BFH: Geschäftsführerhaftung für Steuerausfälle in der GmbH-Krise

published on 26/04/2007 15:20
BFH: Geschäftsführerhaftung für Steuerausfälle in der GmbH-Krise
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Rechtsanwalt für Insolvenzrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Durch Urteil vom 23.9.2008 -- VII R 27/07 -- hat der BFH entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH für die Abführung der Lohnsteuer auch bei Insolvenzreife der GmbH persönlich einstehen muss. Erst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Bestellung eines Insolvenzverwalters enthebt ihn dieser Pflicht. Das Urteil bedeutet eine Fortentwicklung der bisherigen BFH-Rechtsprechung in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des BGH, nach der die Lohnsteuerzahlung auch in insolvenzreifer Zeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar ist und damit nicht mehr zur Haftung gegenüber der GmbH führt.


Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger war zusammen mit einem weiteren Gesellschafter Geschäftsführer einer GmbH. Neben ihm und dem anderen Geschäftsführer hielt ein dritter Gesellschafter die übrigen 75 % der Gesellschaftsanteile (Mehrheitsgesellschafter).

Die Lohnsteueranmeldung der GmbH für Juli 2001 über insgesamt umgerechnet ca. 79 250 € ging am 6. August 2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Am 10. August 2001 stellten die Geschäftsführer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, einen Monat später wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und am 31. Oktober 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Wegen der am Tag des Eröffnungsantrags fälligen, nicht abgeführten Lohnsteuer für Juli 2001 nahm das FA die Geschäftsführer gemäß §§ 69, 34, 35 der Abgabenordnung (AO) in Haftung. Nach erfolglosem Einspruch legte der Kläger im Klageverfahren dar, dass ihm keine grob fahrlässige Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, weil der Mehrheitsgesellschafter die rund 8 Mio. € Schulden der GmbH durch Darlehen mit Rangrücktritt gesichert und die Liquidität noch durch Zahlung eines Teilbetrags von 350 000 DM auf ein am 29. Juni 2001 vereinbartes Darlehen über 950 000 DM aufrechterhalten habe, bevor er eine Woche später, am 3. August 2001, überraschend bekannt gegeben habe, die weitere Finanzierung nicht länger abdecken zu können. Am 31. Juli 2001 seien liquide Mittel in Höhe von (umgerechnet) ca. 69 000 € und am 31. August 2001 in Höhe von ca. 147 000 € vorhanden gewesen, außerdem habe bei der Hausbank kurzfristig ein Darlehen aufgenommen werden können. Im Zeitpunkt des Insolvenzantrags habe die GmbH somit über genügend Mittel verfügt, die Lohnsteuer 7/2001 zu zahlen. Lediglich aufgrund der bei der Insolvenzrichterin und dem späteren Insolvenzverwalter (Insolvenzverwalter) am Tage der Antragstellung eingeholten --unter Beweis gestellten-- Auskünfte hätten er und der Mitgeschäftsführer sich nicht länger berechtigt gefühlt, Zahlungen für die GmbH anzuweisen.

Das Finanzgericht (FG) hob den Bescheid auf, soweit der Kläger für Säumniszuschläge in Haftung genommen worden war, wegen der Hauptforderungen blieb die Klage erfolglos. Das FG urteilte, der Kläger habe pflichtwidrig und grob fahrlässig unterlassen, die für den Monat Juli 2001 einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer bis zum 10. des Folgemonats an das FA abzuführen. Daran ändere die Stellung des Insolvenzantrags am 10. August 2001 nichts, da die bloße Antragstellung auf die Verfügungsbefugnis des Geschäftsführers keinen Einfluss habe. Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht. So habe die Vernehmung der Insolvenzrichterin zwar bestätigt, dass am 10. August 2001 ein Gespräch stattgefunden habe, der Inhalt sei jedoch unklar geblieben, da sie sich an den Vorfall nicht mehr habe erinnern können. Auch habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Insolvenzverwalter dem Kläger anlässlich des Gesprächs am 13. August 2001 untersagt habe, die Lohnsteuer 7/2001 zu zahlen. Abgesehen davon, dass Geschehnisse nach dem Fälligkeitstag und damit nach Vollendung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung die Haftung nicht nachträglich entfallen lassen könnten, habe sich der Insolvenzverwalter nicht konkret an dieses Gespräch erinnert. Die von ihm für möglich gehaltene Aussage, er selbst würde --wenn er in der Position des Geschäftsführers wäre-- im Hinblick auf eine mögliche Insolvenzanfechtung oder eine etwaige Schadenersatzpflicht nach § 64 Abs. 2 des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht mehr zahlen, habe beim Kläger allenfalls den Eindruck erwecken können, es sei besser, die Lohnsteuer nicht zu zahlen. Wenn dem so gewesen sei, beruhe die Nichtzahlung der Lohnsteuer jedoch auf der freien Entscheidung des Klägers und nicht auf einem Irrtum über seine Verfügungsberechtigung. Zudem lege die Aussage des für die Bezahlung der Verbindlichkeiten der GmbH seinerzeit zuständigen Mitarbeiters ein mögliches Motiv für die Nichtzahlung der Lohnsteuer und damit eine bewusste Entscheidung, nicht aber einen Rechtsirrtum des Klägers offen, nämlich in Absprache mit dem Insolvenzverwalter jegliche Schmälerung der Insolvenzmasse durch irgendwelche Zahlungen zu unterlassen und dafür mehr Zeit für die Suche nach neuen Investoren zu bekommen.

Entschuldigungsgründe für den Kläger ergäben sich auch nicht daraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung möglicherweise mit privatrechtlichen Schadenersatzverpflichtungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG konkurriere.

Die Kausalität der Nichtzahlung der Lohnsteuer für den Steuerausfall entfalle schließlich nicht schon wegen hypothetischer Anfechtung der Lohnsteuerzahlung durch den Insolvenzverwalter nach § 130 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO), zumal Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 InsO am 10. August 2001 noch nicht vorgelegen habe.

Mit der Revision beruft sich der Kläger zunächst auf die fehlende Kausalität der Nichtabführung der Lohnsteuer für den Steuerausfall. Diese Zahlung hätte vom Insolvenzverwalter später gemäß § 130 InsO angefochten werden können, weil im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer wegen der gekündigten weiteren Kreditierung durch den Mehrheitsgesellschafter am 3. August 2001 und Ausbleiben der für diese Woche avisierten Zahlung der --u.a.-- durch die Fälligkeit der Lohnsteuer gegebene Liquiditätsbedarf nicht mehr habe gedeckt werden können. Weiter legt der Kläger unter Berufung auf das Senatsurteil vom 27. Februar 2007 VII R 67/05 (BFHE 216, 491) dar, dass vom Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer und zugleich der Zahlungsunfähigkeit der GmbH an in der Nichtabführung für einen Zeitraum von drei Wochen kein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers gelegen habe, da er sich in diesem Zeitraum noch innerhalb der Schonfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG (zur Massesanierung) befunden habe. Zwar seien am 10. August 2001 noch liquide Mittel vorhanden gewesen, um die Lohnsteuer für den Monat Juli 2001 zu zahlen, aber bezogen auf die Gesamtverbindlichkeiten habe Zahlungsunfähigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestanden, weil die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke mehr als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten betragen habe (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 24. Mai 2005 IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134).

Schließlich macht der Kläger geltend, dass das FG bei gehöriger Würdigung der Zeugenaussagen zu dem Ergebnis habe kommen müssen, dass er sich aufgrund seiner Rückfragen bei der Richterin und dem Insolvenzverwalter in einem entschuldbaren Rechtsirrtum darüber befunden habe, dass ihm Zahlungen an Gläubiger untersagt seien. Nach seinem Verständnis sei er nach den von ihm eingeholten Informationen seitens zweier kompetenter Personen nicht mehr in der Situation gewesen, eine freie Entscheidung über die Zahlung oder Nichtzahlung der Lohnsteuer zu treffen.

Das FA weist darauf hin, dass seit dem BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 VII R 65/05 (BFHE 217, 233, BStBl II 2008, 273) geklärt sei, dass hypothetische Kausalverläufe die Haftungsinanspruchnahme nach §§ 69, 34 AO nicht in Frage stellen könnten und der BGH zwischenzeitlich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden habe, dass ein Geschäftsführer, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft Lohnsteuer abführe, "erlaubte" Zahlungen leiste und damit der Gesellschaft gegenüber nicht nach § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig sei. Demnach habe sich der Kläger in keiner die Nichtabführung der Lohnsteuer entschuldigenden Pflichtenkollision befunden. Die Pflichtverletzung beruhe demzufolge auch nicht auf einem aus den bei der Richterin und dem Insolvenzverwalter eingeholten Informationen herrührenden, entschuldbaren Rechtsirrtum, zumal diese Personen nach Aktenlage und dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Anweisungen erteilt, sondern lediglich Ratschläge bzw. Empfehlungen abgegeben hätten. 

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Kläger als Geschäftsführer der GmbH zur Abführung der einbehaltenen und angemeldeten Lohnsteuer 7/2001 am 10. August 2001 verpflichtet war. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalles kann die Nichterfüllung dieser Pflicht aber nicht als grob fahrlässig gewertet werden.

1. Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Den Geschäftsführer einer GmbH trifft --u.a.-- die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes).

a) Durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Tag der Fälligkeit der Lohnsteuer war der Kläger rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuer abzuführen. Allein der Antrag schränkt den Geschäftsführer in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist erst einen Monat später bestellt worden.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten im Regelfall eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 216, 491, m.w.N.). Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an dieser Pflicht des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus.

c) Die Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet allerdings dann keine Haftung nach §§ 69, 34 AO, wenn der Steuerausfall mangels ausreichender Zahlungsmittel der GmbH unabhängig davon eintritt, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil in BFHE 216, 491; vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, m.w.N.).

aa) Es ist indes nicht festgestellt, dass ausreichende Zahlungsmittel für die Begleichung der Lohnsteuer nicht vorhanden waren. Der Kläger hat vielmehr selbst eingeräumt, dass bei Fälligkeit der Lohnsteuer 7/2001 der GmbH noch die erforderlichen Mittel zur Zahlung der angemeldeten Lohnsteuer zur Verfügung standen.

bb) Es ist auch nicht erheblich, dass nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt wird (BGH-Urteil in BGHZ 163, 134), denn für die Frage, ob die Pflichtverletzung des Geschäftsführers für den Steuerausfall kausal ist, weil der Fiskus mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens der GmbH ohnehin leer ausgegangen wäre, kommt es allein darauf an, ob bei Fälligkeit der Steuerforderung der geschuldete Betrag zur Auszahlung verfügbar ist. Das aber war auch nach dem Vorbringen der Revision am 10. August 2001 trotz der behaupteten Liquiditätslücke der Fall.

cc) Die Haftung des Geschäftsführers entfällt auch nicht infolge einer im Falle der Entrichtung der Lohnsteuer zum Fälligkeitstermin möglichen Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO. Die bloße Möglichkeit der Insolvenzanfechtung hindert nicht, den durch die pflichtwidrige Nichtabführung eingetretenen Steuerausfall dem Geschäftsführer zuzurechnen (keine Berücksichtigung von hypothetischen Kausalverläufen vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18, m.w.N).

d) Der Senat hat erwogen, ob die Lohnsteuerabführungspflicht des Geschäftsführers mit der Stellung des Insolvenzantrags suspendiert sein könnte.

In seinem Urteil in BFHE 216, 491 hat der Senat entschieden, dass das zivilrechtliche Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine Haftung wegen Nichtzahlung fälliger Steuern allenfalls innerhalb der dreiwöchigen Schonfrist, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingeräumt ist, ausschließt. Das könnte es jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Geschäftsführer nach den Feststellungen des FG den Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit "freiwillig" gestellt hat (Eröffnungsgrund nach § 18 InsO), im Sinne eines "Erst-recht-Schlusses" nahelegen, auch hier eine dreiwöchige Suspendierung der Lohnsteuerabführungspflicht anzunehmen.

Allerdings hat der BGH inzwischen entschieden (Urteil vom 14. Mai 2007 II ZR 48/06, Deutsches Steuerrecht 2007, 1174, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 1242), dass selbst für diesen Zeitraum die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers wegen Steuerabführung entfalle, weil dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden könne, die Massesicherungspflicht nach § 92 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG), § 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB), aus §§ 34, 69 AO oder der Bestrafung nach § 266a StGB aussetze; sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei § 92 Abs. 3 AktG, § 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.

