Recht zur Wahl eines Betriebsrats Gebrauch zu machen. Das bedeutet jedoch nicht notwendig, dass sie bis dahin vertretungslos würden. Vielmehr spricht angesichts des Umstands, dass sich die Zahl der Gebietsleiter in der streitbefangenen Region vergrößert und deren geographischer Zuständigkeitsbereich verkleinert hat, vieles dafür, dass im Falle der Begründetheit der vorliegenden Wahlanfechtung ein Teil der betroffenen Arbeitnehmer erneut einen Betriebsrat in der für sie zutreffend ermittelten betriebsverfassungsrechtlichen organisatorischen Einheit wählen kann, während ein anderer Teil von den bereits unangefochten gewählten Betriebsräten in den angrenzenden Regionen repräsentiert wird. Weitergehende Hinweise sind insoweit schon mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen weder geboten noch möglich.

24

II. Die Wahlanfechtung ist entgegen der Beurteilung des Landesarbeitsgerichts begründet. Die angefochtene Wahl ist zwar nicht nichtig. Sie ist aber anfechtbar, da der Betriebsbegriff verkannt wurde. Allerdings ist der Zuordnungs-TV entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin weiterhin wirksam. Der Wahlvorstand ist jedoch auf der Grundlage des Zuordnungs-TV nicht von der zutreffenden betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit ausgegangen.

25

1. Die angefochtene Betriebsratswahl ist nicht nichtig.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“. Dies ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt worden ist, grundsätzlich nicht der Fall. Sie hat in der Regel nur die Anfechtbarkeit der Wahl zur Folge (BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1).

27

b) Hiernach ist die Betriebsratswahl nicht nichtig. Zwar hat der Wahlvorstand den Begriff der nach dem Zuordnungs-TV maßgeblichen betriebsorganisatorischen Einheit verkannt (s. hierzu noch unten). Dieser Fehler ist jedoch nicht so schwerwiegend, als dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestünde. Vielmehr hat der Wahlvorstand lediglich in einer schwierigen Auslegungsfrage eine fehlerhafte Beurteilung vorgenommen.

28

2. Die Betriebsratswahl ist anfechtbar. Der Wahlvorstand hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die für die Wahl maßgebliche betriebsorganisatorische Einheit verkannt.

29

a) Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden. Ein solcher Verstoß liegt ua. vor, wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff verkannt wurde (vgl. BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1). Gleiches gilt, wenn eine Betriebsratswahl unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG durchgeführt wurde(vgl. hierzu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 11, BAGE 131, 277) oder der Wahlvorstand bei der Anwendung eines wirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG die danach maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt hat.

30

b) Hiernach ist die vorliegende Wahl anfechtbar. Zwar ist der Zuordnungs-TV wirksam geschlossen worden. Er hat auch entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die späteren Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen seine Wirkung nicht verloren. Der Wahlvorstand hat aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die nach dem Zuordnungs-TV maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt.

31

aa) Der Zuordnungs-TV ist wirksam. Gegen seine Wirksamkeit bestünden allerdings durchgreifende Bedenken, wenn die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte. In diesem Fall würde der Tarifvertrag weder dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG noch den an die Normenklarheit zu stellenden Mindestanforderungen genügen. Wie die gebotene Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, ist die Karte jedoch kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich erläuternden Charakter.

32

(1) Falls die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre - jedenfalls nach den dem Senat zur Verfügung stehenden, einer weiteren Aufklärung ersichtlich nicht zugänglichen tatsächlichen Feststellungen - dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG nicht genügt.

33

(a) Nach § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Norm. Hiernach muss die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Es reicht bei Dokumenten mit Anlagen aber aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter Haupturkunde und Anlage zweifelsfrei feststeht. Dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG ist daher genügt, wenn die Tarifvertragsurkunde klar und zweifelsfrei auf - selbst nicht unterzeichnete - Schriftstücke verweist, selbst wenn diese nicht körperlich mit der Urkunde verbunden sind. Dies ist anzunehmen, wenn der Tarifvertrag in seinem Wortlaut unmittelbar oder mittelbar auf die Anlage Bezug nimmt (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 30, BAGE 118, 141; 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 19 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 45 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 19). Die Zusammengehörigkeit von Haupturkunde und Anlage kann auch dadurch sichergestellt werden, dass die unterzeichnete Anlage ihrerseits auf die Haupturkunde verweist (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Rückverweisung bei einem Interessenausgleich mit Namensliste BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21). Fehlt es sowohl an einer körperlichen Verbindung als auch an einer Unterzeichnung oder Paraphierung der Anlage, ist für die Wahrung der Schriftform zumindest erforderlich, dass zweifelsfrei nur eine Fassung der in Bezug genommenen, eindeutig bezeichneten Anlage existiert. Andernfalls lässt sich nicht zuverlässig feststellen, welche Norm maßgeblich sein und für die Normunterworfenen gelten soll.

34

(b) Hiernach ist die in § 3 Abs. 1 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte nicht formwirksam in Bezug genommen. Zwar wird sie in § 3 Abs. 1 des Zuordnungs-TV als wesentlicher Bestandteil des Tarifvertrags bezeichnet. Eine zuverlässige Zuordnung von Tarifvertrag und Karte ist aber nicht möglich. Ein von den Tarifvertragsparteien unterzeichnetes Exemplar der Karte gibt es ersichtlich nicht. Die von der Arbeitgeberin - einer der beiden Tarifvertragsparteien - vorgelegte, in der mündlichen Anhörung vor dem Senat in Augenschein genommene Karte weist weder Unterschriften noch eine Rückverweisung auf den Zuordnungs-TV aus. Allein anhand dieser Karte lässt sich daher nicht einmal eine unmittelbare Verbindung zu dem Zuordnungs-TV herstellen. Darüber hinaus ist nicht sicher feststellbar, wie viele Exemplare oder Fassungen dieser Karte es gibt. Gegen die Annahme, es gebe nur ein Exemplar, spricht bereits der Umstand, dass nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgereicht wurden. Bei ausschließlich maschinenschriftlichen Schriftstücken könnte das Vorhandensein mehrerer identischer Anlagen möglicherweise noch als unschädlich erachtet werden. Bei Anlagen, die zu wesentlichen Teilen aus manuell eingezeichneten Linien bestehen, ist dies jedoch nicht der Fall.

35

(2) Falls die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre darüber hinaus den Mindestanforderungen des Gebots der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht genügt.

36

(a) Das letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verlangt grundsätzlich, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (vgl. zum „Gebot der Bestimmtheit und Klarheit“ - allerdings bei gesetzlichen Grundrechtsbeschränkungen - BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 - und - 1 BvR�1 BvR 1254/07 - Rn. 93 bis 97 mwN, BVerfGE 120, 378). Dies gilt grundsätzlich auch für tarifvertragliche Regelungen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der technischen Umsetzung der von ihnen verfolgten Zwecke regelmäßig einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher ist ihnen insbesondere auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht verwehrt. Gerichte dürfen diese nicht etwa wegen mangelnder Justiziabilität unangewendet lassen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, erforderlichenfalls unbestimmte Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen dürfen Gerichte tarifliche Regelungen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten (vgl. BAG 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - zu 5 bis 7 der Gründe mwN, BAGE 51, 59; vgl. auch 4. Dezember 1997 - 2 AZR 809/96 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 87, 210).

37

(b) Hier läge, sofern die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, ein solcher Ausnahmefall vor. Falls die handschriftlich in die Karte oder die Karten - ob es nur eine oder aber mehrere Karten gibt, ist, wie ausgeführt, nicht zuverlässig feststellbar - eingezeichneten Linien konstitutiv die Grenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten darstellen sollten, ließen sich diese insbesondere in Randbereichen auch im Wege der Auslegung nicht mehr zuverlässig ermitteln. Der Senat hat sich durch den nach § 293 ZPO auch im Rechtsbeschwerdeverfahren zulässigen(vgl. dazu BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 41 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21),in der mündlichen Anhörung vorgenommenen Augenschein in die von der Arbeitgeberin vorgelegte Karte davon überzeugt, dass aufgrund des kleinen Maßstabs, der Genauigkeit der Karte, der Dicke der handschriftlichen Linien und der Linienführung in vielen Bereichen, insbesondere in Ballungsgebieten und in Randbereichen, eine zuverlässige Grenzziehung nicht möglich ist. Die Filialen oder Verkaufsstellen selbst sind in der Karte nicht eingezeichnet. Die „Unschärfen“ sind auch nicht etwa unbeachtlich. Gerade bei tarifvertraglichen Vorschriften, durch die abweichend von den gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten geschaffen werden, sind eindeutige Grenzziehungen - sei es auch durch abstrakte, eine Subsumtion ermöglichende Kriterien - unverzichtbar.

38

(3) Die Wirksamkeit des Zuordnungs-TV scheitert gleichwohl weder am Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG noch an den an seine Bestimmtheit zu stellenden Mindestanforderungen. Wie die Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, ist die in seinem § 3 angesprochene Karte kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich deklaratorischen, erläuternden Charakter. Sie gibt nur ungefähr die Grenzen der bei Abschluss des Tarifvertrags im April 1995 bestehenden Regionen wieder. Maßgebliches Kriterium für die durch den Tarifvertrag gewillkürten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten sind die jeweiligen, aufgrund der organisatorischen Entscheidung der Arbeitgeberin gebildeten Regionen der Bezirksleiter. Die durch den Tarifvertrag vorgesehenen betriebsratsfähigen Einheiten sind daher nicht statisch auf den Zustand im Jahr 1995 festgeschrieben, sondern dynamisch und damit Veränderungen unterworfen.

39

(a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. nur BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 830/09 - Rn. 12 mwN, NZA 2011, 708).

40

(b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Auslegung des Zuordnungs-TV führt zu dem Ergebnis, dass für die Bildung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten nicht die in der Karte nur ungefähr wiedergegebenen Grenzen der Bezirksleiterregionen von 1995, sondern vielmehr die Bezirksleiterregionen in ihrem jeweiligen Zuschnitt maßgeblich sind.

