Strafrecht: Zur Mitverfügungsbefugnis mehrerer Erwerber im Rahmen der Hehlerei

bei uns veröffentlicht am21.03.2015

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Der Hehler verschafft sich die Sache, wenn er sie zur eigenen Verfügungsgewalt erlangt.
Der BGH hat mit Beschluss vom 15.03.2005 (Az: 4 StR 64/05) folgendes entschieden:

Der Hehler verschafft sich die Sache, wenn er sie zur eigenen Verfügungsgewalt erlangt. Für die Übertragung an mehrere Personen genügt es, wenn diese untereinander Mitverfügungsbefugnis erlangen. Erlangt der Hehler eine Vielzahl von Waren aus mehreren Vortaten in einem Akt, liegt nur eine Hehlerei vor.


Tatbestand

Nach den Feststellungen der Vorinstanz haben die Angeklagten in 628 Fällen Kraftfahrzeugteile verkauft, die von den Vortätern in einer Vielzahl von Fällen bei der geschädigten Firma entwendet und an die Angeklagten gegen Bezahlung geliefert worden waren. Die Angeklagten haben sich demnach wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in Form des „Sich-Verschaffens“ schuldig gemacht. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten.


Entscheidungsgründe

Die Verurteilung der Angeklagten aufgrund gewerbsmäßiger Hehlerei ist rechtsfehlerhaft. Zum einen unterlag das Landgericht einem Zählfehler, indem es im Urteil von 628 anstatt richtigerweise von 626 Fällen ausgegangen ist. Zudem stützt das Landgericht seine Verurteilung wegen Hehlerei darauf, dass die Angeklagte die von den Vortätern erlangten Kraftfahrzeuge verkaufte („absetzen“). Richtigerweise hat die Angeklagte die Hehlerei aber nicht erst durch den Verkauf der von den Vortätern erworbenen Kraftfahrzeugteile verwirklicht, sondern bereits durch deren Ankauf („Sich-verschaffen“) von den Vortätern. Diese erfolgt dadurch, dass der Hehler die tatsächliche Sachherrschaft (Verfügungsgewalt) über die Hehlerware erlangt. Der Vortäter muss dabei jede Möglichkeit verlieren, auf die Sache einzuwirken. Dem steht nicht entgegen, dass die Vortäter die Sache an eine Mehrheit von Personen (Hehler) übergibt. Denn für die Übergabe der Sachen genügt es, dass diese untereinander auf die Sache zugreifen können (Mitverfügungsbefugnis). Schließlich macht sich ein Hehler, der jeweils mehrere aus einer oder aus verschiedenen Vortaten stammende Sachen in einem Akt erlangt, nur wegen einer Hehlerei strafbar macht. Die Sache bedarf daher einer neuen Verhandlung.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des LG Paderborn vom 22. 11. 2004, auch soweit es den Angeklagten Alexej W. betrifft, mit den Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zu den 626 Einzelverkäufen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.


Gründe:

Das LG hat die Angeklagte und den früheren Mitangeklagten Alexej W. jeweils der gewerbsmäßigen Hehlerei in 628 Fällen schuldig gesprochen. Es hat die Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und den Angeklagten Alexej W., der keine Revision eingelegt hat, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt gem. § 357 StPO auch zu Gunsten des früheren Mitangeklagten Alexej W. zur Aufhebung des Urteils; jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den insgesamt 626 Fällen des Verkaufs von Diebesgut durch dessen Versteigerung im Internet bestehen bleiben.

Der Schuldspruch wegen mittäterschaftlich begangener gewerbsmäßiger Hehlerei in 628 Fällen hat keinen Bestand. Die Annahme des LG, jeder der allerdings nicht 628, wie es in der verkündeten Urteilsformel auf Grund eines Zählfehlers heißt (UA 23), sondern 626 Verkäufe von Kraftfahrzeugteilen, die von den Vortätern in den Jahren 2001 bis Mai 2004 „in einer Vielzahl von Fällen“ (UA 6) bei der geschädigten Firma entwendet und an die Angeklagten gegen Bezahlung geliefert worden waren, begründe eine rechtlich selbständige Hehlerei in der Form des Sichverschaffens, ist rechtsfehlerhaft.

Unzutreffend ist schon der rechtliche Ansatz, dass die Angeklagte den Tatbestand des Sich-verschaffens (auch) durch die Verkäufe von den Vortätern erworbenen Diebesgutes im Rahmen ihres arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit dem Mitangeklagten verwirklicht hat. Der Tatbestand der Hehlerei in der hier vorliegenden Begehungsform des Ankaufens, das lediglich einen Unterfall des Sich-verschaffens darstellt, setzt vielmehr nur voraus, dass der Hehler die Sache zu eigener tatsächlicher Herrschaft und Verfügungsgewalt vom Vortäter dergestalt erwirbt, dass dieser jede Möglichkeit verliert, auf die Sache einzuwirken (BGHSt 27, 160, 163). Überträgt der Vortäter wie hier die Sache an eine Mehrheit von Personen, so genügt es, wenn diese untereinander Mitverfügungsbefugnis erlangen (BGHSt 35, 172, 175). Damit ist die Hehlerei in der Form des Ankaufens vollendet (vgl. Lauer aaO Rdnr. 115). Erwirbt ein Hehler jeweils mehrere aus einer oder aus verschiedenen Vortaten stammende Sachen in einem Akt, liegt nur eine Hehlerei vor (vgl. BGH, Beschluss vom 5. 5. 1998 5 StR 157/98).

Demgemäß hat die Angeklagte den Tatbestand der (gewerbsmäßigen) Hehlerei nicht erst durch die Verkäufe jeweils eines oder mehrerer der von den Vortätern erworbenen Kraftfahrzeugteile verwirklicht, sondern durch deren Ankauf (vgl. BGHR StGB § 259 Abs. 1 „Sich-verschaffen“). Nach den bisherigen Feststellungen wurden aber in dem Tatzeitraum von den Vortätern mehrfach Kraftfahrzeugteile entwendet, von einem der Täter mit einem Lastkraftwagen an die Angeklagten ausgeliefert und von diesen in der Garage des Mitangeklagten sowie in einem Keller der Angeklagten eingelagert. Danach liegt es nahe, dass die Lieferungen einen erheblichen Umfang hatten und dass jeweils mehrere der 626 Verkäufe dieselbe Lieferung betrafen.

Das Landgericht hätte daher nähere Feststellungen zu Anzahl und Umfang der Erwerbsakte treffen müssen. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass „konkrete zeitliche Feststellungen“ dazu, wann das jeweils verkaufte Diebesgut in den Besitz der Angeklagten gelangt sei, nicht getroffen werden konnten (UA 7), hätte es jedenfalls – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes – die Mindestzahl der zugrunde liegenden Erwerbsakte feststellen müssen. Wenn sich die Verteilung des festgestellten Gesamtschadens (Wert der verkauften und der bei Durchsuchungen bei den Angeklagten sichergestellten Kraftfahrzeugteile [UA 18/22]) auf die einzelnen Erwerbsakte einer genauen Feststellung entzog, hätte eine Zuordnung im Wege der Schätzung erfolgen müssen.

Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.



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Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 259 Hehlerei


(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu

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(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.

(3) Der Versuch ist strafbar.