2. Die Auffassung des FG, dass die Pflichtverletzung des Klägers auch im Streitfall die grobe Fahrlässigkeit indiziert, weil er keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe glaubhaft machen konnte, hält jedoch der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die subjektive Voraussetzung der Haftung nach § 69 AO, die zumindest grobe Fahrlässigkeit bei der die Haftung begründenden Pflichtverletzung, ist zwar regelmäßig zu bejahen, wenn die auf die ausgezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuern nicht abgeführt werden. Die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens eines gesetzlichen Vertreters indiziert im Allgemeinen den Schuldvorwurf (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540, m.w.N.). Das schließt allerdings nicht aus, dass besondere, vom Kläger glaubhaft zu machende Gründe im Einzelfall die Pflichtverletzung entschuldigen oder nur den Vorwurf leichter Fahrlässigkeit rechtfertigen.

Die Feststellung der Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ist Sache des Tatsachengerichts und mit der Revision nur bedingt angreifbar. Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt nur die Frage, ob das FG den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt allgemein vor, wenn der Schuldner bei seinem Handeln ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt oder beiseite schiebt und dasjenige unbeachtet lässt, was sich im gegebenen Fall jedermann aufgedrängt hätte, so dass von einer subjektiv schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung auszugehen ist (vgl. BGH-Beschluss vom 27. September 2007 IX ZB 243/06). Nach der BFH-Rechtsprechung zu § 69 AO ist dementsprechend grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Geschäftsführer die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. Beschluss vom 18. Januar 2008 VII B 63/07, BFH/NV 2008, 754, m.w.N.).

Diese Grundsätze hat das FG bei der Beurteilung des klägerischen Verhaltens als grob fahrlässige Verletzung der Lohnsteuerabführungspflicht nicht hinreichend beachtet. Es hat unter den im Streitfall gegebenen besonderen Umständen zu hohe Anforderungen an die Sorgfalt gestellt, die von einem Geschäftsführer zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten erwartet werden konnte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 754; Urteil vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978).

Der Würdigung der Beweisaufnahme durch das FG ist zu entnehmen, dass es als Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgrund nur einen Rechtsirrtum des Klägers über seine Verfügungsberechtigung nach Stellung des Insolvenzantrags in Betracht gezogen hat. Es hat nur dazu Beweis erhoben, ob die Insolvenzrichterin und/oder der Insolvenzverwalter dem Kläger auf Nachfrage geraten haben, er solle nunmehr alle Zahlungen unterlassen. Nachdem die Beweisaufnahme diese Auskunft nicht zur Überzeugung des FG ergeben hat, hat es nicht hinreichend in Betracht gezogen, ob angesichts der seinerzeit noch nicht aufgelösten Pflichtenkollision zwischen Massesicherung und Steuerzahlung, der sich ein Geschäftsführer in insolvenzreifer Zeit ausgesetzt sah, die nachgewiesenen Aktivitäten des Klägers in der finanziellen Krise seiner GmbH geeignet und ausreichend waren, um die grobe Fahrlässigkeit der Nichtabführung der Lohnsteuer auszuschließen. Aus Rechtsgründen bestand dazu Veranlassung, da das FG selbst dem Kläger attestiert hat, sich mit der frühen Antragstellung sehr umsichtig verhalten zu haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Streitjahr 2001 in der zivilrechtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH-Urteil vom 8. Januar 2001 II ZR 88/99, BGHZ 146, 262) die Auffassung bestand, dass sich der Geschäftsführer, der in insolvenzreifer Zeit Steuern an das FA abführt, der GmbH gegenüber in voller Höhe gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG schadenersatzpflichtig macht. Andererseits war gefestigte Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung nicht dadurch entfällt, dass sie möglicherweise mit einer privatrechtlichen Schadenersatzverpflichtung gemäß § 64 GmbHG konkurriert (Urteil vom 20. April 1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142; Beschluss in BFH/NV 1999, 745). Dem Kläger, der sich angesichts dieser unterschiedlichen Normbefehle einer vermeintlich unabwendbaren Haftungsdrohung ausgesetzt sah, kann jedenfalls nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden, wenn er die Pflicht zur Lohnsteuerabführung angesichts dieser Unklarheit über seine Pflichten entsprechend den von dem erkennenden Senat in BFHE 216, 491 angestellten Überlegungen nicht unverzüglich erfüllte, sondern --ohne überhaupt die ihm dort eingeräumte Drei-Wochen-Frist in Anspruch zu nehmen-- die Maßnahmen des Insolvenzgerichts abwartete.

Auch ein diesbezüglich eingeholter seriöser Rechtsrat hätte nur ergeben können, dass bei noch vorhandener Liquidität der GmbH die abgabenrechtliche Haftung des Geschäftsführers jedenfalls bis zur Stellung des Insolvenzantrags von der bisherigen BFH-Rechtsprechung grundsätzlich bejaht worden war, während die Möglichkeit einer Haftungsfreistellung im Falle eines am Tag der Fälligkeit der Steuerschuld gestellten Insolvenzantrags in der Rechtsprechung noch nicht behandelt, folglich auch noch nicht abgelehnt worden war. Dass der Kläger diesen Weg eingeschlagen hat in der Annahme, durch die Stellung des Insolvenzantrags von seinen Zahlungspflichten --auch gegenüber dem Fiskus-- frei zu kommen, muss in dieser besonderen Situation bei der Beurteilung des Verschuldens des Klägers zu seinen Gunsten berücksichtigt werden und schließt im Streitfall ausnahmsweise die haftungsbegründende grobe Fahrlässigkeit i.S. der §§ 69, 34 AO aus.

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Artikel zu Wirtschaftsrecht

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Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

BUNDESGERICHTSHOF

 

Urteil vom 24.05.2005

Az.: IX ZR 123/04

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Mai 2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Beklagte ist alleiniger Geschäftsführer und hälftiger Gesellschafter der J. GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese wurde von der K.

GmbH beauftragt, für ein Entgelt von -zunächst -1.980.000 DM Konstruktionsleistungen für die Automobilindustrie zu erbringen. Sie schaltete ihrerseits die S. und die SW. GmbH als Subunternehmer ein. Wegen der Abwicklung des Auftrags kam es zu einem Rechtsstreit zwischen der Schuldnerin und K. , der am 9. September 1999 vergleichsweise wie folgt beendet wurde: Die Schuldnerin verpflichtete sich, die vertragliche Leistung bis 14. September 1999 zur Verfügung zu stellen.

K. verpflichtete sich, an die Schuldnerin bis 15. September 1999 700.000 DM zu zahlen und bis zum 30. September 1999 weitere 700.000 DM, von denen sie allerdings 400.000 DM sollte zurückbehalten dürfen, sofern sie die Leistung für nicht in Ordnung befinden und deswegen eine "qualifizierte Rüge" erheben sollte. Auf weitergehende Ansprüche von angeblich 2,6 Mio. DM verzichtete die Schuldnerin. K. , die von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machte, zahlte auf den Vergleich insgesamt 1 Mio. DM, davon 305.090,70 DM unmittelbar an eine Gläubigerin der Schuldnerin.

Die Buchhaltung der Schuldnerin ermittelte zum 9. September 1999 Verbindlichkeiten in Höhe von 2.659.151,25 DM. Dem standen gegenüber liquide Mittel und kurzfristig einbringliche Forderungen in Höhe von 1.122.323,04 DM. Dabei waren die Zahlungen der K. in Höhe von 1 Mio. DM bereits berücksichtigt. Neben diesen Aktiva waren nur noch Vorräte und Anlagevermögen mit einem Fortführungswert von insgesamt 11.124 DM vorhanden.

Später zahlte der Beklagte an verschiedene Gläubiger 1.175.076,68 DM. Nach seinem Vortrag stellte er für die Schuldnerin Ende Dezember 1999 wegen "drohender Zahlungsunfähigkeit" Insolvenzantrag. Mit Beschluß vom 1. März 2000 wurde das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger, welcher der Auffassung ist, die Schuldnerin sei -wie der Beklagte gewußt habe -bereits mit Abschluß des für sie äußerst nachteiligen Vergleichs zahlungsunfähig und überschuldet gewesen, verlangt von dem Beklagten nach § 64 Abs. 2 GmbHG Schadensersatz in Höhe von 600.807,17 € (= 1.175.076,68 DM). Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage -teilweise Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Forderungen aus Insolvenzanfechtung -stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner zugelassenen Revision.

Gründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat sein Urteil darauf gestützt, nach Abschluß des Vergleichs mit K. am 9. September 1999 sei die Schuldnerin zahlungsunfähig gewesen. Sie habe über liquide Mittel in Höhe von 1.282.323,04 DM verfügt. Dabei sei nur die später von K. bezahlte Summe von 1 Mio. DM zuzüglich Mehrwertsteuer, nicht jedoch der mit dem Vorbehalt eines Zurückbehaltungsrechts versprochene -und bis heute nicht bezahlte -Betrag von 400.000 DM (netto) zu berücksichtigen gewesen. Diesen liquiden Mitteln hätten nach eigener Darstellung des Beklagten fällige Verbindlichkeiten von 1.411.627,33 DM gegenübergestanden. Die danach vorhandene Unterdeckung von 129.304,29 DM -dies entspreche 9,2 % der Verbindlichkeiten -sei nicht unwesentlich.

II.

Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit in § 64 GmbHG kann nicht anders verstanden werden als in § 17 InsO. Denn für den Beginn des den Geschäftsführer treffenden Zahlungsverbots genügt in objektiver Hinsicht die bestehende Insolvenzreife (vgl. BGHZ 143, 184, 185; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG 16. Aufl. § 64 Rn. 1).

a) Nach früherem Recht setzte der Konkursgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 102 KO) voraus, daß der Schuldner dauernd unvermögend war, seine Zahlungsverpflichtungen im wesentlichen zu erfüllen (RG JW 1934, 841; BGHZ 118, 171, 174; BGH, Urt. v. 22. November 1990 -IX ZR 103/90, ZIP 1991, 39, 40; v. 11. Juli 1991 -IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014; BGHSt 31, 32). Dabei wurden die verfügbaren Mittel zu den insgesamt fälligen Zahlungsverbindlichkeiten ins Verhältnis gesetzt. Es mußte ermittelt werden, ob die Zahlung oder die Nichtzahlung Regel oder Ausnahme war (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 28; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 102 Rn. 2a). Im Schrifttum wurde Zahlungsunfähigkeit angenommen, wenn 10 % bis 25 % der fälligen Forderungen ungedeckt waren (vgl. die Nachweise bei Kuhn/Uhlenbruck, aaO).

b) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Auf die Merkmale der "Dauer" und der "Wesentlichkeit" hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Himmelsbach/Thonfeld NZI 2001, 11 f; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch 2. Aufl. § 6 Rn. 6). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 und § 21 RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst -und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, daß eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Andererseits hielt man es für untunlich, das Erfordernis der andauernden Unfähigkeit zur Erfüllung der fälligen Zahlungspflichten zu betonen, weil dies als Bestätigung der verbreiteten Neigung hätte verstanden werden können, den Begriff der Zahlungsunfähigkeit stark einzuengen und damit eine etwa auch über Wochen oder sogar Monate fortbestehende Illiquidität zur rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung zu erklären. Eine solche Auslegung würde nach der Gesetzesbegründung das Ziel einer rechtzeitigen Verfahrenseröffnung erheblich gefährden. Ferner ist der Gesetzgeber davon ausgegangen (Begr. zu § 20 und § 21 RegE, aaO), daß "ganz geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht bleiben müssen". Es erscheine jedoch "nicht gerechtfertigt, Zahlungsunfähigkeit erst anzunehmen, wenn der Schuldner einen bestimmten Bruchteil der Gesamtsumme seiner Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann".

c) Demgemäß wird verbreitet davon ausgegangen, zahlungsunfähig sei ein Schuldner, wenn ihm die Erfüllung der fälligen Zahlungspflichten wegen eines objektiven, kurzfristig nicht zu behebenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht möglich sei. Um dies festzustellen, werden im Rahmen einer Liquiditätsbilanz die aktuell verfügbaren und kurzfristig verfügbar werdenden Mittel in Beziehung gesetzt zu den an demselben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (Harz ZInsO 2001, 193, 196; MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 10; HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 17 Rn. 24; Gottwald/Huber, aaO § 47 Rn. 10). Zahlungsunfähig ist danach auch ein Schuldner, der nur einen Gläubiger hat und außerstande ist, diesen zu befriedigen (HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO § 17 Rn. 17; vgl. ferner BGHZ 149, 178, 185). Eine Quote zum Ausscheiden "ganz geringfügiger Liquiditätslücken" wird teilweise ganz abgelehnt (Temme, Die Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung 1997 S. 35 ff; Bieneck Strafverteidiger 1999, 43, 44; Niesert ZInsO 2001, 738 f; MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 15, 22; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 17 Rn. 10; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 17 Rn. 13; FK-InsO/ Schmerbach, 3. Aufl. § 17 Rn. 21; Braun/Kind, InsO 2. Aufl. § 17 Rn. 11; wohl auch Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 17 Rn. 16). Andere halten für "ganz geringfügig" eine Quote von unter 5 % (AG Köln NZI 2000, 89, 91; Hess/Weis/ Wienberg, InsO 2. Aufl. § 17 Rn. 17; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts 4. Aufl. S. 71; Nerlich/Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 18), unter 10 % (HKInsO/Kirchhof, § 17 Rn. 20), bis zu 20 % (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung 3. Aufl. Kap. 1 Rn. 85) oder bis zu 25 % (LG Augsburg DZWIR 2003, 304; Harz ZInsO 2001, 193, 196). Vereinzelt wird auch eine Rückkehr zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit nach der Konkursordnung befürwortet (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 15). Der Bundesgerichtshof hatte bislang keinen Anlaß, sich zu diesen Fragen zu äußern (vgl. BGHZ 149, 178, 187).