41

(aa) Der Wortlaut des Tarifvertrags und der durch ihn vermittelte Wortsinn sind nicht eindeutig. Allerdings spricht die Formulierung in § 3 Abs. 1 Zuordnungs-TV, wonach sich die Regionen „im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Karte ergeben“, dafür, dass die Karte konstitutiven Charakter haben und die in ihr eingezeichneten Gebiete unveränderlich festgeschrieben werden sollen. Zwingend ist dies jedoch nicht.

42

(bb) Wesentlich gegen ein solches statisch-geographisches Verständnis der tariflichen Regelung sprechen der tarifliche Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung. Bereits aus der „Gemeinsamen Erklärung“ der Tarifvertragsparteien vom 7. März 1995 ergibt sich, dass sich die Tarifvertragsparteien darauf geeinigt haben, dass „Betriebsräte in der Firma Anton Schlecker grundsätzlich auf der Ebene der Bezirksleitungen gewählt werden können“. Das spricht gegen ein statisch-geographisches und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelung. Vor allem aber entspricht ein dynamisch-funktionales Verständnis dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

43

(aaa) Bereits nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in der bis zum 27. Juli 2001 geltenden Fassung (aF) dienten die von § 4 BetrVG(aF) abweichenden tariflichen Regelungen dazu, die Bildung von Vertretungen der Arbeitnehmer zu erleichtern. Schon der Zweck dieser Regelung ging - jedenfalls auch - dahin, es den Tarifvertragsparteien zu ermöglichen, betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten zu schaffen, die eine optimale Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats und eine größtmögliche Betreuung der Arbeitnehmer bewirken (vgl. BAG 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 97, 31; Fitting 19. Aufl. § 3 Rn. 49). Noch deutlicher ist das gesetzgeberische Anliegen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG in der seit 28. Juli 2001 geltenden Fassung, wonach tariflich die Zusammenfassung von Betrieben dann vorgesehen werden kann, „wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient“. Im Interesse einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer liegt es insbesondere, wenn die Interessenvertretungen dort errichtet werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird und die mitbestimmungsrechtlich relevanten Entscheidungen getroffen werden (vgl. BAG 13. Oktober 2004 - 7 ABR 56/03 - zu B IV 1 e cc [1] der Gründe mwN, BAGE 112, 166). Maßgeblich für die sachgerechte Bildung von Arbeitnehmervertretungen sind daher die organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers. Diese sind nicht nur für die gesetzlichen, sondern ebenso bei tarifvertraglich gewillkürten Vertretungsstrukturen von Bedeutung. Auch bei Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG ist es sachgerecht, sich bei der Zusammenfassung von Betrieben zu einer tarifvertraglichen betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit an den organisatorischen Entscheidungen des Arbeitgebers zu orientieren. Dies gilt nicht nur für die bei Abschluss des Tarifvertrags bestehenden Organisationsstrukturen. Vielmehr ist es sinnvoll, nicht nur statisch einen bestimmten Zustand festzuschreiben, sondern bei der tariflichen Regelung bereits die Möglichkeit späterer Veränderungen der Organisationsstrukturen zu berücksichtigen. Andernfalls liefe der Tarifvertrag Gefahr, bei jeder wesentlichen Änderung der Organisation, die dem Arbeitgeber als solche regelmäßig nicht verboten ist, sein Substrat zu verlieren (vgl. Fitting 25. Aufl. § 3 Rn. 86).

44

(bbb) Dass auch die Tarifvertragsparteien des Zuordnungs-TV das Ziel im Auge hatten, dauerhafte, auch Änderungen einbeziehende, effiziente Vertretungsstrukturen zu schaffen, zeigen die Regelungen in §§ 2, 4 und 5 Zuordnungs-TV. So ist in § 2 als Ziel des Tarifvertrags ausdrücklich die „Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in Fragen Betriebsverfassung“ genannt. In § 3 Zuordnungs-TV ist die Möglichkeit berücksichtigt, dass während der Laufzeit des Tarifvertrags neue Betriebsteile errichtet und übernommen werden, und § 4 macht deutlich, dass die Regelungen des Tarifvertrags nicht etwa nur für eine Amtszeit, sondern auf Dauer gelten sollen. Auch dies spricht gegen ein geographisch-statisches und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelungen.

45

(cc) Gegen einen konstitutiven Charakter der in § 3 Zuordnungs-TV in Bezug genommenen Karte und für ein dynamisch-funktionales, an die jeweiligen Regionen der Bezirksleitungen anknüpfendes dynamisches Verständnis spricht maßgeblich auch der Grundsatz der möglichst gesetzeskonformen Auslegung. Danach ist im Zweifel der Auslegung der Vorzug zu geben, bei der sich die tarifliche Regelung als wirksam erweist. Hier wäre der Tarifvertrag wegen mangelnder Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG sowie aus Gründen mangelnder Bestimmtheit unwirksam, wenn die Karte als konstitutiver Bestandteil zu erachten wäre. Dagegen begegnet es keinen durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken, wenn für die Errichtung der Betriebsräte die jeweiligen Regionen der Bezirksleiter maßgeblich sind. Die damit verbundene Dynamik ist rechtlich zulässig. Auch die gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen sind insofern dynamisch, als bei der Errichtung von Betriebsräten die sich ändernden organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers zu beachten und nachzuvollziehen sind. Bei diesem Verständnis wird die tarifliche Regelung nicht unbestimmt. Wie die Vorsitzende des Betriebsrats in der mündlichen Anhörung erklärt hat, ist unschwer feststellbar, welche Verkaufsstellen und Filialen zu welcher jeweiligen Region gehören.

46

bb) Der Zuordnungs-TV ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Er wird sowohl den Erfordernissen des bei seinem Abschluss im Jahr 1995 geltenden § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(aF) als auch den Voraussetzungen des seit 28. Juli 2001 geltenden, einen weiteren Anwendungsbereich erfassenden § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG gerecht. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Unternehmen mit vielen, bundesweit verstreuten Filialen. Sie weist damit eine Unternehmensstruktur auf, für die ein besonderes Bedürfnis nach einer „maßgeschneiderten“ Vertretungsstruktur im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(aF) bestand (vgl. dazu BAG 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 97, 31) und bei der die Zusammenfassung von Betrieben die Bildung von Betriebsräten iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG erleichtert und zugleich einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Insoweit haben die Beteiligten auch keine Bedenken erhoben. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BetrVG(aF) noch erforderliche Zustimmung zu dem Tarifvertrag erteilt.

47

cc) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat der Zuordnungs-TV durch die zahlreichen erheblichen Umstrukturierungen und organisatorischen Veränderungen seine Wirksamkeit nicht verloren.

48

(1) Allerdings kann durch Strukturveränderungen das Substrat für eine durch einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG errichtete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit entfallen. Die tarifvertraglich gebildete Einheit kann ihre Identität verlieren (vgl. Fitting § 3 Rn. 86). So kann beispielsweise die Grundlage für Spartenbetriebsräte iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verloren gehen, wenn der Arbeitgeber die Spartenorganisation aufgibt. Auch im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung ist es dem Arbeitgeber unbenommen, durch organisatorische Veränderungen Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu bilden, zusammenzulegen, zu spalten oder zu zerschlagen. Das ist im Rahmen der tariflich gewillkürten Betriebsverfassungsstrukturen nicht anders.

49

(2) Hier ist durch die Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen die Möglichkeit, auf der Grundlage des Zuordnungs-TV Betriebsräte zu bilden, nicht entfallen. Bei einem rein geographisch-statischen Verständnis des Tarifvertrags könnte dies zwar der Fall sein, da dann zu einem erheblichen Teil die Leitungsstrukturen nicht mehr kongruent wären mit den betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten. Bei einem dynamisch-funktionalen Verständnis ist das jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist es hiernach weiterhin möglich, Betriebsräte jeweils dort zu errichten, wo sich die unternehmerische Leitungsmacht entfaltet. Werden Bezirksleiterregionen zusammengelegt, ist dort statt bislang mehrerer Betriebsräte nur noch ein Betriebsrat zu wählen, werden sie aufgespalten, sind statt eines Betriebsrats mehrere Betriebsräte zu wählen.

50

dd) Die streitbefangene Wahl vom 2. Dezember 2009 ist anfechtbar, weil der Wahlvorstand auf der Grundlage des weiterhin anzuwendenden Zuordnungs-TV den Betriebsbegriff verkannt hat. Da es zum damaligen Zeitpunkt im sog. Bezirk 17 mehrere Bezirksleitungen mit jeweils eigenen Zuständigkeitsbereichen gab, durfte keine einheitliche Wahl durchgeführt werden. Betriebsräte waren vielmehr nach Maßgabe der organisatorischen Vorgaben der Arbeitgeberin in den damaligen Regionen der Bezirksleitungen zu wählen.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Bea    

        

    Krollmann    

                 

(1) Durch Tarifvertrag können bestimmt werden:

1.
für Unternehmen mit mehreren Betrieben
a)
die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder
b)
die Zusammenfassung von Betrieben,
wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient;
2.
für Unternehmen und Konzerne, soweit sie nach produkt- oder projektbezogenen Geschäftsbereichen (Sparten) organisiert sind und die Leitung der Sparte auch Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft, die Bildung von Betriebsräten in den Sparten (Spartenbetriebsräte), wenn dies der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient;
3.
andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen, soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient;
4.
zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften), die der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretungen dienen;
5.
zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern erleichtern.

(2) Besteht in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 keine tarifliche Regelung und gilt auch kein anderer Tarifvertrag, kann die Regelung durch Betriebsvereinbarung getroffen werden.

(3) Besteht im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe a keine tarifliche Regelung und besteht in dem Unternehmen kein Betriebsrat, können die Arbeitnehmer mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen. Die Abstimmung kann von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft veranlasst werden.

(4) Sofern der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nichts anderes bestimmt, sind Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 erstmals bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl anzuwenden, es sei denn, es besteht kein Betriebsrat oder es ist aus anderen Gründen eine Neuwahl des Betriebsrats erforderlich. Sieht der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung einen anderen Wahlzeitpunkt vor, endet die Amtszeit bestehender Betriebsräte, die durch die Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 entfallen, mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

(5) Die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes. Auf die in ihnen gebildeten Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder Anwendung.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.