2. Nach Auffassung des Senats ist daran festzuhalten, daß eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben läßt, lediglich als Zahlungsstockung gilt und keinen Insolvenzeröffnungsgrund darstellt (Uhlenbruck, aaO § 17 Rn. 9; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 17 Rn. 11; HKInsO/Kirchhof, § 17 Rn. 18; Hess/Weis/Wienberg, aaO § 17 Rn. 2; Scholz/

K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 64 Rn. 11 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 6. Aufl. § 63 Rn. 26; a.A. Münchkomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 22; Nerlich/ Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 14; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG 16. Aufl. § 64 Rn. 9).

a) Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein muß, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wird, ist unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGHZ 149, 100, 108; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1998 -IX ZR 313/97, WM 1999, 12, 14; v. 4. Oktober 2001 -IX ZR 81/99, WM 2001, 2181, 2182). Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung wollte diesen Zeitraum verkürzen (vgl. oben 1 b sowie BGHZ 149, 178, 187). Als Zahlungsstockung ist deshalb nur noch eine Illiquidität anzusehen, die den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen (HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 18; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 17 Rn. 17). Eine Frist von einem Monat (für deren Beibehaltung Gottwald/Huber, aaO § 47 Rn. 9) oder gar von drei Monaten (dafür Harz ZInsO 2001, 193, 197) ist hierfür zu lang. Wieder andere halten eine Zahlungsstockung bereits jenseits einer Frist von ein bis zwei Wochen nicht mehr für gegeben (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO Kap. 1 Rn. 86). Dies erscheint zu kurz. Als Zeitraum für die Kreditbeschaffung sind zwei bis drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend (LG Bonn ZIP 2001, 346; Burger/Schellberg BB 1995, 261, 262 f, 567; Temme aaO S. 30; Uhlenbruck, aaO § 17 Rn. 9, 18; Kübler/ Prütting/Pape, aaO § 17 Rn. 11; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 18; FK-InsO/ Schmerbach, aaO § 17 Rn. 17; Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 63 Rn. 27). Die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zeigt, daß das Gesetz eine Ungewißheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft längstens drei Wochen hinzunehmen bereit ist (Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rn. 5; Niesert ZInsO 2001, 735, 738 f).

Zwar werden im Hinblick auf die Vorschrift des § 286 Abs. 3 BGB n.F. systematische Bedenken gegen eine derartige Verkürzung der Frist erhoben (Himmelsbach/Thonfeld NZI 2001, 11, 13 noch zu § 284 Abs. 3 BGB a.F.; dagegen Braun/Kind, aaO § 17 Rn. 16). Es gehe nicht an, einen Schuldner, der noch nicht einmal in Verzug sei, als zahlungsunfähig zu behandeln mit der Konsequenz, daß der Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen könne (§ 14 InsO) und -falls Schuldnerin eine GmbH sei -deren Geschäftsführung einen solchen stellen müsse (§ 64 Abs. 1 GmbHG). Diese Bedenken erscheinen jedoch nicht stichhaltig. Daß über den Insolvenzantrag eines Gläubigers früher als dreißig Tage nach Fälligkeit seiner Forderung entschieden wird, erscheint bereits wenig lebensnah. Zudem bezeichnet § 286 Abs. 3 BGB n.F. den spätesten Zeitpunkt des Verzugseintritts und läßt eine frühere Herbeiführung durch Mahnung unberührt. Für einen GmbH-Geschäftsführer, der zu prüfen hat, ob er Auszahlungen vornehmen darf, obwohl er für seine Gesellschaft eine kurzfristig nicht zu beseitigende Liquiditätslücke ermittelt hat, muß die Frage, ob sich die Gesellschaft mit der Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten bereits in Verzug befindet, ohnehin bedeutungslos sein.

b) Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muß allein aufgrund der objektiven Umstände beantwortet werden (vgl. HK-InsO/ Kirchhof, aaO § 17 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 30). Soweit die Haftung des Geschäftsführers für von ihm nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Zahlungen zu beurteilen ist, muß allerdings auf der subjektiven Seite das Verschulden hinzukommen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Entscheidend ist hier, ob im Zeitpunkt der Zahlung bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes die Insolvenzreife der Gesellschaft für den Geschäftsführer nicht erkennbar ist, wobei diesen allerdings die volle Darlegungsund Beweislast trifft (BGHZ 143, 184, 185; BGH, Urt. v. 1. März 1993 -II ZR 61/92, WM 1994, 1030, 1031). Wenn dieser erkennt, daß die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, jedoch aufgrund einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Meinung sein kann, die GmbH werde vor Erreichen des Zeitpunkts, bei dem eine Zahlungsstockung in eine Zahlungsunfähigkeit umschlägt -also binnen drei Wochen -, sämtliche Gläubiger voll befriedigen können, darf er innerhalb dieses Zeitraums, solange sich seine Prognose nicht vorzeitig als unhaltbar erweist, Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG), an Gläubiger leisten, ohne die Haftung befürchten zu müssen. Müßte er anstehende Zahlungen zurückhalten, bis die Zahlungsfähigkeit insgesamt wieder hergestellt ist, würde er dadurch die Geschäftsbeziehungen zu den betreffenden Gläubigern, auf deren Fortführung der Betrieb der Schuldnerin mehr denn je angewiesen ist, gefährden. Auch läge eine Zahlungseinstellung vor, mit welcher der Geschäftsführer möglicherweise Eröffnungsanträge der Gläubiger (§ 14 InsO) herausfordern würde. Ist die Zahlungsfähigkeit nach Ablauf der Frist noch nicht wieder hergestellt, darf er -weil nunmehr die endgültige Zahlungsunfähigkeit fest steht -nur noch solche Zahlungen leisten, welche die Insolvenzmasse nicht schmälern oder erforderlich sind, um das Unternehmen für die Zwecke des Insolvenzverfahrens zu erhalten (Michalski/Nerlich, GmbHG 2002 § 64 Rn. 46).

Für die Prognose, die der Geschäftsführer anstellen muß, sobald bei einer Liquiditätsbilanz eine Unterdeckung festzustellen ist, und die er bei jeder vorzunehmenden Zahlung kontrollieren muß, sind die konkreten Gegebenheiten in bezug auf den Schuldner -insbesondere dessen Außenstände, die Bonität der Drittschuldner und die Kreditwürdigkeit des Schuldners -, auf die Branche und die Art der fälligen Schulden zu berücksichtigen (Burger/Schellberg BB 1995, 261, 263; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 17 Rn. 11; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 17 Rn. 17).

3. Demgegenüber ist die Ansicht abzulehnen, zahlungsunfähig sei ein Schuldner generell bereits dann, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht -binnen der dreiwöchigen Frist (dazu oben 2) -zu 100 % erfüllen kann.

a) Zwar spräche für diese strenge Lösung der Vorzug der begrifflichen Klarheit. Sie wäre zudem im Interesse der Rechtssicherheit. So könnte sich der Geschäftsführer der Schuldner-GmbH aufgrund der von ihm aufzustellenden Liquiditätsbilanz und der von ihm zu verlangenden Zukunftsprognose ohne weiteres Klarheit verschaffen, wann er gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Insolvenzantrag stellen muß, nämlich in jedem Falle einer länger als drei Wochen währenden, noch so geringen Unterdeckung. Verhindert eine insgesamt gesehen geringfügige Unterdeckungsquote die Annahme der Zahlungsunfähigkeit, kann dies die konkret von der Unterdeckung betroffenen Gläubiger auch erheblich benachteiligen, weil sie nicht mit Aussicht auf Erfolg einen Insolvenzantrag stellen können. Ein Unternehmen, das dauerhaft eine -wenngleich geringfügige -Liquiditätslücke aufweist, erscheint auch nicht erhaltungswürdig.

b) Indes überwiegen die Gründe, einen Schuldner, der seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen kann, nicht als zahlungsunfähig anzusehen.

aa) Zum einen wollte -wie bereits dargelegt (oben 1 b) -auch der Gesetzgeber "ganz geringfügige Liquiditätslücken" für die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit nicht ausreichen lassen. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß er die zu tolerierende Lücke nicht auch quantitativ, sondern lediglich zeitlich -im Sinne einer bloßen Zahlungsstockung -verstanden hat.

bb) Ein Insolvenzverfahren soll immer -aber auch erst -dann eingeleitet werden, wenn die Einzelzwangsvollstreckung keinen Erfolg mehr verspricht und nur noch die schnellsten Gläubiger zum Ziele kommen, die anderen hingegen leer ausgehen, eine gleichmäßige Befriedigung somit nicht mehr erreichbar ist. Je geringer der Umfang der Unterdeckung ist, desto eher ist es den Gläubigern zumutbar, einstweilen zuzuwarten, ob es dem Schuldner gelingen wird, die volle Liquidität wieder zu erlangen. Das Geschäftsleben ist in weiten Teilen dadurch gekennzeichnet, daß Phasen mit guter Umsatzund Ertragslage und Rückschläge sich abwechseln. Insbesondere mittelständische Unternehmen mit geringer Eigenkapitalausstattung, etwa Handwerksbetriebe, sind oft darauf angewiesen, daß Kundenzahlungen vollständig und zeitnah erfolgen. Wird ein größerer Auftrag nicht bezahlt, kann dies eine Liquiditätskrise auslösen. Je kleiner die Liquiditätslücke ist, desto begründeter ist die Erwartung, daß es dem Schuldner gelingen wird, das Defizit in absehbarer Zeit zu beseitigen -sei es durch eine Belebung seiner Geschäftstätigkeit, sei es durch die anderweitige Beschaffung neuer flüssiger Mittel, sei es durch Einigung mit Gläubigern -, also die Zahlungsfähigkeit wieder zu erlangen (so bereits Burger/Schellberg BB 1995, 261, 263; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 17 Rn. 2; Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 13). In einem solchen Fall brächte die Insolvenzeröffnung den Gläubigern keinen Vorteil, insbesondere keine schnellere und betragsmäßig höhere Befriedigung (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 15; Zweifel am Rechtsschutzinteresse des antragstellenden Gläubigers äußern auch Nerlich/Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 18).

Zwar wird die Auffassung vertreten, wenn ein Schuldner geringe Forderungen nicht mehr ausgleichen könne, so sei er erst recht außerstande, größere Beträge zu zahlen (Uhlenbruck, aaO § 17 Rn. 10; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht 2002 Rn. 300; Beck/Depre, Praxis der Insolvenz 2003 S. 216). Diese Erwägung ist unzutreffend. Ein Schuldner, der -beispielsweise -zu 90 % oder mehr liquide ist, vermag durchaus auch hohe Forderungen zu befriedigen.

cc) Einen Insolvenzgrund auch bereits bei sehr kleinen Liquiditätslücken anzunehmen, verbietet sich schließlich im Interesse des Schuldners. Sofern seine Auftragslage gut ist und künftig mit anderen Zahlungseingängen gerechnet werden kann, wäre es unangemessen, wenn er wegen einer vorübergehenden Unterdeckung von wenigen Prozent, die nicht binnen drei Wochen (vgl. oben 2) beseitigt werden kann, Insolvenz anmelden müsste. Der damit verbundene Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen (Art. 12, 14 GG) wäre unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedenklich (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 15).

dd) Gesamtwirtschaftliche Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis. In bestimmten Branchen sind regelmäßig saisonale Flauten zu überbrücken, die teilweise mehrere Monate andauern (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 11). Als Beispielsfälle sind insbesondere die Bauwirtschaft, der Fremdenverkehr und die Hersteller typischer Saisonartikel (etwa Bademoden, Wintersportgeräte und -bekleidung) zu nennen. Wer sich auf einem derartigen Wirtschaftssektor als Anbieter betätigt, muß immer wieder mit Liquiditätsengpässen rechnen. Er darf jedoch normalerweise mit einer wirtschaftlichen Erholung rechnen, sobald die Saison wieder angelaufen ist. Müßte er trotzdem, sobald die Grenze der Zahlungsstockung überschritten ist (dazu oben 2), selbst bei prozentual geringfügiger Liquiditätslücke Insolvenz anmelden, würde dies in manchen Wirtschaftszweigen zu erheblichen Problemen führen.

4. Um die Praxis in die Lage zu versetzen, den Begriff der "geringfügigen Liquiditätslücke" zu handhaben, kann auf eine zahlenmäßige Vorgabe nicht völlig verzichtet werden.

a) Allerdings hat der Gesetzgeber mit Recht davor gewarnt, "Zahlungsunfähigkeit erst anzunehmen, wenn der Schuldner einen bestimmten Bruchteil der Gesamtsumme seiner Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann". Dies spricht jedoch nur dagegen, eine starre zahlenmäßige Grenze einzuführen, die automatisch über das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit entscheidet. Eine starre Grenze hätte auch der Gesetzgeber einführen können. Da er davon abgesehen hat, wollte er offensichtlich für die Rechtsanwendung eine gewisse Flexibilität ermöglichen.

Würde beispielsweise angenommen, bei einer Unterdeckung von weniger als einem bestimmten Vomhundertsatz läge keine Zahlungsunfähigkeit vor, beim Erreichen dieses Vomhundertsatzes jedoch stets, bliebe unberücksichtigt, daß derartige Quoten für sich allein genommen keine abschließende Bewertung eines wirtschaftlich komplexen Sachverhalts wie der Zahlungsunfähigkeit erlauben. Bei einem Unternehmen, dem im Hinblick auf seine Auftragsund Ertragslage eine gute Zukunftsprognose gestellt werden kann, hat eine momentane Liquiditätsunterdeckung in Höhe jenes Vomhundertsatzes eine ganz andere Bedeutung als bei einem solchen, dem für die Zukunft ein weiterer geschäftlicher Niedergang prophezeit werden muß.

Daher kommt die Einführung eines prozentualen Schwellenwerts nur in der Form in Betracht, daß sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet.

b) Der Senat hält es für angemessen, den Schwellenwert bei 10 % anzusetzen. Ein höherer Wert ließe sich mit der Absicht des Gesetzgebers, die Anforderungen an die Annahme der Zahlungsunfähigkeit abzusenken, schwerlich vereinbaren. Andererseits wäre ein niedrigerer Schwellenwert als 10 % -in Betracht kommt dann nur noch 5 % -dem rigorosen "Null-Toleranz-Prinzip" zu sehr angenähert, um noch praktische Wirkungen entfalten zu können.

Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen. Ein solcher Umstand kann auch die auf Tatsachen gegründete Erwartung sein, daß sich der Niedergang des Schuldner-Unternehmens fortsetzen wird. Geht es um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, muß das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO) solche Umstände feststellen. Geht es um die Geschäftsführerhaftung nach § 64 GmbHG, muß die Gesellschaft, die den Geschäftsführer in Anspruch nimmt, oder deren Insolvenzverwalter die besonderen Umstände vortragen und beweisen.

Beträgt die Unterdeckung 10 % oder mehr, muß umgekehrt im Rahmen des § 64 GmbHG der Geschäftsführer der Gesellschaft -falls er meint, es sei doch von einer Zahlungsfähigkeit auszugehen -entsprechende Indizien vortragen und beweisen. Dazu ist in der Regel die Benennung konkreter Umstände erforderlich, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, daß die Liquiditätslücke zwar nicht innerhalb von zwei bis drei Wochen -dann läge nur eine Zahlungsstockung vor -, jedoch immerhin in überschaubarer Zeit beseitigt werden wird. Im Zusammenhang mit einem Gläubigerantrag (§ 14 InsO) muß sich der Schuldner auf diese Umstände berufen, und das Insolvenzgericht hat sie festzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Je näher die konkret festgestellte Unterdeckung dem Schwellenwert kommt, desto geringere Anforderungen sind an das Gewicht der besonderen Umstände zu richten, mit denen die Vermutung entkräftet werden kann. Umgekehrt müssen umso schwerer wiegende Umstände vorliegen, je größer der Abstand der tatsächlichen Unterdeckung von dem Schwellenwert ist.

5. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Ergebnis des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Die mindestens 9,2 %-ige Unterdeckung und eine auf unstreitige Tatsachen gegründete schlechte Zukunftsprognose rechtfertigen zusammen die Annahme, daß die Schuldnerin bereits mit Abschluß des für sie ruinösen Vergleichs am 9. September 1999 zahlungsunfähig war. Dies war für den Beklagten erkennbar; zumindest hat er das Gegenteil nicht bewiesen.

a) Die Zukunftsaussichten für die Schuldnerin waren bereits am 9. September 1999 sehr schlecht. In diesem Zusammenhang rügt die Revision vergeblich die Nichterhebung des angebotenen Sachverständigenbeweises. Der Beweis war für die Vertretbarkeit einer von dem Beklagten vorgenommenen positiven Fortführungsprognose angetreten und betraf die Frage der Überschuldung. Darauf hat das Berufungsgericht seine Entscheidung jedoch nicht gestützt.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte habe überhaupt keine positive Zukunftsprognose erstellt. Dabei gewinnt die unstreitige Tatsache Bedeutung, daß der Beklagte Ende September 1999 Kunden der Schuldnerin angedroht hat, wenn sie nicht mit einer Reduzierung ihrer Forderungen um 35 % einverstanden seien, müsse die Schuldnerin "schließen" und "Konkurs" anmelden. Nicht vorgetragen ist -was Sache des Beklagten gewesen wäre -, daß sich bis zu dem Tage im Dezember 1999, an dem der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat, eine der Schuldnerin nachteilige Entwicklung ergeben hat, die nicht bereits am 9. September 1999 abgeschlossen oder zumindest deutlich erkennbar war.

b) Auf der Passivseite war damit zu rechnen, daß zu den Verbindlichkeiten, die nach der Berechnung des Berufungsgerichts zu einer Unterdeckung von 9,2 % geführt haben, zumindest noch eine solche gegenüber SW. hinzukommen würde. Deren Rechnungen hatte die Schuldnerin in ihrer Summenund Saldenliste per 31. August 1999 berücksichtigt. In der an den Mitgesellschafter B. gerichteten Prüfbitte vom 14. September 1999 hatte der Beklagte vorgesehen, daß etwa noch verfügbare Mittel im Verhältnis 2/3 zu 1/3 auf SW. und S. aufgeteilt werden sollten. Noch im Januar 2000 -also nach dem von ihm gestellten Insolvenzantrag, der angeblich durch die schlechte Arbeit der Subunternehmer verursacht sein soll -hat der Beklagte erklärt, die Forderungen der SW. seien wenigstens in Höhe von 350.000 DM berechtigt. Der Kläger hat die Forderungen der SW. in Höhe von über 800.000 DM zur Tabelle anerkannt. Ferner war damit zu rechnen, daß auch S. , dessen Rechnungen am 9. September 1999 noch nicht vollständig vorlagen, nicht ohne weiteres auf seine Forderungen verzichten würde. Diese haben inzwischen in Höhe von ca.

953.000 DM Aufnahme in die Tabelle gefunden.

c) Der Kläger hat dargetan, daß auf der Aktivseite in absehbarer Zeit nicht mit erheblichen zusätzlichen Einnahmen zu rechnen war.

Das Berufungsgericht hat mit näherer Begründung ausgeführt, am 9. September 1999 sei nicht zu erwarten gewesen, daß K. den Teilbetrag von 400.000 DM nebst Mehrwertsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt 30. September 1999 zahlen werde. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Daß die Aussichten auf Erhalt des Teilbetrages besser zu beurteilen gewesen seien, wenn der Prognosezeitraum über den 30. September 1999 hinaus erstreckt worden wäre, macht die Revision -zu Recht -nicht geltend.

Der Vortrag des Beklagten, es hätten noch Bestellungen der V.

vom 22. August und 22. September 1999 im Umfang von 1,4 Mio. DM vorgelegen, ist nicht erheblich. Es kann allenfalls vom Abschluß einer Rahmenvereinbarung ausgegangen werden. Ob sich dieser Kontakt durch Abruf bestimmter Leistungen zu einem vergütungspflichtigen Auftrag verdichten würde, war damals nicht abzusehen. Dazu fehlt auch jeder Vortrag.

Die Behauptung des Beklagten, die Schuldnerin habe während der gesamten Zeit zwischen dem 9. September und dem 31. Dezember 1999 ihre Konten durchgängig im Haben geführt, die Einzahlungen hätten die Auszahlungen überstiegen und es seien nie irgendwelche Bankdarlehen in Anspruch genommen worden, besagt nichts über eine objektiv begründete Aussicht, die fehlende Liquidität durch zusätzliche Geldmittel wiederzugewinnen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß er sich um Kredite bemüht habe, bevor er Insolvenzantrag gestellt hat. Dies läßt vermuten, daß er nach der selbst als "desaströs" eingeschätzten Abwicklung des Auftrags der K. von Kreditunwürdigkeit ausgegangen ist.

Nicht substantiiert dargelegt hat der Beklagte, der Vergleichsschluß habe für die Schuldnerin einen Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von 345.000 DM begründet. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn die Schuldnerin vor dem Vergleichsschluß nicht nur offene Forderungen gegen K. in Höhe von ca. 4 Mio. DM gebucht, sondern darauf auch bereits Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt gehabt hätte. Dies hat der Beklagte selbst nicht behauptet.

Fischer

Ganter

Nekovi

Vill

Lohmann

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

(1)1Der Arbeitgeber hat spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums

1.
dem Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Betriebsstätte (§ 41 Absatz 2) befindet (Betriebsstättenfinanzamt), eine Steuererklärung einzureichen, in der er die Summen der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum einzubehaltenden und zu übernehmenden Lohnsteuer, getrennt nach den Kalenderjahren in denen der Arbeitslohn bezogen wird oder als bezogen gilt, angibt (Lohnsteuer-Anmeldung),
2.
die im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum insgesamt einbehaltene und übernommene Lohnsteuer an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen.
2Die Lohnsteuer-Anmeldung ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln.3Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall ist die Lohnsteuer-Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und vom Arbeitgeber oder von einer zu seiner Vertretung berechtigten Person zu unterschreiben.4Der Arbeitgeber wird von der Verpflichtung zur Abgabe weiterer Lohnsteuer-Anmeldungen befreit, wenn er Arbeitnehmer, für die er Lohnsteuer einzubehalten oder zu übernehmen hat, nicht mehr beschäftigt und das dem Finanzamt mitteilt.

(2)1Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum ist grundsätzlich der Kalendermonat.2Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 1 080 Euro, aber nicht mehr als 5 000 Euro betragen hat; Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum ist das Kalenderjahr, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1 080 Euro betragen hat.3Hat die Betriebsstätte nicht während des ganzen vorangegangenen Kalenderjahres bestanden, so ist die für das vorangegangene Kalenderjahr abzuführende Lohnsteuer für die Feststellung des Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums auf einen Jahresbetrag umzurechnen.4Wenn die Betriebsstätte im vorangegangenen Kalenderjahr noch nicht bestanden hat, ist die auf einen Jahresbetrag umgerechnete für den ersten vollen Kalendermonat nach der Eröffnung der Betriebsstätte abzuführende Lohnsteuer maßgebend.

(3)1Die oberste Finanzbehörde des Landes kann bestimmen, dass die Lohnsteuer nicht dem Betriebsstättenfinanzamt, sondern einer anderen öffentlichen Kasse anzumelden und an diese abzuführen ist; die Kasse erhält insoweit die Stellung einer Landesfinanzbehörde.2Das Betriebsstättenfinanzamt oder die zuständige andere öffentliche Kasse können anordnen, dass die Lohnsteuer abweichend von dem nach Absatz 1 maßgebenden Zeitpunkt anzumelden und abzuführen ist, wenn die Abführung der Lohnsteuer nicht gesichert erscheint.