2

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 15. März 1989 in einer Forschungsanstalt der Beklagten als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) Anwendung. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Klägerin war zunächst in der Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Im Wege eines Zeitaufstiegs wurde sie zum 1. Januar 1997 in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert. Sie erhielt vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD zuletzt Grundgehalt dieser Vergütungsgruppe nach Lebensaltersstufe 39. Im Rahmen der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD wurde die Klägerin der Entgeltgruppe E 8 TVöD und einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe zugeordnet, weil das Vergleichsentgelt über der höchsten Stufe 6 der Entgeltgruppe E 8 TVöD lag.

3

In einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 unterrichtete die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel die Klägerin über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD und teilte ua. mit, dass sie einen Strukturausgleich in Höhe von 40,00 Euro(auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung) erhält, dieser Ausgleichsbetrag ab dem 1. Oktober 2007 dauerhaft gezahlt, jedoch nicht dynamisiert wird und daher an künftigen Tariferhöhungen nicht teilnimmt. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass es der Information dient und keinen Rechtsanspruch begründet.

4

Die mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigte Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten ab Oktober 2007 Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. Anlage 3 TVÜ-Bund (Strukturausgleichstabelle) in Höhe von monatlich 20,00 Euro verlangt. In dieser Tarifvorschrift und der Strukturausgleichstabelle heißt es:

        

㤠12 Strukturausgleich

        
        

(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

        
        

(2) Die Zahlung des Strukturausgleichs beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.

        
        

(3) …

        
        

(4) Bei Teilzeitbeschäftigung steht der Strukturausgleich anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). ...

        
        

Protokollerklärung zu Absatz 4:

        
        

Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der Strukturausgleich entsprechend.

        
        

…       

        
        

Anlage 3 TVÜ-Bund

        
        

Strukturausgleiche für Angestellte (Bund)

        
        

...

        
        

Entgeltgruppe

Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ

Aufstieg

Orts-Zuschlag Stufe 1, 2

Lebensaltersstufe

Höhe Ausgleichsbetrag

Dauer

bei In-Kraft-Treten TVÜ

        

2       

X       

IX b nach 2 Jahren

OZ 2

23   

40 €

für 4 Jahre

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        

8       

V c

ohne

OZ 2

39   

40 €

dauerhaft

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…“   

5

Die Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund lauten:

        

„1.

1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.

        

2.   

1Die Tarifvertragsparteien erkennen unbeschadet der Niederschriftserklärung Nr. 1 an, dass die Strukturausgleiche in einem Zusammenhang mit der zukünftigen Entgeltordnung stehen. 2Die Tarifvertragsparteien werden nach einer Vereinbarung der Entgeltordnung zum TVöD, rechtzeitig vor Ablauf des 30. September 2007 prüfen, ob und in welchem Umfang sie neben den bereits verbindlich vereinbarten Fällen, in denen Strukturausgleichsbeträge festgelegt sind, für einen Zeitraum bis längstens Ende 2014 in weiteren Fällen Regelungen, die auch in der Begrenzung der Zuwächse aus Strukturausgleichen bestehen können, vornehmen müssen. 3Sollten zusätzliche Strukturausgleiche vereinbart werden, sind die sich daraus ergebenden Kostenwirkungen in der Entgeltrunde 2008 zu berücksichtigen.“

6

Die Klägerin hat gemeint, sie habe nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Sie sei bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert gewesen und habe alle anderen für diese Vergütungsgruppe in der Strukturausgleichstabelle genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ohne Bedeutung sei, dass sie aus der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT aufgestiegen sei. Die tarifliche Regelung stelle für den Anspruch auf den Strukturausgleich nicht auf die „originäre“ Vergütungsgruppe oder die „Ausgangsvergütungsgruppe“ ab. Maßgeblich sei die Eingruppierung am Stichtag. Für die Monate Oktober und November 2007 stünde ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung Strukturausgleich in Höhe von jeweils 20,00 Euro brutto zu.

7

Die Klägerin hat beantragt:

        

1.   

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.

        

2.   

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, für den Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle sei nicht auf die am Stichtag tatsächlich erreichte, sondern die originäre Vergütungsgruppe abzustellen. Die Spalten 2 und 3 der Tabelle seien nur verständlich, wenn sie als Einheit verstanden würden. Die Tarifvertragsparteien hätten die Aufstiegsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Strukturausgleichstabelle nachgezeichnet. So sei in Spalte 3 stets eine höhere Vergütungsgruppe als in Spalte 2 der Tabelle ausgewiesen. Anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund hätten die Tarifvertragsparteien in der Strukturausgleichstabelle nicht zwischen vorhandenem, vollzogenem und noch ausstehendem Aufstieg differenziert. Die Fallvariante „nach Aufstieg“ enthalte diese Tabelle nicht. Dies zeige, dass es für den Anspruch auf den Strukturausgleich auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme. Die Fallgruppe der originären Vergütungsgruppe ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit könne nicht mit der nach erfolgtem Aufstieg erreichten Vergütungsgruppe gleichgestellt werden. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die nach dem Überleitungsstichtag vollzogenen Aufstiege gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Wegfall des Strukturausgleichs führten.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es bedarf der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht, ob sich die Tarifvertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - in den Tarifvertragsverhandlungen einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist.

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Strukturausgleich gerichtete Feststellungsantrag hat eine Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112, 115). Für diesen Antrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Die Klägerin musste den beanspruchten Ausgleichsbetrag auch nicht beziffern, nachdem dieser Betrag bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Strukturausgleichs damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung der Klägerin abhängt.

13

2. Allerdings bedarf der Feststellungsantrag bezüglich des Beginns des streitbefangenen Zeitraums der Auslegung, nachdem die Klägerin insoweit von einer Datumsangabe abgesehen hat. Die Klägerin beansprucht für die Monate Oktober und November 2007 Strukturausgleich im Wege der Zahlungsklage. Ihr Feststellungsbegehren ist daher so auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihr ab Dezember 2007 Strukturausgleich zu zahlen.

14

II. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. nach den Bestimmungen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Klägerin könnte deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle ab dem 1. Oktober 2007 anteiliger Strukturausgleich(§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von monatlich 20,00 Euro brutto zustehen. Für die Monate Oktober und November 2007 schuldete ihr die Beklagte in diesem Fall Strukturausgleich in Höhe des im Wege der Zahlungsklage geltend gemachten Betrags von 40,00 Euro brutto.

15

1. Die Tarifvertragsparteien haben in der Strukturausgleichstabelle den Anspruch auf den Ausgleichsbetrag an fünf Voraussetzungen geknüpft. Sie haben zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Die Klägerin hat am 1. Oktober 2005 und damit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen dauerhaft zu zahlenden Strukturausgleich in Höhe von monatlich 40,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung nur dann erfüllt, wenn es für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Sie wurde im Rahmen der Überleitung in den TVöD der Entgeltgruppe E 8 zugeordnet. Seit dem 1. Januar 1997 und damit bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 war sie in der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Darüber, dass der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte, besteht kein Streit.

16

2. Strittig ist, ob es sich bei der in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle genannten Vergütungsgruppe entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten um die „originäre“ Vergütungsgruppe handelt und spätere Höhergruppierungen durch Bewährungs- oder Zeitaufstiege nicht zu berücksichtigen sind(so auch Kutzki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Kuner Der neue TVöD Rn. 114a; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hinweise zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bundesministeriums des Innern [Hinweise des BMI] vom 10. August 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es entsprechend der Ansicht der Klägerin auf die am Stichtag tatsächlich erreichte Vergütungsgruppe ankommt (so Hanau ZTR 2009, 403; Dannenberg PersR 2009, 193; Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).

17

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

18

4. Der Wortlaut der tariflichen Regelungist nicht eindeutig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmt, dass maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen(Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Damit verweist der Wortlaut der Tarifbestimmung zwar nicht auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe, eine „Ausgangsvergütungsgruppe“ oder die „Vergütungsgruppe bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit“. Die in Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle unter der Überschrift „Aufstieg“ enthaltene Angabe „ohne“ kann vom Wortsinn her aber auch so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hindert nicht ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 die für die Überleitung in den TVöD maßgebliche Vergütungsgruppe nicht mit einem früheren oder zukünftigen Aufstieg verbunden sein darf.

19

5. Auch die Tarifsystematik führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis.

20

a) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in der Anlage 2 TVÜ-Bund, die die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen regelt, in der Spalte 2 zwischen Vergütungsgruppen „ohne Aufstieg“, „nach Aufstieg“ und „mit ausstehendem Aufstieg“ unterschieden und in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle mit dem Wort „ohne“ von dieser Differenzierung abgesehen haben, spricht noch nicht entscheidend dafür, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausschließlich das Fehlen künftiger Aufstiegsmöglichkeiten erfasst und Vergütungsgruppen nach erfolgtem Aufstieg nicht vom Strukturausgleich ausgenommen sind. Die Strukturausgleichstabelle und die Anlage 2 TVÜ-Bund verfolgen nicht nur unterschiedliche Regelungszwecke. Sie unterscheiden sich auch in der Regelungstechnik, indem in der Strukturausgleichstabelle anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund der Aufstieg unter der entsprechenden Überschrift in einer gesonderten Spalte behandelt wird. Dies könnte gegen eine Anknüpfung an die in Anlage 2 TVÜ-Bund getroffenen Differenzierungen und für eine eigenständige Auslegung sprechen, zumal in der Strukturausgleichstabelle anders als in Anlage 2 Spalte 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „ohne“ die für einen Aufstieg in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe nicht genannt wird. Würde das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in einem weiteren Sinne als die Worte „ohne Aufstieg“ in der Anlage 2 TVÜ-Bund verstanden, dürfte die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden sein.

21

b) Wenn die Strukturausgleichstabelle bei den genannten Vergütungsgruppen mit Aufstieg nur Vergütungsgruppen mit einem am Stichtag noch nicht erfolgten, also einem zukünftigen Aufstieg bezeichnet, liegt die Annahme nahe, auch das Wort „ohne“ erfasse nur einen zukünftigen Aufstieg. Allerdings lässt sich dieser Auslegung entgegenhalten, dass in den Fällen mit Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe genannt ist, in den Fällen ohne Aufstieg dagegen nicht.