(4)1Arbeitgeber, die eigene oder gecharterte Handelsschiffe betreiben, dürfen die anzumeldende und abzuführende Lohnsteuer abziehen und einbehalten, die auf den Arbeitslohn entfällt, der an die Besatzungsmitglieder für die Beschäftigungszeiten auf diesen Schiffen gezahlt wird.2Die Handelsschiffe müssen in einem Seeschiffsregister eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, eingetragen sein, die Flagge eines dieser Staaten führen und zur Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der Hohen See betrieben werden.3Die Sätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn Seeschiffe im Wirtschaftsjahr überwiegend außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer zum Schleppen, Bergen oder zur Aufsuchung von Bodenschätzen oder zur Vermessung von Energielagerstätten unter dem Meeresboden eingesetzt werden.4Bei Besatzungsmitgliedern, die auf Schiffen, einschließlich Ro-Ro-Fahrgastschiffen, arbeiten, die im regelmäßigen Personenbeförderungsdienst zwischen Häfen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingesetzt werden, gelten die Sätze 1 und 2 nur, wenn die Besatzungsmitglieder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates sind, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist.5Bei Seeschiffen, die für Schlepp- und Baggerarbeiten genutzt werden, gelten die Sätze 1 und 2 nur, wenn es sich um seetüchtige Schlepper und Baggerschiffe mit Eigenantrieb handelt und die Schiffe während mindestens 50 Prozent ihrer Betriebszeit für Tätigkeiten auf See eingesetzt werden.6Ist für den Lohnsteuerabzug die Lohnsteuer nach der Steuerklasse V oder VI zu ermitteln, bemisst sich der Betrag nach Satz 1 nach der Lohnsteuer der Steuerklasse I.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

(1) Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund.

(2) Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.

(3) Wird bei einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern gestellt, so ist Absatz 1 nur anzuwenden, wenn der oder die Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder der Gesellschaft berechtigt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 48/06 Verkündet am:
14. Mai 2007
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AktG §§ 92 Abs. 2, Abs. 3; 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6;

a) Ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozialoder
steuerrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung
oder Lohnsteuer abführt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht nach § 92 Abs. 3 AktG oder § 64
Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig (- insoweit - Aufgabe
von BGH, Urt. v. 8. Januar 2002 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264; Urt. v.
18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026).

b) Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzantragspflicht
nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des
Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich
qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung
erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle
der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung
eines Insolvenzantrags absieht.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Dezember 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte war Vorstand der e. AG (Schuldnerin), die am 10. April 2000 ins Handelsregister eingetragen worden ist. Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin war insbesondere die Entwicklung einer Digitalsignatursoftware und deren Vertrieb (sog. Start-UpUnternehmen ). Das Grundkapital der Gesellschaft betrug zuletzt 205.700,00 €. Aktionäre der Schuldnerin waren mit Aktien im Nennwert von jeweils 80.000,00 € der Beklagte und sein (inzwischen verstorbener) Mitvorstand M. und mit 45.700,00 € die I. -Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: I. ). Diese war außerdem stille Gesellschafterin der Schuldnerin mit einer Einlage von 988.916,00 €. Weitere stille Gesellschafterin war seit dem 17. Januar 2001 die t. -Beteiligungs-Gesellschaft mbH der D. bank mit einer Einlage in Höhe von 1,1 Mio. €.
2
Der Beteiligungsvertrag der I. enthält in § 10 folgende "Rangrücktrittsklausel" : "Der BG (I. ) wird seinen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben in einem gerichtlichen Insolvenz- oder Vergleichsverfahren des BN (Schuldner) im Range nach den übrigen Insolvenz - oder Vergleichsgläubigern geltend machen, jedoch vor den Forderungen der anderen Gesellschafter sowie verbundenen Unternehmen des BN, und soweit es sich um natürliche Personen handelt, deren Angehörigen."
3
Ausweislich der im August 2001 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 2000 war die Schuldnerin mit einem Betrag von 327.847,70 DM bilanziell überschuldet. Am 17. August 2001 prüfte ein Wirtschaftsprüfer im Auftrag des Beklagten , der hierzu vom Aufsichtsrat angehalten worden war, den Jahresabschluss und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin zum Abschlussstichtag bilanziell, nicht jedoch "rechtlich überschuldet" gewesen sei, da die Forderung der I. nicht zu passivieren sei. Zahlungsunfähigkeit bestand ausweislich des Gutachtens ebenfalls nicht.
4
In der Zeit vom 7. August bis zum 19. Oktober 2001 veranlasste der Beklagte Lohnsteuerzahlungen sowie Zahlungen der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 82.884,80 €. Am 12. November 2001 beantragte der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, nachdem die stillen Gesellschafter im Oktober 2001 die Kündigung ihrer Beteiligungen erklärt und die jeweils letzten fälligen Raten auf ihre Beteiligungen nicht mehr gezahlt hatten, was - unstreitig - zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin führte.
5
Mit der Klage macht der Insolvenzverwalter den Betrag der oben genannten Zahlungen gemäß §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG gegen den Beklagten geltend mit der Begründung, die Schuldnerin sei bereits zum 31. Dezember 2000 nicht nur bilanziell, sondern auch rechnerisch überschuldet gewesen; diese Überschuldungssituation habe auch noch zur Zeit der streitigen Zahlungen angedauert. Der Beklagte hat sich mit der Behauptung verteidigt, eine rechnerische Überschuldung habe im Hinblick auf den von der I. erklärten Rangrücktritt nicht vorgelegen. Zudem seien die von ihm geleisteten Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar gewesen. Darüber hinaus habe er auch nicht schuldhaft gegen die Insolvenzantragspflicht verstoßen, da er fachmännischen Rat eingeholt habe, aufgrund dessen er davon habe ausgehen dürfen, dass bei - unstreitiger - Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn vorgelegen habe.
6
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision ist unbegründet.
8
I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Schuldnerin sei im Zeitpunkt der Zahlungen an die Sozial- und Finanzkassen nicht überschuldet gewesen, da der von der I. erklärte Rangrücktritt ausreichend sei, um ihre Forderung im Überschuldungsstatus der Schuldnerin nicht passivieren zu müssen.
9
II. Gegen die - im Ergebnis - zutreffende Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.
10
Ob die Erklärung der I. , wie das Berufungsgericht gemeint und die Revision mit beachtlichen Gründen in Zweifel gezogen hat, den Anforderungen entspricht, die der Senat im Urteil vom 8. Januar 2001 (BGHZ 146, 264, 271) an einen sogenannten "qualifizierten Rangrücktritt" gestellt hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Beklagte haftet nämlich jedenfalls deshalb nicht wegen Verletzung der Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG, weil die von ihm geleisteten Zahlungen - selbst wenn die Schuldnerin im Zahlungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet gewesen wäre - nicht pflichtwidrig, sondern mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar waren (1). Darüber hinaus hätte der Beklagte gegen eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verstoßen (2).
11
1. a) Zu Lasten des Vorstandes einer AG, der in der in § 92 AktG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird - ebenso wie zu Lasten des Geschäftsführers einer GmbH in dieser Situation - vermutet, dass er dabei nicht mit der von einem Vertretungsorgan zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 274 jew.m.w.Nachw.). Nach § 92 Abs. 3 Satz 2 AktG (ebenso wie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen , dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar war. Dabei hat der Senat wiederholt (s. zuletzt Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026, 1029) erwogen, das Bestreben des Vertretungsorgans, durch Zahlungen von Sozialleistungen und Steuern sich einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB, aus §§ 34, 69 AO oder der Bestrafung nach § 266 a StGB zu entziehen, sei kein im Rahmen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müsse in einem Fall einer durch die unterschiedlichen Normbefehle ausgelösten Pflichten- kollision das deliktische Verschulden verneint (bzw. i.S. des strafrechtlichen Normbefehls das Verhalten als gerechtfertigt angesehen) werden, wenn sich das Vertretungsorgan - gemessen am Maßstab der den Interessen der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialnormen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält. Dies hat der Senat damit begründet , dass der Maßstab für ein pflichtgemäßes Verhalten des Vertretungsorgans sich nicht allein nach dessen allgemeinen Verhaltenspflichten bestimme, bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren; der Maßstab sei vielmehr an dem besonderen Zweck der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbH auszurichten , die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 146 aaO 274 f. m.w.Nachw.). Die Befriedigung der Gläubiger soll dem später eingesetzten Insolvenzverwalter überlassen bleiben, der im eröffneten Verfahren für eine gleichmäßige und rangrichtige Bedienung der offenen Forderungen zu sorgen hat. Aus dieser Sicht des mit §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG verfolgten Zwecks erschien es dem Senat näher liegend, die in diesen Vorschriften niedergelegten Pflichten als allgemeinem Interesse dienend im Rahmen der Pflichtenkollision des Vertretungsorgans - trotz der fehlenden Strafbewehrung - vorrangig anzusehen, zumal nach der Abschaffung des Vorrangs der Forderungen der Sozial- und Finanzkassen durch die Einführung der Insolvenzordnung keine Rechtfertigung mehr dafür bestehe, der Pflicht zur Erfüllung der dort bestehenden Forderungen deswegen durchschlagende Bedeutung beizumessen, weil sie sich hinsichtlich der Sozialversicherungsforderungen auf die Strafvorschrift des § 266 a StGB zurückführen ließe (vgl. Sen.Urt. v. 18. April 2005 aaO).
12
b) Hieran hält der Senat nach erneuter Überprüfung im Hinblick auf die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichts- hofes (Beschl. v. 21. September 2005 - 5 StR 263/05, ZIP 2005, 1678 ff.), nach der der vom Senat erwogene Vorrang der im Interesse aller Gläubiger angeordneten Massesicherungspflicht angesichts der Strafandrohung einer Nichtabführung von Sozialabgaben nicht anerkannt werden kann, nicht fest. Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung kann es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzt. Sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.
13
Danach haftet der Beklagte für die den Gegenstand der Klageforderung bildenden, an die Sozial- und Finanzkassen geleisteten Zahlungen nicht.
14
2. Eine Haftung des Beklagten scheidet auch deshalb aus, weil er eine - möglicherweise bestehende - Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat. Er hat zu der Frage, ob sich die Schuldnerin in einer Situation befand, in der er zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet war, unabhängigen, fachlich qualifizierten Rat eingeholt mit dem Ergebnis, dass eine derartige Pflicht für ihn nicht bestand. Auf diesen Rat durfte er sich verlassen.
15
a) Die Haftung des Vorstands wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach §§ 92, 93 AktG setzt eben so wie die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG eine schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht voraus (MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler 2. Aufl. § 92 Rdn. 29; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 93 Rdn. 14; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 64 Rdn. 32 ff. jew.m.w.Nachw.). Für die Haftung des Vertretungsorgans reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus; das Verschulden des Vorstands/Geschäftsführers wird vermutet (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 277 jew.m.w.Nachw.). Den Vorstand/Geschäftsführer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat.
16
b) Diesen Anforderungen, d.h. dem Nachweis seines mangelnden Verschuldens als Organmitglied, hat der Beklagte genügt. Von dem organschaftlichen Vertreter wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit. Er handelt daher fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse verschafft (Schmidt-Leithoff aaO Rdn. 19). Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl /Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. § 93 Rdn. 99; Hopt in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. § 73 Rdn. 255 m.w.Nachw.; Wiesner in MünchHdb.d.GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rdn. 7 m.w.Nachw.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen , für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.
17
Einen diesen Anforderungen genügenden Rat hat der Beklagte hier in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat der Schuldnerin eingeholt. Bei einem Start-Up-Unternehmen wie der Schuldnerin, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert und - wie hier - von Förderdarlehen abhängig ist, ist eine ständige, intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in besonderem Maße erforderlich. Dem genügend hat der Beklagte nach Aufstellung des Jahresabschlusses im August 2001 und Aufdeckung einer bilanziellen Überschuldung im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat unverzüglich einem Wirtschaftsprüfer den Auftrag erteilt, den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 daraufhin zu überprüfen, ob die Gesellschaft nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif war und ein Insolvenzantrag gestellt werden musste. Die Sachkompetenz und Fachkunde eines Wirtschaftsprüfers für eine solche Prüfung steht außer Frage. Dass es sich bei dem Gutachten um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt worden.
18
Führt - wie hier - die derart in Auftrag gegebene Prüfung, ob eine Insolvenzsituation vorliegt, zu der fachkundigen und für den organschaftlichen Vertreter bei der gebotenen Plausibilitätskontrolle nachvollziehbaren Feststellung, dass die Gesellschaft weder im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses noch im Prüfungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet und sogar die Zahlungsfähigkeit jedenfalls bis zum Jahresende - selbst ohne Zuführung neuen Fremdkapitals - gesichert war, musste der Beklagte - gemessen an der von ihm geforderten Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters - keinen Insolvenzantrag stellen. Es wäre nicht zu rechtfertigen, einem organschaftlichen Vertreter abzuverlangen, unabhängigen, fachkundigen Rat zur Klärung des Bestehens einer Insolvenzlage einzuholen und es ihm gleichwohl als schuldhaften Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten anzulasten, wenn er sich - trotz fehlender eigener ausreichender Sachkunde - dem fachkundigen Rat entsprechend verhält (vgl. Hopt aaO Fn. 873). Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.07.2004 - 14 O 198/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2005 - 23 U 160/04 -

(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

(2) (weggefallen)

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

(2) (weggefallen)

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 243/06
vom
27. September 2007
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Merkmal der groben Fahrlässigkeit in § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO.
BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - IX ZB 243/06 - LG Karlsruhe
AG Karlsruhe
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Cierniak und Dr. Fischer
am 27. September 2007

beschlossen:
Der Schuldnerin wird Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 5. Januar 2006 gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 5. Januar 2006 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 21. August 2003 abgeändert: Der Antrag der weiteren Beteiligten zu 1, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die weitere Beteiligte zu 1 zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Am 18. Juli 2000 beantragte ein Gläubiger der Schuldnerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Auf Ersuchen des Insolvenzgerichts übersandte der für die Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieher eine Niederschrift über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Schuldnerin vom 11. Juli 2000 mit dem von ihm aufgenommenen Vermögensverzeichnis. Darin hatte die Schuldnerin eine von ihr auf ein Sparkonto geleistete Mietkaution in Höhe von 1.800 DM angeführt. In einem Anhörungstermin vor dem Insolvenzgericht gab die Schuldnerin Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse. Ergänzend nahm sie auf ihre eidesstattliche Versicherung Bezug.
2
Aufgrund eines entsprechenden Hinweises des Insolvenzgerichts stellte die Schuldnerin Eigenantrag. In dem beigefügten Vermögensverzeichnis gab sie die von ihr geleistete Mietkaution nicht an. Sie vermerkte jedoch unter "regelmäßige Zahlungsverpflichtungen", Mietzins zahlen zu müssen. Nach Scheitern des Schuldenbereinigungsverfahrens eröffnete das Insolvenzgericht am 13. Dezember 2000 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und verband die beiden Verfahren.
3
Im Schlusstermin am 2. April 2003 beantragte eine Gläubigerin, die weitere Beteiligte zu 1, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Begründet wurde der Antrag u.a. damit, die Schuldnerin habe die Mietkaution nicht angegeben.
4
Das Insolvenzgericht versagte die Restschuldbefreiung. Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde zurück. Die Schuldnerin begehrt Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde und verfolgt in der Sache ihren Antrag auf Gewährung der Restschuldbefreiung weiter.

II.


5
1. Der Schuldnerin ist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Bis zur Ablehnung ihres fristgerecht eingereichten Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren konnte sich die Schuldnerin wegen wirtschaftlichen Unvermögens an der Einlegung der Rechtsbeschwerde gehindert sehen (vgl. Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 234 Rn. 8). Die Schuldnerin hat ferner glaubhaft gemacht, dass sie erst nach Zurückweisung ihres Prozesskostenhilfegesuchs durch Zuwendung Dritter in die Lage versetzt wurde, die Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu tragen.
6
2. Die nach §§ 6, 7, § 289 Abs. 2 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und hat in der Sache Erfolg.
7
Beschwerdegericht Das hat ausgeführt, die unterlassene Angabe des bestehenden Sparkontos in dem von der Schuldnerin eingereichten Vermögensverzeichnis erfülle den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO. Sie habe hierbei grob fahrlässig gehandelt. Es entlaste sie nicht, dass sie über das Kontoguthaben nicht habe verfügen dürfen. Dem Schuldner stehe es nicht zu, im Vorfeld zu selektieren, welche Vermögenspositionen später der Insolvenzmasse unterfallen werden und welche nicht. Der Einwand, sie habe bei der Frage nach Sparkonten und Sparbüchern "naheliegenderweise davon ausgehen" müssen, dass sie sich nur auf Sparguthaben beziehe, die auch wirklich zur Verfügung stünden, greife nicht durch. Der Umstand, dass sie in ihrem lediglich etwa zwei Monate zuvor im Zusammenhang mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angefertigten Vermögensverzeichnis das Kautionsguthaben mit dem Zusatz "Darlehen als Mietkaution" aufgenommen habe, spreche dafür, dass sie sich auch bei Abgabe ihres Eigenantrags dieser Vermögensposition bewusst gewesen sei.
8
Das 3. Landgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Schuldnerin die als Mietsicherheit verpfändete Forderung aus dem Sparkonto in dem von ihr nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingereichten Vermögensverzeichnis hätte angeben müssen. Vom Schuldner bestellte Sicherheiten sind Teil seines Vermögens. Die Annahme eines grob fahrlässigen Fehlverhaltens hält jedoch einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
Der a) Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit ist in § 290 InsO nicht definiert. Die Rechtsprechung versteht darunter ein Handeln, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist, ganz nahe liegende Überlegung nicht angestellt oder beiseite geschoben worden sind und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung (BGHZ 10, 12, 16; 89, 153, 161; BGH, Urt. v. 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, ZIP 2005, 345, 347; Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258, 259).
10
b) Die Feststellung der Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ist zwar Sache des Tatrichters und mit der Rechtsbeschwerde nur bedingt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt aber, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1991 - XI ZR 238/90, WM 1991, 1946, 1948; Urt. v. 29. September 1992 - IX ZR 265/91, NJW 1992, 3235, 3236; Beschl. v. 9. Februar 2006 aaO). So liegt es hier.
11
c) Das Beschwerdegericht hat bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen. Die Schuldnerin hat bei der vorausgegangenen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung das in Rede stehende Sparguthaben angegeben. Bei ihrer Anhörung im Insolvenzverfahren hat sie hierauf Bezug genommen. Ihre Angaben vor dem Gerichtsvollzieher hatten auch Eingang in die Insolvenzakten gefunden. Dies war der Schuldnerin bekannt. All dies zeigt, dass sie diese Position nicht hat unterdrücken wollen.
12
4. Die Sache ist entscheidungsreif. Das Landgericht hat im Anschluss an die Ausführungen des Insolvenzgerichts die sonst noch in Betracht gekommenen Versagungsgründe als nicht nachgewiesen erachtet. Der Versagungsan- trag der Gläubigerin ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Die übrigen nach § 291 InsO zu treffenden Entscheidungen bleiben dem Insolvenzgericht vorbehalten.
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Cierniak
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.08.2003 - 2 IK 468/00 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 05.01.2006 - 11 T 374/04 -

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 88/99 Verkündet am:
8. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
GmbHG §§ 30, 31, 32 a, 32 b, 64 Abs. 2

a) Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender
Leistungen sind, soweit für sie keine Rangrücktrittserklärung abgegeben
worden ist, in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivieren.

b) Maßstab für die Prüfung, ob eine Zahlung des Geschäftsführers i.S.v. § 64
Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns
vereinbar ist, sind nicht allein die allgemeinen Verhaltenspflichten des Geschäftsführers
, sondern insbesondere auch der Zweck des § 64 Abs. 2
GmbHG, Masseverkürzungen der insolvenzreifen Gesellschaft und eine bevorzugte
Befriedigung einzelner Gesellschaftsgläubiger zu verhindern.

c) Zahlungen, die der Geschäftsführer dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG
zuwider geleistet hat, sind von ihm ungekürzt zu erstatten (Abweichung von
BGHZ 143, 184). Ihm ist in dem Urteil vorzubehalten, seinen Gegenanspruch
, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte
Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung
an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende
Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an
den Geschäftsführer abzutreten.
BGH, Urt. v. 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Gegenstand des Geschäftsbetriebs der im Jahr 1980 gegründeten und zuletzt mit einem Stammkapital von 750.000,-- DM ausgestatteten S. und B. GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, war die Herstellung und der Vertrieb von elektrischen Anlagen. Gesellschafter und Geschäftsführer waren
ursprünglich die Beklagten zu 1 und zu 2. Unter dem 25. Oktober 1993 hat der Beklagte zu 1 sein Geschäftsführeramt niedergelegt und zugleich seinen Geschäftsanteil auf seinen Sohn, den Beklagten zu 2, übertragen. Die Produktionsanlagen standen im wesentlichen im Eigentum der S. und B. Handels GmbH & Co. KG, der Beklagten zu 3, die die Maschinen und Betriebsvorrichtungen an die Gemeinschuldnerin im Wege einer Betriebsaufspaltung zusammen mit dem durch sie selbst von einer BGB-Gesellschaft, bestehend aus dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau, gemieteten Betriebsgrundstück aufgrund eines Miet- und Pachtvertrages überlassen hatte.
Erstmals im Geschäftsjahr 1991/1992 erwirtschaftete die bis dahin sehr erfolgreiche Gesellschaft ein negatives Betriebsergebnis von annähernd 1,5 Mio. DM, das nach Auflösung von Gewinnrückstellungen zum Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 85.702,-- DM in der Jahresbilanz zum 31. Januar 1992 führte. Beim nächsten Bilanzstichtag war der nicht gedeckte Fehlbetrag auf 1,272 Mio. DM angewachsen. Im November 1992 und im Mai 1993 gewährten die Gesellschafter der GmbH ein Darlehen i.H.v. jeweils 1 Mio. DM, wobei das Novemberdarlehen mit einer Rangrücktrittserklärung versehen war. Außerdem leitete die Geschäftsführung im Laufe des Jahres 1993 Umstrukturierungsmaßnahmen ein, die langfristig die Personalkosten reduzieren sollten, zunächst die Gesellschaft aber mit Abfindungszahlungen an ausscheidende Arbeitnehmer in Millionenhöhe belasteten. In der zweiten Jahreshälfte desselben Jahres mit Interessenten wegen der Übernahme des gesamten Unternehmens geführte Verhandlungen sind spätestens Mitte Dezember 1993 gescheitert. Auf den am 20. Dezember 1993 gestellten Antrag des Beklagten zu 2 hin ist am 21. Januar 1994 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt worden.
Dieser hat von den Beklagten mit einer einheitlichen, aber auf unterschiedliche Sachverhalte gestützten Klage Zahlung verschiedener Beträge gefordert. Nachdem das Landgericht nach § 145 ZPO verfahren ist, geht es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch auf Zahlung von 119.254,-- DM, den der Kläger auf folgenden Sachverhalt stützt:
Nach dem ursprünglich übereinstimmenden, erstmals gegen Ende des Berufungsverfahrens von den Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers bestand zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 eine seit 1981 praktizierte umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die an die Beklagte zu 3 als Organträgerin geleisteten Miet- und Pachtzahlungen, die ihr wesentliches Einkommen ausmachten, blieben danach wegen des Organschaftsverhältnisses umsatzsteuerfrei; zu den von der Gemeinschuldnerin erzielten Umsätzen gab die Beklagte zu 3 als Organträgerin die vorgeschriebenen Umsatzsteuererklärungen ab, während die fälligen Zahlungen absprachegemäß unmittelbar von der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt geleistet wurden. Am 10. Dezember 1993 stellte der Beklagte zu 2 für die Gemeinschuldnerin einen Scheck über 119.254,-- DM aus und reichte ihn bei dem Finanzamt ein, um damit die fällige Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 zu begleichen. Der Scheck wurde am 17. Dezember 1993 eingelöst. Nach Meinung des Klägers hat die Verfahrensweise des Beklagten zu 2 nicht nur auf § 64 Abs. 2 GmbHG gestützte Erstattungsansprüche gegen ihn selbst, sondern außerdem auch einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 ausgelöst, weil diese als Organträgerin und Steuerschuldnerin durch das Vorgehen der Gemeinschuldnerin von ihrer Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die zuletzt nur noch gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 gerichtete Berufung des Klägers hatte gegenüber
der Beklagten zu 3 lediglich i.H.v. 3.500,-- DM nebst Zinsen, gegenüber dem Beklagten zu 2 aber in vollem Umfang Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagter), der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, daß der Beklagte am 20. Dezember 1993 den zur Verfahrenseröffnung führenden Konkursantrag gestellt und bereits in der Klageerwiderung die Umstände näher dargelegt hat, die hierfür Veranlassung gegeben haben, hergeleitet, daß die Gemeinschuldnerin Anfang Dezember 1993 überschuldet war. In der Richtigkeit dieser Beurteilung hat es sich durch die im Rechtsstreit vorgelegten Jahresbilanzen der Gesellschaft zum 31. Januar 1992 und zum 31. Januar 1993 bestätigt gesehen und hat es deswegen abgelehnt, auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 1999 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
2. Mit Recht macht die Revision geltend, daß diese Beurteilung nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei ist, ohne daß sich allerdings deswegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei Anfang Dezember 1993 überschuldet gewesen, aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen im Ergebnis als unzutreffend erweist.