22

c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von Strukturausgleich Ausnahmecharakter hat. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch solche Vergütungsgruppen vom Strukturausgleich ausschließen soll, die von den Beschäftigten im Wege des Aufstiegs erreicht wurden. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen Strukturausgleich zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.

23

d) Das Argument, dass in den Fällen eines nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nachgeholten Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt ein etwaiger Strukturausgleich entfällt und dass ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn man die nach dem Stichtag erfolgte Gleichstellung mit den früher Aufgestiegenen mit dem Wegfall des Strukturausgleichs bestrafe, die früheren Höhergruppierungen hingegen noch durch Zahlungen eines Strukturausgleichs belohne, trägt nicht( aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Folgen der Überleitung nach einem Aufstieg aus einer höheren Vergütungsgruppe und der Überleitung vor einem nach dem alten Tarifrecht möglichen Aufstieg aus der niedrigeren Vergütungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren aufgrund des Stichtagsprinzips nicht gehindert, nur danach zu differenzieren, ob am 1. Oktober 2005 ein (weiterer) Aufstieg noch möglich war.

24

6. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs geben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.

25

a) Mit dem Strukturausgleich wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe und Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand(Ortszuschlag Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die Strukturausgleichsbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen Lebensaltersstufen nicht stets gleich hoch sind (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben die Tarifvertragsparteien Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spalten 2 und 3 der Strukturausgleichstabelle haben sie zwar auch mögliche Karriereentwicklungen der Angestellten nach dem BAT/BAT-O abgebildet, soweit sie den Anspruch auf Strukturausgleich in der Spalte 3 an den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe geknüpft haben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien mit dem Strukturausgleich nicht ausschließlich nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung getragen. Sie haben vielmehr auch Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern wollen. In Spalte 5 der Strukturausgleichstabelle haben sie deshalb auf die Lebensaltersstufe des Angestellten bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund abgestellt (vgl. Hanau ZTR 2009, 403, 408).

26

b) Dieses Abmilderungsziel spricht zwar für das Verständnis, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ bereits erfüllt ist, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entgeltsteigerungen aufgrund des Erreichens einer höheren Lebensaltersstufe wären nach bisherigem Tarifrecht unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung noch einen Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstieg zugelassen hätte oder ein solcher Aufstieg bereits vor dem Inkrafttreten des TVÜ-Bund erfolgt war. Der Verlust der Altersexspektanz trifft alle Beschäftigte einer Vergütungsgruppe gleich, unabhängig davon, ob sie in diese originär eingruppiert waren oder durch Aufstieg gelangt sind(Hanau ZTR 2009, 403, 407). Eine Bindung des Anspruchs auf Strukturausgleich an eine originäre Vergütungsgruppe könnte deshalb dem Willen der Tarifvertragsparteien, auch mit der Abschaffung der Lebensaltersstufen verbundene Exspektanzverluste auszugleichen (vgl. Dannenberg PersR 2009, 193, 195), widersprechen.

27

c) Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Regelung, wonach das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde die Grenzen der autonomen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht überschreiten, sondern wäre von der Tarifautonomie gedeckt.

28

7. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis ist auch nicht nennenswert praktikabler als das Abstellen auf originäre Vergütungsgruppen. Die Prüfung, ob im Überleitungszeitpunkt eine bestimmte Aufstiegsmöglichkeit bzw. keine Aufstiegsmöglichkeit bestand, erfordert ohnehin den Rückgriff auf die bei der Überleitung einschlägige Fallgruppe der Vergütungsgruppe des BAT, so dass ohne Weiteres festgestellt werden kann, ob der Angestellte in die Vergütungsgruppe mit der entsprechenden Fallgruppe erst durch einen vorherigen Aufstieg gelangt ist. Aufgrund dieses notwendigen Rückgriffs auf die einschlägige Fallgruppe kann aus der Strukturausgleichstabelle auch dann nicht „problemlos“ abgelesen werden, wer ab wann für wie lange welchen Betrag erhält, wenn ohne Weiteres auf die Vergütungsgruppe abgestellt wird, in der der Angestellte bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund eingruppiert war(aA Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).

29

8. Ob es nach § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 für den Anspruch auf Strukturausgleich darauf ankommt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe ohne Aufstieg erreicht worden ist, ist für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Anlage 3 TVÜ-Bund nicht entscheidend. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder auf die originäre Vergütungsgruppe abgestellt haben sollten, könnte daraus kein entsprechender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund abgeleitet werden, die diesen Tarifvertrag bereits am 13. September 2005 vereinbart hatten.

30

9. Ebenso wenig Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund lässt der zeitgleich vereinbarte Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-VKA) mit seiner in Anlage 2 geregelten Strukturausgleichstabelle zu. Diese ist anders strukturiert als die Tabelle für die Beschäftigten des Bundes und nicht mit vergleichbaren Auslegungsproblemen verbunden. Soweit dort auch für einige Fälle ein Strukturausgleich vorgesehen ist, in denen der Angestellte im Wege des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe gelangt war, unterscheidet er sich nach Betrag, Beginn und Dauer von den Fällen, in denen die Überleitung des Angestellten aus der originären Vergütungsgruppe erfolgte.

31

10. Bezogen auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 5. Februar 2008 an das Eisenbahn-Bundesamt behauptet, die Gewerkschaften hätten in den Tarifvertragsverhandlungen umfangreiche Vergleichsberechnungen vorgelegt, die auf den „originären“ Vergütungsgruppen basierten und zur tariflichen Regelung des Strukturausgleichs geführt hätten. Die Beklagte hat dieses Schreiben in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, sich darauf bezogen und sich damit die Behauptung des Bundesministeriums des Innern zu Eigen gemacht. Sollte diese Behauptung zutreffen und wären die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetzt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen(zu den Voraussetzungen eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung als für die Auslegung entscheidenden Anhaltspunkt vgl. auch BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).

32

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner Annahme, bereits die Systematik der tariflichen Regelung spreche entscheidend dafür, dass es zur Erfüllung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme, nicht geprüft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund in den Tarifverhandlungen die Strukturausgleichsbeträge auf der Basis der originären Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstiegsmöglichkeit festgelegt haben und sich einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist. Diese Prüfung hat es nachzuholen. Dazu hat es beiden Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, ihren jeweiligen Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen und weiter zu substantiieren. Sodann wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Tarifvertragsparteien sich einig gewesen sind, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich ist. Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen(vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, indem zB Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu der Regelung des Strukturausgleichs Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich ist(vgl. BAG 16. Oktober 1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50, 9, 21).

33

11. Kann eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, wäre das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen, dass es ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Für diese Auslegung streitet dann entscheidend der Gesichtspunkt der Normenklarheit. Wenn die Tarifvertragsparteien in den ersten fünf Spalten der Strukturausgleichstabelle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich und in den Spalten 6 und 7 der Tabelle die Höhe des jeweiligen Ausgleichsbetrags bzw. die Bezugsdauer aufgelistet haben, spricht dies dafür, dass sie den Strukturausgleich möglichst transparent regeln wollten. Müsste erst ermittelt werden, ob der Beschäftigte in die in der Spalte 2 der Tabelle bezeichnete Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs gelangt ist oder nicht, wäre die Regelung weniger durchschaubar. Für Normadressaten, die sich allein anhand des Wortlauts von § 12 TVÜ-Bund und der Strukturausgleichstabelle Gewissheit über Ansprüche auf Strukturausgleich verschaffen wollen, ist dies entscheidend. Auch die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat die tarifliche Regelung zunächst so verstanden, dass es für den Anspruch auf Strukturausgleich auf die „gegenwärtige Eingruppierung bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund“ ankommt. Sie hat der Klägerin deshalb in einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 mitgeteilt, dass diese Strukturausgleich erhält, und diese Mitteilung erst nach Kenntnis der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund korrigiert. Bei einem unbefangenen Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen liegt die Interpretation, entscheidend sei die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg, deutlich näher als die von der Beklagten befürwortete Auslegung. Wenn alle anderen Auslegungsgesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, muss dies den Ausschlag geben, weil von den Normadressaten typischerweise nicht zu erwarten ist, dass sie sich zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sämtlicher Auslegungsmethoden bedienen und alle in Betracht kommenden Auslegungsgesichtspunkte heranziehen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    

                 

(1) Arbeitnehmer im Sinne der §§ 1 bis 16 sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten; ein Berufsausbildungsverhältnis steht einem Arbeitsverhältnis gleich. Die §§ 1 bis 16 gelten entsprechend für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Arbeitnehmer im Sinne von § 1a Abs. 1 sind nur Personen nach den Sätzen 1 und 2, soweit sie aufgrund der Beschäftigung oder Tätigkeit bei dem Arbeitgeber, gegen den sich der Anspruch nach § 1a richten würde, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.

(2) Die §§ 7 bis 15 gelten nicht für den Bund, die Länder, die Gemeinden sowie die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen das Insolvenzverfahren nicht zulässig ist, und solche juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert.

(3) Gesetzliche Regelungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung werden unbeschadet des § 18 durch die §§ 1 bis 16 und 26 bis 30 nicht berührt.

(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

(1) Arbeitnehmer im Sinne der §§ 1 bis 16 sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten; ein Berufsausbildungsverhältnis steht einem Arbeitsverhältnis gleich. Die §§ 1 bis 16 gelten entsprechend für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Arbeitnehmer im Sinne von § 1a Abs. 1 sind nur Personen nach den Sätzen 1 und 2, soweit sie aufgrund der Beschäftigung oder Tätigkeit bei dem Arbeitgeber, gegen den sich der Anspruch nach § 1a richten würde, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.

(2) Die §§ 7 bis 15 gelten nicht für den Bund, die Länder, die Gemeinden sowie die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen das Insolvenzverfahren nicht zulässig ist, und solche juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert.

(3) Gesetzliche Regelungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung werden unbeschadet des § 18 durch die §§ 1 bis 16 und 26 bis 30 nicht berührt.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 15 Sa 1204/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat die Unwirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung geltend gemacht.

2

Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das neben Flugkapitänen und Copiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt.

3

Die 1969 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der Beklagten. Sie war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 2.500,00 Euro von Münster/Osnabrück aus tätig.