a) Schon im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht beachtet,
daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 125, 141, 146; Urt. v. 12. Juli 1999 - II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524; zuletzt Urt. v. 18. Dezember 2000 - II ZR 191/99 z.V.b.) das Vorhandensein einer Überschuldung nicht auf der Grundlage einer fortgeschriebenen Jahresbilanz, mag deren negativem Ergebnis auch indizielle Bedeutung beikommen können, festgestellt werden kann, sondern daß es hierzu grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz bedarf, in welcher die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind.

b) Auf die Erstellung einer derartigen Überschuldungsbilanz kann auch bei einer GmbH, die lediglich als Betriebsgesellschaft fungiert, ohne eigenen Grundbesitz ist und ihre Produkte im wesentlichen mit Hilfe gemieteter oder gepachteter Maschinen herstellt, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Denn auch eine solche Gesellschaft kann im Einzelfall über eigenes Vermögen verfügen , das in der Jahresbilanz nicht mit den aktuellen Werten erfaßt worden ist, also stille Reserven enthält. Das hat auch das Berufungsgericht, wenn auch von anderem Ausgangspunkt aus, nicht verkannt und zugunsten des insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Sen.Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648) als richtig unterstellt, daß der Verkehrswert der mit einem Buchwert von gut 490.000,-- DM erfaßten Gegenstände des Anlagevermögens um mindestens 650.000,-- DM höher anzusetzen ist.

c) Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten des Beklagten das Vorhandensein stiller Reserven in dieser Höhe für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Von den zum 31. Januar 1993 ermittelten Zahlen ausgehend beträgt nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen das Maß der Überschuldung an dem im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt von Anfang Dezember mindestens 622.053,18 DM, wie ihn das Berufungsgericht - allerdings nicht rechtsfehlerfrei - schon für den 31. Januar 1993 als beste-
hend angenommen hat.
aa) Schon der Beklagte selbst hat nicht geltend gemacht, daß sich bei der grundsätzlich gebotenen Erstellung einer die aktuellen Verkehrswerte ausweisenden Überschuldungsbilanz Vermögenswerte finden ließen, die das Maß des in der Jahresbilanz ausgewiesenen Fehlbetrages über die oben behandelten stillen Reserven hinaus mindern würden.
bb) Das Maß der Überschuldung ist - anders als die Revision meint - auch nicht deswegen unrichtig ermittelt worden, weil das Berufungsgericht bei seiner Prüfung der Überschuldung bezogen auf den Monat Dezember 1993 von einem zu hohen Betrag der Passiva ausgegangen ist, indem es auch die Verbindlichkeiten aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen als Passiva angesetzt hat. Zwar durfte das mit einer Rangrücktrittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen von November 1992 entgegen der Verfahrensweise des Berufungsgerichts nicht als Passivum erfaßt werden, so daß die Annahme , es habe bereits zum Ende des Geschäftsjahres 1992/93 eine Überschuldung bestanden, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Zu seinen Gunsten kann der Beklagte hieraus jedoch deswegen nichts herleiten, weil an Stelle des aus dem Überschuldungsstatus herauszunehmenden Gesellschafterdarlehens vom November 1992 für den hier zu prüfenden Zeitpunkt das im Mai 1993 gewährte, zweifelsfrei eigenkapitalersetzend wirkende, nicht mit einem Rangrücktritt versehene Gesellschafterdarlehen von 1 Mio. DM getreten ist und weil diese Verbindlichkeit ebenso wie die seitens der Beklagten zu 3 durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Mietschulden von knapp 691.000,-- DM in der Überschuldungsbilanz zu erfassen waren. Auf die zwischen den Parteien umstrittene und von dem Berufungsgericht nicht geklärte Frage, ob die Gemeinschuldnerin im Laufe des Jahres 1993 weitere Verluste von mehr als 900.000,-- DM erwirtschaftet hat, kommt es danach
ebenso wenig an, wie auf die bilanziellen Auswirkungen der mit Abfindungen in Millionenhöhe verbundenen Umstrukturierungsmaßnahmen des Jahres 1993.
(1) Die Frage, ob die Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Gesellschafterleistungen in der Überschuldungsbilanz als Passiva zu erfassen sind, ist nicht nur unter der Herrschaft der InsO umstritten, sie ist schon unter der Geltung des hier einschlägigen früheren Rechts nicht einheitlich beantwortet worden (vgl. nur Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 253 ff.; Fleck, FS Döllerer S. 109, 122 ff.; Kleindiek in v.Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts 2000, S. 202 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 ff.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rdnr. 18 je mit eingehender Dokumentation; speziell zur Rechtslage unter der Geltung der InsO Altmeppen, ZHR 164 [2000], 349 ff.; Rowedder, GmbHG 3. Aufl. § 63 Rdnr. 14; GK-AktG/Habersack, 4. Aufl. § 92 Rdnr. 57; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 92 Rdnr. 11; Lutter, ZIP 1999, 641 ff.; Pape in Kübler/Prütting, InsO § 19 Rdnr. 14; HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rdnr. 26; FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl. § 19 Rdnr. 18; Hess, InsO § 19 Rdnr. 36). Im Schrifttum im Vordringen war dabei die Auffassung , die sich gegen eine Passivierung aussprach. Begründet wurde dies mit dem Sinn der Überschuldungbilanz festzustellen, ob das Gesellschaftsvermögen ausreiche, alle außenstehenden Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen; da in dieser Lage die Gesellschafter Leistungen auf ihre in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Hilfen ohnehin nicht fordern dürften, seien deren Forderungen auch in der Überschuldungsbilanz nicht zu erfassen (vgl. etwa Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 63 Rdnr. 46 a; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 c; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18, der allerdings für Zweifelsfälle die Bildung einer Rückstellung fordert; ähnlich Fleischer, ZIP 1996, 773, 778 f. und Noack, FS Claussen S. 307, 314 f.; ferner OLG München, NJW 1994, 3112 m. abl. Anm. von Wolf,
DB 1995, 2277). Diese Gleichsetzung von funktionalem und statutarischem Eigenkapital führt zu einer vorrangigen Berücksichtigung des Erhaltungsinteresses der Mitgesellschafter des betroffenen Gesellschafters, es belastet in Grenzfällen jedoch den Geschäftsführer mit den schadenersatzrechtlichen (§ 64 GmbHG) und strafrechtlichen (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) Risiken der ihm abverlangten Entscheidung, ob jene Gesellschafterleistung als eigenkapitalersetzend einzustufen und ob demgemäß von der Stellung des Insolvenzantrags Abstand zu nehmen ist. Nicht zuletzt das Anliegen, den Geschäftsführer hiermit nicht zu belasten, sondern für zweifelsfreie und rechtssichere Verhältnisse zu sorgen, bewegt neben anderen Gründen die Vertreter der Gegenansicht dazu, grundsätzlich die Einstellung eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz zu verlangen (vgl. etwa Scholz/K.Schmidt, GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a/32 b Rdnr. 63; ders. GmbHR 1999, 9, 15 f.; Priester, ZIP 1994, 413, 416; Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz 2. Aufl. Rdnr. 610; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Fn. 77; Fastrich, FS Zöllner S. 143, 159 ff.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 615, 617).
(2) In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Vorbelastungs - und Jahresbilanz (BGHZ 124, 282) wird allerdings allgemein angenommen , daß sich die Frage der Passivierung von Gesellschafterforderungen mit eigenkapitalersetzendem Charakter auch beim Überschuldungsstatus dann nicht stellt, wenn der betreffende Gesellschafter seinen Rangrücktritt, also sinngemäß erklärt hat, er wolle wegen der genannten Forderungen erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (mißverständlich Uhlenbruck aaO Rdnr. 613). Stellt sich der Gesellschafter in dieser Weise wegen seiner Ansprüche aus einer in funktionales Eigenkapital
umqualifizierten Drittleistung auf dieselbe Stufe, auf der er selbst und seine Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagen stehen, besteht keine Notwendigkeit , diese Forderungen in den Schuldenstatus der Gesellschaft aufzunehmen. Einer darüber hinausgehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere eines Verzichts auf die Forderung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/2443 S. 115 reSp) bedarf es nicht. Denn durch ihn würden - den allerdings nicht naheliegenden Fall der Überwindung der Krise oder des Vorhandenseins eines Liquidationsüberschusses unterstellt - ausschließlich die Mitgesellschafter begünstigt , während die Interessen der außenstehenden Gläubiger durch die beschriebene Rangrücktrittserklärung ebenso gewahrt worden sind, wie dem Wunsch der Gesellschafter, die GmbH erhalten zu können, Rechnung getragen worden ist (vgl. in diesem Sinn z.B. Kleindiek aaO S. 209 f. m.w.N.; Uhlenbruck aaO Rdnr. 612 f. m.w.N.; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Rdnr. 58 f.; Hüffer aaO § 92 Rdnr. 11).
(3) Von dieser Ausnahme einer seitens des Gesellschafters abgegebenen Rangrücktrittserklärung abgesehen hält der Senat auch für den Überschuldungsstatus die Passivierung solcher Gesellschafterforderungen für erforderlich , die wegen ihres eigenkapitalersetzenden Charakters in der durch die Notwendigkeit der Prüfung der Überschuldungssituation gekennzeichneten Krise nicht bedient werden dürfen.
Derartige Gesellschafterforderungen verlieren nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (BGHZ 140, 147, 153 m.w.N.) ihren Charakter als Verbindlichkeiten nicht; ebenso wenig wie sie mit dem Eintritt der Krise erlöschen , werden sie automatisch in dieser Situation zu statutarischem Eigenkapital. Die Umqualifizierung der von dem Gesellschafter als Drittem gewährten Leistung in funktionales Eigenkapital und das Eingreifen der von der Rechtsprechung entwickelten Eigenkapitalersatz- und der sog. Novellenregeln
(§§ 32 a und b GmbHG) hat lediglich zur Folge, daß der Gesellschafter während der Dauer der Krise seine Forderungen gegen die GmbH nicht durchsetzen darf. Nach Überwindung der Krise ist er jedoch nicht gehindert, die aus seiner Drittgläubigerstellung folgenden Rechte gegen die Gesellschaft - und zwar auch hinsichtlich der Rückstände (BGHZ 140, 147, 153) - zu verfolgen. Im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern verliert er auch im Falle der Insolvenz der Gesellschaft diese Stellung als Gesellschaftsgläubiger nicht und kann deswegen - sofern nach Befriedigung aller anderen Gläubiger der Gesellschaft ein zu verteilender Betrag verbleibt - die bis dahin in der Durchsetzung gehemmten Ansprüche mit Vorrang vor den Forderungen der Mitgesellschafter bei der Verteilung des Liquidationserlöses geltend machen. Diese schon nach dem hier maßgeblichen früheren Recht geltenden Regeln sind in dem neuen Insolvenzrecht nunmehr in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausdrücklich niedergelegt worden.
Bereits dieser Umstand, daß auch die zeitweise nicht durchsetzbaren, weil den Eigenkapitalersatzregeln unterworfenen Gesellschafterforderungen ihren Charakter als Verbindlichkeiten der Gesellschaft beibehalten, spricht für ihren Ausweis in der Überschuldungsbilanz. Es kommt hinzu, daß das von den sich gegen eine Passivierung dieser Ansprüche aussprechenden Stimmen besonders betonte Erhaltungsinteresse der Gesellschafter (vgl. etwa Lutter/Hommelhoff aaO § 64 Rdnr. 17 a und 17 b) gegenüber dem Interesse der Gläubiger und der Allgemeinheit an einer auf rechtssicherer Grundlage getroffenen Entscheidung über die Insolvenzreife keinen Vorzug verdient. Wenn nicht die Gesellschaft ohnehin in einer so desolaten Lage ist, daß es für die Frage ihrer Überschuldung auf die Passivierung der Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Leistungen nicht mehr ankommt, haben es die Gesellschafter, denen an der Erhaltung der GmbH gelegen ist, in der Hand, durch Abgabe der oben näher beschriebenen Rangrücktrittserklärung deutlich
zu machen, daß sie jedenfalls für die Dauer der Krise auf ihre Position als Drittgläubiger verzichten. In den Grenzfällen erhält der Geschäftsführer eine zweifelsfreie und rechtssichere Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung , ob die Gesellschaft überschuldet ist und er den Insolvenzantrag stellen muß. Diese Entscheidung dem Gesellschafter abzuverlangen und mit ihr und ihren schadenersatz- und strafrechtlichen Konsequenzen nicht den Geschäftsführer zu belasten, ist auch deswegen angezeigt, weil mit ihr der Gesellschafter klarstellt, daß er die Forderung nicht in Konkurrenz zu den außenstehenden Gläubigern geltend machen, sondern seine Hilfeleistung fortsetzen und verstärken und dadurch erreichen will, daß die Gesellschaft die Chance der Krisenüberwindung bewahrt. Trifft er diese Entscheidung nicht, so gibt er der Hoffnung, als nachrangiger Gesellschaftsgläubiger wenigstens einen Teilbetrag seiner Gesellschafterhilfe zurückzuerhalten, den Vorrang und läßt es damit zu, daß die GmbH in die Insolvenz geführt wird.
Für den Geschäftsführer bedeutet dies die Befreiung von den - trotz einer ausgedehnten Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nach wie vor bestehenden (K.Schmidt, GmbHR 1999, 9, 15; a.A. Hachenburg/Ulmer aaO § 63 Rdnr. 46 a; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18; Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 262 f.; Fleischer, ZIP 1996, 773, 776) - Unwägbarkeiten , ob eine Gesellschafterdrittleistung den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt oder nicht; er kann den betreffenden Gesellschafter zur Abgabe einer Rangrücktrittserklärung auffordern und hat die Forderungen des Gesellschafters als Verbindlichkeiten zu passivieren, sofern er eine solche Ä ußerung nicht erhält.
(4) Da danach zwar das Darlehen über 1 Mio. DM vom November 1992 mit Rücksicht auf den erklärten Rangrücktritt nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen war, wohl aber das gleich hohe, nicht mit einer Rangrück-
trittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen vom Mai 1993 und auch die "stehen gelassenen" Mietschulden in Höhe von rund 691.000,-- DM passiviert werden mußten, hat das Berufungsgericht - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die allerdings im wieder eröffneten Berufungsverfahren ggfs. ergänzt werden können - im Ergebnis zutreffend das Vorhandensein einer Überschuldung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt bejaht.
II. Die Ausstellung und Begebung des Schecks über 119.254,-- DM durch den Beklagten in dieser Überschuldungssituation der Gemeinschuldnerin hat das Berufungsgericht als eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht in Einklang stehende Verhaltensweise (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) angesehen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht, weil das Berufungsgericht den Sachvortrag des Beklagten, aus dem er herleiten will, daß er sich ordnungsgemäß verhalten hat, nicht vollständig geprüft hat.
1. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird allerdings vermutet, daß er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184 f. [unter II 1. b]; Urt. v. 1. März 1993 - II ZR 81/94 [früher: 61/92], ZIP 1994, 841; Urt. v. 11. September 2000 - II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896 f.). Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG auszurichten, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der
Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143 aaO; Urt. v. 11. September 2000 aaO). Soweit Leistungen des Geschäftsführers in der Insolvenzsituation eine Masseverkürzung nicht zur Folge haben oder soweit durch sie im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdnr. 42; Baumbach /Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 73), kann deswegen das Verschulden nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausnahmsweise zu verneinen sein. Dagegen ist das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch die genannte Leistung einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. Mai 2000 - VI ZR 90/99, ZIP 2000, 1339), zu entziehen, kein im Rahmen des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müßte in einem solchen - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Pflichtenkollision das deliktische Verschulden verneint werden, wenn sich der Geschäftsführer - gemessen am Maßstab der dem Interesse der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialvorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält.
2. Daß die von dem Beklagten veranlaßte Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 nach diesen Grundsätzen als schuldhafter Verstoß gegen die Masseerhaltungspflicht des § 64 Abs. 2 GmbHG einzustufen ist, hat das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt.

a) Sollte nämlich, wie der Beklagte geltend gemacht hat, zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 trotz der jahrelangen gegenteiligen Verfahrensweise keine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestanden haben, hätte der Beklagte auf eine eigene Steuerverbindlichkeit der Gemeinschuldnerin geleistet. Jedenfalls dann, wenn diese Zahlung in derselben Höhe auch im Konkursverfahren hätte geleistet werden müssen,
würde es an der Masseverkürzung fehlen, welche die tatbestandliche Voraussetzung für den geltend gemachten Ersatzanspruch ist. Das hängt u.a. von der nach der Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse und der Höhe der ggfs. vor der Steuerschuld zu berichtigenden vorrangigen Forderungen anderer Gesellschaftsgläubiger ab. Tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen.
Sollte sich erweisen, daß es durch die Leistung des Beklagten zu einer Masseverkürzung gekommen ist, weil das Finanzamt dem Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider vorrangig vor anderen Gesellschaftsgläubigern Befriedigung erlangt hat, kann der Beklagte seiner Haftung nicht mit der Erwägung begegnen, er habe durch sein Vorgehen seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 69 AO begegnen wollen. Einer derartigen Haftung war er schon nach den einschlägigen steuerrechtlichen Regeln nicht ausgesetzt. Denn danach war er, unabhängig von der Frage, ob die von ihm bewirkte Umsatzsteuervorauszahlung zu den vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten zu erfüllenden Gesellschaftsschulden gehört hat (vgl. Klein/Rüsken, AO 7. Aufl. § 69 Rdnr. 38 m.w.N.), jedenfalls überhaupt nicht verpflichtet, in der Insolvenzsituation Zahlungen an das Finanzamt zu erbringen. Der Gefahr, nach § 69 AO belangt zu werden, setzte er sich allein dann aus, wenn er den das Abgabenrecht prägenden Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzte, also andere Gesellschaftsgläubiger vor dem Steuerfiskus bevorzugt bediente (BFH, Urt. v. 2. März 1993 - VII R 90/90, BFH-NV 1994, 526, 527; Beermann, DStR 1994, 805, 808 f.; Klein/Rüsken aaO § 69 Rdnr. 39 m.w.N.; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 69 Rdnr. 14, 45).

b) Falls dagegen - wie die Parteien bis kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug übereinstimmend vorgetragen haben - zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden hat, könnte der Beklagte keinesfalls mit seiner Ansicht
durchdringen, er habe den in § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG niedergelegten Sorgfaltsmaßstab gewahrt. Denn dann wäre nicht die Gemeinschuldnerin, sondern allein die Beklagte zu 3 als Organträgerin Steuerschuldnerin gewesen. Durch die - den seinerzeit angeblich getroffenen Abreden folgende - Zahlung der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt wäre dann einerseits die Steuerschuld der Beklagten zu 3 beglichen, zugleich aber auch deren gegenüber der GmbH bestehender Aufwendungsersatzanspruch erfüllt worden. Mit der von dem Beklagten veranlaßten Bezahlung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober wäre danach dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider die Organträgerin wegen ihres Aufwendungsersatzanspruchs vor allen anderen Gesellschaftsgläubigern - das endgültige Bestehen einer Umsatzsteuerschuld unterstellt - masseverkürzend befriedigt worden. Dafür, daß der Beklagte in der geschehenen Weise handeln mußte, um einer Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin nach § 73 AO zu entgehen, weil die Beklagte zu 3 als Organträgerin außerstande war, die Steuerschuld zu erfüllen, gibt der Parteivortrag nichts her, abgesehen davon, daß die Inanspruchnahme der Organgesellschaft als Haftungsschuldnerin von einer entsprechenden Ermessensausübung (§ 191 AO, vgl. dazu Boeker aaO § 73 Rdnr. 22 ff.) seitens des Finanzamts abhängig ist. Auch in diesem Zusammenhang könnte sich der Beklagte jedenfalls nicht darauf berufen, er habe zur Abwendung seiner eigenen Haftung nach § 69 AO gehandelt, weil auch insofern der oben erörterte Grundsatz der anteiligen Tilgung anwendbar wäre und er nur für eine Bevorzugung einzelner Gläubiger gegenüber dem Steuerfiskus einstehen müßte.

c) Demgemäß kommt es ggfs. darauf an, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgelegen hat.
Bei einer Betriebsaufspaltung, wie sie hier zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin vorhanden war, fordert die finanzgerichtliche
Rechtsprechung (BFHE 172, 541; Boeker aaO § 73 Rdnr. 12; Klein/Rüsken aaO § 73 Rdnr. 5), daß das überlassene Betriebsgrundstück für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft "besonders gestaltet, ihrem Betriebsablauf angepaßt und dafür nach Lage, Größe und Bauart und Gliederung besonders zugeschnitten ist". Daß diese Voraussetzung hier erfüllt ist, nachdem der seit 1981 von der Gemeinschuldnerin geführte Betrieb schon vorher jahrzehntelang auf demselben mit Produktionshallen, Maschinen usw. ausgestatteten Gelände betrieben worden war, läßt sich mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 28. Januar 1999 - V R 32/98, DStR 1999, 497 f.) kann entgegen der von dem Beklagten im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht auch nicht ohne nähere tatrichterliche Prüfung ausgeschlossen werden, daß es an der für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung, nämlich einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin fehlt. Denn eine solche organisatorische Eingliederung wird bereits dann angenommen , wenn durch die Personenidentität der Geschäftsführungsorgane in beiden Gesellschaften sichergestellt ist, daß "eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet".
III. Die danach gebotene Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht - ggfs. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die Gelegenheit , die fehlenden Feststellungen zu treffen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. § 64 Abs. 2 GmbHG ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, keine Schadenersatznorm, sondern enthält einen Ersatzanspruch eigener Art (Sen.Urt. v. 18. März 1974 - II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 f.; vgl. auch BGHZ
143, 184 ff. = ZIP 2000, 184). Er ist seiner Natur nach darauf gerichtet, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Diesem Zweck widerspräche es, könnte der Geschäftsführer , der dem Verbot des § 64 GmbHG zuwider masseverkürzende Leistungen erbracht hat, auf andere Möglichkeiten der Rückführung der ausgezahlten Beträge (BGHZ 131, 325 ff.) verweisen oder den Erstattungsanspruch im voraus um den zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht feststellbaren Betrag kürzen, den der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte (a.A. Roth/Altmeppen aaO § 64 Rdnr. 26; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 76) oder - wie der Beklagte meint - sich gar mit einer bloßen Sicherstellung bis zum Abschluß des Insolvenzverfahrens begnügen. Vielmehr kann der Zweck der Vorschrift nur dadurch erreicht werden, daß der Geschäftsführer den ausgezahlten Betrag ungekürzt erstattet. Damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse kommt, ist ihm in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen; dabei deckt sich der ihm zustehende Anspruch nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 29. November 1999 (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184, 186) etwas anderes entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten.
2. Sollte sich auf Grund der erneuten Verhandlung ergeben, daß hinsichtlich der von der Gemeinschuldnerin bewirkten Umsatzsteuervorauszahlung ein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt besteht, kann der Beklagte von dem Kläger in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ggfs. Abtretung dieser Forderung Zug um Zug gegen Erfüllung des geltend gemachten Ersatzanspruchs verlangen.
Falls die Beklagte zu 3 dagegen bereits jene 119.254,-- DM vom Finanzamt erstattet bekommen haben sollte, hätte der Kläger gegen sie - gleichgültig ob eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorgelegen hat oder nicht - einen Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch, den er in gleicher Weise an den Beklagten abzutreten hätte.
3. Die hilfsweise - auf Grund der Unterstellung, es liege eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 vor - erklärte Aufrechnung mit den der Beklagten zu 3 zustehenden Erstattungsforderungen wegen der von dem Kläger vereinnahmten Umsatzsteuerrückzahlungen von zusammen 101.372,30 DM für die Monate November und Dezember 1993 greift nicht durch. Es fehlt schon an dem Vortrag, daß die Beklagte zu 3 überhaupt jene Vorauszahlungen aus ihrem Vermögen geleistet hat. Außerdem ist nicht behauptet worden, die Beklagte zu 3 habe ihren etwaigen Erstattungsanspruch gegen den Kläger an den Beklagten abgetreten und dieser
habe sich ihrer Aufrechnungserklärung angeschlossen. Jedenfalls scheitert die Aufrechnung bereits an § 55 Nr. 2 KO. Denn der Beklagte ist vor Eröffnung des Verfahrens nach § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig geworden, während der Steuererstattungsanspruch, dessen sich die Beklagte zu 3 berühmt, erst nach der Konkurseröffnung, nämlich Ende des Jahres 1994 entstanden ist.
Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.