4

In dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom 8. Dezember 1994 heißt es ua.:

        

1.    

Beginn der Tätigkeit

                 

Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt.

        

2.    

Rechte und Pflichten

                 

Die Rechte und Pflichten der Mitarbeiterin ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, den jeweils gültigen Vergütungsvereinbarungen, den Betriebsvereinbarungen sowie den Dienstvorschriften der Eurowings AG. Durch ihre Unterschrift bestätigt die Mitarbeiterin gleichzeitig den Erhalt der Betriebsvereinbarung.“

5

Die Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der Eurowings vom 15. September 1993 (im Folgenden: BV Nr. 1) ist seinerzeit von der Arbeitgeberin und einer informell eingerichteten „Bordvertretung“ geschlossen worden. § 3 Abs. 8 der BV Nr. 1 lautet:

        

„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Dies gilt auch bei vorübergehendem oder aushilfsweisem Einsatz in Zusammenhang mit dem Flug- und Verkehrsbetrieb.“

6

Der Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG vom 15. März 2006 (im Folgenden: MTV Nr. 2), den die Beklagte anwendet, enthält in § 4 Abs. 6 ua. die nachfolgenden Regelungen:

        

„a)     

Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Bei Schwangerschaft ist EW berechtigt, die Beschäftigte für eine Diensttätigkeit am Boden einzusetzen, sofern auch die Zustimmung des örtlich zuständigen Bodenbetriebsrates vorliegt. Hierbei sind die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu beachten.

        

b)    

Alle Beschäftigten, die zum 01.04.2004 an einen neuen dienstlichen Einsatzort versetzt worden sind, erhalten auf Antrag die Möglichkeit, auf eigene Kosten zu ihrem ehemaligen dienstlichen Einsatzort oder an eine 4-Base-Station zurückzukehren. Für diese einmalige Rückkehrmöglichkeit gilt eine Ausschlussfrist bis zum 30.06.2006. Der Rückkehrantrag muss innerhalb dieser Ausschlussfrist schriftlich bei der EW-Personalleitung eingegangen sein. EW wird eine Vorlaufzeit zur Umsetzung des Rückkehrantrages von 3 Monaten nach Antragstellung eingeräumt, und zwar zum Monatsersten des nach Ablauf dieses 3-Monatszeitraums folgenden Kalendermonats.

                 

Die Rückkehrmöglichkeit gemäß b) Satz 1 gilt nicht für die Beschäftigten, denen ein unbefristeter Arbeitsvertrag an einem 4-Base-Standort angeboten wurde.“

7

Unter dem 24. Januar 2011 schlossen die Arbeitgeberin und die bei ihr auf der Basis des Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 vom 19. März/7. April 2008 gebildete Personalvertretung für die Kabinenmitarbeiter (im Folgenden: PV Kabine) einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus Ziff. 2 des Interessenausgleichs ergibt sich, dass von den dienstlichen Einsatzorten Köln, Dortmund, Münster/Osnabrück, Hannover, München, Nürnberg, Paderborn, Stuttgart und Berlin aus keine Einsätze von Mitarbeitern mehr erfolgen und daher die diesen Einsatzorten zugeordneten Arbeitsplätze gestrichen werden. Nach Ziff. 1 des Interessenausgleichs wird der Einsatz der Mitarbeiter ausschließlich ab Düsseldorf oder Hamburg erfolgen. Die Versetzungen sollen zum 1. Juni bzw. 1. August 2011 durchgeführt werden. In Härtefällen können Arbeitnehmer bis zum 31. März 2014 an ihren bisherigen Einsatzorten bleiben (Ziff. 3 Buchst. e des Interessenausgleichs). Im Sozialplan vom 24. Januar 2011 sind unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Kompensationszahlungen an von Versetzungen betroffene Arbeitnehmer vorgesehen.

8

Am 24. März 2011 übergab die Beklagte der PV Kabine das Unterrichtungsschreiben vom 23. März 2011 und bat um Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung der Klägerin von ihrem bisherigen Einsatzort nach Düsseldorf.

9

Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1. Juni 2011 von ihrem bisherigen dienstlichen Einsatzort an den neuen dienstlichen Einsatzort Düsseldorf versetzt werde. Gegen diese arbeitgeberseitige Maßnahme wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage.

10

Unter dem 31. Mai 2011 kündigte die Beklagte „vorsorglich“ das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2011 und bot der Klägerin zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit neuem dienstlichen Einsatzort Düsseldorf an. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Auch gegen diese Änderungskündigung wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage.

11

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die arbeitgeberseitige Maßnahme vom 1. April 2011 sei unwirksam. Es fehle bereits an einer rechtlichen Versetzungsgrundlage. Der Dienstort sei vertraglich vereinbart und könne nicht einseitig geändert werden. Die Versetzung entspreche zudem nicht billigem Ermessen. Sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und treffe die Klägerin in ihren persönlichen Belangen übermäßig hart. Die Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß über die Versetzung unterrichtet worden. Die Änderungskündigung sei sozialwidrig.

12

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Versetzung der Beklagten vom 1. April 2011 unwirksam ist,

        

2.    

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung vom 31. Mai 2011 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Versetzung sei nicht bereits nach dem Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Der Vertrag lege den Arbeitsort nicht fest. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Ihr liege die durch den Interessenausgleich festgeschriebene unternehmerische Entscheidung zugrunde, in Zukunft die Flugbegleiter nur noch von Düsseldorf und Hamburg aus einzusetzen, wo die Umläufe hauptsächlich begönnen. Ohne Versetzung müssten die nicht in Düsseldorf oder Hamburg stationierten Flugbegleiter - wie bisher schon in erheblichem Umfang - zu den Abflugorten gebracht werden, was unproduktive Kosten verursache. Diese Flugbegleiter stünden dann aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen über die Flugdienstzeit nur noch mit geringeren Stundenzahlen zum Einsatz zur Verfügung. Durch die Verlagerung könne deshalb das Arbeitszeitpotenzial der Flugbegleiter besser genutzt werden. Die Versetzung halte einer Interessenabwägung stand, zumal die Klägerin mit anderen betroffenen Flugbegleiterinnen gemeinsam eine Wohnung am neuen Einsatzort anmieten und die sie treffenden Nachteile steuerlich geltend machen könne. Auch sehe der Sozialplan einen gewissen Ausgleich vor. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei wirksam, weil die angebotenen Vertragsänderungen aus den Gründen der Versetzung gerechtfertigt seien.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.

16

A. Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam. Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin in Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort zuzuweisen (zu I). Die Versetzung hält auch der erforderlichen Ausübungskontrolle stand (§ 106 GewO). Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung, einer Abwägung der Belange des Arbeitnehmers mit denen des Arbeitgebers bedürfe es bei Vorliegen einer nicht missbräuchlichen Unternehmerentscheidung nicht, ist zwar mit § 106 GewO nicht vereinbar(zu II). Diese unzutreffende rechtliche Bewertung hat sich jedoch auf das Ergebnis nicht ausgewirkt. Denn die vom Landesarbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung selbständig tragend in Bezug genommenen Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils rechtfertigen die Klageabweisung. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zu III). Die Zustimmung der Personalvertretung gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt(zu IV). Die Änderungsschutzklage hat keinen Erfolg (zu V).

17

I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen(vgl. für einen gleich gelagerten Fall: BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 -).

18

1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 16; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12).

19

a) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 18; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

20

b) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).

21

2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.

22

a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, auf die die Vorschriften des § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Parteien sind dieser angesichts des Erscheinungsbildes des Arbeitsvertrags sich aufdrängenden Annahme nicht entgegengetreten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).

23

b) Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung des Arbeitsorts.

24

aa) Unter Ziff. 1 des Arbeitsvertrags ist vorgesehen, dass die Klägerin am Beschäftigungsort Münster/Osnabrück „eingestellt“ wird. Darin liegt keine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf Münster/Osnabrück als Arbeitsort. Die betreffende Passage des Vertrags ist mit „Beginn der Tätigkeit“ überschrieben und legt lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung. Die Regelung in § 3 Abs. 8 BV Nr. 1, nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann, beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an anderen Orten einschließt.

25

(1) Die BV Nr. 1 ist unstreitig keine Betriebsvereinbarung iSd. Betriebsverfassungsgesetzes. Sie gilt demnach nicht aufgrund von § 77 Abs. 4 BetrVG.

26

(2) Bei der BV Nr. 1 handelt es sich um vom Arbeitgeber ohne kollektivrechtliche Grundlage mit Vertretern der Belegschaft verabredete Allgemeine Arbeitsbedingungen. Sie gelten nur dann, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags ihre Geltung wirksam vereinbart haben.

27

(3) Letzteres ist hier der Fall. Im Arbeitsvertrag ist die Geltung der „Betriebsvereinbarung“ ausdrücklich vorgesehen. Gemeint war die BV Nr. 1. Ein Exemplar wurde der Klägerin bei Vertragsschluss ausgehändigt.

28

(4) Die damit gegebene Bezugnahme auf die Allgemeinen Arbeitsbedingungen (BV Nr. 1) als solche ist nicht nach § 305 ff. BGB zu beanstanden. Soweit allerdings auf die „jeweilige“ Fassung der Betriebsvereinbarung Bezug genommen wird, dürfte dies nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein(vgl. BAG 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 23 ff.; vgl. auch Preis NZA 2010, 361). Hierauf kommt es aber nicht an, da es allein um die bei Vertragsschluss ausgehändigte Fassung geht.

29

(5) Die in Bezug genommene Klausel ist hinreichend eindeutig, transparent und angemessen. Sie knüpft die Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse und enthält damit jedenfalls nicht weniger strenge Voraussetzungen als das Gesetz.

30

bb) Zusätzlich ist die Versetzungsbefugnis durch § 4 Abs. 6 Buchst. a MTV Nr. 2, der für die Parteien kraft Verbandszugehörigkeit gilt und ebenfalls eine Versetzungsmöglichkeit bei betrieblichen Erfordernissen vorsieht, gegeben. Der Wortlaut der Regelung ist nahezu identisch mit § 3 Abs. 8 BV Nr. 1.

31

c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät(2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts die Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt.

32

d) Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf den bisherigen Einsatzort räumlich konkretisiert, dass die Klägerin seit Vertragsbeginn im Wesentlichen von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.

33

aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).

34

bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein die lange Verweildauer am bisherigen Einsatzort lässt keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten - in Abänderung ihres Vertrags - nunmehr den bisherigen Ort zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass sich Gegenteiliges nicht aus § 4 Abs. 6 MTV Nr. 2 ergibt. Das Rückkehrrecht nach dessen Buchst. b sagt nichts darüber aus, ob die vorangegangene Bestimmung des Einsatzorts auf einer Vertragsänderung oder der Ausübung des Weisungsrechts beruhte.

35

e) Die Auffassung der Revision, es handele sich bei der Maßnahme der Beklagten deshalb um eine nur durch Änderungskündigung durchsetzbare Vertragsänderung, weil die Versetzung mit einem beträchtlichen Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie in weitere maßgebliche Interessen der Klägerin verbunden sei, greift nicht durch.

36

aa) Mit der Versetzung greift die Beklagte nicht in das vom Vertrag festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ein. Die Dauer der Arbeitszeit hat sich ebenso wenig geändert wie die Höhe der für die Arbeit zu leistenden Vergütung. Geändert hat sich zu einem gewissen Teil die von der Klägerin während der Arbeitszeit zu erbringende Tätigkeit. Sie besteht im Wesentlichen nur noch aus der an Bord verbrachten Zeit. Einen Anspruch, die Arbeitszeit nicht mit der Arbeit an Bord zu verbringen, hat die Klägerin nicht. Sie muss jetzt erheblich höhere Reisekosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsort tragen. Dies erhöht die mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen, verringert jedoch nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.

37

bb) Auch die weiteren Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens der Klägerin führen nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts allein um deswillen die rechtliche Qualität einer Vertragsänderung aufwiese. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die Erhöhung der finanziellen Belastungen, bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte bei der Versetzung billiges Ermessen gewahrt hat, zu berücksichtigen.

38

II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es habe bei der hier gegebenen Sachlage einer umfassenden Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB in Bezug auf die Versetzung nicht bedurft, ist unzutreffend. Sie steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

39

1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier freilich auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).

40

2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).

41

a) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung durchsetzbar war.

42

b) Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze; § 106 GewO verlangt eine umfassende und offene Abwägung aller in Betracht kommenden Belange(BAG 17. August 2011- 10 AZR 202/10 - Rn. 28 ff.). Die unternehmerische Entscheidung ist dabei ein wichtiger, aber nicht der alleinige, sondern regelmäßig nur einer unter mehreren Abwägungsgesichtspunkten. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, zB auch verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen (vgl. BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. März 2013 GewO § 106 Rn. 52 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 31). Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 - Rn. 37).

43

3. Eine soziale Auswahl wie im Fall des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).

44

III. Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall ergibt, dass die Versetzung der Klägerin billigem Ermessen entspricht. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, eine einzelfallbezogene Interessenabwägung habe in Fällen der vorliegenden Art nicht stattzufinden, steht zwar, wie ausgeführt, nicht mit dem Gesetz im Einklang. Jedoch ist die vom Landesarbeitsgericht als selbständig tragende Entscheidungsbegründung in Bezug genommene Würdigung des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe bei der Ausübung ihres Weisungsrechts billiges Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

1. Zutreffend ist die Würdigung, dass auf Seiten der Beklagten die unternehmerische Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung der Flugbegleiter zu berücksichtigen ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Neuordnung war auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Neuordnung sei etwa nur vorgeschoben, um lästig gewordene Vertragspflichten abzuschütteln. Anzeichen für Missbräuchlichkeit der Reorganisation als solcher sind nicht erkennbar. Angesichts des Umstands, dass die Beklagte seit dem Juni 2010 ihre Flugumläufe nahezu ausschließlich von Düsseldorf und Hamburg beginnen ließ, ist die Entscheidung, dort auch die Flugbegleiter zu stationieren, naheliegend. Auch die von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen über die Auslastung des Personals mit Flugarbeitszeit zeigen, dass die getroffenen Entscheidungen einleuchtend sind. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte nicht aus jeder einzelnen Versetzung finanziellen Nutzen zieht. Einer durch viele Einzelmaßnahmen umgesetzten Neuordnung kann die Plausibilität nicht mit der Begründung abgesprochen werden, einer oder mehrere Teilakte seien für sich genommen nicht gewinnbringend. Für die Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung ist vielmehr ihr Gesamtkonzept maßgeblich. Die Entscheidung ist ersichtlich nicht etwa nur für einen kurzen Zeitraum oder unter dem Vorbehalt alsbaldiger Änderung getroffen worden. Vielmehr zeugen die umfangreichen Reorganisationen der Beklagten von dem anhaltend, ernsthaft und nachdrücklich verfolgten Bestreben, ihre Tätigkeit auf die beiden Orte Hamburg und Düsseldorf zu konzentrieren. Auch der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan sowie insbesondere die Zusage, bis zum Jahr 2015 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, zeigen, dass die Entscheidung der Beklagten auf langfristigen Überlegungen und Berechnungen beruht.

46

2. Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts muss demgegenüber zurücktreten. Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Von Bedeutung ist dabei, dass der Tätigkeit einer Flugbegleiterin eine gewisse Volatilität stets innewohnt und die Erwartung der sozialen und sonstigen Vorteile eines ortsfesten Arbeitseinsatzes zu dauerhaft unveränderten Zeiten vom Vertragszweck von vornherein nicht gedeckt sein kann. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Unbequemlichkeiten und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Arbeitsgericht nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen. Aufgrund des abgeschlossenen Sozialplans gewährt die Beklagte einen nicht unbeachtlichen finanziellen Ausgleich. Insbesondere hatte die Klägerin auch die Möglichkeit, den Misslichkeiten einer längeren Anfahrt zum Arbeitsort durch einen Umzug auszuweichen.

47

IV. Die Versetzung ist nicht nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat die PV Kabine mit Schreiben vom 23. März 2011 unterrichtet. Inwiefern die Unterrichtung nicht ausreichend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Der angegebene Versetzungsgrund war die Reduzierung der Einsatzorte auf zwei. Damit war nicht ausgeschlossen, dass übergangsweise noch einzelne Umläufe von anderen Einsatzorten aus stattfanden. Insbesondere sieht die im Interessenausgleich vorgesehene Härtefallregelung eine zeitliche Übergangsphase für die Versetzungen ausdrücklich vor. All dies ändert nichts an der für die Versetzung maßgeblichen Grundentscheidung. Dass die Beklagte ihr bekannte und wesentliche Umstände gegenüber der PV Kabine verschwiegen hätte, ist nicht ersichtlich. Die Personalvertretung hat auch keine Nachfragen angebracht. Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt ihre Zustimmung als erteilt.

48

V. Die erhobene Änderungsschutzklage ist unbegründet. Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 20; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13, BAGE 140, 328; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17). Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor; die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Die Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 21; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, aaO).

49

B. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Schürmann    

        

    R. Bicknase    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. November 2013 - 6 Sa 504/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Waisenrente, die der Kläger aus übergeleitetem Recht geltend macht.

2

Der Kläger ist der Träger der Sozialhilfe iSd. § 3 Abs. 1 SGB XII. Der Beklagte ist eine Pensionskasse in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit und wickelt für seine Trägerunternehmen deren Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung ab. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden AVB) des Beklagten bestimmen ua.:

        

§ 10 Kinderzulage

        

…       

        

(3)     

Die Kinderzulage wird gewährt für:

                 

1.    

eheliche und als ehelich erklärte Kinder,

                 

...     

        
        

(4)     

Die Kinderzulage wird bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gewährt, darüber hinaus nur, solange sich das Kind in Schul- oder Berufsausbildung befindet, längstens jedoch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres.

        

(5)     

Der Vorstand kann die Kinderzulage auch nach dem 18. Lebensjahr gewähren, wenn und solange das Kind infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen von mehr als einjähriger Dauer nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

        

...     

        
        

§ 12 Waisenrente

        

Waisenrente wird an hinterbliebene Kinder des Mitgliedes gezahlt. § 10 Abs. 3 - 7 finden entsprechende Anwendung.“

3

Die U GmbH ist eines der Trägerunternehmen des Beklagten. Bei dieser war bis zum Eintritt in den Ruhestand H B beschäftigt und bezog vom Beklagten ua. eine Pensionskassenrente, die eine Kinderzulage nach § 10 Abs. 5 AVB für seinen im September 1965 geborenen, behinderten Sohn M B umfasste. M B ist aufgrund einer geistigen Behinderung höheren Grades und Störung des Sozialverhaltens mit emotionaler Symptomatik nicht in der Lage, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Seit dem Jahr 1988 ist er in einer stationären Einrichtung untergebracht. H B verstarb im November 2010. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 bewilligte der Beklagte M B ab Dezember 2010 eine Waisenrente und zahlte an diesen im Zeitraum Dezember 2010 bis März 2011 monatlich 85,70 Euro als Pensionskassenleistung.

4

Der Kläger gewährt M B seit dem 29. Mai 1996 Sozialhilfe in Form stationärer Leistungen im Pflege- und Förderzentrum des Westfälischen Wohnverbundes (Eingliederungshilfe nach §§ 54 ff. SGB XII). Die Kosten der Unterbringung belaufen sich auf ca. 160,00 Euro täglich.

5

Mit Schreiben vom 1. Februar 2011 leitete der Kläger die Ansprüche von M B auf Waisenrente gegen den Beklagten auf sich über. Der Beklagte teilte dem Kläger am 30. März 2011 mit, dass er die Zahlung der Waisenrente ab April 2011 einstellen werde. Dem widersprach der Kläger und verfügte durch Bescheid vom 18. August 2011 erneut die Überleitung der Waisenrente nach § 93 SGB XII ab dem 1. April 2011.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung der Waisenrente an sich verlangt. Er hat die Einstellung der Zahlung durch den Beklagten für unrechtmäßig gehalten. Der Beklagte habe im Rahmen seiner Ermessensentscheidung den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe zu beachten. Sozialhilfe sei nach dem Willen des Gesetzgebers subsidiär zu gewähren, wenn kein anderer den entsprechenden Bedarf des Hilfeempfängers decke. Die Gewährung von Sozialhilfe sei daher kein sachlicher Grund für die Einstellung der Hinterbliebenenleistungen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.799,70 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 85,70 Euro seit dem 1. Mai, dem 1. Juni, dem 1. Juli, dem 1. August, dem 1. September, dem 1. Oktober, dem 1. November, dem 1. Dezember 2011, dem 1. Januar, dem 1. Februar, dem 1. März, dem 1. April, dem 1. Mai, dem 1. Juni, dem 1. Juli, dem 1. August, dem 1. September, dem 1. Oktober, dem 1. November, dem 1. Dezember 2012 und dem 1. Januar 2013 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn monatlich, fällig zum Monatsletzten, 85,70 Euro brutto zu zahlen, beginnend mit dem Monat Januar 2013.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, zur Einstellung der Waisenrente berechtigt gewesen zu sein. Der ursprüngliche Grund für die Gewährung der Waisenrente an M B im Dezember 2010, diesem durch die finanzielle Leistung ein Stück mehr Lebensqualität zu verschaffen, sei durch die Überleitung des Anspruchs nachträglich entfallen. Nachdem dies bekannt geworden sei, habe man die Interessen an der Weitergewährung der Waisenrente abgewogen und sich entschlossen, die Waisenrente einzustellen.

9

Der Kläger hat seine Klage zunächst beim Amtsgericht erhoben; das hat sie an das Arbeitsgericht verwiesen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

10

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger mit einem an M B gerichteten Überleitungsbescheid vom 19. Februar 2015 den möglichen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung gegen den Beklagten mit Wirkung ab dem 1. April 2011 auf sich übergeleitet. Dieser Bescheid wurde M B unmittelbar am 23. Februar 2015 und seiner Betreuerin am 20. Februar 2015 zugestellt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Klage ist nicht begründet. Zwar ist der Kläger aktivlegitimiert. Der Beklagte ist aber nicht verpflichtet, über den 31. März 2011 hinaus eine monatliche Waisenrente für M B iHv. 85,70 Euro an den Kläger zu zahlen. Die vom Beklagten im März 2011 getroffene Entscheidung, künftig keine Hinterbliebenenrente mehr zu leisten, ist nicht unbillig und verstößt auch nicht gegen den Nachranggrundsatz aus § 2 SGB XII.

12

I. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Dabei kann dahinstehen, ob es für die Aktivlegitimation des Klägers ausreichend ist, dass er den Anspruch gemäß § 93 SGB XII durch Anzeige gegenüber dem Beklagten auf sich übergeleitet hat, oder ob es hierzu zusätzlich auch einer Bekanntgabe gegenüber dem ursprünglichen Anspruchsinhaber M B und/oder dessen Betreuerin bedarf. Jedenfalls im Zeitpunkt der Revisionsverhandlung war die Überleitung auch gegenüber dem ursprünglichen Anspruchsinhaber und dessen Betreuerin bekannt gegeben worden. Dies ist auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen.

13

1. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann der Träger der Sozialhilfe dann, wenn eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen der Sozialhilfe erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen hat, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf den Träger der Sozialhilfe übergeht. Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII darf der Übergang des Anspruchs nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen entweder die (Sozial-)Leistung nicht erbracht worden wäre oder in den Fällen des § 19 Abs. 5 SGB XII und des § 92 Abs. 1 SGB XII Aufwendungsersatz oder ein Kostenbeitrag zu leisten wäre. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bewirkt die schriftliche Anzeige den Übergang des Anspruchs für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person die (Sozial-)Leistung ohne Unterbrechung erbracht wird.

14

2. Danach setzt die Überleitung des Anspruchs und damit die Aktivlegitimation des Klägers jedenfalls voraus, dass dem Beklagten als „anderen“ iSv. § 93 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB XII eine schriftliche Anzeige bekannt gemacht wurde, dh. ein entsprechender Verwaltungsakt (vgl. LSG Baden-Württemberg 4. Dezember 2014 - L 7 SO 4268/11 - zu 3 der Gründe mwN) zugegangen ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die schriftliche Überleitungsanzeige vom 18. August 2011 wurde dem Beklagten bekannt gegeben.

15

3. Ob die Bekanntgabe der Überleitung auch gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger und/oder dessen Betreuerin zu erfolgen hat, damit der Träger der Sozialhilfe aktivlegitimiert ist, kann dahinstehen. Zwischenzeitlich hat der Kläger die Überleitung der Waisenrente auch gegenüber M B und dessen Betreuerin bekannt gegeben. Die Rechtstatsache der durch Verwaltungsakt erfolgten Bekanntgabe der Überleitung gegenüber M B und dessen Betreuerin unterfällt nicht dem grundsätzlichen Verbot, in der Revisionsinstanz neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Revisionsgericht hat entscheidungserhebliche Verwaltungsakte, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz bis zum Ende der Revisionsverhandlung ergehen oder enden, zu berücksichtigen (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 24, BAGE 132, 88).

16

II. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte war berechtigt, seine Ermessensentscheidung gemäß § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB vom Dezember 2010 nach der Überleitung der Ansprüche auf den Kläger im März 2011 neu zu treffen, weil die Waisenrente nicht mehr dem Hinterbliebenen M B zugutekommt. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII steht dem nicht entgegen.

17

1. Ob ein Anspruch von M B auf Waisenrente gegen den Beklagten besteht, ist im vorliegenden Rechtsstreit zu klären. Die Wirksamkeit der Überleitungsanzeige erfasst die Frage, ob der übergeleitete Anspruch besteht, nicht (vgl. BVerwG 26. November 1969 - V C 54.69 - BVerwGE 34, 219; 27. Mai 1993 - 5 C 7.91 - BVerwGE 92, 281; LSG Baden-Württemberg 22. November 2007 - L 7 SO 73/06 -). Vielmehr haben die dafür zuständigen Zivilgerichte bzw. Gerichte für Arbeitssachen selbständig das Bestehen des zivilrechtlichen Anspruchs zu prüfen.

18

2. M B hatte seit Dezember 2010 einen Anspruch auf Waisenrente gegen den Beklagten. Dieser hatte nach § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB eine zulässige Ermessenentscheidung iSv. § 315 BGB zugunsten von M B getroffen.

19

a) Nach § 12 iVm. § 10 Abs. 4 AVB wird Waisenrente bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs gewährt, darüber hinaus nur, solange sich das Waisenkind in der Schul- oder Berufsausbildung befindet, längstens jedoch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs. Des Weiteren kann Waisenrente nach § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB auch nach dem 18. Lebensjahr gewährt werden, wenn und solange das Waisenkind infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen von mehr als einjähriger Dauer nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetreten ist.

20

b) § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB stellt die Bewilligung einer Waisenrente über die Vollendung des 18. bzw. - bei noch andauernder Schul- oder Berufsausbildung - des 25. Lebensjahrs hinaus in das Ermessen des Beklagten.

21

aa) Einseitige Leistungsbestimmungsrechte sind nach § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel nach billigem Ermessen auszuüben. Es ist daher im Einzelfall zu beurteilen, ob in der zugrunde liegenden Ermessensvorschrift - entgegen der Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB - eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dass die Leistungsbestimmung sich nicht am Maßstab der Billigkeit ausrichten muss, sondern nur die - stets geltenden - allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, insbesondere der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, die Willkür- und Maßregelungsverbote sowie der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten sind(vgl. BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 822/12 - Rn. 12, BAGE 148, 381; 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 38, BAGE 146, 284).

22

bb) Danach steht die Gewährung der Waisenrente nach § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB im billigen Ermessen des Beklagten. Nach § 10 Abs. 5 AVB kann unter den dort genannten Voraussetzungen eine Waisenrente gewährt werden. Durch die Verwendung des Wortes „kann“ in § 10 Abs. 5 AVB wird eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen eröffnet. Die Formulierung „kann“ stellt eine Formulierung bei Einräumung von Ermessensspielräumen dar und begründet typischerweise Zweifel iSd. § 315 Abs. 1 BGB(vgl. BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 822/12 - Rn. 12, BAGE 148, 381; 15. Juli 2008 - 3 AZR 100/07 - Rn. 21; 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 2 b der Gründe). § 10 Abs. 5 AVB enthält keine Regelung, wonach sich die Gewährung der Waisenrente nicht am Maßstab der Billigkeit ausrichten muss.

23

c) Der Beklagte konnte zugunsten von M B ab Dezember 2010 eine Waisenrente gewähren, denn M B erfüllt die in § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB genannten Voraussetzungen. Er hat das 18. Lebensjahr vollendet, wurde durch den Tod seines Vaters H B im November 2010 zur Waise und ist infolge bereits vor dem 25. Lebensjahr eingetretener geistiger oder körperlicher Gebrechen von mehr als einjähriger Dauer nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Letzterem steht der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII nicht entgegen. Die betreffende Waise darf infolge der bestehenden Behinderung nicht in der Lage sein, einer auf die Erzielung eines Erwerbseinkommens gerichteten Arbeit nachzugehen und deshalb kein eigenes Einkommen iSd. Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten verdienen. Der Bezug von Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII stellt demgegenüber kein, die Gewährung einer Waisenrente ausschließendes Einkommen dar. Leistungen der Sozialhilfe sind weder Erwerbs- noch Erwerbsersatzeinkommen.

24

d) Die einmal erfolgte Bewilligung der Waisenrente nach § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB ist grundsätzlich unwiderruflich, es sei denn, es liegt eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen dieser Leistungsbestimmung vor, die es rechtfertigt, die Gewährung der Waisenrente einzustellen. Dies ist hier der Fall.

25

aa) Eine einseitige Leistungsbestimmung nach § 315 BGB ist grundsätzlich unwiderruflich. Bei Dauerschuldverhältnissen und ihnen vergleichbaren auf Dauer angelegten sonstigen Rechtsverhältnissen bedarf der Grundsatz der Unwiderruflichkeit jedoch der Beschränkung. Ändern sich die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen der ursprünglich der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung, kann diese nachträglich untauglich oder unbillig werden. Eine Änderung der Leistungsbestimmung oder Neubestimmung der Leistung kann daher aus Gründen der Billigkeit wegen einer Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen gestattet oder sogar geboten sein (vgl. BAG 8. Mai 2003 - 6 AZR 43/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 106, 151; 11. März 1981 - 4 AZR 1070/79 - BAGE 35, 141).

26

bb) Die Überleitung des Anspruchs auf Waisenrente ab April 2011 stellt eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen der Leistungsbestimmung nach § 12 iVm. § 10 Abs. 5 AVB dar.

27

Die infolge der Gewährung von Sozialhilfe durch den Kläger als Träger der Sozialhilfe ermöglichte und erfolgte Überleitung des Anspruchs auf Waisenrente auf den Kläger ist ein nachträglich eingetretener Umstand. Auch wenn dem Vorstand des Beklagten die persönlichen Umstände von M B einschließlich seiner Unterbringung in einer stationären Einrichtung im Zeitpunkt der Bewilligung der Waisenrente bekannt waren - wofür spricht, dass der Beklagte dem verstorbenen Vater von M B eine Kinderzulage nach § 10 Abs. 5 AVB gezahlt hat -, ändert dies nichts daran, dass die Überleitung des Anspruchs auf Waisenrente infolge der Gewährung von Sozialhilfe ein nachträglich eingetretener Umstand ist. Die Unterbringung einer hilfebedürftigen Person in einer stationären Einrichtung hat nicht zwangsläufig eine Inanspruchnahme durch den Träger der Sozialhilfe zur Folge. Soweit Leistungen an den hinsichtlich des übergeleiteten Anspruchs Berechtigten betroffen sind, setzt die Inanspruchnahme durch den Träger der Sozialhilfe einsetzbares Einkommen nach §§ 85 ff. SGB XII voraus. Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist bei Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze neben Zweckgleichheit des anderen Einkommens die Ausübung von Ermessen erforderlich. Bei einer Unterbringung in einer stationären Einrichtung soll über § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB XII hinaus in angemessenem Umfang die Aufbringung von Mitteln verlangt werden, wenn eine Person für voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf, § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Bei einer Waisenrente iHv. 85,70 Euro monatlich besteht nach diesen gesetzlichen Vorgaben jedenfalls kein Automatismus zwischen einer stationären Unterbringung und dem Einsatz eigenen Einkommens.

28

cc) Die durch die vollständige Überleitung auf den Kläger entstandene Leistungspflicht des Beklagten gegenüber dem Kläger als Träger der Sozialhilfe ist ein im Rahmen der Ermessenausübung nach § 315 Abs. 1 BGB iVm. §§ 12, 10 Abs. 5 AVB berücksichtigungsfähiger Gesichtspunkt. Die Einstellung der Waisenrente als Änderung der billigen Leistungsbestimmung wahrt die Grenzen billigen Ermessens (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung weist keinen Rechtsfehler auf.

29

(1) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen - und damit auch deren Änderung - verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat (BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28 mwN, BAGE 145, 341). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Ermessensentscheidung getroffen wird. Dem Bestimmungsberechtigten verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 243/13 - Rn. 33 mwN, BAGE 147, 128).

30

(2) Es ist umstritten, ob die Wahrung billigen Ermessens iSv. § 315 Abs. 1 BGB in der Revisionsinstanz uneingeschränkt überprüfbar ist(so BAG 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80; 13. März 2003 - 6 AZR 557/01 - zu II 1 der Gründe; 24. April 1996 - 5 AZR 1031/94 - zu 1 der Gründe; 12. September 1996 - 5 AZR 30/95 - zu 2 a der Gründe, BAGE 84, 116; 16. Oktober 1991 - 5 AZR 35/91 - zu II 2 c der Gründe), oder ob das Revisionsgericht nur zu prüfen hat, ob das Tatsachengericht den unbestimmten Rechtsbegriff des billigen Ermessens verkannt hat (BAG 12. Januar 1989 - 8 AZR 251/88 - zu B I 2 d cc der Gründe, BAGE 60, 362; 30. April 1975 - 4 AZR 351/74 -; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 10; ErfK/Koch 16. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 6). Gleichwohl besteht Einigkeit, dass die Billigkeitskontrolle in erster Linie Aufgabe der Tatsacheninstanzen ist. Die Billigkeitskontrolle erfordert die Feststellung der besonderen tatsächlichen Gegebenheiten eines Falls und deren Würdigung (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 151/10 - Rn. 33 mwN).

31

(3) Der Meinungsstreit bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Selbst wenn man vorliegend zugunsten des Klägers von einer uneingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit des Revisionsgerichts ausgeht, hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte sei berechtigt gewesen, wegen des Übergangs nach § 93 SGB XII die Zahlung der Waisenrente künftig einzustellen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

32

(a) Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen sind auf Seiten des Beklagten die Interessen des Betroffenen, dh. des Mitglieds des Beklagten und seiner weiteren Mitglieder zu berücksichtigen, wie sie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ihren Ausdruck gefunden haben. Danach steht die Unterstützung von Waisen nach Vollendung des 18. Lebensjahrs grundsätzlich im Interesse der Mitglieder, wenn es sich um Menschen mit Behinderungen handelt, die infolge ihrer Behinderung den Lebensunterhalt nicht selbst verdienen können. In Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung - wie der vorliegenden - konkretisiert sich regelmäßig das typisierte Versorgungsinteresse des betriebsrentenrechtlich zunächst versorgungsberechtigten Arbeitnehmers und dessen damit in Zusammenhang stehendes Näheverhältnis zum Hinterbliebenen (vgl. BAG 18. November 2008 - 3 AZR 277/07 - Rn. 34). Ein solches Näheverhältnis besteht zwischen dem verstorbenen Arbeitnehmer und dem Träger der Sozialhilfe nicht. Es stellt deshalb einen nach dem Zweck der Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten naheliegenden Ermessensgesichtspunkt dar, dass der Beklagte Ermessensleistungen einstellt, wenn diese vollständig nicht mehr dem Hinterbliebenen des ursprünglich versicherten Arbeitnehmers, sondern dem Träger der Sozialhilfe zugutekommen.

33

(b) Dies gilt auch unter Berücksichtigung des sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatzes.

34

Das Sozialhilferecht ist von dem Grundsatz durchzogen, dass jeder nur insoweit staatliche Hilfe beanspruchen kann, als er die betreffenden Aufwendungen, insbesondere den Lebensunterhalt, nicht durch den Einsatz eigener Einkünfte und eigenen Vermögens bestreiten kann, er somit bedürftig ist. Sozialhilfe ist folglich nachrangig bzw. subsidiär. Das findet seinen Niederschlag in § 2 SGB XII. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift bleiben Verpflichtungen anderer von der Sozialhilfegewährung unberührt; auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil das Sozialhilferecht entsprechende Leistungen vorsieht. Zivilrechtliche Gestaltungen können mit diesem Grundsatz in Konflikt geraten, etwa wenn sie darauf gerichtet sind, die Bedürftigkeit einer Person gezielt herbeizuführen.

35

Der Nachranggrundsatz ist indessen schon im Sozialhilferecht selbst in erheblichem Maße durchbrochen (BGH 21. März 1990 - IV ZR 169/89 - zu II 2 c bb der Gründe, BGHZ 111, 36), vom Gesetzgeber für die unterschiedlichen Leistungsarten differenziert ausgestaltet und nicht überall beibehalten worden, weshalb dem Subsidiaritätsprinzip als Grundsatz die Prägekraft - jedenfalls im Hinblick auf behinderte Menschen - weitgehend genommen worden ist (BGH 20. Oktober 1993 - IV ZR 231/92 - zu III 2 a der Gründe, BGHZ 123, 368). Gerade bei Hilfebeziehern mit Behinderungen lässt sich keine hinreichend konsequente Durchführung des Nachrangs der öffentlichen Hilfe entnehmen (BGH 19. Januar 2011 - IV ZR 7/10 - Rn. 23, BGHZ 188, 96). Der Gesetzgeber respektiert bei allen Leistungsarten Schonvermögen des Leistungsempfängers, seines Ehegatten und seiner Eltern. Bei Leistungen für behinderte Menschen ist der Einsatz eigenen Vermögens zudem auf das Zumutbare begrenzt und vor allem die Überleitung von Unterhaltsansprüchen - insbesondere gegenüber den Eltern des Behinderten - nur in sehr beschränktem Umfang möglich (§ 19 Abs. 3, §§ 92, 94 Abs. 2 SGB XII). Dies lässt erkennen, dass die mit der Versorgung, Erziehung und Betreuung von behinderten Kindern verbundenen wirtschaftlichen Lasten zu einem gewissen Teil endgültig von der Allgemeinheit getragen werden sollen (vgl. BGH 20. Oktober 1993 - IV ZR 231/92 - aaO).

36

Bei einer am Versorgungszweck der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ausgerichteten Ermessensentscheidung, die zur Einstellung von Leistungen führt, die vollständig auf den Träger der Sozialhilfe übergeleitet werden, greift der Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe daher nicht durch.

37

(4) Für die Frage der Billigkeit der Ermessensentscheidung des Beklagten, die Waisenrente an M B ab April 2011 nicht mehr zu gewähren, ist es ausreichend, dass der Kläger die Überleitung im Jahr 2011 allein gegenüber dem Beklagten vorgenommen hat. Mit dem gegenüber dem Beklagten angezeigten Überleitungsinteresse des Klägers wurde der Versorgungszweck der Hinterbliebenenleistung infrage gestellt. Sollte die Überleitung gegenüber M B letztlich keine Wirksamkeit - mehr - entfalten, müsste der Beklagte eine neuerliche Ermessensentscheidung treffen und dabei berücksichtigen, dass der nachträglich eingetretene Umstand, der ihn zulässigerweise zur Einstellung der Waisenrente bewogen hat, entfallen wäre.

38

III. Die Kostenentscheidung folgt für die Revision aus § 97 Abs. 1 ZPO und für die Vorinstanzen aus § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Im Hinblick auf die vom Landesarbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung unterlassene Kostenentscheidung hat der Senat aus Gründen der Klarstellung den Kostenausspruch für den gesamten Rechtsstreit neu gefasst und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt     

        

        

        

    Blömeke     

        

    H. Trunsch     

                 

Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.